Stürmische Begegnung, sinnliche Umarmung

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"Was machen Sie in meinem Haus?" Die raue Stimme an ihrem Ohr, ein starker Arm, der sie hält, Muskeln und ein maskuliner Duft - Willow ist atemlos! Das muss Tate Kingston sein, der Besitzer des sagenumwobenen Sabatini-Hauses, in dem sie den Sommer über als Haushälterin arbeiten wird. Hält er sie für eine Einbrecherin? Selbst als Willow den Irrtum aufgeklärt hat, kann sie nicht vergessen, wie gut sich Tates Nähe anfühlt. Auch wenn er nie erfahren darf, warum sie den Job überhaupt angenommen hat …


  • Erscheinungstag 07.08.2018
  • Bandnummer 2040
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722050
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Sabatini-Haus! Endlich!

Durch die regennasse Windschutzscheibe starrte Willow Harden auf das beeindruckende Gebäude, das mehr einem Schloss als einem normalen Haus glich. Das schwere Gewitter mit Blitz und Donner und gewaltigen Sturmböen verlieh dem Gebäude etwas Dunkles, Mysteriöses.

Leider hatte die Gegensprechanlage nicht funktioniert, und so stand Willow jetzt vor der prächtigen Haustür und überlegte, was sie tun sollte. Murdoch hatte ihr zwar den Schlüssel für eine Seitentür gegeben, aber sie hatte Hemmungen, ihn zu benutzen.

Schon seit einigen Jahren war Willow von dem Sabatini-Haus fasziniert, eigentlich seit sie im Tagebuch ihrer Urgroßmutter den Namen der damaligen Besitzer gefunden hatte. Der Familie Kingston gehörte das Anwesen wohl auch heute noch.

Über die Geschichte des Sabatini-Hauses hatte die Urgroßmutter leider so gut wie nichts aufgeschrieben, was Willows Neugier nur noch steigerte. Auch in alten Zeitungsartikeln hatte sie sehr wenig über das Haus gefunden – lediglich, dass es von einem spanischen Piraten für seine Geliebte gebaut worden sein sollte. Es war offenbar über einer unterirdischen Höhle errichtet worden, die vom Meerwasser geflutet wurde und so einen natürlichen Pool bildete. Willows Urgroßmutter hatte diese Höhle mit eigenen Augen gesehen, wenn auch nur ein einziges Mal, als sie sich heimlich unter die Gäste einer großen Party gemischt hatte. Da sie selbst von Seeräubern abstammte, hielt sie das irgendwie für ihr Recht.

Von außen wirkte das Haus mit seinen Türmchen und Erkern wirklich wie ein verwunschenes Schloss. Wie es wohl innen aussah? Willow hatte keinerlei Fotos oder andere Unterlagen finden können. Der jetzige Besitzer lebte total zurückgezogen und ließ niemanden ins Haus. Mit zwei Ausnahmen: Murdoch Evans, seinen Verwalter, ein echtes Faktotum, und, wenn nötig, einen vertrauenswürdigen Handwerker.

Bis heute.

Willow holte tief Luft und zog ihren Regenmantel fester um sich. Das bisschen Regen sollte ihr nichts ausmachen. Sie musste irgendwie in das Gebäude hineinkommen. Je eher sie sich dort eingerichtet hatte, desto eher konnte sie versuchen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Das war es, was sie im Grunde an dem Haus faszinierte. Und an den Kingstons. Denn was damals vor Generationen in jener verhängnisvollen Nacht geschehen war, könnte auch für ihr eigenes Schicksal von Bedeutung sein.

Sollte sie den Schirm mitnehmen? Das wäre vermutlich nicht sehr sinnvoll. Er würde in dem starken Wind sofort umklappen. Also biss sie die Zähne zusammen, zählte bis drei, öffnete die Wagentür und rannte zu der Seitentür, für die Murdoch ihr einen Schlüssel mitgegeben hatte. Da er seine Tochter und das neugeborene Enkelkind während des Sommers in Florida besuchen wollte, brauchte er jemanden, der ihn vertrat, der kochte und putzte. Willow und Murdoch kannten sich relativ gut, da sie ihn immer wieder wegen der Geschichte des Hauses gelöchert hatte. Also hatte er sie gefragt, ob sie nicht für ihn einspringen wolle. Genau in der Zeit hatte sie Semesterferien, und nach dem Sommerjob konnte sie wieder am College unterrichten. Also hatte sie zugesagt.

Und das, ohne den Mann auch nur gesehen zu haben, für den sie arbeiten würde! Das schien ihr damals nicht von Bedeutung zu sein, aber jetzt war ihr doch ziemlich mulmig zumute.

Eigentlich hatte sie bereits am Nachmittag ankommen sollen, aber das heftige Gewitter hatte alles verzögert. In strömendem Regen hatte sie ihr Auto beladen, denn sie wollte doch so einiges mitnehmen, auch wenn sie vorhatte, sonntags immer nach Hause zu fahren. Als sie schließlich hinter dem Lenkrad saß, waren sie und ihr Gepäck vollkommen durchnässt gewesen. Und die Fahrt selbst hatte auch viel länger gedauert als geplant.

Das Haus in Savannah, Georgia, in dem sie mit ihren Schwestern lebte, lag eigentlich nur eine Dreiviertelstunde Autofahrt von der Insel entfernt. Aber wegen der schlechten Sicht und des starken Gegenwinds hatte sie mindestens doppelt so lange gebraucht. Nun war es schon dunkel, als sie endlich vor dem Sabatini-Haus stand. Und da bei dem Gewitter auch noch der Strom ausgefallen war, hatte sie Mr. Kingston noch nicht einmal wegen ihrer Verspätung Bescheid geben können.

Der Schlüssel zur Seitentür passte. Mit klopfendem Herzen trat Willow ins Haus. Irgendwie war es ihr unangenehm, auf diese Weise anzukommen. Aber Murdoch hatte ihr erklärt, dass Mr. Kingston generell die Klingel abstellte, weil er nicht gestört werden wollte. Vorsichtig schloss sie die Tür und sah sich um. Dabei fiel ihr Blick auf die Alarmanlage, die nicht leuchtete und wegen des Stromausfalls offensichtlich nicht funktionierte.

„Hallo! Hallo, Mr. Kingston!“

Keine Antwort. Was angesichts der krachenden Donnerschläge kein Wunder war. Es sei denn, er war ganz in der Nähe. Wieder hatte sie ein schlechtes Gewissen, einfach so einzudringen. Aber Murdoch hatte ihr erklärt, dass es auf der Insel keinen Handyempfang gab. Wenn der Strom ausfiel, war alles stockdunkel, und nichts ging mehr.

Hoffentlich war Mr. Kingston nichts passiert. Sie musste ihn unbedingt suchen. Allein in diesem alten Haus mit steilen Treppen war er nicht sicher.

Was für ein Mann er wohl war, dass er so zurückgezogen lebte? Hatte er keine Familie? Aber das ging sie im Grunde nichts an.

Auf Zehenspitzen ging sie langsam durch den leeren Raum. „Mr. Kingston!“, rief sie wieder. „Ich bin es, Willow, Ihre neue Haushälterin!“

Ihr war, als würde ihre Stimme von der Dunkelheit und dem prasselnden Regen verschluckt. Im Licht der Taschenlampe sah sie, dass sie sich offenbar in einem Vorraum befand, in dem Gummistiefel und Regenmäntel aufbewahrt wurden. Vorsichtig öffnete sie eine Tür und stand in einer modernen Küche. Stimmt, Murdoch hatte erwähnt, dass die Küche vor fünf Jahren modernisiert worden war. An einer Wand des lang gestreckten Raumes befanden sich schmale hohe Bogenfenster. Hin und wieder wurde die Küche von gleißenden Blitzen erhellt.

Willow stieß die Tür am Ende des Raums auf und gelangte in einen breiten Flur. „Mr. Kingston? Mr. Kingston!“ Noch immer keine Antwort. Die Dunkelheit machte ihr zu schaffen, aber mehr noch der Gedanke, dass der Herr des Hauses keine Ahnung von ihrer Anwesenheit hatte. Hoffentlich ging es ihm gut. So ein Gewitter setzte gerade älteren Leuten schnell zu.

Hoffentlich war er nicht verärgert, dass sie einfach in sein Haus eingedrungen war. Murdoch hatte zwar nicht erwähnt, dass sein Boss gebrechlich war, aber in dieser Finsternis konnte allerlei passieren. Mr. Kingston hätte stolpern und fallen, sich verletzen, ja, sich sogar eine Gehirnerschütterung zuziehen können. Vielleicht lag er schon seit Stunden hilflos und blutend auf dem Boden. Da das Telefon nicht funktionierte, hatte er auch keine Hilfe herbeirufen können. Ein schrecklicher Gedanke.

Zögernd ging sie den Flur entlang, wobei sie in jedes Zimmer leuchtete, an dem sie vorbeikam. Die meisten Türen standen offen. Manche Räume waren vollkommen leer, in anderen standen Möbel, durch weiße Laken vor dem Staub geschützt. Lediglich ein Zimmer war wie ein Wohnraum eingerichtet, mit teuer aussehenden antiken Möbeln. Trotzdem wirkte es, als würde es nie benutzt.

Auch die Küche hatte ziemlich unberührt ausgesehen. Hätte Willow es nicht besser gewusst, hätte sie geglaubt, das Haus sei unbewohnt. Aber sie war absolut sicher, dass Mr. Kingston irgendwo sein musste.

Langsam wurde ihr unheimlich zumute. Was sollte sie bloß tun? Das Heulen des Sturms übertönte ihre Rufe und ihre Schritte. Schließlich mündete der Flur in eine runde Halle, die über zwei Stockwerke ging. Eine breite geschwungene Treppe führte nach oben. Willow blickte hinauf. Auch dort war kein Lichtschein zu sehen. Aber es gab ja auch keinen Strom.

Ihr fröstelte. „Mr. Kingston!“, versuchte sie es wieder, und diesmal warfen die hohen Wände ihre Stimme wie ein Echo zurück. Sie zuckte zusammen. Sicher, sie musste ihn finden, aber hier in einem fremden Haus herumzuschreien war auch irgendwie peinlich.

Plötzlich hörte sie ein leises Geräusch, so als sei etwas zu Boden gefallen. „Hallo! Ist da jemand?“

Keine Antwort.

Langsam drehte sie sich um die eigene Achse und versuchte, so gut es ging, den großen Raum auszuleuchten. Viele Türen gingen davon ab. Mutlos ließ sie die Schultern hängen. Wo sollte sie nach Mr. Kingston suchen?

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, so spät noch hier aufzukreuzen. Das Haus, auf das sie so neugierig gewesen war, wurde ihr immer unheimlicher.

Ein leises metallisches Rasseln ließ sie zusammenfahren. Was war das? Fensterläden? Vorsichtig machte sie ein paar Schritte in die Halle hinein. Die Schlafzimmer lagen ja wahrscheinlich oben. Vielleicht sollte sie mal im ersten Stock nachsehen? Bestimmt hatte er da sein Zimmer. Wenn sie doch nur irgendwo Licht machen könnte. Da auf der Insel so oft der Strom ausfiel, gab es doch sicher irgendwo Laternen oder zumindest Kerzen und Streichhölzer.

Oder sogar einen Generator? Hatte Murdoch in seinen Notizen einen Generator erwähnt? Sie konnte sich nicht erinnern. Aber egal, wenn Mr. Kingston ins Bett gegangen war, hatte er den Generator sowieso nicht mehr in Betrieb gesetzt.

Ihre nassen Sneakers machten quietschende Geräusche auf den Fliesen. Schließlich stand sie am Fuß der Treppe und blickte nach oben. Sie legte die Hand auf das glatte hölzerne Geländer und betrat vorsichtig die leuchtend blauen Fliesen, die perlmuttern schimmerten. Sie leuchtete nach oben, und ihr Herz schlug plötzlich wie verrückt. Hatte sich da auf dem Treppenabsatz nicht etwas bewegt? Vor Schreck ließ sie die Taschenlampe fallen, die nach unten polterte. „Hallo, ist da jemand?“

Sie ging ein paar Stufen hinunter, und als sie sich bückte, um die Taschenlampe aufzuheben, legte sich ihr plötzlich ein starker Arm um den Hals und presste sie gegen einen warmen, muskulösen Körper. Ein Mensch … ein großer Mann!

Der Arm schnürte ihr fast die Luft ab. Dann zischte eine scharfe tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr: „Was fällt Ihnen ein, in mein Haus einzudringen?“

Wie ein Feuerstoß schoss das Adrenalin durch Tate Kingstons Adern. So einen Schub hatte er schon lange nicht mehr verspürt. Die Schritte in der Halle hatte er trotz des Regensturms gehört. Sofort hatte er mit skrupellosen, brutalen Einbrechern gerechnet. Was hätte einem berühmten Autor von Horrorstorys auch sonst einfallen sollen? Allerdings war bisher noch nie jemand hier eingedrungen, zumindest nicht, solange er in diesem Haus wohnte, und das war fast sein ganzes Leben lang.

Auf Zehenspitzen schlich er die Treppe hinunter, und da sah er ihn, einen jungen Mann, der die Halle betrat, sicher kaum zwanzig Jahre alt. Tate verhielt sich ganz still, bis der junge Mann zögernd die Treppe heraufkam, sich dann aber umdrehte, um seine Taschenlampe aufzuheben. Da hatte Tate zugepackt.

Doch zu seiner großen Überraschung war es eindeutig eine Frau, die er jetzt mit hartem Griff an sich presste. Sie reichte ihm nur bis zum Halsansatz und zitterte vor Angst. Das wunderte ihn nicht, schließlich wäre es ihm genauso gegangen, wenn er in einem Haus überrascht worden wäre, das er für leer hielt.

Dieses allerdings war bewohnt.

Er drückte ihr den kräftigen Unterarm gegen das Schlüsselbein, lockerte den Griff aber dann doch ein wenig. Sonst hetzte diese Person ihm vielleicht noch eine Klage wegen Körperverletzung auf den Hals.

„Ich habe Sie etwas gefragt“, sagte er langsam und betonte dabei jedes Wort. „Was wollen Sie hier in meinem Haus?“

„Ihr Haus?“, stieß sie leise und atemlos hervor. Hatte sie Angst? Sehr gut. Dann würde sie es sich bestimmt zweimal überlegen, noch einmal hier einzudringen – allein oder gemeinsam mit ihren Komplizen. „Was meinen Sie damit?“

Unwillkürlich lockerte er den Griff noch etwas mehr, obwohl er fest entschlossen war, auf keinen Fall nachzugeben, was auch immer sie wollte. Aber er musste wissen, was sie vorhatte. „Vielleicht beantworten Sie mir erst mal meine Fragen. Wer sind Sie?“

Ruckartig machte sie sich frei, was ihn überraschte. Aber sie konnte ihm sowieso nicht entkommen, dazu kannte er dieses Haus zu gut. Doch offenbar hatte sie gar nicht die Absicht wegzulaufen. Sie beugte sich vor, hob die Taschenlampe auf und ließ sich seufzend auf einer Stufe nieder. Dann blickte sie von unten zu ihm hoch. „Sie können unmöglich Mr. Kingston sein.“

„Warum nicht?“

„Weil …“ Im Schein der Taschenlampe musterte sie ihn aufmerksam, was ihn irgendwie nervös machte. „Mr. Kingston ist … also, er ist …“

„Was denn?“

Sie schwieg und senkte den Blick.

„Nun hören Sie mir mal gut zu. Mir ist egal, warum Sie hier eingedrungen sind. Aber wenn Sie nicht augenblicklich verschwinden, werde ich die Polizei rufen.“

„Aber ich sollte doch herkommen.“

Was? „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Ich bin die neue Haushälterin.“

Das wird ja immer schöner! „Das kann gar nicht sein.“

Nun war sie es, die ihn erstaunt ansah. „Und warum nicht?“

„Sie können nicht die neue Haushälterin sein.“ Das hätte Murdoch mir nie angetan. Er ließ das starke Licht seiner Taschenlampe über sie gleiten. Sofort registrierte sein Autorengehirn genau, was er sah. Helle glatte Haut, leuchtend rotes Haar und ein dünnes, klatschnasses T-Shirt, das eng anlag und ihre Brüste betonte, die der offene Regenmantel kaum zu verbergen vermochte.

Sie stand auf und straffte sich. „Ich bin die neue Haushälterin. Murdoch hat mich engagiert.“

„Das kann nicht sein. Der Vertretungshausmeister ist ein Mann, und er heißt Will Harden.“

Sie lächelte flüchtig. „Tut mir leid, Sie irren sich. Ich bin es, und mein Name ist Willow Harden.“

Verdammt.

„Eigentlich wollte ich schon früher hier sein“, fuhr sie fort. „Aber bei dem Sturm hat sich alles verzögert. Und als ich hier ankam, war der Strom ausgefallen, und ich hatte Angst, dass Ihnen etwas passiert ist.“

„Was nicht der Fall ist, wie Sie sehen. Ich bin weder alt noch gebrechlich.“ Obwohl ihm an manchen Tagen schon bewusst war, dass er nicht mehr einundzwanzig, sondern achtunddreißig war. „Und Sturm haben wir hier häufiger, darauf bin ich vorbereitet. Deshalb brauchen Sie nicht in mein Haus einzubrechen!“

„Bin ich auch nicht. Murdoch hat mir einen Schlüssel gegeben.“

Das hätte er sich denken können. „Etwa auch den Code für die Alarmanlage?“

„Ja, Sir.“ Willow blickte verschüchtert zu Boden, und Tate wurde klar, dass er auf diese Weise nicht weiterkam. Wenn er Näheres erfahren wollte, musste er freundlicher mit ihr umgehen. Offenbar hatte Murdoch ihn absichtlich falsch informiert. Dem alten Freund war klar gewesen, dass sein Boss eine Frau als Bedrohung ansehen würde. Weil sie in sein einsames Leben eindrang, das er sich als Buße auferlegt hatte – für die entsetzlichen, ja tödlichen Fehler, die er in seinem Leben gemacht hatte.

Murdoch hatte sich verändert, seit er seine Tochter ausfindig gemacht und sich entschlossen hatte, sie zu besuchen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich sein Spiel mitspielen muss, dachte Tate wütend.

Die Frau muss verschwinden.

Da standen sie nun beide in der Finsternis und hielten die Taschenlampen wie Waffen aufeinander gerichtet. Eine absurde, ja, eigentlich komische Situation, ging es ihm durch den Kopf. Wenn sie sein Leben nicht auf unangenehme Weise durcheinanderbringen würde. Das konnte und würde er nicht hinnehmen.

„Es rührt mich, dass Sie sich Sorgen gemacht haben, Ms. Harden …“

„Willow“, fiel sie ihm ins Wort.

„… aber wie ich schon sagte, Stromausfall sind wir hier gewohnt. Ich habe Petroleumlampen, einen Campingherd, genug Wasser und sogar einen Generator. Sie sehen, mir kann nichts passieren.“

Langsam ließ sie die Taschenlampe sinken, und wieder fragte sich Tate, was Murdoch sich dabei gedacht hatte, ihm eine Frau ins Haus zu schicken. Sicher, sie hatten sich nicht über das Geschlecht der Person unterhalten, die Murdoch vorübergehend ersetzen sollte. Aber sein alter Freund kannte Tates ganze Geschichte und hätte wissen müssen, dass nur ein Mann für diesen Job infrage kam.

Als Willow schwieg, hatte Tate das Gefühl, etwas sagen zu müssen. „Also, Willow, da ich nicht der bin, den Sie sich vorgestellt haben, und Sie nicht die, die ich …“

Er stockte, als er sah, wie sie die Brauen zusammenzog. Was er als Warnung verstand, seine Worte sorgfältiger zu wählen. Seltsam, dass er ihren Gesichtsausdruck gleich deuten konnte. Und wie gut sie sich angefühlt hatte, als er ihren zierlichen Körper an sich gepresst hatte. Sie musste verschwinden!

Denn so etwas wie Lebensfreude, vielleicht sogar ein bisschen Glück, war das Letzte, was er verdiente. Wenn sie blieb, war die Versuchung groß. „Und Sie nicht das, was ich … erwartet habe“, fuhr er fort, „wird es das Beste sein, wenn wir die ganze Sache abblasen. Finden Sie nicht?“

Hatte sie etwas erwidert? Es hatte sich so wie „Sind Sie da so sicher?“ angehört, aber genau konnte er es nicht sagen. „Offenbar hat Murdoch einen Fehler gemacht“, fügte er zögernd hinzu.

„Oh, nein!“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Das hat er nicht! Er hat sehr genaue Anweisungen hinterlassen. Und so wie ich ihn einschätze, verlässt er sich darauf, dass ich alles befolge.“

„Dann kennen Sie ihn schon lange?“

„Seit Beginn des letzten Jahres. Wenn man ihn besser kennenlernt, merkt man erst, was für ein gutes Herz er hat.“

Genau so hätte Tate den Mann, der ihm in den mittlerweile fast zwanzig Jahren seines selbst gewählten Exils zur Seite stand, auch beschrieben. Er hatte den Tod von Tates Eltern miterlebt, den Erfolg seines ersten Buchs und war vor allem in der schweren Zeit bei ihm gewesen, die für Tate immer noch andauerte. Zwar hatte Murdoch ihn immer wieder gewarnt, dass er sich mit diesem Einsiedlerleben keinen Gefallen tat, ja, dass es ihm sogar schadete, aber das hatte Tate nicht von seinem Entschluss abgebracht.

Und nun hatte ihn der alte Freund allein gelassen – mit einer Frau, der ersten, die seit dem Tod von Tates Mutter das Haus betreten hatte.

„Eins ist sicher“, sagte Willow und machte einen Schritt auf ihn zu, „Murdoch würde mir nie verzeihen, wenn ich wieder gehe. Er hat sich so viel Mühe gegeben, jemanden zu finden, der sich um das Haus kümmert, während er weg ist. Lassen Sie es mich doch wenigstens versuchen. Bitte.“

Kurz schloss Tate die Augen und erinnerte sich unwillkürlich an ihren weichen Körper, die Hitze, die er spontan empfunden hatte, ihren süßen Duft, die festen Brüste … Nein, es durfte nicht sein. Auf keinen Fall. Entschlossen verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte Willow düster an.

Doch das schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken. „Wie wollen Sie denn so schnell jemand Passenden finden? Sie müssen telefonieren, viele Gespräche führen … Das kann dauern.“

„Egal.“ Er wollte keine Frau hier im Haus. Diese Willow war viel zu intelligent und offenbar gut informiert. Wer wusste schon, was Murdoch ihr alles erzählt hatte?

„Dann müssen Sie sich wohl ins Unabänderliche fügen.“ Sie seufzte leise.

Er stutzte. „Und das wäre?“

„Ohne meine Hilfe müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass Sie von einer Menge Leute gestört werden, die alle neugierig auf das Sabatini-Haus sind. Und das wird Ihnen nicht gefallen, wie Murdoch meinte.“

„Das heißt, ich muss mich mit Ihrer Gegenwart abfinden?“

Sie lächelte. „Kann sein. Zumindest kurzfristig.“ Sie richtete den Strahl ihrer Taschenlampe auf die hohen Fenster. „Sind Sie in letzter Zeit bei einem solchen Unwetter mal draußen gewesen? Auf dem Weg hierher bin ich vor Angst fast gestorben. Und ich habe keine Lust, das gleich noch mal durchzumachen.“

„Werden Sie bloß nicht dramatisch!“

Als sie sich empört aufrichtete, konnte er nicht anders, als auf das nasse T-Shirt zu starren, besser gesagt auf ihre vollen Brüste, die sich darunter abzeichneten.

„Wollen Sie sich über mich lustig machen? Ich wette, Sie sind noch nie in einem kleinen Wagen bei Sturm über die Brücke gefahren. Und haben noch nie das Gefühl gehabt, jeden Moment ins Meer geblasen zu werden.“

Tate wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Nein, schon seit vielen Jahren war er bei diesem Wetter nicht über die schmale Brücke gefahren, die seine Insel mit dem Festland verband.

„Ich habe viel auf mich genommen, um hierherzukommen. Dann könnten Sie wenigstens so höflich sein, mir die Chance zu geben, das zu tun, wofür Murdoch mich eingestellt hat.“

Für einen Moment presste Tate die Lippen aufeinander. „Wenn Sie hierbleiben“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „werden Sie sehr schnell feststellen, dass Höflichkeit nicht zu meinen Tugenden zählt.“

Sie sagte nichts, sondern sah ihn mit einem Blick an, den er nur zu gut kannte. Nicht, dass er Willow schon mal gesehen hätte. Aber sie war die Verkörperung seiner Romanheldinnen. Frauen, die schlau, mutig, sexy und durchsetzungsfähig waren und auch die schwierigsten Situationen meisterten. Das bestärkte ihn nur in seinem Entschluss, sie möglichst bald loszuwerden.

Ein Blitz erhellte den Raum, dann krachte der Donner. Tate hatte gesehen, wie Willow die Schultern zurücknahm und das Kinn hob, als wolle sie dem Unwetter trotzen. Bewundernswert. Und dass sie in diesem Sturm hergekommen war, zeugte von einer Kraft und einem Durchhaltevermögen, die viele nicht ein einziges Mal in ihrem Leben aufbrachten.

Sollte er nachgeben? Das war gefährlich. Dennoch, in diesem Höllensturm konnte er sie nicht wieder nach Hause schicken. Wenn ihr etwas passierte, würde er sich ewig Vorwürfe machen. Und dieses Gefühl kannte er zur Genüge.

„Na gut“, brummte er, „dann kommen Sie mit.“

2. KAPITEL

Immerhin ließ Tate Kingston sie bleiben und schickte sie nicht wieder in dieses scheußliche Wetter hinaus. Ein schwacher Trost, denn Willow war noch ganz aufgedreht von all dem, was in den letzten Stunden passiert war. Erst die Fahrt in diesem Sturm, dann das finstere Haus, und nun ging sie diese Treppe hinauf, begleitet von einem großen, attraktiven und mürrischen Mann, der ihr leuchtete. Das war abenteuerlicher, als sie zu hoffen gewagt hatte.

Sie zitterte, was wohl mehr mit der ganzen unsicheren Situation als mit ihrem nassen T-Shirt zu tun hatte, das ihr feucht kalt auf der Haut klebte. Im ersten Stock angekommen, ging Tate nur wenige Meter den Flur hinunter und blieb dann vor einer geschlossenen Tür stehen. Wie die meisten anderen Türen war auch diese mit reichem Schnitzwerk versehen. Er öffnete sie. „Hier können Sie heute Nacht bleiben.“

Nur die eine Nacht? „Und wo schlafen Sie?“ Mist, das hätte sie nicht fragen dürfen! Was sollte er jetzt von ihr denken?

Überrascht hob er eine seiner dunklen Augenbrauen. „Warum wollen Sie das wissen? Am Ende des Flurs.“ Er öffnete die Tür, ging geradeaus auf einen Kamin zu und entzündete die Kerzen zweier dreiarmiger Leuchter, die aus dem Sims standen. Was für ein Raum! Willow sah sich bewundernd um, während Tate noch weitere Kerzen anzündete. Die antiken Möbel warfen schwankende Schatten auf die Wände, unheimlich und faszinierend zugleich.

Den Raum beherrschte ein breites Vierpfostenbett mit Brokatvorhängen. Tate zog sie zurück, und während Willow ihn beobachtete – diesen athletischen Mann mit der ungekämmten dunklen Haarmähne –, musste sie unwillkürlich an Heathcliff denken, den Helden aus dem dramatischen Roman „Sturmhöhe“. Wieder überlief sie ein Schauer.

Als er sich zu ihr umwandte und sie betrachtete, war ihr nur zu bewusst, dass er ihr auf die Brüste starrte. Dass die harten Spitzen mit der Kälte zu tun hatten, konnte er ja nicht wissen. Und das stimmte auch nicht, wie ihr plötzlich klar wurde. Er war es, der diese Reaktion bei ihr auslöste.

„Was für ein wunderschöner Raum“, sagte sie schnell und wandte sich ab.

„Ja. Aber hängen Sie lieber nicht Ihr Herz daran“, fuhr er sie an. „Wir reden morgen früh über alles.“

„So? Dann haben Sie sich also immer noch nicht mit Murdochs Entscheidung abgefunden?“ Allmählich ärgerte sie sich über seine Hartnäckigkeit.

„Nein. Ich fürchte, ich muss Ihre Geduld noch etwas mehr strapazieren. Auch wenn Ihnen das missfällt.“

„Ich habe mehr Geduld, als Sie glauben. Ich unterrichte nämlich Geschichte für Studenten im ersten Collegejahr. Und die glauben oft, sich alles erlauben zu können, nur weil sie nicht mehr zu Hause wohnen.“

Tatsächlich! Er lächelte!

„Sie sind eine Frau, haben keine Furcht, in ein fremdes dunkles Haus einzudringen, besitzen die Geduld einer Heiligen … Gibt es noch etwas, das Murdoch mir hätte erzählen sollen?“

Ja, dass ich dunkle, große, mysteriöse Männer unwiderstehlich finde. „Ja, vielleicht dass der Seminarraum mit achtzig dieser jungen Monster mich abgehärtet hat. Und ich gelernt habe, gut zu organisieren und meine Vorlesungen einigermaßen unterhaltsam zu gestalten.“

„Monster? Ist das nicht ein bisschen hart?“

Sie lachte. „So nenne ich sie. Aber sie wissen, dass ich das nett meine.“

„Da mag ich mir gar nicht ausmalen, wie Sie mich nennen würden.“ Tate ging zur Tür. „Gute Nacht.“ Er nickte Willow zu und verließ den Raum.

Autor

Dani Wade
<p>Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...
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