Stürmische Gefühle in der Karibik

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Alles könnte so wunderbar sein: Sonne, Strand und ein toller Mann, der heftig mit Rachel flirtet. Doch der attraktive Matt scheint sich auch für ihre Mutter zu interessieren! Oder gibt es einen anderen Grund, warum die beiden so vertraut wirken?


  • Erscheinungstag 16.04.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514200
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ist das Ihr erster Besuch auf St. Antoine?“

Rachel riss sich vom Anblick des wilden Hibiskus los, der üppig neben dem Flughafengebäude wucherte.

„Wie bitte?“ Noch leicht erschöpft vom Flug sah sie den Taxifahrer an. „Ah, äh … ja, ich bin zum ersten Mal in der Karibik. Ich kann kaum glauben, dass ich wirklich hier bin.“

Das war die Wahrheit. Vor einer Woche noch hatte sie nicht die geringste Absicht gehabt, in die Tropen zu reisen. Doch dann hatte ihr Vater ihr eröffnet, dass ihre Mutter ihn verlassen hatte. So wie es aussah, hatte Sara Claiborne Heim und Ehemann im Stich gelassen, um auf die kleine Insel St. Antoine zu fliegen und einen Mann zu besuchen, den sie vor vielen Jahren gekannt hatte.

„Hat sie gesagt, wann sie zurückkommt?“, war Rachels erste Frage gewesen.

„Meinst du damit, ob sie zurückkommt?“, hatte ihr Vater ganz untypisch verdrießlich erwidert. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn sie nicht wiederkommt.“

„Wer ist der Mann überhaupt?“

Doch ihr Vater war plötzlich merkwürdig schweigsam geworden. „Sein Name ist Matthew Brody“, war alles gewesen, was er erwidert hatte. „Jemand, den Sara vor Jahren gekannt hat.“

Besonders beunruhigend an der ganzen Sache fand Rachel, dass ihre Mutter ausgerechnet eine karibische Insel für ein Wiedersehen mit diesem Mann gewählt hatte. Doch ihr Vater erklärte ihr, dass Matthew Brody auf St. Antoine lebte.

Er schwieg einen Moment, bevor er die nächste Bombe platzen ließ. „Ich möchte, dass du ihr nachreist, Rachel. Bitte bring sie zurück.“

Rachel starrte ihn ungläubig an. „Ich? Warum gehst du nicht selbst?“

„Weil ich nicht kann.“ Ralph Claiborne warf ihr einen Blick zu. „Was sollte ich tun, wenn sie mich zurückweist?“

Rachel fühlte sich mit der Situation völlig überfordert. Ihr Leben lang hatte sie fest daran geglaubt, dass ihre Eltern einander liebten und ihre Ehe nicht, wie die vieler Freunde und Nachbarn, durch Streit oder Untreue zerstört werden würde. Aber da Rachels Mutter nun gegangen war, mussten sich ihre Eltern im Laufe der Zeit doch entfremdet haben, was Rachel offensichtlich entgangen war.

Aber was wusste sie letztendlich schon über langjährige Beziehungen? Sie war dreißig Jahre alt, unverheiratet und auch noch Jungfrau, weil ihr der Richtige leider noch nicht über den Weg gelaufen war. Was wusste sie also schon über Beziehungen?

Rachel war so in ihre Erinnerungen vertieft, dass sie keinen Blick für die tropische Landschaft hatte, die vor dem Taxifenster vorbeizog. Sie seufzte, als sie an den Rest des Gesprächs mit ihrem Vater dachte.

„Aber das ist unmöglich!“, hatte sie ihrem Vater geantwortet. „Ich kann die Redaktion nicht so kurzfristig im Stich lassen“, hatte sie argumentiert, auch wenn sie kaum ertragen hatte, das gequälte Gesicht ihres Vaters zu sehen.

Er war ihr bester Freund, und er brauchte ihre Hilfe. Rachel liebte ihre Mutter von ganzem Herzen, doch solange sie denken konnte, war diese ihr gegenüber immer ein wenig distanziert gewesen. Wirkliche Nähe hatte es zwischen Mutter und Tochter nie gegeben.

„Ach was! Ich werde mit Don, deinem Chef, reden.“ Ihr Vater hatte Rachels Einwand nicht gelten lassen. „Gegen ein paar Wochen unbezahlten Urlaub wird er nichts einzuwenden haben.“

Don Graham, Rachels Chef und Herausgeber der Zeitung, war ein alter Freund ihres Vaters. Rachel hatte bisher versucht, das nicht zu ihrem Vorteil zu nutzen, doch als sie jetzt ihren Vater anschaute, wusste sie, dass es keinen Zweck hatte, sich ihrem Vater zu widersetzen.

Wie üblich tat Ralph Claiborne auch diesmal, was er angekündigt hatte. Am nächsten Morgen wurde Rachel von Don in sein Büro gerufen.

„Rachel, ich habe mit deinem Vater gesprochen.“ Ihr Chef räusperte sich. „Ab morgen wird dich jemand in der Anzeigenabteilung vertreten. Ich habe gehört, dass es deiner Mutter seit einiger Zeit nicht gut geht. Du bist für ein paar Wochen beurlaubt, damit du ihr zur Seite stehen kannst.“

Rachels Wangen brannten. „Don … das ist wirklich nicht …“

Er hob eine Hand und lächelte sie an. „Ist schon in Ordnung, Rachel. Lass unbezahlten Urlaub nur nicht zur Gewohnheit werden.“

Und jetzt war Rachel also tatsächlich hier, fast fünftausend Kilometer von zu Hause weg, ohne die leiseste Ahnung, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Trotz allem, was passiert war, zweifelte sie nicht daran, dass ihre Mutter ihren Vater liebte. Aber wie wichtig war ihrer Mutter diese Liebe? Ganz offensichtlich war ihr Ehemann jedenfalls nicht der Einzige, der ihr etwas bedeutete.

Wer in aller Welt war dieser andere Mann? Und warum erfüllte Rachel so eine dunkle Vorahnung bei dem Gedanken, ihre Mutter wiederzusehen?

Der Taxifahrer riss sie aus ihren Gedanken. „Machen Sie hier Urlaub?“

Rachel unterdrückte einen Seufzer. Sie wusste, dass der Fahrer nur versuchte, freundlich zu sein. Aber was sollte sie ihm antworten?

„Urlaub?“, wiederholte sie gedehnt. „Ja, ich denke, das könnte man so ausdrücken.“

Offenbar war das nicht die richtige Antwort gewesen. Sie bemerkte, dass der Taxifahrer sie im Rückspiegel neugierig musterte, während er seinen üppigen Schnurrbart glatt strich. Vermutlich fragt er sich, ob er eine Spinnerin durch die Gegend kutschiert, dachte Rachel.

Um sich abzulenken, versuchte sie, sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Außerhalb des Flughafengeländes war die Straße nur noch eine schmale Schotterpiste. Unterhalb der Klippen erstreckte sich unendlich weit der leuchtend blaue Ozean, und der Strand schimmerte fast weiß in der Sonne. Dieser Anblick hob Rachels Stimmung drastisch. Egal, wie schwierig die Umstände auch sein mochten – sie war ganz unerwartet im Paradies gelandet, und sie würde das Beste daraus machen!

Von ihrem Vater hatte Rachel zum ersten Mal von diesem Ort gehört. St. Antoine war Teil einer kleinen Inselgruppe vor Jamaica, in der Nähe der Cayman Islands. Nur ein paar Berge, Korallenriffe und üppige tropische Vegetation. Die gesamte Landwirtschaft bestand aus einigen Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen. Wie überall in der Karibik, lebte man hauptsächlich vom Tourismus.

„Bleiben Sie länger?“ Offenbar hatte der Taxifahrer die Hoffnung auf ein Gespräch noch immer nicht aufgegeben.

Wenigstens konnte Rachel auf diese Frage ehrlich antworten: „Zwei Wochen.“

Falls meine Mutter mich nicht auf der Stelle wieder nach Hause schickt, ergänzte sie im Stillen. Zwar hatte ihr Vater ihr für zwei Wochen ein Zimmer in St. Antoines einzigem Hotel gebucht, aber sie wusste nicht, ob sie bleiben würde, wenn ihre Mutter nicht mit ihr sprechen wollte. Rachel konnte nicht einschätzen, wie ihre Mutter auf ihre Ankunft reagieren würde.

„Mögen Sie Wassersport?“ Offenbar war der Taxifahrer fest entschlossen, mehr über Rachel herauszufinden.

„Ich schwimme gern“, erwiderte sie. Und ich schnorchele gern, dachte sie. Doch das hatte sie nur einmal in Spanien ausprobiert.

„Ist auch so ziemlich alles, was man hier machen kann“, teilte ihr der Fahrer mit. „Auf St. Antoine gibt’s weder Kino noch Nachtklubs. Keine Nachfrage nach so was.“

„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte sie knapp.

Offensichtlich hatte der Taxifahrer sie der Sorte von Touristen zugeordnet, die wild auf das Nachtleben von Havanna oder Kingston war. Rachel verzog das Gesicht. Warum unterstellte man ihr nur immer, dass sie sich vor allem amüsieren wolle? Wahrscheinlich, weil sie einen Meter achtzig groß war, lange Beine, blondes Haar und eine üppige Oberweite hatte. Sie zog fast überall die Blicke auf sich, und die meisten Menschen hielten sie für eine Wuchtbrumme.

Aber was brachte ihr das? Sie mochte weder ihr Aussehen noch die Blicke, mit denen Männer sie bedachten. Vermutlich waren das ja die Gründe, warum sie noch immer Single war – und wohl auch bis auf Weiteres bleiben würde. Früher hatte sie sich gewünscht, kleiner zu sein, dunkler, mehr wie ihre Mutter auszusehen. Hauptsache, sie würde nicht mehr auf den ersten Blick aus jeder Gruppe gleichaltriger Mädchen herausstechen.

Seit ihrer Studienzeit war sie davon überzeugt, dass Männer sehr oberflächlich waren und sie nur nach Äußerlichkeiten beurteilten. Wegen ihrer Haarfarbe war sie stets automatisch als dummes Blondchen abgestempelt worden, dem man keinerlei Tiefe oder geistige Fähigkeiten zutraute.

Sie beschloss, die Geschwätzigkeit des Taxifahrers zu nutzen, um selbst einige Fragen zu stellen und mehr über die Insel zu erfahren. „Ist es weit bis in die Stadt?“

„Nein.“ Schwungvoll lenkte er den Wagen um einen Eselskarren herum, der mit Bananen beladen war. Der Esel zuckte zusammen, als der Fahrer auf die Hupe drückte. „Wohnen Sie im Tamarisk?“

„Ja. Es ist ein kleines Hotel, nicht wahr? Um diese Jahreszeit ist sicher viel Betrieb.“

„Allerdings!“ Der Taxifahrer nickte, dass seine schwarzen Rastalocken hüpften. Dann fuhr er so schwungvoll um eine Kurve, dass die kleine Madonna an seinem Rückspiegel hin und her tanzte. „Januar, Februar – das ist die Hochsaison. Im Sommer kommen zwar auch Leute her, aber wenn es Winter in Europa und den USA ist, ist hier am meisten los.“

„Hm.“ Rachel überlegte, wie sie die Sprache auf Matthew Brody bringen sollte. St. Antoine war eine kleine Insel mit wenigen Einwohnern. Es war gut möglich, dass der Fahrer schon von diesem Mann gehört hatte.

Die Straße, die sich bis jetzt am Rand der Klippen entlanggeschlängelt hatte, führte plötzlich von der Küste weg ins Inselinnere. Bäume, dichte blühende Büsche und Farne wucherten überall. Selbst jetzt, am späten Nachmittag, schienen die Farben im Sonnenlicht hell zu leuchten.

Offenbar nähern wir uns der kleinen Hauptstadt von St. Antoine, vermutete Rachel, als sie an ersten Gebäuden vorbeifuhren. Zu einigen gehörte ein Stück Land, das als Viehweide oder Anbaufläche genutzt wurde. An manchen Häusern prangten handgemalte Schilder, die stolz „Frische Sandwiches“ oder „Hausgemachte Eiskrem“ anpriesen.

Als sie die Stadt erreichten, teilte sich die Straße und ein schmaler Palmenstreifen erstreckte sich zwischen den Fahrbahnen. Von den Balkonen der Wohnhäuser hingen tiefrote Bougainvilleen. Immer wieder sah Rachel Einheimische, die neugierig ins Taxi starrten.

„Äh … kennen Sie vielleicht einen Mann namens Brody?“, platzte Rachel schließlich heraus. Bald mussten sie am Hotel sein, und dann hätte sie keine Gelegenheit mehr zu fragen.

„Meinen Sie Jacob Brody?“ Der Taxifahrer wartete nicht auf ihre Antwort, sondern fuhr fort: „Sicher! Jeder hier kennt Jacob Brody. Er und sein Sohn besitzen schließlich den größten Teil der Insel.“

Rachels Augen weiteten sich. Ihr Vater hatte ihr nicht das Geringste über die Brodys erzählt, und irgendwie hatte sie den Eindruck gehabt, dieser Matthew Brody müsste eine Art Playboy sein, der einmal eine Affäre mit ihrer Mutter gehabt hatte.

Ob Matthew Brody mit Jacob verwandt ist? überlegte sie. Sie hatte gerade den Mund geöffnet, um den Taxifahrer danach zu fragen, als dieser den Wagen durch ein schmiedeeisernes Tor lenkte. Vor ihnen lag ein zweistöckiges weiß getünchtes Gebäude. Auf dem Vorplatz sprudelte ein Springbrunnen.

„Das ist es!“ Der Fahrer stieß schwungvoll seine Tür auf und stieg aus.

Nachdem er die Beifahrertür für Rachel geöffnet hatte, ging er hinter das Auto und holte Rachels Gepäck aus dem Kofferraum. Rachel ging zu dem Mann und drückte ihm einige Dollarscheine in die Hand. Sie wusste nie, wie viel Trinkgeld sie geben sollte, aber dem Gesichtsausdruck des Taxifahrers nach zu urteilen, hatte sie es diesmal ein wenig übertrieben.

„Kennen Sie die Brodys?“ Offenbar verband der Mann ihre Großzügigkeit mit dem Reichtum der Familie.

Doch Rachel schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte sie kurz, um ein Gespräch zu vermeiden. Als der Fahrer Anstalten machte, ihren Koffer ins Hotel zu tragen, lächelte sie ihm verabschiedend zu. „Vielen Dank, aber ich komme jetzt schon zurecht.“ Um ihre Worte zu bekräftigen, zog sie mit einem energischen Ruck den Griff aus ihrem Koffer.

„Es war mir ein Vergnügen!“ Der Mann stopfte die Geldscheine in seine Tasche. „Wenn Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es einfach Aaron wissen.“ Er nickte in Richtung Hotel. „Sie haben dort meine Nummer.“

Rachel bezweifelte allerdings, dass sie auf sein Angebot zurückkommen würde. Egal, was in den nächsten zwei Wochen hier noch passieren würde: Sie musste in Zukunft etwas sorgsamer mit ihrem Geld umgehen. Doch sie nickte dem Taxifahrer noch einmal freundlich zu, dann rollte sie ihren Koffer hinter sich her zum Eingang.

Zwei flache Stufen führten zu einer breiten Veranda hinauf, die sich über die Front des Hauses zog. Stühle und Tische aus Bambusrohr waren locker im Schatten des Vordachs verteilt, und blühende Kletterpflanzen rankten an den hohen Stützpfeilern empor.

Rachel schaute sich um, aber niemand war zu sehen. Kurz entschlossen ging sie hinein. War es draußen noch feuchtwarm gewesen, herrschte hier drinnen angenehme Kühle. In der Luft lag ein bestimmter Duft. Er war süß und duftig. Rachel konnte nicht sagen, wonach es roch. Marmorfliesen bedeckten den Boden der Eingangshalle, und Blumen leuchteten überall in Vasen und Kübeln. Als Rachel nach oben schaute, hielt sie unwillkürlich den Atem an. Die Decke über dem gesamten Empfangsbereich öffnete sich zu einem hellen, luftigen Innenhof. Von weißen Säulen gestützt, zog sich um den ersten Stock eine Galerie, von der die Zimmertüren abgingen.

Ein hübsches schwarzhaariges Mädchen stand hinter der Rezeption. Da sich sonst kaum jemand im Foyer aufhielt, beobachtete es den Neuankömmling kritisch. Rachel war diese Art der Aufmerksamkeit gewohnt – und auch, diese zu ignorieren.

„Hallo, willkommen im Tamarisk.“ Das Mädchen begrüßte Rachel mit einem Lächeln, das genauso eingeübt war wie ihr gutes Benehmen. Auf dem Namensschild stand der Name Rosa. „Sie haben eine Reservierung, Miss … äh …?“

„Claiborne“, sagte Rachel freundlich. „Ja, das Zimmer ist erst vor einigen Tagen gebucht worden.“

„Selbstverständlich“, erwiderte die junge Frau in der gedehnten Sprechweise dieser Insel, die Rachel bereits am Flughafen aufgefallen war. Die Frau tippte etwas in ihren Computer, dann nickte sie. „Da haben wir Sie!“

Plötzlich veränderte sich die Miene der Rezeptionistin. Ihr geschäftsmäßiges Lächeln wurde breiter und wirkte mit einem Mal direkt herzlich. Sie straffte sich merklich und rückte rasch ihr Dekolleté zurecht.

Rachel musste sich ein Schmunzeln verkneifen, denn es hatte gerade ein Mann die Halle betreten, und zwar ein sehr attraktiver, was Rosas Verhalten erklärte. Offensichtlich wollte Rosa den Neuankömmling beeindrucken.

„Hi Matt“, sagte Rosa. Ihre Stimme klang leicht rau.

Matt! Rachel zuckte zusammen. War das reiner Zufall? Sie konnte ihre Neugier nicht mehr zügeln und drehte sich um.

Vor ihr stand ein großer dunkelhaariger Mann, breitschultrig und muskulös. Vermutlich ist er attraktiv, wenn man auf athletische Typen steht, dachte sie spöttisch. Doch sie merkte erstaunt, dass es ihr seltsam schwerfiel, so kühl zu bleiben.

Das kurzärmlige schwarze Hemd des Fremden passte zu seiner Hose, die locker um seine schmalen Hüften fiel und nur von einem Gürtel an ihrem Platz gehalten wurde. Seine Haut war tief gebräunt, und obwohl er frisch rasiert wirkte, lag auf seinem Kinn bereits wieder ein dunkler Schatten.

Er ist wirklich sexy, gestand Rachel sich widerwillig ein. Allerdings war er ganz und gar nicht ihr Fall. Sein dichtes glattes Haar war für ihren Geschmack zu lang, und über einen seiner kräftigen Oberarme zog sich eine dunkle Tätowierung von irgendeinem geflügelten Raubtier.

Soweit es Rosa betraf, war dieser Mann offenbar die Verkörperung all ihrer Träume. „Hey, Mr. Brody hat bereits den ganzen Tag über angerufen und versucht, dich zu erreichen.“ Sie lehnte sich über den Tresen und schaute ihn verführerisch an. „Wenn ich du wäre, würde ich ihn anrufen. Würdest du das tun? Jetzt?“

Rachels Herz setzte einen Schlag aus, dann schlug es umso schneller weiter. Obwohl es keinen Zweifel mehr gab, dass dies der Mann war, den sie gesucht hatte, jagte seine dunkle, tiefe Stimme ihr einen Schauer über die Haut.

Rachel versuchte, die starke sinnliche Anziehungskraft des Fremden zu verdrängen. Sie war es nicht gewohnt, in dieser Weise auf einen Mann zu reagieren. Umso verstörender war der Gedanke, dass dies der Mann war, für den ihre Mutter Hals über Kopf in die Karibik geflogen war.

Aber das konnte nicht sein! Unmöglich! Ganz abgesehen davon, dass er einfach atemberaubend sexy war, musste er mindestens zehn Jahre jünger als Sara Claiborne sein.

Warum mochte er hier sein? Wohnt meine Mutter etwa auch im Hotel? fragte sich Rachel. Aber sie war nicht in der Lage, Matthew Brody anzusprechen und danach zu fragen. Nein, sie musste diesen Mann kennenlernen! Würde sie es irgendwie schaffen, sein Vertrauen zu gewinnen?

Resigniert presste sie die Lippen zusammen. Vermutlich nicht.

2. KAPITEL

Der Fremde hatte sie bemerkt.

Kein Wunder, ich starre ihn ja auch an, als hätte ich noch nie einen Mann gesehen, dachte Rachel errötend. Rasch drehte sie sich wieder zu Rosa um. Die Rezeptionistin widmete sich ihrem Computer, doch dabei schaffte sie es, gleichzeitig Matt Brody nicht aus den Augen zu lassen.

„Checken Sie ein?“

Rachel erstarrte beim Klang der tiefen Stimme. Da außer ihr sonst niemand am Tresen stand, gab es keinen Zweifel, dass der Mann sie gemeint hatte. Sie schluckte, dann wandte sie sich um.

„Ich – äh, ja.“ Rachel wusste zwar nicht, was ihn das anging, aber sie beschloss, die Gelegenheit zu nutzen. Sie leckte sich die trockenen Lippen. „Sie auch?“

Er setzte ein süffisantes Lächeln auf.

Bevor er etwas antworten konnte, sagte Rosa jedoch: „Mr. Brody gehört das Hotel.“

In diesem Moment tauchte ein junger Mann in der Hoteluniform vor der Rezeption auf. Rosa reichte ihm den Zimmerschlüssel, dann schenkte sie Rachel noch eins ihrer einstudierten Lächeln. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, Miss Claiborne.“

„Claiborne?“

Mit einer geschmeidigen Bewegung trat Matthew Brody näher zu ihr. Er ist sicher einsfünfundneunzig groß, dachte Rachel. Es kam nicht oft vor, dass sie sich neben einem Mann klein fühlte. Besonders beunruhigend allerdings war, wie intensiv sie ihn spürte, seinen männlichen Duft, die Wärme seiner Haut, alles an ihm schien sie überdeutlich wahrzunehmen.

So ein Gefühl hatte sie zum ersten Mal und nicht die geringste Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Das ist der Nachteil, wenn man mit dreißig noch Jungfrau ist, schoss es ihr durch den Kopf. In diesem Augenblick hätte sie etwas Erfahrung gut gebrauchen können.

Aber hier geht es nicht um meine eigene Unzulänglichkeit, auch nicht darum, bei einem völlig Fremden dahinzuschmelzen, ermahnte sie sich, als Matthew Brody die Arme vor seiner breiten Brust verschränkte und sie mit eindringlichem Blick musterte. Seine Augen waren grün, nicht dunkel, wie sie zuerst gedacht hatte, mit langen, geschwungenen Wimpern, um die ihn jede Frau glühend beneiden würde.

„Ihr Name ist Claiborne?“, wiederholte er seine Frage.

Rachel musste sich zwingen, ihre Augen von seiner faszinierenden Tätowierung loszureißen. „Ähm … das ist richtig.“ Mit mehr Kühnheit, als sie verspürte, fuhr sie fort: „Warum? Kommt Ihnen der Name bekannt vor?“

Er schien zu zögern. Seine Brauen zogen sich zusammen, und seine Augen wirkten plötzlich dunkler. „Vielleicht“, sagte er schließlich. „Ich habe … ihn schon mal gehört. Es ist ein Name, der nicht so häufig vorkommt.“

„Das stimmt.“

Rachel versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, auch wenn sie ihn am liebsten gefragt hätte, wo er den Namen schon einmal gehört hatte. Aber sie bezweifelte, dass sie eine ehrliche Antwort bekommen hätte. Was würde er wohl sagen, wenn sie ihm verriet, dass Sara Claiborne ihre Mutter war?

„Wie auch immer.“ Er schien nicht zu bemerken, wie hin- und hergerissen sie war. „Toby wird Ihnen nun Ihr Zimmer zeigen.“ Er nickte dem jungen Mann zu, der geduldig neben Rachels Koffer gewartet hatte. „Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Sollten Sie noch etwas brauchen, greifen Sie einfach zum Telefon. An der Rezeption ist immer jemand, der Ihnen gern weiterhelfen wird.“

„Vielen Dank.“ Rachel war erschöpft, auch wenn sie noch immer spürte, wie das Adrenalin durch ihre Venen floss.

Nach einem langen Flug nach Jamaica war sie in Montego Bay in eine kleine Propellermaschine umgestiegen. Das winzige Flugzeug war anschließend in jedes Luftloch über der Karibik gefallen. Auf St. Antoine war Rachel mit zitternden Beinen aus der Maschine geklettert.

Jetzt wünschte sie sich nur noch, ihre Kleidung abzustreifen und sich ausgiebig unter die kühle Dusche zu stellen. Dann würde sie sich etwas zu essen aufs Zimmer kommen lassen.

Rachel seufzte. St. Antoine hatte sie auf den ersten Blick bezaubert, und sie mochte dieses kleine Hotel, doch Matt – Matthew – Brodys Anwesenheit machte alles etwas kompliziert.

Vor allem war es nicht hilfreich, dass sie auf eine ganz und gar unangemessene Weise auf ihn reagierte.

Rachel rang sich ein Lächeln ab, dann folgte sie dem jungen Mann, der ihren Koffer trug, zur Treppe. Sie spürte, dass Matt und Rosa sie beobachteten, und unterdrückte den Impuls, mit den Hüften zu wackeln, um zu demonstrieren, dass sie deren Blicke sehr wohl bemerkt hatte.

Vielleicht bin ich ja auch nur paranoid oder eingebildet, dachte sie und musste ein wenig schmunzeln. Matt Brody hatte ihr keinerlei Anlass gegeben, zu glauben, dass er an ihr interessiert war. Lediglich ihr Name hatte ihn aufhorchen lassen. Und wenn er tatsächlich etwas mit ihrer Mutter hatte, war es nicht verwunderlich, dass er Rachels Nachnamen kannte.

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
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