Stürmische Leidenschaft

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Verflixt! Jannis Apollonides traut seinen Augen kaum. Wie kann Mandy es wagen, auf seine Insel zurückzukommen? Vor drei Jahren hat sie ihn mit einem anderen betrogen und Strathmos verlassen. Jetzt will Jannis sie so gern noch einmal stürmisch küssen und verführen, bis sie laut seinen Namen ruft - obwohl es absolut unvernünftig ist … Allem Anschein nach hat sich seine Exfreundin von der oberflächlichen Femme fatale in eine warmherzige, kluge und unwiderstehlich sinnliche Sängerin verwandelt. Kann das sein? Und hat sie wirklich ihr Gedächtnis verloren, wie sie behauptet?


  • Erscheinungstag 12.10.2008
  • Bandnummer 1533
  • ISBN / Artikelnummer 9783863499297
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie war zurückgekommen.

Jannis Apollonides zwang sich, den Schock zu überwinden, und ging über den hellen Sandstrand auf die Frau zu, die ihn einst betrogen hatte.

Seine Angestellten hatten also die Wahrheit gesagt. Seine ehemalige Geliebte war tatsächlich wieder aufgetaucht – hier an seinem Strand, auf seiner Insel. Sie bewunderte gerade einen der windschnittigen Katamarane und bemerkte nicht, wie Jannis sich ihr näherte. Er wollte umgehend herausfinden, weshalb sie sich entschlossen hatte zurückzukehren.

„Was willst du hier?“ Jannis bemühte sich, seine Wut unter Kontrolle zu halten. „Ich hatte nicht erwartet, dich je wiederzusehen. Vor allen Dingen nicht hier auf Strathmos.“

Gemma wandte sich um und sah ihn aus weit geöffneten Augen erschrocken an. Die erste Novemberwoche war vorüber, und das Wetter auf Strathmos hatte sich abgekühlt. Die auffrischende Meeresbrise zauste Gemmas dunkelrote Locken. Sie wehten ihr ins Gesicht, sodass ihr einen Moment lang niemand ansah, was sie empfand. Als sie sich das Haar aus der Stirn strich, hatte Gemma ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden.

„Jannis.“ Ihre Stimme klang kühl und beherrscht. Die anfängliche Furcht war fort. „Wie geht es dir?“

„Lass das freundliche Getue. Wie kannst du es wagen, hier im ‚Palace of Poseidon‘ aufzutauchen?“ Sein Mund wirkte wie eine harte, schmale Linie. „Ich dachte, ich höre nicht recht, als man mir mitteilte, dass du im Electra-Theater auftrittst.“

Sie zuckte die Achseln. „Es ist ein freies Land. Ich kann arbeiten, wo ich will.“

„Überall, aber nicht auf Strathmos. Das hier ist meine Welt, und hier läuft es nach meinen Regeln.“ Die Insel war mehr als seine Welt: Sie war sein Zuhause. Er hatte das traumhafte Hotelresort nach seinen Vorstellungen gestaltet. An diesem Tag war er von einer Dienstreise zurückgekehrt. Und nun musste er erfahren, dass seine Exfreundin bereits seit über einer Woche hier arbeitete.

„Möchtest du, dass ich dich wegen unstatthafter Kündigung verklage?“ Ihre Haltung veränderte sich, sie wirkte selbstbewusst, fast herausfordernd.

Jannis hielt viel darauf, als fairer Arbeitgeber zu gelten. Einen Prozess konnte er nicht brauchen, vor allem, weil sie eine gute Chance hatte, ihn zu gewinnen.

Frustriert sah er sie an. Sie war in den Jahren, in denen er sie nicht gesehen hatte, noch schöner geworden. Ihr Haar war länger, fast wild, ihre Augen glänzten, und ihr Mund – er durfte gar nicht an die vollen roten Lippen denken. Hastig versuchte er, sich abzulenken, und ließ den Blick mit fast beleidigender Deutlichkeit über ihre schlanke Figur gleiten. „Sängerin ist ein Aufstieg, verglichen mit deinem früheren Job als Tänzerin.“

„Es ist drei Jahre her. Die Dinge ändern sich“, entgegnete sie.

„Ich habe mich nicht verändert.“ Er stemmte die Hände in die Hüften.

„Nein, das hast du absolut nicht“, stimmte sie zu.

Die Schärfe ihres Tons entging ihm nicht. „Was willst du, Gemma? Eine zweite Chance?“

Er konnte den Ausdruck ihres atemberaubend schönen Gesichts nicht deuten. Gemma lachte sarkastisch. „Eine zweite Chance? Mit dir? Du musst verrückt geworden sein!“

Es ärgerte ihn, weil er offenbar verlernt hatte, sie zu durchschauen. „Also, weshalb bist du hier?“

„Ich arbeite hier. Es ist ein freies Land.“ Sie wies auf das tiefblaue Ägäische Meer, das sich neben ihnen erstreckte, so weit das Auge reichte. „Dein Manager hat mir den Job gegeben, und die Gage war so gut, dass ich nicht Nein sagen konnte.“

„Aha. Geld.“

„Schau nicht auf Leute herab, die es brauchen“, fuhr sie ihn an. „Nur, weil du eine Hotelkette geerbt hast, mit Luxuspalästen auf den wichtigsten griechischen Inseln, hast du noch lange nicht das Recht, mir Geldgier vorzuwerfen. Ich bestreite meinen Lebensunterhalt.“

Jannis fand, dass sie ziemlich angriffslustig geworden war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte – jenen Anblick würde er nie vergessen. „Ich habe hart gearbeitet, um eine Reihe kleiner Familienhotels in Weltklasse-Resorts zu verwandeln. Und du hast übrigens nie etwas dagegen gehabt, von meinem Reichtum zu profitieren.“

Kühl erwiderte sie: „Wenn die Boulevardpresse recht hat, fühlst du dich uns normalen Sterblichen so hoch überlegen, als würdest du den Olymp bewohnen.“

„Du solltest nicht alles glauben, was in der Klatschpresse steht“, bemerkte er scharf und dachte an die letzten Schlagzeilen, die nach seiner Trennung von Melina über ihn veröffentlicht worden waren.

„Wirklich?“ Sie sah ihn spöttisch an. „Bist du etwa nicht der Playboy, der dauernd in den Klatschspalten auftaucht? Schleppst du etwa nicht ein Filmsternchen oder Supermodel nach dem anderen ab?“

Wütend fixierte er sie mit Blicken. „Diese Frauen benutzen die Medien genau wie ich.“

„Ach, geht es also nur um Glamour? Um den Leuten ein Märchen über die Reichen und Schönen aufzutischen? Sonst um nichts?“

„Wieso interessiert dich das so sehr?“, hakte er nach. „Willst du vielleicht doch zurück in mein Bett?“

„Ich will dich nicht wiederhaben!“

Er lächelte zynisch. „Hat dir noch niemand gesagt, dass du nett zu deinem Chef sein solltest?

Vor drei Jahren hättest du nie gewagt, so mit mir zu reden.“ „Vor drei Jahren war ich auch nichts weiter als eine dumme kleine Gans.“

Sie unterstrich ihre Worte mit einer heftigen Handbewegung, wobei ihr schmales Trägertop hochrutschte und den Blick auf ihre Taille freigab. Gemmas Haut war sanft gebräunt, und Jannis reagierte unweigerlich auf diesen Anblick.

„Du gibst aber zu, dass du interessiert bist?“ Er trat auf sie zu.

Ausweichend sah sie auf ihre Armbanduhr. „Alles, was ich zugebe, ist, dass du ein faszinierender Mann bist.“

Er lachte überrascht. „Du willst mich nicht wiederhaben, interessierst dich allerdings genug für mich, um zu gestehen, dass du mich faszinierend findest? Welche Botschaft soll ich dem entnehmen?“

Einen Moment lang wirkte sie unsicher. Jannis sah, wie sie kaum merklich erzitterte. „Ist dir kalt?“

„Nein.“ Sie rieb sich kurz die Oberarme und mied dabei seinen Blick.

Er berührte ihren Arm. Zärtlich. Nur mit einer Fingerspitze. „Und was hat das dann zu bedeuten, wenn dir nicht kalt ist?“

Sie schrak zurück. Ihre Blicke trafen sich. Er las in ihren Augen Verblüffung und noch etwas anderes. Eine starke Emotion. Angst?

Hastig trat sie zurück. „Entschuldige mich jetzt.“ Sie lächelte, aber dieses Lächeln erreichte ihre Augen nicht. „Ich muss los. Es ist Zeit, dass ich mich für die Show fertigmache. Vielleicht hast du ja Lust, ins Theater zu kommen“, fügte sie hinzu und wollte gehen. Schon hatte Jannis ihr eine Hand auf den Arm gelegt.

Als sie sich nun zu ihm umwandte, war er sicher, dass Angst, fast Panik in ihrem Blick lag. Er betrachtete Gemma aufmerksam, sah in ihre großen Augen, erkannte das Zucken ihrer schönen Lippen, sah die Schauer, die sie überliefen. Ihr Haar verströmte den Duft von salziger Seeluft.

Weshalb war sie hergekommen? Sie behauptete, das Geld zu brauchen. War das der einzige Grund? Log sie, wenn sie sagte, sie wolle die Affäre mit ihm nicht wieder aufnehmen?

„Lass mich gehen“, forderte sie tonlos und sah auf seine gebräunten Finger, mit denen er ihr Handgelenk eisern umfasste.

Sobald er die Hand zurückgezogen hatte, hörte er, wie Gemma tief durchatmete.

Der Wind spielte in ihren wilden Locken, während sie wieder auf ihre Uhr schaute und sich dann bückte, um die Sandalen aufzuheben, die im Sand lagen. „Ich nehme an, ich müsste jetzt sagen: Nett, dich wiedergetroffen zu haben …“

„Aber das wäre eine Lüge.“

„Das habe ich nicht behauptet.“ Sie sah zu ihm auf. „Verdreh mir nicht die Worte im Mund.“

Ihr Mund. Er blickte auf ihre verführerischen Lippen – und nahm überrascht zur Kenntnis, dass er Gemma begehrte. Dieses untrügliche Verlangen verstörte ihn. Die Hände zu Fäusten geballt, stand er da und fragte sich, was das sollte. Wie konnte er Gemma Allen begehren, nach allem, was sie ihm angetan hatte?

Und dennoch. Wie hatte er jemals vergessen können, wie sexy sie war? Wie voll und rot ihre Lippen, wie sinnlich ihr wohlgeformter Körper, wie verlockend ihr rotes Haar? Hatte er wirklich geglaubt, das alles sei vorbei?

Doch zugeben wollte er es nicht. Sanft sagte er: „Von der Tänzerin zur Sängerin. Diese Verwandlung lasse ich mir nicht entgehen. Ich werde mir deine Show ansehen.“

Eine halbe Stunde später saß Gemma allein und nur mit einem Spitzenslip und einem schwarzseidenen Neckholder-BH bekleidet vor dem Spiegel in ihrer Garderobe, die sie mit Lucie LaVie, einer sympathischen Comedienne, teilte. Lucie unterhielt die Gäste der Bar, die neben dem Electra-Theater lag, mit Comedy und schrägen Liedern.

Gemma gestand sich ein, dass es ein Schock für sie gewesen war, Jannis so unerwartet am Strand zu begegnen. Sie hatte nicht gewusst, dass er wieder zurück war. Seit über einer Woche befand sie sich schon auf Strathmos und wartete auf ihn, die Begegnung halb fürchtend, halb herbeiwünschend. Deshalb war sie auf das Zusammentreffen vorbereitet gewesen.

Trotzdem hatte er sie kalt erwischt, in Shorts, ohne Make-up, barfuß, Sand an den Beinen. Was sie am allerwenigsten erwartet hatte, war diese seltsame Benommenheit, die sie in seiner Gegenwart umfing.

Seufzend sah sie in den Spiegel und fragte sich, was Jannis wohl von ihrer Verwandlung halten würde. Das Bühnen-Make-up verlieh ihrer Haut eine unnatürliche Perfektion und verdeckte die zarten Sommersprossen auf ihrer Nase und ihren Wangen. Der Eyeliner betonte ihre bernsteinfarbenen Augen, und der dunkelrote Lippenstift ließ ihre Lippen noch sinnlicher wirken.

Jannis mochte Frauen, die betörend schön und auffallend waren. Seine letzten Begleiterinnen waren alle entweder Schauspielerinnen oder berühmte Models gewesen. Boulevardartikeln hatte Gemma entnommen, dass Jannis offenbar nicht die Absicht hatte, solide zu werden. Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Ja, sie war betörend schön und auffallend. Und Jannis würde sich nachher im Zuschauerraum aufhalten, wenn sie die Bühne betrat.

Ihr Plan musste …

Es klopfte an der Tür, und Gemma schrak nun aus ihren Grübeleien hoch. „Noch zehn Minuten bis zu deinem Auftritt, Gemma.“

„Bin gleich da“, rief sie zurück und strich sich mit den Fingern durchs Haar, um die roten Locken zu zähmen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann ein Mann das zuletzt getan hatte. Jannis hatte schöne Hände. Sie sah noch genau seine langen, kräftigen Finger vor sich, wie er sie um ihr Handgelenk geschlossen hatte. Gemma fluchte leise.

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. Jannis stürmte energiegeladen in die Garderobe.

„He, du darfst hier nicht rein!“, rief Gemma erschrocken und widerstand dem Impuls, die Brüste mit den Händen zu bedecken. Obwohl der schwarze Seiden-BH pure Reizwäsche war, verbarg er alle strategisch wichtigen Stellen.

Jannis schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen. „Hier gibt es nichts, was ich nicht schon mal gesehen hätte.“

Stimmt. Gemma schluckte und musterte ihn. Er sah umwerfend aus. Das weiße Dinnerjacket war zweifellos maßgeschneidert und saß perfekt. Sein Haar schimmerte wie antikes Gold, und seine blauen Augen blitzten herausfordernd. Er wirkte selbstbewusst, reich, mächtig.

Und sie hatte sich vorgenommen, diesem Mann eine Lektion zu erteilen, die er niemals vergessen würde.

„Was willst du?“

„Lass uns nach der Show zusammen was trinken.“

Gemma unterdrückte das aufsteigende Triumphgefühl. Es war richtig gewesen, nach Strathmos zu kommen. Noch vor ein paar Jahren hätte Jannis sie mit seinem Aussehen und seiner überwältigenden Ausstrahlung beeindruckt. Inzwischen stand sie nicht mehr auf dominante Erfolgstypen.

Zu schnell durfte sie nicht nachgeben, weil sie ahnte, dass er sonst das Interesse verlor. Außerdem durfte sie keinen Augenblick lang vergessen, weshalb sie es tat.

„Findest du nicht, dass es angebracht wäre, draußen zu warten, bis ich angezogen bin?“ Gemma wartete einen Moment, dann fügte sie kokett hinzu: „Boss …“

Als Reaktion auf ihren herausfordernden Tonfall runzelte er die Stirn. Gemma verspürte eine tiefe Befriedigung. Klar, er war gewohnt, bewundert, wenn nicht sogar angebetet zu werden. Frauen verfielen ihm in Scharen. Aber sie nicht.

„Du …“ Er brach ab und atmete tief durch, ehe er sanft und mit gefährlichem Unterton fortfuhr: „Du solltest dir auf unsere ehemalige Beziehung nichts einbilden.“

„Das käme mir auch nie in den Sinn.“ Sie warf ihm über den Spiegel ein Lächeln zu. „Ich bin hergekommen, um im ‚Palace of Poseidon‘ zu singen.“

„Exakt.“ Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Der Ausdruck seiner Augen war hart. „Oder hast du mich vorhin angelogen? Vielleicht hast du ja doch gehofft, ich lasse dich wieder in mein Bett.“

Zorn stieg in Gemma auf, doch sie zwang sich, Jannis gegenüber gelassen zu bleiben. Ruhig erwiderte sie: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das willst. Mir geht es genauso. Das habe ich dir bereits gesagt.“ Gemma versuchte, ihre Atmung zu kontrollieren. Sie musste sehr, sehr vorsichtig sein; ein falsches Wort oder eine falsche Geste konnten alles ruinieren.

„Ich bin davon ausgegangen, dass du jenen luxuriösen Lebensstil fortführen möchtest, an den du dich gewöhnt hattest.“

Du meine Güte, war dieser Mensch arrogant. Gemma versetzte dem Drehstuhl, auf dem sie saß, einen Schubs und wirbelte herum, um wütend zu Jannis aufzuschauen. Er war so groß, dass sie es fast als bedrohlich empfand. „Soll das heißen, du hältst mich für eine Schmarotzerin? Ich habe für dich gearbeitet.“

„Betrachtest du es als Arbeit, mit mir ins Bett zu gehen?“ Der Blick, mit dem er sie musterte, ließ sie erschauern. Plötzlich fühlte sie sich nackt. Und sie begriff, dass Jannis nicht den geringsten Respekt vor ihr hatte.

Noch einmal kämpfte sie gegen das Bedürfnis an, schützend die Hände vor die Brüste zu halten und sich zu vergewissern, dass die dünne Seide die Brustspitzen verbarg.

Sich ihrer Blöße voll bewusst, stand Gemma auf und ging hinüber zu dem schmalen Kleiderschrank, in dem mehrere Bühnenkostüme hingen.

Sie nahm das Kleid, das sie an diesem Abend tragen wollte, vom Bügel. Jannis den Rücken zuwendend, schlüpfte sie in das enge rote Stretchteil, das mit auffallenden Rüschen verziert war. Die Rottöne hätten sich beißen können, doch interessanterweise harmonierten sie.

Im Raum herrschte eine angespannte Stille. Gemma wandte sich um. Als sie Jannis ins Gesicht sah, stockte ihr der Atem. Sie wurde sich bewusst, dass das Kleid wie eine zweite Haut saß. Der Ausschnitt war provozierend tief. Und sie war mit Jannis allein in diesem Raum.

Hastig sagte sie: „Meine Karriere war mir immer wichtig.“ Ruhm auch, gab sie im Stillen zu.

„Wenn du meinst.“ Er warf ihr einen Blick zu, den sie nicht deuten konnte. „Ich halte dagegen, dass sich das änderte, nachdem du hattest, was du wolltest.“

„Und was genau wollte ich deiner Meinung nach?“ Sofort wünschte sie, sie hätte diese Worte nicht ausgesprochen. Denn die angespannte Atmosphäre verstärkte sich augenblicklich. Gemma wollte seine Antwort gar nicht mehr hören.

Er lächelte zynisch. „Einen schwerreichen Mann, der dir alle Wünsche erfüllt. Eine goldene Kreditkarte. Kleider. Juwelen …“ Er schaute herausfordernd auf den goldenen Ring mit dem großen, raffiniert geschliffenen Topas, den sie am kleinen Finger der linken Hand trug. „Den hast du dir in Monaco ausgesucht. Erinnerst du dich?“

„Ich fürchte, nein“, gab sie zurück, zog ein paar lange schwarze Handschuhe aus der Schublade und streifte sie so elegant über, wie es nur nach langem Üben möglich war.

Von draußen ertönte die Stimme von Mark Lyme. Der Manager rief ihren Namen. Gemma ging zur Tür. „Ich muss zur Bühne“, sagte sie zu Jannis.

„Warte. Du rennst mir nicht einfach davon.“ Jannis streckte die Arme aus, sodass sie keine Chance hatte, den Raum zu verlassen. „Natürlich erinnerst du dich. Abends sind wir auf den Rosenball gegangen. Und hinterher wolltest du durch die Klubs ziehen. Du warst in Partylaune und hast mit jedem Mann geflirtet, der dir über den Weg lief.“

Geflirtet?, dachte sie und zögerte. Mit welchen Männern? „Nein …“

„Waren es so viele, dass du sie nicht mehr auseinanderhalten kannst?“, fragte er, seine Augen funkelten.

„Ich erinnere mich nicht …“

„Oh, bitte erzähl mir keine Märchen. Du trägst den Ring, den ich gekauft und bezahlt habe. Hast du so viele Juwelen von mir erhalten, dass du dich nicht mehr an jeden Anlass, an jeden Kauf erinnern kannst? Ich bin sicher, dass du genauso wenig die Zeit vergessen hast, die wir danach miteinander im Bett verbracht haben.“

Gemma spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Draußen rief Mark erneut nach ihr. Sie drängte sich an Jannis vorbei und riss mit aller Kraft die Tür auf. „Du irrst dich“, sagte sie zu ihm. „Ich erinnere mich nicht. Weder an den Rosenball, noch an dich, noch an unsere gemeinsame Zeit. Ich habe mein Gedächtnis verloren.“

Gemma eilte auf die halb ausgeleuchtete Bühne und wartete auf den Spot, der sie ins Rampenlicht rücken würde. Sie hatte immer noch Jannis’ erstaunten Blick vor Augen, während sie, geblendet vom Scheinwerferlicht, ins Publikum sah. Sie musste sich konzentrieren und die verstörende Szene in der Garderobe vergessen.

Es wurde still im Saal, die Leute legten Messer und Gabel weg. Die meisten Gäste hatten ihr Dinner sowieso beendet. Es war Freitagabend, und die Tische waren voll besetzt. Gemma sammelte sich. Die Nebelmaschine sandte weiße Schwaden auf die Bühne, die ihre Beine sanft umwirbelten. Rote und blaue Scheinwerfer färbten den Nebel ein und schufen eine romantische Atmosphäre.

Sekundenlang verspürte sie das vertraute Lampenfieber, bevor sie ihr Selbstvertrauen zurückgewann und vortrat. Sie liebte die Bühne, hier war ihr Zuhause – jener Ort, an dem ihre Stimme, ihre Gedanken und ihr Körper eins wurden mit der Musik.

Gegen Ende des zweiten Liedes entdeckte sie Jannis im Saal. Er saß allein an einem Tisch, bequem an die Wand gelehnt, sein Arm lag auf der Stuhllehne. Sein Blick war undurchdringlich, während er Gemma beobachtete. Der Tisch vor ihm war leer.

Gemma verspürte ein flaues Gefühl im Magen, als sie daran dachte, dass er sie für später zu einem Drink eingeladen hatte. Sie meinte fast, seine Hand immer noch auf ihrem Arm zu spüren, und wäre darüber fast in Panik geraten.

Mit aller Gewalt verdrängte sie diese Gedanken und gab alles, um ihr Publikum mitzureißen. Nachdem der letzte, lang ausgehaltene Ton des Liedes verklungen war, trat einen Moment lang Stille ein, dann klatschten die Leute begeistert Beifall. Gemma warf ihrem Publikum ein paar Handküsse zu und verbeugte sich. Ihre unbändigen Locken fielen nach vorn. Sie richtete sich auf, strich sich das Haar aus dem Gesicht, und der Applaus wurde noch stärker. Die Leute pfiffen und forderten eine Zugabe.

„Also gut“, sagte sie lächelnd. „Ein letztes Lied, diesmal eine Komposition von Andrew Lloyd Webber. Es ist eines meiner Lieblingslieder.“ Das Rufen im Saal erstarb. „Ich singe es für alle, die einen Menschen geliebt und verloren haben.“

Sie sang „Memory“, und ihre klare, eindringliche Stimme erfüllte den Saal. Gemma meinte zu spüren, wie die Menschen den Atem anhielten. Als sie die letzte Zeile sang, ließ sie sie sanft verklingen.

Donnernder Applaus ertönte.

Gemma lächelte und winkte. Mit Blicken suchte sie Jannis, während die letzten Worte des Liedes in ihr nachklangen. Ein neuer Tag.

Ihre Blicke begegneten sich für einen langen Moment, und plötzlich verspürte Gemma eine so starke Anziehung, dass ihr Lächeln erstarb.

Denn für sie beide gab es keinen neuen Tag. Seine Vergangenheit stand wie eine unüberwindliche Barriere zwischen ihnen.

Gemma zitterte, als sie endlich in ihre Garderobe zurückkehrte. Sie fühlte sich, als hätte sie zwei Runden mit Rocky Balboa geboxt. Lucie war ebenfalls da. Sie lag gemütlich auf dem kleinen Sofa und war bereits umgezogen. Ihr ausgefallener Modestil passte zu ihren blonden Strubbelhaaren und den großen grünen Augen.

„Der Boss will dich sprechen“, verkündete sie und warf ein zusammengeknülltes Blatt Papier in den Abfalleimer.

Gemma setzte sich vor den Spiegel. „Mark?“

„Nein, der große Fisch. Jannis Apollonides.“ Lucie schaute neugierig zu Gemma hinüber. „Er erwartet dich nachher zu einem Drink an seinem Tisch. Du hast mir gar nichts von ihm erzählt.“

So leicht ließ Jannis sie offenbar nicht davonkommen. Nun, wahrscheinlich wollte er mehr erfahren, nachdem sie ihn mit einem Gedächtnisverlust konfrontiert hatte.

„Er hat mich auch erst kurz vor der Show gefragt“, erklärte Gemma, ohne zu gestehen, dass Jannis in ihrer Garderobe gewesen war. Glücklicherweise hatte bisher niemand auf die vergangene Affäre angespielt. Aber das konnte gut daran liegen, dass die meisten Angestellten noch keine zwei Jahre hier arbeiteten.

„Ehrlich gesagt bin ich viel zu müde, um mit Mr. Apollonides Smalltalk zu machen“, murmelte Gemma. Ihre Müdigkeit war nicht körperlich, es war eine abgrundtiefe seelische Erschöpfung. Sie fühlte sich emotional ausgelaugt. Daher konnte sie Jannis jetzt nicht gegenübertreten.

Dass sie intensiv auf seine Berührungen reagierte, machte ihr Angst. Sich zu Jannis Apollonides hingezogen zu fühlen konnte Gemma überhaupt nicht gebrauchen. Sie benötigte Zeit, um mit dieser unerwarteten Komplikation fertigzuwerden. Wenn sie Jannis gegenübertrat, wollte sie es zu ihren Bedingungen tun und in einer Umgebung, in der sie sich sicher fühlte. Die schummrige Atmosphäre einer Lounge war absolut ungeeignet.

Als sie sah, wie Lucie sie ungläubig anstarrte, fügte Gemma hinzu: „Du kannst ihm mitteilen, dass ich für heute weg bin.“ Eine Zurückweisung würde Jannis nur guttun. Außerdem ging Gemma davon aus, dass es ihn nur noch begieriger machen würde, sie zu sehen.

„Du bist dumm, Gemma. Ich arbeite jetzt seit acht Monaten auf Strathmos, und er hat noch nie eine Angestellte zu einem Drink eingeladen. Da willst du ablehnen?“ Lucie sprang auf und begann, in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen. „Ich verstehe dich nicht. Diesmal hat er auch keine seiner Freundinnen mitgebracht. Man munkelt, dass er sich von diesem Model getrennt hat. Warum versuchst du nicht dein Glück?“

Gemma antwortete nicht. Sie nahm eine Flasche mit Make-up-Entferner und Wattepads in die Hand und begann routiniert, sich abzuschminken. Jannis würde sicher bald hier auftauchen, um sie abzuholen. Und sie hatte keine Lust, ihm zu begegnen.

Nachdem sie vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte, zuckte Lucie die Schultern und verließ die Garderobe. Dabei beschwerte sie sich leise über ihr Pech, nicht die Auserwählte zu sein.

Gemma jedoch wusste, dass Jannis’ Einladung nichts mit Glück zu tun hatte. Sein Verhalten am Strand hatte bewiesen, dass er alles andere als froh war, sie hier auf der Insel zu sehen.

Sie musste dieses Spiel sehr, sehr vorsichtig spielen. Seit einem Jahr versuchte sie schon, in seine Nähe zu gelangen. Unerwartet war die Sängerin, die ursprünglich für das Electra-Theater gebucht war, abgesprungen. Dadurch hatte Gemma ihre Chance erhalten. Ihrer Agentin war es gelungen, ihr den Job zu verschaffen.

Nun blieben noch achtzehn Tage, um die Wahrheit herauszufinden. Weniger als drei Wochen, um sich für das angetane Leid zu rächen. Dass Jannis sie mit einer harmlosen Berührung regelrecht in Flammen versetzen konnte, durfte Gemma nicht ablenken. Sie würde ihren Vergeltungsplan umsetzen.

2. KAPITEL

Gemma versetzte ihn!

Sie hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, es ihm selbst mitzuteilen, sondern jemanden geschickt, der die unwillkommene Botschaft überbrachte. Seit Jannis wusste, dass Gemma sich auf Strathmos befand, brodelte ein tiefer Zorn in ihm. Der sich jetzt einen Weg an die Oberfläche bahnte.

Gemma behauptete, ihr Gedächtnis verloren zu haben. Wann und wie war das passiert? Und was hatte das alles mit ihm zu tun? Weshalb war sie nach Strathmos zurückgekehrt?

Wütend blickte Jannis hinüber zur Bühne, auf der Gemma vor einer Weile gestanden hatte. Er sah sie noch genau vor sich in dem eng anliegenden Kleid, das ihre aufregenden Kurven so provozierend betonte. Ärgerlich erkannte er, dass er nahezu ununterbrochen an Gemma dachte, seit er wieder auf der Insel war. Und jetzt hatte sie ihn bewusst vor den Kopf gestoßen.

Jannis stand auf und ließ die Flasche Bollinger achtlos stehen – die er nur bestellt hatte, weil Gemma schon immer gern Champagner getrunken hatte. Grimmig verließ er den Saal, um sich auf die Suche nach ihr zu begeben.

Sie war nicht in ihrer Garderobe; doch als er den Schrank kontrollierte, sah er das rote Kleid auf dem Bügel hängen. Offensichtlich war Gemma hier gewesen und hatte sich anschließend aus dem Staub gemacht.

Weder in den Bars noch in den Coffeeshops, die die Vergnügungsmeile des Resorts flankierten, fand er sie. Jannis hielt kaum inne, als Mark Lyme auf ihn zukam. Nachdem er kurz mit dem Manager gesprochen und die nächste potenzielle Krise abgewendet hatte, verließ Jannis den Boulevard.

Im Schein der Straßenlaternen hielt er auf der großen, gepflasterten Piazza nach Gemma Ausschau. Gerade wollte er hinüber zu dem Gebäude gehen, in dem die Angestellten wohnten, als er eine einsame Gestalt sah, die auf den verlassenen Strand zustrebte. Jannis zog die Schultern hoch, um sich gegen den aufkommenden Wind zu schützen, und eilte Gemma hinterher. Dass sie es war, bezweifelte er keine Sekunde lang. Mochte sie auch Jeans und einen weiten Pullover tragen – ihre wilden Locken verrieten sie.

Als er sie erreicht hatte, sagte er hinter ihr: „Wenn ich einer Angestellten einen Befehl gebe, erwarte ich, dass sie ihn befolgt.“ Obwohl er die Worte in sanftem Tonfall aussprach, konnte er seinen Zorn kaum verbergen.

Gemma zuckte zusammen und blieb stehen. Dann drehte sie sich langsam um. Im gedämpften Licht der Laternen auf der Promenade wirkten ihre Augen dunkelbraun. „Ich dachte, es wäre eine Einladung“, erwiderte sie leicht ironisch. „Eine, die ich übrigens nicht angenommen habe.“

„Aber du hast auch nicht abgelehnt.“

Sie überlegte nur kurz. „Nenn mir einen einzigen Grund, weshalb ich sie hätte annehmen sollen.“

Jannis war verblüfft. Normalerweise rissen sich Frauen geradezu darum, mit ihm auszugehen. Er brauchte sie in der Regel nicht einmal einzuladen. Sie kamen unangemeldet zu allen möglichen High-Society-Events, nur um ihn kennenzulernen. „Weil ich mit dir reden wollte.“

„Worüber?“

Autor

Tessa Radley
Tessa Radley liebt das Lesen seit sie denken kann. Schon als Kind hatte sie immer einen ganzen Stapel an Büchern in Reichweite, die sie als nächstes lesen wollte. Dass sie sich irgendwann dazu entschloss, selbst Geschichten zu schreiben, war eigentlich eine logische Konsequenz. Bis heute hat die USA TODAY Bestsellerautorin...
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