Stürmisches Geständnis am Meer der Liebe

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Ein mächtiger Sommersturm tobt über den Hamptons, als jemand laut an die Tür von Nico Ferraros Strandvilla klopft. Der italienische Immobilien-Mogul öffnet überrascht – und blickt in smaragdgrüne Augen, die ihn wütend anfunkeln. Nur ganz vage kommt die Frau ihm bekannt vor, ohne dass er sich ihres Namens entsinnen kann. Während Blitze über den Himmel zucken, erklärt sie ihm erbost, dass sie sein Kind unter dem Herzen trägt! Wie ist das möglich? An eine Liebesnacht mit dieser umwerfenden Schönheit würde Nico sich doch erinnern …


  • Erscheinungstag 08.03.2022
  • Bandnummer 2534
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509534
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein heftiges Sommergewitter wütete über der Atlantikküste, und der Regen trommelte auf die Strandvilla, in der Nico Ferraro aus dem offenen Fenster starrte. Seine Stimmung war so düster wie die brechenden Wellen unter ihm.

Ein Blitz erhellte den Himmel, Donner ließ das Haus erzittern und die Fenster klirren. Doch Nico blieb unbeweglich stehen, trank einen Schluck Scotch und schaute in die Nacht hinaus.

Er hatte verloren, was ihm am wichtigsten gewesen war. Seine Milliarden, sein Ruhm, seine romantischen Eroberungen bedeuteten nichts. Er hatte seine Chance auf Rache verloren. Im Moment seines Triumphs war sie ihm aus den Händen gerissen worden.

Vom anderen Ende des Hauses ertönte ein lautes Hämmern. Jemand klopfte an seine Tür.

„Bitte!“, rief eine Frauenstimme über das Sturmgeheul hinweg. „Bitte, Mr. Ferraro, Sie müssen mich reinlassen.“

Nico trank noch einen Schluck von dem vierzig Jahre alten Scotch. Sein Butler würde sich mit dem Eindringling befassen, notfalls mithilfe des Sicherheitsteams. Er war heute nicht in der Stimmung, Menschen zu sehen.

„Wenn Sie es nicht tun, wird jemand sterben!“, rief sie.

Das erregte seine Aufmerksamkeit. Er wollte sich wenigstens die Geschichte der Frau anhören, bevor er sie wieder in den Regen hinausschickte. Schnell schloss er das Fenster. Das Haus war ihm zwar egal, aber er würde es morgen zum Verkauf anbieten, da wären Wasserschäden am Parkett nicht hilfreich. Für ihn war dieses Anwesen jetzt nutzlos, da es nicht länger als Bühne für seine Rache dienen konnte.

Als er im Foyer ankam, sah er drei Männer, die sich im Halbkreis um die Haustür aufgestellt hatten. Hinter ihnen stand eine zierliche Frau. Sie war komplett durchnässt, die Haare klebten ihr an der Haut und die Kleidung am Körper …

Nico atmete scharf ein, als ihm zwei Dinge auffielen.

Erstens, die wunderschöne junge Frau mit den dunklen Haaren war schwanger.

Zweitens, er kannte sie.

„Stopp“, sagte er im Näherkommen. „Lasst sie reinkommen.“

Sein Sicherheitschef sah ihn stirnrunzelnd an. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Boss. Sie redet wirr und …“

„Lasst sie rein“, unterbrach er ihn, und die Männer traten widerstrebend beiseite.

„Danke, oh, danke“, schluchzte die junge Frau, wobei schwer zu sagen war, ob ihre Wangen feucht von Tränen oder vom Regen waren. Drängend packte sie Nicos Hand. „Ich hatte solche Angst, dass Sie nicht … wenn ich Ihnen sage …“

„Ist schon gut.“ Nicos Manieren waren zwar ein wenig eingerostet, aber nicht ganz verschwunden. „Sie sind jetzt in Sicherheit, Miss …“ Ihm wurde bewusst, dass er ihren Namen vergessen hatte, was peinlich war, denn ihr Großvater kümmerte sich seit vielen Jahren um die Pflanzen in seinem Penthouse in Manhattan. Um diesen Fauxpas zu vertuschen, sagte er scharf: „Ihre Hände sind eiskalt.“ Er wandte sich an einen der Bodyguards. „Hol ihr eine Decke.“

„Natürlich, Mr. Ferraro.“

Sie klapperte vor Kälte mit den Zähnen. „Aber ich muss … ich muss Ihnen erzählen …“

„Was auch immer es ist, es kann warten, bis Sie sich aufgewärmt haben. Wie wäre es mit einem heißen Getränk?“

„Nein, wirklich“, stieß sie aus. „Wenn Sie mir einfach zuhören …“

Nico wandte sich an seinen Butler. „Bringen Sie ihr einen heißen Kakao.“

Sebastian sah ihn zweifelnd an. „Kakao, Sir? Ich bin nicht sicher …“

„Wecken Sie die Köchin“, verlangte er, und der Butler eilte davon.

Seine Angestellten verwahrlosten langsam. Früher hätte er niemals eine Anweisung wiederholen müssen. Seine gesamten Häuser – genau wie sein internationales Immobilienkonglomerat – waren gelaufen wie eine gut geölte Maschine. Allerdings war das vorher gewesen. Als Nico noch so viel daran gelegen hatte, sein Leben perfekt wirken zu lassen.

Wann war das gewesen?

Weihnachten. Und heute war …

„Was für ein Tag ist heute?“, fragte er seinen Sicherheitschef.

„Der erste Juli, Mr. Ferraro.“

Sechs Monate. Und er konnte sich an kaum etwas daraus erinnern, obwohl er offenbar weiterhin Liegenschaften gekauft und seine Firma aus dem Büro in Rom heraus geführt hatte. Verlor er langsam den Verstand?

„Nico. Bitte.

Die Tochter seines Gärtners seinen Vornamen sagen zu hören, riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah sie an.

Die junge Frau hielt seine Hand umklammert und sah ihn flehentlich an. Eine Erinnerung regte sich in ihm. Aber woran?

Er kannte die Frau kaum. Im Lauf der Jahre hatte er sie ab und zu gesehen, weil sie quasi im Dachgarten seines Penthouses aufgewachsen war. Inzwischen musste sie Mitte zwanzig sein. Vielleicht hatte er sie ab und zu begrüßt oder ihr frohe Feiertage gewünscht, aber das rechtfertigte nicht, dass sie ihn mit einem Mal Nico nannte – als wären sie befreundet. Oder Geliebte.

Er zog seine Hand zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum sind Sie hier? Und warum haben Sie so eine Szene gemacht?“

Als der Bodyguard ihr die Decke um die Schultern legte, bat sie: „Hören Sie doch einfach zu.“

„Ich höre zu“, erwiderte er.

Ihre Augen leuchteten in einem ungewöhnlichen Grün unter dunklen Augenbrauen, die zu ihrer wilden Mähne passten. „Mein Großvater ist auf dem Weg hierher, um Sie zu erschießen.“

„Ihr Großvater? Warum?“ Nico fiel kein Grund ein, warum der Gärtner etwas gegen ihn haben sollte. Soweit er sich erinnerte, hatten sie seit Monaten nicht mehr miteinander gesprochen. „Ist das eine Art Witz?“

„Warum sollte ich darüber Witze machen?“

Die Panik in ihren Augen war nicht zu übersehen. Wie lächerlich es auch klang, die Frau glaubte eindeutig, was sie sagte. Also stimmte es entweder, oder sie hatte einen psychotischen Zusammenbruch. „Warum sollte er mich töten wollen, Miss … äh …“

Verdammt. Der Name war ihm immer noch nicht eingefallen. Wütend funkelte er seinen Scotch an, sicher, dass der die Schuld daran trug, bevor er das Glas auf den Tisch im Eingangsbereich stellte.

Mit großen Augen sah die Frau ihn an. „Sie erinnern sich nicht mehr an meinen Namen?“, fragte sie fassungslos.

Ertappt.

„Nein. Tut mir leid. Das ist nicht respektlos gegenüber Ihnen oder Ihrem Großvater gemeint. Selbst wenn er vorhat, mich umzubringen.“ Er lächelte grimmig, und als sie das Lächeln nicht erwiderte, setzte er hinzu: „Verraten Sie mir Ihren Namen.“

Da. Er hatte sich entschuldigt, was er nur sehr selten tat.

Doch sie wirkte nicht sonderlich beeindruckt, sondern reckte das Kinn. Aus ihren grünen Augen schossen smaragdfarbene Funken.

„Mein Name ist Honora Callahan, mein Großvater ist Patrick Burke, und er findet, Sie haben es uns beiden gegenüber an Respekt mangeln lassen. Darum ist er im Moment mit seinem alten Jagdgewehr auf dem Weg hierher, um Ihnen den Kopf wegzuschießen.“

Das Bild hätte Nico beinahe zum Lachen gebracht, aber er hielt sich gerade noch zurück. „Warum?“

Sie starrte ihn entgeistert an. Unter ihrem durchdringenden Blick wurde ihm unbehaglich.

„Ich bin mir sicher, Sie können es erraten“, sagte sie schließlich.

Er schnaubte. „Wie sollte ich?“

Nervös schaute sie zu seinem Sicherheitschef, Frank Bauer, und dem anderen Bodyguard. Beide Männer taten, als würden sie nichts hören, doch bei der Erwähnung des Jagdgewehrs hatten sie die Hand an ihre Holster gelegt.

„Na gut“, meinte sie. „Wenn Sie es so spielen wollen. Aber wenn Granddad hier ist, wird er sein Gewehr schwingen und wilde Drohungen ausstoßen. Sagen Sie Ihren Bodyguards, sie sollen ihn einfach ignorieren. Lassen Sie nicht zu, dass sie ihm wehtun.“

„Es wäre Ihnen also lieber, dass Ihr Großvater mich tötet?“, entgegnete er. „Burke ist ein guter Gärtner, aber mein Wunsch, die Moral meiner Angestellten zu heben, hat ihre Grenzen.“

„Sobald er hier ankommt, gehe ich raus und beruhige ihn. Bleiben Sie einfach drinnen und sagen Sie Ihren Männern, dass sie ihre Waffen nicht ziehen sollen. Das ist alles.“

„Ich soll mich wie ein Feigling in meinem eigenen Haus verstecken?“

„Um Himmels willen …“ Honora stampfte mit ihrem kleinen Fuß auf. Dabei fiel Nicos Blick ungewollt auf ihre vollen Brüste. Unter dem nassen Stoff ihres Kleides konnte er sogar ihre Nippel sehen. „Einfach drinnen bleiben und nicht reagieren, sollte Ihnen doch ein Leichtes sein“, erwiderte sie kühl.

In ihrer Stimme lag eine Kritik, die er nicht verstand. Er zwang seinen Blick nach oben und sagte: „Sie haben mir immer noch nicht erklärt, warum Burke das tun sollte. Ich habe seit Monaten nicht mehr mit ihm gesprochen.“

Honoras blasse Wangen wurden feuerrot. Sie senkte den Kopf und schaute auf ihren Bauch.

„Sie wissen, warum“, murmelte sie.

Nicos Herzschlag setzte aus, als ob sein Körper wüsste, was sie gleich sagen würde, auch wenn sein Kopf protestierte, dass das unmöglich war.

„Nein.“

Honora schnaubte. „Ich bin schwanger, Nico. Mit deinem Baby.“

Ein Blitz erhellte das Foyer, als Honora in Nicos attraktives Gesicht sah. Ihr Herz raste, und sie zitterte am ganzen Körper. Aber nicht vor Kälte, sondern vor Angst.

Sechs Monate hatte sie sich davor gefürchtet, Nico Ferraro wiederzusehen. Aber nie hatte sie es sich so schlimm vorgestellt.

Es schockierte sie, sich jetzt daran zu erinnern, wie sie als kleines Schulmädchen für ihn geschwärmt hatte. Diese Schwärmerei hatte ihre gesamte Jugend über angehalten, all die Nachmittage, an denen sie ihrem Großvater geholfen oder ihre Hausaufgaben in der Ecke der Penthouse-Terrasse gemacht hatte.

Nico Ferraro hatte sie einfach umgehauen – ob im Smoking auf dem Weg zu einer glamourösen Veranstaltung oder in seiner Lederjacke, wenn er zum Motorradrennen fuhr. Selbst lässig in Khakishorts auf dem Weg zu seinem Privatjet, um auf die Malediven zu fliegen. Er verkörperte eine Welt, die Honora sich nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte, auch wenn sie ihre gesamte Kindheit in seiner Nähe verbracht hatte. Und nun, mit sechsunddreißig, war er der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte.

Sie hingegen fühlte sich oft unsichtbar. Wenn ihr Granddad mit der Arbeit fertig war, fuhren sie gemeinsam mit der U-Bahn zu ihrer kleinen Zweizimmerwohnung in Queens. Er hatte Honora nach dem Tod ihrer Eltern aufgezogen. Damals war sie elf Jahre alt gewesen. Er war immer geduldig und auf seine mürrische Art liebevoll und sehr fürsorglich gewesen.

Seine wahre Hingabe jedoch galt den Pflanzen. Manchmal hatte Honora sich gewünscht, sie wäre ein Rhododendron, um mehr von seiner Wärme und Aufmerksamkeit zu bekommen.

Doch immer, wenn sie sich ungeliebt fühlte, sagte sie sich, dass sie Glück gehabt hatte, bei ihrem Großvater ein Zuhause zu finden. Es stand ihr nicht zu, mehr zu verlangen. Für Patrick Burke kam die Pflicht immer an erster Stelle, und Ehre war in ihrer Familie sehr wichtig. So wichtig, dass ihre Mutter sie nach diesem moralischen Wert benannt hatte.

Das hatte es für Honora nur noch schwerer und schmerzhafter gemacht, ihrem altmodischen Großvater gestehen zu müssen, dass sie schwanger war – schwanger und unverheiratet.

Die ganze Zeit über hatte sie mit wachsender Verzweiflung darauf gehofft, dass Nico Ferraro auf ihre Nachrichten reagieren oder nach New York City zurückkehren würde. Doch beides war nicht passiert. Was auch eine Antwort war – und zwar eine, die ihr das Herz gebrochen hatte.

Als der Frühling in den Sommer überging, war es ihr immer schwerer gefallen, sich gute Ausreden zu überlegen, warum sie weite Sweatshirts trug. Und bei der ersten Hitzewelle im Juni hatte ihr Großvater sie nur in T-Shirt und Shorts vor dem offenen Kühlschrank stehen sehen, wo sie versucht hatte, sich abzukühlen. Sein Blick war sofort auf ihren Bauch gefallen.

„Oh nein“, hatte er gerufen, und zum ersten Mal seit der Beerdigung ihrer Eltern dreizehn Jahre zuvor hatte er vor ihren Augen geweint. Dann war die Wut gekommen. „Wer ist der Mistkerl, der dir das angetan hat?“

Honora hatte sich standhaft geweigert, den Vater zu nennen – selbst ihren Freundinnen gegenüber. Der Chauffeur, ein Amerikaner italienischer Abstammung namens Benny Rossini, hatte angeboten, sie zu heiraten. Was sehr nett war. Sie hatte ihm gedankt und gesagt, dass sie ihre Freundschaft nicht ausnutzen könne.

Einen Monat lang hatte sie den Atem angehalten und gehofft, dass der Sturm vorüberziehen würde.

Doch heute Nachmittag, während sie ihrem Großvater im Dachgarten geholfen hatte, hatte die Haushälterin erklärt, dass Nico Ferraro nach sechs Monaten endlich in die USA zurückgekehrt war. Sein Privatjet wäre gerade in den Hamptons gelandet – die man mit dem Auto innerhalb von drei Stunden erreichen konnte.

Nach all den Jahren als sein Angestellter kannte Patrick Burke das Playboyleben seines Arbeitgebers. Er hatte einen Blick auf Honoras Gesicht geworfen, seine Schaufel fallen lassen und gemurmelt, dass er in die Wohnung fahren würde, um sein altes Jagdgewehr zu holen.

Honora hatte sofort vor sich gesehen, wie Nicos Sicherheitsteam ihren mit dem Gewehr herumwedelnden Großvater erschießen und danach behaupten würde, es wäre Notwehr gewesen. Sie hatte nur hoffen können, dass sie vor ihm da sein würde, um mit Nico zu reden.

Nun blickte sie ängstlich zwischen Nico und seinen Bodyguards hin und her. „Sind alle einverstanden? Wenn mein Großvater hier ankommt, behaltet ihr eure Waffen im Holster und lasst mich allein mit ihm reden?“

Nico trat näher an sie heran. „Das kannst du nicht ernst meinen.“

Sie musterte den Milliardär und Playboy, den sie einst so exotisch und wundervoll gefunden hatte. „Ich habe doch gesagt, das hier ist kein Witz. Granddad ist bereits auf dem Weg …“

„Ich kann unmöglich der Vater deines Kindes sein“, unterbrach er sie. „Ich habe dich nie angerührt.“

Honora blieb der Mund offen stehen. Nie angerührt?

Diese Möglichkeit hatte sie nie in Betracht gezogen. Dass er leugnen könnte, sie geliebt zu haben. Als wenn sie bezüglich ihrer gemeinsamen Nacht lügen würde! Als wäre sie eine Goldgräberin, die versuchte, ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in eine Ehe zu locken.

Im Februar, nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, hatte sie versucht, das Richtige zu tun und ihn zu informieren, aber er hatte alle Nachrichten, die sie in seinem Büro in Rom und seiner Villa an der Amalfiküste hinterlassen hatte, ignoriert. Resigniert hatte sie erkannt, dass sie das Kind allein aufziehen musste. Wenn Nico keine Verantwortung übernehmen wollte, konnte sie daran nichts ändern. Sie war erwachsen und hatte das Risiko gekannt.

Aber zu hören, wie er ihre gemeinsame Nacht leugnete, bewies ihr, dass Nico ihre Schwärmerei für ihn ausgenutzt hatte. Er hatte sich ihre Jungfräulichkeit genommen und sie und das Baby – sein Baby – wie Müll entsorgt.

Das war der letzte Tropfen …

Wut rauschte wie ein Feuer durch sie und verbrannte ihr Herz zu Asche.

„Wie kannst du es wagen“, sagte sie mit leiser, zitternder Stimme und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich habe mich nie anders als ehrenhaft verhalten – im Gegensatz zu dir –, und du nennst mich eine Lügnerin?“

Nico starrte sie perplex an. „Ich würde mich daran erinnern, mit dir geschlafen zu haben.“

Er war groß und breitschultrig und trotz seiner zerzausten Haare unfassbar attraktiv. Er roch nach Scotch und Leder und Rauch vom Kamin. Nach Regen und Männlichkeit und Ungezähmtheit. Sie atmete tief ein und sehnte sich trotz allem nach ihm.

Dafür hasste sie sich, aber nicht so sehr, wie sie ihn hasste. Nie wieder würde sie sich gestatten, ihn zu wollen. Niemals.

„Du erinnerst dich also weder an meinen Namen noch an unsere gemeinsame Nacht?“, stieß sie aus.

Seine dunklen Augen verengten sich, als er bissig erwiderte: „Und wann soll dieses Wunderbaby empfangen worden sein?“

„Heiligabend.“

Er schnaubte. „Heilig…“ Dann veränderte sich seine Miene, und er runzelte die Stirn. Einen Moment lang wirkte er verwirrt, reckte aber gleich darauf trotzig das Kinn. „Wenn es passiert ist – und ich sage nicht, dass es das ist –, wie kann ich sicher sein, dass ich der Vater bin?“

Nun war sie beinahe sprachlos vor Wut. „Du glaubst, ich habe in der gleichen Woche noch mit anderen Männern geschlafen?“

„Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, und du bist eine unabhängige Frau …“

„Du weißt, dass ich noch Jungfrau war!“ Sie wusste, dass seine Männer zuhörten, aber das war ihr egal. „Wie kannst du es wagen!“

Als sich draußen ein Wagen näherte und kurz darauf Türen zuschlugen, hielt sie inne.

„Komm raus, Ferraro!“, hörte sie ihren Großvater über den Wind und Regen brüllen. „Komm sofort raus, damit ich dir eine Kugel zwischen die Augen verpassen kann!“

Honora schaute zu den beiden Bodyguards an der Tür, die die Hand bereits am Holster liegen hatten.

„Bitte, tut ihm nichts“, flehte sie. „Ich sagte doch, ich gehe raus und rede mit ihm.“

Sie sah, dass Nico Ferraro den beiden Männern kurz zunickte.

„Sorgen Sie dafür, dass er draußen bleibt“, sagte der Sicherheitschef. „Wenn er nicht auf uns schießt, werden wir auch nicht auf ihn schießen.“

„Danke“, sagte Honora, doch Angst schnürte ihr die Kehle zu. Was, wenn Patrick in seinem Zustand anfing, auf das Haus zu feuern? Zitternd eilte sie zur Haustür.

Dort blieb sie abrupt stehen und wirbelte zu Nico herum.

„Ich tue das, um meinen Granddad zu beschützen, nicht dich“, erklärte sie. „Ich persönlich hätte nichts dagegen zu sehen, wie du dir eine Kugel einfängst.“

Sie öffnete die Tür und lief in den heulenden Sturm hinaus.

2. KAPITEL

Ich persönlich hätte nichts dagegen, zu sehen, wie du dir eine Kugel einfängst.

Nico starrte Honora fassungslos hinterher. Er spürte die Blicke seiner Männer, bevor sie sich diskret abwandten. Sein Magen zog sich zusammen.

Du erinnerst dich also weder an meinen Namen noch an unsere gemeinsame Nacht?

Ihre verächtlichen Worte hinterließen ein leeres Gefühl in ihm und erinnerten ihn an ähnliche Worte von Lana, als er sie Heiligabend auf ihrem Filmset in Paris angerufen hatte, um ihre Verlobung zu lösen.

Du herzloser Bastard. Du hast mich nie wirklich geliebt, oder, hatte Lana ins Telefon gebrüllt.

Nein, hatte er kurz angebunden geantwortet. Tut mir leid.

Früher an jenem Morgen war er mit der Nachricht geweckt worden, dass sein Vater gestorben war. Es hatte sich angefühlt wie ein Bad in Eiswasser. Prinz Arnaldo Caracciola war in Rom einem Herzinfarkt erlegen. Und zwar unmittelbar bevor er gezwungen gewesen wäre, in die Hamptons zu fliegen, um Nico um Gnade anzuflehen.

Welchen Sinn hatte es, mit einem Filmstar verlobt zu sein, wenn er das seinem alten Herrn nicht mehr unter die Nase reiben konnte?

Nach dem Telefonat hatte Nico versucht, wie gewohnt zu arbeiten, dann aber angefangen, seine treuesten Angestellten anzubrüllen und sogar einige von ihnen gefeuert. „Es ist Heiligabend. Geh nach Hause, bevor du uns in den Ruin stürzt“, hatte sein Vizepräsident leise gesagt und ihm zwei Schlaftabletten gereicht. „Ruh dich aus. Du siehst aus, als hättest du seit Tagen nicht geschlafen.“

Und das stimmte. In Erwartung des Besuchs seines Vaters hatte er wirklich kaum ein Auge zugemacht. Doch Nico brauchte keinen Schlaf. Ihm ging es gut. Und um das zu beweisen, war er ins Fitnessstudio gefahren und im Sparring gegen einen ehemaligen Schwergewichtsweltmeister im Boxen angetreten.

Zumindest so lange, bis der Besitzer des Studios ihn nach Hause geschickt hatte, weil er es nicht riskieren wollte, dass Nico einen Hirnschaden davontrug.

Zu Hause hatte ein leeres Penthouse auf ihn gewartet. Er hatte nach der Flasche Scotch gegriffen, getrunken und auf die Stadt herabgeschaut, während er innerlich vor Wut geheult hatte.

An das, was danach geschehen war, hatte er nur diffuse Erinnerungen. Er hatte angefangen, zu halluzinieren und sich Dinge einzubilden. Irgendwann musste er die beiden Schlaftabletten mit Scotch runtergespült haben, denn als seine Haushälterin früh am nächsten Morgen kam, hatte sie ihn im Flur neben einer zerbrochenen Scotchflasche gefunden. Alarmiert hatte sie den Krankenwagen gerufen.

Im Krankenhaus war Nico aufgewacht und hatte als Erstes in die besorgten Augen seines Arztes geblickt. „Sie müssen sich besser um sich kümmern, Mr. Ferraro. Sie hatten eine schwere Gehirnerschütterung, und der Alkohol und die Tabletten haben die Sache nicht besser gemacht.“ Er hatte kurz innegehalten und dann gesagt: „Vielleicht wäre es gut, mal mit jemandem zu reden. Oder sich für ein paar Wochen in einer entsprechenden Einrichtung auszuruhen und zu verarbeiten, was auch immer …“

„Mir geht es gut“, hatte Nico ihn unterbrochen und sich dann gegen ärztlichen Rat selbst entlassen. Er war sofort zum Flughafen gefahren, um mit seinem Privatjet nach Rom zur Beerdigung seines Vaters zu fliegen.

Sein Vater, der ihm sein ganzes Leben lang alles verweigert hatte, konnte ihm diesen Schritt nicht mehr verwehren. Nico hatte das letzte Wort behalten. Doch als seine böse Stiefmutter ihn mit tränenerfüllten, anklagenden Augen über das Grab hinweg angeschaut hatte, hatte Nico sich nicht wie der Sieger gefühlt. Im Gegenteil, es war, als hätte sein Vater gewonnen, da er genau dann an einem Herzinfarkt gestorben war, als Nico ihn endlich an der Kehle hatte.

Nun würde Arnaldo niemals mehr zugeben, dass der Sohn, den er im Stich gelassen hatte, ihn überholt hatte. Oder dass es ihm leidtat, sein Zimmermädchen – Nicos Mutter – verführt und dann auf die Straße gesetzt zu haben. Der verheiratete Prinz hatte gewusst, dass Maria Ferraro schwanger gewesen war, aber er hatte sich geweigert, die Verantwortung zu übernehmen. Und darum hatte er es verdient, bestraft zu werden …

Nico stockte der Atem. War es möglich, dass er gerade das Gleiche tat wie der Mann, den er so hasste?

Konnte es sein, dass er ein Kind mit … nun ja, nicht dem Zimmermädchen, aber mit der Enkelin seines Gärtners gezeugt hatte? Sagte Honora Callahan die Wahrheit?

Nein. An eine Nacht mit ihr würde er sich erinnern!

Er hatte niemals Affären mit Angestellten. Für seine Bettgeschichten zog er Frauen vor, die ähnlich viel Macht hatten wie er. Supermodels. Erbinnen. Selfmademillionärinnen. Frauen, die heißen Sex wollten, aber keine emotionale Intimität verlangten, die er ihnen nicht geben konnte. Selbst zu Lana hatte er während ihrer sechsmonatigen Beziehung keine emotionale Nähe empfunden, und er war davon ausgegangen, dass es ihr so auch lieber war.

Die Vorstellung, sein Eigeninteresse für jemand anderen zurückzustellen, kam ihm wie der reinste Wahnsinn vor.

So wie Patrick Burkes Verhalten damals, als er die Vormundschaft für seine Enkelin übernommen hatte. Nico hatte ihn für verrückt gehalten: ein älterer Witwer, der ein elfjähriges Mädchen aufziehen wollte. Aber da es die Arbeit des Mannes nicht beeinträchtigt hatte, hatte er nichts dazu gesagt.

Burke hingegen schien im Moment so einiges zu sagen zu haben.

Nico trat ans Fenster und sah, dass Honora ein Stück entfernt vom Haus inmitten des Regens und der Blitze mit ihrem Großvater sprach. In der Nähe lungerte eine zweite Gestalt. Was zum Teufel … War das etwa sein Chauffeur? Hatte er den mordlustigen alten Mann in Nicos Bentley hierhergefahren?

Ein weiterer Blitz erhellte die Nacht, und Nico sah Honoras flehende Miene, bevor sie sich abwandte und versuchte, ihren Großvater davon abzuhalten, sich dem Haus zu nähern.

Patrick Burke schien ziemlich sicher zu sein, dass Nico der Vater war. Und Honora auch. Du weißt, dass ich noch Jungfrau war.

Aber er würde sich doch daran erinnern, mit ihr geschlafen zu haben, oder? Sicher, er war ein Playboy, doch selbst mit einer schweren Gehirnerschütterung, Halluzinationen vom Schlafmangel und ein paar Schlaftabletten mit Scotch würde er sich erinnern …

Ihr langes dunkles Haar ausgebreitet auf dem Kissen. Ihre smaragdfarbenen Augen glühten, als sie zu ihm aufschaute und flüsterte: „Ich kann nicht glauben, dass das hier passiert …“ Ihre samtene Haut, als er langsam über ihren nackten Körper strich, ihre Brüste umfasste, sich dann immer weiter nach unten küsste, um …

Oh mein Gott!

Abrupt wandte Nico sich vom Fenster ab, ging zur Haustür und trat in die dunkle, stürmische Nacht hinaus.

Hinter sich hörte er Bauer rufen: „Sir?“

Nico ging schnurstracks auf den alten Mann und Honora zu.

Der Gärtner hörte auf, mit seinem Gewehr zu wedeln, als er ihn sah.

„Sie glauben, Sie können sich einfach nehmen, was Sie wollen, Mr. Ferraro?“ Seine Stimme brach. „Ein unschuldiges Mädchen verführen und sie dann achtlos wegwerfen, wenn sie mit Ihrem Kind schwanger ist?“

„Ich wusste nichts davon“, erwiderte Nico. „Sie hat mir nie etwas gesagt.“

„Ich habe es versucht“, warf Honora ein.

„Tja, nun, wo Sie es wissen … Wie sieht Ihr Plan da aus?“, fragte Burke.

Honora stellte sich nervös zwischen die beiden Männer. „Er muss gar nichts tun, Granddad. Er hat deutlich gemacht, dass er kein Interesse daran hat, Vater zu sein. Ich kann mein Baby allein aufziehen.“

Kein Interesse daran, Vater zu sein. Mit einem Mal blitzte eine Erinnerung in Nico auf. Seine Mutter, die ihn als kleinen Jungen festhielt, als sie aus ihrer winzigen Wohnung am Stadtrand von Rom geworfen worden waren.

Warum zahlt dein Vater nicht für dich? Warum will er dich nicht? Wie kann er erwarten, dass ich das hier allein schaffe?

Nico fühlte sich seltsam haltlos, während der Regen ihn durchnässte.

Sechs Monate lang war er verloren gewesen, nachdem der Plan seines Lebens gescheitert war. Sein Vater war tot und könnte Nicos Existenz niemals anerkennen, geschweige denn, ihn als Sohn annehmen.

Auf keinen Fall konnte er jemandem den gleichen Schmerz verursachen. Er würde sein Kind anerkennen.

Wenn es wirklich sein Baby war, hatte er jetzt die Gelegenheit, es besser zu machen.

Nico konnte niemals den Titel eines Prinzen erben oder den aristokratischen Namen Caracciola. Aber er könnte seine eigene Dynastie gründen und sicherstellen, dass sich seine Kinder niemals so fühlen würden wie er – abgelehnt, haltlos, allein.

„Oh nein, so leicht werden Sie nicht davonkommen“, erklärte Patrick Burke ihm entschlossen. „Sie werden die Verantwortung für Ihr Tun übernehmen, sonst …“ Er zeigte mit dem Gewehr auf Nico.

Mit einer Bewegung entriss Nico ihm die Flinte. Der alte Mann starrte ihn wütend an.

„Ich verstehe Ihren Standpunkt, Mr. Burke. Und ich denke, wir können eine Einigung erzielen, mit der wir alle zufrieden sind.“

„Was für eine Einigung?“

Nico schaute Honora an, die sie beide mit großen Augen beobachtete. „Warum gehen wir nicht rein, wo es warm ist, und reden darüber?“

Der alte Mann sah ihn finster an. „Wenn Sie glauben, dass meine Enkelin zu kaufen ist …“

Autor

Jennie Lucas
<p>Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...
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