Sündig süß

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Sündig und süß sind zwei Worte, die seine Nachbarin Carlie ausgesprochen gut beschreiben, findet Daniel, während er beobachtet, wie sie in der Confiserie Sinfully Sweet verschwindet. Kurzentschlossen folgt er ihr. Vielleicht findet er ja dort etwas zum Vernaschen ...


  • Erscheinungstag 04.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716370
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Zufrieden lächelnd drehte sich Ellie Fairbanks dem Schild zu, das über dem vor Sauberkeit blitzenden Schaufenster hing. Es informierte die Bewohner Austells darüber, dass Sinfully Sweet, das neueste Geschäft in der Kleinstadt, jetzt geöffnet und bereit für den Ansturm der Konsumenten von sündhaft leckeren Süßigkeiten war.

Sie konnte es kaum erwarten, dass der erste Kunde durch die Tür käme. Zugleich machte sie die Vorstellung nervös. Liebevoll strich sie mit den Fingern über die glänzenden, schwarzen und goldenen Buchstaben in Schreibschrift, die das Panoramafenster an der Frontseite des Ladens schmückten. Dann berührte sie die kleineren Buchstaben unter dem Namen des Geschäftes, die versprachen: Außergewöhnliches Schokoladenkonfekt.

Brächte ihnen Sinfully Sweet genauso viele Daten und Erkenntnisse für ihre wissenschaftlichen Untersuchungen wie das letzte Geschäft, das sie und Marcus in einer anderen Stadt eröffnet hatten? Gerade als Ellie an ihren Ehemann dachte, mit dem sie seit siebenundzwanzig Jahren verheiratet war, schlang er von hinten die starken Arme um ihre Taille.

„Mmm“, murmelte er, während er mit den Lippen über die empfindsame Stelle hinter ihrem Ohr strich. „Du duftest délicieux.“

Seine Berührung löste immer noch wie beim allerersten Mal ein elektrisierendes Kribbeln in ihr aus. Nach all den gemeinsam verbrachten Jahren war seine Wirkung auf sie, ihre Reaktion auf ihn … Nun, das war nicht im Mindesten logisch oder wissenschaftlich zu erklären und dennoch nicht zu leugnen. „Die Schokolade duftet köstlich“, entgegnete sie und lächelte über seinen katastrophalen französischen Akzent. Sie sog tief die Luft ein. Das üppige Schokoladenaroma im Raum war ein Genuss.

Als Wissenschaftlerin war Ellie dem logischen Denken verpflichtet und wusste, dass es weiteren Forschungsergebnissen bedurfte, um den sinnlich-erotischen Effekt genauer bestimmen zu können, den Schokolade auf den menschlichen Körper hatte. Doch als Frau verfügte sie auch über eine ausgeprägte weibliche Intuition und wusste, dass allein der köstliche Duft ihr Wohlbefinden steigerte.

„Stimmt“, meinte Marcus und knabberte neckisch an ihrem Ohrläppchen. „Aber du duftest sogar noch leckerer. Als wenn du von hochfeiner Schokolade umhüllt wärst. Meine Lieblingsnascherei.“ Er schmiegte das Kinn an ihre Schläfe.

Sie wusste, dass er den Ladenraum begutachtete. Als Wissenschaftler war er brillant, aber als Dekorateur definitiv überfordert. Während der vergangenen drei Jahre – seitdem sie sich von Winthrop Laboratories frühzeitig in Pension hatten schicken lassen und ihr eigenes Forschungsexperiment verfolgten – überließ er die Inneneinrichtung der Geschäfte lieber ihr. Bislang hatte er all ihre Dekorationen gutgeheißen. Sie legte die Hände auf seine und lehnte sich an ihn. Seine Kraft und Wärme zu spüren entspannte sie genug, um den Blick durch den Raum wandern zu lassen.

Die Glastheken mit dem köstlichen, dekadenten Schokoladenkonfekt glitzerten in den durch die Fenster hereinfallenden Sonnenstrahlen. Das Glanzstück der Auslage war die riesige Kristallschale, die mit in roter, goldener und silberner Folie verpackten Schokoladenherzen gefüllt war. Es war die perfekte Valentinstagauslage. Genau wie die großen, in glänzend rosafarbener und blauer Folie gewickelten halben Schokoladenherzen. Sie waren Bestandteil des Wettbewerbes, mit deren Teilnahme alleinstehende Kunden den besonderen Valentinstagpreis gewinnen konnten.

Der Parkettfußboden glänzte. Die Wandleuchter aus Messing gaben den mit Kirschholz getäfelten Wänden den letzten Schliff. In einfachen und doch eleganten, silbernen Langhalsvasen standen langstielige rote Rosen. Sie spürte, dass Marcus hinter ihr nickte.

„Es sieht alles sehr schön aus, Ellie. Sogar noch besser als das letzte Geschäft in der letzten Stadt. Zu dumm, dass wir nur für so kurze Zeit hier sein werden. Du hast dich selbst übertroffen.“

„Wir haben uns selbst übertroffen“, berichtigte sie ihn. „Dennoch bin ich besorgt. Dieser Standort … Der Laden liegt nicht wie sonst an einer Hauptstraße. Ich weiß, dass Austell in Nordkalifornien laut unserer Marktforschung perfekt in unser Zielraster passt. Die nächste größere Stadt ist mit dem Auto in zwei Stunden zu erreichen. Die Bevölkerung nimmt stetig zu, und der derzeitige Umsatz von Schokoladenerzeugnissen ist gering. Aber was ist, wenn die potenziellen Konsumenten uns nicht finden? Was ist …?“

„Ellie“, unterbrach er sie und drehte sie um, bis er ihr ins Gesicht sehen konnte. „Sie finden uns“, sagte er sanft. „Wer könnte sündhaft Süßem aus einem Laden widerstehen, der auch noch Sinfully Sweet heißt?“

Sie legte die Hände auf seine Brust, fühlte seinen regelmäßigen Herzschlag, sah in seine dunklen Augen und bemerkte, dass sich ihre Bedenken langsam in Luft auflösten. „Ein Name, der dich ursprünglich nicht gerade begeistert hat – falls du dich daran erinnerst. Wie wolltest du das Geschäft noch mal nennen, als wir damals mit unserem Forschungsprojekt begonnen haben? Ach, ja. Marcus’ Candy Store.“ Sie zog eine Grimasse und verdrehte die Augen.

„Ich bin nun mal nicht besonders kreativ, was die Namen von Geschäften angeht.“ Er stieß leicht mit seinen Hüften gegen ihre und hob vielsagend die Augenbrauen. „Aber das mache ich auf andere Art wieder gut.“

Lächelnd stupste Ellie ihn mit den Hüften an. „Da kann ich nicht widersprechen.“

„Und der geniale Valentinstagwettbewerb, den du dir ausgedacht hast, verlockt und fasziniert die Bewohner Austells ganz bestimmt.“

„Das will ich schwer hoffen.“

Marcus runzelte die Stirn. „Ich hoffe nur, dass uns der Wettbewerb am Ende nicht ein Vermögen kostet. Denn das könnte passieren, wenn es mehrere Gewinner gibt.“

Ellie winkte ab. „Das fällt unter Geschäftsausgaben. Und selbst wenn sich herausstellt, dass der Wettbewerb unserem Forschungsprojekt nicht weiterhilft – er bringt uns bestimmt sehr interessante und unterhaltsame Ergebnisse ein.“

Bei der Vorstellung grinste sie. Jeder alleinstehende Kunde von Sinfully Sweet erhielte eines der großen, halben Schokoladenherzen, in dem jeweils eine Botschaft versteckt war – die Frauen ein in rosafarbene und die Männer ein in blaue Folie gewickeltes, halbes Schokoladenherz. Die Aufgabe bestand darin, noch vor dem Valentinstag seine andere Hälfte zu finden. Also diejenige Person, deren versteckte Botschaft mit der eigenen übereinstimmte. Als Gewinn winkten ein Schlemmerpaket sowie ein romantisches Abendessen für zwei Personen im zum The Delaford Resort in der Nähe gehörenden Fünfsternerestaurant The Winery sowie einhundert Schokoladenherzen.

Marcus berührte mit der Fingerspitze ihre Unterlippe und riss sie aus ihren Gedanken. „Dein Lächeln ist eindeutig sündhaft.“

Ellie knabberte leicht an seinem Finger und schlang dann die Arme um seinen Hals. „Ich dachte nur gerade an die einhundert Schokoladenherzen, die ebenfalls zum Preis gehören. Aus eigener Erfahrung als auch dank der Ergebnisse unserer Untersuchung weiß ich sehr gut, dass ein Abend viel aufregender zu werden verspricht, wenn Schokolade im Spiel ist.“

„Ganz meine Meinung. Nun brauchen wir nur noch mehr Beweise für die Wissenschaftswelt. Und wenn mit Sinfully Sweet und dem Wettbewerb alles wie erwartet über die Bühne geht, ist ein weiterer Schritt in dieser Richtung getan.“ Sein Blick fiel auf ihren Mund. „Apropos Schokolade. Von all diesen köstlichen Leckereien umgeben zu sein sorgt dafür, dass Endorphine freigesetzt …“

„Das musst du dir für später aufheben“, schnitt sie Marcus das Wort ab, unterdrückte ein Lachen und versuchte ihr Bestes, ein strenges Gesicht aufzusetzen. „Außerdem musst du die Schokolade essen, damit Endorphine freigesetzt werden.“

„Nicht notwendigerweise, Ellie. Das hoffe ich, mit meiner neuen Hypothese zu beweisen. Sie lautet: Kann allein der Duft von Schokolade die Ausschüttung von Endorphinen auslösen? Unsere bisherigen Untersuchungsergebnisse zeigen, dass der Verzehr von Schokolade bei einer Mehrzahl der Probanden zu sinnlich-erotischem Verhalten führt. Den Duft miteinzubeziehen ist ein naheliegender Gedanke.“

„Ich kann nicht leugnen, dass ich jedes Mal an dich denke, wenn es nach Schokolade duftet.“

„Weil es das ist, was uns überhaupt erst zusammengebracht hat“, meinte Marcus.

„Richtig. Wahrscheinlich hätte ich dich überhaupt nicht bemerkt, wenn auf deinem Tisch im Labor nicht immer eine Tüte Schokoladenkonfekt gelegen hätte“, neckte sie ihn.

„Das war das Klügste, was ich jemals getan habe, Ellie. Damit habe ich das große Los gezogen. Daten zu erheben, um den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Schokolade und sinnlich-erotischem Verhalten zu belegen, ist das Mindeste, was ich tun kann, um der Wissenschaft dafür zu danken, dir begegnet zu sein.“

„Dito. Außerdem ist der Forschungsaspekt …“

„Köstlich.“ Marcus strich mit seinen Lippen über ihre.

„Mmm. Im doppelten Sinn. Für einen Wissenschaftler bist du ziemlich romantisch, weißt du.“

„Das Kompliment gebe ich gern zurück, Schatz.“

„Du solltest mich sehen, wenn ich nicht diese Schürze trage.“

„Ich lebe im Moment.“

Lachend löste Ellie sich von ihrem Ehemann. Sie schaute zur Tür und bekam Herzklopfen, als sie bemerkte, dass vor dem Laden ein Auto einparkte. „Es sieht ganz danach aus, als könnte jeden Moment unser erster Kunde hereinspazieren.“

Marcus drückte ihre Schulter. „Ausgezeichnet. Legen wir los.“

1. KAPITEL

Daniel Montgomery warf die große Tüte mit den Sachen, die er für seinen Umzug benötigte, in den Kofferraum seines SUV und ließ die Klappe zufrieden ins Schloss fallen. „Dieser Einkauf wäre erledigt. Noch etwas, das ich von meiner heutigen To-do-Liste streichen kann.“

„Was steht als Nächstes an?“, fragte sein Bruder Kevin, der nicht einmal versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. „Hoffentlich etwas, das eine Tasse Kaffee beinhaltet. Wenn ich gewusst hätte, dass ich bei Tagesanbruch aufstehen muss, hätte ich dir nicht freiwillig angeboten, beim Packen zu helfen.“

„Es ist fast zehn Uhr morgens. Tagesanbruch kann man das wohl kaum nennen.“

„Doch – wenn man nicht vor fünf Uhr morgens ins Bett kommt“, erwiderte er brummig.

Daniel zwang sich, nicht zu lachen. „Vielleicht hättest du früher ins Bett gehen sollen.“

„Das kann ich nicht. Schließlich ist es mein letztes Semester auf dem College. Bis in die Puppen aufzubleiben ist geradezu meine Pflicht.“

Er erinnerte sich, dass es ihm vor acht Jahren während seines letzten Semesters auf dem College genauso gegangen war. Also widersprach er Kevin nicht. Stattdessen rückte er seine Brille zurecht, lehnte sich gegen den SUV und holte seine To-do-Liste aus der Hosentasche der Jeans. Nachdem er das Paketklebeband und die Luftpolsterfolie durchgestrichen hatte, meinte er: „Ich muss noch zum Supermarkt …“

„Ja. Wo du Kaffee besorgen musst …“

„Und Bier und Hotdogs. Außerdem müssen wir dort noch mehr leere Kartons einsammeln. Ein weiteres Dutzend oder so sollten reichen. Neben meiner Computerausrüstung muss ich noch Bücher, CDs, DVDs, einige Dinge aus der Küche und meine Klamotten einpacken.“ Daniel atmete tief aus. „Noch zwei Wochen. Dann liegt Austell hinter mir.“

Kevin zog die Augenbrauen hoch. „Und das ist gut so. Richtig?“

Er zögerte. „Sicher“, antwortete er dann. „Warum fragst du?“

„Weil du dich irgendwie merkwürdig anhörst. Als wenn du deswegen unglücklich oder unsicher oder so etwas wärst.“

„Nein. Alles ist gut. Einen neuen Job anzutreten und in eine andere Stadt zu ziehen ist genau das Richtige.“ Oder etwa nicht? Daniel runzelte die Stirn, als ihm wieder dieses sonderbare Grummeln tief in der Magengrube zu schaffen machte. Wie jedes Mal, wenn er über seine Entscheidung für den neuen Job und den damit verbundenen Umzug nachdachte. Das war verrückt. Natürlich war es richtig, Austell zu verlassen.

In den vergangenen Monaten war es ihm so vorgekommen, als wenn sein Leben im immer gleichen Trott verliefe, langweilig und vorhersehbar wäre. Etwas fehlte – etwas, das er nicht wirklich benennen konnte. Er wusste nur, dass er irgendwie unzufrieden und verunsichert war. Sein dreißigster Geburtstag, der noch nicht lange zurücklag, hatte den Wendepunkt markiert. Er war dazu gezwungen gewesen, sein Leben neu zu bewerten, ein paar Veränderungen vorzunehmen und etwas Neues zu versuchen.

Bestimmt lag es nur am bevorstehenden Umzug nach Boston und dem neuen Job, dass er vorübergehend ein flaues Gefühl im Magen hatte. Denn auf die neue Position als Leiter der IT-Abteilung beim renommierten Unternehmen Allied Computers konnte er wirklich stolz sein. Außerdem wäre er dann den ganzen Tag über unter Menschen. Damit hätte er Gelegenheit, mehr Kontakte zu knüpfen und stärker am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

„Ich glaube, dass es dir guttut, diese kleine Stadt zu verlassen“, sagte Kevin, der ahnte, worüber sich sein Bruder Gedanken machte. „Wo man hier überhaupt ausgehen, Leute treffen und Spaß haben kann, ist mir ein Rätsel.“ Mit einer weit ausholenden Armbewegung zeigte er auf die gesamte Main Street.

„Das ist wirklich nicht einfach“, stimmte Daniel zu. Dabei war es wenig hilfreich, dass er gegenwärtig als freischaffender Webdesigner seine Aufträge gut vom heimischen Schreibtisch aus erledigen konnte. Besonders in den letzten zwei Monaten, seitdem er sich von Nina getrennt hatte – oder wohl eher sie sich von ihm –, hatte er fast nur noch gearbeitet und wie ein Einsiedler gelebt. Aber dank der Neuausrichtung seines Lebens änderte sich all das bald.

Er betrachtete die altmodischen Fassaden der Geschäfte und Häuser, die von der Sonne in Szene gesetzt wurden. Er konnte verstehen, dass der einundzwanzigjährige Kevin dem dezenten Charme Austells nicht erlag. Aber was die Lebens- und Wohnverhältnisse anging, waren sie ziemlich gegensätzlich. Daniel bevorzugte Ruhe und Zurückgezogenheit, während sein jüngerer Bruder aufblühte, wenn er viele Leute und viel Trubel um sich hatte.

Ja, ihm fiele es schwer, diese malerische, beschauliche Stadt mit dem historischen Stadtkern, den ruhigen Straßen, gepflegten Parks und freundlichen Bewohnern zu verlassen. Er wohnte seit acht Jahren hier – seitdem er Austell entdeckt hatte, während er das nahe gelegene College besucht hatte. Die Stadt hatte ihm ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt, das er seit Verlassen des Elternhauses vermisst hatte. Aber schließlich warteten jetzt bessere und größere Dinge auf ihn.

„Also, was steht als Nächstes auf deiner Liste?“, wiederholte Kevin die Frage. „Sag es mir schnell, bevor ich hier noch im Stehen einschlafe.“

Er schaute erneut auf seine To-do-Liste und war wieder ganz bei der Sache, als er die nächsten beiden Punkte vorlas: „Grasnarben und Humuserde.“

„Hurra“, meinte er trocken. „Wofür brauchst du das?“

„Vermutlich hast du noch nie den Garten hinter dem Haus gesehen“, erwiderte Daniel.

„Nein.“

„Da kannst du von Glück sagen. Ein weiterer Vorzug des Umzugs besteht darin, dass ich neue Nachbarn bekomme. Ich muss mich nicht mehr mit Carlie Pratt alias Miss Schussel mit den nicht zu bändigenden Hunden herumschlagen, die regelmäßig meinen Garten umgraben und mich mit ihrem Gebell zu unchristlichen Zeiten aufwecken. Oder in Kurzform: Miss Brummschädel mit ihren durchgeknallten Hunden.“

Kevin verzog das Gesicht. „Vielleicht solltest du dir Ohrstöpsel besorgen.“

„Mit der Erde bin ich besser dran. Um die Löcher in meinem Garten aufzufüllen, bräuchte ich Unmengen von Ohrstöpseln.“ Daniel unterdrückte nur mühsam ein Lachen, als er in Kevins ausdrucksloses Gesicht sah. Der Sinn für Humor seines jüngeren Bruders erstreckte sich nur auf Klamauk, Kalauer und Slapsticks. Ironie war ihm eher fremd.

„Mann, ich meinte, Ohrstöpsel für deine Ohren“, sagte er langsam, als erklärte er einem Erstklässler den Sachverhalt. „Damit dich das Gebell nicht aufweckt.“

„Oh“, erwiderte Daniel sehr ernst. „Gute Idee.“ Tatsächlich hatte er versucht, mit Ohrstöpsel das Problem zu lösen. Allerdings vergeblich, da sie immer aus den Ohren zu fallen schienen. Beim Aufwachen festzustellen, dass Wachs in den Haaren klebte, machte nicht viel Spaß. Doch in zwei Wochen läge all das hinter ihm, und er müsste sich darüber keine Gedanken mehr machen.

Nein, er vermisste das Chaos bestimmt nicht, das auf der anderen Seite seines Gartenzaunes herrschte, seitdem Carlie Pratt und ihre beiden streunenden Hunde vor drei Monaten im Nachbarhaus eingezogen waren. Das Chaos störte ihn wohl weniger, wenn es auf ihren Garten beschränkt bliebe. Aber ihre beiden ungestümen Welpen – die allem Anschein nach ausgewachsen wohl einmal riesig sein würden – schafften es fast täglich, ihr zu entwischen, irgendwie auf sein Grundstück zu gelangen und seinen Rasen umzupflügen.

Sein Immobilienmakler hatte einen Blick auf die kratertiefen Löcher in seinem Rasen geworfen und in unheilvollem Ton verkündet, dass dadurch der Wert des Grundstückes in den Keller ginge. „Dieser Schlamassel muss sofort beseitigt werden.“

Nun, Daniel hatte den Schaden behoben. Aber bald darauf waren Peanut Butter und Jelly – kurz: P. B. und J. – zurückgekehrt und hatten den Rasen erneut verwüstet. Meine Güte, wer nannte seine Hunde schon Erdnussbutter und Marmelade? Und seit wann gruben Hunde eigentlich so gern Löcher? Fast schien es, als glaubten die ausgeflippten Welpen, dass in seinem Garten ein Schatz vergraben wäre.

Ja, Carlie hatte sich jedes Mal vielmals entschuldigt, und er konnte nicht leugnen, dass sie dabei ziemlich süß ausgesehen hatte. Aber genug war genug. Ihm reichte es. Wahrscheinlich wäre er nachsichtiger, wenn er sein Haus nicht verkaufen wollte. Vermutlich. Doch laut seinem Immobilienmakler scheuten viele Interessenten vor einem Hauskauf zurück, wenn der Garten aussah, als ob eine Bombe darin explodiert wäre.

Autor

Jacquie D´Alessandro
Jacquie D'Alessandro wuchs in Long Island auf und verliebte sich schon in jungen Jahren in Liebesromane. Sie träumte immer davon, von einem schneidigen Schurken auf einem lebhaften Hengst entführt zu werden. Als jedoch Joe, ihr zukünftiger Ehemann, zum erste Mal auftauchte, hatte sein Erscheinungsbild nur wenig mit ihren Träumen zu...
Mehr erfahren