Sündige Nächte unter griechischen Sternen

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Erstaunt entdeckt der griechischen Tycoon Leandros Kastellanos seine Ex-Verlobte Eliana in der Menge der Partybesucher. Damals hat sie ihre Beziehung kaltherzig und ohne Erklärung beendet. Trotzdem spürt er jetzt, dass er Eliana immer noch begehrt. Ein verführerischer Racheplan muss her: Er bietet ihr ein Vermögen für eine kurze Affäre. Sie macht doch alles für Geld! glaubt er. Tatsächlich lässt Eliana sich darauf ein – aber aus einem Grund, den Leandros sich nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen kann …


  • Erscheinungstag 07.01.2025
  • Bandnummer 2682
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534536
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Leandros Kastellanos nickte vertrauten Gesichtern zu und tauschte Höflichkeitsfloskeln aus, während er sich durch den überfüllten Festsaal des First-Class-Hotels bewegte. Es war eine beliebte Location für feierliche Anlässe, und die Stimmung unter den handverlesenen Gästen der Athener High Society wirkte ausgelassen. Männer trugen Smoking, Frauen elegante Abendkleider und dazu teuren Schmuck.

Er war unerwartet früh von seiner Geschäftsreise zurückgekehrt. Und den Eltern des künftigen Bräutigams einen kurzen Besuch abzustatten, die alte Bekannte der Familie waren, gehörte zum guten Ton.

Einen Augenblick lang presste Leandros die Lippen zusammen. Nicht alle romantischen Verbindungen führten zu einer glücklichen Ehe. Das wusste er aus eigener Erfahrung …

Aber daran würde er jetzt nicht denken. Seine eigene Verlobung lag sechs Jahre zurück. Und er war nicht mehr der blauäugige Junge, der sich mit sechsundzwanzig Jahren von Liebe und Romantik hatte blenden lassen. Zu naiv, um das wahre Wesen der Frau zu erkennen, in die er sich einst so unsterblich verliebt hatte.

Bis er ihr wahres Wesen herausgefunden hatte.

Sie hat nicht mich geliebt, sondern nur das Geld der Kastellanos. Und als sie erfahren musste, dass sie dazu keinen Zugang haben würde … Tja, weg war sie. Sie hat mir schneller den Laufpass gegeben, als man „enterbt“ buchstabieren kann.

Es war eine mehr als ernüchternde Erfahrung gewesen.

Meine treulose Verlobte.

Bitterkeit erfüllte ihn. Eine Erkenntnis, die sich in ihm verfestigt hatte: Die Liebe war es nicht wert.

Sein Vater hatte ihn gewarnt. Und am Ende recht behalten.

Die Kastellanos-Millionen gehörten Leandros trotzdem. Seit dem verfrühten Tod seines Vaters vor drei Jahren zählte er zu einem der reichsten Männer Griechenlands. Und zu einem der begehrtesten Junggesellen. Aber eine Heirat stand nicht auf der Agenda. Lieber blieb er bei flüchtigen Affären, die er schon in seiner Jugend gehabt hatte, bevor er einer wunderschönen, aber habgierigen Frau in die Falle gegangen war.

Hinter dem Empfangsraum erstreckte sich eine große Dachterrasse, auf der später getanzt werden würde. Einem Impuls folgend, trat Leandros hinaus. Er brauchte frische Luft, eine Ablenkung von den unwillkommenen Erinnerungen. In der Ferne war der Parthenon auf der Akropolis zu sehen, rund um die Tanzfläche auf der Terrasse verbreiteten Lampions ihr sanftes Leuchten.

Und noch etwas fiel ihm auf.

Auf der anderen Seite der Terrasse, halb im Schatten liegend, hob sich die schlanke Silhouette einer Frau von ihrer Umgebung ab.

Eine Sekunde lang blieb die Zeit stehen. Dann brach alles über ihm zusammen.

Eliana sah ihn. Sah, wie er hinaus auf die menschenleere Terrasse trat, und kaltes Entsetzen ergriff sie.

Lieber Gott, nein. Bitte nicht.

Sie hatte gezögert, sich hier blicken zu lassen – überhaupt nach Athen zu kommen –, aber Chloe hatte darauf bestanden.

Du kannst dich nicht für immer verstecken, Elli – bitte, komm!

Zaudernd hatte sie schließlich zugestimmt, nachdem Chloe ihr versprochen hatte, dass Leandros als langjähriger Freund der Familie zwar eingeladen war, aber es sicher nicht schaffen würde. Weil er in New York war, auf der anderen Seite des Ozeans.

Nur diese Zusicherung hatte Eliana überzeugen können. Und die Loyalität gegenüber einer alten Schulfreundin. Nicht, dass sie noch besonders engen Kontakt hatten, seit Eliana geheiratet hatte – und schon gar nicht, seit ihre Ehe auf so schockierende Weise zu Ende gegangen war.

Heute Abend all die vertrauten Gesichter zu sehen, hatte sie aufgewühlt, weshalb sie sich direkt nach ihrer Ankunft auf die Terrasse geflüchtet hatte. Aber auch das erwies sich nicht als erhofftes Versteck.

Eliana konnte kaum atmen. Leandros war hier – weniger als zehn Meter von ihr entfernt, und seine Gegenwart blendete sie, als wäre er von einem Ring aus Feuer umgeben.

Ein Mann, dessen Anblick sie kaum ertragen konnte. Den sie seit sechs Jahren nicht gesehen hatte. Aber seine letzten Worte ihr gegenüber – höhnisch und bitter, voll grausamer Verachtung – klangen ihr noch in den Ohren, als wäre es gestern gewesen.

Eine Sekunde lang sah sie nur verschwommen, bis er wieder in den Fokus rückte. Er wirkte zuerst wie erstarrt, kam jetzt aber auf sie zu. Mit großen Schritten. Zielbewusst. Einschüchternd. Mächtig.

Beinahe zuckte sie zurück. Aber dann besann sie sich auf eine innere Stärke, die sie lange nicht hatte aufbringen müssen, und wappnete sich gegen diese Begegnung. Innerlich stieß sie ein hysterisches Lachen aus. Warum sollte sie sich vor dieser Begegnung fürchten, nach allem, was sie bereits hatte erdulden müssen?

Er kam direkt auf sie zu, und der Schein der Lampions erhellte sein einst so vertrautes Gesicht, glitzerte in seinen Augen, ohne ihn weniger finster wirken zu lassen.

Kaum einen Meter vor ihr entfernt blieb er stehen und suchte ihren Blick.

Es kostete sie all ihre Kraft, unbeweglich stehen zu bleiben. Die Schultern gestrafft, den ganzen Körper angespannt, sah sie ihm entgegen.

„Sieh an. Eliana.“ Seine Stimme schnitt wie ein Messer durch die Stille. „Nach so langer Zeit. Schön wie eh und je.“ Das Glitzern in seinen Augen wirkte nahezu bösartig. „Na, bist du auf der Jagd nach einem neuen Ehemann? Einem reichen Ehemann? Etwas anderes interessiert dich ja nicht.“

Irgendwoher fand sie die Kraft, sich ihm zu stellen, die Verachtung in seiner Stimme und seinem Gesicht zu ertragen. „Nein.“ Sie rief sich das Bild eines kalten, klaren Bergsees vor Augen und versuchte, mit der gleichen Kühle zu sprechen.

„Nein?“ Sein Spott blieb beißend. „Ich bin sicher, heute findest du hier reiche Beute.“

Sie würde nicht erröten. „Entschuldige mich bitte“, zwang sie sich zu sagen. „Ich muss Andreas noch zu seinem Glück gratulieren.“

Sie wollte an ihm vorbeigehen, aber er blieb an ihrer Seite, während sie über die Terrasse ging. „Und ich werde der glücklichen Braut dazu gratulieren, dass sie Andreas Manolis mit all seinen Millionen an Land gezogen hat.“

Eliana schaute zu ihm auf. „Chloe hat ihre eigenen Millionen.“

„Dann sollte es ja eine glückliche Ehe werden – ohne irgendwelche Hindernisse auf einer Seite.“

Sein Zynismus, die unausgesprochene Anklage, dass sie ihn damals aus Habgier hatte sitzen lassen, waren deutlich in seiner Stimme zu hören. Eliana ließ sich nichts anmerken und ging einfach weiter. Sie würde Chloe finden und dann verschwinden.

Bei ihrem Anblick stieß ihre Freundin einen Freudenschrei aus. „Elli, du bist hier! Wie wunderbar. Andreas, das hier ist Eliana, eine meiner besten Freundinnen seit Kinderzeiten. Und der Mann neben ihr ist …“

Jäh unterbrach sie sich. Ihre Augen wurden weit.

Leandros unterdrückte ein Lachen. Es hätte bitter geklungen, mehr wie ein Knurren. Es gelang ihm stattdessen, ironische Gleichgültigkeit vorzutäuschen. „Nur ein Zufall, das kann ich versichern.“

Das Schicksal verspottete ihn.

Hätte er die leiseste Ahnung gehabt, dass Eliana hier sein würde, wäre er nicht gekommen. Aber jetzt war es zu spät.

Er ließ sich der künftigen Ehefrau offiziell vorstellen und sagte, was in solchen Situationen üblich war. Während er sie beglückwünschte, trat Eliana beiseite, als wollte sie Abstand zwischen ihnen schaffen.

Als wäre die Distanz nicht schon unüberbrückbar.

Sie sprach gerade mit anderen Gästen – offenbar den Brauteltern, die sie wahrscheinlich von früher her kannte – und Leandros wandte sich ab, um hinüber zur Bar zu gehen. Er brauchte einen Drink. Einen ordentlichen. Danach würde er verschwinden.

Und was Eliana anging …

Er blendete sie aus. Ihren Namen. Ihre Existenz. Wie schon seit sechs Jahren.

Alles andere war undenkbar.

Sie ist kein Teil meines Lebens mehr. Und so soll es bleiben.

Aber während er an der Bar seinen Whisky kippte, konnte er sie nach wie vor sehen, als hätte sich ihr Anblick in seine Netzhaut gebrannt.

Schön wie immer. Unvergesslich.

Er stellte das leere Glas mit Nachdruck auf die Theke und signalisierte dem Barkeeper, er sollte ihm nachschenken.

Ein erleichtertes Seufzen entwich Eliana, als sie in dem Hotelzimmer ankam, in dem sie sich einquartiert hatte. Mehr als zwei Sterne hatte sie sich nicht leisten können. Entsprechend bescheiden war ihre Unterkunft. Sie zog ihr Abendkleid aus, ein Überbleibsel aus der Zeit vor ihrer Ehe. Ihre Hände zitterten, und ihr Herzschlag wollte sich nicht beruhigen. Erschöpft sank sie aufs Bett.

Lieber Gott. Sie hatte ihn tatsächlich wiedergesehen.

Leandros.

Seit jenem schrecklichen Tag zum ersten Mal, an dem sie sich seinen Ring vom Finger gezogen und ihm gesagt hatte, sie würde ihn nicht heiraten. Seit sie von ihm weggegangen war, geradewegs zu dem Mann, den sie stattdessen gewählt hatte.

Verspätet begann sie zu zittern. Die Begegnung heute Abend war ein Schock gewesen.

Leandros wiederzusehen und sich der Gewissheit zu stellen, dass …

Dass er mich genauso sehr hasst wie damals. Dass er dieselbe Verachtung für mich fühlt.

Sie hatte es verdient. Das war das Schlimmste daran. Schon seit sechs Jahren lebte sie mit der Schuld. Seit sie ihn für einen anderen verlassen hatte. Einen Mann, den sie nicht geliebt, sondern nur des Geldes wegen geheiratet hatte.

Wie hatte sie Leandros das antun können? Dem Mann, den sie geliebt hatte, dessen Liebe sie durch ihren Verrat zerstört hatte.

Und sie spürte auch noch eine andere Form von Schuldgefühl – weil sie überlebt hatte, während der Mann, den sie statt Leandros geheiratet hatte, tot war. Durch einen fatalen Autounfall vor achtzehn Monaten.

Tja, sie hatte die Quittung dafür bekommen, bezahlte sie jeden Tag. Sie hatte des Geldes wegen geheiratet, aber als Witwe alles verloren, weshalb sie nun in Armut lebte. Einem Schicksal, dem sie damals hatte entgehen wollen. Das war wohl nur gerecht. Und selbst die geringe Witwenrente, die ihr zustand, gehörte ihr nicht allein.

Seltsamerweise war dieser Gedanke gleichzeitig ein kleiner Trost. Wenn es eine einzige gute Sache gab, die aus dem ganzen Desaster erwachsen war …

Was Leandros anging – seine Verachtung, seine Wut … Das alles musste sie hinter sich lassen. Sie lebte nicht in Athen und würde ihn nicht wiedersehen. Morgen würde sie nach Thessaloniki zurückkehren, wo sie seit ihrer Heirat lebte. Zurück in das Leben, dass sie dort nun führte – führen musste.

Sie würde Athen hinter sich lassen, wie damals, als sie ihr Leben ruiniert und ihr eigenes Herz gebrochen hatte.

Leandros stand auf der Terrasse seines Hauses im reichen Athener Vorort Psychiko, einen Whisky in der Hand. Seine Stimmung war so finster wie die Nacht ringsum. Er hatte sich verabschiedet, so schnell es ging, ohne unhöflich zu sein. Er wollte nur alles hinter sich lassen – und das Bild der einen Frau, der er die Pest an den Hals wünschte, aus seinem Gedächtnis tilgen.

Aber sie war immer noch da, in all der Schönheit, die ihn damals so gefesselt hatte. Es war, als stünde sie neben ihm, schaute aus ihren großen, strahlenden Augen zu ihm auf. Als könnte er in ihren Augen lesen, was auch in seinen stand.

Hier hatte er sie geküsst. Ihre Lippen wie Samt unter seinen. Er hatte sie in den Armen gehalten, ihren Herzschlag gespürt.

Sie war anders gewesen als jede Frau zuvor.

Leandros hatte immer die Privilegien genossen, die der Reichtum seiner Familie und sein gutes Aussehen mit sich brachten. Das Wissen, dass sich jede Frau, die er anlächelte, über sein Interesse freute. Aber Eliana war schüchtern gewesen. Zögernd. Obwohl sie so schön war, dass es ihm den Atem raubte.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich verliebt. War entschlossen gewesen, sie für sich zu gewinnen, sie dazu zu bringen, die Schüchternheit abzulegen, ganz gleich, wie behütet sie aufgewachsen war. In ihren schönen graublauen Augen unter den dichten Wimpern hatte er dieselbe Leidenschaft sehen wollen, die er auch für sie gefühlt hatte. Und als er sie gebeten hatte, ihn zu heiraten, war genau das passiert. Sie hatte einen leisen Schrei ausgestoßen und sich in seine Arme geworfen, als gehörte sie dorthin. Als würde sie ihn niemals verlassen.

Aber genau das hat sie wenig später getan.

Sie hatte stattdessen einen anderen Mann geheiratet.

Sein Vater hatte ihm gesagt, wieso.

Ihr Vater hat Geldsorgen. Gerüchteweise hat er Schulden, die er nicht begleichen kann. Wenn es hart auf hart kommt, wird sie nach einem reichen Ehemann suchen.

Die Worte gingen ihm selbst jetzt nicht aus dem Kopf. Und doch hatte er sie nicht glauben wollen. Bis zu dem Moment, als Eliana sich seinen Ring abgestreift hatte. Und er voller Bitterkeit begriffen hatte, dass sein Vater recht gehabt hatte.

Sein Vorschlag, sie auf die Probe zu stellen, indem er ihr sagte, er würde mich enterben, wenn ich sie heiratete, war klug gewesen. Sie musste davon ausgehen, dass sie keinen Zugang zum Vermögen der Kastellanos haben würde.

Leandros hatte diesem Vorschlag zugestimmt – in der Gewissheit, dass es Eliana egal sein würde. Dass seine Liebe zählte, nicht sein Geld.

Aber er hatte sich geirrt.

Die Bitterkeit ließ nicht nach. Sie blieb so stark wie damals, als sie gegangen war … für immer.

Mit einem Fluch auf den Lippen wandte er sich ab und ging wieder hinein. Er wollte noch einen Whisky. Und danach noch einen.

Nicht, dass es ihm half, die Erinnerungen auszulöschen.

Eliana und ich, dort auf dem Sofa. Sie hat sich wie ein Kätzchen neben mir zusammengerollt, ihr Kopf auf meiner Schulter, mein Arm um sie geschlungen. Und ich habe sie geküsst. Ihr Mund war süß wie lieblicher Wein, ihr Körper so weich. Ich wollte nichts mehr, als sie hochzuheben und nach oben zu tragen, in mein Bett …

Aber das war unmöglich gewesen. Eliana hätte seinem Verlangen nicht nachgegeben, sie hatte bis zur Hochzeit warten wollen.

Er verzog das Gesicht. War das auch nur eine Lüge gewesen? Hatte sie ihn damit vielleicht bloß zu einer Heirat verführen wollen?

Leandros stellte das leere Glas ab. Was brachte es, hier herumzustehen und die Vergangenheit aufleben zu lassen? Weiter an die Frau zu denken, die ihn verraten und verlassen hatte?

Er hatte sie nie wiedergesehen. Bis heute.

Auf dem Weg die Treppe hinauf löste er seinen schwarzen Schlips. Morgen flog er nach Frankfurt, das sollte ihn ablenken. Es war eine kluge Idee, mehr Abstand zwischen ihn und sein Leben hier zu bringen. Jedenfalls für eine Weile.

2. KAPITEL

Eliana stieg aus dem Zug. Sie war entsetzlich müde. Geschlafen hatte sie kaum. Die Zugfahrt von Athen nach Thessaloniki hatte gefühlt eine Ewigkeit gedauert. Und es war immer noch eine Stunde mit dem Bus bis zu ihrem Ziel.

Sie zog ihren kleinen Rollkoffer hinter sich her und verließ den Bahnhof, an den Taxis vorbei. Sie konnte sich ohnehin nur den Bus leisten.

Ihr Geld reichte auch nur für ein winziges Einzimmerapartment in schlechter Lage. Der geringe Witwenunterhalt, den Damians Vater ihr widerwillig zahlte, war nicht genug zum Leben. Sie arbeitete im örtlichen Supermarkt, räumte Regale ein, saß an der Kasse. Auch heute Abend würde sie noch eine Schicht übernehmen, ganz gleich, wie müde sie war.

Verzweifelt kämpfte sie gegen eine Welle der Erschöpfung. Würde so der Rest ihres Lebens aussehen?

Hätte ich nur Leandros nicht wiedergesehen …

Sechs Jahre waren vergangen, seit sie ihn verlassen hatte. Hätte sie in dieser Zeit nicht gegen ihn immun werden sollen? Aber es hatte nicht mehr als einen kurzen Moment des Blickkontakts gebraucht, um zu begreifen, dass Leandros Kastellanos, ganz gleich, wie wütend er auf sie war, immer noch die gleiche Macht über ihre Sinne hatte. Als wären diese langen sechs Jahre nicht gewesen.

Eine bittere Erkenntnis.

Ich habe meine Entscheidung getroffen. Und jetzt muss ich mit den Konsequenzen leben.

Ein Leben ohne Leandros.

Für immer.

Leandros war zurück. Er hatte einen Abstecher nach London und Brüssel gemacht, aber sobald er in Athen gelandet war, fühlte es sich an, als wollte die Stadt ihn erdrücken. Er fühlte sich rastlos, wollte am liebsten gleich die nächste Geschäftsreise unternehmen, aber das war nicht möglich. Nach dem Tod seines Vaters hatte er die Leitung des Konzerns übernommen, was mehr als ein Vollzeitjob war. Meistens diente selbst die Mittagspause geschäftlichen Zwecken.

Heute würde er sich zum Mittagessen in Piräus mit zwei Transportmaklern treffen, die ihn dazu bringen wollten, in ihr Unternehmen zu investieren. Leandros wollte persönlich mit ihnen darüber sprechen.

Aber es war ungewohnt schwierig, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Seit er Eliana wiedergesehen hatte, schweiften seine Gedanken viel zu häufig ab. Das taten sie auch jetzt wieder, während ihn der Chauffeur nach Piräus brachte.

Vor ungefähr achtzehn Monaten hatte Leandros von Damian Makris’ Tod durch einen Autounfall gehört. Die Neuigkeiten waren durch die Presse gegangen und auch in geschäftlichen Kreisen Thema gewesen. So ein tragischer Unfall, und er war noch so jung! Leandros hatte nicht darüber nachdenken wollen. Und schon gar nicht darüber, dass Eliana jetzt Witwe war.

Jonas Makris, Damians Vater, war Bauunternehmer, mit lukrativen Projekten überall auf dem Balkan. Dass Eliana mit seinem Sohn nach Thessaloniki gezogen war, empfand er als kleinen Trost, weil sich ihre Wege so nicht mehr kreuzten.

Alles war gut gegangen. Bis zu dieser verdammten Verlobungsparty.

Aber zumindest ist sie nicht wieder in Athen aufgetaucht.

Die Bemerkung, die er ihr entgegengeschleudert hatte – dass sie nun nach einem neuen, reichen Ehemann suchte – ließ ihn das Gesicht verziehen. Nun, sollte sie das doch machen. Hauptsache, nicht in Athen.

Aber vielleicht war sein Spott auch verfehlt gewesen. Vielleicht lebte sie als wohlhabende Witwe vom Vermögen ihres verstorbenen Mannes.

Und schon wieder dachte er an sie …

Das Auto hielt vor dem Eingang des exklusiven Jachtklubs, wo er sich mit den beiden Geschäftsführern treffen wollte, und mit Mühe besann er sich auf die anstehende Entscheidung.

Eine Stunde später war der geschäftliche Teil vorbei. Während des anschließenden Desserts wandte sich die Unterhaltung anderen Themen zu – der Politik und dem gesellschaftlichen Leben in Griechenland. Leandros hörte nur mit halbem Ohr zu, bis ein Name fiel, der seine Aufmerksamkeit weckte.

„Ein Glückstag für Vassily Makris. Er wird absahnen, wenn der alte Jonas abtritt.“

Die Kaffeetasse auf halbem Weg zum Mund hielt Leandros inne. „Vassily Makris?“

Er verbarg jede Gefühlsregung. Seine Verlobung mit Eliana war nie öffentlich bekannt gemacht worden. Wenige wussten davon, kaum jemand hatte Anlass, über eine Verbindung zwischen ihm und den Makris zu spekulieren.

Außer ihrer Freundin Chloe.

Sein Gegenüber nickte. „Ja. Jonas’ Neffe. Damian war sein einziger Sohn, ein Einzelkind. Es gibt auch keine Enkel. Nur eine Witwe – die Tochter von Aristides Georgiades. Dass die Ehe kinderlos geblieben ist, hat Jonas nicht gefallen. Und er hat es die Witwe merken lassen.“

„Ja“, steuerte der andere Geschäftsführer bei. „Jonas hat sie auf die Straße geworfen, nach dem, was ich gehört habe. Das wäre halb so wild, wenn sie noch eigenes Vermögen hätte, aber wir wissen ja alle, was passiert ist …“

Leandros runzelte die Stirn. Er wollte die Frage nicht stellen und tat es doch. „Hat sie nicht irgendeine Immobilie von ihrem Vater geerbt? Irgendein historisches Bauwerk in Attika?“

„Jonas Makris hat das Haus mit der Heirat übernommen. Wenn seine Schwiegertochter ein Enkelkind produziert hätte, wäre das Haus vielleicht dem Kind überschrieben worden, aber jetzt fällt es wie alles andere an seinen Neffen Vassily.“

Aus dem Nichts heraus hörte er Elianas Stimme in seinem Kopf, während sie voller Zuneigung über ihr altes Zuhause sprach.

Mein Vater liebt das Haus. Er ist dort aufgewachsen – und ich auch. Es ist eins der wenigen übrig gebliebenen neoklassizistischen Häuser. Es wurde im neunzehnten Jahrhundert errichtet, nachdem Griechenland seine Unabhängigkeit errungen hatte. Mein Ur-Ur-Großvater hat es bauen lassen, mit wunderschönen Gärten ringsum. Der Ausblick ist fantastisch!

Leandros blinzelte. Also war das Haus nicht länger im Familienbesitz der Georgiades.

Das wird ihr zugesetzt haben.

Er schüttelte den Gedanken ab. Warum sollte es ihn kümmern, ob Eliana ihr Heim verloren hatte? Oder ob sie als Witwe finanziell schlecht dastand?

Leandros war dankbar, als sie über andere Dinge sprachen.

Ich möchte nicht an sie denken. Nichts von ihr wissen.

Er war mit ihr fertig. Schon seit sechs Jahren.

Trotzdem …

Wenn sie von ihrem Witwenstatus nicht profitiert und kein Geld hat, dann wird sie sich definitiv nach einem neuen Kandidaten umsehen.

Und so schön, wie sie ist, wird es nicht lange dauern, bis sie einen findet.

Eliana starrte auf den Kontostand auf dem Bildschirm ihres altersschwachen Laptops. Er sah deprimierend aus. Ihr Einkommen, wenn man das so nennen konnte, ging meistens schon zu Beginn des Monats wieder ab und ihr blieb wenig zum Leben. Sie hatte zwar eine Kreditkarte mit einem niedrigen Limit, alle weiteren Karten aber, die ihr in der Ehe mit Damian zur Verfügung gestanden hatten, waren gesperrt. Dafür hatte sein Vater gesorgt. 

Nicht persönlich, er hatte nur durch seinen Anwalt mit ihr kommuniziert. Sein Anwalt war es auch, der in der gemeinsamen Villa angerufen hatte, um ihr mitzuteilen, dass sie ausziehen musste und nicht mehr mitnehmen durfte als das, was ihr schon vor der Ehe gehört hatte. Alles andere hatte sie dazulassen, was auch für die Designerkleider galt und den Schmuck, den sie als Damians Frau getragen hatte.

„Es waren keine Geschenke, sondern Leihgaben“, hatte der Anwalt gesagt.

Damian selbst hatte kein eigenes Geld besessen. Er war von Beruf Sohn gewesen.

Man würde ihr einen gering bemessenen Unterhalt zahlen, hatte der Anwalt gesagt. Damit musste sie auskommen. Selbst das war ein widerwilliges Zugeständnis und diente nur dazu, den Schein zu wahren. Erst hatte sie ablehnen wollen, aber sie war nicht in einer Position, die ihr so viel Stolz erlaubte.

Jonas Makris hatte ihr nicht verziehen, dass sie ihm kein Enkelkind präsentiert hatte. Ursprünglich hatte die Ehe seine Zustimmung gefunden – eine Vorzeigefrau, schön, aus einer alten, vermögenden Familie, das hatte ihm gefallen. Dass dieses Vermögen beinahe aufgebraucht war, hatte er als Bonus betrachtet, denn das bedeutet auch, dass er die Bedingungen des Ehevertrags diktieren konnte. Bedingungen, denen Eliana zugestimmt hatte. Mit Damian hatte sie ihren eigenen Deal gehabt.

Sie seufzte. Jonas war ein kalter, fordernder Vater gewesen, und obwohl sie Damian nicht geliebt hatte, Mitleid hatte sie mit ihm gehabt.

Ihre Ehe war für sie beide von Nutzen gewesen, aber …

Nein, denk nicht daran. Es ist, wie es ist. Du musst jetzt damit zurechtkommen.

Und das schloss ihre prekäre finanzielle Situation mit ein, aus der es anscheinend keinen Ausweg gab. Sie musste einfach mehr auf ihr Geld achten. Vielleicht konnte sie auch noch mehr arbeiten. Ein paar zusätzliche Überstunden und ihre Situation wäre nicht ganz so verzweifelt. Nachtschichten waren besser bezahlt, und da sie ohnehin so gut wie nie wegging, machte es nichts, wenn sie abends arbeitete.

Ein erneuter Seufzer entwich ihr, aber es brachte nichts, darüber zu grübeln. Ihr Leben war, was sie vor sechs Jahren daraus gemacht hatte, und im Kopf hörte sie noch einmal die Worte, mit denen Leandros sie auf der Terrasse verspottet hatte. Na, bist du auf der Jagd nach einem neuen Ehemann? Einem reichen Ehemann? Etwas anderes interessiert dich ja nicht.

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