Süße Eroberung

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Wieder einmal hat Perdita Wentworth mit ihrem ungestümen Temperament für unangenehmes Aufsehen in der Londoner Gesellschaft gesorgt. Doch diesmal ist sie zu weit gegangen: Sie hat den einflussreichen Earl of Rushmore brüskiert! Ihre Eltern verbannen sie umgehend zu ihrer gestrengen Tante nach Bath. Lord Rushmore hingegen ist keineswegs beleidigt, sondern im höchsten Maße fasziniert von der freimütigen jungen Dame. Auf schnellstem Wege begibt er sich nach Bath, fest entschlossen, die hinreißende Perdita zu erobern. Aber als er sie um ihre Hand bittet, erlebt er eine enttäuschende Überraschung …


  • Erscheinungstag 25.06.2008
  • Bandnummer 8
  • ISBN / Artikelnummer 9783863499761
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL
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1816

Verwundert sah Perdita Wentworth sich um. „Dieser Mr. Almack muss der geschäftstüchtigste Mann in ganz London sein“, stellte sie schließlich kopfschüttelnd fest. „Wie sonst brächte es jemand fertig, dass dies der Treffpunkt der feinen Gesellschaft ist?“

„Nicht so laut!“, ermahnte ihre Mutter sie. „Es muss doch nicht jeder hören, dass du nicht mitkommen wolltest. Mach wenigstens ein freundliches Gesicht. Lady Castlereagh wollte uns mit der Einladung doch eine Freude machen.“

„Von mir aus hätte sie die Karte jemand anderem schicken können“, erwiderte Perdita aufsässig. „Trockene Sandwiches und abgestandene Limonade. Beschwert sich niemand darüber?“

„Ach, Kind, kein Mensch kommt wegen des Essens zu Almack’s.“

Perdita lachte. „Na, wegen der Ausstattung ja wohl auch nicht! Dieser Saal ist einfach scheußlich.“

„Wenn erst die Musik spielt, fällt dir das gar nicht mehr auf. Du tanzt doch so gerne.“

„Ja, Mama, aber nicht auf dem Präsentierteller. Sieh nur die alten Schachteln, die da an der Wand sitzen. Es würde mich wundern, wenn sie nicht schon jeden einzelnen Bestandteil meiner Garderobe genau auf seinen Preis hin taxiert hätten.“

„Oje, und ich wollte mich gerade zu ihnen gesellen.“ Elizabeth Wentworth zwinkerte ihrer Tochter spitzbübisch zu. „Aber leider habe ich meinen Krückstock und das Lorgnon vergessen.“

Liebevoll legte Perdita ihrer Mutter die Hand auf den Arm. „Lass Papa nicht hören, dass du dich zu den alten Schachteln zählst“, ging sie auf den scherzhaften Ton ein. „Für ihn bleibst du immer das junge Mädchen, das er damals gerettet hat.“

„Und zum Glück hat sich dein Vater auch nicht viel verändert“, sagte Elizabeth mit einem zärtlichen Klang in der Stimme. „Ach, da hinten ist ja Emily Cowper. Ich habe etwas mit ihr zu besprechen. Ist deine Tanzkarte voll, mein Liebes?“

„Alle Tänze sind vergeben, Mama.“ Perdita verkniff es sich, über die jungen Herren, die sich eingetragen hatten, zu lästern, obwohl sie sie samt und sonders für unreife grüne Jungen hielt.

Der Gentleman hinter ihr schien weniger geneigt, sich Zurückhaltung aufzuerlegen. „Großer Gott, William“, sagte er abfällig, „was tun wir eigentlich hier? Almack’s hat sich keinen Deut verändert in all den Jahren, in denen ich fort war. Komm, lass uns verschwinden. Wo möchtest du lieber hin, zu White’s oder zu Watier’s?“

„Adam, das geht nicht!“, hielt ihn sein Begleiter zurück. „Wenn du dein Mündel in die Gesellschaft einführen willst, musst du bei den Patronessen von Almack’s einen guten Eindruck machen.“

Der Earl of Rushmore betrachtete die Reihe der an der Wand sitzenden Damen. „Und welche von ihnen schlägst du vor?“, fragte er deutlich voreingenommen. „Wenn du mich fragst, sind sie alle verkniffene alte Weiber, nur darauf aus, die Grünschnäbel mit den Schulmädchen zu verkuppeln.“

Da der Earl sich nicht im Geringsten bemüht hatte, seine Stimme zu senken, hörte Perdita seine Worte klar und deutlich. Sie war maßlos empört. Dass er sie zu den Schulmädchen zählte, war schon schlimm genug, aber dass er ihre Mutter, die sich unglücklicherweise gerade in diesem Moment entschlossen hatte, bei den besagten Damen Platz zu nehmen, als verkniffenes altes Weib bezeichnete, das konnte und wollte Perdita nicht tolerieren. Sie machte einen Schritt rückwärts und trat dem unbedachten Redner kräftig und gezielt auf die Zehen. Als sie gleich darauf hinter sich einen lauten Fluch vernahm, drehte sie sich unschuldig lächelnd um. „Oh, verzeihen Sie, Sir. Sie müssen mich für sehr ungeschickt halten“, äußerte sie betont höflich.

Dem Earl of Rushmore verschlug es fast den Atem. Dieses junge Mädchen war das liebreizendste Geschöpf, das ihm jemals begegnet war. Ein dunkler Typ – nicht ganz dem derzeitigen Schönheitsideal entsprechend – mit cremigem Teint und tiefschwarzen Locken, die das ebenmäßige, ovale Gesicht mit den schmalen geschwungenen Brauen über den großen funkelnden Augen umrahmten. Er wusste nicht recht, welche Reaktion er eigentlich erwartet hatte. Hektisches Erröten? Kindliche Bestürzung? „Durchaus nicht, Madam“, sagte er nachsichtig. „Es war mein Fuß, der Ihnen im Wege stand.“ Er verbeugte sich galant und wandte sich ab.

„Muss er wohl!“ Es war etwas in ihrem Ton, das ihn veranlasste, sich wieder umzudrehen und sie genauer anzusehen. Ganz ohne Zweifel, ihre Augen blitzten kämpferisch. „Habe ich Ihnen wehgetan, Sir?“

Mit einem Mal begriff Rushmore – die Göre hatte ihn absichtlich getreten. Amüsiert verbeugte er sich nochmals. „Sie können beruhigt sein, ich bin unverletzt.“

Der spöttische Ton trieb Perdita die Röte ins Gesicht. Schroff drehte sie sich um und marschierte von dannen. „Wer war denn diese Schönheit?“, hörte sie ihn fragen, als sie erst ein paar Schritte entfernt war. Es klang so beiläufig, dass es fast schon desinteressiert wirkte.

„Perdita Wentworth.“ Noch immer in Hörweite, blieb Perdita stehen, als ihr Name fiel, und lauschte. „Hübsch, nicht wahr?“, war das Nächste, was sie vernahm. „Sie ist mit dem Earl of Brandon verwandt. Ihr Vater ist bei der Marine. Es ist ihre erste Saison.“

„Und … hat sie sich schon einen Mann geangelt? Dürfte ihr wohl nicht schwer fallen, bei dem Gesicht und den Verbindungen.“

„Ich glaube nicht. Jedenfalls gab es keine Ankündigungen. Weshalb, Adam? Willst du etwa dein Glück bei ihr versuchen?“

„Um Gottes willen, nein! Sie ist mir viel zu unverblümt. Ich sage dir, die Dame kennt ihren Wert und hat vor, mindestens Countess zu werden. Ich weiß doch, wie das geht … fallen gelassene Taschentücher, umgeknickte Fußgelenke, vorgetäuschte Ohnmachten und was nicht alles … nur um die geeignete Bekanntschaft anzuknüpfen. Eines muss man ihr allerdings lassen – sie war zumindest originell.“

Für einen Moment war Perdita wie erstarrt, dann fuhr sie herum. „Sie unerträglicher Geck!“, stieß sie zornbebend hervor, während sie wieder auf Rushmore zuging. „Sie halten sich wohl für ein Geschenk Gottes an die Frauen!“

Der Freund lachte leise. Doch der Earl sah sie erschrocken und schweigend an, denn stets bedacht auf seine Umgebung, hatte er sofort bemerkt, dass die Augen aller Umstehenden auf die junge Dame gerichtet waren, die da zitternd vor Wut vor ihm stand. Glücklicherweise begann in diesem Moment das Orchester zu spielen. Charmant lächelnd machte er eine kurze Verbeugung vor der zornigen Schönheit, zog sich ihre Hand durch die Armbeuge und führte sie zur Tanzfläche.

Ein junger Mann stellte sich ihnen in den Weg. „Diesen Walzer hat Miss Wentworth mir versprochen!“

„Sie hat sich anders entschieden. Sie tanzt mit mir.“ Der barsche Ton und das Mienenspiel des Earl duldeten keinen Widerspruch. Ohne weitere Diskussion zog sich der junge Mann eilig zurück.

„Was fällt Ihnen ein?“ Perdita versuchte vergeblich, ihre Hand aus Rushmores fest angewinkeltem Arm zu befreien. „Ich will nicht mit Ihnen tanzen.“

„Natürlich wollen Sie!“ Er fasste sie um die Taille. „Miss Wentworth, bedenken Sie die Situation. Die Augen aller im Saal sind auf Sie gerichtet. Ein Streit vor diesen Leuten wäre nicht gut für Ihren Ruf.“

„Das interessiert mich nicht“, fauchte sie ihn an.

„Dann sind Sie eine Närrin.“ Leichtfüßig führte er sie übers Parkett. „Sie mögen ja Konventionen ebenso wenig schätzen wie ich, aber wir leben nun einmal in dieser Gesellschaft und müssen uns an ihre Regeln halten.“ Irgendwie waren ihm seine Worte peinlich. Ich rede wie ein alter Langweiler, dachte er und war sicher, dass seine Partnerin der gleichen Ansicht war. „Schauen Sie mich nicht so böse an“, bat er versöhnlich. „Ein Lächeln würde nicht schaden. Übrigens, Sie tanzen sehr gut.“

„Aber nicht mit Ihnen!“ Geschickt entschlüpfte Perdita seinem Griff, drehte sich um und wollte Rushmore auf der Tanzfläche stehen lassen.

Mit einer leichten, kaum merklichen Drehung brachte er Perdita zum Stolpern, tat, als finge er sie auf und hob sie auf die Arme. „Machen Sie Platz“, rief er. „Die Dame hat sich den Knöchel verstaucht.“

Perdita war unfähig, ihm zu widersprechen, denn Rushmore drückte ihr Gesicht fest an seine Brust. Zielstrebig trug er seine schöne Last zu einem Alkoven, setzte sie auf ein Settee und kniete – sich völlig der neugierigen Zuschauer bewusst – vor ihr nieder, um ihren Fuß zu untersuchen.

„Lassen Sie das!“, fuhr sie ihn an.

„Sie müssen jetzt ganz tapfer sein“, beruhigte er sie und versuchte, sie mit seinen breiten Schultern vor sensationslüsternen Blicken abzuschirmen. Er beugte sich zu ihr, sah sie beschwörend an und raunte: „Nutzen Sie Ihr Hirn! Wollen Sie unbedingt einen Skandal heraufbeschwören?“

„Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe, Mylord“, meldete sich eine helle Stimme hinter ihm. „Meine Kutsche wird vorgefahren, damit ich meine Tochter sofort nach Hause bringen kann.“

Rushmore erhob sich. Zweifelsfrei handelte es sich bei der wunderschönen Frau, die da vor ihm stand, um die Mutter der jungen Dame. Es war klar, von wem das Mädchen sein Aussehen geerbt hatte.

Der Earl verbeugte sich. „Ich bin leider ein ungeschickter Tänzer, Madam. Die junge Dame ist wohl mit dem Fuß umgeknickt. Es muss sehr schmerzhaft sein. Wenn Sie erlauben, trage ich Ihre Tochter zu Ihrer Kutsche. Übrigens, darf ich mich vorstellen … mein Name ist Rushmore.“

„Angenehm, Mylord. Ich danke Ihnen nochmals, Sie waren sehr freundlich zu Perdita.“ Elizabeth Wentworth schaute sich um. Die Zuschauer drängten immer näher. „Wenn diese Leute Ihnen Platz machen würden …?“

„Mama! Das ist nicht nötig!“ Ein warnender Blick der Mutter hielt Perdita jedoch davon ab, sich zu wehren, als der Earl sie wieder auf die Arme hob. Und so musste sie sich von dem abscheulichen Mann widerspruchslos aus dem Raum tragen lassen.

„Ich bin viel zu schwer! Lassen Sie mich herunter!“, zischte sie, als sie den Ballsaal hinter sich gelassen hatten.

„Leicht wie eine Feder sind Sie, Madam!“, brachte er mühsam heraus. Verärgert stellte sie fest, dass er vor Lachen kaum Luft bekam. „Finden Sie das Ganze etwa amüsant?“

„Über die Maßen, wie ich gestehen muss! Geben Sie es zu, Madam, Sie sind zum Opfer Ihrer eigenen Ränke geworden.“

„Ich weiß zwar nicht, was das heißen soll, aber bestimmt ist es wieder eine Ihrer üblichen Beleidigungen.“

„Durchaus nicht! Ich wollte nur klarstellen, dass Ihr Plan, mich zu verletzen, sich gegen Sie selbst gewendet hat. Übrigens … wann habe ich Sie beleidigt?“

„Zuerst haben Sie mich als Schulmädchen bezeichnet, und dann … dann … haben Sie behauptet, dass ich Countess werden will.“

Rushmore fiel ihr lebhaftes Mienenspiel auf, das so völlig ohne Arglist war, nur ihre Augen funkelten empört. „Wirklich unverzeihlich!“, versicherte er todernst. „Jetzt sehe ich es auch. Sie sind eine Dame fortgeschrittenen Alters … ja, fast schon eine Matrone … ohne Aussichten, jemals Countess zu werden.“

Liebend gerne hätte Perdita ihn geohrfeigt. Stattdessen lag sie hilflos in seinen Armen, und er grinste sie mit offensichtlichem Vergnügen an. Fast war sie versucht, ihm die Zunge herauszustrecken – aber das wäre zu kindisch gewesen. Stolz drehte sie den Kopf zur Seite, entschlossen, sich ein bisschen Selbstachtung zu bewahren.

Nachdem Rushmore sie mit übertriebener Vorsicht in die Kutsche gehoben und Elizabeth Wentworth neben ihrer Tochter Platz genommen hatte, verbeugte er sich höflich und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass Perdita sich am nächsten Morgen besser fühlen würde.

„Wir wohnen im Hause des Earl of Brandon, Mylord. Wenn Sie die Freundlichkeit besäßen, uns zu besuchen, würde mein Mann Ihnen sicher gerne für die Hilfe danken.“

„Es ist mir eine Ehre, Madam“, dankte er und bemerkte gleichzeitig Perditas entsetzten Gesichtsausdruck. Er schenkte der jungen Dame ein charmantes Lächeln, dann ließ er die Kutsche abfahren und sah ihr gedankenverloren nach, bis sie außer Sichtweite war.

„Oh, Mama! Warum hast du ihn eingeladen?“ In die bequemen Polster der Karosse gelehnt, sah Perdita ihre Mutter verständnislos an. „Er ist der grässlichste Mann, dem ich je begegnet bin!“

„Da du dich heute Abend gründlich zum Gespött gemacht hast“, erklärte Mrs. Wentworth so unnachgiebig, dass Perdita die Stirn runzelte, „wirst du dich bei Lord Rushmore für dein Benehmen entschuldigen, falls er uns wirklich einen Besuch abstattet.“

„Niemals! Weißt du, was er gesagt hat?“

„Es interessiert mich nicht. Außer in dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass er dir einen anzüglichen Vorschlag gemacht hätte.“

„Er sagte, die jungen Damen bei Almack’s wären Schulmädchen.“

„Und du fühltest dich verpflichtet, dies zu bestätigen?“ „Das ist noch nicht alles. Er bezeichnete die älteren Damen als eine Clique verkniffener alter Weiber.“

„Hattest du nicht kurz vorher etwas ganz Ähnliches gesagt? Das war kein Grund, ihm auf den Fuß zu treten. Behaupte ja nicht, es wäre nicht absichtlich geschehen.

Ich habe es genau beobachtet.“

„Ich habe ihm ja nicht wehgetan“, lenkte Perdita ein und senkte den Blick, ehe sie ihre Mutter verstohlen von der Seite anschaute. „Bist du sehr böse?“

„Das fragst du noch?“ Elizabeth sah sie streng an. „Dieser Tritt war schon eine Ungezogenheit, wäre aber noch als ein Versehen durchgegangen. Weshalb musstest du Rushmore erneut beleidigen?“

Er war beleidigend, Mama. Er sagte zu seinem Freund, dass ich versucht hätte, seine Aufmerksamkeit zu erregen in der Hoffnung, Countess zu werden.“

„Wenn du wusstest, dass es nicht stimmt, weshalb hast du dich dann so aufgeführt?“

„Er ist abscheulich!“, rief Perdita aus. „Ein aufgeblasener, unsympathischer Snob, der sich für die beste Partie der Saison hält!“

„Und diese deine Meinung konntest du offenbar nicht für dich behalten.“

„Unmöglich! Aber ich wollte bestimmt keine Szene machen, Mama. Ich wollte nur nicht mit ihm tanzen.“

„Beinahe hätte das jeder im Ballsaal begriffen. Du kannst deinem Schutzengel danken, dass der Earl mehr auf deinen guten Ruf bedacht war als du selbst. Ihn auf der Tanzfläche stehen zu lassen, hätte ganz bestimmt Anlass zu unangenehmen Spekulationen gegeben. Du kannst ihm äußerst dankbar sein.“

„Er ist ein Dummkopf“, beharrte Perdita.

„Tatsächlich! Vielleicht interessiert es dich, dass Rushmore zu Wellingtons fähigsten Kommandeuren zählt.“

Das brachte Perdita zum Schweigen.

Elizabeth Wentworth richtete erst wieder das Wort an ihre Tochter, als sie ihr Ziel erreicht hatten. „Du gehst sofort auf dein Zimmer. Sobald dein Vater zurückkommt, werde ich ihm von deiner neuesten Torheit berichten. Er wird bestimmt nicht erfreut sein.“

Mit hängenden Schultern entfernte Perdita sich. Wieder einmal war ihr stürmisches Temperament mit ihr durchgegangen.

„Du bist früh zurück“, empfing ihre Schwester Amy sie fröhlich und legte den Roman, mit dem sie es sich auf Perditas Bett gemütlich gemacht hatte, beiseite. „Erzähl, wie war’s bei Almack’s?“

„Wie üblich“, begann Perdita zurückhaltend. „Ausgesprochen langweilig, es sei denn, man glaubt all den Unsinn, den diese hoffnungsvollen Jünglinge von sich geben.“

„Ich würde bestimmt nicht widersprechen, wenn man mir sagte, meine Augen leuchteten wie Sterne“, behauptete Amy.

„Dummes Gerede! Wer glaubt denn das? Sterne stehen hoch oben am Himmel, Millionen Meilen entfernt.“

„Du bist überhaupt nicht romantisch, Dita. Kein Wunder, dass sich deine Verehrer vor dir fürchten.“

„Das sind nicht meine Verehrer“, widersprach Perdita.

Amy sah ihre Schwester nachdenklich an. „Warum bist du so kratzbürstig? Was ist passiert? Hast du noch mehr Anträge bekommen?“

Perdita schüttelte den Kopf.„Nein, ich bin nur wieder in Ungnade gefallen. Wie sollte ich denn auch wissen, dass ich es mit dem abscheulichsten Mann des gesamten Königreiches zu tun hatte.“

„Noch einer? Wie schaffst du das bloß?“

„Nein, wirklich“, erklärte Perdita. „Er war verletzend, unausstehlich und überheblich.“

„Also etwas ganz Neues!“, spottete Amy. „Soll das etwa heißen, du konntest ihn nicht in seine Schranken verweisen?“

„Genau. Er besaß sogar die Frechheit, über mich zu lachen. Das wird er mir büßen!“

„Und um wen handelt es sich bei dem Schurken?“

„Wohl um einen von Wellingtons Männern. Er soll gerade heimgekehrt sein.“

„Ein Held? Oh, Schwesterherz … herrlich!“

„Das würdest du nicht sagen, wenn du ihn kennengelernt hättest. Sicher kann er ausgezeichnet den Degen schwingen und über Schutzwälle feuern oder was Soldaten sonst so tun, aber in der feinen Gesellschaft macht er keine gute Figur.“

„Dann habt ihr etwas gemeinsam. Rät Mutter dir nicht ständig, du solltest den Mund halten und nicht so selbstständig auftreten?“

„Ach, das meint sie doch nicht wirklich. Sie war immer unabhängig, auch schon als Sechzehnjährige.“

Amy nickte zustimmend. „Und was ist heute Abend passiert?“

Perdita schilderte ausführlich, was vorgefallen war.

„Ein abscheulicher Kerl“, pflichtete Amy ihrer Schwester schließlich bei. „Du hättest ihn beißen sollen.“

„Wollte ich. Aber er hat mein Gesicht gegen seine Brust gedrückt.“

Die beiden Schwestern sahen sich an und prusteten los. Sie lachten, bis ihnen die Tränen kamen. Perdita fing sich als Erste wieder. „Eigentlich ist es gar nicht lächerlich“, gestand sie kleinlaut. „Mutter ist sehr wütend.“

Genau diesen Eindruck machte Elizabeth Wentworth auf ihren Gatten, der gerade gut gelaunt von einem geselligen Abendessen mit seinen Marine-Kameraden zurückgekehrt war.

„Was ist passiert, Liebling?“, fragte Perry Wentworth besorgt, als er den Gesichtsausdruck seiner Frau sah. „Geht es dir nicht gut, Schatz?“

„Mir geht es ausgezeichnet. Aber wir müssen miteinander reden.“ Schnell war erzählt, was sich bei Almack’s abgespielt hatte. Doch Elizabeth war durchaus nicht begeistert, als sie feststellte, dass ihr Ehemann nur mit Mühe ein Lachen unterdrückte.

„Perry, das ist ganz und gar nicht lächerlich. Unsere Tochter hätte heute Abend beinahe jeden Rest an gutem Ruf verloren. Du solltest sie wirklich nicht in ihrer Torheit bestärken.“

„Sie ist noch ein halbes Kind!“, entgegnete Perry lachend. „Willst du mir etwa erzählen, Rushmore nähme diesen Unsinn ernst?“

„Ich bin froh, dass du mir wenigstens darin zustimmst, dass sie noch nicht erwachsen ist. Wir hätten ihr nicht erlauben sollen, dieses Jahr schon zu debütieren.“

„Wir konnten sie aber auch nicht zurück zur Schule schicken. Miss Bedlington wollte sie nicht mehr haben.“

„Richtig! Und ich darf dich erinnern, dass sie sagte, Perdita sei das aufsässigste Mädchen, das je ihre Schule besucht hat. Halb London ist inzwischen ebenfalls dieser Ansicht.“

„Sei ehrlich, Lizzie. Haben wir unsere Mädchen dazu erzogen, Ungerechtigkeiten schweigend zu akzeptieren?“

Elizabeth nahm seine Hand. „Ach Perry, ich liebe Perdita doch nicht weniger als du. Vielleicht hatte sie ja recht, Miss Bedlingtons Kopf in die volle Waschschüssel zu tunken, aber sie muss langsam etwas Selbstbeherrschung lernen.“

„Ich bin froh, dass sie sich gegen dieses hinterhältige alte Biest gewehrt hat“, sagte Perry uneinsichtig. „Perdita hat es ihr nur mit gleicher Münze zurückgezahlt, und dafür kann ich sie wirklich nicht tadeln.“

Elizabeth seufzte. „Du bist unbelehrbar.“

Perry lachte verhalten. „Liebes, sie erinnert mich mächtig an ein Mädchen, das ich einmal kannte. Wie hieß es denn bloß noch …?“

Seine Frau errötete. „Das ist lange her. Heute kann man sich solche Freiheiten nicht mehr erlauben. Die Gesellschaft ist längst nicht mehr so nachsichtig.“

„Findest du das richtig?“ Perry sah seine Frau spöttisch an.

„Ich kann die Verhaltensregeln nun einmal nicht ändern“, sagte sie leise. „Ach, mein Lieber, verstehst du das denn nicht? Wenn wir nicht aufpassen, hat unsere Tochter bald den Ruf eines Wildfangs. Wir müssen an ihr Glück denken. Es kann nicht förderlich sein, wenn man sie für ein vorlautes und eigenwilliges Mädchen hält. Das verdient sie nicht. Sie hat so ein gutes Herz.“

Nachdenklich schwieg Perry eine Weile, dann sah er seine Frau fragend an. „Und, was sollen wir tun? Vielleicht wird sie in Gibraltar …?“

„Nein! Liebling, du hast ihr die Reise zwar versprochen“, begann Elizabeth vorsichtig, „aber ich halte es für nicht klug.“

„Ich werde mein Wort nicht brechen.“

Elizabeth seufzte. Wenn ihr Mann so grimmig den Mund verzog, erinnerte er sie stark an ihre älteste Tochter. „Perry, Perdita muss endlich lernen, dass es so nicht geht. Außerdem … kannst du dir vorstellen, wie sie in Gibraltar, in dieser Bastion biederer Ehrsamkeit, jedermann die Meinung sagt?“

„Sie würde die Leute etwas aufmuntern“, meinte er lachend.

„Bitte sei ernst, Liebling. Also, ich halte es für das Beste, Perdita zu Tante Beatrice nach Bath zu schicken. Da Amy nächste Woche sowieso in die Schule zurückmuss, können die beiden zusammen reisen.“

„Lizzie! Das ist doch nicht dein Ernst?“ Perry schaute seine Frau entsetzt an. „Perdita wird vor Langeweile sterben. Glaubst du etwa, sie benimmt sich in Bath besser als in Gibraltar?“

„Ich habe lange darüber nachgedacht, Perry. Bath ist nicht tiefste Provinz. Es ist ein mondäner Badeort.“

„Vor langer Zeit, meine Liebe, Mitte des letzten Jahrhunderts.“

„Mag sein. Perdita ist dort dennoch nicht zur Einsamkeit verdammt. Sie kann spazieren gehen, reiten, Bälle besuchen und Picknicks veranstalten.“

„Und sich stets untadelig benehmen?“, amüsierte sich Perry.

„Ich hoffe, dass der Wegfall der Gibraltarreise sie veranlasst, in Zukunft vorsichtiger zu sein.“

„Findest du nicht, dass wir etwas zu streng sind?“

„Ach, Perry, sie muss endlich lernen, dass nicht sie die Spielregeln bestimmt. Wir wollen sie doch beide glücklich verheiratet wissen. Aber mit ihrer Art, stets ihre Meinung kundzutun, schreckt sie alle Männer ab.“

„Alles Narren! Noch braucht sich Perdita keine Sorgen zu machen, dass sie keinen Ehemann findet. Meiner Meinung nach heiratet sie besser gar nicht als einen Dummkopf, der sie nicht zu schätzen weiß. Außerdem … sie ist siebzehn … viel zu jung, um ans Heiraten zu denken.“

Seine Frau versuchte ernst zu bleiben. „Ich war jünger, als wir heirateten“, erinnerte sie ihn.

Perry legte liebevoll seinen Arm um sie. „Ich habe dich vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt“, scherzte er und küsste sie auf die Wange. „Perdita wird sehr enttäuscht sein … und ich auch. Ich hatte mich so darauf gefreut, euch beide während der Mittelmeerreise an Bord zu haben.“

„Es gibt bestimmt ein nächstes Mal“, tröstete sie ihn. „Oder wird es dir schwer fallen, dich nur mit mir zu begnügen?“

„Es ist alles andere als eine Strafe, Liebling“, versicherte er und küsste sie noch einmal. „Bleibst du wirklich bei deinem Entschluss?“

„Ganz gewiss, Perry. Es ist die richtige Entscheidung. Bislang hat alles, was wir versuchten, Perdita nicht veranlasst, ihr Benehmen zu ändern. Vertrau mir, Liebling. Sie muss endlich lernen, sich zu beherrschen.“

Perry schwieg eine Zeit lang nachdenklich. Eigentlich war er durchaus nicht dieser Ansicht. Ihn amüsierte es meist, wenn sich seine Tochter über alle Konventionen hinwegsetzte. Andererseits sah er es auch nicht gern, wenn seine Frau traurig war. „Gut“, gab er deshalb schließlich nach. „Wenn du es für richtig hältst.“ Dann kam ihm eine Idee. „Vielleicht will Tante Beatrice sie gar nicht haben? Sie verbringt doch die meiste Zeit mit ihren alten Freundinnen im Brunnenhaus.“

Elizabeth bemerkte das hoffnungsvolle Glitzern in seinen Augen. „Perdita muss weder Wasser trinken noch Karten spielen oder tratschen. Beatrice liebt unsere Töchter. Oft hat sie die beiden an schulfreien Tagen eingeladen. Sie hat immer betont, dass die Mädchen Fröhlichkeit in ihr Leben bringen.“

Perry unterdrückte ein Schmunzeln. Miss Beatrice Langrishe ahnte bestimmt nicht, um wie viel fröhlicher ihr Leben mit einer temperamentvollen Siebzehnjährigen werden würde.

Wie üblich konnte Elizabeth seine Gedanken lesen. „Perdita wird ihr keinen Ärger machen. Unsere Tochter lässt sich zwar nicht gerne etwas sagen, aber ich glaube nicht, dass sie ihren Willen gegen eine sanfte ältere Dame, die allen nur Gutes tut, durchsetzen wird.“

„Der Besuch wird für Trixies Dienstboten mehr Arbeit bedeuten“, gab Perry zu bedenken.

„Ich schicke Ellen mit.“

Perry hielt die Luft an. „Oh Gott! Diesmal meinst du es aber wirklich ernst! Perdita wird nicht begeistert sein! Sie wird vermuten, ihr altes Kindermädchen solle auf sie aufpassen.“

„Das soll sie auch. Aber ich werde Perdita erklären, dass Ellen die Dienstboten entlasten soll.“

Perry sah seine Frau nachdenklich an. „Willst du deine Entscheidung nicht noch einmal überschlafen?“

„Nein, mein Entschluss steht fest. Und ich bitte dich, Perry, fall mir nicht in den Rücken, wenn ich es ihr morgen sage.“

„Ich muss am Vormittag zu einer Sitzung der Admiralität ins Marineministerium“, gestand er zerknirscht.

„Oh, wie angenehm für dich!“ Einen Moment lang war Elizabeth verärgert, doch dann besann sie sich. Ihr Mann konnte Perdita keine Bitte abschlagen. Ein enttäuschter Blick und alle guten Vorsätze des Vaters würden dahinschmelzen. „Gut, dann überlässt du also alles Weitere mir“, erklärte Elizabeth deshalb. „Und nun erzähl mir von deinem Abendessen“,wechselte sie das Thema.„Hast du alte Bekannte getroffen?“

Perry verstand den Wink und beugte sich ihrer Entscheidung.

Als Perdita am nächsten Morgen erwachte, stellte sie fest, dass sie trotz aller Befürchtungen gut geschlafen hatte. Sie fühlte sich für den Tag gewappnet. Nachdenklich trank sie ihre Morgenschokolade. Vater wird mir bestimmt beistehen, überlegte sie. Und Mutter? Das mochte schwierig werden. Aber Perdita glaubte, wenn sie sich genügend zerknirscht und einsichtig zeigte, würde alles gut enden. Blieb nur dieser unangenehme, aufgeblasene Earl of Rushmore. Doch sie erwartete nicht ernsthaft, dass er ihnen einen Besuch abstatten würde.

Ein Blick auf die Uhr überraschte sie. Es war schon fast Mittag, und so klingelte sie nach ihrer Zofe Abby, die ihr beim Ankleiden helfen sollte. Keinesfalls wollte Perdita ihre Mutter warten lassen, wenn sie nach ihr rief.

Es war Ellen, die ins Zimmer kam. Die alte Kinderfrau lächelte grimmig. „Ihre Mutter bat mich, Ihnen heute Morgen zu helfen, Miss Perdita“, erklärte sie, während sie zum Schrank ging und ein Kleid herausholte.

„Ellen, ich habe noch nicht entschieden, was ich anziehe“, sagte Perdita von oben herab.

„Sie werden jedenfalls nicht ausgehen. Das Blaue ist gut genug.“

„Woher wollen Sie wissen, was ich heute vorhabe?“, fuhr Perdita auf. Sie musste sich nicht wie ein Kind behandeln lassen! „Ich könnte mich entscheiden, auszureiten, Einkäufe oder einen Besuch bei den Raubtieren im Tower zu machen.“

„Kaum“, beschied Ellen sie lapidar. „Obwohl ich mich frage, wer unbezähmbarer ist – Sie oder die Raubtiere. Haben Sie gestern Abend wieder die alte Masche abgezogen?“

„Ich weiß nicht, was Sie meinen“, fuhr Perdita sie an, schlüpfte aus dem Bett, entledigte sich ihres Nachthemdes und ging zum Waschtisch.

Ellen musterte sie kritisch und meinte schließlich: „Ein wenig mehr Fett auf den Rippen könnte Ihnen nicht schaden. Oder ist dieser Lord Byron Ihr Vorbild, der angeblich von Essig und Kartoffeln lebt?“

„Wenn Sie es genau wissen wollen, Ellen, ich besitze einen ausgezeichneten Appetit.“

Die Kinderfrau lachte spöttisch. „Dann ist es wohl das garstige Temperament, das Sie so auszehrt. Mit Ihren Hüftknochen könnten Sie einen Mann aufspießen, wenn nicht Ihre spitze Zunge das schon erledigen würde.“

„Seien Sie nicht vulgär, Ellen.“ Perdita ließ sich in die Kleider helfen und setzte sich an den Frisiertisch, um sich zu kämmen.

„Das mache ich!“ Ellen riss ihr die Bürste aus der Hand und ging energisch ans Werk.

„Au … müssen Sie unbedingt so grob sein?“, jammerte Perdita.

„Ja … vielleicht sollte ich Ihnen ein wenig Verstand einhämmern.“ Ellen sah unwillig auf, als Amy ins Zimmer stürzte. „Na, wo brennt es denn, Miss?“ Ihr Ton war scharf. „Was bringt man Ihnen eigentlich in dieser teuren Schule bei? Eine junge Dame rennt nicht, als sei der Teufel hinter ihr her.“

„Entschuldigung, Ellen.“ Amy schenkte der alten Kinderfrau nur ein kurzes, beschämtes Lächeln. „Perdita, rat mal, wen Mutter zu Besuch hat?“

„Den Prinzregenten … deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.“

„Ach, doch nicht den.“

„Etwa den Herzog von Wellington, Marschall Blücher, oder gar den Zaren von Russland?“

„Sei nicht albern! Deinen Feind … den Earl of Rushmore!“

Perdita starrte sie ungläubig an. „Bist du sicher?“

„Ja! Ich habe gehört, wie Knox ihn ankündigte.“

Perdita versagte fast die Stimme. „Nach wem … hat er gefragt?“

„Zuerst nach Papa, aber der ist ausgegangen. Dann ließ er sich bei Mutter melden.“

Perditas Hoffnungen schwanden. Ihr Vater war ihr verlässlichster Verbündeter. Er hätte bestimmt für sie Partei ergriffen bei dieser, wie sie befürchtete, erniedrigenden Begegnung. „Oh, diese Bestie!“, schimpfte sie.

„Das reicht!“, unterbrach Ellen sie. „Wie können Sie nur so ungebührlich über Seine Lordschaft sprechen.“

Perdita sah sie mit funkelnden Augen an. „Ach, Ellen, Sie haben doch keine Ahnung.“

„Ich habe einiges gehört … und den Rest kann ich mir denken. Am besten holen wir schon mal die Koffer raus. Nächste Woche geht’s nach Bath!“

„Nein!“ Zornig stampfte Perdita mit dem Fuß auf. „Nie und nimmer gehe ich wieder dorthin, eher laufe ich weg.“

„Wovon wollen Sie denn leben, Miss Perdita?“, lachte Ellen. „Als Zofe, die keine gerade Naht zu Stande bringt, taugen Sie nichts, und als Gouvernante nimmt man kein so junges Mädchen. Nicht einmal in der Armee oder der Marine nehmen sie Frauen, obwohl Sie sicherlich eine gute Schützin gewesen wären. Schade, dass der Krieg schon vorbei ist. Sie hätten ihn sicher ganz allein gewonnen.“

„Sie können gehen, Ellen, und Ihre boshaften Bemerkungen für sich behalten“, sagte Perdita schnippisch.

„Sie werden heute noch Schlimmeres hören, Miss“, deutete die alte Frau mit sichtlicher Befriedigung an, bevor sie ihre beiden Zöglinge verließ.

„Hast du Rushmore gesehen?“, fragte Perdita.

„Ja, ich habe vorsichtig über das Geländer geschaut. Er … er sieht stattlich aus, nicht wahr?“

„Stattlich und stolz, arrogant und abscheulich! Schien er … sehr verärgert?“

„Keine Ahnung“, gestand Amy.

Die beiden Mädchen schwiegen eine Weile nachdenklich. „Ach, ich wünschte, wir könnten Mäuschen spielen“, seufzte Amy schließlich. „Was mag er wohl sagen?“

„Das kann ich mir gut vorstellen“, meinte Perdita. „Sein kostbares Federkleid ist zerzaust. Sicher besteht er darauf, dass ich vor ihm auf die Knie falle. Darauf kann er aber lange warten. Mutter kann mir Stubenarrest verordnen, mich auf Wasser und Brot setzen, ich werde mich nicht entschuldigen.“

Amy lachte. „Das tut Mama niemals.“

„Ich weiß“, gestand Perdita traurig. „Das wäre mir viel lieber, als dass sie mich so enttäuscht ansieht. Ach, ich wünschte, ich wäre wie du. Du bist nicht so aufbrausend wie ich. Du bringst es sogar fertig, Miss Bedlington zu bezirzen. Hasst du diese schreckliche Schule denn nicht?“

„Für ein Jahr kann ich es dort noch aushalten“, versicherte Amy. „Miss Bedlington nimmt keine Notiz von mir. Außerdem habe ich meine Freundinnen. Sie vermissen dich, Perdita.“

Perdita erhob sich und wanderte unruhig hin und her. „Ich wünschte, Mutter ließe mich rufen“, meinte sie schließlich. „Je eher die Schelte kommt, desto schneller ist sie vorüber.“

„Es wird schon nicht so schlimm“, tröstete Amy ihre Schwester.

Perdita schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Was redet der Earl so lange? Ich dachte, dass Morgenbesuche nicht länger als eine halbe Stunde dauern sollten.“

„Vielleicht sprechen sie über Wellingtons Feldzüge“, versuchte Amy abzulenken.

„Das glaubst du! Nein, Mutter bekommt einen haarkleinen Bericht von dem, was sich bei Almack’s zugetragen hat.“

Perdita hätte sich gewundert, wenn sie das Gespräch zwischen ihrer Mutter und dem Earl of Rushmore mit angehört hätte.

2. KAPITEL
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Obwohl Elizabeth Wentworth den ganzen Morgen mit häuslichen Angelegenheiten beschäftigt gewesen war, hatte sie immer wieder an ihr Problem mit ihrer Tochter denken müssen. Sie war erstaunt, als ihr der Earl of Rushmore gemeldet wurde, denn eigentlich hatte sie nicht ernsthaft angenommen, dass er der Einladung folgen würde. Engstirniger Kerl, ein wirklicher Gentleman erwartet doch keine Entschuldigung, schimpfte sie insgeheim. Sie war ihrem morgendlichen Gast durchaus nicht wohlgesonnen, obwohl sie sofort, nachdem man Platz genommen hatte, anbot, Perdita rufen zu lassen.

Der Earl sah Elizabeth nachdenklich an. „Ich möchte Sie bitten, davon Abstand zu nehmen.“

„Das ist sehr großzügig, Mylord, aber mir scheint es notwendig.“

„Wirklich, Madam? Natürlich müssen Sie tun, was Sie für richtig halten. Sicherlich habe ich dann Gelegenheit, Ihrer Tochter zu erklären, dass ich es war, der einen großen Fehler gemacht hat.“

Elizabeth sah ihn ungläubig an. „So geht das nicht, Sir. Perditas Benehmen war unentschuldbar.“

„Meines auch, Madam. Keine temperamentvolle junge Dame würde meine Bemerkungen tolerieren.“

„Leider besitzt Perdita ein wenig zu viel Temperament. Ich fürchte, das wird ihr in der guten Gesellschaft nicht sehr nützen.“

„Meinen Sie?“ Der Earl sah seine Gastgeberin aufmerksam an. Elizabeth Wentworth war nicht nur schön, sie besaß auch Charakter, wie ihm der offene Blick und der entschlossene Zug um den Mund zeigten. Die Tochter hatte offensichtlich nicht nur das Aussehen von der Mutter geerbt.

Erstaunt beobachtete Elizabeth, wie ein Lächeln die verschlossenen Gesichtszüge ihres Besuchers veränderte. Blaue Augen blinzelten ihr zu, und zum ersten Mal spürte sie etwas von dem Charme, den man Rushmore allgemein nachsagte. Nun lachte er sogar und zeigte dabei eine Reihe makellos weißer Zähne.

„Ich möchte mich wirklich nicht in familiäre Angelegenheiten einmischen“, versicherte er, bevor sie etwas sagen konnte. „Doch ich schäme mich meines Benehmens gestern Abend. Ich war gelangweilt und verdrossen. In den letzten Jahren hing mein Leben wie das aller Soldaten immer am seidenen Faden, und nun, in Friedenszeiten, ist es so irritierend ruhig. Gott weiß, dass ich den Krieg mit Frankreich nicht fortsetzen möchte, aber er ließ uns keine Zeit für kleinliche Streitereien. Verstehen Sie, was ich meine?“

„Ganz gewiss, Mylord. Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Es braucht Zeit, bis man sich an ein ruhiges Leben gewöhnt.“

Rushmore musste wieder lächeln. Diese Frau und ihre Familie werden nie ein ruhiges Leben führen, dachte er. „Darf ich Sie nochmals bitten, Madam, Ihrer Tochter eine völlig unnötige Entschuldigung zu ersparen? Sie ist noch so jung, ich möchte sie nicht demütigen. Wenn Sie unbedingt darauf bestehen, sie zu rufen, dann werde ich ihr mein Bedauern ausdrücken und sie um Verzeihung bitten.“

Elizabeth gab sich geschlagen, obwohl sie den Earl zum Schein noch streng ansah. Doch dann musste auch sie lachen. Der Mann gefiel ihr immer mehr. Sie mochte ihn, weil er sich weigerte, Perdita die Natürlichkeit zu nehmen. „Das wäre zu viel des Guten, Mylord. Sie sind sehr verständnisvoll, doch bei der nächsten Gelegenheit hat sie vielleicht nicht so viel Glück. Belassen wir es dabei. Es schadet meiner Tochter nicht, ein wenig darüber nachzudenken, dass es besser ist, den Mund zu halten.“

„Sie glauben, dass sie das tun wird?“, fragte Rushmore lächelnd.

„Höchstwahrscheinlich nicht.“ Elizabeth sah ihren Besucher eine Zeit lang nachdenklich an. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“, sagte sie schließlich.

„Sicher.“

„Weshalb sind Sie wirklich gekommen, Mylord?“

Rushmore schwieg eine Weile unentschlossen. „Ich hätte gerne Ihren Rat“, begann er schließlich ohne Umschweife. „Ich befinde mich in einem gewissen Dilemma.“

Elizabeth verbarg ihr Erstaunen. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was sie einem so mächtigen Mann raten sollte. „Fahren Sie fort“, ermunterte sie ihn dennoch.

„Sehen Sie, Madam, ich habe seit kurzem ein Mündel – ein Mädchen, etwa im Alter Ihrer Tochter – und ich kenne mich in der Erziehung junger Damen nicht aus.“

„Zugegeben, eine ernste Angelegenheit. Wie sind Sie in diese Lage gekommen, Mylord?“

„Ihr Vater war mein bester Freund. Er fiel bei Waterloo. Da es keine anderen Verwandten gibt, musste ich ihm versprechen, mich um seine Tochter zu kümmern. Diese Bitte konnte ich einem Sterbenden doch nicht abschlagen“, erklärte Rushmore bedrückt.

„Natürlich nicht. Aber wo liegt das Problem für Sie? Können sich Ihre weiblichen Familienangehörigen nicht des Mädchens annehmen?“

„Nein, ausgeschlossen!“,erwiderte Rushmore grimmig. „Deren wohlmeinender Barmherzigkeit möchte ich sie nicht aussetzen. Sie erbt ein beträchtliches Vermögen. Bevor sie sich versieht, hat man sie mit irgendeinem mittellosen jüngeren Sohn verheiratet.“

Elizabeth hielt es für besser, sich nicht zu dieser Bemerkung zu äußern. „Kennen Sie die junge Dame?“

„Nein, Madam. Natürlich habe ich ihr schon geschrieben, und sie hat mir auch geantwortet. Ich will sie so bald wie möglich besuchen. Das Mädchen leidet bestimmt sehr unter dem Verlust des geliebten Vaters. Soviel ich weiß, starb die Mutter bei seiner Geburt.“

„Tragisch“, sagte Elizabeth leise. „Wo befindet sich Ihr Mündel derzeit?“

„In einem Internat in Bath.“ Mit einer hilflos wirkenden Geste fuhr Rushmore sich durch die Haare. „Dort kann sie nicht mehr lange bleiben. Ich weiß wirklich nicht, was ich dann machen soll.“

Seine Ratlosigkeit war fast rührend. Sicher war das ein Problem, das weit außerhalb seines Erfahrungshorizontes lag. „Dann haben Sie also noch keine Pläne gemacht?“

„Natürlich muss ich sie in die Gesellschaft einführen … ich möchte, dass sie einen guten Ehemann findet. Deshalb war ich bei Almack’s. Aber es war nicht sehr ermutigend.“

„Darf ich nochmals fragen, warum Sie ausgerechnet zu mir gekommen sind? Es kann keinen besonders guten Eindruck auf Sie gemacht haben, wie ich meine Töchter erziehe.“

„Miss Wentworth ist kein sentimentales Geschöpf, das affektiert lächelt, bei jeder Gelegenheit in Ohnmacht fällt und den Männern schöne Augen macht.“

Autor

Meg Alexander
Ihr Roman „Süße Versuchung“ ist bei CORA in der Reihe Historical Lords & Ladies erschienen. Doch Meg Alexander fing schon früh an zu schreiben: bereits in ihrer Kindheit begeisterte sie mit kleinen Bühnenstücken, die ihre Brüder, Schwestern und Cousins zur Familienunterhaltung an Weihnachten aufführten. Mit 19 Jahren heiratete sie und...
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