Süße Küsse zum Dessert

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Süß wie die Sünde ist das Dessert, das Piper für Ian zusammengemixt hat. Verlangend streckt er die Hand nach der Schüssel aus und taucht den Zeigefinger in die dunkle Soße. Sanft streichelt er mit dem Finger über Pipers Hals und leckt anschließend die flüssige Schokolade genüsslich ab. Kleine Schauer der Erregung laufen über ihre Haut, und sie glaubt vor Lust zu vergehen. Doch Ian quält sie weiter mit seinem sinnlichen Spiel. Er zieht mit der Schokoladensoße süße Linien über ihren flachen Bauch und leckt sie dann wieder ab. Aber dann kann auch er sich nicht mehr zurückhalten. Vergiss das Dessert, sagt er sich. Er will ja nur Piper. Ihre Küsse. Ihre Zärtlichkeit. Ihre Leidenschaft. Fasziniert von ihrer Schönheit, lässt er seine bewundernden Blicke über ihren Körper wandern. Und ein Hunger erwacht in ihm, den nur sie stillen kann ...


  • Erscheinungstag 04.05.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767747
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Brautjungfer bis in alle Ewigkeit! Piper Shepherd klemmte den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr, während sie sich im Spiegel betrachtete. Sie hielt sich ein gelbes Satinkleid an und fand, dass es ganz gut zu ihrem kurzen dunklen Haar paßte. „Ich persönlich finde, dass Zitronengelb genau zu einer Hochzeit im August paßt, Justine.“

Ihre Freundin am anderen Ende der Leitung seufzte und war offenbar nicht überzeugt. „Mutter sagt, Gelb wirkt nicht schön auf Fotos. Außerdem hatten bei Barbara die Brautjungfern schon Gelb an.“

Piper verzog das Gesicht. „Wirklich?“ Sie warf das Kleid aufs Bett und zog ein langes, schulterfreies Kleid in Lavendel aus dem Schrank, um es sich unter das Kinn zu klemmen. „Wie wäre es mit Lila?“

„Also … nein, das würde nicht zu Stewarts Jackett passen. Hatten die Brautjungfern bei Sarah nicht schon lilafarbene Kleider an?“

Stirnrunzelnd holte Piper ein grünes Minikleid hervor. „Wirklich? Und was ist mit Grün? Das paßt doch hervorragend zu Stewarts rotem Haar. Vielleicht ein kurzes Kleid?“

„Nicht so gut“, befand Justine. „Grün läßt mich immer blass aussehen, und Joanns Brautjungfern waren schon in Grün.“

Allmählich bekam Piper Kopfschmerzen. „Ach, ja?“ Sie legte das Kleid weg und sah zum Kleiderschrank. „Mauve?“

„Hatte Carol.“

„Hellrot?“

„Cindy.“

„Dunkelblau?“

„Trug das nicht deine Mutter?“

„Bei welcher Hochzeit?“

„Mit Roger, glaube ich.“

Mühsam verkniff Piper sich eine bissige Bemerkung und ging die Kleider weiter durch. „Dunkelrot? Ocker? Gold?“

„Janice, Tina und Jennifer.“

Entnervt fuhr sie sich durchs Haar. „Meine Güte, Justine, kannst du dich denn noch an jede Farbe erinnern, die jemals auf irgendeiner Hochzeit vorkam?“

„Das fällt mir nicht schwer. Im Gegensatz zu dir liebe ich Hochzeiten. Wenn du weniger über deine hohen Hacken jammern und dich mehr mit den Junggesellen auf den Hochzeitsempfängen beschäftigen würdest, wärst du selbst auch längst verheiratet. Von den dreiundzwanzig Mädchen unseres Colllegejahrgangs bist du der letzte Single, ist dir das klar?“

Nachdenklich runzelte sie die Stirn. „Stimmt gar nicht. Tillie ist auch noch übrig.“ Trösten konnte sie das allerdings nicht, denn Tillie war dicklich und litt ständig unter eingebildeten Krankheiten.

„Tut mir leid, Tillie hat sich vor drei Wochen verlobt.“

„Mit wem?“, brachte Piper krächzend hervor.

„Sie war so häufig im Krankenhaus, dass sie sich einen der Ärzte geangelt hat. Der Diamant an ihrem Verlobungsring ist riesig.“

Panik stieg in Piper auf. Sogar Tillie mit ihren Allergien, der Schlaflosigkeit, den ständigen Kopfschmerzen und dem ewigen Gejammer hatte einen Mann abbekommen. Und einen reichen noch dazu. Seufzend blickte sie auf die Uhr. Sie hatte ihrer Großmutter, die demnächst umziehen wollte, versprochen, ihr beim Einpacken einiger Sachen zu helfen.

„Piper, bist du noch da, oder ziehst du gerade Bilanz über dein Leben?“

„Ich bin noch dran“, erwiderte sie mürrisch. „Und mit einunddreißig bin ich noch nicht im richtigen Alter für den Senioren-Club.“

„Die Leute fangen schon an, über dich zu reden, Piper.“ Justine seufzte dramatisch.

„Möglich, dass ich etwas wählerisch bin“, gestand sie zögernd ein.

„Hör mir gut zu, Piper, warte nicht zu lange, sonst sind die besten schon alle vergeben.“

„Justine, du sitzt zweihundert Meilen von hier in Tupelo. Da gibt es massenweise passable Männer. Ich stecke in Mudville, und ist dir bei deinem Besuch auch nur ein einziger aufgefallen, der es wert ist, dass ich mich um ihn bemühe?“

„Das stimmt allerdings. Du solltest wirklich in eine größere Stadt ziehen.“

„Leider sitzt Blythe Industries hier im Ort, und sie haben nicht vor, eine Filiale in der Großstadt zu eröffnen.“

Verächtlich stieß Justine die Luft aus. „Ach, und es gibt in ganz Mississippi keine andere Firma, die eine Food-Designerin braucht?“

„Vielleicht schon, aber dann wäre ich zu weit von Granny entfernt, und du musst zugeben, ich habe einen phantastischen Job.“

„Stimmt, die meisten Frauen würden nicht einmal Geld dafür haben wollen, dass sie neue Desserts erfinden dürfen.“

„So leicht ist das gar nicht, Justine. Es geht nicht nur darum, Sahne, Eier und Zucker zu verrühren.“

„Schon gut, Piper. Zurück zum Thema. Selbst in deinem Nest wird es doch wohl wenigstens einen Mann geben, der in Frage kommt. Du musst nur ein bißchen deine Fühler ausstrecken. Sehen und gesehen werden.“

„Ich weiß nicht recht, ob es mir Spaß macht, bei der Vorführung neuer Trecker gesehen zu werden.“

„Überleg mal. Hast du einen gutaussehenden Mitarbeiter? Wie ist dein Chef?“

Ihr Assistent Rich sah wirklich gut aus, aber er hatte ihr anvertraut, dass er schwul war. Und ihr Chef Edmund Blythe war verheiratet und alt genug, um ihr Vater zu sein. „Die kommen nicht in Frage.“

„Dir bleiben ganze drei Monate, um einen Tanzpartner für die Hochzeit zu finden. Denn die Männer auf der Hochzeitsparty sind alle schon vergeben.“

Piper ließ sich auf die Kleider auf ihrem Bett fallen. „Na, das wird ja ein Kinderspiel“, antwortete sie spöttisch. „Gerade in Mudville reißen die Männer sich darum, sich feinzumachen und auf einen Ball zu gehen.“

„Lass den Kopf nicht hängen. Sicher hat jede glücklich verheiratete Frau eine List angewendet, um sich ihren Mann zu angeln. Nimm Stewart zum Beispiel. Er hat sich drei Jahre Zeit gelassen, und als ich ihm erzählt habe, ich hätte ein Jobangebot in Tennessee, ist er sofort vor mir auf die Knie gefallen.“

Nachdenklich sah Piper an die Decke. „Ich wußte gar nichts von einem Angebot in Tennessee.“

„Das gab es auch gar nicht.“ Justine seufzte laut. „Piper, willst du denn immer allein bleiben?“

Bedrückt schüttelte sie den Kopf. „Nein“, gestand sie kleinlaut.

„Dann fang an, etwas dagegen zu unternehmen.“

„Schon verstanden, können wir jetzt das Thema wechseln?“

„Aha!“, verkündete Justine begeistert. „Gerade ist mir die perfekte Farbe für meine Brautjungfern eingefallen: Lachsfarben.“

Piper unterdrückte ein Stöhnen, sprang vom Bett und durchsuchte ihren Kleiderschrank. Burgunder, Türkis, Moosgrün, Silber, Hellblau, Rosa und Orange. Aber nichts in Lachsfarben.

Ian Bentley blinzelte verwirrt und sah auf den breiten Goldring, der mit zwei Reihen funkelnder Diamanten verziert war. Dann blickte er über den Tisch hinweg zu Meredith. „Dich … heiraten?“

„Ja, sicher.“ Sie zuckte mit den Schultern, und ein Lächeln umspielte ihre rotglänzenden Lippen. „Ich habe für meine hohen Verkaufszahlen eine Europareise gewonnen, aber da darfst du nur als Ehepartner mit.“

Eingehend betrachtete Ian ihr schönes Gesicht und die langen blonden Haare. Ihren Erfolg verdankte sie sicher nicht zuletzt ihrem Aussehen. Meredith diente als beste Werbung für die Kosmetikprodukte ihrer Firma, die sie an unterschiedliche Einzelhandelsketten verkaufte. „Verzeih mir, Meredith, aber eine gemeinsame Reise erscheint mir nicht als ausreichender Grund für eine Ehe.“

Lachend winkte sie ab. „Das weiß ich doch, Dummkopf, aber wegen dieser Reise habe ich gründlich nachgedacht. Wieso sollten wir nicht heiraten? Die meisten Nächte verbringen wir ohnehin gemeinsam, vorausgesetzt, keiner von uns ist gerade unterwegs. Da ist die Ehe doch der nächste logische Schritt.“ Sie beugte sich vor und berührte seine Hand. „Komm schon, Ian, wir werden beide nicht jünger.“

Zunächst fühlte Ian sich nur unwohl, doch dann überkam ihn regelrechtes Entsetzen. Innerhalb von Sekunden hatte diese harmlose Verabredung zum Lunch sich in etwas verwandelt, das sein Leben verändern würde. Meredith war eine elegante Frau. Sie kleidete sich tadellos, war eine leidenschaftliche Geliebte, und Ian war sehr gern mit ihr zusammen. Aber liebte er sie auch?

Würde ich es überhaupt bemerken, wenn ich jemanden richtig liebe? fragte er sich. Früher hatte er sich fest vorgenommen zu heiraten und Vater zu werden, noch bevor er Vierzig wurde. Aber jetzt näherte er sich unaufhaltsam dieser Schallgrenze und wartete immer noch auf die Frau seines Lebens.

Allmählich wirkte Meredith nicht mehr so begeistert. „Also, Ian, du siehst aus, als hättest du in eine Zitrone gebissen.“

Er richtete sich auf seinem Stuhl etwas auf, drehte die kleine Schmuckschachtel in den Fingern und suchte nach den richtigen Worten. „Du hast mich ein bißchen überrumpelt, Meredith. Das ist alles.“

Sie neigte den Kopf zur Seite. „Das haben Überraschungen nun einmal so an sich.“

Er lachte gezwungen, und ihm brach der Schweiß aus.

„Steck ihn schon an“, drängte sie ihn und trank einen Schluck Wein. „Und zwar auf den linken Ringfinger, wie jeder gute amerikanische Ehemann, damit du dich an das Gefühl gewöhnst.“

Sein Blick fiel auf den Ring, und er fragte sich, wie so ein kleines Ding, auch wenn es so teuer wie dieses Exemplar war, dermaßen gefühlsbeladen sein konnte. „Er ist sehr schön“, sagte er leise, obwohl er ihm etwas zu protzig erschien. Langsam steckte er ihn sich an den linken Ringfinger und lächelte gepreßt. „Paßt perfekt.“

„Du musst mir nicht sofort antworten. Trag ihn ein paar Tage, um zu sehen, wie dir der Gedanke, verheiratet zu sein, gefällt. Wenn du einverstanden bist, kaufen wir einfach einen entsprechenden Ring für mich.“

„Ich fahre morgen geschäftlich nach Mudville in Mississippi. Kaum mehr als tausend Einwohner“, wechselte er unbeholfen das Thema, und auf einmal kam ihm die Reise wie ein Geschenk des Himmels vor.

Sie verzog die Nase. „Was gibt es denn in Mudville?“

„Die Firma, die die Desserts für meine italienischen Restaurants liefert.“

„Oh, diese leckere Butter-Quark-Creme mit Scotch?“

Lächelnd nickte er. „Unter anderem. Ich will doch im nächsten Jahr ein Kette von Cafés aufkaufen, und für diese Cafés möchte ich ein ganz besonderes Dessert, das es nur dort gibt.“

Meredith verengte die Augen. „Kannst du nicht jemand anderen damit beauftragen?“

„Eigentlich schon“, gab er zu. „Aber dieses Projekt ist mir sehr wichtig, und da will ich selbst mit dem Food-Designer der dortigen Firma sprechen.“

„Du traust nur deiner eigenen Spürnase, stimmt’s?“ Meredith lächelte gezwungen. „Wie laufen eigentlich die Kinder-Restaurants?“

Sofort lächelte auch Ian. „Phantastisch. Die Idee mit den Trampolinen und dem Pizza-Essen kommt hervorragend bei den Kleinen an.“

„Wer hätte das gedacht!“ Ihr spöttischer Ton verriet, was sie von Kindern hielt, und diese Einstellung bedrückte Ian. „Wie lange wirst du in Mudville bleiben?“

„Das weiß ich noch nicht. So lange es dauert, bis die Food-Designer das Richtige kreiert haben. Vielleicht eine Woche, vielleicht auch länger.“

Lächelnd strich sie ihm über die Hand. „Wenigstens muss ich mir keine Sorgen machen, dass du in einem Ort namens Mudville eine andere Frau kennenlernst. Wenn es so hinterwäldlerisch ist, wie es klingt, wirst du viel Ruhe haben, um über mein Angebot nachzudenken.“

Ian erwiderte ihr Lächeln und hoffte, es wirkte überzeugend. Im Moment kam Mudville ihm wie der rettende Hafen vor, wo er Merediths Angebot ein paar Tage lang vergessen konnte. Frische Luft, sauberes Wasser und vielleicht auch ein Angelausflug … und keine Frauen, die ihn zum Altar schleppen wollten.

„Hallo, Granny.“ Piper gab ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange. „Tut mir leid, dass ich zu spät komme. Justine ruft mich ständig wegen ihrer Hochzeit an.“

Ellen Falkner trug einen grauen Pullover und wirkte viel jünger als fünfundsiebzig. Lächelnd strich sie sich ihr hellbraun getöntes Haar zurück und stemmte die Hände in die Hüften.

„Keine Bange, Piper“, sagte sie. „Es ist noch genug für dich zu tun.“ Kopfschüttelnd blickte sie sich im Wohnzimmer um. „Wie kommt es bloß, dass sich immer soviel Kram ansammelt?“

An der Rückwand des Raums waren bereits sechs große Kartons aufgestapelt.

„Granny“, wandte Piper leise ein, „nach vierzig Jahren ist es nur verständlich, wenn du viele Dinge hast, an denen dein Herz hängt.“

„Ich weiß.“ Ihre Großmutter strich über die Holzverkleidung des Kamins. „Und ich werde dieses Haus wirklich vermissen.“ Dann wandte sie sich wieder mit strahlendem Lächeln an Piper. „Aber sechs einsame Jahre sind lang genug. Nate würde auch wollen, dass ich mich hier nicht verkrieche. Und in Greenbay Ridge gefällt es mir sehr gut.“ Sie zwinkerte ihrer Enkelin zu. „Dort werde ich jeden Tanzkurs mitmachen. Und wir wohnen trotzdem noch so nah beieinander, dass wir uns regelmäßig sehen können.“

„Wie ich dich kenne, wirst du erst einmal frischen Wind in die Seniorensiedlung bringen, Granny. Und sicher findet die Maklerin bald einen Käufer für dein Haus.“

Ihre Großmutter runzelte die Stirn. „Ich wünschte wirklich, du könntest das Haus übernehmen, Piper.“

Liebend gern hätte Piper das Haus ihrer Großmutter gekauft. Sie sparte schon seit langem dafür. Leider fehlte ihr immer noch eine Menge, es sei denn, sie bekam die Prämie, auf die sie hoffte. „Granny, ich kann es mir nicht leisten, dieses Haus zu kaufen, und auf keinen Fall will ich es von dir geschenkt haben.“

Kopfschüttelnd sah Ellen Falkner ihre Enkelin an. „Mudville ist nicht gerade eine aufregende Stadt, aber ich habe mir so sehr gewünscht, dass du und deine Kinder hier lebt.“

„Granny, du brauchst doch Geld für deinen Lebensabend.“ Piper musste lächeln. „Und falls es dir noch nicht aufgefallen ist: ich bin nicht schwanger.“

Ihre Großmutter erwiderte das Lächeln. „Das hätte ja auch eine unbefleckte Empfängnis sein müssen.“

„Granny!“

Sie neigte den Kopf zur Seite. „Ehrlich, mein Schatz, du lebst wie eine Nonne.“

Vor Verlegenheit bekam Piper kaum ein Wort heraus. „Ich … ich will darüber nicht reden … über meine …“

„Keuschheit?“

„Also ich … ich bin schließlich keine Jungfrau.“ Sie lachte verunsichert und räusperte sich.

Granny Falkner lachte. „Ihr jungen Leute denkt wohl, ihr habt den Sex erfunden. Also, ich muss dir gestehen, dein Großvater und ich waren in dieser Hinsicht auch sehr einfallsreich.“

Verblüfft blinzelte Piper und hob eine Hand. „Granny, das will ich wirklich nicht hören.“

„Ganz ruhig, Piper, ich will dich nicht in Verlegenheit bringen.“ Ellen strich ihrer Enkelin mit dem Daumen über die Wange. „Weißt du eigentlich immer noch nicht, wie hübsch du bist? Mit diesem Gesicht kannst du jeden Mann haben, den du dir wünschst.“

„Jetzt sprichst du wie eine richtige Großmutter.“

Durchdringend sah ihre Großmutter sie aus ihren hellblauen Augen an. Die Augenfarbe hatte Piper von ihr geerbt. „Hat dir jemand mal das Herz gebrochen, mein Kleines? Irgendein junger Mann im College?“

Die Liebe und Sorge ihrer Großmutter rührten Piper zutiefst. Nur zu gut wußte ihre Granny, welchen Kummer sie in ihrem Leben schon durchgemacht hatte. Ihre Mutter wußte nicht einmal den Namen von Pipers Vater. Wie sollte Piper ihrer Großmutter klarmachen, wie sehr sie sich davor fürchtete, dieselben Fehler wie ihre Mutter zu begehen? Ihr war es sogar peinlich gewesen, ihrer Mutter, die ewig herumflirtete, einen neuen Freund vorzustellen.

Ihre wenigen intimen Erfahrungen hatte sie mit schüchternen, unbeholfenen Jungen gemacht, die sich in Sachen Sex noch ungeschickter anstellten als sie. Jetzt lächelte sie verlegen. „Im College habe ich ein paar nette Jungs getroffen, aber richtiges Herzklopfen hatte ich bei keinem von ihnen.“

„Und gibt es im Moment einen hübschen Kerl, von dem ich noch nichts weiß?“

„Nein, den gibt es nicht.“

Seufzend verschränkte Ellen die Arme. „Du bist auf niemanden angewiesen, aber mit dem richtigen Menschen an der Seite kann dein Leben sehr aufregend und glücklich werden. Läuft es in deinem Job immer noch gut?“

„Alles bestens. Diese Woche fange ich mit einem neuen Projekt an, bei dem ich unseren größten Kunden dazu bringen will, seinen Vertrag zu erweitern. Drück mir die Daumen, dass es klappt.“ Wenn ihre Großmutter wüßte, wieviel davon abhing, dass sie, Piper, ein kleines Dessert entwarf, das die Ansprüche des Kunden erfüllte!

„Viel Glück, mein Kleines. Aber immer nur arbeiten und nie Spaß …“

Piper musste lächeln. „Granny, meine ehemaligen Mitstudentinnen können es mit dem Heiraten gar nicht abwarten, ich suche mir meinen Mann lieber ganz in Ruhe aus.“

Lachend drohte ihre Großmutter ihr mit dem Finger. „Warte aber nicht zu lange.“

Nachdenklich musterte Piper sie. „Hast du dich mit Justine abgesprochen? Das klingt ja schon fast nach einer Verschwörung.“

Ellen lachte laut und hob die Arme. „Okay, ich höre auf damit. Fangen wir mit der Arbeit an.“

Piper sah sich in dem Raum um und stellte wieder fest, wie fremd und leer ihr das früher so vertraute Zimmer vorkam. Ihre Mutter war nicht gerade fürsorglich gewesen, und so hatte Piper die meisten Ferien und auch viele Wochenenden hier in diesem Haus verbracht. Piper schluckte. „Wo soll ich anfangen, Granny?“

„Ich nehme das Sofa, den Sessel, den kleinen Tisch und die Lampen mit. Dazu noch alles aus dem Schlafzimmer, den Küchentisch und die Stühle dazu.“ Lächelnd hob ihre Großmutter die Schultern. „Der Rest gehört dir.“

Mit offenem Mund sah Piper sie an. „Mir? Aber Granny, dafür habe ich gar keinen Platz.“ Es sei denn, ich kann dieses Haus kaufen, fügte sie in Gedanken hinzu.

Unbeeindruckt fuhr ihre Großmutter fort: „Lass den Kram hier, bis das Haus verkauft ist, und dann kannst du die Möbel irgendwo einlagern lassen oder verkaufen.“

„Na gut.“

„In diesen Kartons sind persönliche Dinge, die ich für dich aufgehoben habe. Lass sie uns in deinen Wagen packen, damit wir hier etwas Platz schaffen.“

Unter dem Gewicht des ersten Kartons schwankte Piper leicht, und sie musste lachen. „Was ist hier denn alles drin?“

Granny zuckte mit den Schultern und nahm sich einen Karton, der ähnlich schwer sein musste. „Nur Bücher und eine Menge Zeug, das ich schon viel zu lange aufbewahrt habe. Behalte, was dir gefällt, und den Rest schmeißt du einfach weg.“

Piper ging durch die Küche nach draußen und hielt mit der Schulter die Tür auf. „Mom hat gestern abend angerufen. Ich soll dich von ihr grüßen.“

„Wieso ruft sie mich nicht selbst an?“ Ihre Großmutter wirkte leicht außer Atem.

„Das habe ich ihr auch vorgeschlagen.“

„Bestimmt ist sie verärgert, weil ich mich abfällig über den Kerl geäußert habe, mit dem sie gerade zusammenlebt.“

„Sie sagt, sie will ihn heiraten.“

Spöttisch lachte ihre Großmutter. „Nach vier Ehen sollte man doch annehmen, dass sie ein bißchen mehr Menschenkenntnis gewonnen hat.“ Sie stellte den ersten Karton in den Laderaum von Pipers Kleintransporter. „In ihren fünfundfünfzig Jahren hat deine Mutter nur eines richtig gemacht, und das warst du. Wie du so ein wunderbarer Mensch werden konntest, werde ich nie verstehen.“ Sie legte Piper einen Arm um die Schultern, und gemeinsam gingen sie ins Haus zurück. „Ich werde nie die Hoffnung aufgeben, dass deine Mutter so wird wie du, wenn sie erst erwachsen ist.“

Während der nächsten Stunden packten sie Kartons, putzten und wischten Staub, und Piper grübelte darüber nach, ob sie aus reiner Sehnsucht nach einem Lebensgefährten irgendwann genauso wahllos werden würde wie ihre Mutter. Sollte sie lieber ganz ohne Mann leben oder sich in unzählige Beziehungen stürzen? Wenn sie tatsächlich das Haus ihrer Großmutter kaufte und hier in Mudville blieb, grenzte sie das Feld möglicher Kandidaten unglaublich ein. Ratlos seufzte sie.

Spätabends fuhr sie nach Hause und betrachtete die kleine Stadt, in die sie vor einem Jahr gezogen war. Piper bezweifelte ernsthaft, dass sie hier ihrem Traummann begegnen würde. Die Geschäfte an der Hauptstraße beschränkten sich auf drei Gebrauchtwagenläden, sechs Videoshops und zwei Sonnenstudios. An einer von zwei Ampeln, die es in der Stadt gab, musste Piper anhalten.

Jemand hupte, und Piper blickte zum Auto rechts von ihr. Zu spät erkannte sie den qualmenden, verrosteten Wagen von Lenny Kern. Er war der Sohn ihrer Nachbarin und hatte anscheinend beschlossen, so lange dort zu wohnen und von Sozialhilfe zu leben, bis seine Mutter ihn aus dem Haus warf. Mit seiner dicken Pranke gab er Piper zu verstehen, sie solle ihr Fenster herunterkurbeln. Zögernd folgte sie der Aufforderung.

„Hey, Piper, was läuft denn so?“, dröhnte er los, um die laute Country-Music aus seinem Autoradio zu übertönen.

„Hey, Lenny.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln.

„Wollen wir beide eine kleine Spritztour machen?“ Er grinste von einem Ohr zum anderen.

„Nein, danke.“

„Komm schon, Piper. Im Kino läuft ‚Top Gun‘. Kostet nur einen Dollar Eintritt.“

Sie verzog das Gesicht. „Den habe ich mir schon vor Jahren auf Video angesehen.“

„Ach, wirklich?“ Stirnrunzelnd biß er sich auf die Unterlippe.

Zum Glück schaltete die Ampel auf Grün. „Bis dann, Lenny.“ Sie fuhr über die Kreuzung, so schnell sie konnte. Seit sie hier lebte, erduldete sie jetzt die Annäherungsversuche ihres Nachbarn. So einsam und verzweifelt bin ich wirklich noch nicht, sagte sie sich.

Vor ihrem kleinen Haus hielt Piper an und ging mit einem der Kartons hinein. Kraftlos ließ sie sich im Wohnzimmer auf den dicken Teppich fallen und durchsuchte neugierig den Karton.

Es roch nach Mottenkugeln, altem Papier und Trockenblumen. Der Karton war voller Erinnerungsstücke: alte Fotoalben, vergilbte Liederbücher, zahllose Schallplatten und Ansichtskarten. Lächelnd las Piper sich einige der holprigen Reime auf den Grußkarten durch. Dann fand sieeine Einladung zum Abschlußball des Schuljahrgangs ihrer Großmutter. Dabei lag noch ein Zeitungsausschnitt, auf dem Granny Falkner mit ihren beiden Schwestern im Teenager-Alter zu sehen waren. Alle drei trugen Abendkleider und hatten ihre Haare sorgfältig frisiert. Sie lächelten in die Kamera, und darüber stand, dass die Schwestern bei einem Tanz-Marathon die ersten drei Plätze belegt hatten. Lächelnd las Piper den Artikel durch. Ihre Großtanten lebten mittlerweile beide in Florida, und sie waren noch genauso lebhaft wie Pipers Großmutter. Sicher brauchten die drei sich damals nicht auf Männerjagd zu begeben.

Ganz unten in dem Karton, unter Ketten aus Knöpfen und einer Schachtel mit Kinderschmuck, fand Piper ein kleines Buch. Langsam zog sie es hervor. Ein Kochbuch? Oder ein Tagebuch? Auf der ersten Seite stand in sorgfältiger Handschrift: „Das Geheimnis der Sexton-Schwestern: Wie finde ich einen anständigen Ehemann.“

Überrascht hob Piper die Augenbrauen, und sie musste lachen. Hatten Granny und ihre Schwestern also doch Tricks angewandt, um den Richtigen zu finden?

2. KAPITEL

Trag immer saubere Handschuhe, dein zukünftiger Ehemann kann dir überall begegnen.

„Guten Morgen, Piper, was läuft denn so?“ Lenny Kern stand auf der Veranda des Hauses seiner Mutter und präsentierte seinen nackten Bauch. Er trug nur eine abgeschnittene Jeans.

Eigentlich hatte Piper gehofft, unbemerkt zu ihrem Auto zu gelangen, doch jetzt winkte sie ihrem Nachbarn zu, ohne den Schritt zu verlangsamen. „Hallo, Lenny.“

„Wow! Du siehst ja toll aus! Wahnsinn!“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß, wobei sein Blick an ihrer gelben Seidenbluse und an ihren Knien hängenblieb, die von dem kurzen schwarzen Rock nicht bedeckt wurden.

Einen Moment spielte Piper mit dem Gedanken, einen ihrer viel zu engen hochhackigen Schuhe auszuziehen und ihm damit auf den Kopf zu hämmern, bis ihm das Glotzen verging.

„Ist jemand gestorben?“, fragte er unvermittelt.

„Nein“, entgegnete sie und sprach so langsam wie zu einem Kind. „Ich gehe gerade zur Arbeit.“

„Musst du heute schon wieder arbeiten?“

Piper schloß ihren Wagen auf. „Ja, Lenny, das nennt man feste Anstellung.“

„Aber du musst ja mindestens … vierzig Stunden arbeiten. Und das jede Woche!“

„Mindestens“, stimmte sie trocken zu und öffnete die Wagentür.

Mitfühlend schüttelte Lenny den Kopf. „Das tut mir leid für dich, Piper. Eine Frau wie du sollte zu Hause zu bleiben und sich um ihren Mann zu kümmern.“

Während sie sich hinter das Lenkrad setzte, zog sie sich den Rocksaum weiter nach unten und unterdrückte einen Fluch. „Klingt ja, als hätte ich wirklich was verpaßt im Leben“, stellte sie leise fest.

„Sag mal, Piper, wenn du zufällig einen Kuchen übrig hast, der bei euch im Labor herumliegt, dann bring ihn heute abend doch mit, ja? Mom hat Geburtstag.“

Autor

Stephanie Bond
Kurz bevor Stephanie Bond ihr Studium der Informatik abschloss, schlug einer ihrer Dozenten vor, es mit dem Schreiben zu versuchen. Natürlich hatte dieser eher akademisches Schreiben im Sinn, doch Stephanie Bond nahm ihn wörtlich und veröffentlichte ihre ersten Liebesromane. Nach dem großen Erfolg ihrer Bücher widmete sie sich ganz dem...
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