Süße Verführung auf Mallorca

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Heute im schillernden New York, fliegt sie morgen ins malerische Madeira, um sich tags darauf auf dem Familiensitz in Portugal zu erholen - Francesca genießt ihren Status als jüngste Tochter der Winzerdynastie Brodey. Doch in all dem Glamour wächst in ihr der Wunsch nach wahrer Liebe und einem Sinn in ihrem Leben. Als sie dem bodenständigen Sam begegnet, spürt sie bald, dass er diese Sehnsucht stillen könnte. Dennoch zögert Francesca, dem attraktiven Amerikaner in seine Heimat zu folgen. Sie fürchtet, dass ihre Gefühle einem Leben in der ländlichen Idylle nicht standhalten können …


  • Erscheinungstag 07.06.2009
  • Bandnummer 1795
  • ISBN / Artikelnummer 9783862953288
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Zweihundert Jahre Brodey: Das berühmte Weingut feiert sein Jubiläum

Was für ein Jubiläum – was für eine Festwoche! Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten des Traditionshauses auf Hochtouren. Zahlreiche Gäste, darunter Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Weinwelt, werden das große Ereignis in der Residenz der Familie feiern. Zauberhaft gelegen, oberhalb des Rio Douro, kurz bevor dieser, aus Spanien kommend, seine Reise in der Nähe von Porto am Atlantik beendet, bietet der barocke Bau aus dem 18. Jahrhundert mit seinen prachtvollen Räumen und seinem wunderschönen Garten eine wahrlich traumhafte Kulisse.

Dabei hatte er nur Wildschweine jagen wollen, der junge Schotte Calum Lennox Brodey der Erste, als er vor zweihundert Jahren in das Tal des Rio Douro, das Tal des goldenen Flusses, kam. Doch der aufstrebende Gründer eines Weinguts auf der Blumeninsel Madeira war nicht nur fasziniert von der unberührten Natur der damals fast menschenleeren Gegend, sondern erkannte auch das Weinpotenzial der steilen Schieferterrassen. Schnell entschlossen erwarb der Winzer mehrere Hundert Hektar Land und pflanzte die ersten Rebstöcke. Von diesen bescheidenen Anfängen über die heute eindrucksvollen Kellereien bis zur weltweiten Marke für kraftvolle Portweine und edlen Madeira war es ein weiter Weg, den die Familie stets mit neuen Ideen, aber auch mit viel Bewusstsein für Tradition beschritt. Seit Generationen gehört das stetig wachsende House of Brodey zu den größten Familienunternehmen Europas und erfreut mit seiner breiten Produktpalette Gourmets auf der ganzen Welt.

Eine Familie im Festfieber

Das Traditionshaus feiert mit diesem Ereignis nicht nur ein Firmenjubiläum, sondern auch ein Familienfest. Der gesamte Brodey-Clan wird sich in Porto versammeln und die aus aller Welt anreisenden Gäste persönlich begrüßen.

Sogar der Familienpatriarch, der wie alle männlichen Erstgeborenen in seiner Ahnenreihe nach seinem Vorfahren benannte Calum Lennox Brodey, soll vom Festfieber erfasst worden sein. Old Calum, wie er in Winzerkreisen genannt wird, ist mittlerweile schon über achtzig, doch der rüstige Senior lässt sich den Spaß an der Arbeit noch nicht nehmen. Fast jeden Tag sieht man ihn zwischen seinen geliebten Rebstöcken. Obwohl er immer versucht, sich unauffällig unter die Arbeiter zu mischen, bleibt er natürlich nicht unerkannt, und sie zollen ihm noch heute großen Respekt. Seine Haltung ist kerzengerade, die Augen blicken neugierig in den Tag, während er persönlich die Qualität der Trauben prüft. Und nachmittags trifft man ihn bisweilen in der hauseigenen Kellerei in Vila Nova de Gaia – versonnen an einem Stehtisch im Schankraum lehnend und mit einem wohlverdienten Gläschen Jahrgangsportwein in der Hand.

Schatten der Vergangenheit

Das stolze Jubiläum ist sicher ein Grund zum Feiern. Doch in der Vergangenheit gab es auch im Leben der Familie Brodey nicht nur Sonnenschein. Bei einem tragischen Autounfall vor zweiundzwanzig Jahren in Spanien verlor Old Calum, der früh Witwer geworden war, seine zwei ältesten Söhne und deren Frauen. Beide Ehepaare hinterließen einen Sohn. Zum Glück hatten die etwa gleichaltrigen Jungen noch ihren Großvater, der ihnen im Palácio da Brodey ein neues Zuhause gab und nicht nur dafür sorgte, dass seine Enkelkinder behütet aufwuchsen, sondern sie auch zielstrebig darauf vorbereitete, später einmal in seine Fußstapfen zu treten. Inzwischen führen sie sein Lebenswerk fort und lenken gemeinsam die Geschicke des Familienunternehmens.

Nur bei seinem jüngsten Sohn soll der alte Herr, so munkelt man, auf Granit gebissen haben. Paul Brodey lehnte die Mitarbeit im Weingut ab, er entschied sich für die Kunst und arbeitet als Maler in Lissabon – inzwischen sogar ziemlich erfolgreich. Auch seine Frau Maria, eine Halbportugiesin, ist eine anerkannte Künstlerin. Ihr Sohn Christopher wiederum fand Gefallen am Weingeschäft, lebt in New York und kümmert sich um den Vertrieb der Produkte des Traditionshauses auf dem amerikanischen Markt.

Mittlerweile leistet nur noch einer seiner Enkel Old Calum im Palácio Gesellschaft: Young Calum, wie die Winzer ihn nennen, Kind seines ältesten Sohnes und einer der begehrtesten Junggesellen Portugals. Obwohl er schon seit einiger Zeit die Geschäftsführung übernommen hat, wird es ihm während der Feierlichkeiten Freude und Verpflichtung zugleich sein, seinem Großvater den Ehrenplatz in der ersten Reihe einzuräumen.

Heiratsgerüchte

Noch eine weitere Familientradition der Brodeys scheint gute Aussichten auf Fortführung zu haben: Von Anbeginn gingen die Söhne der Familie in England auf Brautschau – dem Land, in dem sie ursprünglich ihren meisten Portwein verkauften. Tatsächlich kehrte bisher jeder der jungen Brodeys mit einer blonden „englischen Rose“ aus dem britischen Königreich zurück. Da sowohl Calum als auch Christopher immer wieder in Begleitung von attraktiven Blondinen gesehen wurden, fragen wir uns, wann die beiden diese Tradition wohl fortsetzen werden.

Lennox, der dritte Enkel von Brodey senior, ist seinen Cousins in dieser Hinsicht schon einen Schritt voraus. Er hat bereits auf Madeira eine Familie gegründet. Seine junge Frau Stella – auch sie eine bezaubernde blonde Engländerin – erwartet gerade ihr erstes Kind.

Adele, die vornehm erzogene, einzige Tochter Old Calums, ist mit dem bekannten Mäzen und französischen Millionär Guy de Charenton verheiratet. Beide haben eine Tochter: Francesca, eine atemberaubende Schönheit, die vor einigen Jahren Prinz Paolo de Viera in dessen Märchenschloss in Italien heiratete. Obwohl die Brodeys stets ausgezeichnete Kontakte zu den oberen Zehntausend pflegten, gelang es damit erstmals einem Mitglied ihrer Familie, in die Kreise des europäischen Adels aufzusteigen. Alles deutete auf eine glückliche Zukunft hin, doch schon nach zwei Jahren wurde das junge Paar geschieden. Seitdem machten immer wieder Gerüchte über eine bevorstehende neue Heirat der Prinzessin die Runde. Ihr aktueller Begleiter soll der französische Graf, Comte Michel de la Fontaine, sein. Auf ihren Shoppingtouren in Paris und Rom schlenderten die beiden stets Hand in Hand, und der charmante Franzose wird – wie wir aus gut unterrichteten Kreisen erfuhren – auch im Palácio da Brodey in Porto erwartet.

Zu guter Letzt möchten wir allen Mitgliedern der Familie Brodey an dieser Stelle herzlich zu ihrem stolzen Jubiläum gratulieren. Wir wünschen ihnen weiterhin viel Erfolg – und ihnen und ihren zahlreichen Gästen eine vergnügliche Festwoche.

1. KAPITEL

Endlich war er da, der große Tag – das Traditionshaus Brodey feierte seinen zweihundertsten Geburtstag, und die versammelte Familie erwartete ihre Gäste im festlich geschmückten Garten ihres Herrenhauses. Wobei die Bezeichnung Haus eigentlich eine Untertreibung war für den malerisch auf halber Höhe in den Weinbergen von Porto gelegenen Prachtbau, der von Weitem an einen Flügel des barocken Schlosses von Versailles erinnerte und nicht nur die Touristen auf ihren Flusskreuzfahrten auf dem Rio Douro immer wieder entzückte.

Auch Prinzessin Francesca ging regelmäßig das Herz auf, sobald sie die stattlichen weißen Mauern erblickte. Natürlich war sie ebenfalls zu dem besonderen Ereignis gekommen.

Calum Lennox Brodey, der Familienpatriarch, blickte stolz und dennoch stirnrunzelnd zu seiner Enkelin. Groß und schlank war sie wie alle Brodeys und so schön, dass jeder Mann sich wohl glücklich schätzen konnte, eine solche Nachfahrin zu haben. Aber sie war nun einmal eine Tochter aus reichem Hause. Und nicht nur ihre Eltern hatten sie leider unglaublich verwöhnt. Ich konnte es ja auch nicht lassen, seufzte er still und verzog ein wenig das Gesicht. Erst als ein Kellner ihm ein Gläschen eisgekühlten weißen Portwein als Aperitif reichte, hellte sich die Miene des Seniors wieder sichtlich auf.

Der kostbare White Port war im Holzfass gereift und gehörte zu den letzten Abfüllungen, die Old Calum noch eigenhändig vorgenommen hatte. Erwartungsvoll hielt er das Glas mit der goldgelben Flüssigkeit unter die Nase und schwenkte es vorsichtig, damit sich der aromatische Duft besser entfalten konnte. Schließlich kostete er einen Schluck, spitzte versonnen die Lippen und genoss bedächtig den köstlichen Nachgeschmack . Er konnte sich kaum zurückhalten, nicht vor Wonne mit der Zunge zu schnalzen.

Damit wäre er sicher nicht der Einzige gewesen. Allmählich waren immer mehr Gäste eingetroffen und flanierten mit einem Glas in der Hand durch den parkähnlichen Garten mit seinem einzigartigen Panoramablick auf den Rio Douro. Viele wollten bei der Weinprobe auch ein paar Worte mit den Brodeys wechseln – besonders natürlich mit Old Calum, der jedem aufmunternd zulächelte und als Grandseigneur alter Schule allen geduldig Rede und Antwort stand.

Doch über die Köpfe der ihn Umstehenden hinweg hielt er auch immer wieder Ausschau nach Francesca. Ihr leuchtend roter Hosenanzug hätte für seinen Geschmack etwas weniger auffällig sein können. Aber auf seinen modischen Rat hatte seine Enkelin noch nie gehört. Auch bei der Wahl ihrer Männer hätte er ihr gern öfter einen Schubs in die seiner Ansicht nach richtige Richtung gegeben. Ihr neuer Verehrer sollte angeblich ein vornehmer französischer Adliger sein – und der dackelte ihr jetzt hinterher wie ein Laufbursche.

Das ist doch wieder der Falsche!, empörte sich Old Calum insgeheim. Genau wie ihr geschiedener Ehemann, dieser italienische Prinz, den Francesca aber partout hatte heiraten wollen. Und leider bekam seine eigensinnige Enkelin auch immer alle Männer, die sie wollte. Alle, bis auf …

Er seufzte. Selbst wenn sie damals ihren Willen durchgesetzt hätte, sie wäre nicht glücklich geworden.

Nichts ahnend von den Gedanken ihres Großvaters, amüsierte sich Francesca unterdessen prächtig. Sie freute sich nicht nur, wieder einmal zu Besuch im Palácio zu sein, wo sie schon als junges Mädchen so viele unbeschwerte Ferien verlebt hatte. Sie freute sich auch, die alten Familienbande zu pflegen und Neuigkeiten auszutauschen – vor allem mit ihren Cousins. Zwar hatten sie bislang kaum zwei Worte miteinander gewechselt, aber nachher, beim Lunch mit den Weinhändlern, würde sich bestimmt mehr Gelegenheit dazu bieten. Wenn nicht, so blieb ihr ja noch die ganze Woche Zeit. Denn genau wie sie wollten ihre Cousins – und mit ihnen die meisten der von weither angereisten Gäste – bis zum Ende bleiben und sich vor allem den Galaball nicht entgehen lassen, der als krönender Abschluss der Feierlichkeiten geplant war.

Während sie sich diskret umsah, um sich vom Wohl der Gäste zu überzeugen, fing sie auch einen der Blicke ihres Großvaters auf. Ich liebe den alten Herrn wirklich sehr, aber er macht sich oft unnötig Sorgen, dachte sie und lächelte ihm zu. Als sie am anderen Ende des Rasens einige Gäste etwas abseits stehen sah, verabschiedete sie sich von ihren Gesprächspartnern und steuerte auf die Neuankömmlinge zu. Dabei ging sie so schnell, dass ihr ständiger Begleiter Comte Michel de la Fontaine Schwierigkeiten bekam, mit ihr Schritt zu halten.

Chérie!“, rief er, als er sie eingeholt hatte, und legte ihr seine Hand auf die Schulter. „Willst du mir nicht euren zauberhaften Garten zeigen? Hier sind so viele Leute, da wird man uns nicht gleich vermissen. Außerdem würde ich dich gern etwas fragen …“, er lächelte charmant, „etwas, das, mit Verlaub, auch deine Familie …“

Sie ließ ihn nicht ausreden. „Nicht jetzt!“, wies sie ihn ab und seufzte. Sie war einfach nicht in der Stimmung für Michels Annäherungsversuche und bedauerte es jetzt schon, ihn überhaupt zu der Party eingeladen zu haben. Warum hatte sie nicht Nein gesagt, als er sie darum bat? Jetzt hatte sie die Bescherung – die ganze Woche über wollte er bleiben. Angeblich, weil er sich so darauf freute, ihre Familie kennenzulernen.

Wirklich ihre Familie? Oder nur ihren Reichtum?

Sie presste die Lippen zusammen. Dann warf sie mit einem solchen Ruck ihren Kopf zurück, als wolle sie die beunruhigenden Gedanken verscheuchen, strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und schlüpfte wieder in die Rolle der perfekten Gastgeberin. Sie lief weiter, nickte freundlich jedem zu, und begrüßte Sekunden später warmherzig lächelnd die neuen Gäste. „Guten Tag“, sagte sie, „darf ich mich vorstellen – Francesca de Viera, Calum Brodeys Enkeltochter. Wir kennen uns, glaube ich, noch nicht.“

Sie sprach sanft und melodisch, und man merkte, dass sie Übung darin besaß, Menschen allein durch den Klang ihrer Stimme willkommen zu heißen. Tatsächlich verdankte sie das vor allem ihrer Mutter, die bei ihrer Erziehung stets Wert auf exzellente Umgangsformen gelegt hatte. Nach einem kurzen Plausch entschuldigte sie sich bei den Gästen und ging langsam über den Rasen zurück zum Haus.

Francesca schluckte. Ihre Eltern waren auch hier und unterhielten sich mit den Gästen. Unter anderen Umständen hätte sie sich über das Wiedersehen gefreut. Aber seit ihrer Scheidung war das Verhältnis zu ihrer Mutter ziemlich angespannt. Denn diese vertrat, was den Bund der Ehe betraf, noch ziemlich antiquierte Ansichten à la „bis dass der Tod euch scheidet“. Hinzu kam, dass sie die Verbindung ihrer Tochter mit Prinz Paolo de Viera als einen gelungenen Aufstieg der Familie in die Adelskreise betrachtet hatte. Im Grunde gibt sie mir bis heute die Schuld am Scheitern der Beziehung und vor allem an den negativen Schlagzeilen in der Regenbogenpresse, dachte Francesca.

Gleichwohl hatte sie alles versucht, eine Trennung zu verhindern. Schließlich hatte sie ja aus Liebe geheiratet, oder zumindest daran geglaubt. Doch nach dem Honeymoon war viel zu schnell der Alltag eingezogen, ihr charmanter Prinz entpuppte sich als arroganter und selbstherrlicher Schnösel und die Ehe mit ihm als einziges Fiasko. Irgendwann hatte sie es einfach nicht mehr ausgehalten und versucht, sich friedlich von Paolo zu trennen. Der sah sich jedoch in seinem Stolz verletzt und hatte einen Rosenkrieg angezettelt.

Seitdem verging kaum ein Tag, an dem nicht irgendetwas über sie, die geschiedene Prinzessin, in den Klatschspalten der Zeitschriften stand. Michel tauchte dort sogar schon als ihr zukünftiger Ehemann auf, als sie erst zweimal mit ihm ausgegangen war. Inzwischen hatte sie ihn zwar besser kennengelernt, trotzdem waren ihre Gefühle immer noch zwiespältig.

An seinem Aussehen lag es sicher nicht: Michel sah blendend aus und besaß zudem diesen unwiderstehlichen französischen Charme. Allerdings war er auch schon Ende dreißig und sie selbst erst Mitte zwanzig. Der Altersunterschied behagte ihr nicht, sie wusste nicht, warum.

Außerdem: In Paris, ja, da war Michel in seinem Element, aber hier im Palácio? Ehrlich gesagt kam er ihr im Vergleich zu ihren Cousins doch seltsam fehl am Platz vor. Wie hatte sie sich nur dazu hinreißen lassen können, ihn gleich für die gesamte Festwoche einzuladen? Hätte sie nicht viel mehr etwas Abstand von ihm gebraucht, um einmal in Ruhe nachzudenken und sich über ihre Gefühle für ihn klar zu werden?

Als ein Kellner mit einem Tablett vor ihr stehenblieb, griff Francesca nachdenklich nach einem Glas. Über einen Mangel an Verehrern hatte sie noch nie klagen können – weder vor noch nach ihrer Heirat. Doch die Erinnerung an ihre Ehe, in der sie so bitter von der Liebe enttäuscht wurde, die schmerzte noch immer. Womöglich war das der Grund, warum sie derzeit einfach keine Lust auf Männer verspürte. Nicht ein einziger hatte ihr Herz berühren können. Michel beteuerte zwar immer wieder, wie sehr er sie liebte. Aber konnte sie ihm trauen? Sein Interesse an den Besitztümern ihrer Familie gefiel ihr nicht. Warum wollte er alles so genau wissen, wenn nicht, um sich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse zu verschaffen, die ihm vielleicht die Renovierung seines baufälligen Châteaus in Frankreich ermöglichten?

Obwohl: Hatte sie diesen Verdacht nicht bei all ihren bisherigen Verehrern gehegt? Im Grunde hatte sie doch allen misstraut und unterstellt, es ginge ihnen gar nicht um sie, sondern um die Prinzessin und die Miterbin eines Portweinimperiums.

Sie atmete tief durch und machte sich klar, dass sie unbewusst wohl nach einem Traummann suchte, der so war wie einer ihrer Cousins. Als junges Mädchen hatte sie fast alle Ferien mit ihnen im Palácio verlebt. Im Garten spielten sie Fangen und Verstecken, auf dem Fluss wurde gesegelt. Später, als sie älter waren, arbeiteten sie auch in den Weinbergen, beschnitten die Reben, halfen bei der Lese und zerstampften die Trauben mit ihren nackten Füßen.

Natürlich war sie als Jüngste von allen verwöhnt worden. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte man ihr anstrengende Tätigkeiten immer abgenommen. Im Nachhinein bedauerte sie das zwar, denn auf diese Weise verstand sie weniger vom Weingeschäft als ihre Cousins, und deshalb traute ihr Großvater ihnen wohl auch mehr Führungsqualitäten zu. Doch sie erinnerte sich gern an diese unbeschwerte Zeit, und manchmal sehnte sie sich sogar danach zurück. Sie grübelte weiter, während sie nach ihren Cousins Ausschau hielt. Calum stand umringt von anderen am Ende des Gartens, und Lennox holte einen Stuhl für seine schwangere Frau Stella, die ihr erstes Kind erwartete.

Lächelnd beobachtete Francesca das junge Paar. Die Ehe tat ihrem Cousin sichtlich gut. Früher, als er Stella noch nicht kannte, hatte Lennox zurückgezogen auf Madeira gelebt, und jetzt war er so über beide Ohren verliebt, dass er sein Glück der ganzen Welt zeigen wollte.

Sie lächelte immer noch, als ihr Blick auf ihren Cousin Chris fiel. Er bahnte sich in diesem Moment einen Weg durch die Menge und steuerte auf sie zu. Gerade wollte sie ihn strahlend begrüßen, da bemerkte sie, dass er nicht allein, sondern in Begleitung einer zierlichen Blondine war, die er – seine Miene verriet ihn – offenbar sehr attraktiv fand.

„Tiffany, das ist meine Cousine Francesca, die Prinzessin de Viera. Francesca, das ist Tiffany Dean“, stellte er die beiden einander vor.

Irritiert konstatierte Francesca, dass Chris ihr verschwiegen hatte, wer diese ominöse Tiffany war. Ihren Namen glaubte sie noch nie gehört zu haben, und sie erinnerte sich auch nicht, dass er auf der Gästeliste gestanden hätte.

„Wie sehr ich Sie um Ihre Größe beneide, Prinzessin“, gestand Tiffany jetzt und lächelte zaghaft.

Francesca streckte ihr die Hand entgegen. „Bitte nennen Sie mich doch Francesca. Und ich kann Sie beruhigen“, ergänzte sie hintergründig, „es hat nicht nur Vorteile, andere ständig zu überragen. Denken Sie allein an die Auswahl an Männern, die Sie im Vergleich zu mir haben.“

Beide lachten, während sie sich verstohlen auf typisch weibliche Art musterten. Aussehen, Kleidung und Auftreten – alles wurde innerhalb von Sekunden gemäß dem Motto „Der erste Eindruck zählt“ einer Begutachtung unterzogen.

Francesca trug einen feuerfarbenen Hosenanzug, Tiffany dagegen ein eher unspektakuläres graues Seidenkostüm. Kaum einen Meter sechzig groß und von graziler Figur wirkte sie mit ihrem blonden kinnlangen Haar elfenhaft zart und zerbrechlich.

Kurzum das absolute Gegenstück zu mir, befand Francesca. Ob Chris sie schon länger kannte?

Als sie danach fragte, antwortete ihr Cousin. „Nein, Tiffany und ich haben uns zufällig hier auf der Party kennengelernt“, sagte er und begrüßte Francescas Begleiter – immer noch der an ihren Fersen klebende Michel – mit einem Nicken.

„Ach“, entfuhr es ihr. Wenn Tiffany nicht mit Chris gekommen war, wer hatte sie dann eingeladen?

Chérie? Das Buffet wird gleich eröffnet. Wo möchtest du sitzen?“ Comte Michel de la Fontaine war es offenbar leid, links liegen gelassen zu werden, und legte ihr besitzergreifend den Arm um die Taille.

Ungehalten über die Einmischung entzog sie sich der Umarmung. „Geh bitte voraus, wenn du schon hungrig bist. Ich komme dann nach.“

Sonderlich begeistert wirkte Michel nicht, setzte aber eine ergebene Miene auf und blieb einfach stehen, während Tiffany auf charmante Art versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen.

Eigentlich ist sie ja ganz nett, dachte Francesca, während sie der attraktiven Blondine zuhörte, und ein Seitenblick auf Chris verriet ihr, dass er wohl ebenso dachte. Wobei das noch untertrieben war. Im Grunde verschlang er Tiffany mit seinen Blicken. Sie schluckte. Konnte das sein? Spürte sie etwa Eifersucht, obwohl er nur ihr Cousin war und sie auch nie mehr als geschwisterliche Gefühle für ihn gehegt hatte? Genau wie für ihre anderen Cousins. Doch unbestreitbar hatte sich über all die Jahre zwischen ihnen eine ganz besondere Beziehung entwickelt, eine Zusammengehörigkeit, die Lennox als Erster durchbrach, als er Stella heiratete. Wenn nun auch Chris und Calum ihre Liebe fanden, dann …

Chérie? Das Buffet ist jetzt wirklich eröffnet. Sollten wir nicht …

Seufzend drehte Francesca sich um. Michel wollte einfach nicht von ihrer Seite weichen. Für einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, ihn wieder abblitzen zu lassen. Doch nachdem sie festgestellt hatte, dass sie inzwischen ohnehin fast die Letzten waren, die noch nicht auf ihrem Platz saßen, nickte sie nur und wandte sich mit einer einladenden Geste Tiffany zu. „Sie kommen auch an unseren Tisch, nicht wahr?“, forderte sie die junge Frau auf. Sie wusste, Chris würde Tiffany auf jeden Fall begleiten, und sie wollte unbedingt in seiner Nähe bleiben. „Wo ist eigentlich Calum? Dann könnten wir alle zusammensitzen“, fügte sie hinzu und sah suchend in die Runde.

Gemeinsam mit den anderen ging sie langsam zum Buffet, hielt aber weiter nach Calum Ausschau. Dem war das offenbar nicht entgangen, denn er kam jetzt direkt auf sie zu. Er ahnte wohl schon, was sie wollte, und schüttelte lächelnd den Kopf. „Hast du vergessen, was Grandpa gesagt hat? Wir sollen nicht alle am selben Tisch sitzen.“

Schmollend verzog Francesca die Lippen und hakte sich einschmeichelnd bei ihrem Cousin ein: „Müssen wir uns daran halten? Wir haben uns doch schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.“

Calum schmunzelte nachsichtig und schüttelte erneut den Kopf. Sie hat sich in all den Jahren nicht verändert, dachte er amüsiert. Schon als junges Mädchen meinte sie, die Welt mit einem Augenaufschlag verändern zu können. Wenn sie so nichts erreichte, dann kullerten die Tränen, und ihre Cousins mussten sie trösten. Von allen Seiten war sie verwöhnt worden. „Wir können uns später beim Abendessen unterhalten“, sagte er, entschlossen, sich nicht wieder von ihr um den Finger wickeln zu lassen.

„Aber dann sitzt Grandpa auch am Tisch und hört zu. Er ist ja ein ganz lieber Schatz, doch ehrlich gesagt, regt er sich immer über alles gleich so auf, was man erzählt. Irgendwie habe ich ständig das Gefühl, ich sollte ihm besser nicht die ganze Wahrheit sagen. Außerdem“, nun dramatisierte sie, „werden unter Garantie auch meine Eltern dabei sein, und die müssen nun wirklich nicht …“

„Du solltest eben nicht so ein wildes Leben führen“, erwiderte Calum lächelnd und drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger.

Sichtlich enttäuscht, ihren Kopf nicht durchsetzen zu können, löste Francesca sich von ihrem Cousin und wandte sich an Tiffany. „Tut mir leid. Jetzt müssen Sie mit Chris vorliebnehmen. Hoffentlich langweilt er Sie nicht zu sehr.“

„Also, ich bitte dich. Was soll das?“, protestierte Chris.

Calum lachte und sah Tiffany an. Die stand etwas verlegen daneben und wartete wohl darauf, von Chris vorgestellt zu werden. Gerade als dieser sich anschickte, das Versäumte nachzuholen, kam ein Mann auf sie zu, den Francesca nicht kannte.

„Tiffany! Endlich habe ich Sie gefunden.“ Er sprach ein fehlerloses Englisch mit amerikanischem Akzent. „Das Eis ist leider schon geschmolzen.“ Er lächelte entschuldigend und reichte der Blondine ein Longdrinkglas.

Merkwürdig, fuhr es Francesca durch den Kopf, erfreut über die Begegnung sieht Tiffany nicht gerade aus. Irgendetwas stimmte hier nicht. Das sagte ihr die Intuition. Doch was?

Diskret, aber dennoch mit einer gewissen Neugier, musterte sie den Mann. Gut sah er aus und groß war er, so wie Calum. Allerdings war sein Haar nicht blond, sondern schwarz, und er hatte dunkle Augen. Der gesunden Bräune seiner Haut nach zu urteilen, verbrachte er viel Zeit im Freien. Und die Kraft, die seine breiten Schultern ausstrahlten, hatte er wohl nicht im Fitnessstudio, sondern mit körperlicher Arbeit erworben.

Chris wirkte überrascht. Es war offensichtlich, dass auch er den Mann nicht kannte. Sogar der sonst kaum aus der Ruhe zu bringende Calum schien leicht konsterniert.

Nur der Amerikaner gab sich gelassen. „Hallo“, grüßte er unbekümmert in die Runde.

In Tiffanys Augen blitzte Ärger auf, aber dann hatte sie sich wieder im Griff. Freundlich und bemüht, die Situation zu retten, sagte sie: „Oh, das ist … ähm … Tut mir leid, wie war gleich Ihr Name?“

Zum ersten Mal blickte auch der Amerikaner etwas irritiert. Nach kurzem Zögern reichte er jedoch freundlich lächelnd den beiden anderen Männern die Hand. „Darf ich mich vorstellen – Gallagher, Sam Gallagher.“ Dann sah er Francesca an, trat einen Schritt zurück und deutete eine Verbeugung an. „Mrs. de Viera, Prinzessin de Viera, nehme ich an?“

Ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie zustimmend nickte und dabei überlegte. Hatte Tiffany den Amerikaner auf der Party getroffen und abblitzen lassen? Und wenn ja, warum? Um frei zu sein für Chris … oder … Calum?

Sie wusste nicht, ob sie verärgert, belustigt oder fasziniert sein sollte. Eines jedenfalls stand fest: Sam Gallagher war ein äußerst attraktiver Mann. Und sie brannte darauf, herauszufinden, welches Spielchen hier gespielt wurde. „Haben Sie beide sich eigentlich zufällig getroffen und dann wieder aus den Augen verloren?“, fragte sie wie beiläufig, obwohl sie vor Neugier fast platzte.

Er zuckte lässig mit den Schultern. „Gut kombiniert. Tatsächlich wollte ich der schönen Lady etwas zu trinken holen, und als ich zurückkam, war sie weg.“

Francesca warf Chris einen fragenden Seitenblick zu, den er nur mit einem schiefen Grinsen beantwortete. Dann wandte dieser sich an Tiffany. „Tut mir leid, ich hatte nicht die Absicht, jemandem in die Quere zu kommen.“

„Aber das sind Sie doch auch nicht“, widersprach sie locker. „Allerdings – hätte ich nicht aufgepasst, wären Sie mir wohl auf die Füße getreten.“

Chris verzog nur leicht das Gesicht. „Sorry, das war nicht meine Absicht.“ Er signalisierte Calum mit einer Kopfbewegung, dass er gehen wollte, und die beiden schlenderten davon.

Tiffany lächelte scheinbar unbekümmert. Francesca allerdings bemerkte Enttäuschung in ihren Augen und fragte sich immer mehr, was das alles bedeuten mochte. Sie brannte darauf, es herauszufinden, und schlug spontan vor: „Na, dann sollten wohl wir vier jetzt einfach zusammen essen. Kommen Sie, Tiffany … Mr. Gallagher. Suchen wir uns einen Tisch.“

Als der Amerikaner ihren Arm ergreifen wollte, schüttelte Tiffany ihn ab und funkelte Sam wütend an. Der zuckte nur lässig mit den Schultern und ging weiter. Sie, die deutlich kleiner war als er, konnte kaum Schritt halten.

An einem der runden Tische fanden sie noch vier freie Plätze, an denen sie sich als Paare gegenübersitzen konnten.

Francesca kam das gelegen, denn das ermöglichte ihr, Sam und Tiffany unauffällig zu beobachten. Zwar gab diese sich Mühe, ihren Ärger über die neue Sitzordnung – ohne Chris! – zu verbergen, doch innerlich fluchte sie, davon war Francesca überzeugt, obwohl der attraktive Amerikaner gewiss kein schlechter Ersatz war.

Ganz im Gegenteil!

Sam Gallagher war schlank und ungefähr so groß wie Michel, wenn nicht gar eine Spur größer. Nur da hörten die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Michel mit seiner schmalen Statur wirkte wie ein Aristokrat – vornehm, aber blass. Und der Amerikaner? Breite Schultern, gut definierte Muskulatur – weniger distinguiert, aber stark im Ausdruck. Außerdem war er jünger als Michel, Francesca schätzte ihn auf um die dreißig, und gehörte eindeutig nicht zum Jetset.

Sicher, er wirkte charmant, doch mit seiner direkten Körpersprache setzte er sich deutlich vom affektierten Gehabe der High Society ab.

Während die letzten Gäste Platz nahmen, bemerkte sie verwundert, dass auf Calums Anweisung an einem der Nachbartische ein zusätzliches Gedeck aufgelegt wurde. Sofort erhob sie sich, um nach dem Rechten zu sehen.

Auch Elaine Beresford, der Eventmanagerin, war der Zwischenfall nicht entgangen. Kopfschüttelnd ging sie auf Francesca zu.

„Ich verstehe das nicht, Prinzessin“, sagte sie, „für jeden Gast auf Ihrer Liste hatte ich einen Platz reserviert. Einhundertsechzig Anmeldungen lagen vor. Entsprechend wurden sechzehn Tische à zehn Personen vorgesehen.“

„Kann es sein, dass irgendwo ein Platz frei geblieben ist?“ „Nein, das habe ich geprüft. Wie es aussieht, haben wir einen Gast, der nicht auf der Liste steht.“

„Merkwürdig. Vielleicht hat jemand abgesagt, ist jedoch trotzdem gekommen. Wie dem auch sei, jetzt können wir nichts mehr ändern.“

Nachdenklich kehrte Francesca zurück an ihren Platz. Bei einer Veranstaltung mit so vielen Gästen wie heute würden sie wohl nie erfahren, wer außer der Reihe erschienen war. Ich wüsste allerdings zu gern, wer die beiden eigentlich eingeladen hat, grübelte sie, während sie kurz zu Tiffany und ihrem amerikanischen Begleiter hinübersah. Weder kamen sie aus dem Weingeschäft, noch gehörten sie zum Freundeskreis der Brodeys.

Verstohlen beobachtete sie das Paar während des Essens. Anfangs zeigte Tiffany dem Amerikaner noch die kalte Schulter, dann schien das Eis zwischen ihnen gebrochen. Zumindest plauderten die beiden angeregt miteinander.

Doch Tiffany bereitete ihr weiterhin Kopfzerbrechen. Sie scheint nicht auf den Kopf gefallen und wirkt nett, überlegte sie. Und vielleicht gefällt ihr dieser Sam Gallagher ja doch mehr, als ich dachte, mutmaßte sie weiter, während sie zwischen den beiden hin und her blickte … Da gab ihr Tiffany, die ihren fragenden Blick bemerkt und offenbar richtig gedeutet hatte, mit einem dezenten Kopfschütteln zu verstehen, dass sie sich irrte. Ohne genau zu wissen, warum, war Francesca in diesem Moment gleichzeitig erleichtert und irritiert.

Nach dem Essen stand man noch in Grüppchen zusammen, fachsimpelte über Portwein, sprach über dies und das. Das alles war Francesca jedoch gerade weniger wichtig. Lieber wollte sie mit einem ihrer Cousins reden. Sie ließ den Blick über die Menge schweifen, entdeckte Chris im Gespräch mit australischen Weinhändlern und machte sich sofort auf den Weg. „Wenn Sie erlauben, würde ich Ihnen meinen Cousin kurz entführen. Ich muss etwas Wichtiges mit ihm besprechen.“ Sie setzte ihr – wie sie hoffte – unwiderstehlichstes Lächeln auf, legte wie selbstverständlich den Arm um Chris und zog ihn beiseite.

Autor

Sally Wentworth
Ihren ersten Liebesroman „Island Masquerade“ veröffentlichte Sally Wentworth 1977 bei Mills & Boon. Nachdem ihre ersten Romane für sich stehende Geschichten waren, entdeckte sie in den neunziger Jahren ihre Leidenschaft für Serien, deren Schauplätze hauptsachlich in Großbritannien, auf den Kanarischen Inseln oder in Griechenland liegen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Donald...
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