Süße Versuchung am Pazifik

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In einem exklusiven Öko-Resort in Costa Rica will Eliza den Urlaub ihres Lebens verbringen. Höchste Zeit, dass sie nach langer Krankheit endlich wieder unter Menschen kommt! Dumm nur, dass sie aufgrund eines Versehens über die Weihnachtstage der einzige Gast ist. Aber zum Glück kümmert sich der attraktive Besitzer der Anlage um sie. Allein mit Matt auf abenteuerlichen Exkursionen im Regenwald, kommt sie ihm ungeahnt nah. Doch nach leidenschaftlichen Küssen und sinnlichen Nächten muss Eliza fürchten, dass sie Matt niemals geben kann, was er ersehnt …


  • Erscheinungstag 26.11.2024
  • Bandnummer 242024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525152
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„W… was?“ Geschockt suchte Eliza den Blick ihrer Eltern.

Die beiden schauten einander an und lächelten. „Wie gesagt …“, ergriff ihr Dad erneut das Wort. „Wir wollten das diesjährige Weihnachtsfest einmal anders feiern und haben deshalb eine Kreuzfahrt gebucht.“

Eliza öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder, weil ihr einfach die Worte fehlten. Ihren beiden Schwestern erging es offensichtlich nicht besser.

Seit sie denken konnte, war Weihnachten im Kreis der Familie immer ein, wenn nicht das Highlight des Jahres gewesen. Obwohl sie alle drei längst erwachsen und Sienna und Thea bereits ausgezogen waren, trafen sie sich immer noch in ihrem Elternhaus und verbrachten die Festtage im Kreis der Familie. Sie schmückten den Baum, kochten zusammen, zogen nach dem ebenso reichhaltigen wie köstlichen Festmahl ihre Pyjamas an und ließen sich auf den Sofas nieder, um einen Weihnachtsfilm anzuschauen.

Sie verlebten gemeinsam Tage voller Liebe und Lachen. Für sie war eine Alternative nie infrage gekommen. Warum auch?

„Ich hätte wissen müssen, dass dieses spontane Familienessen nicht ohne Hintergedanken anberaumt wurde“, murmelte Sienna und schaute sich im Pub um.

„Dieses Jahr ist unser vierzigster Hochzeitstag.“ Ihre Mutter wechselte einen Blick mit ihrem Mann, der ihr aufmunternd zunickte. „Wir wollten einfach mal etwas nur für uns tun … Ich meine, ihr seid längst erwachsen, euch geht es allen gut, und ihr habt euren eigenen Freundeskreis. Ich dachte, ihr seid vielleicht sogar froh, Weihnachten einmal anders gestalten zu können.“

Thea rollte mit den Augen. „Als Nächstes versuchen sie wahrscheinlich, uns schonend beizubringen, dass sie ihr Haus verkauft haben“, prophezeite sie düster.

„Was? Nein!“ Ihr Vater schüttelte verwirrt den Kopf. „Warum sollten wir das tun?“

„Nun, warum wollt ihr das tun … einfach über Weihnachten verschwinden?“, schoss Sienna zurück.

Eliza biss sich auf die Lippe, und ihre Mutter wandte sich ihr zu, als spürte sie, dass sie bei ihrer jüngsten Tochter am ehesten auf Verständnis hoffen konnte. „Du kannst das nachvollziehen, nicht wahr? Da du endlich vollständig genesen bist und das Krankenhaus hinter dir lassen kannst … Keine Nachuntersuchungen mehr. Es ist, als würde uns allen eine Zentnerlast von den Schultern genommen.“

Jetzt verstand Eliza und fühlte, wie ihr Herz sank. Hier ging es auch um sie. Vielleicht sogar in erster Linie um sie: Eliza, das Nesthäkchen, bei dem mit sechs Jahren akute myeloische Leukämie diagnostiziert wurde, und ein zweites Mal, als sie vierzehn war. Jahrelang hatte die Familie sie in Watte gepackt, jede ihrer Bewegungen beobachtet und versucht, sie vor jeder Erkältung und jedem Husten zu schützen.

Naturgemäß nicht immer erfolgreich, und während ihrer Dauerbehandlung war es ihr mitunter sehr schlecht gegangen. Ihre Diagnose hatte über Jahre hinweg wie ein Damoklesschwert über allen Köpfen gehangen, aber niemand hatte sich jemals beschwert – am allerwenigsten sie selbst. Sie fühlte sich in der Liebe und Fürsorge ihrer Familie geborgen, hatte aber stets sowohl im Hinterkopf als auch vor Augen gehabt, wie diese schreckliche Diagnose die ganze Familie belastete und sich in den Gesichtern ihrer Eltern widerspiegelte. Sie sah die Müdigkeit, Sorgenfalten und grauen Haare ihrer Mutter und … ja, jetzt auch das weiche, hoffnungsvolle Lächeln, das allerdings nicht ihre Augen erreichte.

„Für mich klingt das wunderbar“, sagte sie schnell und lächelte zurück.

Ihre Schwestern schien sie mit diesem Statement eher zu schockieren, obwohl beide keinen Widerspruch wagten.

„Wirklich?“ Der helle Ton in der Stimme ihrer Mutter und der Blick, den sie ihrem Mann zuwarf, ließen Elizas Herz höherschlagen.

„Aber ja, ihr werdet eine wundervolle Ferienzeit zusammen verbringen, die ihr schon lange verdient habt. Sightseeing … und sich gleichzeitig an Bord verwöhnen lassen.“ Sie stand auf, ging um den Tisch und umarmte ihre Mutter, ehe aufsteigende Tränen ihren Blick verschleiern konnten. Dann wandte sie sich um. „Sienna, Thea … lasst uns eine Runde Sekt zum Anstoßen organisieren.“

Ihre Stimme schwankte leicht, was ihre Schwestern zum Glück sofort auf die Beine brachte, sodass sie zu dritt in Richtung Bar verschwanden.

Sobald sie außer Sicht- und Hörweite ihrer Eltern waren, stoppte Eliza, lotste ihre Schwestern zu einem leeren Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Setzt euch.“

„Geht es dir gut?“, wollte Sienna wissen, sobald sie Platz genommen hatte.

Eliza lächelte schwach und nickte. Ihre beiden Beschützerinnen! So war es gefühlt ihr Leben lang gewesen und würde wohl auch nie enden.

„Ich kann das einfach nicht glauben!“ Thea seufzte abgrundtief.

Eliza riss sich zusammen. „Wir müssen sie gehen lassen, ohne Vorwürfe.“

„Ich verstehe es nur nicht, es kommt so unerwartet.“

„Höchste Zeit, dass sie auch mal nur an sich denken“, sagte Eliza rau. „Sie haben sich jahrelang Sorgen um mich gemacht, genau wie ihr beiden auch. Sie brauchen eine Pause … die Chance, sich ganz allein auf sich konzentrieren zu können.“

Thea schien etwas sagen zu wollen, doch dann nickte sie zustimmend.

„Aber ich liebe unser Familien-Weihnachten“, seufzte Sienna. „Nur weil ich erwachsen bin, heißt das doch nicht …“ Sie brach ab. „Ist es wirklich so verwerflich, dass ich trotz meines hohen Alters Weihnachten immer noch gern in mein Elternhaus zurückkomme und Zeit mit meinen Lieben verbringen möchte?“

Eliza lächelte. „So geht es uns doch allen, aber dieses Jahr ist es eben keine Option.“

„Aber was sollen wir stattdessen machen?“, seufzte Thea.

„Etwas komplett anderes.“ Das war das Erste, was Eliza in den Sinn kam. „Lasst uns einen Pakt schließen.“

„Einen Pakt?“ Sienna runzelte die Stirn. „Das haben wir seit unseren Teenagertagen nicht mehr getan.“

Thea schnaubte. „Und unser Pakt, die Fenster offen zu lassen, damit wir rein- und rausschleichen können, hat ja auch nicht wirklich funktioniert, oder? Wollt ihr die Narbe noch mal sehen, die das beweist?“

Alle drei lachten, und Eliza schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine einen Weihnachtspakt. Lasst uns auch über die Feiertage verreisen … und zwar jede allein für sich. Die beiden anderen suchen das jeweilige Reiseziel aus und packen den Koffer, den jede von uns erst am Flughafen erhält und nicht vor dem geheimen Zielort öffnen darf!“ Mit jedem Wort schien ihre Begeisterung zu wachsen.

„Sie hat den Verstand verloren“, sagte Thea kopfschüttelnd, suchte aber lächelnd Siennas Blick.

Sienna schluckte trocken. „Auf jeden Fall hat sie das“, meinte sie rau. „Aber ehrlich gesagt ist es gar keine so schlechte Idee.“

„Es ist eine großartige Idee, nur …“ Unerwartet holte Eliza die Realität ein. „Wie soll ich das bezahlen?“

Ihre Schwestern hatten beide lukrative Jobs und verdienten sicher das Vier- bis Fünffache von Elizas Einkommen. Schon Elizas Schulzeit war durch ihre Krankheit beeinträchtigt worden und hatte eher einem Hürdenlauf geglichen. Als sie endlich mit dem Studium beginnen konnte, hatten ihre Mitschüler längst ihre Karrieren gestartet. Und bis jetzt war sie sich noch immer nicht sicher, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte – wahrscheinlich weil sie so viel Jahre davon in der Schwebe verbracht hatte.

Thea griff nach ihrer Hand und tauschte einen Blick mit Sienna. „Das übernehmen wir beide für dich.“

„Aber das ist nicht fair.“ Frustriert trat Eliza einen Schritt zurück, und schon hatte sie beide Schwestern auf der Pelle.

„Ich fange langsam an, die Idee mit dem Pakt zu mögen. Vor allem weil wir das Traumziel der anderen aussuchen“, sagte Thea und sah mit einem Glitzern in den Augen von einer Schwester zur anderen.

Sienna drohte ihr mit erhobenem Finger. „Denk daran … was immer du mir antun willst, ich könnte mich fürchterlich rächen!“

Die schlimmste Drohung aus ihrer Kinderzeit wieder aufleben zu lassen ließ sie alle in befreiendes Gelächter ausbrechen.

„Also? Tun wir es wirklich?“, fragte Eliza, als sie sich wieder gefasst hatten.

„Wir tun es …“ Sienna nickte. „Auf unseren Weihnachtspakt!“

„Auf unseren Weihnachtspakt!“, antworteten Thea und Eliza wie aus einem Mund.

1. KAPITEL

Elizas Herz klopfte wie verrückt, als sie Gatwicks Abflughalle betrat. Sie wusste, an welchem Londoner Flughafen sie wann ankommen und an welchem Ticketschalter sie sich melden musste … mehr nicht.

Sie zog ihren roten Koffer hinter sich her, den Thea und Sienna für sie gepackt hatten, ohne zu wissen, was darin war. Jede von ihnen hatte eine Liste mit den wichtigsten Dingen aufstellen dürfen, und darum hoffte Eliza, dass Sienna und Thea wenigstens ihre Lieblingskleidung eingepackt hatten.

Ein Blick auf die Abflugtafel präsentierte ihr eine Vielzahl möglicher Ziele: Griechenland, Spanien, Südafrika, Budapest, Island und etliche andere Orte. Letzte Nacht war die Versuchung enorm groß gewesen, zu spionieren und via Internetrecherche herauszufinden, welche Flüge um diese Zeit von Gatwick abgingen. Doch schlussendlich hatte sie darauf verzichtet. Immerhin war ein Teil des Abenteuers um ihren Weihnachtspakt herum: das Nichtwissen

Also meldete sie sich an dem für sie infrage kommenden Schalter. „Eliza Kendall, ich möchte die Unterlagen für eine auf meinen Namen gebuchte Reise abholen.“ Sie ärgerte sich, dass ihre Stimme vor Anspannung zitterte.

Die junge Frau hinter dem Schalter hob die makellosen Brauen, schürzte ihre roten Lippen, zog einen Ordner zu sich heran, schlug ihn auf und nahm einen großen Umschlag heraus. „Darf ich kurz Ihren Reisepass sehen, um ihre Identität zu überprüfen? Ich möchte nicht riskieren, dass jemand anders als Sie in den Genuss dieses Traumurlaubs kommt“, erläuterte sie mit breitem Lächeln.

Zum ersten Mal verspürte Eliza so etwas wie kribbelnde Vorfreude. Traumurlaub klang ziemlich verheißungsvoll. Insgeheim hatte sie sich sogar schon gefragt, ob ihre Schwestern sie vielleicht zur Strafe irgendwo in die Wüste schicken würden, weil sie auf diese verrückte Idee verfallen war.

Sie reichte ihren Pass über den Tresen und erhielt ihn keine Minute später zusammen mit dem Umschlag zurück. „Sie dürfen an Schalter zweiunddreißig einchecken, Miss Kendall. Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Urlaub.“

„Danke.“ Eliza trat ein paar Schritte zur Seite, ehe sie den Umschlag öffnete. Als Erstes checkte sie den Reiseplan: Flughafen San Jose. Wo war das?

Sie runzelte die Stirn und warf erneut einen Blick auf die Abfahrttafel. Da stand es: Flug nach San Jose, Abflug in dreieinhalb Stunden. Doch wo genau San Jose lag, stand nicht dort. Also zückte sie ihr Handy. Doch es gab mehr als nur ein San Jose, weshalb sie nochmals die Flughafenbezeichnung checkte: SJO.

Eliza holte tief Luft. Costa Rica! Geografie war nicht gerade ihr Lieblingsfach gewesen, doch als sie den von ihren Schwestern ausgeheckten Reiseplan überflog, klopfte ihr Herz plötzlich ganz oben im Hals.

Mach dich bereit für den Urlaub deines Lebens. Du reist in ein luxuriöses Öko-Resort, das mitten im Regenwald Costa Ricas liegt. „Natural Paradise Escapes“ ist nicht von dieser Welt, also bereite dich auf ein Weihnachtsfest vor, wie du es noch nie erlebt hast. Alice Bates, die PA des CEO, wird sich um dich kümmern. Bei ihr bist du in den besten Händen!

Die Notiz hatten ihre beiden Schwestern unterschrieben. Dazu gab es noch ein paar Fotos. Eliza überlief ein wohliger Schauer. Die Unterkünfte befanden sich tatsächlich inmitten von Bäumen! Holzkonstruktionen mit Strohdächern, die ringsherum offen waren. Zwischen weißen Vorhängen konnte sie ein großes Bett und eine luxuriöse Whirlpool-Wanne erkennen. Eliza stockte der Atem.

Es hatte ihr Spaß gemacht, die Reisen für ihre Schwestern zu planen, und natürlich hatte sie sich gefragt, was die beiden für sie aussuchen würden. Vielleicht einen Trip nach Island oder zu einem anderen verschneiten Ort. Der Regenwald wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Was für ein aufregendes Abenteuer!

Lärm und Hektik um sie herum hatten zugenommen, also beeilte sie sich, zum Check-in-Schalter zu kommen. Kurz darauf war sie auch schon auf dem Weg in die Lounge der ersten Klasse. Ein paar Schrecksekunden fragte sie sich, was das alles kosten mochte, aber sowohl Sienna als auch Thea waren häufig geschäftlich unterwegs und sprachen immer davon, Flugmeilen zu sammeln. So hoffte sie insgeheim, dass sie für sie nicht allzu tief in ihre Taschen hatten greifen müssen.

In der First-Class-Lounge traf sie auf ein paar semibekannte Reality-TV-Stars, die offenbar unbedingt der ganzen Welt mitteilen wollten, dass sie dort waren. Doch zurückgezogen in einer Ecke entdeckte sie eine international berühmte Schauspielerin und einen bekannten schottischen Autor, der sich an der Bar einen Cocktail gönnte.

Sie nahm neben ihm auf einem der Barhocker Platz, bestellte sich ebenfalls einen Cocktail und zog ein Buch aus ihrer Tasche.

„Den Autor kenne ich …“, sagte ihr Sitznachbar mit Blick auf das Buch.

Eliza schaute auf den Titel. „Nett? Oder nicht so?“

„Nett, aber geizig“, kam es unerwartet zurück. „Kann mich nicht erinnern, wann er zuletzt einen ausgegeben hat.“

Sie konnte nicht anders, als laut aufzulachen; und bevor sie wusste, wie ihr geschah, hörte sie sich ihrem Trinkkumpan, der auf dem Weg zu einer Buchmesse in Kanada war, von ihren Schwestern und dem Weihnachtspakt erzählen.

„Der Weihnachtspakt …“, wiederholte er nachdenklich. „Darf ich das in einen Roman einbinden?“

„Ich weiß nicht so recht … angesichts der Mordrate in Ihren Krimis …“

Lachend stieß er mit ihr an, wünschte Eliza viel Spaß auf ihrem Abenteuertrip und machte sich auf den Weg zu seinem Flieger. Wäre sie mutiger gewesen, hätte sie ihn um ein Selfie gebeten und darum, dass er für ihren Vater ein Buch signierte; doch damit hätte sie wahrscheinlich alles verdorben.

Als es Zeit zum Einsteigen war, präsentierte Eliza ihr Ticket und wurde zu einem Sitzplatz in der ersten Klasse geführt. Sie war noch nie erster Klasse geflogen und gab dies der Stewardess gegenüber auch offen zu. Daraufhin wurde ihr freundlich erklärt, was ihr an Annehmlichkeiten zur Verfügung stand, um ihr den Flug von elfeinhalb Stunden so komfortabel wie möglich zu machen.

Doch ein Cocktail hatte Eliza gereicht, also zog sie etwas Bequemeres an, schob ihren Sitz zurück, streckte sich wohlig aus und schaffte es tatsächlich, mehr als fünf Stunden zu schlafen. Nachdem sie sich im Bad erfrischt und ein köstliches Essen zu sich genommen hatte, gönnte sie sich einen der neuesten Actionfilme und schaute sich anschließend neugierig im Flugzeug um, ob sie vielleicht noch weitere Promis zu Gesicht bekommen würde. Doch alle Reisenden in ihrer Nähe sahen aus wie sie, also völlig normal.

Als sie in San Jose landeten, trug Eliza wieder ihr Reise-Outfit, hatte ein paar Tassen Kaffee intus und war bereit für das, was vor ihr lag.

Die Informationen ihrer Schwestern waren begrenzt, aber es gab noch einige weitere Kontaktdaten. Erst einmal würde ein Auto sie vom Flughafen abholen. Der Transfer zum Resort dauerte etwa drei Stunden. Die wenigen Bilder waren sehr eindrucksvoll gewesen, aber es war ihr peinlich, dass sie außer ein, zwei Dokumentarfilmen, die sie im Fernsehen gesehen hatte, kaum etwas über den Regenwald wusste.

Und noch weniger wusste sie, worauf genau sie sich hier einließ …

Nachdem sie den Zoll passiert hatte und auf den Ausgang zusteuerte, fiel Eliza ein großer Mann auf, der ein Schild hochhielt, auf dem ihr Name stand.

Sie ging zu ihm und stellte sich vor. „Hallo, ich bin Eliza Kendall.“

Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Willkommen in Costa Rica, Miss Kendall. Ich bin Leo, Ihr Fahrer.“ Er hob ihren Koffer mit einer Leichtigkeit an, der ihn in Elizas Augen zum Superhelden mutieren ließ. „Kommen Sie, Miss …“

Leo war professionell, höflich und freundlich. Ihn störten ihre Fragen nicht, aber er wusste offenbar nur wenig über Elizas Zielort. Sein Unternehmen transportierte Fluggäste und setzte sie in verschiedenen Resorts in ganz Costa Rica ab.

Damit musste Eliza sich zufriedengeben. Sie schaute aus dem Wagenfenster zu, wie die fremde Welt an ihr vorbeiflog. Zuerst sah alles noch sehr vertraut aus … Wohngebäude und Autobahnen, dann wichen die bebauten Gebiete wunderschönen Landschaften, Küstenszenerien, Bergketten und schließlich einer Art grünem Dschungel.

Irgendwann stoppte Leo den Wagen, und Eliza hielt unwillkürlich den Atem an, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Alles um sie herum war still.

Doch bereits Sekunden später wurde ihr klar, dass sie sich getäuscht hatte. Ihre Ohren brauchten nur ein paar Augenblicke, um sich an die fremden Geräusche zu gewöhnen … das Rascheln der Blätter, das Knarren der Zweige, leises Zirpen, dann ein Kreischen. Keine Frage, der Dschungel war voller Leben, und sie war nicht sicher, ob sie eher freudig erregt oder ängstlich war.

Leo grinste breit angesichts ihres lebhaften Mienenspiels. „Folgen Sie mir“, forderte er sie auf und marschierte einen Pfad entlang, der sie zu einem ausladenden Tresen führte, was Eliza mehr als skurril vorkam. Doch schon auf den zweiten Blick schien er mit der Umgebung zu verschmelzen.

„Niemand zu sehen“, bemerkte Leo stirnrunzelnd. „Ich werde warten, bis jemand kommt und sich um Sie kümmert.“

Doch Eliza schüttelte den Kopf. „Nicht nötig, meine Schwestern haben mich angekündigt. Ich werde erwartet, und Sie haben noch weitere Transporte vor sich. Vielen Dank, Leo, dass Sie mich hergebracht haben.“ Sie kramte nach ihrer schicken Geldbörse, gut gefüllt mit der Landeswährung … einer weiteren bedachten Annehmlichkeit ihrer Schwestern für sie. So konnte sie Leo jetzt ein großzügiges Trinkgeld geben, wofür er sich mit strahlendem Lächeln bedankte.

„Und Sie sind ganz sicher, dass ich nicht bleiben soll?“

„Absolut sicher.“

„Dann wünsche ich Ihnen einen wundervollen Urlaub, Miss Kendall.“ Damit verschwand er im Dschungelgrün, und wenige Augenblicke später hörte sie, wie sein Wagen ansprang und er davonfuhr.

Eliza schluckte, unterdrückte ein Frösteln und versuchte, ihren ganzen Mut zusammenzunehmen. Sie war an einem Ort, den sie nicht kannte, bei Menschen, die sie noch nie zuvor getroffen hatte. Ihre Schwestern hatten dieses Resort aus einem bestimmten Grund ausgewählt, und sie ahnte oder glaubte zu wissen, warum.

Durch ihre Krankheit hatte sie so viel verpasst, und obwohl sie inzwischen als genesen galt, hatte sie nie einen Freundeskreis aufbauen können, was vielleicht zu gemeinsamen Reisen geführt hätte.

Hier und jetzt wollte sie endlich ihre Flügel ausbreiten und … ja, sie wollte fliegen!

Zumindest redete sie sich das immer wieder selbst ein. Doch der letzte Schritt, der notwendig war, wenn man seine Träume in die Tat umsetzen wollte, erwies sich schwieriger, als sie gedacht hatte. Die Art und Weise, wie sie ihr Leben bisher hatte führen müssen, hatte tief verwurzelte Gewohnheiten und Ängste mit sich gebracht, die sie noch nicht ganz abschütteln konnte.

Aber jetzt war sie hier, an einem wirklich spektakulären Ort.

Ganz tief atmete Eliza die Gerüche des Dschungels ein: feuchte Erde, Grün, duftende Pflanzen, Wälder und Bäume. Sie war sicher, dass sie sogar irgendwo fließendes Wasser hörte.

Atme, nutze diese geschenkte Chance … Lebe das Leben, von dem du bisher immer nur träumen konntest …

Eliza beschloss, ihren Koffer an dem improvisiert wirkenden Tresen stehen zu lassen, und schaute um sich. Es gab zwei Wege, die sich ähnelten: stabil gebaute Planken, die nicht auf dem Boden lagen, sondern in der Luft zu schweben schienen. Tatsächlich waren sie in den Bäumen befestigt beziehungsweise verankert. Zu beiden Seiten waren hölzerne Handläufe angebracht, und es gab keine breiten Lücken, durch die sie herunterfallen konnte.

Sie neigte nochmals lauschend den Kopf, doch menschliche Laute waren immer noch nirgendwo zu hören. Es gab keine Stimmen, keine anderen Schritte als ihre, keine Musik und keine Hintergrundgeräusche. Es war, als wäre sie in einem ganz anderen Universum gelandet, was ihre unterschwellige Abenteuerlust eigentlich befeuern müsste.

Stattdessen krampfte sich ihr Magen zusammen.

Zögernd setzte sie ihren Weg über die schwankenden Holzplanken fort und stellte kurz darauf fest, dass sie zu einem überdachten hölzernen Loungebereich führten. Hier gab es Sofas, eine Bar, Tische und Stühle sowie einen Großbildfernseher, der an einer Holzwand befestigt war. Und inmitten der skurrilen Szenerie eine einzige Person.

Ein Mann mit dunklem Haar, der über einen Laptop gebeugt telefonierte.

„Es gibt keinen Kompromiss. Wir sind aus gutem Grund umweltfreundlich und nachhaltig. Ja, ich weiß, dass es kostenintensiver ist. Ich werde jedes Material, das verwendet wird, detailliert beschreiben und zusammen mit den Kosten auflisten, die sowohl architektonische Details wie unabdingbare Anforderungen an die Sanitärinstallation betreffen. Ich bin absolut gesprächsbereit, aber wenn es keine ökologischen Gründe für abweichende Beurteilungen gibt, dann denke ich, ist das Thema abgehandelt.“

Eliza fühlte sich durch den harschen Ton des Manns in ihrer beginnenden Urlaubseuphorie beeinträchtigt und wäre am liebsten umgekehrt. Wahrscheinlich ein Geschäftsmann, der sich nicht von seinem Alltagsstress lösen konnte.

Sicher war hier irgendwo noch jemand anders vor Ort, der sie begrüßen und ihr weiterhelfen konnte. Sie wartete noch einen Moment, dann räusperte sie sich, was zur Folge hatte, dass der Mann wie von der Tarantel gestochen in seinem Stuhl hochfuhr.

„Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken, aber können Sie mir sagen, ob hier irgendwo jemand vom Personal unterwegs ist?“

Er blinzelte und starrte sie an. Zur lässigen Hose trug er ein weißes Leinenhemd, sein dunkles Haar hing ihm tief in die Stirn und verdeckte nahezu ein Auge. Seine Haut war fast so blass wie ihre, und er hatte immer noch keinen Ton von sich gegeben.

Also trat sie vor und streckte die Hand aus. „Eliza Kendall … aus England.“ Sie lachte nervös. „Ich soll hier bleiben … falls ich überhaupt am richtigen Ort bin. Nach einem elfstündigen Flug und einem dreistündigen Transfer hoffe ich wirklich, dass man mich nicht einfach nur im Dschungel ausgesetzt hat.“

Noch während sie sprach, konnte Eliza anhand seines lebhaften Mienenspiels beobachten, wie er versuchte, alle Puzzleteile im Kopf zusammenzusetzen – bis sie für ihn ein Bild zu ergeben schienen, das ihn gepeinigt aufstöhnen ließ.

„Eliza …“, wiederholte er und stöhnte erneut. „Eliza Kendall, Theas Schwester.“

Endlich ein Funken Hoffnung für sie! Und ein Akzent, der im Regenwald Costa Ricas seltsam fehl am Platz wirkte. War er Ire? Oder vielleicht Schotte? Egal …

„Das ist richtig“, bestätigte sie und atmete innerlich erleichtert auf. „Ich soll mich an eine Alice wenden.“ Sie sah, wie etwas in seinen Augen aufblitzte, fühlte sich dadurch aber seltsamerweise nicht erleichtert.

„Alice Bates?“

Eliza kramte in ihrer Tasche und zog die Notiz ihrer Schwestern heraus. „Ja. Es ist etwas schwierig zu erklären, aber …“ Sie gab sich einen Ruck. „Meine Schwestern und ich haben Überraschungsurlaube füreinander arrangiert, sodass ich nur das wenige weiß, was sie für mich als Info am Flughafen zurückgelassen haben.“

„Tut mir leid, aber Alice ist nicht hier.“

„Ist sie nicht?“ Eliza war wie vor den Kopf geschlagen. Ihre Schwestern legten so großen Wert auf Perfektion, und jetzt das?

Der Typ vor ihr seufzte abgrundtief, umfasste ihre Hand und schüttelte sie kurz und kräftig. „Matt Campbell, CEO von Natural Paradise Escapes. Tut mir aufrichtig leid, aber ich habe Alice und den meisten Mitarbeitern über Weihnachten freigegeben.“ Seine Miene verriet ihr, dass er angespannt darüber nachdachte, wie er jetzt weiter mit ihr verfahren sollte.

„Darum ist es hier auch so leer …“, fuhr er in seiner Erklärung fort und untermalte sie mit einer ausholenden Geste. „Wir haben ein ebenso arbeits- wie erfolgreiches Jahr hinter uns, und Weihnachten ist wichtig für Familien. Also habe ich allen gesagt, sie sollen sich eine Auszeit nehmen, weshalb es hier nur eine Art Notbesetzung gibt.“

„Ist schon okay“, behauptete Eliza mit dem Mut der Verzweiflung. „Ich werde versuchen, Ihnen nicht allzu viel Arbeit zu machen. Mir gefällt es hier, und ich habe eine Menge Bücher im Gepäck.“ Um ihr nervöses Statement zu untermauern, zog sie ein Exemplar aus ihrer Tasche. „Ich werde einfach die tolle Atmosphäre aufsaugen, den Regenwald erkunden, in den Bäumen herumlungern und in meinen Büchern schmökern. Sie werden nicht einmal merken, dass ich hier bin …“, fügte sie sicherheitshalber noch hinzu.

Nachdem sie gefühlt Tage unterwegs gewesen, müde und hungrig war und keine Ahnung hatte, was sie tun sollte, würde dieser … dieser Schotte ihr hoffentlich nicht eröffnen, dass sie nicht bleiben konnte. Was sollte sie Thea erzählen? Und …

„Alles kein Problem.“ Sein Tonfall klang keine Spur enthusiastisch, eher resigniert. „Es ist meine Schuld, ich habe einfach verpeilt, dass Sie … das du kommst. Aber ich habe deiner Schwester versprochen, dass man sich um dich kümmert, und ich stehe zu meinem Wort.“

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