Süßes Wiedersehen in London

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Ein zufälliges Treffen in einem Londoner Luxushotel und sofort rauscht wildes Verlangen durch Freyas Adern. Bald darauf liegt Freya wieder in Enricos starken Armen. Doch ihr neues Glück wird bedroht - wie einst setzt jemand alles daran, ihre Liebe zu zerstören.


  • Erscheinungstag 17.10.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535960
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit großen Schritten durchquerte Enrico Ranieri das Foyer von Hannard. Er war spät dran und versuchte, sich auf die bevorstehende Besprechung zu konzentrieren. Daher entgingen ihm die verblüfften Blicke der Menschen, die ihn und seine Begleiter erkannt hatten.

Doch dann erregte ein ungewohntes Geräusch seine Aufmerksamkeit. Er sah auf und blieb im nächsten Moment unvermittelt stehen. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Das war doch nicht möglich!

Sie stand etwa drei Meter von ihm entfernt. Offensichtlich war sie gerade aus dem Fahrstuhl gekommen. Der unerwartete Anblick brachte ihn völlig aus der Fassung. Ihre letzte Begegnung lag Jahre zurück, trotzdem war er wie elektrisiert, sobald sie in seiner Nähe war.

Noch hatte sie ihn nicht bemerkt. Sie hielt den Kopf gesenkt und hatte das leuchtend rote Haar zu einem unvorteilhaften Knoten zusammengefasst, den er früher nur zu gern gelöst hatte.

Auch jetzt juckte es ihn in den Fingern …

Freya … Wenn er an sie dachte, dann mit Hass, aber auch voller Liebe. Vor drei Jahren hatte er sie aus seinem Leben verstoßen. Das darauffolgende Jahr war die Hölle gewesen. Er hatte seinen Entschluss bitter bereut und seine schlechte Laune an seinen Mitmenschen ausgelassen. Dabei war es ihm gleichgültig gewesen, ob es sich um Geschäftspartner oder Zufallsbekanntschaften gehandelt hatte. Freya hatte für ihn gearbeitet. Er hatte ihr vertraut – mehr als je einer Frau zuvor. Sie hatte bei ihm gewohnt und in seinem Bett geschlafen. Jetzt schlief er allein, und wenn er mit einer Frau zusammen war, dann nur außerhalb seiner Wohnung.

Freya hatte ihm so viel genommen, kein Wunder, dass er sie hasste.

Aber – Dio – sie sah fantastisch aus. Daran konnte auch das unvorteilhafte graue Kostüm nichts ändern, das ihr mindestens eine Nummer zu groß sein musste. Bei der Vorstellung, was sich darunter verbarg, überlief es Enrico heiß.

Als sie noch mit ihm zusammen gewesen war, hatte er dafür gesorgt, dass aus dem hässlichen Entlein ein wunderschöner Schwan wurde, und sie von Kopf bis Fuß neu eingekleidet.

Unbehaglich erinnerte er sich daran, dass sie all die edlen Seidenklamotten zurückgelassen hatte, als er sie an die Luft gesetzt hatte.

Jetzt kam sie mit gesenktem Kopf direkt auf ihn zu. Sie schien ihren Gedanken nachzuhängen. Enrico betrachtete sie genauer. Angespannt wartete er auf den Moment, wenn sie ihn mit ihren lebhaften grünen Augen ansehen würde. Wahrscheinlich würde die Begegnung auch für sie ein Schock sein.

Ja, sie sollte schockiert sein, darauf freute er sich richtig.

Ob sie bei Hannard arbeitete? Hatte er jetzt die Chance, sich erneut an der wunderschönen Freya Jenson zu rächen, die ihn so schnöde hintergangen hatte? Gleich würde sie vor ihm stehen. Sie war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie in wenigen Sekunden mit ihm zusammenprallen. Er wurde immer aufgeregter.

Als sie plötzlich stehen blieb, wurde Enrico von seinen widersprüchlichen Gefühlen schier überwältigt. Offensichtlich hatte sie seine Anwesenheit gespürt. Dann hörte er sie sagen:

„Nein, Nicky, es ist zwecklos, sich loszureißen. Du weißt genau, dass Mummy deine Hand nicht loslässt.“

Enrico war wie vom Donner gerührt. Was er sah, nahm ihm fast den Atem. Ein kleiner Junge im Jeansanzug versuchte, sich aus Freyas Griff zu befreien.

Der Kleine hatte ein hübsches Gesicht mit ausdrucksvollen dunklen Augen, die wild entschlossen dreinblickten, und schwarze Locken.

Nicky, überlegte er. Nicolo.

Sie hatte ihrem Sohn den Namen Nicolo gegeben.

Mitten im Foyer der Firma Hannard zerbrach plötzlich etwas in dem hartgesottenen Geschäftsmann Enrico Ranieri.

Dieser kleine Wildfang, dachte Freya, als sie verzweifelt versuchte, ihren Sohn festzuhalten, damit er kein Unheil anrichten und sich selbst gefährden konnte. Ihr würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als einen Laufgurt zu kaufen. Damit hätte sie Nicky besser im Griff. Allerdings war ihr bewusst, dass sie den Gurt nicht ohne Kampf anlegen könnte, denn Nicky würde sich in seiner Würde gekränkt fühlen und sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, an die Leine genommen zu werden.

„Wenn du artig bist, gehen wir nachher in den Park“, versprach sie dem Kleinen, um ihn zu beruhigen.

„Affen“, antwortete er.

„Nein“, entgegnete Freya energisch. „Die Affen leben im Zoo. Der Park ist näher.“

„Ich mag Affen.“

„Ja, du bist ja selbst ein Äffchen.“ Freya lachte. „Wenn du heute artig bist, gehen wir morgen in den Zoo, wenn wir mehr …“

„Er ist meiner“, hörte sie in diesem Moment eine tiefe, raue Stimme hinter ihr sagen.

Ein eiskalter Schauer lief Freya über den Rücken. Sie wusste genau, wem diese Stimme zuzuordnen war. Als sie aufsah, begegnete sie Enricos Blick, in dem sie unverhohlene Feindseligkeit las, und hatte das Gefühl, das Herz würde ihr stehen bleiben. Ihr schlimmster Albtraum war Wirklichkeit geworden. Vor ihr stand, einen Meter neunzig groß, mit dunklem Haar, dunklen Augen und in einem schwarzen Anzug – der Leibhaftige persönlich.

„Nein“, stieß Freya schließlich atemlos hervor. Wieso musste ausgerechnet jetzt Enrico wieder in ihrem Leben auftauchen?

Madre di Dio, natürlich ist er das.“ Enrico funkelte sie wütend an.

Freya blinzelte. Enrico hatte sie missverstanden. Sie wollte das gerade richtigstellen, als sie bemerkte, wie besitzergreifend Enrico ihren Sohn musterte.

Selbst Nicky wurde es unter diesem Blick unbehaglich. Statt weiter zu versuchen, sich aus Freyas Griff zu befreien, hielt er ihre Hand ganz fest und versteckte sich furchtsam hinter den langen Beinen seiner Mutter. Dabei hatte er sonst vor nichts und niemandem Angst! Energisch hob Freya das Kinn und sah Enrico abweisend in die Augen, als sie kühl behauptete: „Nein, ist er nicht.“

„Lüg mich nicht an!“, herrschte Enrico sie an. „Du unbarmherzige Hexe! Das wirst du mir büßen!“

Freya sah ihm an, dass er es ernst meinte. Seine Augen funkelten rachsüchtig, während er die sinnlichen, einst so verführerischen Lippen fest zusammenpresste. Überhaupt war Enrico ein fantastischer Liebhaber gewesen, der sich dessen nur zu bewusst gewesen war.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, erwiderte sie kühl.

Das schürte erneut seine Wut. Er machte einen Schritt auf sie zu, und Freya hatte Angst, er würde gleich versuchen, sie zu erwürgen. Entsetzt wich sie zurück und wäre dabei fast über ihren Sohn gestolpert.

„Enrico …“ Jemand hielt ihn am Arm zurück.

Erst jetzt wurde Freya sich wieder bewusst, wo sie sich befanden. Das Foyer war voller Menschen, die neugierig verfolgten, was für ein Drama sich vor ihren Augen abspielte. Enrico schien völlig vergessen zu haben, dass er in Begleitung war. Erst als einer der Männer versuchte, ihn auf die Zuschauer aufmerksam zu machen, riss er sich zusammen und wandte sich um. Die ganze aufgestaute Wut richtete sich nun gegen den Mann, der seinen Arm umfasst hatte.

Freya atmete auf. In diesem Moment lockerte sie den Griff, Nicky riss sich los und rannte zum Ausgang. Nach einer Schrecksekunde fuhr sie herum, um ihn wieder einzufangen, doch er war schon zu weit weg.

„Nicky! Nein!“ Verzweifelt lief Freya ihm nach.

Er quietschte jedoch nur vergnügt und rannte, so schnell seine kleinen Beine ihn tragen konnten, weiter. Immer näher, kam er dem schmalen Bürgersteig und einer der verkehrsreichsten Straßen Londons. Freya sah ihn schon unter den Rädern eines Doppeldeckers. Der kalte Angstschweiß brach ihr aus, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals.

Doch dann beugte sich ein großer Mann über das Kind und hob es hoch. Freya musste es hilflos mit ansehen, wie er ihr Kind umfangen hielt. Es war Fredo Scarsozi, Enricos langjähriger Bodyguard. Die Knie wurden ihr weich. Nicky schrie frustriert, während Fredo ihn nur fasziniert ansah. Auch er hatte sofort bemerkt, wie ähnlich der Kleine Enrico sah.

„Gib ihn mir“, sagte Freya atemlos, als sie sich etwas gefasst hatte, und streckte die Arme nach ihrem Sohn aus.

Fredo blickte sie nur reglos an, und Freya bekam vor Angst kaum noch Luft. Nicky hatte inzwischen aufgehört zu schreien, weil es interessanter war, den kräftigen Mann anzusehen, der ihn fest im Griff hatte.

„Bitte.“ Flehend hob Freya die Arme höher.

Nicky hatte bemerkt, wie ihre Stimme bebte. Freya zitterte am ganzen Körper. Die umstehenden Leute wurden langsam unruhig, denn sie konnten offenbar nicht einschätzen, was sich da vor ihren Augen abspielte.

Fredo sah fragend an ihr vorbei. Offensichtlich wartete er auf eine Anweisung seines Chefs. Freya hatte schreckliche Angst. Ein Wort von Enrico, und Fredo würde ihm Nicky übergeben. Dann müsste sie eine ganze Armee aufbieten, um ihr Kind wiederzubekommen.

„Affe?“, fragte Nicky plötzlich, woraufhin Fredo Scarsozi ihn verblüfft ansah, bevor er das Gesicht zu einem widerwilligen Grinsen verzog.

„Grazie, Bambino“, sagte er trocken.

Nicky lächelte und zeigte seine perlweißen Milchzähnchen.

„Bitte gib ihn mir zurück“, bat Freya mit bebender Stimme.

„Tu, was sie sagt“, befahl Enrico kühl.

Als der Mann Freya das Kind daraufhin übergab, umfasste sie den geliebten kleinen Jungen so fest, dass er protestierte. Sie fing Fredos wissenden Blick auf und verließ mit Nicky auf dem Arm, wie von Furien gehetzt, das Gebäude.

„Folg ihr“, befahl Enrico seinem Bodyguard.

Fredo nickte und machte sich sofort auf den Weg.

Inzwischen hatte Enrico sich so weit wieder unter Kontrolle, dass er auf die umstehenden Leute einen beherrschten Eindruck machte. Trotzdem musterten ihn seine Assistenten, als wäre er plötzlich verrückt geworden. Die anderen Anwesenden sahen ihn teils fasziniert, teils furchtsam an. Sie wussten, was seine Anwesenheit bei Hannard bedeutete.

Enrico Ranieri war in ganz Europa dafür bekannt, angeschlagene Firmen aufzukaufen und sie zu sanieren, wobei so mancher Mitarbeiter auf der Strecke blieb. Stets schlug er ohne Vorwarnung zu. Wenn Enrico in einer Firma auftauchte, dann musste man mit dem Schlimmsten rechnen.

Sein soeben an den Tag gelegtes Verhalten war das beste Beispiel dafür. Er hatte eine Mitarbeiterin heruntergeputzt und an die Luft gesetzt, nur weil sie ihr Kind mitgebracht hatte. So jedenfalls hatte es sich den entsetzten Angestellten von Hannard dargestellt.

Die halten mich jetzt bestimmt für kinderfeindlich, dachte Enrico. Wahrscheinlich befürchten sie, dass ich die Kinderkrippe auf der Stelle schließen werde. Vielleicht tue ich das sogar, dachte er rachsüchtig, bedachte die Mitarbeiter mit einem abweisenden Blick und machte sich wieder auf den Weg zu den Fahrstühlen.

Er drückte auf einen Knopf und beobachtete, wie seine Begleiter sich beeilten, zu ihm in den Lift zu steigen. Keiner wagte, den Mund aufzumachen. Das war auch gut so, denn Enrico hatte nur einen Gedanken, der ihn nicht mehr losließ: Freya hatte seinen Sohn zur Welt gebracht.

Der Fahrstuhl hielt in der Führungsetage, und ein Begrüßungskomitee erwartete Enrico.

Darauf hätte er jetzt gern verzichtet. Im Moment stand ihm der Sinn nicht nach Geschäftsverhandlungen. Er wollte …

Der Blick seiner dunklen Augen war so eiskalt, als er den Fahrstuhl verließ, dass die Leute sich erschrocken zurückzogen. Nur ein Mann brachte den Mut auf, zu sagen: „Bitte hier entlang, Mr Ranieri.“

Enrico nickte und folgte dem Angestellten in ein großes, lichtdurchflutetes Büro, in dem sich auch die anderen Konferenzteilnehmer versammelt hatten. Er ignorierte sie jedoch und wandte sich seinem Chefsekretär zu. „Hör zu, Carlo, ich will die Lebensläufe aller Mitarbeiter in zehn Minuten auf meinem Laptop haben.“

Die Führungsriege der Firma Hannard reagierte sehr beunruhigt auf diese Äußerung, doch Enricos Begleiter zuckte nicht mit der Wimper.

„Die Vorstandssitzung wird auf morgen verschoben“, verkündete Enrico. „Unmittelbar vorher möchte ich mit dem Management sprechen. Das wär’s.“ Enrico wandte sich ab, ging zu dem Schreibtisch, an dem bis vor Kurzem noch Josh Hannard gesessen hatte, und wartete darauf, dass die anderen Leute den Raum verließen.

„Aber wir wollten uns doch bei einem Arbeitsessen vorstellen“, beschwerte sich einer der Manager.

„Wenn ich Sie wäre, würde ich aufs Mittagessen verzichten und auswendig lernen, womit Sie sich Ihr Gehalt verdienen“, antwortete einer von Enricos Leuten.

„Aber Mr Hannard …“

„Mr Hannard hat die Geschäftsleitung an Mr Ranieri übergeben. Und der versteht keinen Spaß.“

Enrico lächelte, als er das hörte. Doch das Lächeln verging ihm sofort, als er den Blick gedankenverloren über die Dächer von London gleiten ließ.

Sein Sohn. Er hatte einen Sohn!

Das wird sie mir büßen, dachte er wütend. Freya sollte ihn kennenlernen!

Freya saß im Park auf dem Rasen, von Enten umzingelt, die ihr Sohn mit Brotkrumen fütterte. Trotz des angenehm warmen Sommertages fröstelte sie. Ihr war immer kalt, wenn sie an Enrico dachte. Verletzter Stolz, Hass und Verachtung konnten die warmherzigste Frau in einen Eisblock verwandeln. Außerdem hatte sie Angst vor Enricos nächstem Schritt.

Sie verlagerte ihr Gewicht und blinzelte, als eine hungrige Ente nach ihrer Hand schnappte. Sie überließ dem gierigen Vogel die Kruste und betrachtete Nicky. Der Kleine war in seinem Element. Lächelnd fütterte er die Enten und sah seinem Vater ähnlicher denn je.

Jetzt, da sie Enrico wiedergesehen hatte, fiel ihr die enorme Ähnlichkeit erst recht auf. Nicky hatte Enricos schönes Gesicht mit den dunklen Augen, dem energischen Mund und dem markanten Kinn geerbt.

Die Tatsache, dass auch Enrico die Ähnlichkeit sofort festgestellt hatte, hatte sie zutiefst getroffen. Er sollte sich nur nichts einbilden, schließlich hatte er jede Verantwortung abgelehnt. Niemals würde sie ihm verzeihen, wie schäbig er sie behandelt hatte.

„Verschwinde aus meinem Leben“, hatte er vor drei Jahren gebrüllt. „Du hinterhältiges, verlogenes Luder. Ich will dich nie wiedersehen.“

Verbittert, kalt, herzlos, arrogant, überheblich, voreingenommen, taub … Andere bezeichnende Wörter fielen ihr im Moment nicht ein, aber das reichte ja auch schon.

Vielleicht hat er seine Meinung Nicky betreffend geändert, dachte sie hoffnungsvoll. Ihr kleiner Junge war ihm immerhin wie aus dem Gesicht geschnitten. Doch auch Enricos Cousin Luca hatte das blendende Aussehen der Ranieris geerbt. Natürlich konnte der gemeine, verschlagene Kerl Enrico nicht das Wasser reichen, doch die Familienähnlichkeit zwischen den beiden war vorhanden. Daran würde auch Enrico sich inzwischen wieder erinnert haben.

Und dann fragte sie sich plötzlich, was Enrico im Foyer von Hannard zu suchen gehabt hatte? Er hatte die Firma doch wohl nicht etwa übernommen? Nicht auszudenken, dann wäre er wieder ihr Chef!

Nein, das konnte und durfte nicht wahr sein. Vielleicht war er mit Josh Hannard befreundet und wollte ihn zum Mittagessen abholen. Und ich bin die Kaiserin von China, dachte Freya und schüttelte verzweifelt den Kopf, denn sie wusste, dass Enrico Ranieri nur aus einem einzigen Grund mit seinem Gefolge irgendwo auftauchte: um eine Firma zu übernehmen. Jetzt würde er ihr das Leben erneut zur Hölle machen. Dabei hatte sie sich noch nicht einmal von seinem ersten Versuch erholt.

Vor drei Jahren war sie seine Chefsekretärin gewesen und hatte ein wunderbares Leben an seiner Seite und in seinem Bett geführt. Sie waren so vernarrt ineinander gewesen, dass sie es kaum ausgehalten hatten, auch nur fünf Minuten voneinander getrennt zu sein. Sie hatten sich voller Leidenschaft geliebt – bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Dann hatte sie seinen Cousin kennengelernt, und innerhalb weniger Wochen war es vorbei gewesen mit der Idylle.

„Affe“, sagte Nicky ruhig.

„Wir gehen morgen zu den Affen“, versprach Freya und betrachtete ihren schwarzhaarigen Sohn liebevoll. Er war der wichtigste Mensch in ihrem Leben, gleichgültig, wer sein Vater war.

„Nein, Affe da“, sagte er und zeigte mit dem Finger in eine bestimmte Richtung.

Freya drehte sich um, und ihr Blick fiel auf den bulligen Fredo Scarsozi. Er stand etwa sechs Meter von ihnen entfernt im Schatten eines Baumes und schien sie nicht aus den Augen zu lassen. Als er ihr zunickte, wusste Freya, was die Stunde geschlagen hatte. Enrico hatte seinen engsten Vertrauten beauftragt, Nicky und sie zu beobachten.

Das könnte ihm so passen, dachte sie und stand auf. Nicky war ihr Sohn, ganz allein ihr Sohn. Sollte Enrico doch beweisen, dass er der Vater war. Wenn ihn das überhaupt interessierte. Wahrscheinlich ist es ihm ziemlich gleichgültig, dachte sie und streckte die Hand nach Nicky aus.

„Komm, Schatz“, sagte sie leise, „wir müssen zurück.“

Nicky gehorchte widerspruchslos, denn das Brot war alle, und die Enten waren wieder zum Teich gewatschelt. Als er drei Monate alt gewesen war, hatte sie den Job bei Hannard gefunden. Die Firma verfügte glücklicherweise über eine Kinderkrippe, wo sie Nicky gut untergebracht wusste, während sie arbeitete.

Die Arbeit war nicht besonders anspruchsvoll und dementsprechend schlecht bezahlt. Doch immerhin reichte es für das Nötigste und für Nickys Platz in der Krippe. Es war ein großer Vorteil, mit ihm unter einem Dach zu sein. So konnte sie ihn immer sehen, wenn ihr danach zumute war.

Sie führten ein glückliches Leben zu zweit und brauchten keinen Mann. Wenn Enrico sich von seinem Schock erholt hatte, würde er bestimmt zu der Einsicht gelangen, ohne sie und Nicky besser dazustehen.

„Der Affe kommt hinterher“, sagte Nicky.

„Das ist kein Affe, sondern ein Mensch“, berichtigte Freya den Kleinen, ohne sich nach Fredo umzudrehen. Doch die Tatsache, dass er ihnen gefolgt war, verhieß nichts Gutes. Enrico würde wahrscheinlich nicht eher ruhen, bis er die Wahrheit herausgefunden hatte. Er war schließlich rücksichtslos und beharrlich.

2. KAPITEL

Dieses verlogene, gemeine Miststück …

Enrico saß am Schreibtisch und betrachtete – leise vor sich hin fluchend – das Foto, das man ihm mit allen anderen gewünschten Daten per E-Mail geschickt hatte. Sie sah so süß aus, so unschuldig, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Wie man sich in einem Menschen doch täuschen konnte.

Mit einem Klick ließ er das Foto verschwinden und öffnete die Datei, die ein Bild des Jungen enthielt. Erneut war er wie vom Donner gerührt.

„Was meinst du, Fredo? Ist er mein oder Lucas Sohn?“, fragte er, ohne den Blick abzuwenden.

Fredo zuckte die breiten Schultern. „Wenigstens hat er nicht Lucas miese Gene, sollte er tatsächlich sein Sohn sein“, antwortete der Bodyguard trocken, bevor er leise hinzufügte: „Er hat deine Augen, deinen Mund und deine Sturheit. Außerdem sitzt auch ihm der Schalk im Nacken.“

Ihm war aufgefallen, dass der Kleine sich ständig nach ihm umgesehen und dabei frech gelächelt hatte. Als Mutter und Sohn das Firmengebäude betreten hatten, hatte Nicky sich umgedreht und laut gerufen: „Tschüs, Affe!“, bevor er lachend von seiner Mutter in den Fahrstuhl gezerrt worden war.

Enrico war nicht zum Lachen zumute, als er das Gesicht des Jungen betrachtete. Ihm schien, als würden ihn die dunklen Augen ansehen und eine Verbindung zu ihm herstellen. Enrico war erschüttert.

„Ich spüre, dass er mein Sohn ist“, sagte er schroff.

„Sí.“ Fredo nickte.

Warum die Bestätigung durch seinen Leibwächter ihn noch mehr aus der Fassung brachte, wusste Enrico auch nicht. „Geh nach unten zur Kinderkrippe, und behalt ihn im Auge“, ordnete er barsch an.

Fredo arbeitete schon viele Jahre für ihn, aber es war das erste Mal, dass er sich einer Anweisung seines Chefs zu widersetzen suchte. „Ich soll den Nachmittag in einem Kindergarten verbringen? Mit all den bambini?“

Enrico sah auf und bemerkte Fredos entsetzte Miene. „Wem kann ich ihn denn sonst anvertrauen, während ich Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen versuche?“

„Aber ohne seine Mutter kann er sowieso nicht fort. Sie …“

Enrico stand auf und begann hin und her zu gehen. „Sie könnte die Flucht ergreifen. Das muss verhindert werden. Ich will erst die Wahrheit herausbekommen.“

Schweigend beobachtete Fredo seinen aufgebrachten Chef. Natürlich passte es ihm nicht, zur Kinderkrippe abgeordnet zu werden, doch er sah ein, dass Enrico recht hatte. Also zuckte er ergeben die breiten Schultern und ging zur Tür.

„Wo hat Luca sich eigentlich verkrochen?“, fragte Enrico barsch.

Fredo blieb stehen. „Soweit ich weiß, amüsiert er sich mit seiner neusten reichen Eroberung auf Hawaii.“

„Sorg dafür, dass er da auch bleibt. Wie du das anstellst, ist mir egal. Meinetwegen kannst du ihm drohen oder ihn mit Geld bestechen oder beides.“ Obwohl es ihm um jeden Euro leidtat, den er seinem Cousin in den Rachen werfen musste. „Wenn er erfährt, dass Freya einen Sohn von mir hat, taucht er hier noch auf und vermasselt mir die Tour.“

„Wie soll er denn davon erfahren?“, fragte Fredo verblüfft. Die Familie Ranieri hatte Luca verstoßen. Nicht mal zu seiner Mutter hatte er noch Kontakt!

„Wie der Rest der Welt: durch meine offizielle Verlautbarung, dass ich einen Sohn habe und gedenke, seine Mutter zu heiraten.“

Fredo war schockiert. Als er sich wieder gefangen hatte, gab er zu bedenken: „Überstürz bloß nichts, Enrico.“

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