Tage voller Zärtlichkeit

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Eloise kommt es vor, als täte sie etwas Verbotenes: In den Armen ihrer einstigen großen Liebe Bill Harper gleitet sie über das Parkett im New Yorker Ballsaal. Heute ist Bill Bürgermeister der Stadt – und ihr erbitterter Gegner im Streit um Subventionen. Trotzdem wirft Eloise alle Zweifel über Bord, als er sie zu einem Wochenende in sein Landhaus einlädt.


  • Erscheinungstag 05.03.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513913
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Eloise Vale blieb ein letztes Mal vor dem Spiegel in ihrem Schlafzimmer stehen und musterte sich kritisch.

Das schlichte, aber elegante Abendkleid aus schwarzer Seide war knöchellang, hatte einen tiefen Rückenausschnitt und brachte ihre schlanke Figur zur Geltung. Ihr aschblondes Haar reichte bis zum Kinn und umspielte ihre zarten Gesichtszüge, die durch ein etwas kräftiger als sonst aufgetragenes Make-up betont wurden. Der Schmuck, nicht mehr als funkelnde Brillanten an den Ohren und ein dazu passendes Armband, verlieh ihrer Erscheinung einen Hauch von Glamour.

Nicht schlecht für eine reife Frau von zweiundvierzig und die Mutter dreizehn Jahre alter Drillingssöhne, dachte sie lächelnd. Sie sah kühler, ruhiger und mondäner aus, als sie sich eigentlich fühlte.

Es war erstaunlich, wie sehr Äußerlichkeiten über den inneren Zustand eines Menschen hinwegtäuschen konnten. Und das war gut so. Denn sie durfte sich unter keinen Umständen anmerken lassen, wie nervös sie schon seit Stunden war. Erst am Nachmittag war ihr klar geworden, worauf sie sich eingelassen hatte.

Auf den Ball des Bürgermeisters zu gehen – das herausragende gesellschaftliche Ereignis von New York City – war für Eloise keine neue Erfahrung. Vor seinem Tod vor drei Jahren hatte ihr Mann Walter Vale, ein wohlhabender Investmentbanker, sie regelmäßig dorthin begleitet. Aber heute Abend würde sie mit Bill Harper, dem Bürgermeister persönlich, erscheinen.

Mit dem Mann, den sie vor siebzehn Jahren geliebt, aber nicht geheiratet hatte.

„Vergiss das nicht“, murmelte Eloise und drohte ihrem Spiegelbild mit erhobenem Zeigefinger.

In den letzten Monaten hatte Bill Harper bewiesen, dass er kein Freund von ihr oder von Manhattan Multiples war. Er hatte sie vermutlich nur eingeladen, ihn auf den Ball zu begleiten, weil er allen beweisen wollte, wie unvoreingenommen er war. Und sie hatte seine Einladung lediglich angenommen, um die Gelegenheit zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen.

Die aufgebrachten Anrufe in seinem Büro, das Interview, das sie der New York Times gegeben hatte, sowie die anonymen Leserbriefe, die sie an verschiedene andere Zeitungen geschickt hatte, schienen ihn nicht sonderlich beeindruckt zu haben. Also würde sie es von Angesicht zu Angesicht versuchen und dabei auch noch um öffentliche Unterstützung kämpfen.

Trotzig hob Eloise das Kinn, nickte sich zu und dachte daran, was sie sich geschworen hatte. Sie würde alles tun, um Manhattan Multiples, das von ihr gegründete Beratungszentrum für Mehrlingsmütter, vor der Schließung zu bewahren. Selbst wenn sie dazu einen ganzen Abend an Bürgermeister Harpers Seite verbringen musste.

Eloise war geistreich und unterhaltsam, und als Ehefrau eines wichtigen New Yorker Geschäftsmanns hatte sie gelernt, sich auch im Kreise von Prominenten gelassen zu bewegen. Sie konnte also das Beste aus ihrem heutigen Auftritt machen. Und das würde sie auch tun.

Doch genau das hatte Bürgermeister Harper vermutlich ebenfalls vor. Sie zweifelte nicht daran, dass seine Einladung, ihn auf den Ball zu begleiten, rein politische Gründe hatte.

Eloise war nicht naiv genug zu glauben, dass er dort weitermachen wollte, wo sie vor siebzehn Jahren aufgehört hatten. Und sie wollte es auch nicht. Obwohl sie inzwischen verwitwet und er geschieden war. Sie hatte seinen Heiratsantrag damals abgelehnt, und auch heute stand sie zu ihrer Entscheidung.

Sicher, sie beide hatten sich in all den Jahren geändert, aber Bill Harper war noch immer der, der er damals gewesen war – ein Mensch, der in erster Linie für die Politik lebte. Und das würde er immer bleiben.

Er würde auch diesen Abend nutzen, um sein Image zu verbessern. Denn sein Vorhaben, die Zuschüsse an wohltätige Organisationen zu streichen und dadurch den Haushalt der Stadt zu sanieren, war nicht auf die erhoffte Begeisterung gestoßen.

Indem er sich öffentlich mit ihr zeigte, konnte er den Eindruck erwecken, er hätte die Unterstützung einer der lautstärksten Gegnerinnen seines Sparprogramms gewonnen. Doch wenn sie geschickt vorging, konnte sie ihrerseits den Eindruck erwecken, als wären ihm Zweifel an seiner Haushaltspolitik gekommen. Und solange es so aussah, als würde der Bürgermeister ihr wenigstens zuhören, konnte sie in ihrem Kampf gegen die Kürzungen bei wohltätigen Organisationen wie Manhattan Multiples Verbündete finden.

Eloise kehrte dem Spiegel den Rücken zu, nahm die Abendtasche vom Bett und legte sich den langen schwarzen Seidenmantel, der sie vor der Novemberkälte schützen würde, über den Arm. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass ihre Verabredung erst in einigen Minuten eintreffen würde.

Nein, nicht meine Verabredung, korrigierte sie sich. Denn das klang romantischer, als sie und sicher auch Bürgermeister Harper sich diesen Abend vorstellten. Begleiter – das war eine wesentlich sachlichere und angemessenere Bezeichnung.

Ihre Nervosität legte sich ein wenig, als sie über den Flur ging. Sie wagte es nicht, im Vorbeigehen einen Blick durch die offen stehenden Türen ihrer Söhne zu werfen. Die Verantwortung für die Kinderzimmer hatte sie Mrs. Kazinsky abgetreten. Die stämmige, grauhaarige Haushälterin kam zweimal in der Woche und versuchte, den drei Jungs mit liebevoller Strenge so etwas wie Ordnung beizubringen.

Im Durchgang zum großen Wohnzimmer blieb Eloise stehen und schaute auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand. In nicht ganz fünf Minuten würde es an der Tür zum Penthouse läuten. Bill Harper war die Pünktlichkeit in Person. Er stand in dem Ruf, niemals jemanden warten zu lassen, weder die Presse noch politische Rivalen – und erst recht keine Lady.

Ihr Blick wanderte zu ihren Söhnen, die vor dem Fernseher saßen, umgeben von leer gegessenen Pizzaschachteln, einem Milchkarton, ausgetrunken Gläsern und zerknüllten Servietten.

Wenigstens haben sie Gläser genommen, dachte Eloise lächelnd. Seit ihrer Geburt hielten die Drillinge ihre Mutter auf Trab. Und sie waren der Hauptgrund dafür gewesen, dass Eloise die Organisation Manhattan Multiples ins Leben gerufen hatte.

„Wow, Mom, siehst du gut aus“, rief Carl, der einige Minuten älter war als seine Brüder. Mit einem Auge auf einen Boxkampf im Fernsehen schielend, strahlte er Eloise an.

John, ihr mittlerer Sohn, betrachtete sie von Kopf bis Fuß und stieß einen lauten Pfiff aus, der Eloise zum Erröten brachte. „Wirklich, Mom, du siehst echt toll aus.“

Henry, der jüngste ihrer Söhne, sprang von der Couch. „Wer sind Sie, und was haben Sie mit unserer Mutter gemacht? Zuletzt wurde sie in ausgebeulten Jeans und einem schlabberigen Sweatshirt gesehen.“

„Hey, Jungs, ihr habt mich doch schon mal in einem Abendkleid gesehen, oder? Obwohl ich zugeben muss, dass es eine Weile her ist“, fügte sie hinzu und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich über die Komplimente freute.

„Stimmt. Und du bist noch nie zu einem Date mit irgendeinem wildfremden Mann gegangen“, erwiderte Carl, der als Ältester die Beschützerrolle übernahm.

„Es ist kein Date, jedenfalls kein richtiges, sondern eher eine … geschäftliche Verabredung. Wir treffen uns eben nur auf einer Party statt im Büro. Und Bill Harper ist kein Fremder. Er ist der Bürgermeister von New York und außerdem ein alter Freund von mir“, protestierte Eloise, bevor ihr einfiel, dass sie diese Tatsache noch nie erwähnt hatte.

„Ein alter Freund?“ John, der ernsteste der drei Jungs, runzelte besorgt die Stirn.

„Das wird ja immer spannender.“ Henry rieb sich erwartungsvoll die Hände. „Mom und der Bürgermeister … einst alte Freunde, jetzt bittere Feinde.“

„Wir sind keine Feinde, weder bitter noch sonst wie. Wir haben einfach nur gegensätzliche Auffassungen“, erklärte Eloise geduldig.

„Also seid ihr Gegner“, folgerte Carl triumphierend.

„Der arme Kerl … Er hat keine Chance, oder?“, vermutete Henry.

„Nicht mit Mom als Gegnerin“, bestätigte John.

Zur Erleichterung von Eloise läutete es, und ihr blieb es erspart, von ihren Söhnen über ihre Beziehung zu Bill Harper ausgefragt zu werden.

Sie warf den dreien einen warnenden Blick zu, ging zur Sprechanlage und erfuhr vom Türsteher des Apartmenthauses, dass Bill Harper eingetroffen war. „Schicken Sie ihn bitte herauf.“

Die Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterten aufgeregt, als sie sich zu ihren Söhnen umdrehte, die inzwischen jedes Interesse an dem Boxkampf verloren hatten.

„Muss ich euch daran erinnern, dass ihr euch benehmen sollt?“

„Nein, Ma’am“, antworteten die drei im Chor, aber ihre blauen Augen glitzerten schelmisch.

„Habt ihr eure Hausaufgaben gemacht?“

„Ja, Ma’am.“

„Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr das Wohnzimmer aufräumt, bevor ihr zu Bett geht?“

„Ja, Ma’am.“

„Spätestens um zehn seid ihr im Bett, klar? Ihr wisst, ihr habt morgen Schule.“

„Ach, Mom …“

Ein kurzes, aber energisches Klopfen schnitt den Widerspruch ihres zweitältesten Sohnes ab. Die drei Jungen wechselten verschwörerische Blicke, dann lächelten sie ihre Mutter an.

„Mom, die Tür“, drängte Carl, als sie nicht auf das Klopfen reagierte.

„Ja, Mom, die Tür“, wiederholte Henry.

„Soll ich aufmachen?“ John machte einen Schritt nach vorn.

„Ich gehe schon“, versicherte Eloise hastig und mit ungewohnt atemloser Stimme. Schließlich setzte sie sich in Bewegung, und ihre Söhne folgten ihr wie selbstverständlich.

„He, es ist doch nur ein alter Freund mit einer gegensätzlichen Ansicht“, meinte Carl aufmunternd, als sie zögerte, die Hand schon am Türknauf.

„Richtig“, murmelte sie und warf ihm einen dankbaren Blick zu.

„Du siehst großartig aus, Mom.“ Henry strich ihr über die Schulter.

„Und du bist klug“, fügte John hinzu.

Eloise atmete tief durch und riss die Tür auf.

Danach stand sie wie versteinert da, starrte Bill Harper an und brachte kein auch noch so kleines Wort heraus.

Sie hatte geglaubt, darauf vorbereitet zu sein, ihm zum ersten Mal nach siebzehn Jahren wieder gegenüberzustehen. Schließlich hatte sie ihn oft genug in der Zeitung oder im Fernsehen gesehen. Aber das war eine sichere Entfernung gewesen.

Sicher genug, um sich der Wirkung des markanten, ausdrucksvollen Gesichts, der darin funkelnden blauen Augen und der kräftigen, hochgewachsenen Gestalt zu entziehen. Doch jetzt stand er vor ihr, in einem eleganten Smoking, das kurze, ergrauende Haar sorgfältig gekämmt, der Blick offen und direkt, ein warmes Lächeln um den Mund. Aus dieser Nähe war er einfach atemberaubend, und urplötzlich durchströmte sie eine Flut von Erinnerungen.

Sie schaute ihm in die Augen, und die Jahre schmolzen dahin, als sich in ihr eine angenehme Wärme ausbreitete – und eine Sehnsucht, die sie vollkommen unerwartet traf. Erst sah sie in ihm nur den alten Freund, den besten, liebsten Freund, den sie hätte heiraten können. Den sie geheiratet hätte, wenn … Doch dann, nur einen Herzschlag lang, malte sie sich aus, wie es wäre, ihn in die Arme zu schließen, sich an ihn zu schmiegen und von ihm gehalten zu werden.

Als Eloise jedoch bewusst wurde, dass ihre Söhne hinter ihr standen und die Szene aufmerksam beobachteten, gab sie sich einen Ruck. Bill Harper war einst ihr Freund gewesen. Jetzt jedoch war er, wie ihr Sohn es treffend ausgedrückt hatte, ihr Gegner. Und als solcher konnte er alles, wofür sie so hart gearbeitet hatte, mit einem bürgermeisterlichen Federstrich zunichtemachen.

„Herr Bürgermeister“, begrüßte sie ihn höflich und gab ihm lächelnd die Hand. „Kommen Sie herein, und lernen Sie meine Söhne kennen.“

„Bitte, Eloise, mein Name ist Bill“, erwiderte er, während er ihre Hand mit seiner umschloss und eine Sekunde länger als nötig festhielt.

„Natürlich … Bill.“ Sie fühlte, wie ihre Wangen sich erwärmten, und zog die Hand zurück, um auf ihre Söhne zu zeigen. „Carl, John und Henry.“

„Guten Abend, Herr Bürgermeister“, sagte jeder von ihnen, als er ihnen die Hand schüttelte.

„Jungs, ich freue mich, euch kennenzulernen.“ Er sah Eloise an. „Wie um alles in der Welt kann man sie bloß auseinanderhalten?“

„Es ist nicht immer einfach“, gab sie zu. „Aber ich habe da so meine Tricks.“

„Das glaube ich.“ Bills Lächeln wurde breiter. „Sie ist nicht leicht hereinzulegen, was?“, fragte er ihre Söhne.

„Nein, Sir, ganz und gar nicht“, erwiderte Carl.

„Gut zu wissen, dass manche Dinge sich nie ändern.“ Bill bedachte Eloise mit einem Blick, der ihr allzu vertraut und irgendwie wissend erschien. Dann schaute er auf seine goldene Uhr. „Ich denke, wir sollten gehen. Wir wollen meine Wähler doch nicht warten lassen, oder?“

„Nicht heute Abend“, stimmte Eloise ihm zu und versuchte, ihre Nervosität zu ignorieren.

„Ich mache das“, bot er an, als sie ihren Mantel anziehen wollte, und half ihr hinein.

„Danke.“ Sie war sehr aufgeregt, und ihre Finger zitterten zu sehr, um den Mantel zuzuknöpfen. Er legte eine große Hand um ihre Schulter und drückte sie. Es war zugleich beruhigend und erregend, und sie verstand nicht, wie sie etwas so Widersprüchliches empfinden konnte.

Eloise zügelte ihre außer Kontrolle geratenen Emotionen und wandte sich ihren Söhnen zu, die gebannt die Szene beobachteten.

„Um zehn ins Bett“, befahl sie.

„Ja, Ma’am“, antworteten sie wie aus einem Munde.

„Falls ihr mich braucht, ich habe das Handy in der Tasche.“

„Werden wir nicht“, versicherte Carl.

„Ich glaube nicht, dass es sehr spät werden wird.“

„Hoffentlich, Mom. Du musst morgen zur Arbeit, und wir wissen alle, wie übellaunig du bist, wenn du nicht ausgeschlafen hast“, erwiderte John mit übertrieben strenger Miene.

„Aha, also braucht die Lady noch immer acht Stunden Schlaf, um zu funktionieren“, stellte Bill mit einem Lachen in der Stimme fest. „Das werde ich mir merken.“

Er gab ihren Söhnen die Hand und öffnete die Tür.

„Eloise …“

Sie rang sich ein – wie sie hoffte – souveränes Lächeln ab. „Danke, Bill.“

Eloise wusste nicht mehr, wie sie sich diesen Abend vorgestellt hatte, aber sie war schon jetzt nicht mehr sicher, ob sie die Situation im Griff hatte.

Bill führte sie zum Fahrstuhl. Auf dem Weg nach unten schwieg er, und zu ihrem Erstaunen fand sie die Stille keineswegs angespannt. Kurz darauf öffnete der Chauffeur ihr die Tür der langen, schwarzen Limousine, und Bill half ihr hinein.

Als sie beide auf dem weichen Lederpolster saßen und die Tür sich mit dumpfem Laut schloss, schlug Eloises Herz plötzlich schneller. Sie waren allein. Und Bürgermeister Harper – Bill Harper, ihr einstiger Freund und Liebhaber, jetzt der Mann, dessen Politik alles zunichtemachen konnte, wofür sie zwölf Jahre lang gekämpft hatte – nahm ihre schmale, kalte Hand und legte seine große, warme darum.

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie schön es ist, dich wiederzusehen, Eloise? Es ist wirklich gut. Nein, nicht nur gut, sondern großartig, wirklich großartig …“, flüsterte er mit jener sanften, tiefen und unglaublich erotischen Stimme, die sie noch heute bis in so manchen Traum verfolgte.

Sie wusste, dass sie ihm eine kurze, ironische Antwort geben sollte. Stattdessen ließ sie ihre Hand in seiner, und es gelang ihr nicht, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken. Sie hatte Bill Harper geliebt, und diese Liebe war nie völlig erloschen. Aber sie war einfach zu ehrlich, um so zu tun, als würde sie nichts mehr für ihn empfinden.

„Ja, ich finde es auch schön, dich wiederzusehen, Bill“, gestand sie schließlich. „Wirklich, wirklich schön.“

2. KAPITEL

Bis zu dem Moment, in dem Eloise Vale im Fond seiner Dienstlimousine den Kopf hob, ihn ansah und zugab, dass sie froh war, ihn wiederzusehen, war Bill Harper nervös und unsicher gewesen.

Siebzehn Jahre waren vergangen, seit sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Er hatte nicht zu hoffen gewagt, dass sie sich auch nur einen Hauch ihrer einstigen Gefühle für ihn bewahrt haben könnte. Zudem hatte ihre unverhohlene, öffentlich geäußerte Kritik an seinem Sparprogramm ihn befürchten lassen, dass sie ihm unfreundlich begegnen würde.

Bill wusste selbst nicht genau, warum er Eloise eingeladen hatte, ihn auf den Ball des Bürgermeisters zu begleiten. Wochenlang hatte er gezögert. Aber irgendwann war ihm klar geworden, dass er es nicht ertrug, von ihr als Feind angesehen zu werden. Er wollte, dass sie ihn als Freund akzeptierte.

Natürlich war er ehrlich genug, sich einzugestehen, dass er sich nach weit mehr als nach Freundschaft sehnte. Und wenn es auch nur die geringste Chance gab, ihre Zuneigung zurückzugewinnen, so musste er schnell handeln.

Er hatte erwartet, dass Eloise seine Einladung höflich, aber bestimmt ablehnen würde. Und selbst nachdem sie ihm geantwortet hatte, hatte er noch mit einer weiteren Nachricht gerechnet, in der sie wieder absagte. Aber das hatte sie nicht getan.

Eloise Vale war eine Frau, die stets ihr Wort hielt – etwas, was Bill aus eigener Erfahrung wusste. Schließlich hatte sie vor siebzehn Jahren ihr Versprechen gehalten, Walter Vale zu heiraten. Und obwohl er sehr darunter gelitten hatte, hatte er ihre Loyalität bewundert. Das tat er auch jetzt noch, obwohl ihm im Grunde klar war, dass sie ihn nur auf den Ball begleitete, um etwas für ihre Organisation Manhattan Multiples zu tun.

Einige Mitarbeiter hatten ihn davor gewarnt, sie und ihren Protest gegen seine Politik aufzuwerten, indem er sich mit ihr in der Öffentlichkeit zeigte. Doch als er jetzt neben ihr im Wagen saß, atmete er den frischen Duft ihres Parfüms ein, sah die Wärme in ihren hellgrauen Augen und spürte, dass sie wirklich froh war, ihn wiederzusehen.

„Darf ich dir sagen, dass du heute Abend sehr schön aussiehst?“, fragte Bill. Er war jetzt endlich sicher, dass seine Entscheidung richtig gewesen war, also nahm er sich vor, die kurze Fahrt zum Hotel zu nutzen.

Er wollte versuchen, den politischen Streit zwischen ihnen in den Hintergrund zu drängen. Er wollte, dass Eloise und er an diesem Abend zwei ganz normale Menschen waren, eine Frau und ein Mann, die zusammen auf einen Ball gingen und sich zum zweiten Mal in ihrem Leben kennenlernten. Und er wollte glauben, dass auch Eloise die Anziehung zwischen ihnen gespürt hatte, als er ihr in den Mantel half.

„Nur, wenn du es wirklich meinst“, erwiderte sie lächelnd.

„Sonst hätte ich es nicht gesagt.“

„Danke.“ Sie senkte kurz den Blick und wirkte fast ein wenig verlegen, bevor sie ihn wieder ansah. „Sie selbst sehen auch sehr gut aus, Herr Bürgermeister. Sehr elegant und würdevoll.“

„Ich weiß das Kompliment zu schätzen, Eloise. Aber sei bitte nicht so förmlich“, tadelte er sanft, um nicht zuzulassen, dass sie auch nur die kleinste Barriere zwischen ihnen errichtete.

„Vielleicht wäre es besser“, erwiderte sie. „Du hast dir den Titel redlich verdient und solltest ihn genießen.“

Ihre Augen blitzten, und plötzlich stockte ihm der Atem. Er hatte ganz vergessen, was für eine hervorragende Gesprächspartnerin sie sein konnte – geistreich, schlagfertig und voller Humor. Oft hatte er sie küssen müssen, um ihre Wortgefechte zu beenden.

Das durfte er jetzt natürlich nicht wagen. Aber er konnte versuchen, das Thema zu wechseln. „Ich habe mich gefreut, deine Söhne kennenzulernen. Du musst sehr stolz auf sie sein.“

„Das bin ich auch. Sehr, sehr stolz sogar. Manchmal können sie allerdings ein wenig anstrengend sein. Da sie gerade erst ins Teenageralter gekommen sind, stehen mir vermutlich ein paar harte Jahre bevor. Aber die drei sind gute Jungs und scheinen meistens zu verstehen, wie sehr ich mich seit dem Tod ihres Vaters auf sie verlassen muss.“

„Das mit Walter tut mir sehr leid.“

„Ihn so zu verlieren, war für uns alle sehr schwer“, gab Eloise zu. „Er war immer völlig gesund gewesen und hatte sich gerade gründlich untersuchen lassen. Der Arzt hat mir versichert, dass die Ergebnisse sämtlicher Tests negativ gewesen waren. Es gab keinen Grund, mit einem Herzinfarkt zu rechnen.“

„Ich wünschte, ich hätte zur Beerdigung kommen können“, sagte Bill. Er hatte allerdings im Norden des Staates in einem Schneesturm festgesessen. „Ich habe erst von seinem Tod erfahren, als es zu spät war.“

„Die Blumen, die du geschickt hast, waren wunderschön, und deine Karte hat mir viel bedeutet.“ Sie zögerte einen Augenblick. „Walter hat immer viel von dir gehalten. Er hat deine Arbeit ehrlich bewundert.“

„Ich habe auch immer viel von Walter gehalten. Und von dir, Eloise …“ Zaghaft nahm er ihre Hand und drückte sie. Zu seiner Überraschung ließ sie es geschehen. Fast schien es, als wäre sie dankbar für die Berührung.

„Auch in deinem Leben gab es Höhen und Tiefen“, erwiderte sie. „Es tat mir sehr leid, als ich las, dass deine Ehe mit Marnie Hartwell geschieden wurde.“

„Sie ist eine wunderbare Frau, hat wieder geheiratet und bekommt gerade ihr drittes Baby. Wir haben uns in Freundschaft getrennt.“ Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Eloise mehr als die geschönte, für die Öffentlichkeit formulierte Version der Ereignisse zu geben. Nicht, dass es irgendwelche dunklen Geheimnisse gab, aber hoffentlich würde er ihr eines Tages erzählen können, woran seine so lange glückliche Ehe gescheitert war.

„Und seitdem bist du überzeugter Junggeselle geblieben, was?“, fuhr Eloise fort und zog eine Augenbraue hoch. „Obwohl du bei wichtigen gesellschaftlichen Anlässen immer eine attraktive Frau am Arm zu haben scheinst.“

„Du verfolgst meine Auftritte, Eloise? Ich bin geschmeichelt.“

„Dazu hast du absolut keinen Grund. Dein Foto ist ständig in sämtlichen Zeitungen. Jeder in der Stadt kann deine Auftritte verfolgen, ob er es will oder nicht.“

„Stimmt, aber ich bin nun mal der Bürgermeister.“ Er drückte ihre Hand ein zweites Mal, als die Limousine vor dem Waldorf Astoria Hotel hielt und die wartenden Fotografen ihre Kameras hoben. „Und heute Abend habe ich die attraktivste Frau, die ich kenne, an meinem Arm. Ich kann dir nicht sagen, wie stolz und glücklich ich mich fühle.“

Er nutzte ihr verblüfftes Schweigen, beugte sich zu ihr und küsste sie leicht auf die Wange. „Mrs. Vale, es ist mir eine Ehre, sie auf den Ball zu begleiten.“

„Ich wette, das sagen Sie zu allen Frauen, Herr Bürgermeister“, erwiderte sie trocken.

„Zu keiner anderen, Eloise. Das schwöre ich.“

„Dann danke … Herr Bürgermeister.“

Er warf ihr einen enttäuschten Blick zu. Sie wich ihm nicht aus, schwieg aber.

„Okay, wie du willst“, sagte er lächelnd, als der Chauffeur die Tür öffnete. „Bist du bereit?“

„Ja, das bin ich“, erwiderte sie und hielt seine Hand fest, während er ihr aus dem Wagen half und um sie herum Blitzlichter aufflackerten.

Bill legte den Arm um ihre Schultern und lächelte selbstsicher in die Kameras. Neben ihm wirkte Eloise kein bisschen nervös. Im Gegenteil – sie schenkte den Reportern ihr strahlendstes Lächeln. Und auf diese Weise ließ sie ihren Begleiter wissen, dass er sie nicht unterschätzen durfte.

Obwohl sie nicht zu ihrem Vergnügen auf den Ball zu Ehren des Bürgermeisters gegangen war, konnte Eloise sich nicht erinnern, jemals so viel Spaß gehabt zu haben. Sie hatte mit ihrem Mann an vielen gesellschaftlichen Ereignissen teilgenommen, sich jedes Mal darauf gefreut und war stets enttäuscht worden.

Doch seit sie Bill Harper die Tür zu ihrem Apartment geöffnet hatte, schien sich vor ihr eine Welt voller überraschender Möglichkeiten zu erstrecken – nicht nur an diesem Abend, sondern auch in der nächsten Zukunft.

Der Bürgermeister wirkte in ihrer Gegenwart vollkommen entspannt, und sie teilten so viele schöne Erinnerungen, dass ihre Versuche, zu ihm eine förmliche Distanz zu wahren, ihr zunehmend alberner vorkamen. Und je länger sie mit Bill Harper zusammen war, desto schwerer wurde es, in ihm einen erbitterten Gegner zu sehen. Irgendwann gab sie auf und beschloss, den Abend einfach nur zu genießen.

Er schien wirklich stolz darauf zu sein, mit ihr gesehen zu werden, und ließ sich gern mit ihr fotografieren. Nicht nur vor dem Hotel, sondern auch in dem großen, festlich geschmückten Ballsaal. Natürlich profitierte er vom Interesse der Medien an diesem Auftritt, aber das galt auch für sie. Denn es würde ihr erleichtern, die öffentliche Meinung für Manhattan Multiples und andere wohltätige Organisationen einzunehmen.

Je mehr sie sich jedoch vom Glamour und der Aufregung anstecken ließ, desto mehr rückte der eigentliche Grund ihrer Anwesenheit in den Hintergrund. Denn sie war zu sehr damit beschäftigt, sich in Bill Harpers liebevoller Aufmerksamkeit zu sonnen. Vielleicht war es genau das, was er wollte, aber auch er schien sich zu amüsieren.

Nachdem Bill ihr aus dem schwarzen Seidenmantel geholfen und ihn für sie an der Garderobe abgegeben hatte, nahm er zwei Gläser mit Champagner vom Tablett eines Kellners und führte sie durch den Ballsaal, in dem sich die einflussreichsten Männer und Frauen der Stadt drängten. Alle waren sie höchst elegant gekleidet und eifrig darauf bedacht, vom Bürgermeister wahrgenommen zu werden. Bill begrüßte jeden gleich freundlich und versäumte es nie, Eloise vorzustellen.

Als seine liebste Freundin. Und wenn er das sagte, lag in seinem Lächeln eine Wärme, die ihr ans Herz ging und sie glauben ließ, dass es keine leere Floskel war.

Manche Leute schienen überrascht, andere schienen irgendwie bestürzt zu sein, aber die meisten reagierten einfach nur erfreut. Schließlich war es durchaus möglich, dass zwei Menschen trotz ihrer gegensätzlichen Meinungen Freunde waren. Und obwohl nur wenige es wussten, hatten Eloise und Bill eine enge Beziehung gehabt, lange bevor es zwischen ihnen zum Streit um die Sparmaßnahmen der Stadt gekommen war.

Schließlich hatte er seine Pflicht als Ehrengast des Balls erfüllt und führte Eloise zum Büfett, wo er verlockende Leckerbissen auf einen Teller häufte. Dann ging er mit ihr in das für sie beide reservierte Separee, wo ein für zwei Personen gedeckter Tisch sie erwartete.

„Wie schön“, schwärmte Eloise, als sie saßen. „Wie hast du das geschafft?“

„Nun ja, immerhin bin ich der Bürgermeister.“

„Und der Mittelpunkt eines Balls, der dir zu Ehren gegeben wird. Ich hätte nicht gedacht, dass es zulässig ist, sich bei einem solchen Ereignis zurückzuziehen.“ Sie nahm sich eine winzige Quiche und biss hinein.

„Selbst der Bürgermeister von New York braucht hin und wieder eine Erholungspause. Oder sollte ich sagen, gerade er.“ Auch Bill nahm sich eine der Köstlichkeiten. „Vermutlich geht es dir bei deinen vielen Wohltätigkeitsveranstaltungen auch oft so.“

„Manchmal möchte ich lieber allein zu Hause sein, in bequemen Klamotten, auf der Couch, mit einem guten Buch und einer Tasse Tee“, gestand sie.

Autor

Nikki Benjamin
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