Tango mit Daisy

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Keine Sekunde länger will Daisy in der Nähe des arroganten Dante Galván verbringen! Doch da ihre Familie ihm viel Geld schuldet, muss sie sich wohl oder übel mit ihm arrangieren. Wenn nur der stolze Argentinier ihr Herz nicht so stürmisch pochen ließe...


  • Erscheinungstag 08.02.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787936
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Eine halbe Million Dollar?“, wiederholte Daisy Collingsworth ungläubig, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Ebenso gut könnten Sie mir die Pulsadern aufschneiden, Graf Galván. Da würde ich schneller verbluten.“

Drei Jockeys auf Vollblutpferden, deren Hufe feinen rötlich braunen Staub aufwirbelten, galoppierten donnernd vorbei.

Doch Dante Galván nahm keine Notiz von den trainierenden Jährlingen. „Umbringen will ich Sie nicht. Ich fordere nur meinen Anteil.“

„Den Löwenanteil“, erwiderte Daisy mühsam beherrscht und grub die Absätze ihrer Stiefel in den weichen Boden der Rennbahn. Sie konnte einfach nicht fassen, dass das Schicksal und die Fehlentscheidungen ihres Vaters ihr ganzes Leben aus den Angeln gehoben hatten. Das hätte niemals passieren dürfen. Die Familienfarm war unverkäuflich. So war es immer gewesen, und so musste es bleiben.

Ihr Einwand rührte den Grafen jedoch offensichtlich nicht. „Ich fordere nur, was mir zusteht.“

Unwillkürlich musste Daisy an einen Löwen denken, einen mächtigen Löwen, der sich majestätisch auf einem Felsen sonnte, während ein halbes Dutzend Löwinnen treu sorgend seine Arbeit erledigte.

Die Vorstellung machte sie wütend. Ja, er war Dante Galván, der Sohn eines früheren Geschäftspartners ihres Vaters, eines Mannes, der für seine zweifelhaften Geschäftspraktiken bekannt gewesen war. Doch sie würde sich nicht unterkriegen lassen. „Ich nehme mir einen Anwalt und gehe notfalls durch alle Instanzen.“

„Anwälte sind teuer, Miss Collingsworth. Und in diesem Fall wäre selbst ein Spitzenanwalt Geldverschwendung.“

Als Daisy ihn unterbrechen wollte, hob Dante Galván einen Finger, um sie zum Schweigen zu bringen.

„Und verzeihen Sie, wenn ich klischeehaft klinge“, fuhr er fort und sah sie nachsichtig, fast freundlich an. „Selbst mit einem guten Anwalt hätten Sie keinerlei Rechtsgrundlage, um gegen mich vorgehen zu können. Ihr Vater hat einen Vertrag unterzeichnet. Der Deckhengst stammt aus meinem Stall. Ihre Stute hat ein Fohlen zur Welt gebracht. Höchste Zeit, dass Sie endlich die Deckprämie bezahlen.“

Daisy brauchte sich den Vertrag nicht vorzunehmen. Sie wusste auch so, dass Galván für das Decken eine unerhört hohe Summe gefordert hatte. So unverschämt hoch, dass sie anfangs laut gelacht hatte, als sie die Klausel gelesen hatte. „Fast eine halbe Million Dollar, Graf Galván? Das soll doch wohl ein Scherz sein! Kein Hengst ist eine Deckprämie von einer halben Million Dollar wert.“

„Ihr Vater schien aber so zu denken.“

Unwillkürlich schoss Daisy das Blut ins Gesicht. „Mein Vater …“ Sie verstummte und kämpfte gegen die Übelkeit an, die sie zu übermannen drohte. Nach einem Augenblick fühlte sie sich ruhig genug, um es erneut zu versuchen. „Mein Vater konnte nicht mehr klar denken.“

Das zumindest kam der Wahrheit ziemlich nahe. Mehr von der Familientragödie durfte sie nicht preisgeben, schon gar nicht einem so berechnenden und selbstbezogenen Mann wie Graf Dante Galván gegenüber. Er war keinen Deut besser als sein geldgieriger, hinterhältiger Vater. Wie der Vater, so der Sohn.

Dante Galván kniff die Augen zusammen, und seine Züge verhärteten sich. „Keine Ausflüchte. Ihr Vater wusste genau, was er tat.“

„Reden Sie doch Klartext, Graf Galván! Ihr Vater wusste genau, was er tat. Und Sie wussten, wie sehr mein Vater ihn bewundert hat.“

„Wenn Sie glauben, an mein Mitgefühl appellieren zu können, liegen Sie falsch“, unterbrach er sie schroff. „Mein Vater und ich haben uns nie verstanden.“

„Das sagen Sie, obwohl er tot ist?“

„Das sage ich, gerade weil er tot ist. Der Tod ist keine Entschuldigung dafür, dass man zu Lebzeiten unfähig war.“

„Meine Güte, Sie sind eiskalt.“

„Nicht ganz.“ Ironisch lächelnd schob er seinen weichen Wildledermantel auseinander und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich bin durchaus nicht immun gegenüber der Notsituation einer schönen jungen Frau, die vor dem Bankrott steht. Ich verstehe sogar sehr gut, warum Ihr Vater Sie zu mir geschickt hat, Miss Collingsworth.“

Sein zufriedenes Lächeln erinnerte sie an den Gesichtsausdruck einer Raubkatze, die ihrer Beute sicher ist. Daisy schlug das Herz bis zum Hals. „Und warum sollte er das getan haben?“

„Um mich milde zu stimmen, mir Honig um den Bart zu schmieren und mehr Zeit herauszuschinden. Vielleicht auch, um meine Forderungen herunterzuhandeln?“

Wieder ließ sein Blick sie erröten. „Wenn mein Vater versuchen wollte, Sie milde zu stimmen, hätte er Zoe geschickt. Meine Schwester ist der Sonnenschein der Familie. Ich bin nur halb so charmant wie sie.“

Dante Galván legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Die Anspannung schien von ihm abgefallen zu sein, und seine attraktiven Züge wirkten jetzt völlig gelöst. „Sie versuchen also nicht, mir Honig um den Bart zu schmieren? Mich um einen Gefallen zu bitten?“

Unter dem weichen braunen Wildledermantel trug er einen hellbraunen Pullover, der seinen muskulösen Oberkörper betonte. Ein blendend aussehender Mann. Und für Daisy gab es nichts Schlimmeres als einen Mann, der genau wusste, wie gut er aussah.

Sie warf einen kritischen Blick auf sein dunkles Haar, das von der Sonne leicht aufgehellt war. Man brauchte den Kerl nur anzusehen! Er trug das Haar so lang, dass es ihm über den Kragen fiel. Und wie er vorhin gelangweilt seufzend mit den Fingern hindurchgefahren war! Mister Arroganz persönlich. Und jetzt stand er da, genoss seinen Sieg und forderte sein Geld.

Daisy wurde wütend. Dieser Mensch, der so viel besaß, wollte ihrer Familie jetzt auch noch das wenige nehmen, das ihr geblieben war.

„Ich würde es nicht als Gefallen bezeichnen“, bemerkte sie trocken. „Aber wir brauchen Zeit. Wir haben keine halbe Million Dollar auf dem Bankkonto. Nicht mal fünftausend. Aber wir könnten einen Zahlungsplan ausarbeiten …“

„Das hat Ihr Vater schon vor einem Jahr getan, aber bisher ist bei uns keine Zahlung eingegangen. Es ist überhaupt nichts geschehen.“

„Vorigen Monat habe ich Ihnen einen Scheck geschickt.“

„Ja. Und der war nicht gedeckt.“

Der Sarkasmus tat weh. Daisy spürte einen dumpfen Druck in der Magengegend. Es war schrecklich demütigend, daran erinnert zu werden.

Die Sache mit dem ungedeckten Scheck war ein sträflicher, dummer Fehler gewesen. So etwas passierte ihr normalerweise nicht. In der Eile, Rechnungen gerade noch rechtzeitig zu begleichen, hatte sie einen Besuch bei einem Geldautomaten in der Stadt vergessen. Zwar war die dort abgehobene Summe nicht übermäßig hoch gewesen, doch immerhin so groß, dass der Scheck an die Galváns nicht mehr gedeckt gewesen war.

Im Stillen verwünschte sich Daisy wegen ihrer Nachlässigkeit.

Wäre sie doch bloß ihre Automatenauszüge durchgegangen oder hätte mit dem Abschicken des Schecks an die Galváns noch einen Tag länger gewartet, dann wäre das alles nicht passiert.

Ohne diesen dummen Fehler hätte Graf Galván die verspätete Zahlung akzeptiert, und den Collingsworths wäre eine Atempause in ihrer prekären finanziellen Situation vergönnt gewesen.

Doch jetzt war Graf Galván hier, und er wollte Blut sehen.

Daisy richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und hielt seinem zynischen Blick stand. „Der Scheck wäre am folgenden Tag verrechnet worden, wenn Sie so lange gewartet hätten. Aber dazu waren Sie nicht bereit.“

Er wirkte keineswegs schuldbewusst. „Nein, das war ich nicht. Ich habe meine Lektion gelernt. Sie hatten gar nicht ernsthaft vor, Ihre Schulden zu begleichen, sondern haben alle möglichen Tricks …“

„Das ist nicht wahr!“, fuhr Daisy auf und bereute ihren Ausbruch sofort. „So war es nicht!“

Nun verengte Graf Galván die Augen und betrachtete ihre geröteten Wangen und die zusammengepressten Lippen. Leise, fast liebkosend sagte er: „Wie ist es dann, Daisy Collingsworth? Würden Sie es mir erklären?“

Er forderte eine Erklärung, doch in seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, der etwas ganz anderes zu sagen schien. Es war, als versuchte er, von einer geschäftlichen zu einer persönlichen Ebene zu wechseln. Eine seltsame Erregung durchströmte Daisy und verunsicherte sie. Mit einem Mann wie Dante Galván hatte sie noch nie zu tun gehabt und wusste nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte.

Sie atmete tief durch und grub ihre Fingernägel in die Handflächen. „Ich kann Ihnen sofort einen Scheck für die beiden letzten Monate ausstellen. Und ich verspreche Ihnen, dass so eine … Panne nie mehr vorkommen wird. Dafür gebe ich Ihnen mein Wort.“

Graf Galván zuckte leicht die Schultern. „Tut mir leid, aber das nützt mir nichts.“

Daisy war, als hätte er ihr einen Schlag versetzt. Sie atmete tief ein und versuchte, sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Der Mann hatte keine Ahnung, wie schwer sie im vergangenen Jahr gearbeitet, wie viele Opfer sie gebracht hatte, um genug Kapital für wenigstens eine Monatszahlung aufzubringen.

Mistkerl! Ihr brannten die Augen, doch sie kämpfte gegen die Tränen an. Dieser Mann war eiskalt. Er war so reich, so erfolgreich und hatte keine Ahnung, wie es war, mit jedem Cent rechnen zu müssen, alles zusammenzukratzen und auf die grundlegendsten Dinge zu verzichten, um einige wenige Dollar aufzubringen.

Und wofür?

Für ein Gestüt. Eine bankrotte Pferdefarm, die sich seit vier Generationen im Besitz der Familie befand.

Bei dem Gedanken an die Farm nahmen Daisys Schuldgefühle immer mehr zu. Sie hasste sie nicht. Im Gegenteil – sie liebte sie, hing sehr an ihr. Die Farm war ihr Leben. Sie bedeutete ihr alles – die Pferde, das Land, die Gebäude – all das war ihr Zuhause. Zum Teufel mit Dante Galván, wenn er glaubte, ihr das alles nehmen zu können!

Daisy straffte sich, sodass die Absätze ihrer Stiefel noch tiefer in den weichen Boden sanken. „Mein Wort mag Ihnen nichts bedeuten, aber unser Geld sollte es tun. Sie wollen bezahlt werden, und ich versichere Ihnen, dass Sie zu Ihrem Geld kommen werden. Ich schreibe den Scheck gleich hier aus, und Sie begleiten mich zur Bank.“

„Und nächsten Monat? Was ist in dreißig Tagen?“

Er versuchte, sie herauszufordern, doch sie ließ sich darauf nicht ein. „Sie bekommen Ihr Geld. Pünktlich.“

„Und was ist mit dem darauf folgenden Monat?“

„Hören Sie auf!“ Sie versuchte, ruhig und beherrscht zu wirken. Für ein freundliches Lächeln war sie allerdings zu müde. Ihr Vater hatte sich gestern Abend sehr aufgeregt, und statt Zoe zu wecken, wie sie vereinbart hatten, hatte Daisy ihre jüngere Schwester schlafen lassen. Zoe brauchte Ruhe. Nach dem unerfreulichen Abend hatte Daisy eine schlaflose Nacht hinter sich, und Graf Galváns herablassende Art nervte sie zunehmend.

Er verzog die vollen, sinnlichen Lippen. „Miss Collingsworth, ich will nicht unhöflich sein, sondern Ihnen nur klarmachen, dass ich es mir nicht leisten kann, auf das Geld zu warten. Ihre Farm steckt eindeutig in Schwierigkeiten. Wenn Sie die Schulden jetzt nicht begleichen, werden Sie es vermutlich nie tun.“

Sie war groß, mit Stiefeln einen Meter fünfundsiebzig, doch Graf Dante Galván überragte sie noch um mehr als einen Kopf. Trotzig legte Daisy den Kopf in den Nacken und sah ihm ins Gesicht. „Es macht Ihnen Spaß, unter die Gürtellinie zu zielen, nicht wahr?“

„Nicht bei einer Frau … und schon gar nicht einer Frau wie Ihnen.“

Eine seltsame Wärme durchströmte sie. Sie wandte den Blick ab und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

Sein sinnlicher Ton brachte sie ebenso durcheinander wie seine Worte. Aber sie hatten nichts zu bedeuten, und Schmeicheleien ließen sie kalt. „Wir besitzen schließlich noch das Haus und müssen es nicht verkaufen …“

„Aber das Anwesen ist mit einer zweiten und dritten Hypothek belastet, und Sie sind mit den Zahlungen an die Bank im Rückstand.“

Woher wusste er das? Daisy fühlte sich elend. „Aber die Bank wird uns nicht pfänden. Ich arbeite gerade einen Zahlungsplan mit den Leuten aus.“

„So wie Sie an einem Zahlungsplan für mich arbeiten?“

Ihr wurde speiübel, und sie befürchtete, sich übergeben zu müssen, doch sie riss sich zusammen und kämpfte dagegen an.

Eine so qualvolle Situation hatte sie noch nie erlebt. Sie, die so stolz war, musste sich diese Erniedrigung gefallen lassen. Die armen Collingsworths, die hilflosen, vom Glück verlassenen Collingsworths …

Nein. Das würde sie nicht einfach hinnehmen. Sie hatten schwer zu kämpfen, doch endgültig verloren hatten sie noch nicht. Sie würde einen Weg finden, finanziell wieder auf die Beine zu kommen, und ihre Familie irgendwie aus diesem Jammertal herausschleusen.

Daisy schob die Krempe ihres Cowboyhuts zurück. Ihr langer blonder Pferdeschwanz fiel ihr schimmernd über die Schulter. „Graf Galván, ich weiß, dass wir Ihnen als Deckgebühr fast eine halbe Million Dollar schulden, und ich weiß auch, dass zwei kleine Monatszahlungen Ihnen wie ein Tropfen auf den heißen Stein erscheinen müssen, aber ich versuche immerhin, unsere Schulden zu bezahlen. Wenn ich Sie jedoch nicht dazu bringen kann, mir entgegenzukommen, und dazu kann ich Sie letztlich nicht zwingen, werde ich einen Anwalt aufsuchen und mich juristisch beraten lassen …“

„Juristisch beraten lassen?“, fragte er täuschend sanft.

„Konkursrecht“, fuhr Daisy rasch fort. Ihr war nicht entgangen, dass Graf Dante Galván die Lippen zusammenpresste und dass seine Züge einen harten Ausdruck angenommen hatten.

„Muñeca, Sie wollen mich vor Gericht bringen?“

Sein sinnlicher Ton jagte ihr Schauer über den Rücken, doch Daisy ließ sich nicht einschüchtern. „Ich könnte beim Konkursgericht ein Reorganisationsverfahren beantragen. Sie wissen schon: Bei Zahlungsunfähigkeit bleibt das Unternehmen unter Aufsicht des Gerichts weiterhin tätig. Während wir unsere Schulden neu zu ordnen versuchen, wären wir geschützt. Dann würden Sie sehr lange keinen Cent sehen.“

Graf Dante Galván sagte nichts. Er sah sie nur an. Verächtlich. Erstaunt. Damit hatte er nicht gerechnet.

Jetzt hätte Daisy triumphieren müssen, stattdessen war sie äußerst angespannt. Nur Dummköpfe machten sich die Galváns zum Feind. Schließlich handelte es sich um eine äußerst einflussreiche Familie. Ihr, Daisys, Vater hatte sich stets gescheut, sich mit dem verstorbenen Tino Galván anzulegen.

Glücklicherweise klingelte in diesem Moment Dante Galváns Handy. Er griff in die Innentasche seines Wildledermantels und holte das kleine Mobiltelefon hervor, das kaum größer als eine Kreditkarte war und dem neusten Stand der Technik entsprach. Für einen Graf Dante Galván war das Beste und Teuerste gerade gut genug.

Während er sich etwas entfernte und telefonierte, betrachtete Daisy ihn – das dunkle Haar, den konzentriert geneigten Kopf, die gesenkten Wimpern, die den Ausdruck seiner Augen verdeckten. Unvermittelt sah er auf und fing Daisys Blick auf.

Fragend zog er die Augenbrauen hoch, als wollte er sagen: Nun? Gefalle ich Ihnen?

Daisy errötete, und ihr wurde heiß. Wie konnte sie diesen Mann interessant finden? Er war oberflächlich, eingebildet, verwöhnt. Und er … nein, sie wollte nicht einmal über ihn nachdenken, keine kostbare Sekunde an ihn verschwenden.

Wortlos drehte sie sich um und ging steifen Schrittes zum Wegrand zurück. Dort atmete sie tief durch, lehnte sich an die sauber gestrichene Einfriedung der Koppel und wartete, dass die drei Jährlinge um die Kurve kamen.

Das Donnern ihrer Hufe ließ die Erde erbeben, und Daisy konnte es bis in die Beine spüren. Sie sah zu, wie die Pferde herangaloppierten, dann beugte sie sich über das Gatter, um die Tiere besser sehen zu können. Sie hielt den Atem an, als das Trio so schnell vorbeipreschte, dass die gelbrot gekleideten Jockeys nur verschwommen wahrzunehmen waren.

Prachtvolle Tiere!

Einen kurzen Augenblick lang vergaß Daisy alles – ihren Vater, die Schulden, Dante Galván – und genoss den Anblick der herrlichen Tiere.

Ihre Aufmerksamkeit galt ganz den Jährlingen, ihren langen Beinen, die förmlich zu fliegen schienen, den samtigen gewölbten Nacken, den peitschenden Schweifen. Ihre Pferde, ihre Farm, ihre Zukunft.

„Wenn Sie vors Konkursgericht gehen, können Sie das Collingsworth-Gestüt gleich dichtmachen“, ertönte Dante Galváns Stimme hinter ihr. „Pferde sind ein bedeutender Wirtschaftszweig, besonders hier in Kentucky. Mit den Investitionen der Leute spielt man nicht.“

Daisy fuhr zusammen. Sie hatte nicht gemerkt, dass Dante Galván das Telefonat beendet hatte und ihr gefolgt war.

„Das weiß ich“, erwiderte sie kühl, ohne sich umzudrehen. Seine überlegene Art nervte sie. Er hielt sich für etwas Besseres, weil er Geld besaß und sie nicht. „Aber die Menschen hier wissen auch, dass die Collingsworths ehrbare Leute sind. Wir sind seit über achtzig Jahren im Geschäft und haben auch schon vorher schwierige Zeiten erlebt und überlebt.“

Er antwortete nicht sofort. Doch Daisy dachte nicht daran, ihn anzusehen. Er mochte sie unter Druck setzen, aber sie war entschlossen, nicht klein beizugeben.

Das Schweigen hielt an. Endlich sagte er: „Wo ist Ihr Vater?“

Sein Ton war jetzt nicht mehr so schroff, eher versöhnlich. Daisy drehte sich halb um und sah ihn an. „Er hat sich vom Geschäft zurückgezogen.“

„Ich halte das für keinen guten Zeitpunkt, um sich zur Ruhe zu setzen.“

„In unserer Branche ist dafür nie der richtige Zeitpunkt.“

Dante Galván presste die Lippen zusammen. „Aber er hat Ihnen diesen … Schlamassel hinterlassen?“

„Der Schlamassel, wie Sie es nennen, ist unsere Farm, und ja, ich leite sie jetzt. Also werden Sie leider mit mir verhandeln müssen.“

„Ach, das halte ich eher für einen glücklichen Umstand“, widersprach er leise.

Das war das Letzte, was Daisy erwartet hätte. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt, und sie erschauerte.

Mit seiner sarkastischen, einschüchternden Art konnte sie umgehen, aber das …

Es war wie ein sinnliches Vorspiel. Doch in sexuellen Dingen kannte sie sich nicht aus. Als Frau traute sie sich nicht viel zu. Sie wusste, sie war klug und stark, doch was die Beziehung zwischen Mann und Frau betraf …

Um zu verbergen, dass ihre Hände vor Nervosität bebten, schob sie sie in die Taschen ihrer Jeans. Plötzlich wusste sie nicht mehr, wie sie dieses Gespräch führen sollte.

Früher hätte sie zugeschlagen. So war sie aufgewachsen. Probleme löste man auf diese Weise. Doch sie war seit Jahren nicht mehr handgreiflich geworden … seit Tommy Wilcox die dreizehnjährige Zoe wegen ihrer Zahnspange gehänselt hatte. Damals war Tommy mit einem blauen Auge, einem angeschlagenen Selbstwertgefühl und neuem, gesundem Respekt für die Collingsworth-Schwestern abgezogen.

Was hätte Daisy dafür gegeben, Dante Galván die gleiche Lektion erteilen zu können.

Doch die Zeiten, in denen sie Konflikte mit ihren Fäusten ausgetragen hatte, waren vorbei. Mit vierundzwanzig wusste Daisy, dass sie mit heftigen Ausbrüchen die Probleme ihrer Familie nicht lösen konnte. Um aus dieser Krise herauszukommen, musste sie einen kühlen Kopf bewahren.

Dante blickte auf die Uhr und strich dann seufzend den Ärmel glatt, sodass seine goldene Uhr wieder bedeckt war. „Sosehr ich unser trautes Beisammensein genossen habe, in Buenos Aires gibt’s Probleme. Ich muss ins Hotel zurück und mich darum kümmern. Aber ich komme wieder, Miss Collingsworth. Und zwar schneller, als Sie glauben.“

Nett zu sein lag ihm einfach nicht. Dennoch rang Daisy sich ein Lächeln ab. „Ist das ein Versprechen, Graf Galván, oder eine Drohung?“

Unvermittelt lachte er. Die frühe Morgensonne schien auf seinen Kopf, sodass es aussah, als trüge er einen Heiligenschein. In diesem Moment wirkte er unglaublich stark und energiegeladen. „So leicht werden Sie mich nicht los.“

Wieder erschien in seinen Augen jener seltsame Ausdruck, der fast so etwas wie persönliches Interesse signalisierte. Was wollte Dante Galván? Daisy war sich seiner Nähe überdeutlich bewusst. Sie waren einander fremd und doch irgendwie sehr nah. Eine merkwürdige Situation. „Ich komme nachher wieder“, setzte er hinzu.

Innerlich erschauerte Daisy, und sie wich instinktiv einen Schritt zurück. „Bis Mittag habe ich Termine“, erklärte sie kühl. Er brauchte nicht zu wissen, dass sie ihrem Vater zu Hause bei der morgendlichen Arbeit half.

„Dann sehen wir uns nach dem Mittagessen. Ich möchte Ihre Bücher durchgehen, die Unterlagen einsehen.“

„Die sind vertraulich.“

„Daisy, ich versuche, unser Problem möglichst zivilisiert zu lösen. Wir müssen uns nicht bekriegen …“

„Haben Sie Angst, Sie könnten verlieren?“

Er lächelte schwach, dann schüttelte er bedauernd, fast nachsichtig den Kopf. „Nein. Sie würden verlieren. Und zwar alles.“

Klopfenden Herzens fuhr Daisy die kurze Strecke nach Hause. Graf Dante Galváns abschließende Bemerkung machte ihr Angst. Nicht, dass sein Ton brutal gewesen wäre. Keineswegs. Er hatte sogar erstaunlich sanft gesprochen. Doch es beunruhigte sie, dass er letztlich recht hatte. Juristisch, moralisch und finanziell. Sie schuldeten ihm sehr viel Geld.

Daisy parkte den alten Lieferwagen vor dem Haus und stieg die Stufen hinauf, die zur überdachten Veranda führten. Ein schwacher Hauch von Zitronenöl und der würzige Duft altenglischer Rosen, die ihre Mutter vor über zwanzig Jahren gepflanzt hatte, erfüllte die Luft.

Daisy öffnete die Haustür des zweigeschossigen viktorianischen Farmhauses, streifte sich den Hut vom Kopf und schüttelte ihren Pferdeschwanz aus, sodass ihr das lange blonde Haar über die Schultern fiel. Den Hut warf sie aufs Treppengeländer, würdigte den Spiegel keines Blickes, und ging direkt in die Küche.

Die zwanzigjährige Zoe war an der Spüle mit Tellern und Töpfen beschäftigt und drehte sich um. Sie trug das lange blonde Haar in einem Knoten, und obwohl Daisy vier Jahre älter war als sie, wurden beide von den Leuten oft für Zwillinge gehalten.

„Wieder Anrufe“, berichtete Zoe leise. In ihren blauen Augen lag ein ängstlicher Ausdruck. „Heute schon fünf.“

Ständig riefen Gläubiger an. Oft schon frühzeitig, vor sieben. Daisy zog sich der Magen zusammen, doch sie rang sich ein Lächeln ab, um ihre Schwester aufzumuntern. „Schon gut, Zoe. Ich ruf sie am Nachmittag an.“

Rittlings setzte Daisy sich auf einen lederbezogenen Küchenstuhl, rieb sich die Schläfen und versuchte, sich von den Sorgen nicht unterkriegen zu lassen, die mit jedem Tag drückender wurden. „Wie geht’s Dad heute Morgen?“

Ihre Schwester lehnte sich an die Spüle und wischte sich die nassen Hände ab. Eine blonde Locke hatte sich aus dem Knoten gelöst und streifte Zoes Wange. „Nicht besonders. Er hat immer wieder nach Mom gefragt.“ Einen Augenblick lang blickte sie starr auf ihre Hände, dann trocknete sie sie geistesabwesend im Geschirrtuch ab.

Daisy beobachtete ihre Schwester, deren Angst unübersehbar war.

Endlich blickte Zoe auf, und in ihren Augen glitzerten Tränen. „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich ihm sagen soll.“

Traurig dachte Daisy: Schrecklich, dass Zoe das alles durchmachen muss. Sie hatte nicht mal aufs College gehen oder von zu Hause ausziehen können. Vom unschuldigen Teenager war sie ohne Übergang in die Rolle eines Erwachsenen gedrängt worden.

Ich bin ein Versager, dachte Daisy. Sie hätte Zoe vor all dem bewahren, sie besser schützen müssen. „Tut mir leid, Zoe“, sagte sie leise.

Ihre Schwester umklammerte das Geschirrtuch so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Was soll ich nur sagen, wenn Dad nach Mom fragt?“

Daisy war die Kehle wie zugeschnürt. „Am besten wohl die Wahrheit.“

„Aber wenn ich ihm die Wahrheit sage, weint er.“ Flehend sah Zoe ihre Schwester an, und ihre Lippen bebten. In ihren blauen Augen lag ein hilfloser, gequälter Ausdruck. „Daddy wird nicht mehr gesund, nicht wahr?“

Wortlos stand Daisy auf und ging zur Treppe. Sie konnte nicht antworten, brauchte es auch nicht. Sie beide kannten die Antwort.

Vielleicht sollte er, Dante Galván, Daisy die Schulden erlassen. Nicht mal eine halbe Million Dollar! Was war das schon? Besonders jetzt, nachdem er das Vermögen der Galváns zurückgewonnen hatte. Wenn er Daisy Collingsworth jedoch ungeschoren davonkommen ließ, würden seine Gegner davon erfahren und die Geste öffentlich als Schwäche anprangern. Sie versuchten, seine Achillesferse zu finden, waren sicher, ihn eines Tages dort treffen zu können.

Und möglicherweise würde es ihnen auch gelingen. Seufzend ging Dante in seiner Hotelsuite auf und ab und nahm das Handy in die andere Hand.

Da waren die Probleme mit der Übernahme von Zimco. Und dann der Ärger mit seiner Halbschwester, der siebzehnjährigen Anabella.

Der Tag hatte wenig erfreulich begonnen und versprach, noch aufreibender zu werden. Er musste sich mit seiner Stiefmutter auseinandersetzen, die erst aus dem Bett fand, nachdem sie ein, zwei Glas Wodka getrunken hatte. In Argentinien musste es jetzt fast Mittag sein, das bedeutete, dass Marquita inzwischen eine halbe Flasche geleert haben dürfte.

Alles wäre so viel leichter gewesen, wenn seine Familie ihm gleichgültig wäre. Dann hätte er ihr und der unglaublichen Schuldenlast, die sein Vater ihnen hinterlassen hatte, einfach den Rücken gekehrt und sein Leben selbst in die Hand genommen.

Doch leider – und Gott sei Dank – war er nicht wie sein Vater. Er war stolz darauf, für seine jüngeren Schwestern sorgen zu können. Damit bewies er, dass er genau das Gegenteil von seinem Vater war.

Marquitas schrille Stimme rief Dante in die Gegenwart zurück. Das Handy ans Ohr gepresst, ging er unruhig in der Suite auf und ab. Seine Stiefmutter war noch betrunkener als sonst. Sie musste einen Liter getrunken und bereits eine neue Flasche angefangen haben.

„Was hat Anabella jetzt schon wieder angestellt?“, fragte er übertrieben geduldig.

Prompt folgte eine unzusammenhängende Tirade über Anabella und die Jungen, die aus der Schule geflogen waren.

Dante schloss die Augen und atmete tief durch. „Wo ist sie jetzt?“

„In der Schule natürlich. Sie kann nicht herkommen.“

„Und warum nicht? Sie ist deine Tochter.“

„Weil ich nicht mit ihr fertig werde. Ich kann mich nicht auch noch mit ihren Problemen belasten. Schließlich habe ich genug eigene.“

Ja. Alkohol, Trägheit, Verschwendungssucht. Dante presste die Lippen zusammen, um seiner Empörung nicht gleich Luft zu machen. Warum hatte seine Stiefmutter überhaupt Kinder in die Welt gesetzt? Und auch noch drei. Wie konnte sie sich einfach so ihrer Verantwortung für ihre drei Sprösslinge entziehen?

Autor

Jane Porter
Bereits in der Grundschule schrieb Jane ihr erstes Manuskript: Es war 98 Seiten lang und wurde von einem Jungen in ihrer Klasse zerrissen. Jane weinte, der Junge musste die zerrissenen Seiten zusammenkleben und kam mit einer Verwarnung davon, während Jane fürs Schreiben im Unterricht bestraft wurde und so lernte, dass...
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