Tango, Stars und Leidenschaft

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Für seine Tanzshow ist Roxanne die Richtige – das weiß Nick Torres genau. Die Herzen des Publikums erobert sie sofort. Und auch in Nick entfacht sie ein sinnliches Feuerwerk. Aber kann er Roxanne wirklich geben, wonach sie sich sehnt?


  • Erscheinungstag 22.08.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535434
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Roxanne Deveraux saß an ihrem Esstisch, um sie herum lagen Ahnentafeln. Plötzlich wurde die Haustür mit voller Wucht zugeknallt. Sie zuckte zusammen. Portia. Niemand schlug die Tür so zu wie ihre Schwester.

Portia stürmte ins Esszimmer und warf ihre Handtasche sowie einen Stapel Drehbücher mitten auf die auf dem Esstisch ausgebreiteten Papiere. „Deine wöchentliche Drehbuchlieferung von Mom und Dad“, bemerkte sie sarkastisch und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen.

„Was ist los?“, fragte Roxanne. Sie schlug einen betont sanften Tonfall an, um ihre sichtlich aufgebrachte Schwester zu beruhigen. Roxanne war es gewohnt, diejenige zu sein, die die Wogen glättete. Fast die erste Hälfte ihres Lebens war sie der ruhende Pol der Familie gewesen, die stets im Chaos zu versinken drohte.

„Erzähle ich dir gleich … Erst einmal zu dir. Ist dir klar, dass du im Netz für Aufsehen sorgst?“, fragte Portia, während sie ihr iPad aus der Tasche zog und über das Display scrollte. „Seit drei Tagen wird überall von dir gesprochen.“

„Ich habe nichts Besonderes gemacht.“

„Es reicht, dass du für fünf Minuten als Leiche bei Bayside PD auf dem Bildschirm erscheinst. Immerhin ist das momentan die erfolgreichste Polizeiserie.“

„Ich war vorher sogar dreißig Sekunden lang am Leben“, korrigierte Roxanne ihre kleine Schwester belustigt. Die Schauspielerei war inzwischen Roxannes kreatives Hobby geworden, das ihr vor allem dazu diente, Kunden für ihre Tätigkeit als Ahnenforscherin zu gewinnen. Da viel über Mund-zu-Mund-Propaganda lief, waren berühmte Kunden von unschätzbarem Wert. Außerdem konnte Roxanne so weiterhin Mitglied in der Gewerkschaft für Schauspieler, der Screen Actors Guild, bleiben, über die sie auch kranken- und rentenversichert war. „Die Bezahlung war gut und ein paar hübsche Kollegen waren auch dabei“, sagte Roxanne augenzwinkernd.

„Mom und Dad hat es überhaupt nicht gefallen. Mom meint, du verschwendest dein Talent.“ Portia deutete auf den Stapel Drehbücher. „Außerdem verdienst du mit diesen kleinen Rollen Geld, das nicht ihnen gehört. Das ärgert sie natürlich noch mehr.“

„Ich verdiene mit den kleinen Rollen genau das, was ich brauche. Wenn sie sich darüber ärgern, umso besser.“ Nach all den Jahren, in denen schon Funkstille zwischen Roxanne und ihren Eltern herrschte, versuchten sie immer noch, sich in ihr Leben einzumischen.

Für zwei Frauen, die von denselben Eltern stammten, sahen die beiden Schwestern sich nicht besonders ähnlich. Wenn man genau hinsah, konnte man an den hohen Wangenknochen, den großen braunen Augen und den elegant geschwungenen Lippen erkennen, dass die beiden verwandt waren.

Ansonsten überragte die sehr schlanke und durch tägliches Yoga und Joggen muskulöse Roxanne mit ihren ein Meter siebenundsiebzig ihre sechs Jahre jüngere Schwester Portia um einen guten Kopf. Auch war Portia, die sich lieber mit Kampfsport fit hielt, wesentlich kurviger und femininer gebaut. Roxannes lockiges Haar war in einem modischen Schnitt in Form gebracht, während Portia ihr Haar glätten ließ und in einem stylischen Bob à la Naomi Campbell trug. Außerdem waren Portias goldbraune Haut und ihre bernsteinfarbenen Augen eine Nuance dunkler als die ihrer großen Schwester.

Roxanne fühlte sich am wohlsten in lässiger Freizeitkleidung. Heute trug sie jedoch einen schwarzen Bleistiftrock und dazu eine leuchtend rote Lederjacke, die um die Taille mit einem Gürtel zugebunden wurde, schwarze Pumps mit Kitten Heels und ein goldenes Medaillon um den Hals. Portia, die generell mehr Wert auf modisches Aussehen legte und stets nach dem neuesten Trend gekleidet war, hatte sich heute mit einer elfenbeinfarbenen Anzughose, einem kurzen schwarzen Jackett und einem bunt gemusterten Tuch von Hermès in Schale geworfen. Um ihren Hals hing eine Platinkette mit einem Panther als Anhänger, dessen smaragdgrüne Augen vor dem Hintergrund der schwarzen Jacke funkelten.

„Um noch mal auf den eigentlichen Grund deines Ärgers auf Mom und Dad zu sprechen zu kommen“, sagte Portia seufzend. „Mom und Dad wollen, dass ich dich überrede, dass du dich wieder von ihnen vertreten lässt. Du hast immer noch Einnahmen aus Family Tree und sie wollen ihren Anteil daran.“

Die Tantieme aus der Familiensitcom, in der Roxanne als Kind und Jugendliche mitgespielt hatte, waren immer noch ansehnlich, auch wenn sie jedes Jahr geringer ausfielen, weil immer seltener Wiederholungen ausgestrahlt wurden.

Portia nahm das Drehbuch, das auf dem Stapel zuoberst lag, in die Hände. „Ich soll dich dazu überreden, bei diesem Film mitzuspielen.“ Sie hielt es Roxanne hin. „Wenn du die Rolle annimmst, könnte Dad mit der Vermittlungsgebühr seine Steuerschulden begleichen. Du warst immer diejenige in der Familie, die das meiste Geld nach Hause gebracht hat. Dagegen sind meine Einnahmen aus Werbefilmen und als Synchronsprecherin Peanuts. Außerdem erhoffen Mom und Dad sich positive PR, wenn du wieder mit ihnen zusammenarbeitest. Seitdem das Gericht ihnen das Sorgerecht für dich entzogen hat, ist ihr Ruf angeknackst.“

„Warum sollte ich Dad dabei helfen wollen, seine Steuerschulden zu begleichen? Er ist ein erwachsener Mann und seine Schulden sind nicht unser Problem. Wenn er seine Einkünfte ordnungsgemäß versteuert hätte, säße er heute nicht in der Patsche.“ Und wenn er sich nicht einfach hemmungslos von meinem Treuhandkonto bedient hätte, ohne jemals zu erklären, wofür er das Geld braucht, fügte Roxanne im Stillen hinzu.

„Er braucht mindestens noch zwei Jahre, um alles abzuzahlen. Und wenn er die Raten nicht rechtzeitig bei Fälligkeit bezahlt, muss er ins Gefängnis. Ich zähle schon die Tage, wann ich endlich genug verdient habe, um aufzuhören.“ Portia arbeitete hart, um ihren Traum, Tiermedizin zu studieren, irgendwann verwirklichen zu können. In ihrer Freizeit arbeitete sie ehrenamtlich im Zoo von Los Angeles.

Immer wieder hatte Roxanne Portia angeboten, ihr das Geld für das Studium zu geben. Doch Portia wollte sich nicht von Roxanne helfen lassen, da sie sonst das Gefühl gehabt hätte, ihre ältere Schwester ebenso auszubeuten wie ihre Eltern.

„Mom und Dad setzen mich unter Druck. Sie wollen, dass ich mich noch einmal für zwei Jahre von ihnen unter Vertrag nehmen lasse. Aber ich habe die Nase voll vom Showbusiness und inzwischen habe ich schon fast genug zur Seite gelegt, um mir das Studium finanzieren zu können. Ich fühle mich so schuldig, ich weiß gar nicht, was ich machen soll.“

„Du warst schon immer die liebe Tochter“, bemerkte Roxanne und gab ihrer Schwester einen Kuss auf die Wange.

Portia runzelte die Stirn. „Ich wäre lieber wie du. Die kluge, starke, die ihren eigenen Weg geht. Du hast es geschafft, abzuhauen.“

Roxannes Eltern hatten es ihr nie verziehen, dass sie sich mit sechzehn Jahren von ihnen losgesagt hatte. Nachdem sie elf Jahre eine Rolle in der beliebten Sitcom Family Tree gehabt hatte, wollte sie dem Showbusiness den Rücken kehren und ihre Karriere als professionelle Schauspielerin an den Nagel hängen. Die Branche beurteilte Schauspielerinnen immer erbarmungsloser nach ihrem Aussehen. Talent spielte eine weitaus geringere Rolle. Roxanne war es leid gewesen, den Vorstellungen, die sich andere von ihr machten, entsprechen zu müssen. Ermutigt von ihrer Großmutter hatte sie einen vorgezogenen Highschoolabschluss gemacht und sich anschließend um einen Studienplatz in Berkeley beworben. Im Alter von zwanzig Jahren hatte sie die renommierte Universität mit einem Abschluss in Geschichtswissenschaften verlassen. Seitdem hatten ihre Eltern kein Wort mehr mit ihr gewechselt.

Und dann hatte Roxanne, die sich schon immer für Ahnenforschung und Genealogie interessiert hatte, aus ihrem Hobby einen Beruf gemacht. Die vergangenen Jahre hatte sie damit verbracht, sich einen soliden Kundenstamm aufzubauen. Ihr Ziel war es, irgendwann ganz davon leben zu können.

„Du siehst toll aus“, stellte Portia anerkennend fest und musterte Roxannes Outfit. „Aber du hättest die Stilettos dazu anziehen sollen. Ich weiß, dass sie dich noch zehn Zentimeter größer machen, aber deine Beine sehen darin einfach unglaublich sexy aus. Jeder Mann im Restaurant würde dir hinterherstarren.“

Roxanne wollte gar nicht, dass ihr jeder Mann hinterher starrte … und dabei zusah, wie sie mit ihren Stilettos auf die Nase fiel. Roxanne fühlte sich auf zu hohen Schuhen einfach nicht wohl.

Portia griff sich in den Nacken und öffnete den Verschluss ihrer Halskette. „Nimm das Medaillon ab und nimm die hier.“

„Als ob Nancy darauf achten würde, was ich anhabe.“

Roxanne hatte Nancy vor einigen Jahren kennengelernt, als sie eine kleine Rolle in einer von Nancys Ehemann Mike produzierten Sitcom spielte. Roxanne hatte für eine der Kolleginnen am Set eine Ahnentafel erstellt, Nancy hatte davon gehört und war selbst neugierig geworden. Sie hatte Roxanne mit den Nachforschungen nach ihren Vorfahren beauftragt und im Laufe der Zusammenarbeit hatten die beiden sich angefreundet. Auch Portia, die Roxanne gelegentlich bei ihren Recherchen unterstützte, hatte Nancy damals kennengelernt und war seitdem ebenfalls mit der älteren Frau befreundet.

Roxanne legte sich die schwere Platinkette um den Hals und betrachtete sich in dem Spiegel über dem Sideboard. Sie trug das Haar zu einem Dutt hochgesteckt. Die Halskette war wie das Tüpfelchen auf dem I, das noch gefehlt hatte, um ihr Styling perfekt zu machen. Die Kette betonte Roxannes langen schlanken Hals. Wenn es um die Komplettierung eines Outfits ging, war auf Portias Geschmack hundertprozentig Verlass.

„Du weißt genau, wie wichtig Nancy das Auftreten ist. Sie erwartet von dir eine gewisse Eleganz“, erwiderte Portia nur, öffnete die Haustür und deutete auf ihren Wagen. „Komm jetzt, du weißt, wie sehr Nancy es hasst, wenn man sie warten lässt.“

„Nancy“, sagte Roxanne zur Begrüßung, als der Kellner sie an den Tisch zu Nancy geführt hatte. Sie war überrascht, dass Nancy schon vor ihnen eingetroffen war. „Ich hoffe, wir sind nicht zu spät.“ Seitdem Nancy angerufen hatte, um sich mit ihnen zum Lunch in ihrem Lieblingsrestaurant Believe zu verabreden, hatte Roxanne sich gefragt, was wohl der Grund für die Einladung sein mochte.

Nancy Bertram war eine außergewöhnlich zierliche Frau. Sie maß kaum einen Meter fünfzig und ihre Taille war so schmal, dass Roxanne sich fast nicht vorstellen konnte, dass Nancy ihre zwei Söhne, die inzwischen große, kräftige Männer waren, geboren haben sollte. Außerdem hatte sie einen unfehlbar guten Geschmack, wie sie heute mit den pfirsichfarbenen Louboutins und dem farblich darauf abgestimmten Chanel-Kostüm wieder einmal bewies.

„Warum wolltest du mich unbedingt sehen? Ich hatte den Eindruck, es geht um etwas Wichtiges.“

Nancy grinste. „Mein Mann hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du bei Celebrity Dance mitmachen würdest.“ Mike produzierte verschiedene Shows, unter anderem auch diese erfolgreiche Tanzshow.

Roxanne rutschte das Herz in die Hose. Tanzen? Im Fernsehen? Das war keine Schauspielerei, sondern eine Koordinationsübung … eine, die sie niemals bestehen würde.

„Was? Warum ich?“ Celebrity Dance wurde erst seit einem Jahr ausgestrahlt, war allerdings so erfolgreich, dass es Dancing with the Stars schon beinah den Rang abgelaufen hatte. Roxanne konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie zu der Show beitragen sollte. Weder fühlte sie sich besonders graziös, noch hatte sie ein ausgeprägtes Talent zum Tanzen. Im Gegenteil, Roxanne fühlte sich ausgesprochen unbeholfen.

„Hast du die Kommentare im Internet nach deiner Gastrolle bei Bayside PD mal durchgelesen? Obwohl es nur eine winzige Rolle war, hast du wahnsinnig Eindruck gemacht. Die Leute wollen mehr von dir sehen.“ Nancy lächelte sie gewinnend an. „Fehlt dir das Rampenlicht nicht manchmal?“

Ob ihr das Rampenlicht fehlte? Eigentlich nicht. Nur, für eine Weile so zu tun, als wäre sie jemand anderes, fehlte ihr manchmal.

„Du weißt doch, dass Mike Celebrity Dance zusammen mit seinem Freund Nicholas Torres entwickelt hat. Nick hatte die Idee, die Zuschauer wählen zu lassen, wen sie gerne in der nächsten Staffel dabeihaben würden. Und dein Name ist unter den drei am meisten genannten. Anscheinend sind dir deine Fans treu ergeben, obwohl du nur in ein paar kleinen Nebenrollen zu sehen warst, seitdem Family Tree abgesetzt wurde.“ Nancy machte eine kurze Pause. „Und ich soll dich jetzt darum bitten, dass du mitmachst.“

„Ich weiß nicht recht …“, entgegnete Roxanne.

„Willst du damit etwa sagen, dass du nicht mitmachen willst?“ Nancys Tonfall wurde merklich kühler.

Das Letzte, was sie wollte, war, sich Nancy zur Feindin zu machen. Nancy war eine ihrer ersten Klientinnen gewesen und sie kannte jeden, der in Hollywood Rang und Namen hatte. Außerdem verteidigte sie die Geschäftsinteressen ihres Mannes wie eine Löwin. Nancy mochte Roxanne noch so sehr schätzen, wenn Roxanne Mike hängen ließ, würde Nancy ihr das sehr verübeln. Roxanne konnte das sogar verstehen. Hollywood war voll von Leuten, die einem plötzlich unerwartet in den Rücken fielen, obwohl man sie für Freunde gehalten hatte. Hier war Loyalität etwas Seltenes und Kostbares … sogar unter Eheleuten.

Roxanne wusste, dass sie Nancy etwas schuldig war. Schließlich hatte sie es vor allem Nancys guten Kontakten zu verdanken, dass ihre selbstständige Tätigkeit als Ahnenforscherin immer besser lief.

„Ich tanze schon gerne“, erwiderte Roxanne deshalb jetzt zögernd. „Ich bin zwar eine lausige Tänzerin, aber es macht mir Spaß.“

„Wunderbar.“ Nancy zog sofort ihr Mobiltelefon aus der Handtasche. „Gleich nach dem Lunch fahren wir zu Mike ins Büro. Er würde dich gerne sehen.“

„Vorher muss ich Portia nach Hause fahren.“

„Unsinn, sie kann mitkommen. Mike stört es nicht und wir beide finden schon eine Beschäftigung.“

Portia klatschte begeistert in die Hände. „Super, das wird spaßig.“

Spaßig? Ja klar. Roxanne bezweifelte das. Wen hatte Mike wohl als ihren Tanzpartner vorgesehen? Wie war sie nur in dieses Schlamassel geraten?

In Mike Bertrams Büro hätte bequem ein Dutzend Leute Platz gehabt. Ein großes Panoramafenster eröffnete die Sicht auf die Straße. Ein Regal, in dem Bücher und Filmskripte standen, füllte eine ganze Wand aus. Mike stand vor dem überdimensionalen Schreibtisch aus schwarzem Glas, neben ihm ein hochgewachsener schlanker Mann. Mike war ein ganzes Stück kleiner als Roxanne und hatte einen gedrungenen Körperbau, doch sein Gesicht war offen und er hatte freundliche Augen. Gekleidet war er in einen teuren schwarzen Anzug, dazu trug er ein schneeweißes Hemd und eine rote Krawatte.

„Roxanne, schön, dass du da bist“, begrüßte Mike sie und streckte ihr die Hand entgegen. „Ich möchte dir meinen Geschäftspartner Nicholas Torres vorstellen.“

Roxanne schüttelte erst Mike die Hand, dann wandte sie sich zu Nicholas Torres. Ihr stockte der Atem. Sie hatte Torres zwar schon im Fernsehen gesehen, aber in echt war er noch viel attraktiver. Er war nicht nur Produzent von Celebrity Dance, sondern trat auch als einer der Haupttänzer in der Sendung auf. Nicholas war sehr groß und schlank. Als er sich auf sie zubewegte, um ihr die Hand zu schütteln, ließ die Eleganz seiner Bewegungen sie an einen Panther denken. Seine Hand fühlte sich warm und kräftig an. Seine Haut hatte die Farbe von hellem Zimt und seine Augen waren goldbraun mit grünen Sprenkeln. Mit der dunkelblauen Hose, dem stahlgrauen T-Shirt und ohne Jackett oder Krawatte war Nicholas viel legerer als Mike gekleidet. Sein Haar war kurz geschoren und an einem Ohrläppchen trug er einen Brillantohrring. Besonders gut gefiel es Roxanne, dass Nick sie um gut einen halben Kopf überragte. Das taten sonst nur wenige Männer.

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Ms. Deveraux.“

Nick hatte etwas an sich, das Roxanne ganz kribblig machte. Ihr wurde plötzlich ganz heiß. Roxanne grinste und hoffte, dass er ihre Nervosität nicht bemerkte. „Bitte, nennen Sie mich einfach Roxanne“, entgegnete sie etwas atemlos. Hm … Es ist lange her, dass mich jemand auf den ersten Blick so umgehauen hat, dachte Roxanne überrascht.

Nick lächelte und zeigte somit seine perfekten und strahlend weiße Zähne. „Gerne. Ich bin Nick. Wollen wir uns setzen?“ Er zeigte auf eine, um einen Kaffeetisch aufgebaute Sitzgruppe in einer Ecke des Raumes. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit Tassen und einer Kaffeekanne. „Ich habe gehört, dass Sie von der Schauspielerei zur Ahnenforschung gewechselt haben?“

Roxanne atmete einmal tief durch, um sich zu beruhigen, bevor sie ihm antwortete. „Ich stehe noch ganz am Anfang. Die meisten Klienten sind ehemalige Kollegen. Genealogie ist inzwischen eines der meistbetriebenen Hobbys in Amerika.“ Sie lachte laut auf. „Höre ich mich an wie aus einer Werbesendung?“

Nick grinste. „Man hört, wie leidenschaftlich Sie sich für Genealogie interessieren.“

„Stimmt, das tue ich.“

„Ich muss zugeben, dass es mich auch interessieren würde, mehr über meine Vorfahren zu erfahren.“

„Es ist fast wie eine Schnitzeljagd. Es ist so spannend, wenn geschichtliche Entwicklungen auf einmal persönlich werden, wenn sie einen Zusammenhang zur eigenen Biografie bekommen. Als ich mehr über meine Vorfahren erfuhr, wurde Geschichte auf einmal lebendig.“

„Das hört sich wirklich faszinierend an“, erwiderte Nick. „Ich würde gerne mehr darüber hören. Jetzt sollten wir allerdings erstmal über Ihre Teilnahme bei Celebrity Dance sprechen.“

Roxanne lächelte ihn an. „Ich tanze unheimlich gerne, aber ich muss zugeben, dass ich ziemlich tollpatschig bin.“ Ihre Körpergröße erwähnte sie nicht. Das konnten Mike und Nicholas selber sehen.

Außerdem erwähnte sie nicht, dass sie eigentlich überhaupt nicht mitmachen wollte, sich aber Nancys wegen dazu verpflichtet fühlte. Roxanne hoffte nur, dass sie sich nicht vollkommen blamieren würde.

„Wen haben Sie denn als meinen Tanzpartner vorgesehen?“

„Wie wäre es mit mir?“, fragte Nick. Er stand auf und zog sie auf die Füße. Er hielt ihre Hände in seinen und Roxanne sah ihm in die Augen, um nicht ständig auf seine sinnlichen Lippen zu starren. Es musste fantastisch sein, ihn zu küssen.

„Auf jeden Fall macht es Spaß, zu Ihnen aufzusehen.“ Sie reichte ihm bis zur Nasenspitze. Seine Augen funkelten auf eine Weise, die ihr verriet, dass er sich ebenso zu ihr hingezogen fühlte wie sie zu ihm.

Nick zog sie in seine Arme und begann, einen einfachen Walzerschritt mit ihr zu tanzen. Roxanne lächelte ihn an und trat ihm fast sofort auf den Fuß, bevor sie nur eine Sekunde später über eine Unebenheit des Teppichs stolperte.

„Sorry“, sagte Roxanne. „Sorry.“ Portia und Nancy klatschten. Roxanne warf ihrer Schwester einen giftigen Blick zu und Portia fing laut an zu lachen.

„Kein Problem“, antwortet Nick beruhigend und grinste. „Ich weiß gerne vorher, worauf ich mich einlasse.“

Mike erhob sich jetzt auch und streckte Roxanne die Hand hin. „Die Rechtsabteilung wird sich mit deinem Agenten in Verbindung setzen.“

„Trudy Mendoza vertritt mich“, erklärte Roxanne. Jeder kannte Trudy. Sie war eine der besten Anwälte in der Unterhaltungsbranche. Sie hatte Roxanne geholfen, als sie ihren Eltern das Sorgerecht entziehen ließ, und war im Laufe der Jahre eine persönliche Freundin geworden.

„Das ist mal eine wirklich große Frau“, stellte Mike fest, als die Frauen sein Büro wieder verlassen hatten.

„Ich mag große Frauen“, erwiderte Nick. Mann oh Mann, was für Beine, dachte er. In seinem Kopf stieg ein Bild davon auf, wie Roxanne ihm die langen Beine um die Taille schlang. Brennende Hitze breitete sich sofort in seinem ganzen Körper aus. Schnell erhob er sich und ging zum Fenster. Draußen auf der Straße konnte er die drei Frauen sehen, wie sie zum Parkplatz gingen.

„Ihr seid ein schönes Paar“, fuhr Mike fort. „Aber mit ihren Eltern ist nicht gut Kirschen essen.“

Nick war erst seit ein paar Jahren wieder in Los Angeles und war, was die Gerüchteküche anging, nicht auf dem Laufenden. Er hatte genug eigene Probleme in New York gehabt, nachdem er eine Affäre mit einer berühmten Broadway-Kollegin angefangen und diese sich als obsessive Psychopathin entpuppt hatte. Bis nach Los Angeles hatte sie ihn verfolgt, bis sie schließlich in eine erstklassige psychiatrische Einrichtung für Prominente eingewiesen wurde. Obwohl es nicht seine Schuld gewesen war, hatten diejenigen, die am Broadway die Fäden in der Hand hielten, getobt. Schließlich war Nick der Auslöser dafür gewesen, dass ein Star, der als Kassenschlager galt, bei einer laufenden Produktion ausfiel und so schnell auch nicht wieder auf einer Bühne auftreten würde. Nick konnte sich glücklich schätzen, so schnell in Los Angeles wieder Fuß gefasst zu haben. In New York war sein Ruf jedenfalls ruiniert.

„Als sie sechzehn war, hat Roxanne sich mit ihren Eltern wohl so überworfen, dass sie ihnen vor Gericht das Sorgerecht hat entziehen lassen. Was genau vorgefallen ist, weiß ich nicht. Jedenfalls hatte sie Trudy Mendoza engagiert …“

„Ich habe schon von Trudy Mendoza gehört. Sie soll knallhart sein.“

„Ja, das ist sie wohl. Sie hat einige finanzielle Ungereimtheiten in den Konten der Eltern entdeckt und bevor Roxannes Eltern wussten, wie ihnen geschah, hatten sie jede Kontrolle über Roxanne verloren. Soweit ich weiß, hat Roxanne dann ein paar Klassen übersprungen, ihren Highschoolabschluss gemacht und anschließend in Berkeley studiert.“

Nick pfiff anerkennend durch die Zähne. Berkeley. Roxanne hatte allen Grund, stolz darauf zu sein, was sie erreicht hatte. Nick erinnerte sich vage an die Gerüchte, aber er hatte sich nie sehr dafür interessiert. Soweit er wusste, hatten sich Roxannes Eltern schnell wieder von dem Schlag erholt und sich auf das Management von Kinderschauspielern spezialisiert. Außerdem hatten sie noch zwei weitere eigene Kinder, die sie ausbeuten konnten. Sie waren zwar nicht so talentiert wie Roxanne, an der ihre Eltern wirklich viel verdient hatten, ließen sich aber dennoch gewinnbringend vermarkten.

„Denkst du, dass die Eltern Ärger machen, wenn sie hören, dass Roxanne bei der Show mitmacht?“

Mike nickte. „Mit großer Wahrscheinlichkeit. Nancy hat mir erzählt, dass sie seit Jahren versuchen, sich wieder mit Roxanne zu versöhnen. Schließlich lässt sich immer noch viel Geld mit ihr verdienen. Die Zuschauer lieben sie.“

Nick konnte verstehen, weshalb. Roxanne war unglaublich sympathisch. Sie war genauso ein Mensch, wie er ihn mochte. Sie war nicht nur schön, sondern auch klug, gebildet und lustig.

„Wir haben tolle Gäste bei der nächsten Staffel von Celebrity Dance“, erklärte Mike zufrieden. Er mochte es, wenn möglichst unterschiedliche Charaktere vertreten waren. Roxanne Deveraux würde mit ihrer spontanen, lustigen Art genau das beitragen, was ihm gefiel. Roxanne konnte über sich selbst lachen. Der Ausdruck von Panik in ihren Augen, als Nick anfing, mit ihr zu tanzen, war urkomisch gewesen.

„Sie wird üben müssen“, bemerkte Nick, der es plötzlich kaum noch abwarten konnte, das erste Training mit Roxanne zu absolvieren. Im Kopf plante er schon ihren ersten Tanz. Sie fingen immer mit einem Walzer an, da dieser selbst für ungeübte Tänzer gut zu bewältigen war. Roxanne würde ein Kleid aus dunkelroter Seide tragen. Die schwarzen Locken hochgesteckt, sodass ihr langer, schlanker Nacken sichtbar wurde. Er selbst würde im weißen Smoking mit passendem Hut auftreten. Unbemerkt hatte er angefangen, sich bei dieser Vorstellung im Walzertakt hin und her zu wiegen.

„Nick. Nick. Nick. Erde an Nick, bitte kommen.“

Abrupt riss Nick sich von seiner Fantasie los. „Sorry, ich war kurz abgelenkt.“

„Ach, tatsächlich?“, erwiderte Mike feixend. „Ich telefoniere mit der Rechtsabteilung, damit sie dort den Vertrag für Roxanne vorbereiten. Und du solltest zurück ins Studio fahren. Die PR-Abteilung wird mit Anfragen nach der Besetzung für die nächste Staffel bombardiert und bittet um Entlastung.“

Nick lachte. „Dann wollen wir die Öffentlichkeit nicht viel länger auf die Folter spannen.“

2. KAPITEL

„Ich war überrascht über Ihren Anruf.“ Freudig überrascht, um genau zu sein, doch das brauchte Nicholas Torres nicht zu erfahren. Roxanne setzte sich ihm gegenüber an den Tisch auf dem Bürgersteig.

Das Restaurant lag am Santa Monica Boulevard, nicht weit von Roxannes Haus. Nick hatte einen Tisch draußen gewählt. Es war ein warmer, sonniger Nachmittag und immer noch pilgerten viele Menschen über den Pacific Coast Highway zum Strand. Bis hier ins Restaurant konnte man das Rauschen der Wellen hören und in der Luft lag ein leichter Geruch nach Salz. Roxanne liebte es, in der Nähe vom Meer zu leben.

„Was halten Sie davon, wenn wir uns duzen?“, schlug Nicholas vor und Roxanne nickte lächelnd. Dann fuhr er fort. „Ich hatte gestern den Eindruck, dass du dich nicht recht wohlfühlst.“

„Nicht wohlgefühlt trifft es nicht ganz.“ Roxanne zog eine Grimasse.

Nick grinste. „Was würdest du denn sagen?“

„Wie sieht’s aus mit besorgt, verstört oder, noch besser, vollkommen in Panik?“ Nick lachte laut auf.

„Auf mich wirkst du sehr anmutig.“

„Ja, vielleicht … wenn ich flache Schuhe trage, langsam laufe und mich genau auf das konzentriere, was ich gerade mache.“ Die Kellnerin brachte ihnen Wasser. Roxanne bestellte einen griechischen Salat und Nick ein Steak.

„Und Tanzen ist genau Letzteres.“

„Aber es ist so schnell. Und ich darf dabei nicht vergessen zu atmen und muss dann noch versuchen so auszusehen, als ob ich mich dabei wohlfühlen würde. Ich erinnere mich noch an einige der Kleider, in die ihr die Teilnehmerinnen gesteckt habt.“

Autor

JM Jeffries
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