Taras zweite Chance

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Erst ein zärtlicher Gutenachtkuss, dann eine leidenschaftliche Umarmung, und schließlich verbringt Tara in ihrem idyllischen Cottage Stunden der Liebe mit Eric. Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben - schließlich waren sie schon einmal verheiratet. Aber damals trennten sie sich. Jetzt ist Eric wieder in Taras Leben aufgetaucht. Charmant und unwiderstehlich schafft er es, ihr Herz zum zweiten Mal zu erobern. Wie gern würde sie diesmal an ein Happy End mit ihm glauben, denn eins weiß sie nach seinen sanften Küssen inzwischen genau: Sie wird niemals einen anderen so lieben wie Eric! Doch dann reist er ohne ein Wort der Erklärung ab und lässt sie allein in Wisconsin …


  • Erscheinungstag 01.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758943
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Aus dem Gesellschaftsraum drang stürmischer Applaus, gefolgt von leisem Stimmengewirr. Tara hörte, wie Stühle gerückt wurden, als die etwa zwanzig Personen sich von ihren Plätzen erhoben. Die Veranstaltung war also endlich vorbei. Gerade noch rechtzeitig, dachte sie. Wenn sich jetzt niemand unnötig lange mit Abschiedsreden aufhielt, konnten sie den Zeitplan noch einhalten.

Connie, die neben ihr stand, blickte auf die Uhr. „Es ist schon nach fünf. Präsident Howell scheint wirklich alle Zeit der Welt zu haben. Aber er muss ja auch nicht das Chaos beseitigen – und außerdem hört er sich gern reden.“

Tara ignorierte Connies Bemerkung und ihren missmutigen Seitenblick. „Ich werde jetzt da drin aufräumen“, erklärte sie. „Sobald der letzte Gast zur Tür hinaus ist, kannst du mit dem Staubsaugen loslegen. Und sag den Leuten vom Partyservice, sie können in fünfzehn Minuten anfangen, das Büfett aufzubauen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete Tara die kleine Seitentür zwischen Eingangshalle und Gesellschaftsraum und ging hinein.

Ursprünglich erstreckten sich zwei große Räume über die gesamte Breite des stattlichen georgianischen Gebäudes. Doch vor Jahren, als die Universität das Anwesen als Wohnsitz für ihre Präsidenten erwarb, wurde die Trennwand herausgerissen, um einen einzigen riesigen Saal für große Gesellschaften zu schaffen. In den beiden harmonisch aufeinander abgestimmten Kaminen an beiden Enden des Raums brannten Feuer, deren lustiges Flackern die trübe Stimmung an diesem trostlosen, verregneten Spätnachmittag vertrieb. Zwischen den beiden Glasflügeltüren, die auf die Veranda hinausführten, stand ein Tisch mit den kläglichen Überresten des Fünfuhrtees. Fast unwillkürlich registrierte Tara, dass die wenigen übrig gebliebenen Gurkensandwichs aufgeweicht, die Erdbeeren schrumplig und die Petit fours hart wie Stein aussahen. Aber schließlich war es ja auch drei Stunden her, dass der Tisch gedeckt worden war.

Am anderen Ende des Raums, nahe dem Haupteingang, scharten sich noch immer mehrere Frauen um den Präsidenten der Universität. Tara hörte Barclay Howells tiefe Stimme, auch wenn sie nicht verstehen konnte, was er sagte, und vernahm gleich darauf das helle Auflachen seiner Zuhörerinnen.

So unauffällig wie möglich sammelte Tara die Tassen mit abgestandenem Tee ein, hob heruntergefallene Servietten auf, und was machte dieses halbe Törtchen da unter dem kleinen Zweiersofa? Wie auch immer. Hier aufzuräumen und den Raum in weniger als einer Stunde für die bevorstehende Cocktailparty herzurichten bedeutete auf jeden Fall eine große Herausforderung.

Sie bemerkte Mrs. Janowitz erst, als die ältere Dame fast neben ihr stand. „Tara, meine Liebe, was für eine wundervolle Veranstaltung! Ich habe Barclay eben erklärt, wie viel reizender die Gesellschaften hier in Baron’s Hill doch sind, seit Sie sich um alles kümmern.“

„Danke, Mrs. Janowitz.“ Tara hatte beide Hände voll, doch die alte Dame versperrte ihr den Weg zur Tür, wo Connie den Servierwagen abgestellt hatte. Bemüht, Geduld zu bewahren, umfasste sie das Geschirr noch fester.

„Ihr Vorgänger, dieser sogenannte Butler“, fuhr Mrs. Janowitz fort, „hatte überhaupt keinen Sinn für so etwas, kein bisschen Stilgefühl. Er verlor sich viel zu sehr in unwichtigen Details und achtete nicht auf den Gesamteindruck.“

Tara fühlte sich verpflichtet, die alte Dame aufzuklären. „Mr. Beeler wird zurückkommen, sobald er sich von seiner Lungenentzündung erholt hat.“

„Oh, das weiß ich doch!“, flötete Mrs. Janowitz. „Sie wollen doch bestimmt nicht auf Dauer alles allein machen. Bei Beelers Vorliebe für Details wird es ihm garantiert viel leichter fallen, Anweisungen zu befolgen, als selbst alles zu planen.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob Sie mich richtig verstanden haben, Mrs. Janowitz. Sobald Mr. Beeler wieder hier ist, kehre ich zurück zu meiner Arbeit als Managerin des Konferenzzentrums.“

„Nun, wenn Sie dieses alte Schulhaus als Konferenzzentrum bezeichnen wollen“, entgegnete Mrs. Janowitz mit einem süffisanten Lächeln und tätschelte Taras Arm. „Aber ich verstehe natürlich vollkommen. Das ist im Moment die offizielle Darstellung. Für diejenigen von uns jedoch, die hinter die Kulissen blicken können …“, erklärte sie und fuhr dann mit gedämpfter Stimme fort: „… Wir sind sehr dafür, Tara. Ich dachte, Sie wüssten das gern.“ Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, durchquerte den Raum und gesellte sich wieder zu der schwatzenden Gruppe um Barclay Howell.

Tara schüttelte den Kopf und stapelte das schmutzige Geschirr auf den Servierwagen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wovon Mrs. Janowitz gesprochen hatte, und jetzt blieb auch keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Wenn Präsident Howell diese Frauen nicht augenblicklich hinauskomplimentierte, würden sie an der Eingangstür mit den Gästen der Cocktailparty zusammenstoßen.

Als hätte er Taras Gedanken gelesen, geleitete Barclay Howell die Damen in die Eingangshalle. Tara beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Sie hatte es schon zigmal gesehen, trotzdem war sie immer wieder davon fasziniert, wie Barclay Howell seine Gäste zur Tür hinausmanövrierte, ohne sie merken zu lassen, dass sie freundlich, aber bestimmt nach Hause geschickt wurden. Es schien ihm nicht die geringste Mühe zu bereiten. Zweifellos hatte er das während seiner Zeit, als er für die Universität Aufgaben in der Verwaltung wahrgenommen hatte, gelernt, bevor er auf der Erfolgsleiter nach oben stieg und Präsident wurde.

Connie erschien mit dem Staubsauger in der Hand und begann, den Teppich zu reinigen. Tara wollte gerade den Servierwagen in die Halle schieben, wo er Connie nicht im Weg stand, als Barclay Howell zurück zum Gesellschaftsraum kam und sich zufrieden die Hände rieb.

„Tara!“, rief er. „Ich würde Sie gern einen Moment sprechen, allein.“

Tara blickte sich in dem Raum um. Die Blumengestecke mussten noch neu arrangiert werden, der Tisch musste hinaus, und Connie konnte bestimmt jemanden brauchen, der die Stühle zur Seite schob. Eigentlich blieb gar keine Zeit zum Plaudern, aber Barclay Howell war schließlich der Chef. „Lassen Sie mich zuerst den Servierwagen wegbringen“, bat Tara.

„Gut, ich warte im Musikzimmer.“

Tara schob den Wagen quer durch die Halle zur Küche und kehrte dann zum vorderen Teil des Hauses zurück. Gegenüber dem Gesellschaftsraum, auf der anderen Seite der großzügigen Halle, befand sich ein viel kleinerer, sehr gemütlicher Raum. Tara klopfte an die halb geöffnete Tür und trat ein.

Barclay Howell wählte gerade eine der unzähligen CDs aus dem Musikschrank aus. Er legte sie in den CD-Player, und die ersten zarten Klänge eines Violinkonzerts erfüllten den Raum. „Sie haben heute hervorragende Arbeit geleistet“, lobte er. „Alle Frauen waren überaus entzückt von der Veranstaltung.“

„Danke“, erwiderte Tara und runzelte die Stirn. „Ich frage mich nur, warum? Ich habe doch heute nichts wirklich Neues gezaubert.“

Ein breites Lächeln erschien auf Barclays Gesicht. „Tara, Tara! Sie müssen aufhören, so bescheiden zu sein.“

„Aber ich habe doch recht, Sir. Dieser Fünfuhrtee unterschied sich in nichts von den hundert anderen, bei denen diese Damen schon gewesen sein müssen. Warum also diese Begeisterung?“ Wir sind sehr dafür, hatte Mrs. Janowitz gesagt. Tara verspürte ein beunruhigendes Gefühl in der Magengegend, während sie überlegte, was genau Mrs. Janowitz damit gemeint haben könnte. „Wahrscheinlich wollten die Damen lediglich freundlich sein“, vermutete sie.

„Nein, da steckte mehr dahinter! Sie, Tara, haben ein ganz besonderes Gespür für diese Dinge. Aber setzen Sie sich doch bitte, und lassen Sie uns ein wenig plaudern“, forderte Barclay sie auf und wies auf einen schweren Polstersessel.

Tara fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu bleiben und der Notwendigkeit weiterzuarbeiten. Gerade jetzt würde diese Unterhaltung ihren Zeitplan vollends durcheinander bringen. Andererseits bot sich ihr hier zum ersten Mal die Gelegenheit, sich mit Barclay Howell über etwas anderes als Kanapees zu unterhalten.

Bis vor sechs Wochen war Barclay Howell kaum mehr als ein Name für sie gewesen. Doch seit sie mit ihm persönlich in Baron’s Hill zusammenarbeitete, wurde ihr immer bewusster, dass er ein überaus attraktiver Mann war – und das nicht nur wegen seiner äußeren Erscheinung. Nicht, dass sie ihn gut genug kannte, um sich bereits ein Urteil zu bilden. Aber plötzlich schien er sie nicht mehr nur als seine Angestellte, sondern auch als Person wahrzunehmen … Ein beunruhigendes Gefühl, das ständig stärker wurde.

„Die Cocktailparty“, begann sie, „ich muss jetzt wirklich …“

„Ich bin sicher, Ihre Mitarbeiterin schafft das für ein paar Minuten allein. Wenn Sie überhaupt einen Fehler haben, Tara, dann ist es Ihr Anspruch, sich um alles selbst zu kümmern, anstatt auch einmal kleinere Arbeiten abzugeben.“

Tara wollte ihm antworten, dass sie genau deswegen eingestellt worden sei, um sich auch um die Kleinigkeiten zu kümmern. Sie wollte ihm klar machen, dass Connie nur eingesprungen war, weil sie, Tara, Hilfe brauchte, und nicht, weil es Connies Job war. Und sie wollte ihm sagen, dass er im Moment alles nur komplizierter machte. Doch irgendwie fehlten ihr die richtigen Worte. Also schwieg sie.

„Seit Beeler krank ist und Sie die Organisation übernommen haben, läuft hier in Baron’s Hill alles viel glatter. In den letzten sechs Wochen fanden doppelt so viele Veranstaltungen statt wie normalerweise, doch unter Ihrer Leitung hat alles reibungslos geklappt.“

Probleme gab es genug, dachte Tara, Sie haben nur nichts davon mitbekommen.

„Die Gäste haben sich prächtig unterhalten, das Essen war vorzüglich und jeder glücklich.“

Und ich bin völlig erschöpft.

„Was würden Sie davon halten, diese Aufgabe auf Dauer zu übernehmen?“

Während er sprach, verschwand Taras Unbehagen. So viel zu dem unbestimmten Gefühl, Barclay Howell könnte mehr im Sinn haben als die nächsten Veranstaltungen in Baron’s Hill. Es machte natürlich überhaupt nichts, dass er sie, Tara, nicht bat, mit ihm auszugehen. Auch wenn er äußerst anziehend wirkte, Verabredungen mit dem Chef waren immer eine heikle Angelegenheit.

Trotzdem konnte sie einen Anflug von Enttäuschung nicht leugnen. Sie hätte ihn gern besser kennengelernt, gern herausgefunden, ob er wirklich in jeder Hinsicht so attraktiv war, wie sie dachte. Wenn ja, könnte sie vielleicht sogar diejenige sein, die …

Doch im nächsten Moment wurde ihr plötzlich bewusst, was Barclay Howell da eben gesagt hatte, und sie straffte die Schultern. „Soll das heißen, Mr. Beeler kommt nicht zurück? Ich weiß, er hat eine besonders schwere Lungenentzündung gehabt …“

„Er erholt sich zusehends und wird in einigen Wochen wieder hier sein.“

„Aber dann … Oh, ich verstehe. Es wäre sicher nicht schlecht, wenn er Hilfe hätte, jedenfalls am Anfang.“

Barclay schmunzelte. „Ich möchte Sie nicht zu seiner Assistentin machen, Tara, sondern zu seiner Chefin.“

„Sie bieten mir Mr. Beelers Job an? Das wird ihm sicher nicht gefallen. Er arbeitet schon ewig hier, Sir.“

„An seiner Position wird sich auch nichts ändern.“ Barclay setzte sich auf die Armlehne des Stuhls Tara gegenüber. „Ich drücke mich nicht gerade verständlich aus, oder? Also, Baron’s Hill braucht jemanden, der die vielen Veranstaltungen organisiert, bei denen der Präsident der Universität als Gastgeber fungiert, und Mr. Beeler macht seine Sache ganz gut.“

„Dann verstehe ich nicht, was ich mit dem Ganzen zu tun habe?“

„Baron’s Hill braucht jemanden mit neuen Ideen, jemanden mit Fantasie, der die Veranstaltungen zu spektakulären Ereignissen macht. Es fehlt das gewisse Etwas, es fehlt …“ Er verstummte, als erwartete er, dass Tara ihm zu Hilfe kam.

„Es fehlt eine Gastgeberin, Tara. Ich kann die vielen Aufgaben in meinem Verantwortungsbereich nicht mehr allein bewältigen. Damit meine ich nicht meinen Job an sich“, fügte er hinzu und lachte amüsiert auf. „Aber die gesellschaftlichen Verpflichtungen – den persönlichen Kontakt zu den lieben Professorengattinnen pflegen, zu den ehemaligen Studenten, den Sportskanonen, die unsere Universität hervorgebracht hat … das alles wäre leichter, wenn ich jemanden an meiner Seite hätte, der mir dabei hilft …“

„Eine Gastgeberin?“, wiederholte Tara langsam.

„Ja. Sie müssen doch selbst gemerkt haben, wie gut wir zusammenarbeiten. Wir sind ein sensationelles Team. Außerdem wäre das eine hervorragende Gelegenheit für Sie. Das braucht noch keiner zu wissen, aber ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens an einer kleinen Privatuniversität zu versauern. Dieser Job ist als Karrieresprungbrett nicht schlecht, doch mir schwebt etwas Größeres vor, etwas viel Größeres.“ Er dämpfte die Stimme. „Sie werden es bestimmt nicht bereuen, wenn Sie sich mit mir zusammentun.“

Tara hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl. Was wollte er ihr eigentlich zu verstehen geben? Sich mit ihm zusammentun … An eine größere Universität gehen … Für ihn die Gastgeberin spielen … Das klang, als ginge es nicht nur um einen Job, sondern um ihr ganzes Leben.

Nein, fuhr es ihr durch den Kopf, du interpretierst da bestimmt etwas hinein, was er gar nicht meint. Das konnte er doch nicht meinen.

Doch eine höhnische innere Stimme fragte, wie er wohl reagieren würde, wenn sie, Tara, sich ihm an den Hals warf und einen Heiratsantrag annahm, den er nie gemacht hatte. Es wäre sicher sehr amüsant, zu erleben, wie der sonst so reservierte Barclay Howell blass wurde und in Panik geriet. Bestimmt würde er sich dann beim nächsten Mal etwas genauer ausdrücken, anstatt wie ein Politiker um den heißen Brei herumzureden. Aber es wäre nicht sehr nett von ihr, so was zu tun.

Barclays Lächeln wirkte mittlerweile leicht gequält. „Tara, ich bitte dich, meine Frau zu werden.“

Er meinte es tatsächlich ernst? Sie hatte sich also nicht getäuscht. „Aber das ist lächerlich“, platzte sie heraus. „Wir sind noch nicht einmal zusammen im Kino gewesen.“

Barclay runzelte die Stirn. „Was hat das damit zu tun?“

Das Beängstigende an der Frage war, dass er sie ernst meinte. Dinge wie ins Kino gehen, gemeinsame Abendessen, Spaziergänge im Park, sich kennenlernen … all das war für ihn unwichtig. Barclay Howell hatte einfach einen Entschluss gefasst.

„Ich habe dir doch gesagt, wir sind ein ausgezeichnetes Team.“

Komisch, ging es Tara durch den Sinn, ich dachte immer, Heiraten hätte was mit Liebe zu tun. „Sir, ich glaube, es wäre das Beste …“

„Bitte, meine Liebe“, unterbrach er sie nachsichtig, „nenn mich Barclay. Da wir bald heiraten werden …!“

Noch vor wenigen Minuten war sie davon fasziniert gewesen, wie gekonnt er Menschen für seine Zwecke zu manipulieren verstand. Doch jetzt, da er versuchte, sie zu überrumpeln, geriet sie nahezu in Panik.

„Ich habe noch nicht Ja gesagt“, protestierte sie.

Ein kaum wahrnehmbarer Ausdruck des Entsetzens huschte über Barclays Gesicht. Offenbar hatte er die Möglichkeit, von Tara zurückgewiesen zu werden, nicht in Betracht gezogen. Doch im nächsten Augenblick lächelte er wieder. „Nun, noch nicht“, lenkte er freundlich ein. „Vielleicht bin ich etwas undiplomatisch vorgegangen.“

Undiplomatisch! Das ist noch harmlos ausgedrückt, dachte Tara entgeistert. Seine Arroganz war einfach unglaublich. Sein Auftreten entsprach so gar nicht dem begehrenswerten Mann, den sie bisher in ihm gesehen hatte.

So viel zu deiner Menschenkenntnis, sagte sie sich. Aber hatte ihr Urteilsvermögen sie, was Männer betraf, nicht schon einmal im Stich gelassen?

„Du musst mir natürlich nicht sofort antworten. Nimm dir Zeit, und lass mich wissen, wenn du so weit bist, Tara“, räumte er gönnerhaft ein.

Er tat ja gerade so, als gäbe es nur eine einzige Antwort. Als würde sie nur zögern, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie hätte verzweifelt auf diesen Heiratsantrag gewartet.

Plötzlich begriff sie auch, was Mrs. Janowitz gemeint hatte, als Tara mit ihr über die Rückkehr zu ihrer alten Arbeit gesprochen hatte. Das ist im Moment die offizielle Darstellung. Diejenigen von uns jedoch, die hinter die Kulissen blicken können, sind sehr dafür.

Die alte Dame hatte Barclays Pläne bereits lange gekannt, bevor sie, Tara, auch nur den geringsten Verdacht gehegt hatte. Hatte er vielleicht eine Meinungsumfrage an der Universität durchgeführt? Seine charmante Idee von den Beratern absegnen lassen, um sicherzugehen, dass seine auserwählte First Lady auch allen genehm war?

Wenigstens erwartete er ihre Antwort nicht sofort. Es würde äußerst schwierig werden, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, die ihn nicht beleidigte.

Tara erhob sich aus dem Sessel.

„Tara“, begann Barclay erneut, „eins noch, ehe du gehst. Ich hatte bisher noch nicht die Gelegenheit, dir zu sagen, wie überaus wichtig die heutige Cocktailparty ist. Wahrscheinlich die bisher wichtigste überhaupt.“

Tara fühlte sich erleichtert. Endlich befand sie sich wieder auf sicherem Boden, auch wenn er noch etwas zu schwanken schien. Die wichtigste Cocktailparty überhaupt? Warum?

Sie ging im Geist die Gästeliste durch. Der Präsident gab jeden Monat eine Cocktailparty, und auch heute Abend würden die üblichen Gäste erscheinen: Mitglieder der Stiftung, die versuchten, Mittel für die Universität aufzutreiben, einige der verlässlichsten Geldgeber, ehemalige Studenten, die mittlerweile zu Spendern werden könnten, Professoren und schließlich einige Elitestudenten. Tara konnte nichts Ungewöhnliches ausmachen. Was also sollte diese Party von der unterscheiden, die sie im vergangenen Monat organisiert hatte?

„Ich habe noch einen ganz besonderen Gast eingeladen“, gestand Barclay. „Heute Morgen habe ich zufällig gehört, dass er sich in der Stadt aufhält, und ihn dann gleich angerufen und gefragt, ob er heute Abend eventuell Zeit habe. Er schien sich über die Einladung sehr zu freuen. Deshalb möchte ich, dass du dir besonders viel Mühe gibst, damit er sich bei uns wohlfühlt.“

Tara hätte ihm am liebsten geantwortet, dass sie den Barkeeper bitten würde, dem Ehrengast ein Papierschirmchen extra in den Drink zu stecken, doch sie riss sich zusammen. „Ich versuche alles so zu arrangieren, dass jeder sich wohlfühlt“, erwiderte sie stattdessen.

„Ich bitte dich aber heute Abend um deinen ganz persönlichen Einsatz. Ich möchte, dass du aus dem Schatten heraustrittst und dich unter die Gäste mischst, Tara.“

„Ich soll also die Gastgeberin spielen“, kombinierte sie. „Gastgeberin“ – das Wort hatte einen unangenehmen Beigeschmack.

„Wenn du es so nennen willst. Ich würde eher sagen, du hast heute die Gelegenheit, dich mit deiner neuen Rolle vertraut zu machen.“

„Wie Sie wünschen, Sir.“

„Das musst du dir aber schleunigst abgewöhnen, meine Liebe“, tadelte Barclay sie sanft mit erhobenem Zeigefinger. „Wenn wir erst verheiratet sind … ja, ich weiß, du bist mir noch deine Antwort schuldig. Aber du solltest dich bereits jetzt an die bevorstehenden Veränderungen gewöhnen.“

Tara atmete tief ein, beschloss, nicht auszusprechen, was sie dachte, und ging zur Tür.

„Interessiert es dich gar nicht, wer unser Ehrengast ist?“

„Das würde an meinem Verhalten ihm gegenüber nichts ändern“, bemerkte sie kühl.

„Natürlich nicht, meine Liebe“, räumte Barclay ein und ließ die Hand über die CDs gleiten. „Doch ich denke, du solltest es trotzdem wissen. Er könnte sich als der größte Wohltäter erweisen, den die Universität je am Haken hatte. Wenn der Verkauf seines Unternehmens unter Dach und Fach ist, wird er jedenfalls über unglaublich viel Geld verfügen. Außerdem ist er uns zu Dank verpflichtet, denn schließlich hat er an dieser Universität seinen Abschluss erlangt, durch den er dann so erfolgreich geworden ist. Ich habe es extra recherchiert, damit ich nichts Falsches sage – er hat Maschinenbau studiert.“

Tara stockte der Atem.

Sei doch nicht dumm, ermahnte sie sich. Barclay hatte nicht erwähnt, wann das war. Der Mann, von dem er sprach, konnte seinen Abschluss bereits vor Jahrzehnten gemacht haben. Wenn er jetzt sein Unternehmen verkaufte, musste er fast im Rentenalter sein.

Außerdem, erwarben nicht in jedem Semester an die hundert Studenten ein Diplom in Maschinenbau? Einige von ihnen hatten es mittlerweile sicher geschafft, eigene, gut gehende Firmen aufzubauen. Warum also kreisten ihre Gedanken so beharrlich um einen ganz bestimmten Mann? Besonders da derjenige, an den sie dachte, bei ihrer letzten Unterhaltung angekündigt hatte, nie wieder einen Fuß auf das Universitätsgelände setzen zu wollen.

Warum nur schlug ihr jetzt das Herz bis zum Hals? Dafür gab es überhaupt keinen Grund. Dieses Kapitel war längst zu Ende. Aus. Vorbei. Nur mit Mühe gelang es ihr, äußerlich ruhig zu bleiben. „Wer also ist dieser außergewöhnliche Fang?“

Barclay sprach den Namen ganz langsam aus, schien ihn sich geradezu auf der Zunge zergehen zu lassen. „Eric Ferris.“

Tara schien plötzlich fast das Herz stillzustehen.

Die Stiftungsmitglieder erschienen bei jeder gesellschaftlichen Veranstaltung der Universität als Erste, in der Hoffnung, irgendjemandem eine Spende abschwatzen zu können. Dann tauchten die Elitestudenten auf, geschniegelt und gestriegelt. Es folgten die Professoren, die stets so spät wie möglich eintrafen. Die ehemaligen Studenten und edlen Spender gingen während der gesamten Party ein und aus. Schließlich konnte man von ihnen nicht erwarten, sich auf eine einzige Veranstaltung am Abend zu beschränken.

Die Party war mittlerweile in vollem Gange, und es sah so aus, als ließe sich Eric Ferris nicht mehr blicken.

Ein halb volles Glas Mineralwasser in der Hand, bewegte sich Tara in der Menge und achtete darauf, dass alle sich gut unterhielten. Sie fühlte sich ein wenig fehl am Platz. Bisher hatte sie sich bei solchen Veranstaltungen immer im Hintergrund gehalten und war nie in direkten Kontakt mit den Gästen getreten. Doch heute Abend hatte Barclay Howell die Spielregeln geändert. Nervös strich sie noch einmal ihr terrakottafarbenes Kleid glatt, das so gut zu ihrem kastanienbraunen Haar passte. Normalerweise liebte sie dieses Kleid, doch im Vergleich zu den entzückenden Cocktailkleidern der anderen Frauen kam es ihr völlig daneben vor. Hätte sie auch nur die geringste Ahnung von Barclays Plänen gehabt, dann hätte sie sich auf jeden Fall ein anderes Outfit zum Wechseln mitgebracht.

Tara sah zu Barclay hinüber. Sein angestrengtes Lächeln konnte den Ausdruck der Anspannung auf seinem Gesicht nicht verbergen. Ununterbrochen blickte er zur Tür – erwartungsvoll, hoffnungsvoll und schließlich missmutig.

Irgendwie tat er ihr leid. Doch ihre unendliche Erleichterung darüber, dass Eric sich nicht blicken ließ, war stärker als ihr Mitleid. Eigentlich wunderte sie das nicht im Geringsten. In dem Moment, da sie sich von dem Schreck erholt und ihre Nerven wieder im Griff hatte, hätte sie ein Monatsgehalt darauf verwettet, dass er nicht kommen würde.

Während sie halbherzig einem ehemaligen Studenten zuhörte, der ihr von seinen früheren Erfolgen in der Footballmannschaft der Universität vorschwärmte, ging sie in Gedanken die möglichen Gründe für Erics Fernbleiben durch. Höchstwahrscheinlich hatte er die Einladung angenommen, dann aber Zeit und Ort der Veranstaltung vergessen. Oder er hatte gar nicht ausdrücklich zugesagt, aber Barclay war trotzdem davon überzeugt, er würde kommen. Genauso, wie er davon überzeugt ist, dass ich seinen Heiratsantrag annehmen werde, fuhr es Tara durch den Kopf. Vielleicht hatte Eric aber auch nie die Absicht gehabt zu erscheinen – obwohl so etwas eigentlich nicht seine Art war. Jedenfalls damals nicht, als …

Doch darüber mochte sie jetzt nicht nachgrübeln. Das ist zu Ende, ermahnte sie sich. Aus. Vorbei.

Als der Student zum Höhepunkt seiner Erzählung kam, verwandelte sich das Stimmengewirr um sie her plötzlich in leises Gemurmel, und instinktiv ließ Tara den Blick durch den Raum gleiten.

Die Aufmerksamkeit der Partygäste richtete sich wie gebannt auf einen Mann, der unter dem Türbogen zwischen Eingangshalle und Gesellschaftsraum stand. Groß und schlank, bekleidet mit einem silbergrauen Maßanzug, stand er völlig entspannt da und blickte sich um. Der tiefe Türbogen warf einen Schatten auf sein Gesicht, doch sein schwarzes Haar schimmerte golden im Licht des Kronleuchters hinter ihm.

Was für ein überwältigender Anblick! Dachte Tara feindselig.

Aufmerksam musterte sie den perfekt sitzenden Anzug und stellte unwillkürlich erleichtert fest, dass Eric nicht in T-Shirt und Turnschuhen hier erschienen war. Nicht, dass es sie interessierte, wie er sich kleidete oder wie er in der Öffentlichkeit auftrat.

Barclay war bereits zu Eric geeilt und hielt ihm die Hand zur Begrüßung entgegen. „Mr. Ferris“, rief er überschwänglich aus, „welch eine Ehre für uns, Sie hier begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, die Geschäfte laufen gut.“

Eric trat unter dem Türbogen hervor, und das sanfte Licht im Gesellschaftsraum erhellte sein Gesicht. „Nennen Sie mich Eric“, hörte Tara ihn sagen.

Der ehemalige Student neben ihr räusperte sich kurz, und Tara wandte sich schnell wieder zu ihm um. Doch er blickte nicht sie an, sondern starrte hinüber zu Eric. „Was macht diesen Kerl so interessant?“, fragte er respektlos. „Der Präsident hat den ganzen Abend über kein einziges Wort mit mir gewechselt, doch den da überfällt er geradezu. Hat er der Universität größere Geldsummen gespendet?“

„Noch nicht“, erwiderte Tara.

„Oh, ich verstehe. Howell will ihn schröpfen. Ich nehme an, Geld ist nie genug da.“

„Das können Sie laut sagen“, mischte sich ein Mitglied des Verwaltungsrates ein. „Wir brauchen zum Beispiel dringend ein neues Stadion.“

Tara wollte ihm schon erklären, dass ein Stadion sicher das Letzte sei, was Eric Ferris finanzieren würde, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Woher sollte sie das auch wissen. Menschen änderten sich – der Eric Ferris, den sie gekannt hatte, wäre sicher nicht im Maßanzug hier erschienen.

„Ein neues Konferenzzentrum wäre von Vorteil“, meinte sie geistesabwesend.

Autor

Leigh Michaels
Leigh Michaels ist die Autorin von über 70 Romanen für Harlequin. Mehr als 27 Millionen Kopien ihrer Bücher sind weltweit gedruckt und in 20 Sprachen übersetzt worden. Fünf ihrer Bücher waren Finalisten bei den RITA® - Verleihungen. Sie hat den “Reviewers Choice award” für Family Secrets, den Robert Bliss Award...
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