Tausend Sterne über Texas

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Überrascht sieht Polizeichef Alan Parker, dass ein hinreißendes Citygirl mitten in der Einsamkeit wohnt! Auf Robin Cummings Notruf hin ist er zu ihr in die Blockhütte gefahren, und es fällt ihm nicht schwer, Robin zu beruhigen: Die vermeintlichen Einbrecher waren freche Waschbären! Trotzdem ist Alan gerne bereit, sie in seine Arme zu nehmen und ihr so zu zeigen, dass sie völlig in Sicherheit ist …


  • Erscheinungstag 03.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754914
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Da war es wieder. Das kratzende, polternde Geräusch drang trotz der geschlossenen Fensterläden ins Haus.

Robin linste durch die Jalousien hinaus in die Dunkelheit, die sich hinter einem schmalen Streifen von künstlichem Licht ausbreitete. Die Landstraße hinter den hohen Nussbäumen konnte sie nicht mehr erkennen. Sie war in einem Hochhaus in Houston aufgewachsen und fühlte sich, als wäre sie der einzige lebendige Mensch in Texas Hill Country. Natürlich gab es hier andere Menschen – nur eben nicht in ihrer Nähe. Als sie am frühen Nachmittag angekommen war, hatte sie ein paar andere Häuser gesehen, ungefähr eine Viertelmeile entfernt.

Angestrengt blinzelte sie in die dunklen Schatten, die das Haus umgaben. Vielleicht konnte sie hören, woher das verdächtige Geräusch rührte, das sie vor wenigen Augenblicken vernommen hatte.

Nichts.

Sie hoffte, dass lediglich irgendein wildes Tier im Garten aufgeschreckt worden war und auf der Flucht die Blumentöpfe mit den Begonien umgeworfen hatte. Vielleicht war es auch nur ein lauter Wagen, der rücksichtslos die breite Straße entlangraste, die von Ranger Springs nach irgendwo in die Wildnis führte.

Nichts.

„Draußen ist niemand“, flüsterte sie leise. „Hier bin ich sicher.“ Bess, die beste Freundin ihrer Großtante Sylvia, hätte ihr gewiss keine Stadt mit einer hohen Kriminalitätsrate für ihren Aufenthalt vorgeschlagen. Und ganz sicher würde keiner ihrer Bekannten aus Houston ums Haus schleichen. Sie wussten ja noch nicht einmal, wo sie sich aufhielt. Warum sollte sie es ihnen auch erzählen, wenn sie für mindestens zwei oder drei Monate weder ihrer Familie noch ihren Freunden begegnen wollte?

Gerade wollte sie das Licht im Flur des geräumigen Hauses ausschalten, als sie das bedrohliche Geräusch erneut vernahm. Jemand machte sich genau vor dem Fenster zu schaffen. Sie legte den Kopf zur Seite und lauschte angestrengt. Ihr Körper versteifte sich. Nein, es kam aus Richtung Küche. Vielleicht versuchten Einbrecher, ins Haus zu gelangen … Aber vielleicht wollten sie ihr nur Angst einjagen. Wer weiß, welche missratenen Teenager vom Lande hier ihr Unwesen trieben?

Ein Angstschauer lief ihr über den Rücken. Sie schlich zum Telefon. Gab es in diesem Nest eigentlich einen Notruf? Irgendwo im Haus hing eine Liste mit den Nummern der Feuerwehr und der Polizei. Am besten wählte sie direkt die Notrufnummer.

„Ranger Springs 9-1-1. Beschreiben Sie Ihren Notfall.“

„Ich glaube, hier ist ein Einbrecher. Können Sie jemanden herschicken? Ich bin erst heute Nachmittag eingezogen. Das Haus stand einen Monat lang leer, und ich glaube, jemand macht sich hier zu schaffen.“ Robin drehte sich zur Seite, so dass sie die Fenster im Blick behielt.

„Können Sie mir eine Beschreibung des Einbrechers geben?“

„Nein, ich kann ihn … oder sie gar nicht entdecken. Aber vor ein paar Minuten habe ich ein verdächtiges Geräusch gehört.“

„Ihre Adresse?“

Robin gab der Zentrale Straße und Hausnummer durch.

„Chief Parker ist unterwegs.“

Unter dem Fenster des Esszimmers krachte es fürchterlich. „Bitte, beeilen Sie sich“, flüsterte sie ängstlich. „Ich glaube, sie werden langsam wütend.“

„Bleiben Sie dran. Wie ist Ihr Name?“

„Cummings. Robin Cummings. Ich wohne im Haus der Franklins. Passe auf das Haus auf.“

„Chief Parker wird in ein paar Minuten bei Ihnen sein. Er hört Ihren Anruf mit.“

„Machen Sie bitte schnell.“

„Besitzen Sie eine Waffe?“

„Nein“, erwiderte Robin. Sie erschauerte bei dem Gedanken, plötzlich ihr Leben mit einem Messer oder einer Pistole verteidigen zu müssen. „Keine Waffe.“

„Ich bleibe in der Leitung, bis Chief Parker bei Ihnen ist. Halten Sie sich in sicherer Entfernung von den Fenstern. Öffnen Sie die Tür erst dann, wenn Chief Parker sich eindeutig ausgewiesen hat.“

„Keine Sorge“, sagte Robin und setzte sich auf das Sofa. „Die Türen sind fest verschlossen, und ich gehe nicht in die Nähe der Fenster.“

Sie zog die Knie hoch und umklammerte sie fest. Gleich würde die Polizei da sein. Nicht nur irgendein Streifenpolizist, sondern der Chief. Jemand mit Erfahrung, Reife und Kompetenz. Nur noch ein paar Minuten, dann würde er bei ihr sein und die Einbrecher verjagen.

Chief Alan Parker schaltete die Scheinwerfer seines Streifenwagens aus. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die schwarze, zweispurige Straße und die dunkle Auffahrt zum Haus der Franklins zu gewöhnen. Mit geübtem Blick suchte er das Anwesen ab. Er bezweifelte sehr, dass hier draußen auf dem Land ein Einbrecher durch die Dunkelheit schlich. Wahrscheinlich suchte ein Tier nach Nahrung, oder es war nur neugierig darauf, was sich im Innern eines verlassenen Hauses abspielte.

Trotzdem entsicherte er seine Pistole. Er wollte das Schicksal nicht herausfordern. Unwahrscheinlich, dass er einem menschlichen Wesen begegnen würde, aber nicht weit entfernt Richtung Westen hatte er ein paar Pumas entdeckt.

Die Uhr im Wagen erinnerte ihn daran, dass seine Schicht in zehn Minuten endete. Normalerweise würde er jetzt schon zu Hause sein und sich auf sein Bett freuen, aber einer seiner Männer besuchte in Austin einen Lehrgang. Der Chief arbeitete normalerweise nicht in der Nachtschicht, aber in einem kleinen Städtchen wie Ranger Springs musste jeder die Pflichten des anderen erledigen können.

Er gab seine Position an Ben durch, der die Nacht über in der Zentrale saß. Dann heftete er sich sein Sprechgerät an die Schulter, griff nach der Taschenlampe und glitt aus dem Wagen hinaus in die warme, feuchte Nachtluft. Er schloss die Tür beinahe lautlos. Das Licht, das aus dem Innern des Hauses nach draußen schien, blendete ihn fast. Er konnte die Umgebung gut erkennen. Helle Strahler beleuchteten den Seiteneingang sowie die Tür an der Rückseite des Hauses. Messingbeschläge zu beiden Seiten der reich verzierten Vordertür ließen auf eine geräumige Veranda schließen.

Alan umrundete das Haus und lauschte auf die Geräusche. Vielleicht suchten ein paar Teenager aus der Gegend nach einem verlassenen Ort, um eine Party zu feiern. Möglicherweise saßen sie irgendwo im Garten und tranken das Bier, dass sie ihren Eltern aus dem Kühlschrank stibitzt hatten. Chief Parker konnte noch nicht einmal ausschließen, dass die Teenager sich im Garten der Franklins ein Marihuana-Pfeifchen genehmigten. Aber er hörte nichts außer dem Zirpen der Grillen in der sommerlichen Nacht.

Der Chief fragte sich, wer die hysterische Anruferin wohl war. Eine Freundin von Mr. und Mrs. Franklin? Oder jemand, der durch Gina Mae Summers, der Maklerin, vom leer stehenden Haus der Franklins erfahren hatte?

Lautlos sanken seine Schritte in das weiche Gras. Angestrengt richtete er den Blick auf den Boden, aber er konnte nur seine eigenen Fußspuren entdecken. Auf dem betonierten Weg zur Garage, ganz in der Nähe des Seiteneingangs, stapelten sich Umzugskartons und Plastiktüten. Er stieß mit dem Fuß gegen einen Karton und war kaum überrascht, als zwei dunkle Schatten sich aus dem Durcheinander lösten und in die Nacht hinein flüchteten. Eines der Tiere stoppte kurz, stellte sich auf die Hinterbeine und starrte ihn neugierig aus den auffällig umrandeten Augen an. Dann rannten die zwei Waschbären zum nächsten Baum und kletterten die raue Rinde hinauf.

Alan lächelte, als er seine Pistole in das Halfter zurücksteckte. Er ging zur Vordertür und klopfte. „Chief Alan Parker“, rief er laut und vernehmlich.

Er hörte Schritte, die leise über den Flur geschlichen kamen. Dann wurde die schwere Eichentür geöffnet. Vor ihm stand die unbekannte Anruferin.

Sie trug ein kurzes, pfirsichfarbenes Kleid, das in der Mitte von einem Gürtel zusammengehalten wurde. Ein langes T-Shirt lugte unter dem Saum hervor und umspielte ihre Oberschenkel. Lange, gebräunte Oberschenkel. Er brauchte nur eine Sekunde, um ihre Größe und ihren Körperbau abzuschätzen. Und die zarten Züge ihres herzförmigen Gesichts, aus dem sie ihm entschlossen entgegenblickte. Entschlossen, keine Angst zu zeigen.

„Miss Cummings?“ Zum Glück erinnerte er sich an den Namen, den sie im Gespräch mit der Zentrale genannt hatte. Jeder andere vernünftige Gedanke schien für einen Augenblick aus seinem Gehirn gebannt.

„Sie sind die Polizeistreife?“

„Ja“, bestätigte er und fasste automatisch nach seiner Dienstmarke. „Alan Parker. Ist alles in Ordnung?“

„Ja. Wie gut, dass Sie hier sind“, sagte sie offensichtlich erleichtert. Ihre Stimme war sanft und rauchig. Sexy … Doch den Gedanken sollte er sich besser verbieten.

„Haben Sie draußen jemanden entdeckt?“, fragte sie gespannt.

„Ja“, antwortete er und versuchte, seinen Blick von ihrem spärlich bekleideten Körper, ihren wohlgeformten Beinen und den nackten Füßen abzuwenden. „Es waren Waschbären. Zwei, wenn Sie es genau wissen wollen. Und ich kann Ihnen versichern, dass sie genau so viel Angst vor mir hatten wie Sie vor ihnen.“

Sie lehnte sich gegen den Türrahmen. Ihr Atem ging schnell und flach. „Wie dumm von mir. Ich dachte, dass sich hier vielleicht ein paar Kinder herumtreiben. Oder Landstreicher. Ich kenne niemanden hier in der Gegend. Und deshalb dachte ich, wer auch immer diesen Lärm machte, er wird mir nicht wohlgesonnen sein.“

„Schon in Ordnung. Ich verstehe Sie.“

Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihre dunkelblonden, schulterlangen Locken. Mit der anderen Hand klammerte sie sich am Türrahmen fest, so dass die Knöchel weiß hervortraten. „Sind Waschbären gefährlich?“

„Nur, wenn sie tollwütig sind.“

„Tollwütig!“

Die Fremde wirkte absolut schockiert. Wahrscheinlich kam sie aus der Stadt, wenn ihr die gewöhnlichsten Tiere in Texas fremd waren. Und sicher hatte sie von Tollwut gehört. Aber vielleicht war genau das das Problem. Einige Leute hegten eine unkontrollierbare Angst vor den Krankheiten, die wilde Tiere einschleppen könnten.

„Sie brauchen sich nicht zu ängstigen …“ In diesem Augenblick unterbrach ihn die Zentrale und fragte nach seinem Verbleib. Robin erschrak.

Alan fluchte leise. „Parker an Zentrale“, erwiderte er kurz angebunden. „Hier draußen ist alles in Ordnung, Ben. Nur ein paar neugierige Waschbären.“

Aufmerksam behielt er die Frau im Auge, während er sprach. Er verspürte den Impuls, ihre Hände in seine zu nehmen und sie zu beruhigen. Ihre Angst machte ihn irgendwie betroffen.

„Darf ich Ihnen zeigen, was Ihnen so große Sorge bereitet hat?“, fragte er sanft.

„Sind sie immer noch da?“, fragte sie mit einem Anflug von Panik und starrte in die Dunkelheit.

„Nein. Wahrscheinlich sitzen sie jetzt dort oben auf dem Baum …“ Er zeigte auf die Baumkrone. „… und lauschen unserem Gespräch. Sie fanden die Kartons dort drüben sehr interessant. Bestimmt haben sie den Haufen nach etwas Essbarem durchsucht.“ Er lächelte, aber seine routinierten Sätze schienen sie nicht im Geringsten zu beruhigen. Er musste seine Taktik wechseln.

„Sie haben von mehreren Einbrechern gesprochen. Hatten Sie hier Probleme? Das Haus hat immerhin über einen Monat lang leer gestanden.“

Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Sie atmete tief durch. „Nein, nicht wirklich. Ich glaube, meine Fantasie ist mit mir durchgebrannt. Es gibt wirklich keinen Grund dafür, dass irgendjemand weiß, dass ich hier bin.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Keine Familie?“

„Natürlich habe ich eine Familie“, erwiderte sie unbestimmt. „Aber nicht hier. Und ich habe ihnen nicht erzählt, wo ich mich zurzeit … aufhalte.“ Abweisend zuckte sie mit den Schultern und lächelte. „Kein großes Geheimnis“, fügte sie wenig überzeugend hinzu.

Obwohl er aus Dallas in das ruhige, kleine Städtchen Ranger Springs gezogen war, hatte er seinen Instinkt für verdächtiges Verhalten nicht verloren. Miss Robin Cummings lief vor etwas davon – oder vor jemandem. Darauf würde er glatt seine Dienstmarke verwetten.

„Haben Sie irgendwelchen Ärger, Miss Cummings?“, fragte er ruhig und trat einen Schritt näher an sie heran. Er wollte ihrer Ängstlichkeit auf den Grund gehen. Als Polizist, sagte er zu sich selbst. Und nicht als Mann, der einer Frau gegenüberstand, die den Beschützerinstinkt in ihm geweckt hatte.

„Was meinen Sie? Warum fragen Sie?“

„Es gehört zu meinem Job.“

„Ich bin nicht in Schwierigkeiten“, behauptete sie und hielt inne. „Wenn man einen wütenden Exverlobten und zwei Elternpaare nicht zählt, die ein Vermögen für eine Hochzeit ausgegeben haben, die von einem Tag auf den anderen abgeblasen wurde“, fügte sie dann hinzu.

Verdammt, so genau hatte es gar nicht wissen wollen. Ausgerechnet er sollte sich einer Frau gegenüber vernünftig verhalten, die ihren Verlobten vor dem Altar stehen gelassen hatte!

Plötzlich zitterte ihre Unterlippe. „Es wäre eine sehr elegante Hochzeit geworden“, flüsterte sie.

Und Alan schob seine Vorurteile zur Seite, ignorierte sämtliche Vorschriften der Polizeiarbeit und zog Robin Cummings in seine Arme.

Robin konnte sich nicht erklären, wie sie plötzlich in den Armen des Polizisten gelandet war. Dennoch durchströmte sie ein überwältigendes Gefühl der Erleichterung, als sie sich endlich gegen seinen kräftigen Oberkörper lehnen konnte und er mit seinen starken Händen langsam über ihren Rücken strich. Sein Herz schlug gleichmäßig gegen ihre Wange.

Besser, sie gewöhnte sich gar nicht erst daran. Und doch umklammerte sie ihn und hielt sich an ihm fest. Tief atmete sie den männlichen Duft seines Körpers ein. Sie seufzte auf und schloss die Augen, unfähig, sich gegen das Gefühl des Schutzes und der Sicherheit zu wehren, die dieser Mann – dieser Fremde – ausströmte.

Sie hätte eine Ewigkeit so stehen bleiben können. Die Zeit stand still, während er über ihren Rücken streichelte. Ein wenig normalisierte sich ihr Atem. Doch dann stellte sie fest, dass sein Herz nicht länger langsam und gleichmäßig schlug. Auch er musste es spüren. Er hielt in der Bewegung inne und sein Körper straffte sich. Als er sich räusperte, trat Robin zurück.

„Es tut mir leid. Ich benehme mich, wie … wie ein Waschlappen“, entschuldigte sie sich leise.

„Waschlappen?“, fragte er. Auch ihm schien die Situation peinlich zu sein. „Sie hatten Angst.“

„Vor Waschbären.“

Sein Lächeln verschwand. „Und Sie waren aufgeregt.“

Sie verschränkte die Arme. Früher oder später würde sie die Sache mit der Hochzeit erklären müssen, aber jetzt nicht. Noch nicht. „Wie dem auch sei. Sie haben mir gezeigt, dass ich keinen Grund habe, mich zu ängstigen. „

„Das würde ich nicht sagen. Auch hier gibt es Dinge, vor denen man sich vorsehen muss. Viele Tiere können gefährlich werden, wenn sie hungrig sind. Aber Fälle von Tollwut haben wir nur selten.“

Unwillkürlich rieb sie sich die Arme. Plötzlich schoss ihr der Gedanke an eine Horde hungriger Bestien durch den Kopf. „Ich habe noch nie auf dem Lande gelebt.“

Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr und seufzte. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er innerlich mit sich kämpfte. Sicherlich zählte er heimlich die Sekunden, die noch vergehen würden, bis er endlich vor dieser verrückten Frau entfliehen konnte.

„Parker an Zentrale“, sprach er in das Mikrofon auf seiner breiten, starken Schulter. „10-42.“

Die Zentrale antwortete, aber Robin konnte nichts verstehen. Sie wollte gerade fragen, was dieser Code bedeutete, als Chief Parker sich ihr zuwandte.

„Sie frieren“, beobachtete er beiläufig. „Vielleicht wollen Sie ins Haus gehen, Miss Cummings?“

„Also …“

„Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen die Gegend erklären dürfte. Eine Art Lehrstunde im Landleben“, fügte er mit einem Lächeln hinzu, das für einen offiziellen abendlichen Besuch viel zu attraktiv war. Die Spannung stieg.

Ihre Stimme klang heiser, als sie sprach. Atemlos. Sexy. Sie sah nicht im Entferntesten aus wie eine erfolgreiche Innenausstatterin, als sie ohne Make-up mitten in der Nacht auf der Veranda vor ihm stand. „Ich möchte Sie nicht von Ihren Pflichten abhalten.“

„Meine Schicht ist zu Ende. Und wie ich Ihnen schon gesagt habe, normalerweise ist es hier sehr ruhig. Ihr Anruf ist die aufregendste Sache …“

Der Gesetzeshüter errötete. Bei dem Gedanken, dass sie die Ursache für seine Verlegenheit war, musste sie lächeln. Natürlich wollte sie die Situation für ihn nicht noch peinlicher machen. Andererseits wollte sie ihn jedoch auch nicht zu schnell gehen lassen. Die Luft zwischen ihnen war zum Zerreißen gespannt. Vielleicht war sie nur erleichtert, weil ihre Angst sich als grundlos herausgestellt hatte. Oder sie wollte lediglich von ihrem früheren Verlobten und seinen verärgerten Eltern ablenken. Warum auch immer, sie wollte seine Gesellschaft noch eine Weile genießen.

„Ich nehme Sie beim Wort. Vielleicht sollte ich uns einen Kaffee machen?“

Er schien von ihrer Antwort überrascht. „Das müssen Sie nicht tun. Sie waren sehr verängstigt.“

„Jetzt ist es vorbei, und das habe ich Ihnen zu verdanken.“ Einladend trat sie einen Schritt zurück. „Bitte, trinken Sie noch einen Kaffee mit mir. Erzählen Sie mir alles über diese wilden Eindringlinge. Ich würde zu gerne wissen, wie man einen Killer von einem hungrigen Waschbären unterscheidet.“

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

„Ich freue mich über Ihre Gesellschaft. Außerdem kann ich jetzt sowieso nicht schlafen.“

Ganz besonders dann nicht, wenn ich ununterbrochen an Sie denken muss, fügte Robin im Stillen hinzu, als sie barfuß den Flur entlangging. Sie führte ihn in den Raum, den sie das „Schwiegermutter-Zimmer“ nannte, solange sie im Haus der Franklins wohnte.

„Machen Sie es sich bequem. Ich bin gleich zurück.“

Sie konnte ihre Unterhaltung unmöglich in dieser Aufmachung fortsetzen. Robins Lächeln verschwand allerdings, als sie sich ein T-Shirt über den Kopf zog und in ihre Hosen schlüpfte. Sie hatte nicht auf die Hände des Polizisten geachtet. Trug er einen Ring? Vielleicht wartete eine Mrs. Parker zu Hause auf ihren Ehemann.

Er schien jedoch keine Eile zu haben, nach Hause zu fahren. Als Robin ein paar Minuten später in die Küche zurückkam, kocht er gerade Kaffee. Offensichtlich fühlte er sich ganz wie zu Hause.

„Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?“, erkundigte sie sich und holte zwei Becher aus dem Küchenschrank. Es waren ihre Lieblingsbecher, die sie nur wenige Stunden zuvor in ihrer Wohnung in Houston eingepackt hatte.

„Hoffentlich ist es ihnen recht, ich habe koffeinfreien Kaffee gefunden. Ich dachte, dass Sie nach dem Schrecken des Abends kein Koffein mehr brauchen.“

„Koffeinfrei ist prima. Aber wie ich vorhin schon gesagt habe, ich will Sie nicht aufhalten. Ihre … ihre Familie erwartet Sie sicher zu Hause.“

Er drehte den Kopf zur Seite und lächelte sie wissend an. „Ist das die freundliche Art, mich zu fragen, ob ich verheiratet bin?“

Robin straffte sich. Sie war überrascht, wie leicht sie zu durchschauen war. Offensichtlich war sie etwas aus der Übung. Wenn man zwei Jahre lang mit einem Mann fest ging, konnte das schon einmal passieren. „Ich …“

„Schon in Ordnung. Natürlich haben Sie Fragen. Glauben Sie mir, normalerweise … also, es ist schon lange nicht mehr vorgekommen, dass ich eine aufgeregte Frau beruhigen musste.“

„Ist das Ihre Art, mir zu sagen, dass Sie nur Ihren Job gemacht haben?“ Sie stellte die Becher neben die Kaffeekanne und stützte ihre Hände in die Hüften. Seine Bemerkung verwirrte sie außerordentlich.

„Nein, das habe ich so nicht gemeint.“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurz geschnittenes Haar. Sein zaghaftes Lächeln unterschied sich deutlich von der routinierten Höflichkeit, die er vor ein paar Minuten auf der Veranda an den Tag gelegt hatte. „Ich habe bisher noch nie eine Anruferin des Notrufs umarmt.“

„Oh.“ Sie konzentrierte sich darauf, ihn nicht allzu vertraulich anzusehen. Ihre Reaktion auf diesen Chief Parker war genau so ungewöhnlich wie offensichtlich seine Reaktion auf sie. Und insgeheim wusste sie, dass es nicht richtig war, so schnell nach einer geplatzten Hochzeit einen anderen Mann äußerst attraktiv zu finden. Aber sie beschloss, die Warnung in den Wind zu schlagen.

2. KAPITEL

„Ich bin sehr geschmeichelt, dass ich Ihre erste Notruf-Umarmung bin“, erwiderte sie so beiläufig wie möglich. „Und um meine notdürftig verschleierte Frage anders zu stellen, ich hoffe, Ihre Frau hat nichts dagegen, dass Sie mitten in der Nacht hysterische Notruferinnen umarmen.“

Parker lachte. „Ich habe keine Frau. Ich war noch nie verheiratet, auch wenn ich zwei Male kurz davor war.“

„Wirklich? Hört sich nach einer spannenden Geschichte an, aber ich habe nicht den Mut, Sie danach zu fragen.“

„Gut, denn ich würde auch nicht antworten. Jedenfalls nicht bei der ersten Tasse Kaffee. Außerdem wollten wir uns eigentlich über die ländliche Tierwelt unterhalten.“

„Oh ja, das hatte ich fast vergessen.“ Sie zauberte ein Vertrauen erweckendes Lächeln auf ihre Lippen, ging zu ihm hinüber und stellte die Tasse vor ihn hin. „Milch oder Zucker?“

„Schwarz, danke.“

„Ihr Magen verträgt offensichtlich mehr als meiner“, erwiderte sie und nahm sich Milch und Zucker.

„Das ist wichtig, wenn man Tag und Nacht Ruhe und Ordnung durchsetzen muss.“

„Ich dachte, die Diätbestimmungen sehen vor, rund um die Uhr Krapfen mit Marmelade zu sich zu nehmen.“ Sie nippte an ihrem heißen Kaffee. Hoffentlich nahm er ihr nicht übel, dass sie sich auf seine Kosten lustig machen wollte.

„Genug mit den Scherzen“, erwiderte er und lachte kurz auf. „Wir müssen gesünder bleiben, als eine Krapfendiät es erlauben würde.“

Und er sah wirklich gesund aus, und fit. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Sie sollte besser schnell das Thema wechseln. „Also, mit welchen Tieren habe ich zu rechnen?“

Er sah sie zweifelnd an, ging aber auf die persönliche Anspielung in ihrer Bemerkung nicht ein. „Normalerweise gibt es hier Eichhörnchen, Waschbären, Beutelratten, Hasen und Hirsche. Vielleicht bekommen Sie auch mal Besuch von ein paar Füchsen oder Kojoten, aber das ist eigentlich eher unwahrscheinlich. Die sind sehr menschenscheu. Wir haben allerdings auch schon Pumas entdeckt, also seien Sie vorsichtig, wenn Sie nachts draußen sind.“

„Pumas?“ Entsetzt sah sie ihn an. „Ich wusste nicht, dass wir hier so weit in der Wildnis sind.“

„Wir sind tatsächlich in ihr Revier eingedrungen. San Antonio hat sich sehr weit nach Norden ausgedehnt. Austin wächst nach Süden und nach Westen. Es gibt neue Straßen und Ferienhäuser, die durch Texas Hill führen. Die Tiere gehen dorthin, wo sie Futter finden. Und das finden sie in der Nähe menschlicher Siedlungen.“

„Ich werde darauf achten, dass sie an meiner Küchentür nichts finden.“

„Das ist das Beste, was Sie tun können. Die Hirsche fressen natürlich alles. Gras, Bäume, Büsche, Blumen. Man kann sie schwer verscheuchen. Der Lebensmittelladen hat sich ein paar Tricks ausgedacht, aber ein hungriger Hirsch ist anhänglicher als alles, was ich sonst kenne.“

„Ich hätte nie gedacht, dass es eine echte Herausforderung ist, auf ein Haus aufzupassen“, meinte sie kopfschüttelnd.

„Sie werden sich daran gewöhnen.“ Er lugte über den Rand seines Kaffeebechers. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich. Der unausgesprochene Teil des Satzes „wenn Sie lange genug hier sind“ hing in der Luft.

Und Robin blieb eine Antwort schuldig.

„Ich werde mein Bestes tun. Ganz besonders werde ich mich von den Fleischfressern fern halten.“

Parker lehnte sich nach vorn. „Machen Sie nicht den Fehler und behandeln Wildtiere wie Haustiere. Beutelratten haben mehr Zähne im Maul als jedes andere Säugetier in Nordamerika. Sogar ein Eichhörnchen kann Ihnen ernsthafte Verletzungen zufügen, wenn es Sie in den Finger beißt, weil Sie es mit irgendetwas füttern wollen. Was klein und niedlich aussieht, kann plötzlich recht gefährlich werden.“

„Keine Sorge. Ich werde mich darauf beschränken, den Vögeln draußen ein paar Samen hinzustreuen.“

„Am besten, Sie streuen draußen gar nichts hin.“

„Aber ich mag Vögel.“

„Dann bekommen Sie bald auch die Eichhörnchen und den Rest. Die mögen die Samen ebenfalls.“

„Sie machen es mir wirklich nicht leicht, mich hier auf dem Land heimisch zu fühlen“, beklagte sie sich mit einem verschmitzten Lächeln.

Parker lachte ebenfalls. „Nein, bestimmt nicht. Als Polizist muss ich den Schwerpunkt auf Vorbeugung legen. Wenn ich nicht vorbeugen kann, muss ich festnehmen.“

„Und Notrufe von hysterischen Frauen beantworten, die ein Problem mit Waschbären haben.“

„Das“, er stellte seinen leeren Becher auf den Tisch, „kommt selten vor. Ich werde wohl meine Arbeitsplatzbeschreibung ändern müssen, sollten Sie vorhaben, regelmäßig anzurufen.“

„Ich verspreche, dass ich mich zuerst nach vierbeinigen Besuchern umsehen werde.“

Zweifelnd sah er sie an. „Wirklich?“

„Natürlich.“

Sein Gesichtsausdruck wurde ernsthaft und fragend. „Sie waren sehr aufgeregt.“

Robin zuckte die Schultern und wollte nicht länger darüber sprechen. „In einem neuen Haus fühlt man sich immer unsicher. Jetzt ist wieder alles in Ordnung.“

Er wirkte nicht überzeugt, widersprach aber glücklicherweise nicht. Stattdessen schob er seinen Stuhl zurück und stand auf.

Autor

Victoria Chancellor
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