Tausend Worte der Liebe

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Um endlich die Erinnerungen an ihre traurige Kindheit loszuwerden, will Shay Kendall die Villa ihrer Mutter verkaufen. Ganz unerwartet bietet sich schnell die Gelegenheit, das Luxusanwesen zu veräußern. Der bekannte Schriftsteller Mitch Prescott arbeitet an einem Buch über Rosamond Dallas, der ehemals so berühmten Schauspielerin - Shays Mutter. Hier in ihrem Heim hofft Mitch, die letzten Informationen für sein Werk zu erhalten. Das Angebot, ihm bei den Recherchen zu helfen, nimmt Shay sofort an. Sie fühlt, dass zwischen ihr und Mitch etwas Besonderes geschehen ist - dennoch kann sie dem Glück nicht vertrauen. Zu tief sitzt die Enttäuschung mit ihrem Exmann, der sie verließ, als Shay ein Kind erwartete …


  • Erscheinungstag 10.07.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783955764579
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Linda Lael Miller

Tausend Worte der Liebe

Aus dem Amerikanischen von Christiane Schmidt

MIRA® TASCHENBUCH


MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg


Copyright dieses eBooks © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH


Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Ragged Rainbows

Copyright © 1986 by Linda Lael Miller

erschienen bei Silhouette Books, Toronto


Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.ár.l


Konzeption: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildungen: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Redaktion: Mareike Müller


ISBN eBook 978-3-95576-457-9


www.mira-taschenbuch.de

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Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg


eBook-Herstellung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Marvins Toupet saß ein bisschen schief. Um seinen Mund lag das typische Standardlächeln, welches der Kundschaft im Allgemeinen einen günstigen Kauf versprach. Für Shay Kendall dagegen kündigte es meist Probleme an. Shay richtete sich in ihrem Stuhl auf und blickte aus dem Fenster über den blank polierten Schreibtisch ihres Chefs hinweg. Tausende von dreieckigen Wimpeln in Rot, Blau und Gelb flatterten knatternd im Wind, als fröhlicher Kontrast zum wolkenverhangenen Himmel über der Küste.

»Ich manage Ihr Büro, Marvin«, sagte Shay nachdrücklich und sah mit nussbraunen Augen in sein freundliches Gesicht, »aber ich bin keine Schauspielerin. So gern ich im Verkauf aushelfe, vor einer Kamera kann ich mir meine Person nicht vorstellen.«

»Diese Europareise habe ich Jeannie nun seit Jahren versprochen.« Marvin ließ nicht locker.

Am Bücherschrank lehnte mit verschränkten Armen Richard Barrett, Vertreter einer Werbeagentur in Seattle. Groß, mit flottem Haarschnitt … Man hätte ihn als gut aussehend bezeichnen können, wäre nicht die dunkle, altmodische Hornbrille gewesen.

»Immerhin sind Sie die Tochter von Rosamond Dallas«, mischte er sich ein. »Und ich wüsste ein paar Hundert Frauen, die sonst was gäben für so eine Chance.«

Shay schob eine braune Locke zurück und rieb sich die Schläfe. Dann warf sie Mr Barrett einen ironischen Blick zu. »Was heißt hier Chance, Richard? Sie tun so, als wäre eine Neuverfilmung der ‚Zehn Gebote‘ geplant. Aber es geht um einen Werbespot von dreißig Sekunden, bei dem eine Wagenladung Zucker über mich geschüttet wird. Und dabei muss ich auch noch sagen: ‚Wir haben ein Angebot für Sie – einfach Zucker! Kommen Sie zu Reese Motors nach Skyler Beach!‘ In welchem Zusammenhang steht so etwas damit, dass ich Rosamonds Tochter bin?«

Marvin lehnte sich in seinem Sessel zurück und schmunzelte. Er stellte sich wahrscheinlich vor, wie Shay nach und nach unter einer Tonne weißem Zucker begraben wurde. »Ein beachtlicher Bonus hängt natürlich auch dran«, meinte er beiläufig.

Von Bonus war bisher keine Rede gewesen. Man hatte nur versucht, Shay die Mitwirkung bei dem vorgesehenen Werbespot schmackhaft zu machen. Sie sollte anstelle des stadtbekannten »Niedrigpreis-Marvin« die Hauptrolle spielen.

Shay seufzte, während sie ihre finanzielle Situation überdachte. Ihr sechsjähriger Sohn Hank musste neu eingekleidet werden vor Schulbeginn, Rechnungen mussten bezahlt werden, von einigen anderen Ausgaben ganz zu schweigen. »Wie hoch wäre der Bonus?«, fragte sie und fand Richard Barrett widerlich, weil er grinste. Die Summe, die Marvin nannte, reichte für jede Menge Jeans, Turnschuhe, Pullis und T-Shirts, und übrig bleiben würde auch noch etwas.

»Nur für einen Werbespot? Mehr muss ich nicht machen?« Shay hasste sich, aber bei so viel Geld durfte sie nicht Nein sagen. Ihr Gehalt bei Reese Motors war nicht schlecht, trotzdem musste Shay alles zusammenkratzen, um ihren kleinen Sohn und sich selbst über die Runden zu bringen. Außerdem waren da noch die Steuern für das riesige, leere Haus ihrer Mutter, die Shay sehr belasteten. Gütiger Himmel, dachte sie, wenn ich nur jemanden finden würde, der mir das Haus abkauft …

Marvin und Richard wechselten vielsagende Blicke.

»Wenn Sie vergangenen Freitag nicht so eilig hinausgestürmt wären«, sagte Richard besänftigend, »hätte ich Ihnen erklärt, dass wir eine Serie planen. Vier Spots von jeweils dreißig Sekunden. Das bedeutet eine Menge Geld für zwei Minuten Arbeit, Shay.«

Zwei Minuten! Shay war ärgerlich. Für wie dumm hielt er sie? Keiner wusste besser, dass für dreißig Sekunden brauchbares Filmmaterial möglicherweise tagelang geprobt werden musste, bis alles perfekt saß. Marvin hatte beim letzten Drehtermin praktisch von Beruhigungstabletten gelebt. »Ich mache nur die Büroarbeit, sonst nichts«, wiederholte sie etwas kläglich.

»Und sind darin erstklassig«, betonte Marvin. »Ich weiß nicht, was wir in all dieser Zeit ohne Sie gemacht hätten.«

Shay dachte zurück, wie sie vor sechs Jahren hier als Empfangsdame begonnen hatte. Marvin und seine Frau Jeannie waren sehr nett gewesen und hatten ihr geholfen, wo sie konnten. Zum Beispiel bei der Suche nach einem zuverlässigen Babysitter für Hank, durch Einladungen zum Essen und viel gutes Zureden. Es war für Shay schrecklich wichtig gewesen, diesen Job zu behalten, weil sie doch plötzlich mit ihrem Baby auf eigenen Füßen stehen musste.

Dann wurde wie aus heiterem Himmel auch noch Shays Mutter krank. Die lebte damals glücklich und zufrieden mit ihrem sechsten und letzten Ehemann auf einer Ranch in Mexiko und machte sich über die Probleme der Tochter keine Gedanken. Niemand konnte ahnen, dass Rosamonds Vergesslichkeit und ihre gelegentlichen Wutausbrüche die ersten Anzeichen der Alzheimer Krankheit waren. Shay hatte ihre Mutter angerufen, nachdem Eliott – zu dieser Zeit Leiter einer Kleinstadtschule in Oregon – mit gestiftetem Geld für eine Sportanlage spurlos verschwunden war und seine junge, schwangere Frau bedenkenlos sitzen ließ.

Rosamond wies die Tochter darauf hin, dass sie ihr von Anfang an prophezeit habe, die Ehe werde so oder ähnlich enden. Natürlich würde sie gern mit Geld aushelfen, doch ihr Mann, Eduardo, hatte sich beim Kauf eines Vollblutrennpferdes verausgabt. Es war sündhaft teuer gewesen, das Tier von Kentucky nach Yucatán zu transportieren …

»Shay?«

Shay löste sich von ihren Erinnerungen und begegnete Marvins väterlichem Blick. Ihr war klar, dass sie auch ohne Bonus seine Bitte nie hätte abschlagen können. Marvin war mehr, als ein geduldiger, großzügiger Arbeitgeber – er war ihr Freund.

»So ein Angebot kann ich nicht ablehnen«, sagte Shay leise und voll banger Vorahnung, dass da einiges auf sie zukommen würde.

Marvins ausgefallene Ideen waren sein persönlicher Stil und hatten ihn in der Autobranche zu einer lebenden Legende gemacht. Jetzt grub er unverzüglich unter einem Wust von Schriftstücken und Akten das Telefon hervor und wählte.

»Jeannie? Leg deinen Reisepass zurecht, Honey! Shay ist einverstanden. Wir können losfahren.«

Shay erhob sich und ging in ihr kleines Büro nach nebenan. Richard Barrett folgte ihr, sichtlich zufrieden mit dieser Entwicklung. »Drei der Spots sind im Entwurf fertig, Shay«, sagte er. »Wollen Sie einen Blick draufwerfen?«

»Warum will Marvin unbedingt mich dafür haben?«, jammerte Shay, reichlich verspätet. »Weshalb nimmt er keinen der Verkäufer oder noch besser: einen Schauspieler? Ihre Agentur könnte ihm bestimmt jemanden vermitteln.«

Richard lächelte. »Sie wissen doch, Shay, wie viel er von persönlichem Einsatz hält. Das ist ja gerade das Geheimnis seines Erfolges, und Sie sollten stolz sein. Er betrachtet Sie praktisch als ein Mitglied seiner Familie.«

Damit hatte Richard Barrett nicht unrecht. Jeannie und Marvin waren kinderlos, sie bezogen Shay und Hank seit langer Zeit ganz selbstverständlich in ihr Privatleben ein. Und Shay wiederum … Was würde sie ohne die Reeses angefangen haben?

Shay seufzte und warf einen Blick auf den übervollen Korb mit dem Wort »Eingang«, der sie mahnend ansah. »Ich hab’ eine Menge Arbeit, Richard. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen …« Das Telefon summte. Shay nahm den Hörer ab. »Ja, Ivy? Was gibt’s?«

Ivy Prescotts Stimme kam durch. »Shay, der Verkäufer, den Mike letzten Dienstag eingestellt hat … er benimmt sich so komisch.«

Shay schloss die Augen und atmete tief. Mit der freien Hand suchte sie im Schreibtischkasten nach der Packung mit Aspirin, fand sie aber nicht. »Genauer, bitte. Was macht er?«

»Er steht auf dem Vordersitz der 65er Corvette, die wir neu hereinbekommen haben, und hält eine Rede.«

»Steht …?«

Ja, das ist ein Cabrio.«

Shay merkte, dass Richard Barrett sich noch immer in ihrem Büro aufhielt. Ihre Nervosität nahm zu. »Lieber Himmel! Wo ist denn Mike? Er ist Verkaufsleiter, das ist sein Problem.«

»Er ist heute krank.« Aus Ivys Stimme klang Panik. »Shay, was soll ich tun. Ich denke, wir sollten Mr Reese damit nicht behelligen. Sein Herz … du weißt schon. Oh, ich wünschte, dass Todd hier wäre!«

»Ich kümmere mich darum.« Shay legte auf und ging festen Schrittes aus dem Raum, gefolgt von dem unvermeidlichen Richard Barrett. Als sie an Ivys Empfangstresen vorbeikam, warf sie ihr einen missbilligenden Blick zu. Man denke – sich hinter einem Mann wie Todd verstecken zu wollen, auch wenn es der Verlobte war!

An diesem Tag trug Shay Tennisschuhe zu Jeans und Bluse. Die Gummisohlen quietschten auf der Treppe, als sie zum Ausstellungsraum hinabstieg. Mit freundlichem Kopfnicken grüßte sie die Kunden. Um das chromblitzende Cabrio herum hatte sich eine Menschenmenge versammelt.

Shay bahnte sich einen Weg frei, zwischen den beiden neuen Verkäufern hindurch, holte tief Luft und wandte sich dem jungen Mann zu, der mit flammendem Blick auf dem Fahrersitz des Sportwagens stand. »Kommen Sie sofort herunter!«, befahl sie mit fester Stimme, ohne zu wissen, was wäre, wenn er es nicht täte.

Doch er folgte der Aufforderung, sprang aus dem Auto und stellte sich Shay gegenüber. Sein Gesicht war vor Aufregung gerötet, sein Atem roch nach mindestens einem Cocktail während der Kaffeepause, und durch die Tasche seines kurzärmeligen Hemds drang blaue Flüssigkeit. Offensichtlich lief der Füller aus.

»Ich wollte doch nur begann er.

Shay unterbrach ihn: »Kommen Sie mit in mein Büro. Sofort.« Sie drehte sich um und ging zurück zur Treppe. Der junge Verkäufer folgte ihr. Sobald sie sich in ihrem Büro befanden, bekam er wieder Mut und murmelte aufsässig: »Ich lasse mich von keiner Frau zurechtweisen.«

Shay setzte sich in ihren Stuhl und faltete die Hände im Schoß. Der Mann hieß Ray Metcalf – das stand auf dem Namensschild, das er ans Hemd geheftet trug –, und er brauchte nicht unbedingt zu sehen, dass ihre Hände leicht zitterten. »Diese Frau, Mr Metcalf, weist Sie nicht zurecht, sondern schmeißt Sie hinaus. Wenn Sie noch Provision zu bekommen haben, wird Ihnen das Geld zugeschickt werden.«

»Sie feuern mich also?« Bestürzt sah er sie an. Er war jung und unsicher, und es war offensichtlich, dass er Probleme hatte. Hatte er vielleicht Familie, die er unterstützen musste?

»Ja«, erwiderte sie entschlossen.

»Das können Sie nicht machen!«

»Ich kann und ich habe bereits. Guten Tag, Mr Metcalf, und mehr Glück für die Zukunft.«

Metcalfs Gesicht wurde noch röter. Er zögerte, dann schlug er die Augen nieder, machte kehrt und verließ türenknallend Shays Büro. Sie war erleichtert.

Als wenig später Ivy hereinplatzte, saß Shay schon wieder über einer langen Liste mit Zahlen und rechnete. Sie verglich die Verkaufsziffern der letzten drei Monate.

Trotz des Altersunterschieds – Ivy war erst zwanzig und Shay immerhin neun Jahre älter – waren beide Frauen gute Freunde. Ivy hatte sich kürzlich mit Todd Simmons verlobt, einem ehrgeizigen, jungen Immobilienhändler. Weihnachten wollten sie heiraten, Shay würde Ehrendame sein.

»Todd geht mit mir zum Lunch«, sagte Ivy, ihr langes Haar glänzte in der Sonne. »Willst du nicht mitkommen?«

»Wie romantisch!« Shay verzog ihr Gesicht und sah kaum auf. »Nur wir drei!«

Ivy ließ sich nicht entmutigen. »Tatsächlich wären wir vier. Du sollst nämlich jemanden kennenlernen.«

Shay legte energisch ihren Stift zur Seite. »Willst du mich heute wieder verkuppeln, Ivy? Wie oft hab’ ich dir schon gesagt, dass …«

»Dieser Mann ist etwas ganz anderes.«

Shay tat so, als schätze sie Ivys Kleidergröße. »Ich überlege gerade, ob du nicht in das Truthahnkostüm hineinpasst, das bei Marvin zu Hause hängt. Mit ein paar kleinen Änderungen würde es sichergehen. Dass ich nicht eher darauf gekommen bin!« Sie machte eine wirkungsvolle Pause. »Wie wäre es, wenn du in vier Werbespots im Fernsehen erschienst?«

Ivy verdrehte ihre blaugrünen Augen und machte, dass sie hinauskam. Shay lächelte und wendete sich wieder ihrer Arbeit zu.

Es handelte sich um ein weiträumiges, imponierendes Herrenhaus im Tudorstil, das sich an die Felsklippen schmiegte und einen Blick weit über den Pazifik bot.

Aber für einen alleinlebenden Mann war es viel zu groß. Im förmlichen Esszimmer hingen zwei blitzende Deckenleuchter aus schimmernden Glasprismen. Hohe französische Fenster ließen einen Ausblick in den Garten zu, wo Rhododendronbüsche in herrlichen Farben blühten. Nobel auch die Bibliothek mit eingebauten Regalen aus poliertem Mahagoni. Alle Kamine im Haus waren so hoch, dass ein Mensch aufrecht darin hätte stehen können.

Das Hausherrenschlafzimmer lag im ersten Stock. Die Sonne spielte mit dem schachbrettartigen Oberlicht aus buntem Glas, das in die Mitte der Decke eingelassen war. Im anliegenden Bad schmückten handgemalte Kacheln eine riesige, versenkte Badewanne. Alle Türen ließen sich zur Terrasse hin öffnen. Dort blieben die Betrachter stehen. Das ganze Objekt war mit Sicherheit viel zu gewaltig und sehr anspruchsvoll.

»Ich nehme es«, sagte Mitch Prescott trotzdem und lehnte sich gegen das Geländer aus rotem Holz. An seinem blonden Haar zauste der salzige Seewind. Beruhigender, gleichmäßiger Wellenschlag klang vom Wasser her. Die auflaufende Tide kam zurück.

Todd Simmons, sein zukünftiger Schwager, konnte seine Freude kaum verbergen. Die Verkaufsprovision war warmer Regen für die junge Firma. Mitch Prescott merkte, dass Todd etwas zitterte, als sie den Abschluss durch Händedruck besiegelten.

Was ist nur in mich gefahren, wunderte sich Mitch, dass ich dieses monströse Haus innerhalb von fünfzehn Minuten gekauft habe? Und zu so einem Preis …

Vielleicht hatte der Gedanke an seine Halbschwester Ivy den Ausschlag gegeben. Da sie Todd heiraten wollte, kam das Geld auch ihr zugute.

»Wann kann ich einziehen?«, erkundigte er sich und schaute über das Meer. Er war des Hotellebens müde und konnte es auf einmal kaum mehr erwarten, wieder in einem richtigen, eigenen Haus zu wohnen.

»Sofort, wenn du willst«, antwortete Todd wie aus der Pistole geschossen. Er war so aufgeregt über diesen Abschluss, dass er am liebsten einige Luftsprünge gemacht hätte. »Der Vertrag ist reine Formalität in diesem Fall. Rosamond Dallas’ Tochter wird heilfroh sein.«

Der berühmte Name ließ Mitch aufhorchen. »Ich dachte, Miss Dallas sei tot?«

Über Todds Gesicht huschte ein Schatten. Verlegen zog er eine Packung Kaugummi aus der Tasche seines blauen Blazers.

Ein gut aussehender, sympathischer junger Mann, dachte Mitch. Er passt prächtig zu Ivy.

»Rosamond hat Alzheimer«, erklärte Todd und seufzte tief. »Ist das nicht schrecklich? Sie war so wunderbar, hat in vielen Filmen gespielt und sechsmal geheiratet. Dieses Haus – und noch mehrere überall in den Staaten – hat sie entworfen. Jetzt sitzt die Ärmste in einem Heim, und alle Welt glaubt, dass sie gestorben sei. Dabei ist sie erst siebenundvierzig.

»Gütiger Himmel«, flüsterte Mitch. Er war selbst nur zehn Jahre jünger. Wie furchtbar, wenn das Leben schon so bald zu Ende wäre. Rosamond stand mit siebenunddreißig gerade auf der Höhe ihres Ruhmes.

Todd fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar und zwang sich zu einem Lächeln. »So ist das eben«, meinte er philosophisch. »Rosamond hat hierfür keine Verwendung mehr, und für die Tochter ist es ein Albtraum – wegen der Steuern.«

Mitch war Journalist, und spontan erwachte sein berufliches Interesse, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, wenigstens ein Jahr lang Pause zu machen. Darüber hatte er erst heute Morgen mit seinem Agenten gesprochen.

Dass er sich leergebrannt fühle, hatte Mitch versucht, ihm klarzumachen und Ivan gleichzeitig um eine Terminverlängerung für den laufenden Kontrakt gebeten.

Seitdem waren nur wenige Stunden vergangen, trotzdem geisterten jetzt Ideen für Entwürfe und Nachforschungen durch seinen Kopf, »Rosamond Dallas muss Millionen verdient haben«, meinte er gedankenvoll. »Sie ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Star gewesen. Wie kann die steuerliche Belastung für ihre Familie ein Problem darstellen?«

Todd wickelte umständlich einen Kaugummi aus, faltete ihn und schob ihn in den Mund. Das Papier steckte er wieder ein.

»Rosamond hatte sechs Ehemänner«, zählte er auf, »doch von allen hat nur Riley Thompson was getaugt. Der Country- und Westernsänger, du weißt schon. Der bezahlt auch das Sanatorium Seaview, wo Rosamond jetzt untergebracht ist. Alle anderen Männer hatten unglaubliches Talent für schlechteste Geldinvestitionen und einen untrüglichen Blick für die langsamsten Rennpferde.«

»Aber der Verkaufserlös hiervon …«

»… dürfte draufgehen für Rosamonds letzte, persönliche Schulden. Shay bekommt keinen Pfennig davon zu sehen.«

»Shay? Ist das die Tochter?«

Todd nickte. »Heute Abend lernst du sie kennen. Sie ist Ivys beste Freundin und arbeitet auch für Marvin Reese.«

Mitch musste lächeln als der Name Reese fiel. Doch die traurige Story bedrückte ihn. Ein Weltstar wie Rosamond Dallas hinterließ der einzigen Tochter nichts, als einen Berg Schulden!

Von Marvin Reese war oft in Ivys Briefen die Rede gewesen, von seinen ausgefallenen Ideen und den geschäftlichen Erfolgen. Reese gehörte immerhin zu den größten Autohändlern von Washington und Umgebung. Seine Fernsehwerbung war berühmt für ihre Originalität.

Dann dachte Mitch wieder an Rosamond Dallas. »Ist Shay denn in diesem Haus aufgewachsen?« Mitch wusste nicht recht, weshalb er fragte, aber es interessierte ihn.

»Rosamond war, wie viele aus dem Showgeschäft, eine Art Vagabund. Shay hat als kleines Mädchen hier gelebt, später in Schweizer Pensionaten. Beim Studium an der Uni von Oregon traf sie …« Er hielt inne und lächelte verlegen. »Wie dumm von mir. Ich rede und rede und langweile dich. Dabei sollten wir über das Haus sprechen. Die Kontrakte sind noch heute fertig. Meine Schlüssel kannst du inzwischen schon behalten.« Todd löste von einem dicken Schlüsselbund welche ab und legte sie klirrend in Mitchs ausgestreckte Hand. »Ivy sagte etwas von Dinner, du bist selbstverständlich unser Gast.«

Mitch nickte. Todd bedankte sich noch einige Male und fuhr schließlich davon.

Dann erst begab Mitch sich auf Entdeckungsreise.

Er hatte nicht die Absicht gehabt, sesshaft zu werden und sich ein Haus zu kaufen. Der Grund seines Besuches war, Ivy zu sehen und ihren zukünftigen Mann kennenzulernen. Ein bisschen angeln, zum Segeln hinausfahren und einige Tage ausspannen. Der Besichtigung dieses Objekts hatte er nur zugestimmt, weil Ivys Beschreibung ihn neugierig gemacht hatte.

Plötzlich stand er vor einem kleinen Sommerhaus. Es war von Rosen nahezu überwuchert. Duftende rosa und gelbe Blüten wandten sich der späten Morgensonne zu, umsummt von fleißigen Bienen. Mitch schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf: Er würde sowohl einen Gärtner, als auch eine Haushälterin für seine Neuerwerbung brauchen.

Vorsichtig bahnte er sich einen Weg um das Haus herum und fand zu seinem Erstaunen auf der anderen Seite – ganz in Weiß – eine Kinderspiellaube. Die Miniaturkonstruktion war perfekt proportioniert, das Dach mit Schindeln gedeckt und Läden vor den Fenstern.

Mitch Prescott, bekannt für schonungslose Aufdeckung von Kriegsverbrechen, gefürchteter Ku-Klux-Klan-Jäger und Schrecken der kolumbianischen Drogenszene, fühlte sich plötzlich wie verzaubert.

Behutsam trat er näher. Natürlich blätterte an vielen Stellen die Farbe ab, im Dach waren Löcher, und auch drinnen schien manches kaputt zu sein, aber was machte das schon? Er lächelte, als er sich seine siebenjährige Tochter vorstellte, wie begeistert sie von diesem Zauberreich Besitz ergreifen würde. Kelly war sehr fantasievoll. Hier konnte sie nach Herzenslust ihren Kinderträumen nachhängen.

Shay stürmte wütend aus Marvins Büro. Kaum, dass sie Ivy beachtete, die in der Mitte des Empfangsraumes am Computerzentrum saß und arbeitete.

»Todd hat das Haus verkauft!« Ivy kümmerte sich nicht um Shays Verfassung und platzte mit der Nachricht dazwischen.

Shay blieb abrupt stehen, die Entwürfe der unglaublichen Werbespots hielt sie weit von sich. »Welches Haus?« Ihre Stimme war kaum mehr, als ein Flüstern.

Ivys blaue Augen blitzten, und ihr frisches Gesicht war vor Aufregung gerötet. »Dein Haus! Ich meine natürlich, das von deiner Mutter. Oh, Shay, ist es nicht herrlich? Jetzt kannst du all die blöden Rechnungen bezahlen, und Todd kriegt die größte Provision aller Zeiten.«

Shay vergaß, dass sie sich in ihrem Büro hatte einschließen wollen, um ungestört ihrem Ärger Luft zu machen. Achtlos legte sie die Entwürfe beiseite und zog mit zitternden Händen einen Stuhl heran. Natürlich fiel ihr ein Stein vom Herzen, denn Rosamonds zauberhaftes, geliebtes Haus war eine böse Belastung gewesen. Doch Shay verspürte auch Trauer, als wäre ein Teil von ihr verloren gegangen. »Wer hat es gekauft?«, fragte sie leise. »So viel Geld kann tatsächlich jemand für ein Haus ausgeben?«

»Mein Bruder Mitch!«, antwortete Ivy stolz.

Shay hatte immer noch Kopfschmerzen, das Denken fiel ihr schwer. Was hatte Ivy nur im Lauf der Zeit von diesem Mitch erzählt? Sie waren Halbgeschwister, stammten aus verschiedenen Ehen. Mit der Stiefmutter verstand Mitch sich nicht besonders gut. Er hatte es zu Ruhm und Vermögen gebracht, aber wie, das war etwas undurchsichtig. Ivys Halbbruder musste auch irgendwann verheiratet gewesen sein, denn es gab eine kleine Tochter. In Skyler Beach hatte er sich jedenfalls nicht oft sehen lassen.

Ivy hielt das Schweigen nicht länger aus. »Ich hab’s gewusst«, jubelte sie. »Wenn Mitch es ansieht, ist es so gut wie gekauft.« Ihr Blick fiel auf Shay: »Ist was mit dir? Du schaust elend aus.«

Shay stand auf und ging wie ein Schlafwandler in ihr Büro, wo sie allein sein konnte.

»Shay?«, rief Ivy erschrocken. »Ich dachte, du freust dich …«

Shay wandte sich um und lächelte gequält. »Ich freu’ mich ja«, sagte sie und schloss rasch die Tür.

»Dinner?«

Ivy war fest entschlossen, eine Absage nicht zu akzeptieren. »Ein Nein dulde ich nicht, Shay Kendall. Du hast dich von dem Haus trennen wollen, und Todd hat das Kunststück fertiggebracht. Du wirst unsere Einladung annehmen, denn das muss gefeiert werden.«

Shay ordnete die Rechnungen, die sie durchgesehen hatte, und legte sie in einen Ablagekorb auf ihrem Schreibtisch. Was für ein Tag! Erst die Werbespots und dann der verrückte Verkäufer mit seiner Ansprache, und nun noch diese Neuigkeit. Bei aller Erleichterung, dass die finanzielle Belastung ein Ende hatte, traf sie die Trennung von Rosamonds schönem Besitz wie ein Schock. Es wäre Shay wirklich lieber gewesen, den Abend allein zu Hause verbringen zu können, ein Buch zu lesen und sich vielleicht selbst etwas zu bedauern. »Ich nehme an«, sagte sie zögernd, »dass dein Bruder auch dabei ist.«

»Natürlich.« Ivy zuckte die Schultern. »Immerhin ist er der Käufer.«

Shay verspürte einen Anflug von Neid. Was für ein Gefühl musste es sein, sich ein derartiges Objekt ohne Weiteres kaufen zu können? Immer hatte sie im Geheimen davon geträumt, ein eigenes Geschäft aufzumachen – einen Partyservice, der ein so überwältigender Erfolg wäre, dass Shay es sich leisten könnte, mit Hank zusammen dort einzuziehen und zu wohnen.

»Ich muss auf dem Nachhauseweg in Seaview anhalten und Rosamond besuchen«, sagte sie und hoffte noch immer, um die Einladung herumzukommen. »Dann wäre auch noch Hank …«

»Shay!«

Shay seufzte, schob den Stuhl zurück und stand auf, »Also gut, abgemacht. Ich bleibe nicht lange in Seaview, und für den Abend nehme ich einen Babysitter.«

»Großartig!« Ivy strahlte.

Als sie gehen wollte, hielt Shay sie zurück. »Mach dir keine Hoffnungen, Ivy, dass du mich mit deinem Bruder verkuppeln kannst. An so etwas bin ich nicht interessiert. Ist das klar?«

Ivy verdrehte dramatisch die Augen. »Jetzt halt aber die Luft an, Shay!«

»Ich meine es ernst.«

»Dann bis nachher. Pünktlich acht Uhr.« Ivy machte, dass sie wegkam.

Shay schloss ihren Schreibtisch ab. Ich sollte über den Verkauf glücklich sein, dachte sie, und dass ich die Verantwortung los bin, und mich außerdem auf ein gutes Abendessen freuen.

Aber als sie zum Sanatorium Seaview fuhr, hätte sie am liebsten am Straßenrand geparkt und bitterlich geweint.

2. KAPITEL

Shay Kendall sieht ihrer berühmten Mutter überhaupt nicht ähnlich, überlegte Mitch, als Shay das Restaurant betrat. Sie ist bei Weitem schöner als Rosamond Dallas.

Shays dunkle Locken fielen in weichen Wellen auf ihre Schultern, die Augen waren ein Gemisch aus hellbraun und grün mit kleinen, goldenen Punkten. Hochhackige Sandalen zum schwingenden, weißen Kleid ließen sie noch größer und schlanker erscheinen.

Ivy stellte einander vor, und Shay reichte Mitch die Hand. Wie ein elektrischer Schlag schoss diese Berührung durch ihn hindurch, und er wurde verlegen. Er hielt Shay den Stuhl und nahm sich reichlich Zeit, zu seinem Platz zurückzukehren. Ivy und Todd gingen zum Hummerbassin auf der anderen Seite. Sie suchten welche zum Abendessen aus.

Shay schwieg. Durch das riesige Fenster beobachtete sie den Sonnenuntergang und die Möwen, die im Sturzflug ins Wasser tauchten. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, und Mitch spürte ein überwältigendes Gefühl von Zärtlichkeit, während er sie beobachtete. Er wollte ein Gespräch, doch es fiel ihm nichts ein. »Ivy hat mir erzählt, dass der Besitz Ihrer Mutter gehörte«, sagte er schließlich und merkte selbst, wie ungeschickt seine Worte klangen.

Durch den dünnen, seidigen Stoff schimmerten vage die Spitzen von Shays Brust. Mitch wurde noch unsicherer, griff nach seinem Glas und nahm einen kräftigen Schluck. Hatte sie früher in der kleinen Laube gespielt? Sicher. Der Gedanke, dass Shay als Kind dort glücklich war, lenkte ihn ab.

Ja …« Ihre Stimme klang tief und warm. »Das stimmt.«

Mitch wollte sich gegen Shays feminine Ausstrahlung abschirmen. Es war ungefährlicher, sie sich als Kind vorzustellen. »War das Ihr Puppenhaus hinter den Rosenbüschen im Garten?«

Shay lächelte und nickte. »Dort konnte ich stundenlang spielen. Es war komplett eingerichtet, sogar Geschirr gab es.« Sie schwieg erneut und wendete sich traurig dem Wasser zu. »Es sind aber nur einige Jahre gewesen.«

Mitch wünschte, er hätte Rosamonds Haus nie gesehen, geschweige denn gekauft. Er kam sich dieser schönen Frau gegenüber wie ein Dieb vor, der er etwas Unersetzliches genommen hatte, was ja auch mehr oder weniger stimmte.

Beide atmeten erleichtert auf, als Ivy und Todd Hand in Hand wieder zum Tisch kamen.

Der Schock traf Shay unvorbereitet. Nichts in Ivys Erzählungen von dem geheimnisumwobenen Bruder hätte darauf schließen lassen, wie sympathisch und gut aussehend dieser Mitch Prescott war: groß, mit breiten Schultern und Haar, das an Honigkaramell erinnerte. Am eindrucksvollsten fand Shay seine Augen, die fast schwarz waren, leuchtend, wach und zärtlich, alles auf einmal. Das weiße Sporthemd stand am Hals offen und enthüllte lockiges Brusthaar. Als seidiger Flaum schimmerte das Haar auf dem Rücken der sehnigen, kräftigen Hände, die zweifellos zuzupacken verstanden. Wie würde es sein, von diesen Händen gestreichelt zu werden?

Shay wehrte sich gegen diese ungewöhnlichen, irritierenden Gefühle. Seit langer Zeit, genaugenommen seit der bitteren Erfahrung mit Eliott Kendall, hatte die Fantasie ihr keine derart erotischen Bilder vorgegaukelt.

Shay machte sich gerade und bemühte sich, Mitch zu ignorieren. Er durfte auf keinen Fall merken, wie sehr er sie durcheinanderbrachte. Er wirkte ruhig und gelassen, sich seiner selbst völlig sicher, fast arrogant.

Ivy plauderte mit glänzenden Augen. Sie war glücklich und freute sich, außer Todd noch den vergötterten Bruder am Tisch zu haben. »Wollt Ihr euch keinen Hummer aussuchen?«, fragte sie und sah dabei Shay und Mitch an.

»Ich esse aus Prinzip nichts«, lehnte er entschieden ab, »was ich vorher am Boden eines Bassins habe kriechen sehen. Ich nehme Steak.«

»Und du, Shay?«, wandte Ivy sich enttäuscht an die Freundin. »Du nimmst doch Hummer?«

Shay griff nach der Speisekarte und versteckte sich dahinter. Warum nur war sie nicht ihrem Instinkt folgend zu Hause geblieben? Sie hätte wissen müssen, dass sie den Abend nicht würde durchstehen können. Der Tag war einfach zu schlimm gewesen. Dazu noch der Verlust des Hauses – besser gesagt: Verkauf des Hauses. »Shay?« Ivy ließ nicht locker.

»Ich nehme auch Hummer«, entschied Shay, hauptsächlich deshalb, weil sie sich nicht auf die Menüs konzentrieren konnte. Zu albern, immerhin war sie neunundzwanzig, Mutter eines sechsjährigen Sohnes und Ernährerin der Familie. Warum musste sie sich hinter einer dummen Plastikmappe verkriechen?

»Dann geh und suche dir einen aus.«

Shay schüttelte den Kopf. »Das soll der Kellner für mich tun.« Ich hab’ keine Lust, Todesurteile zu sprechen, dachte sie, und genauso wenig möchte ich Dokumente unterzeichnen, die den Besitz, an dem ich so hänge, einem Fremden zueignen.

Sie senkte die Speisekarte, und sofort trafen sich ihre Blicke, da Mitch sie nachdenklich betrachtet hatte. Ein Prickeln rann über Shays Haut, und die Spitzen ihrer Brust wurden hart, und das Blut stieg ihr in die Wangen. Mitch lächelte fast unmerklich, als wisse er genau, was in ihr vorging.

Nimm dich zusammen, schalt Shay sich, du kennst diesen Mann nicht einmal.

Der Kellner nahm die Bestellungen auf, Shay hörte kaum zu. Doch dann machte Ivy eine Ankündigung und versetzte Shay damit in volle Alarmbereitschaft.

»Shay wird ein Star«, sagte Ivy. »Ich wette, dass sie in den Werbespots so gut ist, dass Marvin sie anschließend in allen einsetzen wird.«

»Ivy!« Shay protestierte entsetzt. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie, dass Mitch belustigt lächelte.

»Ist das denn ein großes Geheimnis?«, verteidigte sich Ivy. »In diesem Sendebereich wird dich sowieso jeder sehen. Du wirst berühmt werden.«

»Oder berüchtigt«, fiel neckend Todd ein. Dann wechselte er das Thema: »Wie geht es deiner Mutter, Shay?«

Shay hatte keine Lust, von Rosamond zu sprechen. Doch das war auf alle Fälle einer Beschreibung der Werbespots vorzuziehen. »Ihr Zustand ist unverändert«, antwortete sie bedrückt.

Glücklicherweise wurde der Salat serviert. Shay tat, als wäre sie am Verhungern, denn niemand konnte erwarten, dass sie sich mit dem Mund voll Salatblättern und Dressing am Gespräch beteiligte. Zum Glück kam man auf andere Themen zu sprechen. So wurde über Todds Wunschtraum diskutiert, im Süden von Skyler Beach eine Reihe von Ferienhäusern zu bauen.

Während des Essens plauderte Ivy dann über die Hochzeit, die Weihnachten stattfinden sollte. Doch nachdem das Geschirr abgeräumt war, legte Todd die Verträge auf den Tisch, durch die Rosamonds Besitz am Meer auf Mitch übertragen wurde. Shay unterzeichnete schweren Herzens. Als Ivy und Todd aufstanden um zu tanzen, schien ihr der Moment gekommen, sich zu verabschieden.

»Warten Sie!«, sagte Mitch mit herber Freundlichkeit, und seine Stimme berührte Shay.

Sie sank in ihren Stuhl zurück, den Tränen nahe. »Ich weiß, dass ich kein guter Gesellschafter war. Tut mir leid …«

Mitch ergriff über den Tisch hin Shays Handgelenk. Seine Finger fühlten sich warm und zärtlich auf ihrer Haut an, und ein Zittern durchlief sie. Es war ihr unendlich peinlich, weil sie wusste, dass Mitch es gespürt hatte.

Autor

Linda Lael Miller
<p>Nach ihren ersten Erfolgen als Schriftstellerin unternahm Linda Lael Miller längere Reisen nach Russland, Hongkong und Israel und lebte einige Zeit in London und Italien. Inzwischen ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt – in den weiten „Wilden Westen“, an den bevorzugten Schauplatz ihrer Romane.</p>
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