The Art of Seduction - Verboten sexy, verlockend frech

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In dieser 4-teiligen Miniserie von Regina Kyle werden vier Geschwister in unterschiedlichen Kunstszenen New Yorks - Broadway, Tattoo-Kunst, Ballett und Fotografie - nicht nur auf aufregende Weise verführt, sondern finden so auch ihre große Liebe.

VERFÜHRT IM ZWEITEN AKT

Die bildhübsche Theaterautorin Holly ist wie Feuer in Nicks Schauspielerblut. Ihre gemeinsamen Proben am Broadway verlangen ihm viel ab. Sehr viel länger kann er nicht mehr den Coolen spielen …

DER ANWALT UND DAS SEXY TATTOO-GIRL

Smart gegen sexy! Für die Wahl zum Staatsanwalt fehlt Gabe Nelson das gewisse Etwas. Um sein Image aufzupeppen, soll die schillernde Devin ihn ab jetzt begleiten. Fatal, denn für sie steht er sofort in Flammen … Aber wie passen verboten heiße Nächte mit dem Tattoo-Girl zu seinem Job?

IVY UND DER KALENDERBOY

Erotische Funken sprühen, als Traummann Cade Hardesty für ein sexy Kalenderfoto vor Ivys Kamera posiert. Aber kaum entbrennt tatsächlich die Leidenschaft zwischen ihnen, erklärt Cade plötzlich öffentlich, Ivy sei für ihn nur eine gute Freundin. Spielt er bloß mit ihr?

SO VERBOTEN, SO VERLOCKEND

Mit seinen sexy Tattoos, seinem teuflischen Grinsen und dem athletischen Körper bedeutet Baseballprofi Jace Monroe nichts als Ärger! Zumindest für Primaballerina Noelle. Denn sie muss sich eigentlich voll und ganz aufs Tanzen konzentrieren, nicht auf frivole nächtliche Spiele!


  • Erscheinungstag 17.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783745752502
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Regina Kyle

The Art of Seduction - Verboten sexy, verlockend frech

1. KAPITEL

„Hast du den Verstand verloren?“ Nick Damone warf das Textbuch des Theaterstücks auf den Schreibtisch seines Agenten. Er war sauer. „Selbst wenn ich einen ehebrecherischen Dreckskerl spielen wollte, der seine Ehefrau schlägt – das Filmstudio heißt das keinesfalls gut.“

„Überlass Eclipse mir. Mit der Rolle des Trent Savage hast du ihnen einen Haufen Geld eingebracht“, erwiderte Garrett Chandler. „Außerdem hast du gesagt, dass du L. A. für ein paar Monate verlassen willst. Also kehre zu deinen Wurzeln zurück und spiele Theater. Befreie dich von deinem Leinwandimage und probiere etwas aus, das mutig und ausgefallen ist.“

„Ja.“ Nick war die intriganten Typen und Schleimer in Hollywood leid. Er war erschöpft von dem Kunststück, dem Ruhm gerecht zu werden, aber jeglichen Skandal zu vermeiden. Im Alter von dreiunddreißig Jahren waren seine Tage als Actionheld Trent Savage gezählt – und damit sein Auskommen. Es sei denn, er erweiterte sein Rollenspektrum und stellte seine Karriere auf mehrere Standbeine. Aber achtmal in der Woche auf einer Bühne vor Publikum zu spielen war ein ziemliches Risiko.

„Vertrau mir, Nick. Ich habe nicht dafür gesorgt, dass du es so weit bringst, indem ich dich schlecht beraten habe. Diese Rolle ist Gold wert. Damit winkt dir der Tony Award.“ Sein Agent forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen, und schob ihm das Textbuch über den Schreibtisch. „Befass dich noch mal eingehend damit. Dann wird dir bestimmt klar, dass es genau das ist, wonach du suchst.“

Nick setzte sich und streckte die langen Beine aus. Der lange Flug von Hongkong, wo er zu Dreharbeiten seines jüngsten Films gewesen war, war selbst in der ersten Klasse für einen 1,95 m großen Mann verdammt unbequem gewesen. Jetzt wollte er nur noch ein mindestens ebenso großes Steak essen, heiß duschen und ausschlafen.

All das gönnte er sich auch. Direkt nach der Diskussion mit seinem Agenten, der zufällig auch so etwas wie sein bester Freund war. Denn er hielt andere Menschen auf Distanz. Auf diese Weise konnte niemand seine Gefühle durcheinanderbringen, und er geriet nicht aus dem Konzept. „Was wissen wir über den Autor?“ Er entzifferte die Buchstaben auf dem Deckblatt: The Lesser Vessel von H. N. Ryan.

„Nicht viel“, gab Garrett zu. „Sie ist eine Neuentdeckung, hat das Roberts Wesleyan College besucht und ein paar Stücke geschrieben, die für kurze Zeit in der Provinz aufgeführt wurden. Aber Ted und Judith – zwei der gefragtesten Broadwayproduzenten – sagen, dass sie ein in ihrer Generation einzigartiges Talent ist. Sie haben sich die Uraufführungsrechte für dieses Stück gesichert, noch bevor es fertiggestellt war. Das ist eine ziemliche Empfehlung.“

„Sie? Also eine Frau“, meinte Nick überrascht. Gewalt in der Ehe war ein öffentlich viel diskutiertes Thema, nachdem eine Reihe von Prominenten deswegen in letzter Zeit verhaftet worden war. Aber ihm war The Lesser Vessel nicht wie ein „Problemstück“ vorgekommen. Deshalb hatte er – zugegebenermaßen politisch unkorrekt – angenommen, dass es ein Mann geschrieben hätte.

Er hatte das gesamte herzzerreißende Stück im Flugzeug gelesen, statt zu schlafen. Es hatte ihn tief berührt. Herauszufinden, dass es von einer Frau stammte, war beunruhigend.

Fast niemand wusste – auch Garrett nicht –, dass häusliche Gewalt jahrelang zu seinem Alltag gehört hatte. Immer wenn seine Mom ihn besuchte, oder er mit ihr telefonierte, kamen ihm die hässlichen Geschehnisse wieder ins Bewusstsein. Besonders machten ihm diese Erinnerungen zu schaffen, wenn er in Erwägung zog, nach Hause zu fahren und seinem Vater die Stirn zu bieten.

Doch Nick hielt Abstand. Denn er traute weder sich noch seinem Vater zu, die Wut unter Kontrolle zu halten. Seine Mutter hatte schon genug gelitten und sollte nicht miterleben, wie sie sich gegenseitig halbtot prügelten.

„Komm wieder runter, Junge. Diese Frau ist nicht dein Typ.“

Er hielt sich nicht damit auf, auf die Anspielung einzugehen, dass er kein Kostverächter sei. In Wirklichkeit war er in seinen jeweiligen Beziehungen monogam gewesen. Aber er hatte auf die harte Tour gelernt, dass es den Aufwand nicht wert war, sich gegen die Hollywoodmaschinerie zur Wehr zu setzen. Die Presse, das Studio und selbst Garrett schlachteten sein Image als angeblicher Frauenheld nur zu gern aus. „Woher weißt du, dass sie nicht mein Typ ist?“

„Laut Ted ist sie klein, gescheit und süß.“

„He“, protestierte Nick ironisch lächelnd. „Die Frauen, mit denen ich mich verabrede, sind süß.“ Ja, sie waren groß gewachsen, hatten lange Beine und waren oberflächlich – aber süß. Er suchte nicht nach einem Bund fürs Leben. Die Ehe seiner Eltern mitzuerleben war schlimm genug gewesen. Die letzten zehn Jahre all die Lügner und Betrüger in Hollywood zu sehen hatte ihn noch skeptischer werden lassen. Von der Liebe ließ er lieber die Finger.

„Ich mache keine Scherze“, sagt Garrett. „Diese Frau ist tabu. Sie ist eine ernsthafte Dramatikerin und keines deiner blonden Dummchen.“

„Wie auch immer.“ Nick würde ohnehin nicht in diesem Stück mitspielen. Ende der Diskussion. Allerdings musste er sich unbedingt einen Plan B für seine berufliche Zukunft überlegen. „Mit der Autorin hat also alles seine Richtigkeit, und das Stück ist der Hammer. Aber warum soll ich diesen Bastard von Exehemann spielen? Was ist mit dem Polizisten?“

„Der ist ein Waschlappen. Außerdem ist die Rolle bereits vergeben.“

Nick wurde aufmerksam. „An wen?“

Garrett blätterte einige Papiere durch, um Zeit zu schinden. „Malcolm Justice“, antwortete er schließlich.

„Das ist nicht dein Ernst. Ich werde nicht die zweite Hauptrolle neben diesem verdammten Leichtgewicht spielen, um meine Karriere zu retten.“

„Finde dich damit ab, Nick. Du bist Trent Savage – nicht er. Auch wenn er behauptet, die bessere Wahl gewesen zu sein.“

„Aber die Leute werden dann in mir den Mann sehen, der seine Ehefrau schlägt. Sie werden mich beschimpfen, wenn ich irgendwo einkaufe oder einen Kaffee trinke.“ Dabei ging es ihm vor allem um seine Mom. Falls sie sich lange genug von zu Hause fortstehlen konnte, um die Aufführung zu sehen, würde sie sich Sorgen um seine vermeintlichen gewalttätigen Tendenzen machen und viel weinen.

„Das ist der Preis dafür, ein Künstler zu sein.“ Garrett schenkte Bourbon in zwei Gläser und reichte Nick eines davon.

„Ein schöner Künstler. Ich habe die letzten sechs Jahre damit zugebracht, einen Actionhelden zu spielen, der um die Welt jettet und Frauen vernascht. Mit Shakespeare hat das nichts zu tun.“ Er wusste nicht einmal, ob er wirklich noch zum Bühnenschauspieler taugte. Und jetzt wollte sein eigener Agent ihn den Kritikern zum Fraß vorwerfen. Kritikern wie diesem Schuft von der Times, der sich über den sogenannten „Starkult“ am Broadway entrüstete.

So ungern Nick es zugab: Dieses Projekt machte ihm Angst. Seit er das letzte Mal auf einer kleinen Bühne in der Provinz gestanden hatte, waren Jahre vergangen. Einen Flop am Broadway konnte er sich nicht leisten. Das alles überstieg seinen Horizont.

„Wie lautet das Motto noch mal, auf das du immer zurückgreifst?“, spottete Garrett.

„Sei mutig und unerschrocken.“ Sofort erinnerte er sich an Holly Nelson, die diese Worte vor fast fünfzehn Jahren zu ihm gesagt und damit sein Leben verändert hatte. Ob sie sich wohl auch so lebhaft an diesen Abend erinnerte, an dem eine Party der Schultheatergruppe stattgefunden hatte?

Holly und er hatten allein nebeneinander auf einem Anlegesteg am Leffert’s Pond gesessen. Der Wind hatte ihre braunen Haare zerzaust. Sie hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt und ihn ermutigt, seinen Traum zu leben. So seltsam es klang: Sie hatte ihn mit ihren großen, grünen Augen angesehen und erkannt, was noch aus ihm werden könnte.

Nein, wahrscheinlich erinnerte sie sich nicht mehr daran. Wahrscheinlich nicht einmal an den Kuss, der sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Nick hatte gewusst, dass sie unerfahren gewesen war. Deshalb hatte er sich mit einem unschuldigen Kuss dafür bedanken wollen, dass sie ihm gesagt hatte, was er hören wollte.

Aber in dem Moment, in dem ihre Lippen sich berührt hatten, war sie in seinen Armen förmlich dahingeschmolzen. Sein Herz hatte gerast, als sie leicht die Lippen geöffnet und seine Brust gestreichelt hatte. Er war so angetörnt und hingerissen gewesen, dass er Jessie Pagano nicht gesehen hatte, die zum Steg gekommen war und sie gestört hatte. Angeblich hatte sie ihren verloren gegangenen Fotoapparat gesucht.

Obwohl Nick im Laufe der Jahre öfter an Holly gedacht hatte, als er zugeben wollte, hatte er sie nicht im Auge behalten. Er verdankte ihr die Initialzündung seiner Schauspielkarriere. Doch es wäre anmaßend gewesen, sie aufzuspüren. Inzwischen war sie wahrscheinlich mit einem Lehrer verheiratet, der in Stockton auf ihrer alten Highschool unterrichtete, und herzte daheim jeden Tag ihre Kinder. Was sie wohl von diesem Projekt am Broadway halten würde?

„Bist du in Ordnung, Kumpel?“, erkundigte sich Garrett.

Er trank seinen Bourbon aus und nickte. „Mir geht es gut.“

„Also triffst du dich mit dem Produktionsteam?“

Nick fluchte innerlich. „Wo und wann?“

„New York.“ Sein Agent zögerte. „Morgen Nachmittag.“

„Auf keinen Fall. Ich bin gerade aus einem verdammten Flugzeug gestiegen. Kann das nicht ein paar Tage warten?“

„Nein. Das Vorsprechen sollte schon letzte Woche beendet sein. Aber sie haben gewartet, bis du in die USA zurückkommst. Anscheinend ist jemand ganz versessen darauf, dass du diese Rolle übernimmst. Deshalb habe ich für uns beide einen Flug gebucht.“

„Du bist dir deiner selbst sehr sicher, nicht wahr?“

„Sicher ist, dass dich diese Rolle einen großen Schritt nach vorn bringt, falls du das meinst. Es geht das Gerücht um, dass Spielberg sich nach der passenden Besetzung für die Verfilmung der Biographie Joe DiMaggios umsieht. Du bist wie geschaffen für die Titelrolle, und genau dieses Theaterstück sorgt dafür, dass er dich auf dem Schirm hat.“

Verdammt. Nick gäbe fast alles dafür, mit Steven Spielberg zu drehen. Und die Baselballlegende Joe DiMaggio war ein Nationalheld. Er fuhr sich durch die Haare. Garrett hatte gewonnen. „Ich bin hungrig, erschöpft und brauche dringend eine Dusche“, wandte er ein.

„Kein Problem. Uns bleibt gerade noch genug Zeit, um zu dir zu fahren, damit du duschen und packen kannst. Schlafen und essen kannst du im Flieger.“

„Und was ist mit dir?“

Garrett griff nach seinem Jackett und einer kleinen Reisetasche. „Ich bin gerüstet.“ Er ging aus seinem Büro.

Nick nahm das Textbuch und folgte ihm. Keinesfalls würde er im Flugzeug schlafen. Wenn er in New York vorsprach, wollte er gut vorbereitet sein. Dazu musste er das Stück mindestens noch zweimal lesen, sich in spezielle Szenen einarbeiten und ein Charakterprofil des Ehemannes erstellen, den er darstellen sollte. Das waren keine leichten Aufgaben angesichts der Tatsache, dass er Legastheniker war.

Holly Ryan probierte die schwarze, elegante Leinenhose an und versuchte, vor dem Spiegel einen Blick auf ihren Po zu werfen. „Die Hose ist zu eng. Was ist denn an den Kleidern auszusetzen, die ich anhatte?“

„Diese alten Sachen?“, entgegnete ihre jüngere Schwester Noelle. „Darin siehst du wie eine Hausfrau aus. Erst jetzt merkt man, dass du eine Taille, einen Po und einen Busen hast.“

„Womit wir beim nächsten Problem wären.“ Sie zupfte am Ausschnitt der Seidenbluse, die ihr Noelle – eine Modenärrin– wie die Hose geliehen hatte. „Ist das nicht ein bisschen …“

„Schmeichelnd? Attraktiv? Ein Blickfang?“

„Ich dachte eher an offenherzig, unangebracht oder nuttig“, entgegnete Holly.

Ihre Schwester griff sich melodramatisch ans Herz. „Du verletzt mich sehr. Diese Bluse von Marc Jacobs hat mir schon viel Glück gebracht.“

Holly sank aufs Bett. Diese ganzen Verschönerungsmaßnahmen hatten sie erschöpft. Zuerst hatte Noelle darauf bestanden, ihr die glatten Haare zu stylen und sie perfekt zu schminken. Jetzt sollte sie auch noch das passende Outfit anziehen. „Ich bin dir wirklich dankbar für deine Mühe. Ich verstehe nur nicht, warum all das nötig ist.“

„Zunächst einmal verdienst du es nach allem, was du in den letzten beiden Jahren durchgemacht hast, ein bisschen aufgepäppelt zu werden. Betrachte es als Belohnung dafür, dass du diesen Widerling Clark abserviert hast.“

„Dem kann ich nicht widersprechen“, meinte Holly. Dabei wusste ihre Schwester höchstens ansatzweise, was passiert war. Niemand außer der Polizei und einigen Ärzten wusste darüber Bescheid.

„Und zweitens bist du jetzt eine angesagte Dramatikerin. Dafür bekommst du jetzt den entsprechenden Look verpasst.“

Holly verdrehte die Augen. „Angesagt? Das ist stark übertrieben.“

„Genieß den Erfolg. Dein Stück wird am Broadway aufgeführt. Mit mindestens einem, vielleicht sogar zwei Filmstars der Extraklasse.“

Das stimmte. Aber Holly tat sich schwer damit, sich nicht mehr als andauernde Versagerin in einer leistungs- und erfolgsorientierten Familie zu fühlen. Ihre jüngeren Geschwister hatten alle Karriere gemacht. Sie dagegen hatte ständig die Jobs gewechselt – von der Vertretungslehrerin bis hin zur Barkeeperin. Ihre Familie hatte bereits Witze darüber gemacht, welchen Job sie wohl als Nächstes ausprobieren würde.

Doch dann hatte sie vor gut fünf Jahren Clark geheiratet, der sich ein perfektes Heimchen am Herd gewünscht hatte. Eine Ehefrau, die ihn abends lächelnd mit einem Drink begrüßte und ihm das Essen servierte. Da sie immer für alles zu haben gewesen war, hatte sie versucht, die neue Rolle auszufüllen.

Ein schwerer Fehler. Sie hatte Clarks Ansprüche an eine perfekte Hausfrau nicht erfüllt. Das Steak war immer zu blutig oder zu durchgebraten und die Wäsche nie porentief rein gewesen. Ihre Rettung, die das Desaster erträglich gemacht hatte, war ein Artikel über die Vorzüge des Führens eines Tagebuchs gewesen, der in einer Frauenzeitschrift erschienen war. Auf diese Weise wurde die Autorin H. N. Ryan geboren.

„Das glaube ich erst, wenn der Vorhang hochgeht.“ Holly bezweifelte noch immer, dass alles glattlaufen würde. Es konnte zu viel schiefgehen. „Bis dahin …“

„Du machst dir zu viele Gedanken. Du hast doch gesagt, dass Malcolm Justice die Rolle des Polizisten übernimmt. Er hat den Vertrag schon unterschrieben. Und wer ist der Mann, der heute vorspricht?“ Noelle musterte die Auswahl an Schuhen, die sie für ihre Schwester mitgebracht hatte.

„Keine Ahnung. Er ist ein erfolgreicher Filmstar und ein totaler Frauenschwarm. Mehr wollte Ethan nicht verraten.“ Was seltsam war. Denn Ethan Phelps und sie hatten nie Geheimnisse voreinander. Seit dem ersten Semester auf dem Wesleyan war er ihr bester Freund. Er hatte ihr den Spitznamen „Hollypop“ verpasst, den er leider immer noch ab und zu benutzte.

Als ihre Agentin ihr gesagt hatte, dass The Lesser Vessel am Broadway aufgeführt werden sollte, hatte sie sofort daran gedacht, dass er die Regie übernehmen könnte. Zum Glück hatte seine Theaterarbeit abseits der großen Städte die Produzenten überzeugt.

„Vielleicht ist es George Clooney? Oder Tom Cruise?“

Holly schüttelte den Kopf. „Zu alt. Und zu … zu Tom Cruise.“

„Oh, und wenn es Nick Damone ist?“ Noelle suchte jetzt die passenden Accessoires heraus. „Du warst doch auf der Highschool in ihn verknallt. Dann könntest du deswegen endlich etwas unternehmen.“

„Was meinst du?“

„Bitte, Holly, verkauf mich nicht für dumm.“

„Aber du warst damals erst zehn Jahre alt.“ Und sie hatte geglaubt, dass Ethan der einzige Mitwisser wäre. Ihm hatte sie eines feuchtfröhlichen Abends kurz nach ihrer Scheidung gestanden, dass sie vor langer Zeit einmal in einen mittlerweile berühmten Filmstar verknallt gewesen war.

Aber sie hatte nie jemandem erzählt – nicht mal Ethan –, dass sie Nick davon überzeugt hatte, sein Footballstipendium sausen zu lassen und nach New York zu gehen. Oder dass er sie an diesem Abend damals geküsst hatte. Es war ihr erster Kuss gewesen, und kein anderer Junge danach hatte ihr Herz so zum Rasen gebracht wie er. Natürlich war dieser magische Moment nur allzu bald zu Ende gewesen. Jessie Pagano hatte sie gestört und ihre Zweisamkeit zerstört.

Holly beschloss, alles zu leugnen. „Was weißt du schon darüber, in wen ich verknallt war, Noelle? Ich habe – ich meine natürlich, ich hatte – keine Schwäche für Nick Damone.“

„Und warum wirst du dann rot?“

„Ich werde nicht rot!“ Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Mist. Ihre Wangen fühlten sich tatsächlich glühend heiß an.

„Ist doch keine große Sache. Ich stehe auf Ryan Gosling. Zehn Minuten allein mit dem Mann auf engstem Raum, und ich wäre im siebten Himmel.“

„Es spielt auch keine Rolle. Laut dem Branchenblatt Variety dreht Nick noch immer in Hongkong den neuesten Trent-Savage-Film.“

„Wer immer auch dein geheimnisvoller Filmstar ist – du musst den Vertrag mit ihm abschließen.“ Noelle hielt ihr silberfarbene, hochhackige Peep-Toe-Riemchensandaletten hin. „Christian Louboutin.“

Als wenn Holly den Namen irgendwie kennen würde. „Auf keinen Fall.“

Ihre Schwester lächelte fast ein wenig frivol. „Du musst. Männer finden diese Schuhe sexy.“

„Ich will professionell wirken, nicht sexy.“ Holly nahm das einzige Paar schwarzer Pumps mit höheren Absätzen aus dem Schrank, das sie besaß, und zog es an.

„Wie du meinst.“ Noelle holte einen breiten, schwarzen Gürtel aus einer Tasche hervor. „Fehlt nur noch der letzte Schliff.“ Sie drapierte den Gürtel um Hollys Taille und reichte ihr eine Granatkette mit passenden Ohrringen. „Jetzt kannst du dir deinen Filmstar schnappen.“

Eine halbe Stunde später ging Holly vor dem Film Center Building in der Ninth Avenue auf und ab und sprach Ethan zum x-ten Mal auf die Mailbox. „Komm schon. Nimm ab. Wo bist du, Ethan?“

„Direkt hinter dir, Hollypop.“

Sie wirbelte herum. „Hast du mich erschreckt! Du bist zu spät. Und du weißt, dass ich diesen Spitznamen hasse.“

Er küsste sie auf die Stirn. „Sei nicht sauer, Holly. Das finstere Gesicht passt nicht zu deinem tollen Outfit.“

„Ich kann dir einfach nie lange böse sein.“

„Sag mir das in ein paar Minuten noch mal“, murmelte Ethan und wechselte das Thema. „Schöne Ohrringe. Hast du meinen Vorschlag befolgt und Noelle angerufen?“

Holly nickte und deutete auf den Ausschnitt der Bluse. „Ist das okay? Nicht zu viel?“

„Besser als okay und definitiv nicht zu viel.“ Er führte Holly in die Kabine des Aufzugs.

„Warum diese Geheimniskrämerei? Sagst du mir jetzt, wer oben auf uns wartet?“

„Das findest du noch früh genug heraus.“ Ethan drückte hektisch auf den Knopf für die vierzehnte Etage. „Wenn wir uns diesen Fisch angeln, ist das der größte Broadway-Coup seit der Verpflichtung von Hugh Jackman und Daniel Craig für Zwei beste Freunde.“ Er ließ Holly den Vortritt, als sie angekommen waren.

Sie hielt vor der Tür der Broadwayproduzenten Ted und Judith Aaronson inne. „Wenn es einer von den beiden ist, falle ich in Ohnmacht.“

„Es ist keiner von den beiden. Aber du könntest trotzdem in Ohnmacht fallen.“ Ethan sah sie ernst an. „Und versprich mir eines, bevor wir hineingehen: Was immer da drin passiert – hasse mich nicht.“

„Warum sollte ich dich hassen? Ethan, du machst mir Angst. Wer wartet da drin auf uns? Meine Exschwiegermutter?“

„Hier sind sie!“, rief Ted, der inzwischen die Tür geöffnet hatte. „Unsere verehrte Autorin und der geschätzte Regisseur.“ Er brachte sie in einen Konferenzraum, in dem Judith und einige der Mitarbeiter an einem riesigen Walnusstisch saßen.

Holly bemerkte den Mann, der etwas abseits mit dem Rücken zur Tür stand und die Fotos betrachtete, die an der Wand hingen. Seine schwarzen Haare waren kragenlang. Er trug ein cremefarbenes, tailliertes Hemd, das seine breiten Schultern und muskulösen Arme betonte. Nein, das kann er nicht sein. Er sollte in Hongkong sein.

„Hier sind sie, Holly Ryan und Ethan Phelps“, sagte Ted so dröhnend, dass seine Ehefrau ihn missbilligend ansah. Aber er fuhr genauso lautstark fort: „Begrüßen Sie unseren neuen Star, der direkt von seinen Dreharbeiten zu uns kommt.“

Der Mann drehte sich um, und Holly erkannte an seinem fassungslosen Gesicht, dass er genauso geschockt war wie sie.

Nick.

Er kam auf sie zu wie eine Flutwelle alter Gefühle und längst vergessener Sehnsüchte. „Es ist lange her, Holly.“ Er streckte ihr die Hand hin.

Wow. Er sah umwerfend aus. Groß und braun gebrannt. Seine tiefe Stimme raubte ihr den Atem, und unwillkürlich wurden ihre Brustwarzen hart, als sie ihn ihren Namen sprechen hörte. Sie verschränkte die Arme, um ihre körperliche Reaktion vor dem Mann zu verbergen, der in ihren erotischen Träumen die Hauptrolle spielte, seit – nun, seit sie alt genug war für sexuelle Fantasien.

„Nick, ich dachte, du bist in Hongkong.“ Sie fühlte sich wie an den Boden genagelt. Sie hatte Angst, dass sie vor Lust vergehen würde, wenn sie näher an ihn heranrückte.

„Du hältst dich über mich auf dem Laufenden?“ Er ließ seine ausgestreckte Hand wieder sinken. „Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Das nicht zu tun fällt schwer – so präsent, wie du in der Öffentlichkeit bist.“

„Hat Ethan dir nichts erzählt?“ Ted trat lächelnd neben sie und gab dem Regisseur einen Klaps auf die Schulter, der ihn warnend anfunkelte. Aber der ältere Mann fuhr fort: „Er hat darauf bestanden, dass Nick perfekt für diese Rolle ist, und uns sogar davon überzeugt, dass wir das Vorsprechen hinausschieben, bis die Dreharbeiten beendet sind.“

„Perfekt“, wiederholte Holly, die vor Wut schäumte.

Ethan lief ein Schweißtropfen über die Stirn, als er mit gespielter Leichtigkeit ausrief: „Überraschung!“

Ethan Phelps hat was bei mir gut, dachte Nick. Dank ihm stand er Holly Nelson gegenüber. Seine heißeste Teenagerfantasie war inzwischen erwachsen geworden. Doch leider schien sie überhaupt nichts mit ihm zu tun haben zu wollen. Stattdessen zerrte sie den Regisseur in eine Ecke, wo sie miteinander tuschelten. Er verstand nur Satzfetzen wie: „Was hast du dir dabei gedacht, zur Hölle?“ Oder: „Nie im Leben.“

Er nutzte die Gelegenheit, um sie eingehend in Augenschein zu nehmen. Sie war ein wenig aufreizender angezogen als früher, hatte auch mehr Make-up aufgelegt und trug die Haare anders frisiert. Abgesehen davon war sie immer noch das Mädchen mit den durchdringenden, grünen Augen, an das er sich erinnerte. Zudem füllte sie mit ihrer weiblichen Figur das Designeroutfit glänzend aus.

Oh ja, sie war erwachsen geworden. Aber was hatte sie hier zu suchen? Mit dem Regisseur schien sie ungeheuer vertraut zu sein. War sie vielleicht seine Assistentin? Nick setzte sich auf einen Stuhl und griff nach dem Krug mit Eiswasser. Dabei fiel sein Blick auf das Textbuch mit dem Namen der Autorin darauf: H. N. Ryan. Dann fiel ihm ein, dass Ted sie als Holly Ryan vorgestellt hatte – und als Autorin des Stückes. Also hatte sie das Stück geschrieben. H. N. Ryan bedeutete Holly Nelson Ryan.

„Warum setzen wir uns nicht alle und fangen an“, sagte Judith. „Holly kann …“

„Sie kann die Rolle der Ehefrau lesen“, fiel Ted ihr ins Wort.

„Wunderbar. Natürlich.“ Holly setzte sich mit finsterer Miene so weit wie möglich entfernt von ihrem „Ehemann“ ans Ende des Tisches.

Eine der Mitarbeiterinnen reichte Holly ein Textbuch. „Bitte sehr, Mrs Ryan.“

Mist. Sie ist verheiratet, dachte Nick. Aus der süßen, kleinen Holly Nelson war Mrs Ryan geworden. Ehefrau. Autorin. Vielleicht war sie sogar Mutter. Tony Award und Spielberg hin oder her – keinesfalls würde er etliche Monate lang eng mit ihr zusammenarbeiten, während er still und heimlich scharf auf sie war. Er unterdrückte ein Stöhnen, als sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr.

Wenn er in diesem Stück mitspielte, musste er hoch konzentriert sein. Und Holly war eine enorme Ablenkung. Eine unberührbare, unerreichbare und zu große Ablenkung. Er sah Garrett an, der neben ihm saß. Sein Agent würde mit der Enttäuschung leben müssen.

„Dann kennen Sie und Holly sich also schon lange, Nick?“ Ethan setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.

Er sah, dass der Regisseur zusammenzuckte, und war sicher, dass Holly dem armen Kerl unter dem Tisch einen Tritt versetzt hatte. „Ja. Wir sind zusammen in Stockton aufgewachsen, einem Vorort von New Haven.“

„Das macht die Sache ja noch besser“, meinte Ted und sah Beifall heischend in die Runde. „Fangen wir mit der zweiten Szene im ersten Akt an – dem Streit beim Abendessen.“

„Natürlich.“ Holly blätterte hektisch die Seiten um und wurde rot.

Nick wandte sich an Ted. „Es tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe. Aber ich denke nicht, dass es das richtige Projekt für mich ist.“ Er stand auf und riskierte einen letzten Blick auf Holly. Verdammt, sie sah zum Anbeißen aus mit ihren sinnlichen, vollen Lippen und der tollen Figur. „Es war schön, dich zu sehen, Holly. Viel Glück mit … allem.“

Er ging zur Tür und registrierte die vielen Entschuldigungen seines Agenten kaum, der ihm folgte. Nun musste er ganz einfach einen anderen Weg finden, Spielberg zu beeindrucken.

„Nein, nein und nochmals nein.“ Holly ging im Konferenzraum auf und ab, in dem sie jetzt mit Ethan allein war.

„Du hast gehört, was Ted und Judith gesagt haben. Ohne Nick können wir die Aufführung vergessen. Sie haben eine Reihe potenzieller Investoren aufgetan. Aber bevor die zusagen, muss Nick den Vertrag unterzeichnen.“

„Warum muss es Nick sein?“, jammerte sie. „Können wir nicht einfach einen anderen Star engagieren?“

Ethan zuckte die Schultern. „Ich schätze, mein Verkaufsargument war ein bisschen zu überzeugend.“

„Warum gerade ich?“ Holly konnte nicht tun, worum er sie gebeten hatte: Nick überzeugen, zurückzukommen. Das war zu riskant. „Warum kannst du ihn nicht überreden? Du hast ihn ins Spiel gebracht. Oder Ted? Oder Judith?“

„Weil Nick nicht mich oder Ted oder Judith so angesehen hat, als wollte er es auf dem Konferenztisch mit einem von uns treiben.“

Sie blieb ruckartig stehen. „Du leidest unter massiven Wahnvorstellungen. Er hat kaum einen Blick in meine Richtung geworfen.“ Sie dagegen hatte vom ersten Moment an nur Augen für ihn gehabt. Sie hatte sich in den letzten Jahren sogar ein oder zwei seiner Filme angesehen.

Okay, fein … sie besaß sämtliche seiner DVDs und konnte jede davon auswendig mitsprechen. Aber das hatte sie nicht im Entferntesten auf seine Ausstrahlung und seinen Sexappeal vorbereitet, wenn er wirklich vor einem stand.

Holly erinnerte sich noch gut an seine dunkelbraunen Augen, die sie damals schon so fasziniert hatten. Sein Blick war noch intensiver und eindringlicher geworden und hatte sie in den Bann gezogen. Der Bart – wahrscheinlich hatte er ihn für seinen jüngsten Film wachsen lassen, hatte sein markantes Kinn betont und ihn noch männlicher wirken lassen – falls das überhaupt möglich war.

Eine Haarsträhne war ihm in die Stirn gefallen und hatte danach geschrien, von Holly zärtlich aus dem Gesicht gestrichen zu werden. Und erst sein Körper … Wow. Er war schon immer ein sehr großer und athletischer Typ gewesen. Doch inzwischen war er ein muskulöser, schöner Mann geworden, bei dem wohl jeder Frau das Wasser im Mund zusammenlief.

Das taillierte Hemd hatte seine breite Brust betont und den Waschbrettbauch darunter erahnen lassen. Die abgetragene Jeans hatte tief auf seinen Hüften gesessen und seinen knackigen Po und die muskulösen Oberschenkel in Szene gesetzt. Vergeblich hatte Holly zu ignorieren versucht, welche andere Körperpartie in der engen Jeans ebenfalls zur Geltung gekommen war.

Ethan trat neben sie. „Du täuschst dich. Es war für jeden zu spüren gewesen, wie es zwischen euch geknistert hat. Das war nicht einseitig.“

„Und was willst du damit andeuten? Willst du, dass ich ihn verführe, damit er die Rolle übernimmt?“

„Nein. Natürlich nicht.“ Er legte Holly eine Hand auf die Schulter. „Ich will, dass du mit ihm redest. Sonst nichts. Auf dich wird er hören. Es ist offensichtlich, dass ihr einen Draht zueinander habt.“

„Ich kann nicht glauben, dass du mich darum bittest. Nachdem du mich so hintergangen hast, sollte ich dir eigentlich böse sein. Nein, warte, streich den letzten Satz. Ich bin dir böse.“

„Wenn ich dir gesagt hätte, dass es sich um Nick handelt, wärst du ausgeflippt“, entgegnete Ethan.

„Wäre ich nicht.“

„Warum flippst du dann jetzt aus? Er war also dein Teenieschwarm. Na, und? Das ist ewig her.“ Er hielt inne und musterte sie. „Es sei denn, es gibt etwas, das du mir verschweigst.“

„Nein“, log sie. „Ich weiß nur nicht, wie ich ihn davon überzeugen soll, diese Rolle zu übernehmen.“

„Sag ihm, was du mir gesagt hast, als ich zugestimmt habe, Regie zu führen. Dass du das Stück geschrieben hast, weil du anderen Frauen in derselben Situation Mut machen willst, ihren Ehemann zu verlassen. Bitte, Holly“, flehte Ethan sie an. „Das ist unsere Chance, dieses Stück auf die Bühne zu bringen.“

„Du willst, dass ich ihm meine ganze elende Lebensgeschichte erzähle und zugebe, dass er meinen Ex spielen soll?“

„Wenn du das so sagst, vermutlich lieber nicht. Aber sag ihm, wie wichtig die Botschaft der Inszenierung ist. Nicht nur für dich, sondern für das gesamte Produktionsteam. Wir glauben an dich und dein Stück. Nick wird es auch tun, wenn du ihm die Möglichkeit dazu gibst.“

„Nun, wenn du es so darstellst …“ Holly atmete tief durch. „Gut. Ich gehe zu ihm.“

„Und falls eure gemeinsame Vergangenheit zur Sprache kommt …“

„Ethan, es ist – war – keine Beziehung.“ Holly ging zur Tür. „Warum kannst du nicht mitkommen? Sag es mir noch einmal.“

„Weil Jean-Michel Geburtstag hat. Er bringt mich um, wenn ich zu spät zum Festessen komme. Außerdem weißt du doch, wie es heißt“, neckte er sie. „Drei sind einer zu viel.“

Holly verdrehte die Augen.

„Ich meine das ernst. Clark ist ein Dreckskerl, der erschossen gehört. Aber er gehört der Vergangenheit an. Es ist Zeit, dass du wieder an deine Zukunft denkst. Du warst jetzt lange genug allein. Und so eine Chance bekommst du vielleicht nie wieder. Bist du es dir nicht schuldig herauszufinden, was es mit dieser magnetischen Anziehungskraft auf sich hat, die zwischen dir und dem laut People Magazine ‚Sexiest Man Alive‘ spürbar ist?“

„Verdammt, Ethan. Wie soll ich dir lange böse sein, wenn du solche Sachen sagst?“

Er lächelte sie an. „Dann sei mir nicht länger böse.“ Er umarmte Holly zum Abschied und gab ihr eine Visitenkarte, auf deren Rückseite er die Adresse des Hotels notiert hatte. „Nick ist im Marquis abgestiegen. Zimmer 1008.“

2. KAPITEL

Holly überprüfte noch einmal die Zimmernummer auf der Karte, bevor sie an die Tür klopfte: 1008. Gut. Sie war am richtigen Ort. Oder am falschen. Je nach Betrachtungsweise. Sie holte tief Luft. Sie war hier, um mit Nick zu reden. Mehr nicht. Sie war eine erwachsene Frau, zum Teufel, und kein Teenager im Hormonrausch mehr.

Als Nick die Tür öffnete, verschlug ihr sein Anblick dennoch die Sprache. Er hatte ein Handtuch locker um die Hüften geschlungen. Seine Haut war noch feucht von der Dusche. Ihr Blick fiel auf seinen Waschbrettbauch. So viel dazu, dass sie nicht auf dumme Gedanken kommen sollte …

„Du bist nicht Garrett.“

„Entschuldige, dass ich so hereinplatze“, stammelte Holly und versuchte, seine Brust und die muskulösen Arme nicht in Augenschein zu nehmen. Sie schluckte. „Ich hätte vorher anrufen sollen.“

„Nein. Es … ist in Ordnung.“ Nick trat zurück und winkte sie herein, wobei das Handtuch noch ein Stückchen weiter nach unten rutschte. „Lass mir eine Minute Zeit, um mir etwas anzuziehen.“

Mach dir meinetwegen keine Umstände. Sie leckte sich die Lippen, als sie mit den Augen die schmale Haarlinie verfolgte, die von seinem Bauchnabel gen Süden verlief.

Nick führte sie in ein großes Wohnzimmer, in dem zwei Plüschsofas und ein Flügel von Steinway standen. „Warte hier.“ Er verschwand im Schlafzimmer.

Holly hatte Herzklopfen, als sie zum Flügel ging und die Finger über die Tasten gleiten ließ. „Spielst du?“, rief sie, um die peinliche Stille zu durchbrechen.

„Nein“, antwortete er im anderen Zimmer. „Garrett hat darauf bestanden, dass ich in der Presidential Suite wohne. Mir hätte ein normales Zimmer vollauf gereicht.“

Sie ging zur Fensterfront mit Blick auf den Times Square, der fast genauso spektakulär war, wie es der Blick auf Nicks Po unter diesem Handtuch war.

„Garrett kann unangenehm werden, wenn nicht alles so läuft, wie er es will“, fuhr Nick fort, als er zurück ins Wohnzimmer ging. „Aber ich vertraue ihm. Er will nur mein Bestes.“

Holly drehte sich zu ihm um. Wow! Er hatte eine ausgeblichene, eng sitzende Jeans übergestreift und knöpfte sich ein dünnes, graues Sporthemd zu. Als er barfuß auf sie zukam, bewegte er sich mit einer Lässigkeit und dem Selbstvertrauen eines Mannes, der sich wohl in seiner Haut fühlte.

Er setzte sich auf eines der Sofas und forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich zu ihm zu setzen. Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, wenn er nur mit ihr in einem Raum war. Das Risiko, ihm noch näher zu kommen, ging sie nicht ein.

„Was führt dich her? Haben Ted und Judith dich geschickt, damit ich meine Meinung ändere?“

Holly wollte ehrlich zu ihm sein. Wirklich. Aber dann sagte sie: „Nicht direkt. Ich wollte mich entschuldigen. Für mein unverzeihlich unhöfliches Verhalten heute im Konferenzraum.“

Nick sah auf seine Armbanduhr. „Du bist während der Hauptverkehrszeit quer durch die Stadt gefahren, um dich zu entschuldigen?“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

Sie betrachtete seine Bizeps, die sich unter dem Stoff abzeichneten. Meine Güte, dieser Mann verwirrte sie. „Nun, ja. Dich zu sehen war eine solche Überraschung, dass meine Begrüßung ein bisschen lahm ausgefallen ist.“

„Du willst mich also nicht unter Druck setzen, damit ich vorspreche?“ Er sah sie eindringlich an.

Holly tat ihr Bestes, um dem Blick standzuhalten. „Sehe ich aus, als könnte ich irgendjemanden unter Druck setzen?“

„Du siehst …“, Nick musterte sie von oben bis unten, „… toll aus.“

Sie erschauerte, trat zurück und lehnte sich an den Flügel. Ein Wort – ein Blick – von ihm genügte, damit sie bereit war, sich die Kleider vom Leib zu reißen und ihn anzuflehen, es mit ihr in jeder erdenklichen Stellung zu treiben.

Verdammt, sie hätte nie herkommen sollen. Wie konnten Ted, Judith und vor allem Ethan von ihr erwarten, dass sie angesichts einer Naturgewalt wie Nick Damone nicht den Kopf verlor? Sie war keine Femme fatale. Nicks Charme und der Raffinesse war sie nicht gewachsen.

„Danke. Aber all das …“ Holly zeigte auf ihre neue Frisur, das Make-up und die Kleider. „Das bin ich nicht. Ich bin eher das Mädchen von nebenan in Jeans und T-Shirt. Mit den glamourösen Frauen, mit denen du immer fotografiert wirst, habe ich nichts gemein.“

„Genau“, meinte er lächelnd und ließ den Blick erneut über ihren Körper wandern.

Sie war nicht sicher, was er damit meinte. Und sie war nicht mutig – oder dumm – genug, es herauszufinden. „Ich will dich nicht länger aufhalten. „Danke, dass du einen Flieger genommen hast, um uns vorzusprechen. Es tut mir leid, dass es umsonst war …“

„Was hält eigentlich dein Ehemann davon, dass du einfach so in mein Hotelzimmer kommst?“

„Mein … was?“

„Na, dein Ehemann. Mr Ryan. Der Mann, den du geheiratet hast.“ Nick setzte sich aufrecht hin. Seine Augen funkelten.

Das Letzte, worüber Holly mit ihm reden wollte, war ihr Ex. Aber sie schuldete ihm die Wahrheit – oder einen Teil davon. „Ich habe keinen Ehemann. Nicht mehr. Ich bin geschieden.“

Nick wusste, dass eine Scheidung unabhängig von den Umständen nie ein Grund zum Feiern war. Aber dennoch hätte er einen Freudentanz aufführen können. Sie war frei und ungebunden. Jetzt könnten sie zusammenarbeiten und eine Menge Spaß haben.

Das ließ jede Menge Alarmglocken in seinem Kopf aufheulen. Holly war eine Frau fürs Leben, und er ging keine festen Bindungen ein. Tatsächlich ging er überhaupt keine Beziehungen ein. Dennoch wollte er sich die zweite Chance, die ihm das Schicksal mit Holly gewährte, keinesfalls entgehen lassen.

Außerdem könnte sie ihm am besten helfen, sich trotz seiner Leseschwäche die Rolle anzueignen. Sie hatte das Stück geschrieben, kannte die Figuren in- und auswendig und war die gescheiteste Person, der er jemals begegnet war. Mit ihrer Hilfe würde er Spielberg und jeden anderen in Hollywood begeistern und überzeugen, der an seiner Schauspielkunst zweifelte.

„Das tut mir leid“, sagte Nick ehrlich. Eine Scheidung war immer mit Schmerzen verbunden, die sie hatte erleiden müssen.

Holly zuckte die Schultern und verzog den Mund zu einem angedeuteten Lächeln. „Mir nicht.“

„Habt ihr Kinder?“

Sofort verging ihr das Lächeln. „Nein.“

„Das ist gut.“

„Ist es das?“, fragte sie traurig.

„Eine Scheidung ist für Kinder schwer zu ertragen.“ Dennoch war Nick ziemlich sicher, dass seine Kindheit wesentlich besser verlaufen wäre – oder zumindest friedlicher –, wenn seine Eltern sich getrennt hätten.

„Vermutlich.“ Holly schüttelte den Gedanken ab. „Da wir das Thema meiner gescheiterten Ehe jetzt erschöpfend behandelt haben …“ Sie ging zur Tür.

Er lehnte sich im Sofa zurück. „Du bist also wirklich nicht hergekommen, um mich dazu zu bringen, euch doch noch vorzusprechen?“

Sie erstarrte. „Bist du immer so argwöhnisch?“

Nick zuckte die Achseln. „Berufsrisiko. Du hast meine Frage nicht beantwortet.“

„Ich will, dass du vorsprichst. Aber es ist deine Entscheidung, nicht meine.“

„Das ist sehr abgeklärt, Holly. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass Ted und Judith genauso viel Rücksicht auf meine Gefühle nehmen wie du. Ich wette, dass sie dich gebeten haben, dich auf unsere Freundschaft zu berufen.“

„Ich bin nicht in ihre geheimsten Gedanken eingeweiht. Und eine Unterhaltung bei einer Party der Schultheatergruppe kann man wohl kaum als Freundschaft bezeichnen.“

Nick schenkte ihr sein bewährtes Filmstarlächeln. „Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, haben wir an diesem Abend mehr getan als nur ein bisschen geredet.“

„Haben wir?“

„Soll ich deiner Erinnerung auf die Sprünge helfen?“ Er wollte aufstehen.

„Nein!“ Holly ließ ihre Clutch auf den Boden fallen. „Es war nett, dass wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht haben. Aber ich habe noch einen anderen Termin.“ Sie bückte sich hastig, um ihre Handtasche aufzuheben.

Oh ja. Sie erinnert sich an den Kuss und war damals genauso angetörnt wie ich. Leider machte sie sich trotzdem auf dem schnellsten Weg zur Tür. Nick widerstand dem Drang, aufzuspringen und sie sich zu schnappen. Er wollte sie nicht noch mehr verschrecken. Wenn er sie davon überzeugen wollte, noch bei ihm zu bleiben, musste er sein Machogehabe ablegen. „Geh nicht. Bitte. Ich habe mich wie ein Blödmann benommen.“

Sie zögerte. „Jetzt oder damals?“

„Sowohl als auch.“

Langsam drehte Holly sich um und erwiderte seinen Blick. „Danke.“

„Bleib.“ Nick rutschte auf dem Sofa zur Seite, um für sie Platz zu machen. „Ich würde dir gern erklären, warum ich dir eine Abfuhr erteilt habe.“

„Jetzt?“ Sie lächelte süffisant. „Oder damals?“

Er zuckte zusammen. „Jetzt.“ Er wollte sich definitiv auf die Gegenwart konzentrieren. Auf ihre gemeinsame Gegenwart.

„Ich habe noch einen Termin.“

„Nein das hast du nicht. Hör mich an, Holly.“

Sie nickte und setzte sich so weit wie möglich von ihm entfernt auf das andere Sofa.

„Kann ich dir einen Drink bringen?“, fragte Nick. „Oder bist du hungrig? Ich kann den Zimmerservice anrufen.“

„Nein, danke. Ich kann fünf Minuten für dich erübrigen.“

Er holte tief Luft. „Ich bin heute Nachmittag weggegangen, weil …“ Warum? Weil sie ihm den Atem geraubt hatte? Weil er nicht aufhören konnte, sich vorzustellen, mit ihr zur Sache zu kommen? Weil er ihren Exehemann verprügeln wollte, obwohl er ihn nicht einmal kannte?

„Liegt es am Stück?“, platzte Holly heraus. „Ich wusste es. Dir gefällt es nicht.“

„Nein, das ist Unsinn.“ Nick stand auf, setzte sich neben sie auf das andere Sofa und atmete erleichtert auf, als sie nicht von ihm abrückte. „Das Stück ist brillant. Es ist ergreifend und intelligent, ohne rührselig zu sein. Ganz anders, als ich es bei einem Stück über Gewalt in der Ehe erwartet habe.“

„Was hast du erwartet?“, fragte sie gereizt. „Ein weinerliches, triviales, stereotypes Melodram?“

Jetzt war er schon wieder ins Fettnäpfchen getreten. „Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal, was die Hälfte dieser Worte bedeutet“, scherzte er und spielte wieder die begriffsstutzige Sportskanone. Auf der Schule hatte er auf diese Weise gewöhnlich seine Leseschwäche kaschiert.

Aber als Nick in ihre großen Augen sah, in denen sich Unsicherheit und Betroffenheit widerspiegelten, wurde er ernst. Er griff nach ihrer Hand und erinnerte sich an den Abend auf dem Anlegesteg. Damals war er derjenige gewesen, der unsicher gewesen war und ihre Ermutigung gebraucht hatte. „Aber ich weiß, ob ein Stück gut ist, wenn ich es lese. Und deines ist besser als gut.“

„Was ist dann das Problem?“, fragte Holly.

Verdammt, immer wenn er in ihre grünen Augen sah, würde er am liebsten darin versinken. „Taten sagen mehr als Worte. Du kennst die Redensart, nicht wahr?“

„Natürlich. Aber was hat das damit zu tun …“

Nick küsste sie lange und heiß.

Nick Damone küsste sie. Erneut. Und wie damals konnte Holly ihm nicht widerstehen. Ihr pulsierte das Blut durch die Adern. Widerstehen? Wem wollte sie etwas vormachen? Sie erwiderte seinen Kuss wie eine sexuell ausgehungerte Nymphomanin. Ja, sie gab zu, sexuell ausgehungert zu sein. Aber eine Nymphomanin war sie nicht. Noch nicht. Doch wenn Nick sie weiterhin so küsste, und so, und … oh ja, genau so …

Sie verlor den Kopf. Es gab nur noch Nick, seine Lippen und seinen drängenden und fordernden Kuss, den sie hingebungsvoll erwiderte.

Holly bog sich ihm entgegen, als er durch ihre Haare strich und mit der Hand ihre Bluse entlangfuhr und ihre Brust umfasste. Mit dem Daumen rieb er den weichen Seidenstoff an ihrer Spitze. Er sog an ihrer Zunge, umkreiste sie und knabberte an ihren Lippen, bis sie fürchtete, vor purer Lust die Besinnung zu verlieren. „Nick.“ Sie atmete schwer, als er schließlich innehielt. „Ich denke nicht …“

„Das ist richtig, Süße.“ Mit einem Finger zeichnete er die weichen Linien ihrer Ohrmuschel nach. „Nicht denken“, sagte er und folgte seinem Finger mit der Zunge. „Nur fühlen.“

Das tat sie. Zum ersten Mal seit – nun, seit lange vor ihrer Scheidung war sie verrückt nach einem Mann. Nach diesem Mann. Sein Atem strich über ihr Ohr und löste ein Kribbeln in ihr aus. Sein Bart rieb leicht über ihre Haut. Sie erschauerte. Ihre Burstwarzen reckten sich ihm entgegen, als könnten sie es gar nicht mehr erwarten, von ihm geküsst zu werden. „Mein Gott … Nick.“ Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken. Er fuhr mit der Zunge von der empfindsamen Stelle hinter ihrem Ohr über ihren Hals bis zur Halsgrube.

„So weich“, murmelte er und schlang die Arme um sie. „So süß.“

Er zog sie näher an sich, streichelte ihren Rücken und drängte sich an sie, bis Holly jeden – wirklich jeden – Zentimeter seines harten Körpers spüren konnte. Instinktiv rieb sie sich an ihm, fuhr mit den Händen unter sein Hemd, über seinen Waschbrettbauch und seine muskulöse, leicht behaarte Brust.

„Oha.“ Er hielt sie fest und lächelte sie an. „Wenn du so weitermachst, komme ich, bevor wir uns gegenseitig die Kleider vom Leib reißen können.“

Die Kleider vom Leib reißen. Sie erstarrte vor Schreck. Seit diesem furchtbaren Abend im Krankenhaus hatte sie niemand mehr nackt gesehen.

Kurz vorher hatte sie Clark gesagt, dass sie ihn verlassen würde. Von einer Sekunde auf die andere war aus dem kontrollierenden, manipulativen Mistkerl ein gewalttätiger Bastard geworden.

Obwohl Nick sie immer noch in den Armen hielt, zwang Holly sich, zumindest ein wenig Abstand zu ihm einzuhalten. Es so weit kommen zu lassen war dumm gewesen. Sie mussten damit aufhören, bevor er die leuchtenden Narben auf ihrem Bauch sah und sie mit Fragen bedrängte, die sie nicht beantworten wollte.

„Es tut mir leid. Ich kann nicht … Wir können nicht …“ Sie wappnete sich innerlich gegen seine Wut, die Beschimpfungen und Schuldzuweisungen, die sie von Clark nur allzu gut kannte. Stattdessen ließ er sie los.

„Es braucht dir nicht leidzutun.“ Lächelnd sah er sie an, immer noch voller Verlangen. „Ja, ich bin zwar jetzt wirklich erregt, aber ich bereue es nicht.“

„Danke.“ Wie konnte er so ruhig und gefasst wirken? War er innerlich nicht genauso aufgewühlt wie sie? Holly war völlig durcheinander. „Ich sollte gehen.“ Sie stand auf, Nick ebenfalls. „Ich bringe dich zur Tür.“ Dort grinste er sie an. „Wie ich schon einmal gesagt habe: Es war schön, dich wiederzusehen.“

„Finde ich auch.“ Sie öffnete die Tür und bemühte sich, Haltung zu bewahren. „Danke, dass du zum Vorsprechen gekommen bist. Und mach dir keine Gedanken wegen des Stücks. Ich bin mir sicher, dass wir einen wunderbaren Schauspieler für die Rolle finden.“

„Ich bin sicher, dass ihr das werdet, Süße. Ganz sicher.“

Holly hörte, wie die Tür hinter ihr zuging. Der Sexgott und Herzensbrecher Nick Damone gehörte ein für alle Mal ihrer Vergangenheit an. Sie lehnte sich an eine Säule, um Halt zu finden. Ihre Lippen prickelten noch immer von seinem Kuss. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

Dann hörte sie, dass er hinter der Zimmertür leise lachte. Erleichtert, dachte sie. Definitiv erleichtert. Und enttäuscht.

„Das ist alles eure Schuld.“ Holly stocherte in ihrem Salat und funkelte Ethan und Noelle an. Warum nur hatte sie sich bereit erklärt, sich mit ihnen im Westway, einem ihrer Lieblingsrestaurants, zu treffen? Hier konnte sie die beiden nicht einmal anschreien, ohne öffentliches Aufsehen zu erregen. „Du, Noelle, hast mich für ihn aufgedonnert. Und du, Ethan, hast mich gezwungen, in sein Hotelzimmer zu gehen.“

„Moment mal.“ Ihre Schwester wandte sich dem Regisseur zu. „Du hast mir gesagt, dass es ihre Idee war!“

„Das habe ich nie gesagt. Ich habe gesagt, dass sie damit einverstanden war, zu ihm zu gehen.“

„Es ist egal, wessen Idee es war“, unterbrach Holly die beiden. „Ich bin hingegangen – und es war ein totales Desaster.“

„So schlimm kann es nicht gewesen sein.“ Ethan trank einen Schluck Mineralwasser. „Es sei denn … Oh du lieber Himmel. Du hast mit ihm geschlafen, nicht wahr?“

„Hat sie nicht! Sie ist meine Schwester. Sie geht nicht beim ersten Date mit einem Mann ins Bett.“

„Es war kein Date“, betonte Holly.

„Date oder nicht“, Ethan zuckte die Schultern, „wir reden über Nick Damone, das Sexsymbol Hollywoods. Wer könnte da widerstehen?“

„Danke, dass du glaubst, ich hätte mich ihm bei dieser Gelegenheit an den Hals geworfen.“

„Sei nicht sauer, Holly.“ Er grinste sie an. „Wir müssen einfach Einzelheiten hören. Wie küsst er?“

Sie unterdrückte ein Lächeln. Sicherlich waren Noelle und Ethan neugierig und ärgerten sie. Aber sie meinten es gut. Keiner von ihnen wollte ihr Böses. „Er wird keinesfalls mit mir zusammenarbeiten. Das ist alles, was du wissen musst.“

Ethan wechselte einen nervösen Blick mit ihrer Schwester. „Nun, Ted hat heute Morgen angerufen und gesagt, dass Nick an Bord ist.“

„Wie bitte?“ Hollys Gabel glitt ihr aus der Hand und polterte klirrend zu Boden. Im Restaurant schien es plötzlich sehr still zu werden.

Noelle nahm ihre Hand. „Als du unsere Telefonanrufe nicht beantwortet hast, sind wir davon ausgegangen, dass etwas zwischen euch passiert sein muss. Deshalb haben wir dir die SMS mit der Bitte geschickt, dich hier mit uns zu treffen. Wir wollten es dir persönlich sagen.“

„In der Öffentlichkeit“, fügte Ethan hinzu.

„Du musst sofort etwas dagegen unternehmen! Ich kann ihm nicht gegenübertreten.“ Ihre Wangen brannten, als sie sich daran erinnerte, wie hemmungslos sie Nick an die Wäsche gegangen war.

„Zu spät. Der Vertrag ist unterzeichnet. Die Investoren sind begeistert.“

„Es tut uns leid, Holly“, sagte Noelle ruhig. „Wir wollten dir nicht wehtun. Das schwöre ich.“

„Wir haben es vermasselt, als wir dich mit Nick überrascht haben. Aber wir haben nur zu helfen versucht“, stimmte Ethan zu.

„Das kann nicht wahr sein.“ Ihr wurde übel. Sie schob ihren nur halb leergegessenen Teller weg.

„Sieh es einfach so.“ Noelle stocherte in ihrem Salat, den sie als Tänzerin beim Ballett natürlich ohne Hähnchen, Käse, Nüsse und Dressing aß. „Was immer in diesem Hotelzimmer vor sich gegangen ist, hat seine Meinung über die Aufführung geändert. Und das war doch der Sinn deines Besuchs, richtig? Also hast du es gut gemacht.“

„Stimmt.“ Ethan steckte sich eine Pommes in den Mund. „Es ist gut. Für jeden von uns.“

Holly stöhnte. „Nicht für mich.“

„Doch“, widersprach er. „Hat dein Therapeut nicht gesagt, dass du deine Angst vor Nähe überwinden musst? Da Nick und du zur Sache gekommen seid …“

„Das sind wir nicht!“ Nicht wirklich.

„… hast du diese Hürde überwunden“, fuhr Ethan fort.

„Es gibt keine Hürde, weil ich keine Angst vor Nähe habe“, entgegnete Holly aufgebracht.

Noelle drückte ihre Hand. „Aber wenn es eine Hürde gäbe, wäre Nick ein toller Mann, um sie zu überwinden.“

„Ich hasse euch. Beide.“

„Hasse uns, so viel du willst, Hollypop.“ Ethan legte das Geld für die Rechnung auf den Tisch. „Für die nächsten acht Wochen hast du es mit ihm zu tun.“

Acht lange, qualvolle Wochen mit dem einzigen Mann, der ihr nur mit einem Blick den Verstand rauben konnte. Das würde sie nicht durchhalten. Es sei denn … „Gut. Aber unter zwei Bedingungen: Erstens nennst du mich vor Nick niemals Hollypop. Und zweitens lässt du mich nie – unter keinen Umständen – mit ihm allein.“

3. KAPITEL

Nick musste einen Weg finden, mit Holly allein zu sein. Obwohl er sich auf die Szene konzentrieren sollte, die Malcolm und Marisa gerade probten, galt seine ganze Aufmerksamkeit nur ihr. Sie saß ein paar Meter entfernt im Probenraum der Pearl Studios neben Ethan und dem Inspizienten Jimmie Lee an einem Tisch.

Sie hatte das schicke Designeroutfit gegen Flipflops, eine Jeans und ein knappes Top im Blumenmuster getauscht, das ihre süße Figur betonte. Nun erinnerte sie ihn wieder stärker an die Holly aus Stockton. Einige Strähnen der kurzen Haare fielen ihr in die Stirn. Offenbar trug sie kein Make-up, abgesehen von dem Lipgloss mit Erdbeergeschmack, den er ihr damals mit Begeisterung von den Lippen geküsst hatte.

Er fuhr fort, sie anzustarren, um sie dazu zu bringen, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Aber wie an jedem anderen Tag seit Probenbeginn vor einer Woche schien sie wild entschlossen, jeglichen privaten Kontakt mit ihm zu meiden. Wie sollte er ihren Schutzpanzer knacken, wenn sie ihn nicht einmal ansah? Vielleicht könnte er …

„Ist das für dich in Ordnung, Nick?“

„Oh, entschuldige, Ethan. Das habe ich gerade nicht mitbekommen. Ich habe mir Gedanken über die Hintergrundgeschichte meiner Figur gemacht“, log er.

„Ich möchte, dass Malcolm und Marisa diese Szene noch einmal wiederholen, bevor wir dann mit deinem Auftritt im zweiten Akt weitermachen.“

„Sicher.“

„Ich brauche eine Pause. Ich verdurste“, empörte sich Malcolm. „Es ist viel zu warm. Was ist das hier für eine Billigproduktion? Erst der Stromausfall, dann die Lebensmittelvergiftung, und jetzt ist die Klimaanlage kaputt.“ Er sank auf einen Klappstuhl, trank einen Schluck Wasser aus einer Flasche, die ihm ein Regieassistent reichte, und verzog das Gesicht. „Kann ich bitte ein Evian bekommen? Das billige Zeug schmeckt furchtbar.“

„Kann das nicht einer deiner beiden persönlichen Assistenten erledigen?“, fragte Nick, der seinen Assistenten zu Hause in Malibu gelassen hatte. Er war nicht eine derart egozentrische Diva wie Malcolm, der sich nicht einmal zwei Monate selbst zu helfen wusste.

„Nein. Sean und Seth müssen heute andere Besorgungen für mich machen. Wo bleibt mein Evian?“

„Zehn Minuten Pause“, rief Ethan, zog einen Geldschein aus der Brieftasche und gab ihn einem der Produktionsassistenten. „Kannst du Mr Justice im Feinkostgeschäft ein paar Straßen weiter sein Wasser holen?“

„Sicher.“

„Danke, Wes“, sagte Holly und belohnte den jungen Mann mit einem umwerfenden Lächeln.

Das war noch ein Grund, weshalb Nick sich so zu ihr hingezogen fühlte. Sie kannte sogar die Namen der Praktikanten und weigerte sich, den letzten Bagel zu nehmen, der auf dem Tisch für die Crew stand. Zudem reagierte sie auf alles – von einer zerbrochenen Fensterscheibe bis hin zu einem dreckigen Witz – mit viel Sinn für Humor.

Er hatte jetzt zehn Minuten Zeit, um Holly irgendwie näher zu kommen, bevor sie wieder vor ihm flüchtete. Vielleicht konnte er sie dazu bringen, ihm ein umwerfendes Lächeln zu schenken. Gerade, als er sich auf den Weg machen wollte, sprach ihn Marisa Rodriguez an. Die Produzenten hatten die junge, relativ unerfahrene Schauspielerin für die zentrale Rolle der misshandelten Frau ausgewählt. Aber das Risiko schien sich auszuzahlen. Bisher war sie großartig.

„Kann ich Sie etwas fragen, Mr Damone?“

Nick warf einen Blick auf Holly und runzelte die Stirn. Ethan, ihr selbsternannter Bodyguard, war bereits wieder an ihrer Seite. Zuerst hatte er geglaubt, dass die beiden vielleicht ein Paar wären, weil sie so vertraut miteinander waren. Aber dann war nach einer Probe Ethans Freund aufgetaucht und hatte ihm diese Flausen aus dem Kopf getrieben.

Mit einem Lächeln wandte er sich wieder Marisa zu und zeigte auf den freien Stuhl neben seinem. „Natürlich. Aber ich habe Ihnen schon mehrfach gesagt, dass ich für Sie Nick bin. Und wollen wir uns nicht endlich duzen? Schließlich sind wir sozusagen verheiratet.“

Sie errötete und setzte sich. „Gern, Nick.“

„Also, was ich kann ich für dich tun?“

„Du hast doch schon öfter auf einer Bühne gestanden, nicht wahr?“

„Ja, Aber es ist eine Weile her.“

„Bist du nervös?“

„Nein“, log Nick. „Das verlernt man nicht. Vor Publikum live zu spielen ist außerdem etwas ganz Besonderes.“ Wenn man seinen Text nicht vergisst.

„Nein, ich meine …“ Marisa senkte die Stimme zu einem Flüstern. „Weil die Crew gesagt hat, dass auf der Produktion ein Fluch lastet. Wegen all der seltsamen Dinge, die passiert sind. Die Bombendrohung. Die Lebensmittelvergiftung durch das Catering. Der Stromausfall.“

Natürlich machte sie sich Sorgen. Sie war von Dreharbeiten aus Toronto eingeflogen und hatte die erste Leseprobe verpasst, weil der Start ihres Flugzeugs wegen einer Bombendrohung verschoben worden war. Aber alle Inszenierungen steuerten durch stürmische Gewässer. „Nein“, versicherte er ihr. „Theaterleute sind von Natur aus argwöhnisch und abergläubisch.“

„Wirklich?“

„Sicher“, sagte Nick. „Deshalb sagen sie toi, toi, toi oder Hals- und Beinbruch, statt viel Glück. Und lassen auf der Bühne immer ein Licht oder eine Kerze brennen, um böse Geister zu vertreiben.“

„Das ist albern“, meinte Marisa.

„Ja, genauso albern wie zu glauben, dass wir verflucht sind.“

„Vermutlich. Danke, Nick.“ Sie stand auf, streckte sich und entblößte auf diese Weise ihren flachen Bauch.

In einem anderen Leben – bevor Holly wieder aufgetaucht war – hätte es ihn gereizt, mehr von Marisas guter Figur zu sehen. Aber jetzt war er nicht interessiert. Ein ungewohntes Gefühl. Er sah auf die Uhr. Die zehn Minuten waren fast vorbei, und Wes war immer noch nicht mit dem Evian zurückgekommen. Aber statt zu schimpfen, saß Malcolm plötzlich neben Holly, und Ethan war nirgends zu sehen.

Mist. Der egoistische Bastard war ihm zuvorgekommen. Malcolm schmeichelte sich bereits seit dem ersten Probentag bei jeder sich bietenden Gelegenheit bei ihr ein. Morgens brachte er ihr Kaffee. Er lobte ihr Theaterstück und berührte sie, wann immer – und wo immer – er konnte. Im Moment strich er ihr eine Haarsträhne zurück, als sie sich gemeinsam über den Text beugten und leise lachten.

Nick ballte die Hände zu Fäusten. Wenn der Typ in diesem Tempo weitermachte, ließ er die Hand demnächst auf ihren Rücken und dann auf den Po wandern. Er sprang so schnell auf, dass sein Stuhl umfiel. Verdammt. Er konnte nicht länger tatenlos zusehen, wie Malcolm Justice sich an die Frau heranmachte, die noch vor gut einer Woche seinen heißen Kuss hingebungsvoll erwidert und seinen Namen gestöhnt hatte.

Irgendetwas hatte Holly an diesem Tag in seinem Hotelzimmer Angst eingejagt. Er hatte genug Zeit damit verbracht, vergeblich herauszufinden, was sie so erschreckt hatte. Heute würde er der Sache auf den Grund gehen.

Oh, Mist. Holly wurde unbehaglich zumute, als Nick stirnrunzelnd auf sie zukam.

„Entschuldige, Malcolm“, unterbrach sie ihn, als er ihr wieder einmal eine seiner Geschichten erzählte, die sich einzig und allein um ihn drehten. „Ich sehe besser mal nach, ob Ethan und die anderen irgendwelche Fragen …“

„Justice“, unterbrach Nick sie. „Bestimmt hast du nichts dagegen, wenn ich unsere verehrte Autorin kurz entführe.“

„Doch, das habe ich.“ Malcolm wollte Holly am Handgelenk festhalten. Aber sie schüttelte seine Hand ab.

„Und warum?“

„Das geht dich nichts an, Damone.“

„Dann mache ich es zu meiner Angelegenheit.“

„Stopp! Alle beide“, ging Holly dazwischen. „Ihr streitet um mich, als wenn ich nicht direkt vor euch stünde.“

„Holly“, sagte Nick schließlich und legte die Hand auf ihren Ellbogen. „Ich möchte, dass du mir nur ein paar Minuten deiner Zeit schenkst. Um … über meine Rolle zu reden.“

„Um ihr deine Briefmarkensammlung zu zeigen, meinst du doch“, höhnte Malcolm.

Er sah sie unverwandt an. „Bitte.“

Holly konnte ihn nicht abweisen. Sie musste nur noch zwei Wochen überstehen, dann zogen sie um ins Deville, das Theater, das für absehbare Zeit ihr Zuhause sein würde. Dort konnte sie ihn besser auf Abstand halten. Also brachte sie es besser hinter sich. Was blieb ihr sonst übrig? „In Ordnung.“

Nick führte sie zur Tür und rief Malcolm über die Schulter zu: „Sag Ethan, dass wir in Studio G sind. Falls wir nicht rechtzeitig zurück sind, fangt schon einmal ohne uns an.“ Schnell brachte er sie ins Studio und schloss die Tür hinter ihnen.

„Also? Du wolltest über deine Rolle reden?“

„Du weißt verdammt gut, dass ich nicht deswegen mit dir hier bin.“

„Ich kann keine Gedanken lesen.“ Holly legte ein paar Schritte Abstand zu ihm ein, obwohl sie verrückt nach ihm war und ein schlechtes Gewissen hatte. Ihm die kalte Schulter zu zeigen war unhöflich und unkollegial. Aber es war purer Selbstschutz. „Wenn es nicht um die Aufführung geht, haben wir nichts zu bereden.“

„Von wegen.“ Er verschränkte die Arme.

„Was willst du von mir, Nick?“

„Ich will wissen, welches Spielchen du spielst.“

„Spielchen?“

„Erst ich. Dann Justice.“ Er presste die Lippen zusammen.

Holly starrte ihn verblüfft an. Er war eifersüchtig! Sie unterdrückte ein Kichern. „Zwischen mir und Malcolm läuft nichts. Oder zwischen dir und mir, wenn wir schon dabei sind.“

„Bist du sicher?“ Nick nahm sie aufreizend von oben bis unten in Augenschein.

Ihr Herz raste und sie musste schlucken. „Ja.“

„Du kannst nicht ewig wegrennen, Holly.“

Sie wusste, dass er recht hatte, und seufzte. „Ich kann es aber versuchen, verdammt.“

„Um mich abzuschütteln, musst du dir erheblich mehr Mühe geben, Süße.“ Nick kam auf sie zu. Sie trat zwei Schritte zurück und stieß gegen einen Tisch, der ihr im Weg stand. „Siehst du?“ Er schob ein Bein zwischen ihre Schenkel und stützte sich mit den Händen auf die Tischplatte, bis er sie fast berührte. „Deine Flucht ist hier zu Ende.“

„Es sieht ganz danach aus.“ Ruhig Blut. Holly holte tief Luft. Doch dadurch kam sie ihm noch näher und streifte mit ihren Brustwarzen seinen festen Oberkörper. Sie erschauerte.

„Dann gibst du dich also geschlagen?“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, bis ihre Lippen nur noch Zentimeter von seinen entfernt waren. „Ich …“

Wes, der von der Besorgung zurück war, riss die Tür auf und keuchte. „Nick, Holly, kommt schnell! Ihr glaubt nicht, was los ist!“

„Was denn?“ Insgeheim dankte sie dem Schicksal für die Störung. Aber nur, bis sie den Grund hörte.

„Das Deville geht in Flammen auf!“

Holly starrte benommen auf den Bildschirm des Fernsehers über der Bar, wo zum x-ten Mal das schwelende Deville gezeigt wurde. Sie war todmüde und gleichzeitig hellwach. Das Feuer war gelöscht, hatte aber gewütet. Bis sie ein neues Theater für die Aufführung gefunden hätten, wäre es zu spät, die Schauspieler mussten abreisen. Zwei Jahre Planung waren in Rauch aufgegangen. Sie stellte das Glas auf die Bar. „Kann ich noch einen Scotch haben, Devin?“

„Bist du sicher, dass du noch mehr verträgst?“ Die Barkeeperin nahm die Fernbedienung und schaltete auf einen Sportkanal um.

„Ja.“ Heute brauchte sie mehr als nur zwei oder drei Drinks.

„Okay.“ Devin schenkte ihr noch einen Scotch ein.

Holly seufzte. Es war irgendwie unwirklich gewesen, in den Nachrichten zu sehen, wie das Deville in Flammen aufging. Die Besetzung und die Crew hatten sich alle schweigend vor Ethans Laptop versammelt. Einige von ihnen hatten zum Theater fahren wollen. Aber Ted und Judith – wenn sie nicht gerade hinter vorgehaltener Hand boshafte Bemerkungen übereinander gemacht hatten – hatten alle davon überzeugt, dass sie dort nur im Weg sein würden.

Schließlich hatten sie die Leute nach Hause geschickt und versprochen, allen am nächsten Morgen eine E-Mail zu schicken. Nur Holly, Ethan und der Geschäftsführer hatten die Stellung gehalten und verzweifelt jedes Theater im Umfeld angerufen, das vielleicht als Ersatz infrage käme. Das Helen Hayes war zu klein, das Gershwin zu groß. Das Lyceum hatte die richtige Größe, war aber bereits ausgebucht. Genau wie das Cort, das Booth und das Walter Kerr.

Nach vier Stunden war Holly vor Müdigkeit fast eingeschlafen, und Ethan hatte gesagt: „Geh nach Hause. Ich ruf dich an, wenn wir ein anderes Theater für die Aufführung finden.“

Sie hatte protestiert und noch irgendetwas tun wollen. Aber Ethan hatte sich durchgesetzt, und sie war gegangen, aber nur bis zu ihrem Zwischenstopp im Naboombu gekommen. In der gemütlichen Bar um die Ecke ihre Apartments im East Village arbeitete Devin Padilla, ihre Nachbarin und beste Freundin in New York City hinter der Bar.

„Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Devin.

Holly trank noch einen Schluck. Der Scotch war würzig und wärmte sie angenehm. „Keine Ahnung.“ Sie nahm ihr Handy und sah bestimmt zum hundertsten Mal nach, ob eine SMS eingegangen war. „Aber wenn die Aufführung nicht über die Bühne gehen kann, brauche ich Jahre, um am Broadway eine neue Chance zu bekommen.“

„Warum? Es ist nicht deine Schuld, dass das Theater in Flammen gestanden hat.“

„Das ist nicht der Punkt. Das Feuer ist nur die letzte und größte Katastrophe in einer ganzen Reihe. Man könnte meinen, auf der Inszenierung lastet ein Fluch. Niemand wird sich mehr darauf einlassen wollen, weil das Risiko zu groß ist. Oder auf mich.“ Ja, was wäre, wenn sie die Aufführung absagen müssten? Wenn Nick die Stadt verließ, und sie niemals die Gelegenheit bekämen, zu Ende zu bringen, was sie in seiner Hotelsuite angefangen hatten?

Stopp. Moment mal. Wie kam sie nur darauf? Das war viel zu gefährlich. Dennoch stellte sie sich sofort vor, wie Nick und sie miteinander schliefen. Sie war eine Idiotin. Ihr Traummann war praktisch schon Wachs in ihren Händen gewesen, und sie hatte es vermasselt.

Warum nur hatte sie solche Bedenken gehabt? Die Narben auf ihrem Bauch zeigten, dass sie häusliche Gewalt überstanden und ihre Haut gerettet hatte. Sie sollte stolz darauf sein. Die Tatsache, dass Nick und sie zusammenarbeiteten, war auch kein Grund. Es passierte ständig, dass Kollegen sich auf diese Weise näherkamen.

Aber diese Überlegungen waren jetzt sinnlos. Ohne Theater keine Aufführung. Sie war arbeitslos und musste vermutlich wieder irgendeinen der Jobs übernehmen, deretwegen sich ihre Familie über sie lustig machte. Und Nick kehrte nach Hollywood zurück, um für eine Millionengage einen Superhelden zu spielen.

„Du denkst zu viel“, meinte Devin. „Manchmal habe ich Angst zu fragen, was dir im Kopf herumgeht.“

Holly erinnerte sich an Nicks Kuss. „Dann tu es nicht.“

„Was immer es ist – ich bin neidisch. Ich könnte schwören, dass du an etwas denkst, das dich heiß macht.“

„Stimmt.“

„Dann muss dein sexy Filmstar, der atemberaubende Prachtkerl, eine Rolle dabei spielen.“

„Er ist nicht mein Filmstar“, meinte Holly kopfschüttelnd. Jetzt bereute sie es, Devin in einem schwachen Moment erzählt zu haben, dass sie erneut völlig verrückt nach Nick war.

„Aber er könnte es sein.“

„Wie kommst du darauf?“

Devin sah zur Tür und strahlte hingerissen. „Er ist gerade hereingekommen.“

Holly drehte sich auf dem Barhocker um. Nick kam auf sie zu. Er trug eine schwarze Lederjacke, ein graues T-Shirt, eng geschnittene Jeans und sah umwerfend aus.

„Ist es in Ordnung, wenn ich mich neben dich setze?“, fragte er.

Sie sah ihn an und fragte sich, ob ihm bewusst war, dass er an dem Abend vor fünfzehn Jahren genau dasselbe zu ihr gesagt hatte. „Tu dir keinen Zwang an.“ Sie versuchte, gleichgültig zu klingen. In Anbetracht der Tatsache, dass allein der Klang seiner Stimme sie elektrisierte, war das nicht einfach. Dann saß er auch schon neben ihr, beugte sich zu ihr rüber, streifte mit seinem Knie ihres und setzte sie noch stärker unter Strom.

Devin beugte sich weit über die Bar und gewährte ihm einen Blick auf ihr üppiges Dekolleté. „Was darf Ich ihnen bringen?“

„Verräterin“, murmelte Holly und durchbohrte ihre Freundin mit Blicken. Devin zuckte nur die Schultern, als wollte sie sagen: Du bist doch nicht an ihm interessiert. Also ist er zu haben, richtig?

„Einen Scotch“, sagte Nick. „Pur. Macallan, falls Sie die Sorte dahaben.“

„Ich sehe mal im privaten Bestand meines Chefs nach.“ Devin fuhr sich durch die langen, dunklen Haare. „Weil Sie es sind.“

„Wieso bekommt er den guten Stoff?“, beschwerte sich Holly, die kurz davor war, ihrer Freundin an die Kehle zu gehen.

Nick drehte sich ihr zu und streifte erneut ihr Bein mit seinem. „Vielleicht weil ich den Unterschied schmecke.“

„So ist es“, gurrte Devin und klimperte mit den Wimpern. „Und Sie sehen besser aus und haben höflich danach gefragt.“ Sie drehte sich Holly zu. „Außerdem habe ich deinen Scotch jedes Mal mit Wasser verdünnt, wenn du nicht hingesehen hast. Sonst wärst du jetzt sturzbetrunken. Keine Barkeeperin, die ihr Geld wert ist, würde Macallan verdünnen.“

„Vielen Dank auch“, murrte Holly. Kein Wunder, dass sie noch nicht angeheitert war.

„Macht mir keinen Unsinn, bis ich wieder zurück bin“, rief Devin, als sie die Bar verließ, um ins Lager zu gehen.

„Ist sie eine Freundin von dir?“, fragte Nick.

„Ja. Du kannst ihr später ein Autogramm auf ihre Brüste geben.“ Sie spielte mit ihrem Glas. „Wie hast du mich gefunden?“

„Ethan hat mir deine Adresse gegeben und gesagt, dass du wahrscheinlich hier bist, wenn ich dich nicht zu Hause antreffe.“

Wow. Er hatte Ethan ihre Adresse entlockt, war durch die Innenstadt gefahren und ihr dann bis ins Naboombu gefolgt. All das hatte er getan, damit er … Was tun konnte? Ihre Hand halten? Ihre Tränen trocknen? Oder vielleicht hatte er vor, sie auf etwas intimere Art und Weise zu trösten.

Bei diesem Gedanken ging ihr Atem schneller. Holly presste das kalte Glas gegen ihre Wange, weil ihr heiß wurde. Wollte Nick sie immer noch? Hatte er sie deshalb aufgespürt? Und wenn ja, was sollte sie dann tun?

„Ich habe mit Ted gesprochen.“

Seine Worte wirkten, als schüttete ihr jemand einen Kübel mit Eiswasser über den Kopf. Natürlich war er hier, um über die Aufführung zu reden. „Gibt es Hoffnung?“

Nick schüttelte den Kopf. „Es sieht nicht gut aus. Jedes passende Theater in der Gegend ist bis Herbst ausgebucht. Was nicht so schlimm wäre, wenn nicht …“

„Wenn wir so lange warten, riskieren wir, dich zu verlieren.“

„Leider.“

Devin kam zurück, servierte Nick den Macallan und kümmerte sich um die anderen Gäste.

„Es tut mir leid, Holly“, meinte Nick schließlich nach langem Schweigen. „Ich wünschte …“

„Ich weiß.“ Nach einer Pause fragte sie: „Gehst du zurück nach L. A.?“

„Wahrscheinlich. Vielleicht lege ich einen kurzen Zwischenstopp in Stockton ein.“

„Wann warst du das letzte Mal zu Hause?“

„Vor fünfzehn Jahren.“

„Du meinst, du warst seit damals nicht mehr dort?“, fragte Holly.

„Genau.“ Nick trank sein Glas aus. „Nicht mehr, seit ich fortgegangen bin.“

„Was ist mit deinen Eltern?“ Sosehr sie sich manchmal über ihre Familie ärgerte, konnte sie sich nicht vorstellen, ihre Eltern und Geschwister so lange nicht zu sehen.

„Meine Mom besucht mich zweimal im Jahr an der Westküste.“

„Und dein Dad?“ Holly bemerkte, dass er einen Moment lang so verletzlich wirkte wie der Teenager, der sie an dem Abend damals geküsst hatte.

„Er verreist nicht.“

„Oh.“ Sie bemerkte, dass Nick jetzt wieder ein unbeteiligtes Gesicht machte. Das Leben hatte ihn abgehärtet und war gut zu ihm gewesen. Aber vielleicht hatte auch er Wunden aus seiner Kindheit und Jugend davongetragen. Wie sie.

Er fuhr sich durch die Haare und stellte das leere Glas auf die Bar. „Genug von mir. Ich bin gekommen, um mich davon zu überzeugen, dass du in Ordnung bist. Es sei denn, du bist lieber allein …“

„Mir …“ Holly wollte wie gewöhnlich sagen, dass es ihr gut ginge. Doch sie hielt inne. Ihr ging es alles andere als gut. Sie war völlig aufgewühlt und durcheinander. Und allein zu sein war das Letzte, was sie wollte. Sie wollte Nick. Sie wollte, dass er sie küsste und berührte, dass er sie vergessen ließ, dass die Aufführung, auf die sie gesetzt hatte, wahrscheinlich nie stattfinden würde und sie bald wieder in Stockton bei ihren Eltern leben musste.

Ihr war klar, dass sie zur Sache kommen würden, wenn sie dort weitermachten, wo sie in seiner Hotelsuite aufgehört hatten. Sie wusste auch, dass er danach ins sonnige L. A. zurückkehrte. Aber das kümmerte sie nicht. Jetzt war er hier. Bei ihr.

Sie hielt ohnehin nicht nach einer dauerhaften Beziehung Ausschau. Ihre Ehe war desaströs in die Brüche gegangen. Clark schien so harmlos gewesen zu sein: der Prototyp des freundlich gesinnten, aufstrebenden Wissenschaftlers. Dennoch war ihr Entschluss, ihn zu heiraten, die schlechteste Entscheidung ihres Lebens gewesen.

Mit Nick ins Bett zu gehen wäre auch gefährlich, weil sie ihr Herz an ihn verlieren könnte. Das darf ich einfach nicht zulassen, dachte Holly. Sie nahm seinen maskulinen, herben Duft wahr, der sie antörnte.

Es wurde Zeit, dass sie in ihrem Privatleben einige Risiken einging. Und Nick Damone war das personifizierte Risiko. Ein atemberaubendes Risiko, das zum Küssen war. „Ich bin froh, dass du hier bist. Heute Abend kann ich Gesellschaft brauchen.“

„Ich stehe zu Diensten.“ Er zeigte auf ihr leeres Glas. „Kann ich dir noch einen spendieren?“

„Nun, ich finde, wir sollten …“

„Ja?“ Nick rückte noch ein wenig näher an sie heran.

„Vielleicht …“

„Vielleicht?“

Holly wich seinem Blick aus, weil sie die Worte sonst nie über die Lippen brachte. „Irgendwohin gehen, wo wir unter uns sind.“

Er sog den Atem ein, legte den Arm auf die Rückenlehne ihres Barhockers und berührte mit seinen Fingern ihre Schulter. „Was hast du im Sinn?“

Ein Kribbeln überlief sie. Hatte sie wirklich so viel Mut? Sie drehte sich ihm zu, strich mit der Hand seinen Oberschenkel hinauf und spürte, wie er sich vor Erregung anspannte. „Meine Wohnung.“

Mann, habe ich ein Glück! „Bist du sicher?“, fragte Nick.

„Absolut“, sagte Holly mit heiserer Stimme. „Eine gemeinsame Nacht, bevor du abreist. Ohne Verpflichtungen.“

Er legte Geldscheine auf die Theke, ohne sie nachzuzählen, und griff nach ihrer Hand. „Dann lass uns gehen.“ Er zog sie praktisch zur Tür.

„Geht ihr schon?“, rief Devin ihnen nach.

„Ich schick dir eine SMS“, rief Holly über die Schulter.

„Morgen“, fügte Nick noch hinzu, bevor er die Tür von außen schloss. Er sah sich um. Kein Paparazzo in Sicht. Um sicherzugehen, bog er scharf rechts in eine dunkle Seitengasse neben der Bar ein.

„Mein Apartment liegt in der entgegengesetzten Richtung“, protestierte sie.

„Eins nach dem anderen.“ Er drückte sie mit dem Rücken an die Hauswand, stützte sich mit den Händen rechts und links neben ihrem Kopf ab, schob ein Bein zwischen ihre und küsste sie. Zunächst sanft. Dann strich er mit der Zungenspitze über ihre Lippen und verführte sie dazu, den Kuss zu vertiefen. Er packte ihren runden Po und genoss es, ihren weichen, warmen Körper zu spüren. So sollte eine richtige Frau sich anfühlen. Nicht wie die klapperdürren Starlets in Hollywood.

Er zog Holly näher an sich und ließ sie seine Erregung spüren. Als sie nach Luft schnappte, lehnte er sich zurück und sah sie an. Ihre Augen glänzten. Ihr Atem ging schnell. Nick konnte nicht sagen, ob sie ihn schlagen oder an sich pressen wollte. „Vielleicht sollten wir …“

Sie packte ihn am Kragen und zog ihn wieder an sich. „Wir reden zu viel und küssen zu wenig.“ Sie schlang die Arme um seinen Nacken, fuhr durch seine Haare, küsste ihn wild und drängend und rieb sich an ihm.

Stöhnend unterbrach er den Kuss, damit sie beide noch ein bisschen länger ihr Vergnügen hatten. Aber sie ließ sich nicht stoppen, küsste sein Kinn und seinen Hals, knabberte an seiner Haut. „Verdammt, ich will dich“, brummte er.

„Das ist mir nicht entgangen“, neckte Holly ihn und rieb sich erneut an ihm. „Hast du vor, deswegen etwas zu unternehmen?“

„Ja, zur Hölle.“ Er hob sie hoch.

Sie schlang die Beine um seine Hüften, strich durch seine Haare. „Nick.“ Sie seufzte. „Mehr.“

Das musste sie ihm nicht zweimal sagen. Er leckte über ihr Ohrläppchen, knabberte zart an ihrem Hals. Mit einer Hand öffnete er erst einen und dann noch einen Knopf ihrer Bluse, strich mit den Lippen über ihr Dekolleté, reizte mit seinem Bart ihre zarte Haut zwischen den Brüsten. Es war verrückt, was sie taten. In aller Öffentlichkeit um kurz vor halb elf Uhr abends. Jeden Moment könnte jemand vorbeikommen.

Doch das war ihm inzwischen egal und Holly offenbar auch. Er knöpfte ihre Bluse weiter auf, fuhr mit der Zunge bis zum Spitzenstoff ihres BHs, dessen Vorderverschluss er mit den Zähnen öffnete. Gebannt betrachtete er ihre schönen Brüste. Sie seufzte.

Er sah sie an. Sie hatte den Kopf in den Nacken sinken lassen. Ihre Haare waren zerwühlt, die sinnlichen, feuchten Lippen geöffnet. Sie hatte sich in eine wilde, laszive Göttin verwandelt, und er musste sie einfach haben. Er sog an einer ihrer aufgerichteten Brustwarzen, umkreiste sie mit der Zunge. Sie schmeckte nach Zimt, Zucker und wunderbar weiblich. Er kostete den anderen Nippel und sog mit unstillbarer Wollust daran.

„Nick.“

„Mmh.“

„Dein Handy vibriert.“

Er ließ Holly wieder auf die Füße, nahm sein Handy aus der Jackentasche und warf einen Blick auf das Display, das eine neue SMS anzeigte. Ohne die Nachricht zu lesen, schaltete er das Handy aus und steckte es wieder ein.

„Willst du nicht …“

„Nein.“

„Aber falls Ethan oder Ted oder Judith …“ Mit bebenden Fingern hakte sie den Verschluss des BHs ein. „Das war vielleicht keine gute Idee.“

Sie bekommt Panik, dachte Nick. Das war in Ordnung. Er war kurz davor gewesen, es an einer Hauswand mit ihr zu treiben. Er nahm ihre Hände in seine. „Du hast gesagt, dass du eine gemeinsame Nacht willst, richtig?“

Holly nickte. „Ich glaube, wir wissen beide, warum daraus nicht mehr werden kann.“

Ja, er wusste es. Seine Karriere an der Westküste. Der Ruhm. Seine fürchterliche Kindheit und die daraus resultierende Angst vor Nähe. All das machte ihn wohl untauglich für eine dauerhafte Beziehung. Also warum stimmte er ihr dann nur widerwillig zu? „Dann bekommst du diese eine Nacht“, sagte er nach einem langen Moment und verdrängte seine Zweifel. Er knöpfte ihr die Bluse zu. „Nur du und ich. Ungestört.“

In diesem Moment klingelte ihr Handy. Sie nahm es aus der Handtasche. „Ungestört“, wiederholte sie und schaltete es aus.

4. KAPITEL

„Ich rufe uns ein Taxi.“ Nick ging voraus zur Straße. Als ein Taxi um die Ecke bog, stieß er einen Pfiff aus, damit es anhielt. „Wenn ich nur eine Nacht mit dir bekomme, dann sorge ich dafür, dass du sie nie vergisst“, versprach er Holly.

Nur eine Nacht? Was wollte er damit sagen? Dass er mehr als diese eine Nacht mit ihr verbringen wollte? Auf keinen Fall. Wenn sie beide erst einmal ihre unwiderstehliche Lust aufeinander ausgelebt hatten, gehörte er der Vergangenheit an. Vorhin hatte er selbst zugegeben, dass er nach L. A. zurückwollte, wenn das Stück nicht wie geplant aufgeführt werden konnte.

„Vertraust du mir?“

Holly zögerte. Sie wusste, dass es ihre letzte Chance war, den Rückzug anzutreten. „Fahren wir.“

Nick öffnete die hintere Tür und half ihr beim Einsteigen. „Plaza Hotel“, sagte er dem Taxifahrer.

„Wir haben dich im Plaza untergebracht?“, fragte Holly verwundert.

„Nein.“ Er lachte. „Ich habe vor ein paar Monaten eine der Suiten gekauft. Weil noch ein paar Renovierungen fällig waren, konnte ich erst letzte Woche einziehen.“ Er legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. „Du wirst mein erster Gast sein. Es steht ein Doppelbett darin, und der Whirlpool im Bad bietet genug Platz für zwei Personen. Ich glaube, ich habe sogar einen Becher ‚Ben and Jerry’s‘ Eiscreme im Tiefkühlfach.“

„Welche Frau könnte Ben und Jerry widerstehen?“

„Und ich habe gedacht, dass ich derjenige bin, dem du nicht widerstehen kannst.“ Nick schob den Kragen ihrer Bluse zur Seite, küsste ihr Schlüsselbein und fuhr mit der Zungenspitze ihren Hals bis hinter das Ohr hinauf. „Kannst du mir widerstehen?“

Holly ließ den Kopf in den Nacken sinken und neigte sich ihm zu.

„Die Antwort wollte ich hören.“ Er strich mit leicht geöffneten Lippen über ihren Hals bis zum Brustansatz.

„Nick“, flüsterte sie warnend. „Der Taxifahrer.“

„Keine Sorge, Süße. Wir sind in New York. Der Mann hat schon alles gesehen.“ Er fuhr mit einer Hand über die Innenseite ihres Oberschenkels und schob ihre Beine auseinander.

„Ich … Oh.“ Sie stöhnte, als er die Hand weiter nach oben wandern ließ und sie streichelte.

„Pst. Du willst doch nicht, dass er dich hört, oder?“

„Nein, aber …“ Holly stöhnte lauter.

„Du lässt mir keine Wahl“, murmelte Nick. „Irgendwie muss ich dafür sorgen, dass du still bist.“ Er küsste sie heiß und fordernd. Sie legte eine Hand auf seine Brust und protestierte stöhnend, als er schließlich den Kopf hob. „Es ist okay, Süße. Wir sind da.“

Das Taxi hielt an. „Das macht zwanzig Dollar, Mr Damone“, sagte der Fahrer, der sich hüstelnd umdrehte. „Und kann ich ein Autogramm bekommen? Meine Ehefrau ist ein großer Fan von Ihnen.“

„Sicher.“ Er unterschrieb auf einer Serviette, die ihm der Taxifahrer reichte, und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. Dann war er Holly beim Aussteigen behilflich und führte sie durch die luxuriöse Lobby des Plaza Hotels in die Aufzugkabine.

„Komm her“, sagte er, als sich die Tür hinter ihnen schloss. Er nahm sie in die Arme, küsste sie leidenschaftlich und ließ sie erst los, als sich die Aufzugtür viele Stockwerke weiter oben wieder öffnete.

Ihr Herz raste. Er schlang einen Arm um ihre Taille, führte sie zur Tür seiner Suite und hantierte nervös mit dem Schlüssel herum. Sie lächelte erleichtert, als sie bemerkte, dass er genauso unter Strom stand wie sie. Schließlich öffnete er die Tür, ließ ihr den Vortritt, zog sein Jackett aus und schaltete die Lichter ein.

Die luxuriöse Suite war traumhaft. Flauschige Teppiche, ein Marmorkamin, aufwendig geschnitzte Möbel in gedämpften Farbtönen. Durch eine offene Tür konnte sie einen Blick auf das Doppelbett mit der strahlend weißen Daunendecke und den Daunenkissen werfen.

„Die Eiscreme steht in der Speisekammer.“ Nick trat hinter sie, küsste ihren Nacken, streichelte mit einer Hand ihren Po und mit der anderen ihre Brüste. „Falls du Appetit hast.“

„Und wie.“ Holly ließ sich gegen ihn fallen und spürte, wie hart er war. „Aber nicht auf Ben oder Jerry.“ Er drehte sie zu sich herum, hob sie auf seine Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Als er kurz stehen blieb, um auch hier die Lichter einzuschalten, stoppte sie ihn. „Bitte nicht.“ Im Dunklen würde er die hässlichen Narben nicht sehen. Die Verletzungen hatte Clark ihr zugefügt, als er sie mit einem Gürtel geschlagen hatte.

Auch wenn sie sich sagte, dass all das hinter ihr lag, war sie noch nicht bereit, darüber zu reden. Es war schon ein großer Schritt für sie, Nick zu berühren und sich von ihm berühren zu lassen. „Es ist eine Weile her, dass ich mit einem Mann zusammen war. Ich fühle mich wohler, wenn wir kein Licht anmachen.“

„Wie wäre es mit einem Kompromiss?“ Er dimmte das Licht, bis das Zimmer in ein sanftes, blaugraues Licht getaucht war. „Darüber hinaus müssen wir uns eben auf unseren Tastsinn verlassen.“

„Das klingt nett.“

„Nett? Dieses Wort beschreibt nicht einmal annähernd den Taumel der Lust, der uns erwartet, Süße.“ Vor dem Bett stellte er Holly auf die Füße, legte einen Arm um ihre Taille, eine Hand an ihre Wange und sah ihr in die Augen. „Ich habe vor, jeden Zentimeter deines schönen Körpers zu erforschen. Jeden Zentimeter zu berühren, zu küssen und zu schmecken, bis du mich anflehst, dich zum Gipfel kommen zu lassen. Und dann beginne ich wieder von vorn.“

Wow. Das war besser als jede erotische Fantasie. Noch kein Mann zuvor hatte sie nur mit Worten so angetörnt. Noch kein Mann hatte sie so unverhohlen begehrt. Ihr Körper vibrierte vor Verlangen.

„Und weil ich will, dass es gerecht zugeht“, fuhr Nick fort, „steht dir auch mein Körper zur freien Verfügung. Knabbere und koste, wo immer du willst, und so viel du willst.“ Als sie in seine Arme sank, fragte er: „Bist du okay?“

Holly konnte nur nicken, ihr fehlten die Worte.

„Gut. Denn ich kann keine Minute länger warten.“ Er küsste sie, öffnete mit seinen Lippen sanft die ihren und drängte mit der Zunge spielerisch und neugierig vor. Ihre Zungenspitzen trafen sich, umspielten einander wie ein eleganter Fechtkampf, vor und zurück, vor und zurück. Sie erwiderte seine Leidenschaft, strich mit der Zunge über seine Lippen und knabberte daran, bis sie beide nach Atem rangen.

„Zeit, ins Bett zu gehen.“ Nick schob sie zurück, bis sie auf die weiche Daunendecke sank. Er legte sich neben sie, stützte den Kopf auf eine Hand und legte die andere auf den Bund ihrer Jeans. „Sag mir, was du willst“, hauchte er.

Ihr Herz flatterte. Was wollte sie? Darüber hatte sie noch nie wirklich nachgedacht. Ihre sexuelle Erfahrung beschränkte sich darauf, den Mann zu beglücken und nicht ihr Vergnügen im Sinn zu haben. So war es gewesen, als sie mit Clark geschlafen hatte. Bei den einzigen Orgasmen, an die sie sich noch erinnern konnte, hatte sie selbst Hand angelegt.

„Rede mit mir, Holly.“ Er strich über ihre Hüfte. „Ich will, dass du dich gut fühlst.“

„Ich … Ich fühle mich gut.“ Sie rang nach Atem.

„Dann möchte ich, dass du dich noch besser fühlst.“ Nick schob ein Bein zwischen ihre.

Sie schlang ihre Beine um seines und rieb sich an seinem Oberschenkel. „Ich weiß nicht, ob das möglich ist.“

„Das ist es.“ Er knöpfte ihre Bluse auf, schob den Stoff und dann die Träger des BHs über ihre Schultern. „Ich möchte es dir zeigen.“ Aufreizend fuhr er mit einem Finger von ihrem Kinn bis zu den Brüsten.

„Ich glaube dir.“ Holly bog sich ihm entgegen. „Du bist sehr überzeugend.“

„Ich versuche es.“ Leise lachend schob er den BH herunter, um ihre Brüste zu entblößen. Mit der Zunge strich er über deren Rundungen, zeichnete kleine Kreise darauf, küsste und schmeckte genüsslich die zarte Haut. Ihre harten Nippel ignorierte er jedoch. Schließlich hob er den Kopf und grinste sie sündhaft an.

„Bitte, Nick.“

„Bitte, was?“ Er rieb mit der Nase an ihren Brüsten, leckte über die Innenseiten. „Du kannst es mir sagen. Hab keine Angst.“

Holly hatte keine Angst – so seltsam das war. Sie vertraute ihm und fühlte sich sogar sicher bei ihm, als er sie vor Verlangen fast um den Verstand brachte. „Berühr mich. Bitte.“

„Ich berühre dich doch.“ Er strich mit den Fingerspitzen über ihren Bauch bis zu den Rippen, wo ihm ihre heruntergeschobene Bluse mitsamt dem BH im Weg war. „Hier“, sagte sie heiser und zupfte an einer ihrer Brustwarzen. „Berühr mich hier. Ich brauche es.“

Er legte seine Hand auf ihre, beugte sich über ihre Brust. „So hübsch, hart und rosig.“ Sein Atem strich über ihren Nippel.

„Nick …“

„Und empfindsam.“

Als sein heißer Atem erneut über ihre Brustwarze strich, kam Holly fast. „Viel mehr halte ich nicht aus.“

Mit einem Finger umkreiste er zart die Spitze ihrer Brust und zog die Hand wieder zurück. „Willst du, dass ich diese perfekten Nippel reize, bis du vor Ekstase schreist? Oder vielleicht …“

„Ja.“ Sie rang nach Luft, als er sie endlich mit den Lippen umschloss und gierig daran sog. Mit der Hand stimulierte er ihre andere Brustwarze und brachte sie erneut fast bis zum Orgasmus, bevor er innehielt. Stöhnend packte sie seinen Kopf, um ihn anzutreiben.

Nick zog eine Spur heißer Küsse über ihren Bauch. Er knabberte sachte an ihrer Haut, öffnete mit einer Hand den Knopf ihrer Jeans und dann langsam den Reißverschluss. Sie schloss die Augen, als er mit einem Finger unter ihren Slip und zwischen ihre Schenkel fuhr. Sie war feucht. „Holly. Ich will in deine schönen, grünen Augen sehen, wenn du das erste Mal kommst.“

Das erste Mal? Sie leckte sich die Lippen, als sie sich vorstellte, wie er sie wieder und wieder zum Gipfel trieb. Mit den Fingern. Der Zunge. Und dann … „Ah!“ Scharf sog sie den Atem ein, als er mit einem Finger in sie eindrang. Stöhnend wand sie sich vor Lust.

„So feucht“, murmelte er, drang mit zwei Fingern tiefer in sie ein, stimulierte sie und zog sich erneut zurück.

Doch Holly vergab ihm, als er über ihren Venushügel blies und ihr die Jeans und den Slip auszog. Als sie fast nackt vor ihm lag, stieg erneut Angst in ihr auf. Bislang war Nick ein rücksichtsvoller und großzügiger Liebhaber gewesen. Aber eigentlich kannte sie ihn kaum, und am Anfang hatte Clark sich auch Mühe gegeben.

Sie schnappte sich ein Kissen und hielt es vor ihren Körper. „Nick, ich …“

„Stimmt was nicht, Süße?“, fragte er sofort besorgt.

Holly wurde warm ums Herz. Fast hätte sie sich ihm an den Hals geworfen. Aber ihre alten Ängste standen ihr im Weg. „Ich … Ich kann einfach nicht.“

„Es ist okay“, sagte er weich, setzte sich neben sie und verschaffte ihr etwas Luft. „Ich werde nicht so tun, als wenn ich nicht enttäuscht wäre. Aber ich höre auf, wann immer du es willst. Sag einfach, was dir auf dem Herzen liegt.“

Sie dachte nach. Lebewohl wäre das Wort, das ihr auf dem Herzen liegen müsste. Aber ihr Herz machte ihr gleichzeitig einen Strich durch die Rechnung. Denn gegen ihren Willen sagte sie: „Schnickelfritz.“

„Schnickelfritz?“, wiederholte er verblüfft.

„Mein Therapeut hat vorgeschlagen, dass ich mir ein sogenanntes Abbruchwort überlegen solle. Das Wort stammt aus einem Buch, das ich als Kind gelesen habe.“ Falls Nick sich wunderte, weshalb sie einen Therapeuten und ein Abbruchwort brauchte, ließ er sich nichts anmerken.

„Dann also Schnickelfritz.“

„Wenn ich es sage, hören wir auf?“, fragte Holly

„Ich schwöre es.“ Wie ein Pfadfinder hob er drei Finger zum Schwur.

Ihre Ängste legten sich so schnell, wie sie gekommen waren. „Ich bezweifle, dass du jemals bei den Pfadfindern warst“, sagte sie lächelnd.

„Nein, war ich nicht“, sagte Nick ernst. „Aber ich bin ein Ehrenmann.“

Ein Ehrenmann. Das unterschied ihn von Clark, der einen miesen Charakter hatte. Sie glaubte Nick und legte das Kissen langsam zur Seite. „Danke“, flüsterte sie. Als er sie begehrlich von oben bis unten in Augenschein nahm, wurde ihr sofort wieder heiß.

„Nein, Süße.“ Er küsste ihre Hüfte. „Ich danke dir.“ Er strich über ihre Schenkel, schob sie auseinander und trieb Holly versiert mit Mund und Zunge dem Gipfel entgegen. Als er an ihr sog, schrie sie laut auf und kam zum Höhepunkt.

Nick liebte die Frauen. Ihren süßen Duft, die weiche Haut, die seidigen Haare. Besonders liebte er es, sie zu beglücken – und sie zu betrachten, wenn sie sich in seinen Armen vor Lust wanden und zum Höhepunkt kamen.

Inzwischen hatte er eine Menge sexueller Erfahrungen gesammelt. Er war ungebunden und versprach nichts. Die Frauen, die sich zu ihm hingezogen fühlten, hatten kein Problem damit, dass er einfach eine gute Zeit und Spaß haben wollte.

Autor

Regina Kyle
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