Tiffany Exklusiv Band 33

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EINE NACHT IST NICHT GENUG von GARDNER, DARLENE
Wow! Frank McMann glaubt zu träumen, als er von Tiffany geküsst wird - denn die weiß, was sie will: Frank, und zwar sofort! Nur zu gern lässt er sich von ihr verführen - doch kurz darauf meldet sich sein Gewissen. Denn Frank ist nicht der, für den Tiffany ihn hält!

HERZKLOPFEN von ATKINS, DAWN
Wild rast Mirandas Herz, als sie ihren One-Night-Stand Nick wiedersieht. Ein Jahr ist vergangen, aber noch immer weckt der Ex-Polizist einen Orkan der Gefühle in ihr. Soll sie sich erneut auf ihn einlassen? Immerhin hat Nick damals nur aus Mitleid mir ihr geschlafen …

WER MIT DEM FEUER SPIELT von O'REILLY, KATHLEEN
Adam Taylor ist verwirrt! Wer ist die hübsche Brünette mit den tollen Kurven, die sein Blut derart in Wallung bringt? Tatsächlich: die sonst so taffe und karrierebesessene Jessica. Hat Adam eine Chance bei ihr - auch wenn sie ihm die kalte Schulter zeigt?


  • Erscheinungstag 10.03.2015
  • Bandnummer 0033
  • ISBN / Artikelnummer 9783733750176
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Darlene Gardner, Dawn Atkins, Kathleen O´Reilly

TIFFANY EXKLUSIV BAND 33

DARLENE GARDNER

Eine Nacht ist nicht genug

„Ich hab keine Lust mehr auf spießige Anzugträger!“ Gelangweilt vom Büroalltag, steht Tiffany der Sinn nach einem heißen Frühlingsflirt. Da kommt ihr der attraktive Straßenmusiker Frank gerade recht! Tiffany fackelt nicht lang und stürzt sich in das größte Abenteuer ihres Lebens: eine leidenschaftliche Affäre mit Frank! Aber dann geschieht etwas Unerwartetes …

DAWN ATKINS

Herzklopfen

Ein Jahr nach ihrer wild-romantischen Nacht trifft Ex-Polizist Nick Ryder die hübsche Miranda wieder und muss erkennen: Die Unternehmerin ist noch genauso sexy wie damals! Erneut beginnen Nicks Hormone verrückt zu spielen: Miranda ist einfach zu verführerisch! Soll Nick seinem Verlangen nachgeben und das Risiko eingehen, wieder enttäuscht zu werden?

KATHLEEN O´REILLY

Wer mit dem Feuer spielt

Beim Zusammentreffen von Businessfrau Jessica Barnes und Unternehmensberater Adam Taylor prallen Welten aufeinander! Während sie von Geld und Karriere träumt, sucht er eine weniger emanzipierte Partnerin. Und doch spürt Jessica in Adams Gegenwart ein nie da gewesenes Prickeln. Ist er eine Sünde wert? Nur kurz zögert Jessica – dann steht ihre Entscheidung fest!

1. KAPITEL

In der Stadt pulsierte das Leben. Fröhliche, ausgelassene Menschen drängten sich am Vorabend des großen Ereignisses auf allen Straßen und Plätzen.

Tiffany Albright beobachtete mehrere junge Männer, die sich lautstark mit grün gefärbtem Bier in Plastikbechern zuprosteten. Einer von ihnen warf den Kopf zurück und heulte theatralisch den Mond an.

Impulsiv ergriff sie den Arm ihrer alten Schulfreundin Susie Dolinger und seufzte. „Es war die beste Idee seit Langem, dich zum St. Patrick’s Day Festival zu besuchen.“ In den zwei Jahren, seit Susie in Savannah arbeitete, hatte sie Tiffany mehrmals eingeladen, aber bis jetzt hatte es noch nie geklappt.

Mit den blonden Locken, den Grübchen und dem stets freundlichen Lächeln erinnerte Susie an eine erwachsene Shirley Temple. Doch jetzt runzelte sie skeptisch die Stirn, weil sie einem Paar ausweichen mussten, das sich vor allen Leuten hemmungslos küsste.

„Ich weiß nicht, Tiffany. Als ich dich zu mir eingeladen habe, meinte ich eigentlich nicht ausgerechnet dieses Wochenende. Ich werde so beschäftigt sein, dass ich mich kaum um dich kümmern kann, und außerdem …“ Sie verstummte.

„Was außerdem?“, fragte Tiffany neugierig.

Susie holte tief Luft. „Ich glaube, dir würde eher das ruhige, verschlafene Savannah gefallen als dieser Trubel hier.“

Tiffany sah sich um. In den historischen Lagerhäusern aus dem 19. Jahrhundert, die die River Street säumten, reihten sich Restaurants, Bars, Kneipen und Souvenirläden dicht an dicht. Auf der anderen Straßenseite hatte man von der malerischen Uferpromenade des Savannah Rivers aus einen spektakulären Blick auf die riesigen Frachtschiffe, die ständig im Hafen ein- und ausliefen.

Die River Street war immer sehr belebt. Aber an diesem Donnerstagabend, ganze vierundzwanzig Stunden bevor das eigentliche Festivalwochenende begann, schien die Menschenmenge bereits fast so groß wie die, die sich am Silvesterabend auf dem Times Square in New York versammelte. Der St. Patrick’s Day warf seinen Schatten voraus. Der Namenstag des irischen Nationalheiligen, an dem traditionellerweise alles in Grün geschmückt wird, wurde hier mit einem riesigen Festival begangen. Und Susie war als Vertreterin des Tourismusbüros für einen Großteil der Veranstaltungsorganisation mit verantwortlich.

„Was stört dich an dem Trubel?“, fragte Tiffany, während sie vergnügt zwei Männern zusah, die Arm in Arm an ihnen vorbeischwankten und aus voller Kehle ein irisches Volkslied sangen.

„Nichts. Schließlich ist es meine Aufgabe, möglichst viele Besucher hierher zu locken. Trotzdem bin ich mir sicher, dass dir das andere Savannah besser gefallen hätte.“

Das brave, langweilige Savannah, dachte Tiffany. „Wie kommst du darauf?“, wollte sie wissen und klang ein wenig pikiert.

„Na ja, an diesem Wochenende spielt die ganze Stadt total verrückt, und du bist so … so konservativ.“

„Das stimmt doch gar nicht“, widersprach Tiffany.

„Du bist die Tochter eines Politikers, der bereits seit über zwanzig Jahren im Kongress sitzt.“

„Das beweist höchstens, dass mein Vater konservativ ist, nicht ich.“

„Du wohnst in Washington, arbeitest im Abgeordnetenhaus als Lobbyistin für die Milchwirtschaftsvereinigung, du besuchst Wohltätigkeitsveranstaltungen und verkehrst in den besten Kreisen. Wenn du nicht konservativ bist, wer dann?“

Gekränkt, dass ausgerechnet ihre beste Freundin sie so einschätzte, ließ sie Susies Arm los und blieb stehen. „Ist es dir je in den Sinn gekommen, dass ich diese Art von Leben satthaben könnte und dass ich mich wenigstens einmal davon befreien und etwas Wildes tun möchte?“

Gleich hinter ihnen blies jemand in eine Plastiktrompete, und Tiffany fuhr erschrocken zusammen.

Susie lachte. „Ehrlich gesagt, nein.“

„Nur weil ich auf plötzliche Geräusche völlig normal reagiere …“

„Das ist es nicht“, unterbrach Susie sie. „Es ist was anderes. Zum Beispiel die Art, wie du dich kleidest.“

„Immerhin trage ich eigens für den Anlass Grün!“

„Glaubst du wirklich, dass eine wilde, ausgeflippte Frau zum St. Patrick’s Day einen lindgrünen, maßgeschneiderten Hosenanzug tragen würde?“

„Na gut, ich bin vielleicht nicht gerade unkonventionell. Aber ich sage dir, wenn ich nicht mal eine Auszeit von Washington genommen hätte, wäre ich sicher bald explodiert.“

„Und was wäre dann passiert? Hättest du einem deiner feinen Herrn ins Gesicht gesagt, dass dir das Muster seiner Krawatte nicht gefällt?“, neckte Susie ihre Freundin.

„Nein, ich hatte eher daran gedacht, die Hand eines Politikers, der mich mit verlogenem Lächeln begrüßt, nicht mehr loszulassen. Oder einem Anwalt, der mich mit hohlen Komplimenten einzulullen versucht, meinen Drink ins Gesicht zu schütten. Aber dann täten mir sicher bald vor lauter Zudrücken die Hände weh, oder ich müsste verdursten.“

„Ist es wirklich so schlimm?“

Tiffany atmete tief durch. Die leichte Abendbrise nach dem heißen, schwülen Tag tat ihr gut. Obwohl es erst März war, war die Temperatur heute auf achtundzwanzig Grad geklettert. Und selbst jetzt, nach Sonnenuntergang, war es immer noch warm. „Es ist schlimmer, als du denkst. In letzter Zeit habe ich mich so eingesperrt gefühlt. Und zu allem Überfluss lässt meine Mutter nichts unversucht, um mich mit einem Anzugträger zu verkuppeln. Diese Typen sind so langweilig, dass man aufpassen muss, nicht mitten im Gespräch mit ihnen einzuschlafen.“

Susie lachte.

„Was ich brauche, ist jemand wie dein Kyle. Jemand, der nicht in diese Schlips-und-Kragen-Kategorie passt. Kyle ist freier Fotograf, nicht wahr? Das ist zur Abwechslung mal ein cooler Beruf.“

„Ja, finde ich auch“, stimmte Susie ihr zu.

„Ich brauchte ihn auch gar nicht lange“, überlegte Tiffany laut. „Nur für dieses eine Wochenende.“

„Tut mir leid, Schätzchen, aber Kyle ist schon vergeben.“ Susies Stimme war sanft, aber bestimmt.

„Sei nicht albern. Ich meinte doch nicht deinen Kyle. Der hat ohnehin nur Augen für dich.“ Tiffany lachte. „Ich meinte jemanden, der so ähnlich ist wie Kyle. Irgendeinen fremden, unkomplizierten Mann, mit dem ich ein aufregendes Wochenende verbringen kann.“

„Du redest doch nicht etwa von Sex, oder?“, fragte Susie entsetzt.

Tiffany dachte kurz nach. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, und ihr ganzes Leben hatte sie immer getan, was man von ihr erwartete. Sie war eine gute Schülerin gewesen, hatte ihr Studium mit Auszeichnung abgeschlossen und sich eine erfolgreiche Karriere aufgebaut. Ihr Benehmen war stets tadellos, und die Gepflogenheiten des gesellschaftlichen Parketts in Washington beherrschte sie perfekt. Und bisher hatte sie immer so getan, als genügte ihr diese versnobte, aber relativ eingegrenzte Welt. Sie hatte sich schon fast damit abgefunden, für den Rest ihres Lebens Schneiderkostüme zu tragen und öde Männer anzulächeln, bis ihre Gesichtsmuskeln erlahmten.

„Doch, ich rede von Sex. Warum auch nicht?“

„Weil …“ Ganz gegen ihre Gewohnheit, suchte Susie auf einmal nach Worten. „Weil du nicht zu dieser Sorte Mädchen gehörst.“

„Vielleicht ja doch“, widersprach Tiffany und warf sich trotzig das lange, dunkle Haar zurück. „Woher soll ich wissen, was mir gefällt und was nicht, wenn ich es nicht wenigstens einmal ausprobiert habe?“

„Aber … aber …“, stammelte Susie. „Man muss doch nicht alles ausprobieren, um zu wissen, dass es nicht gut für einen ist. Wie zum Beispiel das Fallschirmspringen. Reicht es nicht, im Flugzeug aus dem Fenster zu blicken, um festzustellen, dass man da nicht runterspringen möchte?“

„Vielleicht würde ich ja ganz gern mal einen Sprung wagen.“

„Nein, würdest du nicht.“

„Ich meinte ja auch weniger den Sprung aus einem Flugzeug als den Sprung ins Bett eines tollen Mannes.“

Susie schüttelte tadelnd den Kopf. „Das ist doch nicht dein Ernst. Ich kenne dich. Du bist nicht der Typ, der sich auf eine Affäre einlässt.“

„Wer weiß?“

Irgendwo in der Menschenmenge heulte schon wieder jemand den Mond an, und Tiffany lachte ausgelassen.

„Du bist verrückt geworden“, stellte Susie sachlich fest.

„Und das war auch höchste Zeit.“ Tiffany verspürte ein nervöses Kribbeln in ihrem Bauch. Ja, sie würde sich auf eine Affäre einlassen. Was für eine wundervolle Idee!

„Was für eine entsetzliche Idee“, sagte Susie. „Du kannst doch nicht einfach jemanden von der Straße auflesen.“

„Hat es mit dir und Kyle nicht ebenso angefangen?“, fragte Tiffany.

Susie errötete. „Ich hätte dir die Geschichte niemals erzählen dürfen. Außerdem haben wir uns nicht auf der Straße kennengelernt, sondern in einer Bar.“

„Vielleicht treffe ich meinen zukünftigen Liebhaber ja auch in einer Bar. Davon gibt es in Savannah schließlich jede Menge.“

„Vergiss nicht, dass es hier auch jede Menge Betrunkener gibt, besonders während des Festivals zum St. Patrick’s Day.“

„Ich lass mich nicht mit einem Betrunkenen ein“, versicherte Tiffany ihr. „Ich suche mir einen ganz süßen Typen. Glaub mir, ich habe einen guten Instinkt, wenn es um Männer geht.“

Resigniert sah Susie auf ihre Uhr. „Ich bin schon wieder spät dran. Ich sollte längst an der Hauptbühne sein, um dafür zu sorgen, dass der Auftritt der nächsten Band glatt läuft.“

„Dann geh schon.“

„Ich bin nicht sicher, ob ich dich allein lassen kann.“ Sie sah Tiffany prüfend an. „Du scheinst nicht ganz bei klarem Verstand zu sein.“

„Mach dir keine Sorgen um mich“, beruhigte Tiffany sie. „Ich verspreche dir, dass ich nichts tue, was du nicht auch tun würdest.“

Susie runzelte die Stirn. „Das ist es ja gerade, was mir Sorgen macht.“

2. KAPITEL

Frank McMann war es seit Langem gewohnt, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und sich ausschließlich von seinem Verstand leiten zu lassen. Doch jetzt ballte er die Hand in der Jackett-Tasche seines dunkelblauen Maßanzugs, um nicht vor Wut auf den polierten Holztresen der Rezeption zu schlagen.

„Da muss ein Irrtum vorliegen“, sagte er und sah der Empfangsdame des Old Southern Grand Hotels tief in die Augen. Direkter Blickkontakt bei Verhandlungen hatte sich in seinem Beruf als Wirtschaftsanwalt immer bewährt.

Die Frau hatte zwar ausdrucksvolle dunkle Augen, doch Frank hätte nicht sagen können, ob das Übrige an ihr auch hübsch war, denn seltsamerweise hielt sie sich fortwährend die linke Hand vor die untere Gesichtshälfte.

„Ich sehe gern noch einmal für Sie nach, Sir.“ Mit der rechten Hand bediente sie die Tastatur ihres Computers. Das moderne Gerät wirkte im klassischen Ambiente der Hotellobby mit den vertäfelten Wänden, eleganten Sitzgruppen und üppigen Blumengestecken beinahe deplatziert. „Es tut mir leid, aber ich kann keine Reservierung auf Ihren Namen finden. Und bedauerlicherweise sind wir komplett ausgebucht.“

Frank unterdrückte ein Stöhnen. Seit seiner Abreise von Washington war einfach alles schief gelaufen. Zuerst hatte die Fluggesellschaft sein Gepäck verbummelt, dann hatte er keinen Mietwagen mehr bekommen, und sein Anzug … Nein, über den wollte er lieber gar nicht erst nachdenken, sonst würde er sich nur ärgern.

Stattdessen probierte er sein charmantestes Lächeln. „Ich weiß, dass ich viel verlange, aber könnten Sie sich wohl in anderen Hotels nach einem Zimmer für mich erkundigen?“

Die Empfangsdame drehte sich halb von ihm weg. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen, Sir. Erst vor einer Stunde habe ich mich für einen anderen Herrn umgehört, aber in der ganzen Stadt war kein Zimmer mehr zu haben.“ Sie zuckte bedauernd mit den Schultern. „Das ist immer so bei uns am St. Patrick’s Day Festival.“

„Das hatte ich befürchtet“, murmelte Frank. „Dürfte ich Sie noch um einen letzten Gefallen bitten? Könnten Sie für mich am Flughafen nachfragen, ob heute Abend noch Flüge nach Washington gehen?“

Während die junge Frau telefonierte, wuchs sein Ärger. Er war ein viel beschäftigter Anwalt und hatte für solche Abenteuer einfach keine Zeit. Vor etwa einem Monat war er von Atlanta nach Washington gezogen, um dort seinen neuen Job in einer der angesehensten Anwaltskanzleien der Stadt anzutreten. Und nun hatte man ihn hierher geschickt, damit er sich diskret um ein Verfahren kümmerte, in das die Tochter des Senators Jake Greeley verwickelt war. Es handelte sich dabei um ein Verkehrsdelikt. Eigentlich fiel so etwas nicht in sein Fach, doch da Greeley nicht nur mit einem der Seniorpartner der Kanzlei, sondern auch mit Franks Vater befreundet war, hielt man ihn, Frank, für den geeigneten Kandidaten, diesen Fall zu übernehmen.

Und jetzt schien es, als müsste er alle vereinbarten Termine verschieben und dann in der kommenden Woche noch einmal nach Savannah fliegen. Dabei war es schwierig genug gewesen, sich dieses Wochenende für die Reise freizuhalten.

„Um elf Uhr, also in etwa drei Stunden, geht ein Flug nach Washington, D. C.“, sagte die Empfangsdame, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. „Es gibt noch ausreichend freie Plätze.“

„Vielen Dank.“ Frank wollte gerade gehen, da hielt ihn die Dame mit einem leisen Räuspern zurück. Er sah sie fragend an.

„Ich möchte ja nicht unhöflich sein“, sagte sie zögerlich, wobei sie noch immer mit der Hand Mund und Nase bedeckte. „Aber Sie haben da etwas auf Ihrem Anzug, Sir. Zuerst dachte ich, es wäre Schlamm, aber es … es riecht wie …“

„Es ist Schlamm“, sagte Frank nachdrücklich. Dasselbe versuchte er sich selbst einzureden, seit er aus dem Taxi gestiegen war und ein Bus, der durch eine tiefe Pfütze gefahren war, ihn vollgespritzt hatte. Obwohl es in der Stadt von Pferdekutschen nur so wimmelte, weigerte er sich, diese Möglichkeit der Fortbewegung auch nur in Betracht zu ziehen. „Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Damit eilte er aus der vornehmen Lobby, um sich schleunigst etwas anderes zum Anziehen zu kaufen.

Zehn Minuten später hatte er sich durch einen Stapel grüner T-Shirts auf dem Wühltisch eines Souvenirgeschäfts gekämpft. Er nahm sich eins und ging damit zur Kasse. Geduldig wartete er, bis die ältere Dame vor ihm eine riesige grüne Lockenperücke und ein paar Postkarten bezahlt hatte.

„Entschuldigung, aber haben Sie noch andere T-Shirts in dieser Größe?“, fragte Frank die Kassiererin, als er endlich an die Reihe kam.

„Nein. Sie haben Glück, dass Sie überhaupt noch ein so großes gefunden haben“, antwortete die Frau mit gedehntem Südstaatenakzent. „Diese T-Shirts gehen weg wie warme Semmeln.“

„Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht noch welche im Lager haben?“ Frank hätte nicht noch einmal nachgefragt, wenn er nicht so verzweifelt gewesen wäre. Doch dies war weit und breit das einzige Geschäft, das Kleidung zum Verkauf anbot. Alle Warenhäuser oder Modegeschäfte waren bereits geschlossen. Von Herrenausstattern ganz zu schweigen.

„Natürlich bin ich sicher, junger Mann.“ Die Verkäuferin hielt sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu. „Du liebe Zeit, was haben Sie denn da auf Ihrem schönen Anzug?“

„Schlamm“, antwortete Frank.

„Wirklich? Es riecht nämlich wie …“

„Hören Sie, ich stecke in der Klemme“, unterbrach er sie. „Ich brauche wirklich ganz dringend ein T-Shirt.“

„Das da kostet zwanzig Dollar.“

„Wie bitte? Zwanzig Dollar?“, fragte er fassungslos.

„Festivalpreis“, erwiderte die Frau.

„He, da vorne, könnten Sie sich mal ein bisschen beeilen?“, rief eine Stimme aus der Schlange, die sich bereits hinter ihm gebildet hatte. „Auf mich warten heute noch ein paar Liter kühles Bier.“

„Ich verstehe gar nicht, was Sie gegen das T-Shirt da haben“, fuhr die Kassiererin ungerührt fort.

Frank hielt es hoch und deutete auf den aufgedruckten Spruch: „Küss mich, wenn du dich traust!“

„Verstehen Sie nun?“, fragte er.

Die Frau lachte. „Na, das ist doch ganz niedlich. Nun entscheiden Sie sich. Die Leute hinter Ihnen werden allmählich ungeduldig.“

Nachdem Frank notgedrungen das T-Shirt erstanden hatte, entledigte er sich in einer der engen Umkleidekabinen seines verdreckten Anzugs, warf ihn in einen Papierkorb und zog sich zu dem albernen T-Shirt seine Jogginghose und die Turnschuhe an, die er immer im Handgepäck bei sich hatte.

Er trat wieder hinaus auf die River Street, setzte sich auf eine freie Parkbank und nahm sein Handy aus der Tasche. Senator Greeley würde über die Verschiebung sicher nicht erfreut sein. Ohne auf das bunte Treiben um sich herum zu achten, hinterließ Frank auf drei verschiedenen Anrufbeantwortern die Nachricht, dass er die morgigen Termine nicht einhalten könne und sich bald wieder melden würde. Dann steckte er das Handy in seine Tasche zurück und schloss sich dem Strom der Touristen an.

Es dauerte nicht lange, bis ihn jemand daran erinnerte, was auf seinem T-Shirt stand.

„Komm her, und ich küsse dich, dass dir Hören und Sehen vergeht!“, rief ihm ein spärlich bekleideter Teenager herausfordernd zu. Ihre Freundin warf ihm ein paar Kusshände zu, und die beiden Mädchen brachen in lautes Gekicher aus.

Frank verdrehte die Augen. Er hatte mindestens noch eine Stunde, bis er sich auf den Weg zum Flughafen machen musste, aber auf der River Street wollte er auf keinen Fall länger bleiben. Im fiel ein, dass er auf der Taxifahrt hierher durch ein paar schöne Wohngegenden gekommen war, und einer spontanen Eingebung folgend, entfernte er sich nun vom Hafen und ging über die Bay Street in Richtung Altstadt. Sein Ärger verflog schnell, als er durch die ruhigeren Gassen spazierte. Schon nach wenigen Minuten hatte ihn der Zauber Savannahs gefangen genommen.

Er schlenderte durch kleine Parks, die immer wieder wie Inseln der Stille inmitten des Häusermeers auftauchten. Zypressen und Ulmen neigten ihre Äste bis auf die Gehwege hinab, und betörender Jasminduft erfüllte die laue Nacht. Herrschaftliche Stadtvillen mit kunstvollen, schmiedeeisernen Balkonen säumten die Straßen. Hinter hell erleuchteten Fenstern war Gelächter, Gläserklingen und Musik zu hören. Anscheinend feierte ganz Savannah eine einzige riesige Party.

„Hier hast du einen Kuss von mir, Süßer!“, rief ein Mann mit einer Perücke in einem engen, grünen Abendkleid. Er spitzte die grell geschminkten Lippen und warf Frank im Vorbeigehen eine Kusshand zu. „Du bist ja wirklich zu niedlich.“

Frank fühlte sich seltsam geschmeichelt. „Danke“, antwortete er ein wenig verlegen. Er musste über sich selbst lachen, und sein Gang wurde mit jedem Schritt beschwingter.

Plötzlich drangen Klänge eines Saxofons an sein Ohr. Die vertraute Jazzmelodie rief Erinnerungen in ihm wach, und er lächelte wehmütig. Als er sechzehn Jahre alt gewesen war, hatte er diesen Song immer und immer wieder geübt. Eigentlich hatte er nur Lindsey Ellicot, das hübscheste Mädchen der zehnten Klasse, damit beeindrucken wollen. Es stellte sich heraus, dass Lindsey keinen Jazz mochte, aber Frank hatte eine neue Leidenschaft entdeckt. Er kam nicht mehr los von der Musik. Jedenfalls nicht, bis das Studium und die Arbeit sein Leben bestimmten und er erkannte, dass sein Vater recht hatte: Er hatte keine Zeit für Jazz.

Frank folgte den sanften, traurigen Tönen bis zu einer Straßenecke, an der ein Saxofonist an einer Mauer gelehnt stand. Als der Song zu Ende war, applaudierte er anerkennend.

„Sie würden John Coltrane alle Ehre machen“, sagte er. „Wenn man die Augen schließt, könnte man wirklich meinen, dass er es ist, der hier spielt.“

Der Mann schenkte ihm ein breites Grinsen, das zwei vergoldete Schneidezähne entblößte. „Die meisten Leute hätten auf Charlie Parker getippt.“

„Oh nein. Das ist Coltrane. Ich habe diesen Songs früher selbst gespielt.“

„Hey, cool, Mann.“ Der Saxofonist hielt ihm das Instrument hin. „Dann musst du auch was spielen, Kumpel.“

„Lieber nicht“, erwiderte Frank und hob abwehrend die Hände.

„Hast wohl Angst vor Bazillen.“ Noch bevor Frank antworten konnte, hatte der Mann das Mundstück bereits am Saum seines T-Shirts abgewischt. „So, keine Bazillen mehr.“

Frank lachte. „Ich habe keine Angst vor Bazillen.“

„Hey, wo ist dann das Problem?“

Frank wollte ihm gerade erklären, dass er nicht zu den Männern gehöre, die in milden Nächten Saxofon spielten. Noch dazu auf offener Straße, wo jeder zuhören konnte.

„Was ist jetzt, Kumpel?“, fragte der Musiker und hielt ihm immer noch das Saxofon hin. „Spielst du nun oder nicht?“

Der goldene Schein der Straßenlaterne fiel auf das Instrument, und es blitzte auf wie einer dieser Glückspennies, die auf der Straße lagen, nach denen er sich jedoch nie bückte, weil er keine Zeit dazu hatte.

Ach, zum Teufel. Niemand würde je davon erfahren.

„Also gut“, sagte er.

Eine Stunde nachdem Tiffany ihrer Freundin verkündet hatte, dass sie sich auf eine heiße Affäre einlassen würde, ging sie durch die malerischen Straßen der Altstadt nach Hause. Allein.

Der einzige Mann, mit dem sie ein Wort gewechselt hatte, war ein blonder Bursche von Mitte zwanzig gewesen, der, abgesehen von seiner arroganten Art, eigentlich ganz attraktiv gewesen war. „Hey, Süße, soll ich dich glücklich machen?“, hatte er sie mit einem anzüglichen Grinsen gefragt.

„Nein, danke“, hatte sie steif geantwortet und war weitergegangen, ohne ihn eines zweiten Blickes zu würdigen.

Die Männer auf der River Street – zumindest diejenigen, die nicht in Begleitung einer Frau waren – schienen alle der Meinung, dass man sich hemmungslos betrinken musste, um sich zu amüsieren.

Tiffany seufzte. Susie wusste ja gar nicht, wie recht sie hatte.

Nicht genug, dass sie zu der Sorte Mädchen gehörte, die nie Affären hatten. Viel schlimmer noch – sie gehörte zu der Sorte Mädchen, die früh nach Hause gingen, um sich mit einem guten Buch ins Bett zu legen.

Der sanfte, lockende Ton eines Saxofons wehte durch die Stille der Nacht zu ihr herüber, und die schwermütige Melodie spiegelte ihre Stimmung wider. Langsam schlenderte Tiffany in die Richtung, aus der die Musik kam, und gesellte sich zu der kleinen Gruppe, die sich um den Straßenmusikanten geschart hatte.

Beim ersten Blick auf ihn stockte ihr der Atem, und ihr kam der verrückte Gedanke, dass sie vielleicht doch zu der Sorte Mädchen gehörte, die Männer auf der Straße auflasen.

Er hielt die Augen geschlossen und bewegte sich zu der Musik, als ob sie in ihm zu eigenem Leben erwachte. Er war kaum mehr als vier oder fünf Zentimeter größer als sie, aber die sonderbare Mischung aus Straßenbeleuchtung und Mondlicht ließ ihn irgendwie viel größer erscheinen.

Sein Haar schimmerte in diesem Licht golden, ebenso seine langen, dichten Wimpern. Was sie von seinem Gesicht sonst noch sehen konnte, ließ ihr Herz schneller schlagen. Unerhörte, lustvolle Bilder stiegen in ihr auf.

Und was seinen Körper betraf, so war dieser schlank und durchtrainiert und schlichtweg umwerfend. Dabei faszinierte sie weniger die äußere Erscheinung als die sinnliche Art, mit der er sich bewegte.

Er lehnte sich jetzt zurück, und durch die Bewegung spannte sich der Stoff seines grünen T-Shirts über seinen breiten Schultern. Tiffany ließ den Blick tiefer wandern und las den in Spruch auf seiner Brust: „Küss mich, wenn du dich traust!“

Würde sie sich trauen?

Die letzten sanften Töne des Liedes verklangen, und der Straßenmusiker setzte das Instrument ab. Dann lächelte er. Doch sein Lächeln war eher ein ungeniertes, jungenhaftes Grinsen, das sein Gesicht erstrahlen ließ.

Tiffanys Puls begann zu rasen, als er plötzlich den Blick hob und ihr direkt in die Augen sah. Nur vage nahm sie wahr, wie ein anderer Mann ihm das Saxofon entwand.

Sei kein Feigling, sagte sie sich. Das ist genau der Mann, nach dem du suchst.

Langsam trat sie einen Schritt vor und stellte nun fest, dass sein Haar nicht golden, sondern dunkelbraun war. Und seine Augen schimmerten blaugrün. Die Augen eines Zauberers, dachte sie fasziniert. Eines Zauberers, in dessen Bann sie geraten war. Wie von einem unsichtbaren Band gezogen, machte sie noch einen Schritt auf ihn zu. Und dann noch einen.

Sei wenigstens einmal in deinem Leben wild. Es ist doch nur ein Kuss, sprach sie sich Mut zu. Nur ein einziger Kuss. Los, tu es.

Dann stand sie vor ihm, und er sah sie lächelnd an, die Lippen vom Saxofonspielen noch feucht und gerötet.

In dem Moment, wo sie sich zu einem Kuss vorbeugte, glaubte sie, das Herz würde ihr stehen bleiben. Er machte zwar ein überraschtes Gesicht, wich aber nicht zurück, als sie ihren Mund auf seinen drückte.

Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich gleich wieder zurückzuziehen, doch sie vermochte es nicht. Sie klebte förmlich an seinen Lippen, so als versuchte sie, eine lang gehegte Sehnsucht zu stillen. Und als wäre das nicht genug, legte sie ihm auch noch die Arme um den Hals und griff ihm ins Haar.

Endlich erwiderte er den Kuss, presste seinen Mund auf ihren und umfasste mit beiden Händen ihre Taille, um sie noch näher an sich zu ziehen. Seine Muskeln waren hart, und sie spürte, wie ihr eigener Körper immer weicher wurde, als sie sich an ihn schmiegte. Aus Angst, sie könnte wanken, verlagerte sie schnell ihr Gewicht auf das andere Bein.

Sie hätte ihn unaufhörlich küssen können, und vielleicht hätte sie es auch getan, wenn er nicht unvermittelt zusammengezuckt wäre. Irritiert löste sie sich von ihm.

„Au“, sagte er leise.

Sie brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass sie auf seinem Fuß stand.

Hastig trat sie einen Schritt zurück und merkte zu ihrem Entsetzen, wie sie rot wurde. Na, großartig. Sie war eine Verführerin, die Zehen brach statt Herzen.

„Tut mir leid“, sagte sie ein wenig atemlos. Fast hätte sie ihre eigene Stimme nicht wieder erkannt.

„Schon in Ordnung“, entgegnete er und schien genau wie sie außer Atem zu sein. „Du darfst mir jederzeit auf die Zehen treten.“

„Eigentlich hatte ich nicht vor, dir auf die Zehen zu treten.“

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Seine Mundwinkel zuckten amüsiert.

Tiffany errötete noch mehr, was sie jetzt ärgerlich machte. „Du bist selbst schuld, wenn du mit so einem Spruch herumläufst. Da kann doch jeder, der vorbeikommt, dich einfach küssen.“

Das wird ja immer schlimmer, dachte sie verzweifelt. Jetzt hatte sie sich auch noch von einer frechen Großstadtpflanze in eine prüde Matrone verwandelt, die meinte, sie müsse diesen Mann vor Attacken ihrer Geschlechtsgenossinnen warnen.

„So wie du“, stellte er ungerührt fest, während sein Blick sich jetzt auf ihre Lippen heftete.

„Genau. So wie ich.“ Tiffany schluckte. Weder ihre Vorwürfe noch der Tritt auf die Zehen schienen ihn abzuschrecken. „Ich hab dich eben beim Wort genommen und nicht vorher erst gefragt, ob du etwas dagegen hast, von einer fremden Frau geküsst zu werden.“

„Aber ich lass mich sehr gern von fremden Frauen küssen. Die Frage ist, ob du etwas dagegen hast, von fremden Männern geküsst zu werden.“

„Ich schätze, das käme ganz auf den Mann an“, hörte sie sich sagen. Hoffentlich merkte er nicht, wie sie vor Aufregung bereits zitterte.

„Ich weiß, wo du so ein T-Shirt bekommen kannst.“ Er stellte sich wieder dicht vor sie hin. „Dann könntest du dein eigenes Experiment starten.“

Sie befeuchtete sich die plötzlich trockenen Lippen und nahm all ihren Mut zusammen, als sie sagte: „Ich habe eine bessere Idee. Tu einfach so, als würde ich schon so eins tragen.“

Seine Augen funkelten vor Vergnügen, während die Luft um sie herum plötzlich vor Spannung zu knistern schien.

Im nächsten Moment umfasste er ihren Kopf und drückte seine Lippen auf ihre.

Da sie sich schon einmal geküsst hatten, zögerte sie nicht, den Mund zu öffnen, und statt sich vorzutasten, begann er sofort ein hemmungsloses, erotisches Spiel mit der Zunge.

Tiffanys Knie wurden jetzt so weich, dass sie sich Halt suchend an ihn klammern musste.

Kein Mann hatte bisher nur mit einem Kuss solche Empfindungen in ihr geweckt.

Ihr Herz raste. Ihr ganzer Körper schien in Aufruhr. Über das Rauschen des Blutes in ihren Ohren hörte sie plötzlich Musik. Wieso kam es ihr so vor, die Melodie zu kennen?

Nur ungern unterbrach sie den Kuss, lehnte sich in seinen Armen zurück und sah sich nach dem Musikanten um. „Bitte sag mir, dass dein Kollege nicht ‚Hold Me, Thrill Me, Kiss Me‘ spielt.“

„Doch, das ist der Song.“

Überrascht sah sie ihn an. Seine Augen waren verhangen, seine Haut leicht gerötet. Anscheinend hatte der Kuss ihn ebenso erregt wie sie. Wieder sah sie sich um. Als er Saxofon spielte, waren kaum mehr als ein halbes Dutzend Menschen zusammengekommen. Jetzt hatten sich mindestens doppelt so viele versammelt. Ein paar der Zuschauer klatschten begeistert.

„Der Applaus gilt uns, nicht wahr?“, fragte sie flüsternd.

„Ja, sie halten uns wahrscheinlich für Straßenschauspieler“, sagte er dicht an ihrem Ohr, und sein warmer Atem strich ihr über die Wange, „die den Text des Liedes untermalen.“

„Kannst du ihm nicht dein Saxofon abnehmen, damit er endlich damit aufhört?“

„Das könnte ich, wenn es meins wäre.“

Das Instrument gehörte ihm gar nicht? Tiffany würde später darüber nachdenken. In diesem Augenblick hatte sie ein dringenderes Problem. „Und was sollen wir jetzt tun?“

Er lachte leise, und sie fühlte, wie seine Brust vibrierte. „Bist du gelenkig?“

„Ich denke schon.“

Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, zog er sie in einer dramatischen Bewegung über seinen Arm nach hinten. Sie bog den Rücken durch, ihr Haar berührte den Boden, die Welt stand plötzlich Kopf.

Dann zog er sie wieder hoch. „Und jetzt wink dem Publikum zu“, raunte er ihr ins Ohr. „Wirf ihnen sicherheitshalber auch noch ein paar Kusshände zu.“

Tiffany winkte, warf Kusshände und benahm sich wie eine Eiskunstläuferin nach einer glanzvollen Kür, während er sich mit einem galanten Kratzfuß tief verbeugte.

Sie musste unwillkürlich lachen, und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass er der Mann war, nach dem sie suchte: ein amüsanter, unkomplizierter Typ für ein aufregendes Wochenende. Los, sag’s ihm, dachte sie. Sag ihm, dass du an einer Affäre interessiert bist.

Er legte ihr eine Hand in den Rücken und führte sie von den Zuschauern fort, die jetzt dem nächsten Song des Saxofonisten lauschten. „Und was machen wir jetzt?“, fragte er.

Das war die perfekte Gelegenheit. Tiffany holte tief Luft, ehe sie erklärte: „Ich bin auf der Suche nach ein wenig Spaß. Machst du mit?“

3. KAPITEL

Frank traute seinen Ohren nicht. Er hatte immer geglaubt, dass schöne Frauen fremden Männern nur in schlüpfrigen Annoncen eindeutige Angebote machten, und jeder wusste, worauf diese Frauen aus waren.

Aber dieses eindeutige Angebot stammte ohne jeden Zweifel von einer ebenso schönen wie seriösen Frau.

Sie war groß wie ein Fotomodell, hatte langes dunkelbraunes Haar und eine schlanke und doch sehr weibliche Figur. Ihre schmale Nase und das ausgeprägte Kinn verliehen ihrem schönen Gesicht besonderen Charakter, sonst wäre sie womöglich auch zu makellos gewesen. Ihre Wimpern waren lang, ihre vollen roten Lippen sinnlich und einladend. Und sie sah gar nicht aus, als ob sie scherzte. Ihre braunen Augen blickten ernst und … brav. Das passte eigentlich gar nicht zusammen. Frank hatte noch nie von einer braven Sirene gehört. Oder von einer Sirene, die errötete wie ein Schulmädchen.

„Ach, du liebe Zeit.“ Tiffany schlug sich die Hand vor den Mund. „Wie dumm von mir, dass ich nicht gleich darauf gekommen bin.“

„Worauf?“

„Du bist verheiratet, nicht wahr?“

„Ich bin nicht verheiratet.“

„Dann verlobt.“

„Nein.“

„Liiert?“

Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt mehr als einmal mit einer Frau ausgegangen war. Wahrscheinlich kurz nach dem Studium, als seine damalige Freundin nicht verstehen konnte, warum er lieber Überstunden machte, als Zeit mit ihr zu verbringen. Seitdem hatte er nur noch unverbindliche Bekanntschaften gehabt, weil er sich von keiner Frau vorwerfen lassen wollte, er vernachlässige sie.

„Nicht im Entferntesten“, antwortete er.

Sie riss die Augen auf. „Dann bist du schwul, oder?“

Er lachte leise. Sie war köstlich. Ein wirklich außergewöhnliches Wesen – eine brave, errötende Sirene. „Meinst du wirklich, ich hätte dich so geküsst, wenn ich schwul wäre?“

Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe, und sein Blick heftete sich unwillkürlich auf ihren Mund. Er konnte gar nicht glauben, dass er sie erst vor wenigen Augenblicken geküsst hatte. Nur die Tatsache, dass sein Puls raste wie nach einem Marathonlauf, bewies, dass es nicht träumte.

„Warum gibst du mir dann keine Antwort auf meine Frage?“

Ob er mit ihr zusammen Spaß haben wollte? Er schluckte. „Natürlich mache ich mit.“

Sie lächelte. „Ich wusste gleich, dass du ein lockerer Typ bist.“

Ein lockerer Typ? Er, der Rechtsanwalt Franklin McMann, der hart an seiner Karriere in Atlanta gearbeitet hatte, bevor er in die seriöse, ehrwürdige Kanzlei „Whitaker, Baker & Taft“ in Washington, eingetreten war? Weder seine Kollegen noch seine Klienten hätten ihn als lockeren Typen bezeichnet. Aber er musste wohl versuchen, sich mit den Augen der Fremden zu betrachten.

Sie hatte ihn gesehen, wie er in seinem lächerlichen T-Shirt an einer Straßenecke auf einem geliehenen Saxofon spielte. Er hatte sie nicht nur in aller Öffentlichkeit geküsst, sondern auch noch den Applaus des Publikums dafür entgegengenommen. Kein Wunder, dass sie glaubte, er wäre ein völlig ausgeflippter Typ.

„Weißt du, dieses T-Shirt …“, begann er.

„Oh, ich finde das okay“, unterbrach sie ihn. „Ich bin ja so froh, dass du keiner von diesen entsetzlichen Krawattenköpfen bist.“

„Was ist das denn?“, fragte er, obwohl er sich denken konnte, dass es sicher nichts Gutes war.

„Ein Mann, der so viel Zeit mit Arbeiten verbringt, dass er aufgehört hat, außerhalb eines Anzugs zu existieren.“

Sicher hätte sie ihn ebenfalls als einen Krawattenkopf bezeichnet, wenn sie ihm begegnet wäre, bevor der Bus ihn mit Dreck bespritzt hatte.

„Ich habe diese Anzugträger so satt“, fuhr sie fort und verdrehte dabei ihre hübschen Augen. „Die wissen einfach nicht, wie man Spaß hat.“

„Ich weiß, wie man Spaß hat“, versicherte er ihr und hoffte, dass ihn für diese unverfrorene Lüge nicht augenblicklich der Blitz traf.

„Natürlich weißt du das. Dafür sind Straßenmusiker schließlich bekannt.“

Straßenmusiker? Das ging zu weit. Er hatte die Wahrheit ohnehin schon überstrapaziert. „Ich bin kein Musiker, sondern …“

Sie legte ihm schnell einen Finger auf den Mund. „Pst! Verrat es mir nicht. Mit gefällt es, wenn unsere Beziehung etwas Geheimnisvolles hat.“

„Unsere Beziehung?“, fragte er verblüfft.

„Beziehung ist wahrscheinlich nicht der richtige Ausdruck. Ich bin schließlich nur zu Besuch in der Stadt.“ Angestrengt suchte sie nach einem passenderen Wort. Frank bemerkte, dass sie nach Erdbeeren duftete. Er hatte eine Schwäche für Erdbeeren. „Aber gegen ein bisschen Spaß hätte ich nichts einzuwenden“, fügte sie nach einer Weile hinzu, da ihr nicht Besseres einfiel.

Na, wenn das kein eindeutiges Angebot war. Sein Herz raste bei der Vorstellung, dass er darauf eingehen könnte.

„Wo wollen wir denn hingehen?“, fragte sie unternehmungslustig und warf sich mit einem Schwung das lange Haar zurück.

Ja, wo sollten sie hingehen? Er war ein Mann ohne Hotelzimmer. Doch er war auch ein Gentleman. Niemals würde er ihr vorschlagen, zu ihr nach Hause zu gehen. Das wäre ihm viel zu plump.

„Ich halte nichts davon, mich in einer Kneipe zu betrinken“, erklärte sie, während er noch überlegte. „Aber ganz Savannah feiert, da könnte es schwierig sein, ein Lokal zu finden, wo nicht so viel Trubel herrscht.“

Er sah sie irritiert an. Trotz des leidenschaftlichen Kusses und ihres verlockenden Angebotes, ein wenig Spaß zu haben, lud sie ihn nicht gerade ein, mit ihr an einen Ort zu gehen, wo sie hemmungslosen Sex miteinander haben konnten.

„Ich möchte heute mal etwas ganz Verrücktes tun“, fügte sie hinzu. „Etwas, was ich noch nie getan habe.“

Ihre Augen funkelten vor gespannter Erwartung. So als ob ausgerechnet er etwas Passendes wüsste. Warum auch nicht? Schließlich hatte er sich selbst als wilden Typen ausgegeben.

„Hm, ich hätte da eine Idee“, sagte er gedehnt, um noch etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.

„Und?“, fragte sie ungeduldig.

Noch während er nach einem Vorschlag suchte, kam ein rotes Cabrio auf der anderen Straßenseite angefahren und hielt an. Vier junge Leute stiegen aus. Lachend und scherzend gingen sie auf ein hell erleuchtetes Haus zu, aus dessen geöffneten Fenstern laute Musik nach draußen drang.

„Komm, wir schmuggeln uns das einfach mit rein.“ Frank stockte. Hatte er das wirklich gesagt? Etwas vorgeschlagen, was er selbst noch nie getan hatte, nicht einmal während seiner Collegezeit?

Tiffany klatschte begeistert in die Hände. „Das ist eine fantastische Idee. Ich bin noch nie bei einer Party gewesen, zu der man mich nicht eingeladen hat.“

„Glaub mir, es macht riesigen Spaß“, hörte er sich jetzt sagen.

Uneingeladen auf einer Party von wildfremden Leuten zu erscheinen war immer noch besser als die Alternative. Nämlich diese wundervolle Frau gehen zu lassen.

„Ich hole nur schnell meine Sachen“, sagte er und griff nach seiner Tasche.

Der Koffer, den die Fluggesellschaft verbummelt hatte, war von Luis Vuitton gewesen, aber seine Reisetasche war so alt und abgenutzt, dass sie geradezu schäbig aussah. Als er merkte, wie Tiffany sie interessiert betrachtete, wollte er ihr erklären, dass er sich die Tasche von seinem ersten selbst verdienten Geld gekauft habe und sie immer noch benutze, weil sie ihn an den Wert harter, ehrlicher Arbeit erinnere.

Doch ehe er dazu kam, meinte sie vergnügt: „Eine tolle Tasche hast du da.“ Anscheinend gefiel es ihr, dass der lockere Kerl, den sie auf der Straße aufgelesen hatte, mit Gepäck herumlief, das einem Landstreicher alle Ehre machte.

„Danke“, sagte er deshalb nur, und da sie ihm zunehmend sympathischer wurde, fragte er: „Sollten wir uns nicht miteinander bekannt machen, wenn wir uns schon auf ein gemeinsames Abenteuer einlassen?“

Sie lächelte. „Mein Name ist Tiffany.“

Ein hübscher Name, der ihn an kostbare Juwelen erinnerte.

„Und wie heißt du?“, wollte sie wissen.

„Frank.“

„Na gut, Frank“, sagte sie lachend. „Dann stürzen wir uns ins Vergnügen.“

Tiffany fühlte, wie ihr Gesicht glühte, während sie über die Straße zu dem herrschaftlichen zweigeschossigen Haus gingen, in dem die Party stattfand. Sie konnte nicht glauben, was sie da gerade gesagt hatte. Eigentlich hatte sie gemeint, dass sie einen vergnüglichen Abend mit Frank verbringen wollte. Aber es hatte sich so angehört, als wollte sie ihn ins nächste Bett zerren und über ihn herfallen.

Nicht, dass der Gedanke nicht verlockend gewesen wäre.

Frank war wirklich ungemein attraktiv, sogar in diesem komischen Aufzug. Tiffany konnte sich nicht vorstellen, dass irgendeiner ihrer Bekannten in Washington jemals so etwas tragen würde.

Aber er war ganz anders als die Männer, die sie kannte. Und das nicht nur, weil er so unkonventionell war. Er unterschied sich angenehm von all den selbstherrlichen Politikern und Anwälten, mit denen sie tagtäglich zu tun hatte, indem er nicht auf seinen Vorteil aus war. Sonst hätte er ihr sicher etwas ganz anderes vorgeschlagen, als sich bei dieser Party einzuschmuggeln – irgendetwas Unanständiges.

Was sie eigentlich nicht hätte verwundern sollen, denn mit ihrem Kuss hatte sie sich ihm ja förmlich angeboten. Und als sie sagte, dass sie Spaß suche, hatte sie ihn geradezu angebettelt. Sie konnte von Glück reden, dass er sich nicht längst auf sie gestürzt hatte.

Sie musterte ihn verstohlen von der Seite, und ihr Herz schlug sofort schneller. Seine Nase war ein wenig schief, als ob sie einmal gebrochen gewesen war. Dadurch wirkte sein Profil sogar noch männlicher. Außerdem gefiel ihr sein ausgeprägtes Kinn.

Na gut. Wenn er sich doch noch auf sie stürzte, würde sie nicht protestieren.

„Bist du bereit?“, fragte er, und sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie begriff, was er damit meinte.

War sie bereit, mit ihm auf diese Party zu gehen, zu der sie nicht eingeladen waren? Sicher nicht.

„Na, komm schon“, sagte er, als er ihr Zögern bemerkte, nahm sie an die Hand und zog sie hinter sich her, als ob er so etwas andauernd machte.

Sein Griff war fest, aber angenehm, und sie dachte nicht daran, ihm zu widersprechen, bis sie bereits im Haus waren. Und dann war es zu spät.

Von der riesigen Eingangshalle führte eine geschwungene Treppe ins obere Stockwerk. Der dunkle Parkettboden war auf Hochglanz poliert, und von der Decke hing ein prachtvoller Kristallleuchter.

Überall waren Menschen. In der Halle, auf der Treppe, in den angrenzenden Räumen. Und keiner von ihnen schien älter als zwanzig zu sein.

„Wahrscheinlich sind Mommy und Daddy aus dem Haus und die Kinder haben sturmfreie Bude.“ Tiffany musste laut sprechen, damit Frank sie über den hämmernden Rhythmus der Rapmusik hinweg hören konnte.

„Hey, Mann.“ Ein Jugendlicher in einem grünen Trägerhemd und mit grün gesprühten Strähnen im Haar kam misstrauisch auf sie zu. „Was wollt ihr denn hier?“

Erwischt, dachte Tiffany. Jetzt haben sie uns erwischt. Sie drückte Frank die Hand, um ihm zu signalisieren, dass ihr Plan gescheitert sei.

„Hey, wie geht’s, Kumpel“, antwortete Frank vergnügt, ohne auf ihr Zeichen zu achten. „Danke für die Einladung.“

Der Junge runzelte die Stirn. Frank war vermutlich knapp dreißig und damit beinahe zehn Jahre älter als die übrigen Gäste. Es war offensichtlich, dass er nicht hierher gehörte.

Tiffanys Magen flatterte vor Nervosität.

„Ich habe dich eingeladen?“, vergewisserte sich der junge Mann.

„Wir wären schon früher gekommen, aber wir sind auf der River Street hängen geblieben.“ Frank schlug dem Gastgeber kumpelhaft auf die Schulter. „Du weißt ja, wie das so ist.“

„Ich … äh … ja, sicher, aber …“

„Das hier ist Tiffany“, sagte Frank und legte ihr einen Arm um die Taille.

Automatisch streckte sie die Hand aus. „Nett, dich kennenzulernen.“

Der junge Mann nahm zögernd ihre Hand. „Robert Thibodeau“, stellte er sich vor.

„Seine Freunde nennen ihn allerdings Rip“, erklärte Frank.

Der Junge sah ihn irritiert an. „So hat mich schon ewig niemand mehr genannt.“

„Na ja, wir kennen uns ja auch schon ewig“, erwiderte Frank.

Dem armen Rip war seine Verwirrung deutlich anzusehen, doch er tat sein Bestes, sie zu überspielen. „Wie war noch gleich dein Name?“, fragte er.

„Frank.“

„Ach ja, jetzt erinnere ich mich.“ Er lachte gezwungen. „Das Fass steht in der Küche. Hol dir und deiner Freundin doch etwas zu trinken, Frank.“

„Alles klar“, antwortete Frank. „Wir sehen uns dann später.“

„Das war sehr beeindruckend“, sagte Tiffany, als sie kurz darauf in der Küche grünes Bier in ihre Gläser füllten. „Woher hast du gewusst, dass sein Spitzname Rip ist?“

Frank zwinkerte ihr zu. „Telepathie.“

„Du kannst Gedanken lesen?“, fragte sie skeptisch.

„Nicht halb so gut, wie ich die Signatur auf der gerahmten Kinderzeichnung lesen kann, die in der Eingangshalle hängt“, erklärte er. „Der gute Rip hat sie bestimmt gemalt, als er noch sehr klein war.“

„So funktioniert das also.“ Tiffany lachte. „Man muss einfach nur dreist sein.“

„Wenn man sich anmerken lässt, dass man nervös ist, dann hat man schon verloren“, sagte er. Im gleichen Augenblick kam ein junges Mädchen in knappen grünen Hotpants in die Küche getänzelt. Ihr folgten noch fünf oder sechs andere Teenager.

„Wollen wir?“, fragte Frank und stellte sein Glas auf dem Küchentisch ab.

„Ich kann in diesen Schuhen nicht tanzen.“ Tiffany deutete auf ihre eleganten, hochhakigen Sandaletten, die schon den ganzen Abend immer unbequemer geworden waren.

„Dann zieh sie aus.“

Das konnte sie doch nicht tun. In ihren Kreisen schickte sich das nicht.

Aber genau darum ging es schließlich. Tiffany bezwang ihre Hemmungen, öffnete die Riemchen und kickte die Sandaletten in eine Ecke. Frank nahm sie bei der Hand und führte sie auf die Tanzfläche im Wohnzimmer.

In dem Raum waren so viele ausgelassene Partygäste, dass man sich kaum bewegen konnte, und bebte förmlich vom hämmernden Rhythmus der schnellen Rapmusik.

„Wie sollen wir denn darauf tanzen?“, fragte Tiffany skeptisch.

Frank schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln und zog sie an sich.

„Ganz wie wir wollen“, antwortete er, und sein warmer Atem jagte ihr wohlige Schauer über den Rücken.

Sie wollte ihm gerade sagen, dass niemand langsam zu Rap tanzte, da wirbelte er sie in einer gewagten Drehung herum.

„Hey, cool!“, rief das Mädchen mit den Hotpants. Sie winkte ihre Freunde aus der Küche herbei, die einen Kreis um Frank und Tiffany schlossen.

Zum zweiten Mal an diesem Abend fand sich Tiffany ungewollt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wieder.

„Und was jetzt?“, fragte sie und versuchte, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen.

„Jetzt tanzen wir“, antwortete Frank und wirbelte sie noch einmal herum.

Ihr wurde schwindelig, aber nicht vom Drehen, sondern von der Erkenntnis, dass sie, Tiffany Albright, Heldin der Milchviehbauern, mit einem aufregenden Mann barfuß im Wohnzimmer wildfremder Leute tanzte.

„Frank! Tiff!“

Die Stimme, die die Musik übertönte, gehörte zu Rip, dessen uneingeladene Gäste sie waren. Er stand auf dem Esstisch und riss begeistert die Arme in die Höhe.

„Echt coole Show!“

Ich bin eine wilde, verwegene Frau.

Das sagte sich Tiffany immer wieder, während sie mit Frank durch die Nacht spazierte. Savannah war endlich zur Ruhe gekommen, und außer ihnen beiden schienen nur noch ein paar Nachtvögel unterwegs zu sein, deren vereinzelte Rufe hin und wieder die Stille im Park zerrissen.

„Ich habe noch nie einen so guten Tanzpartner gehabt wie dich“, bemerkte sie.

„Dann solltest du mal mit meinem Bruder tanzen. Gegen den ist Michael Jackson ein Waisenknabe.“

„Ist er professioneller Tänzer?“

„Knapp daneben“, antwortete Frank, und seine weißen Zähne blitzten in der Dunkelheit auf. Er hatte sich seine Reisetasche über die Schulter gehängt, und auf dem Kopf trug er eine grüne Baskenmütze. Ihr Gastgeber hatte darauf bestanden, sie ihm zu schenken. „Er ist Arzt. Seine Leidenschaft fürs Tanzen ist ein wohl gehütetes Geheimnis.“

Er hatte einen Bruder, der Arzt war? Wer hätte das gedacht?

„Dein Bruder ist vermutlich nicht so ein lockerer Typ wie du, oder?“

Frank warf ihr einen Seitenblick zu. „Du hältst mich für einen lockeren Typen?“

„Als du getanzt hast, hat es zumindest so ausgesehen.“

Sein leises, tiefes Lachen jagte ihren Puls noch mehr in die Höhe.

„Was soll ich sagen? Wenn ich Musik höre, vergesse ich einfach alles um mich herum“, gestand er. „Aber dir scheint es ähnlich zu gehen.“

Tiffany hoffte nur, dass er in der Dunkelheit nicht sah, wie sie errötete. Sie konnte kaum glauben, wie hemmungslos sie auf dieser Party getanzt hatte. Außer ihren Sandaletten hatte sie später auch noch ihre Jacke ausgezogen.

Und was sie erst mit ihrem Haar angestellt hatte. Vorsichtig betastete sie ihre klebrigen Locken. Warum hatte sie sich von Frank und Rip nur dazu überreden lassen, ihr Haar grün anzusprühen?

„Was glaubst du, wie viel Uhr es ist?“, fragte sie.

Er zuckte mit den Schultern. „Zwei oder drei Uhr, nehme ich an.“

Sie versuchte so zu tun, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass sie mitten in der Nacht mit einem völlig fremden Mann durch Savannah lief. Vielleicht war es falsch gewesen, ihn zu unterbrechen, als er ihr von sich erzählen wollte. Aber irgendwie war sie es leid, über einen Mann immer schon alles zu wissen, bevor sie das von ihm kennenlernte, auf das es wirklich ankam. Dieses Mal wollte sie sich die Spannung erhalten.

„Sieh mal, Susie wohnt da vorn!“, rief sie und hoffte, dass er die Nervosität in ihrer Stimme nicht bemerkte. „Es ist das viktorianische Gebäude dort mit den weißen Fenstern.“

„Ist das die Freundin, die du vorhin angerufen hast, damit sie sich keine Sorgen macht?“

„Ja, genau.“ Sie war beeindruckt, dass er sich daran erinnerte. Für einen lockeren Typen hatte er ziemlich tadellose Manieren. Frank war höflich, hielt Türen für sie auf und machte ihr nette Komplimente. Er war ein richtiger Gentleman.

Verflixt. Ihr ganzer verrückter Plan wäre viel leichter in die Tat umzusetzen, wenn Frank kein Gentleman wäre.

„Wir sollten leiser sein, damit wir sie nicht aufwecken“, sagte Frank.

„Ich bin in dem Kutscherhaus hinten im Garten untergebracht“, erklärte Tiffany. „Susie wollte, dass ich ungestört bin, falls sie wegen des Festivals spät nach Hause kommt. Sie kann uns also nicht hören.“

Na, großartig, dachte sie. Noch deutlicher hätte sie wohl nur werden können, wenn sie ein Schild in die Höhe hielte, auf dem „Nimm mich!“ stand.

„Und wo übernachtest du?“, fragte sie betont beiläufig.

Er schaute jetzt so verdutzt drein, als ob er darüber noch gar nicht nachgedacht hätte. „Oh, vermutlich auf irgendeiner Parkbank.“

„Du hast kein Hotelzimmer?“

„Die Hotels waren alle ausgebucht.“

Sie sah ihn ungläubig an. Welcher Mann würde wohl ohne Hotelreservierung während des St. Patrick’s Day Festivals nach Savannah kommen?

Ein unkonventioneller Mann, gab sie sich selbst zur Antwort. Ein Vagabund und Lebenskünstler.

Und ein Mann, der dadurch sehr viel leichter zu verführen war.

Sie holte tief Luft. „Dann wirst du die Nacht wohl bei mir verbringen müssen.“

4. KAPITEL

War das jetzt ein eindeutiges Angebot? fragte sich Frank.

Irgendetwas an Tiffanys Verhalten machte es ihm schwer, sie einzuschätzen. Aber warum nahm er sie nicht einfach in die Arme und fand selbst heraus, was sie wirklich wollte?

Seine Zurückhaltung lag sicher nicht an mangelndem Interesse. Schon den ganzen Abend über war er sich jeder ihrer scheinbar unabsichtlichen Berührungen sehr bewusst gewesen. Du lieber Himmel, beim Tanzen war sie so wild gewesen, dass er sich hatte beherrschen müssen, um sie nicht in die nächste dunkle Ecke zu drängen.

Aber jetzt, wo er neben ihr über den schmalen Kiesweg ging, der zu dem kleinen Kutscherhaus führte, erschien sie ihm fast ein wenig scheu.

Er runzelte die Stirn. Eine brave, errötende, scheue Sirene?

„Du bleibst doch, oder?“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Ich kann nicht zulassen, dass du tatsächlich irgendwo auf einer Parkbank schläfst.“

Frank fragte sich, ob ihre Freundin wohl etwas dagegen hätte, wenn er hier übernachtete.

Zum Teufel! Lockere Typen machten sich keine Sorgen darüber, was andere Leute wohl denken mochten, wenn eine schöne Frau sie bat, die Nacht mit ihr zu verbringen. „Zeig mir das Schlafzimmer!“, antwortete er dermaßen laut und überschwänglich, dass in ihren Augen Skepsis aufblitzte. Ich darf es nicht übertreiben, ermahnte er sich sogleich. Wenn er nicht aufpasste, würde sie ihn noch hinauswerfen, bevor er überhaupt drinnen war.

„Ich wundere mich, dass du kein Hotelzimmer reserviert hast“, murmelte sie, während sie die Tür aufschloss.

„Das tue ich nie“, antwortete er wahrheitsgemäß, denn so etwas erledigte seine Sekretärin für ihn. Normalerweise buchte sie Flüge und Hotels über ein Reisebüro, das die Kanzlei seit Jahren betreute. Doch weil Jake Greeley darauf bestanden hatte, dass die Schwierigkeiten seiner Tochter diskret behandelt wurden, hatte Frank die Reise nach Savannah über eine andere Agentur buchen lassen. Wer hätte gedacht, dass deren Versagen ihm zum Vorteil gereichte?

Frank folgte Tiffany ins Haus und sah sich interessiert um. Das untere Stockwerk bestand aus einem einzigen großen Zimmer, das von einem riesigen offenen Kamin dominiert wurde und sich in einen Wohnbereich, eine Essecke und eine kleine Küche unterteilte. Eine Treppe führte ins Obergeschoss, wo sich vermutlich das Schlafzimmer und das Bad befanden. Er nahm seine Tasche von der Schulter und stellte sie neben dem Sofa ab.

„Ich hole mir ein Glas Wasser aus der Küche.“ Tiffanys Stimme klang ein wenig verunsichert. „Möchtest du auch irgendetwas trinken?“

Ihre Blicke trafen sich, und Frank fühlte, wie die Spannung, die schon den ganzen Abend zwischen ihnen geherrscht hatte, noch zunahm. Das Licht der Stehlampe war nicht hell genug, um alle Schatten zu vertreiben, und der schwache goldene Schein verlieh dem Raum eine intime Atmosphäre.

„Du bist wunderschön“, sagte er, ohne auf ihre Frage einzugehen.

Er machte einen Schritt auf sie zu, und sie erstarrte. Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Unterlippe. Der Gentleman in ihm ermahnte ihn, sich zurückzuhalten. Aber da er angeblich ein lockerer Typ war, wagte er sich noch einen Schritt vor. Als er dann direkt vor ihr stand, strich er ihr mit dem Finger sanft über die Wange. Sogar seine Fingerspitze kribbelte vor Erregung.

Gerade wollte er sich vorbeugen, um sie zu küssen, da drehte sie den Kopf zur Seite. „Faszinierend, nicht wahr?“ Ihre Stimme zitterte ein wenig.

Frank lehnte sich etwas zurück, um sie besser betrachten zu können. Mit ihrer hellen Haut, dem dunklen Haar und den ebenmäßigen Zügen war sie in der Tat faszinierend.

„Ja“, murmelte er, während er jetzt ihre weiblichen Rundungen in Augenschein nahm.

„Ich mag besonders den Pfeiferpfad.“

Er schaute irritiert hoch. „Wovon sprichst du?“

„Von dem überdachten Pfad, der das Haupthaus mit dem Kutscherhaus verbindet. Bis ins letzte Jahrhundert mussten die Dienstboten eine Melodie pfeifen, wenn sie Lebensmittel von einem Haus zum anderen brachten. So wollte man verhindern, dass sie heimlich etwas davon aßen.“

„Ich glaube, ich habe irgendwo den Faden verloren“, meinte er kopfschüttelnd. „Warum unterhalten wir uns über pfeifende Dienstboten?“

„Weil es die historischen Besonderheiten sind, die dieses Haus so auszeichnen.“ Ihr Blick streifte seine Lippen. „Du hast doch selbst gesagt, dass es du es faszinierend findest.“

Er hatte natürlich sie gemeint. Wie konnte sie das missverstehen?

„Es war wirklich ein Glücksfall, dass Susie dieses Haus mieten konnte“, erzählte sie schon weiter. „Aber über ihre Arbeit im Tourismusbüro hat sie eben gute Beziehungen.“

„Hat sie nichts dagegen, wenn ich hier übernachte?“

Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen, doch die Worte waren ihm bereits herausgeschlüpft. Noch vor wenigen Minuten hatte er sich ermahnt, dass der lockere Typ, den er vorgab zu sein, so etwas nicht fragen würde.

„Oh nein“, erwiderte Tiffany hastig. „Susie hat gesagt, ich kann mich hier ganz wie zu Hause fühlen. Sie hat sicher nichts dagegen, wenn du die Nacht hier verbringst. Sie hätte höchstens etwas dagegen, wenn du die Nacht mit mir …“

Sie verstummte, aber Frank wusste auch so was sie hatte sagen wollen.

„Du bist eine erwachsene Frau, Tiffany“, stellte er fest. „Dir hat niemand vorzuschreiben, wie du dich verhalten sollst.“

„Das weiß ich, und Susie weiß es auch.“ Sie seufzte. „Aber sie gehört nun einmal zu den Menschen, die sich um alles und jeden Sorgen machen. Dabei ist es bei mir ganz unnötig.“ Wieder blickte sie auf seine Lippen. „Schließlich weiß ich immer, was ich tue“, fügte sie mit plötzlich heiserer Stimme hinzu.

Frank glaubte ihr nicht. Wenn es so wäre, würde sie nicht so widersprüchliche Botschaften aussenden. In einem Augenblick war sie eine lockende Verführerin und im nächsten ein total verunsichertes Mädchen. Tiffany wusste ganz offensichtlich nicht, was sie tat. Oder was sie wollte.

Er hingegen wusste genau, was er wollte.

Er umfasste er ihr Gesicht und küsste sie sanft auf den Mund. Wie gern hätte er noch länger diese Lippen gekostet, doch er hütete sich, seine Selbstbeherrschung auf die Probe zu stellen.

„Pfeift Susie auch, wenn sie den Pfad entlangkommt?“, fragte er leise und strich mit den Daumen über ihre erhitzten Wangen.

Sie blinzelte irritiert, dann schüttelte sie den Kopf.

„Wenn das so ist, sollte ich wohl besser auf dem Sofa schlafen. Wir wollen doch deiner Freundin keinen Grund zur Sorge geben.“ Er konnte es selbst nicht fassen, was er da sagte.

Tiffany nickte und löste sich von ihm.

Später in dieser Nacht warf Frank sich unruhig auf dem alten, durchgesessenen Sofa von einer Seite auf die andere. Schließlich entschied er, die Hoffnung auf Schlaf aufzugeben und sich stattdessen mit den Akten zu dem Fall beschäftigen, der ihn überhaupt nach Savannah geführt hatte. Hätte er die Nacht in dem exklusiven Hotel an der River Street verbracht, hätte er auch nichts anderes getan.

Also setzte er sich auf und griff nach seiner Tasche. Doch seinen Gedanken wanderten sofort wieder zu der Frau, die eine Etage über ihm schlief.

Ob sie wohl nackt war? Wenn er sich nach oben schlich und zu ihr unter die Decke schlüpfte, würde sie dann das Angebot aufrechterhalten, das sie ihm mit ihrem leidenschaftlichen Kuss gegeben hatte?

Sein Körper brannte vor Erregung, doch dann fiel ihm ein, wie verunsichert sie später gewirkt hatte, und er beschloss, genau da zu bleiben, wo er war.

Aber wie sollte er sich auf seine Arbeit konzentrieren, wenn seine Gedanken ununterbrochen um Tiffany kreisten? Mit einem Seufzer stellte er die Tasche wieder ab. Er konnte seine beruflichen Verpflichtungen zwar nicht endlos aufschieben, aber da er alle Termine für heute bereits abgesagt hatte, würde er an diesem Wochenende ohnehin nicht viel weiterkommen.

Was schadete es, wenn er in den nächsten Tagen zur Abwechslung mal ein wenig an sein Vergnügen dachte?

Vergnügen? Frank ließ sich frustriert zurückfallen. Als er vorgeschlagen hatte, auf dem Sofa zu schlafen, hatte er sich sein Vergnügen gründlich verdorben.

Was für ein unglaublich lockerer Typ er doch war.

Tiffany tastete nach dem klingelnden Telefon, das auf dem Nachttisch neben ihrem Bett stand. Wer in aller Welt wagte es, um diese Uhrzeit schon anzurufen? Immerhin war es erst – sie öffnete ein Auge – neun Uhr früh.

„Hallo“, murmelte sie verschlafen. Sie hatte eine lange, ruhelose Nacht hinter sich und versuchte nicht einmal, ihre Müdigkeit zu verbergen.

„Oh, gut, du bist schon wach.“ Susies Stimme klang munter und ein wenig zu laut. „Hast du dich gestern Abend prima amüsiert?“

Tiffany setzte sich im Bett auf und strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht. „Ist das deine subtile Art, danach zu fragen, ob ich meinen Plan in die Tat umgesetzt habe?“

„Eigentlich nicht. Als ich noch einmal darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden, dass ich mir unnötig Sorgen mache.“ Susie lachte. „Als ob du wirklich einen Mann von der Straße auflesen würdest.“

„Bist du morgens immer so gut drauf?“

„Ja“, antwortete Susie vergnügt. „Aber heute wirst du wohl ohne meine gute Laune auskommen müssen. Darum rufe ich ja an. Ich habe leider den ganzen Tag im Büro zu tun, um die Parade vorzubereiten. Es kann spät werden.“

„Wenn du dir so sicher warst, dass ich keinen Mann hier habe, warum bist du dann nicht einfach rübergekommen, um mir das zu sagen.“

„Ich habe Kyle davon erzählt, wie du dich gestern Abend aufgeführt hast. Er meinte, ich sollte besser nicht einfach so bei dir hereinplatzen, weil ich sonst jemanden in Verlegenheit bringen könnte.“

„Dann solltest du dem Himmel für die Weisheit deines Freundes danken.“

„Wie meinst du das?“

„Ich meine, dass ich tatsächlich einen Mann hier habe.“

„Einen Mann? In deinem Bett?“, rief Susie ungläubig.

„Nun ja …“ Insgeheim ärgerte sie sich über sich selbst, dass sie es nicht über sich brachte, ein wenig zu schwindeln. „Also, genau genommen schläft er unten auf dem Sofa.“

Susies fröhliches Lachen trug nicht gerade dazu bei, Tiffanys Laune zu verbessern. „Ach, Süße, ich weiß gar nicht, wie ich auf die Idee kam, mir Sorgen um dich zu machen.“

„Was soll das nun wieder heißen?“

„Du kannst dir ja nicht einmal eine saftige Geschichte ausdenken.“

„Ich habe mir das nicht ausgedacht“, widersprach Tiffany empört.

„Wie du meinst“, sagte Susie einlenkend. „Aber wenn du gestern Abend wirklich einen Mann aufgelesen hast und er jetzt auf dem Sofa schläft, dann hast du eine ganz andere Vorstellung von Spaß als der Rest der Welt.“

Als Tiffany zwanzig Minuten später frisch geduscht und mit nassem, aber glücklicherweise nicht mehr grünem Haar auf Zehenspitzen die Treppe hinunterging, war sie immer noch verärgert.

Hatte Susie etwa angedeutet, dass sie nicht wisse, wie man sich amüsierte? Immerhin hatte sie Frank gestern Abend nicht nur leidenschaftlich geküsst, sondern sogar mit nach Hause genommen. Oder etwa nicht? Und heute Morgen würde sie mehr tun, als ihn nur küssen.

Am Fuße der Treppe blieb sie stehen, um den Mann zu betrachten, der auf dem Sofa schlief.

Was für ein atemberaubender Anblick.

Sonnenlicht fiel durch die halb geöffnete Jalousie auf sein Gesicht, das im Schlaf jetzt vollkommen entspannt wirkte. Die Bettdecke war total verdreht um seine Hüften gewickelt, was auf eine unruhige Nacht schließen ließ. Er lag auf dem Rücken, hatte einen Arm unter den Kopf gelegt, und sein Oberkörper war … Sie blinzelte und sah genauer hin. Tatsächlich, sein Oberkörper war nackt.

Frank besaß die schmale Taille und die breiten Schultern eines Athleten, und auch seine Arme waren so muskulös, dass er bestimmt Krafttraining betrieb. Seine Haut war glatt und makellos, und seine Brust sah aus wie aus Stein gemeißelt.

Er war so unglaublich attraktiv, dass es ihr in den Fingern zuckte, ihn zu berühren. Er sollte aufwachen und ihre erotischen Träume wahr werden lassen, die sie die ganze Nacht über wach gehalten hatten.

Ob er unter der Decke wohl auch nackt war? Wie würde er reagieren, wenn sie ihn jetzt küsste? Und warum war er letzte Nacht nicht weitergegangen, obwohl sie ihm doch angemerkt hatte, dass er mehr als bereit gewesen war?

Schließlich trat sie ans Sofa und beobachtete, wie sich seine Brust gleichmäßig hob und senkte. Frank war ohne Zweifel der aufregendste Mann, denn sie je gesehen hatte. Langsam beugte sie sich zu ihm hinab und streckte vorsichtig die Hand nach ihm aus, bis sie die Hitze seiner Haut spüren konnte.

„Hallo.“ Seine Stimme klang noch ganz heiser und schlaftrunken. Hastig zog Tiffany die Hand zurück und richtete sich auf.

„Guten Morgen“, antwortete sie betont heiter. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“

„Es ist okay“, sagte er.

„Da bin ich aber froh. Manche Leute hassen es, auf dem Sofa zu schlafen, weil man sich nicht richtig ausstrecken kann, oder weil man immer fürchten muss, herunterzufallen.“

Er lächelte. „Ich meinte, es ist okay, wenn du mich berührst.“

Ihr stockte der Atem. „Wie kommst du darauf, dass ich dich berühren wollte?“

„Du meinst, abgesehen davon, dass du die Hand nach mir ausgestreckt hast?“

Tiffany schluckte. „Das hast du gesehen?“

Er nickte und griff nach ihrer Hand. Mit dem Daumen strich er ihr über die Handfläche, und Tiffanys Mund wurde trocken.

„Ich muss dir etwas gestehen.“ Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. „Ich möchte dich auch berühren.“

Ihre Knie wurden weich, und gerade als sie glaubte, er würde sie jetzt zu sich herabziehen, ließ er sie los.

„Was ist?“, fragte sie irritiert.

Er richtete sich halb auf und stützte sich auf einen Ellbogen. Die ausgeprägten Muskeln seines Oberarms traten deutlich hervor. „Du fühlst dich unbehaglich.“

Seine Erklärung verblüffte sie. „Darf ich dich noch etwas fragen?“ Sie setzte sich auf die Sofakante.

„Alles, was du willst.“

Sie holte tief Luft. „Warum wolltest du heute Nacht nicht mit mir schlafen?“

„Aus demselben Grund. Du warst dir nicht sicher, ob du es tun sollte.“

„Oh.“ Er hatte recht. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie mit ihm ins Bett gehen sollte. Die Erkenntnis, dass sie einen wildfremden Mann mit nach Hause genommen hatte, kam unerwartet und hatte sie getroffen wie ein Schlag. Wenn er trotzdem versucht hätte, mit ihr zu schlafen, hätte sie ihn vermutlich abgewiesen und ihn vielleicht sogar fortgeschickt.

Doch er hatte sie nicht bedrängt, und das hatte alles verändert. Aus einem plötzlichen Impuls heraus strich sie mit den Fingern über sein Kinn, auf dem bereits der Bart spross. Er sah zur ihr auf, und in seinen Augen konnte sie die unausgesprochene Frage lesen.

„Jetzt bin ich mir aber sicher“, sagte sie leise und beugte sich zu ihm hinab, um ihn zu küssen.

Sie wusste bereits, wie er küsste, doch an diesem Morgen verhielt er sich noch sanfter, noch zärtlicher, geradezu passiv. Er überließ ihr die Führung, und so begnügte sie sich damit, mit der Zunge über seine Unterlippe zu streichen, dann über seine Oberlippe. Er stöhnte leise, doch er versuchte immer noch nicht, sie an sich zu ziehen und ihren Kuss zu erwidern.

Überrascht von seiner Selbstbeherrschung, hob sie den Kopf. „Du überlässt mir also die Entscheidung?“, fragte sie flüsternd.

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte. „So ist es.“

„Unglaublich“, sagte sie und meinte damit einfach alles. Seinen Körper, ihre eigene Reaktion auf ihn und sogar die Umstände, unter denen sie sich begegnet waren.

Aber das Unglaublichste war, dass kein anderer Mann ihr jemals die Entscheidung überlassen hatte. Alle waren sie davon ausgegangen, dass sie genommen werden wollte. Alle waren sie so von sich überzeugt gewesen, dass sie es nicht verstanden, warum sie zurückgewiesen wurden.

Dass nach all den Männern nun ausgerechnet Frank es verstand, wonach sie sich insgeheim sehnte, kam einem Wunder gleich.

Sie fuhr mit der Hand über seine Brust, und die Kombination aus steinharten Muskeln und glatter, warmer Haut ließ ihr Herz schneller schlagen.

„Du hattest vorhin recht, ich wollte dich berühren“, gestand sie ihm, beugte sich wieder zu ihm hinab und strich mit der Zunge über eine seiner Brustwarzen, dann über die andere. Sie wusste nicht, was sie mehr erregte. Zu spüren, wie seine Warzen sich verhärteten, oder zu hören, wie er scharf die Luft einzog.

„Tiffany“, stöhnte er. „Du bringst mich um.“

„Um Himmels willen, bloß nicht“, neckte sie ihn und streckte sich neben ihm aus. „Ich brauche dich nämlich sehr lebendig.“

Frank lachte leise. „Ich habe mich in meinem ganzen Leben nie lebendiger gefühlt.“

Daraufhin küsste sie ihn leidenschaftlich. Sie wollte seine Lippen kosten, jeden Millimeter seines Mundes erobern, seine Zunge spüren.

Schwer atmend löste er sich von ihr. „Ich hoffe nur, dass ich die Signale richtig deute und dass sie alle auf Grün stehen“, keuchte er. „Denn ich kann mich bald nicht länger zurückhalten.“

Sie fuhr mit der Hand von der Brust zu seinem Bauch und tiefer bis unter die Decke. Jetzt bekam sie die Antwort auf ihre Frage, ob er nackt schlief. Das tat er nicht. Er trug seine Jogginghose. Doch das hinderte sie nicht daran, sich davon zu überzeugen, ob er die Wahrheit sagte. „Dann halt dich nicht zurück“, sagte sie mit einem zufriedenen Seufzer.

Das war die Aufforderung, auf die er gewartet hatte. Plötzlich schienen seine Hände überall zu sein. Er griff ihr ins Haar, streichelte ihren Rücken, knetete ihre Schenkel, umfasste ihren Po.

Tiffany drängte sich an ihn und rieb auffordernd ihre Hüften an seinen. Keiner von ihnen sagte mehr etwas. Die einzigen Geräusche im Raum waren das Ticken einer Uhr, das Summen des Kühlschranks und ihre leisen, lustvollen Seufzer.

Doch für Tiffanys Geschmack hatten sie noch viel zu viel an. Sie verwünschte Franks Jogginghose und seine Boxershorts, ebenso ihr bauchfreies Top und ihre Caprihose. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, sich heute Morgen wie eine Touristin auf Stadtrundfahrt anzuziehen, wenn sie doch vorgehabt hatte, Frank zu verführen?

Hatte sie insgeheim vielleicht doch daran gezweifelt, dass sie sich trauen würde, ihren Plan in die Tat umzusetzen?

Plötzlich musste sie lachen.

„Was ist so lustig?“ Frank lehnte sich etwas zurück, um sie anzusehen.

„Ich“, sagte die kichernd. „Für eine Verführerin bin ich nicht gerade passend gekleidet. Was meinst du?“

„Ich weiß nicht“, erwiderte er, schob eine Hand zwischen ihre Körper und glitt von ihrem nackten Bauch nach oben, bis er eine ihrer vollen Brüste berührte. „Das Top hat auf jeden Fall ein paar Vorteile.“ Er runzelte die Stirn. „Auf den BH hättest du allerdings verzichten können.“

Tiffany hielt den Atem an. Plötzlich war sie so erregt, dass es ihr schwerfiel zu sprechen. „Der Verschluss ist vorne.“

Nach wenigen Sekunden hatte er den BH geöffnet und streichelte ihre nackten Brüste. Sachte umfasste er erst die eine, dann die andere und umkreiste mit dem Daumen die Brustspitzen, die augenblicklich hart wurden.

Ungeduldig löste Tiffany sich von ihm und setzte sich auf. Mit einer einzigen Bewegung zog sie sich das Top mitsamt dem BH über den Kopf und warf beides auf den Boden. Frank warf die Bettdecke gleich hinterher. Dann schenkte er ihr ein Lächeln, das zeigte, dass er für alles bereit sei.

Augenblicklich fühlte sie Panik in sich aufsteigen, doch die verschwand in dem Moment, wo er sie wieder herunterzog und sich über sie beugte.

„Du bist so schön“, flüsterte er, bevor er die Lippen auf die Mulde zwischen ihren Brüsten senkte.

Sie schloss die Augen und genoss die unerhörten, wundervollen Dinge, die sein Mund mit ihr anstellte. Sie wollte mehr. Sie wollte ihn.

„Ich denke …“, sagte sie und unterbrach sich, als er eine Knospe in den Mund nahm und daran zu saugen begann. Beinahe hätte sie vor Lust laut aufgeschrien.

Er hob den Kopf und sah sie fragend an. „Was denkst du?“

„Ich denke …“, setzte sie erneut an, doch inzwischen hatte sie vergessen, was sie sagen wollte. Als er sich ungeduldig an sie drängte, fiel es ihr wieder ein. „Ich denke, wir sollten unsere Sachen endlich loswerden.“

„Ausgezeichneter Vorschlag.“ Er hob seine Hüften an und schlüpfte so schnell aus seiner Jogginghose und seinen Boxershorts, dass Tiffany lachen musste.

„Jetzt bist du dran“, sagte er. Doch ihre Hände zitterten so sehr, dass er ihr helfen musste. Er machte mit ihrer restlichen Kleidung ebenso kurzen Prozess wie mit seiner, und dann waren sie beide nackt. Endlich. Ihre Lippen trafen sich, und ihre Körper schmiegten sich so harmonisch aneinander, als wären sie füreinander geschaffen.

Frank strich mit einer Hand an ihr hinab. Überall dort, wo er sie berührte, begann ihre Haut zu brennen. Schließlich hatte er ihre intimste Stelle erreicht.

In dem Moment, wo er mit der Zunge in ihren Mund vordrang, glitt er mit einem Finger in sie hinein. Tiffany erstarrte kurz, doch als er ihren empfindsamsten Punkt berührte, entspannte sie sich und gab sich ganz seinen geschickten Liebkosungen hin.

„Jetzt, Frank“, keuchte sie, als er sich kurz von ihren Lippen löste und den Kopf hob.

Sie sah, wie sich sein Blick verdunkelte und der Puls an seinem Hals heftig schlug, während sie sich selbst darauf vorbereitete, die sinnlichste Erfahrung ihres Lebens zu machen.

Doch plötzlich zog er sich von ihr zurück. „Es geht nicht.“

„Das ist nicht das, was ich jetzt hören will“, stellte sie eher verblüfft als verletzt fest.

„Glaub mir, es gibt nichts, was ich lieber täte“, erwiderte er, und die Verzweiflung auf seinem Gesicht sagte ihr, dass er die Wahrheit sprach. „Aber ich habe keine Kondome bei mir.“ Ein Hoffnungsschimmer blitzte in seinen Augen auf. „Hast du vielleicht welche da?“

Das sollte sie eigentlich, wenn man bedachte, dass diese ganze Verführungsgeschichte ihre Idee gewesen war. Als sie auf den glorreichen Gedanken gekommen war, einen lockeren Typen aufzulesen, hätte sie sofort an Verhütung denken müssen. Aber das hatte sie nicht.

Sie war wirklich eine tolle Femme fatale.

„Nein“, gestand sie kleinlaut und sah, wie die Hoffnung aus seinem Blick schwand. Tiffany schluckte. Sie war immer noch so erregt, dass die Hitze ihrer Leidenschaft einen ganzen Wald in Brand hätte setzen können. „Heißt das, dass wir aufhören müssen?“

Ihre Frage klang sogar in ihren eigenen Ohren jämmerlich. Wie die eines Kindes, dem man den Nachtisch oder, besser gesagt, den Hauptgang unter der Nase weggeschnappt hatte.

„Oh nein, Darling.“ Frank begann, das aufregende Spiel mit seinem Finger fortzusetzen. „Ich bringe immer zu Ende, was ich angefangen habe.“

„Aber was ist mit dir?“, fragte sie, doch dann führte er sie in Sphären der Sinnlichkeit, in denen jede weitere Unterhaltung unmöglich war.

„Holen wir nach. Ich lauf dir bestimmt nicht davon“, hörte sie ihn wie von weit hersagen.

Im nächsten Augenblick erfüllten ihre Lustschreie den Raum.

5. KAPITEL

Was, um alles in der Welt, tat sie da?

Oberflächlich betrachtet, ist die Antwort leicht, dachte Tiffany mit einem Blick auf Frank.

Sie bummelte durch die malerische Altstadt von Savannah an der Seite eines Mannes, der sogar in diesem albernen T-Shirt und den viel zu weiten Shorts, die irgendein früherer Gast im Kutscherhaus vergessen hatte, absolut umwerfend aussah.

Doch die Tatsache, dass es sich bei diesem gut aussehenden Mann, der vielleicht bald ihr Liebhaber sein würde, um einen Fremden handelte, ließ hin und wieder ein Gefühl der Panik in ihr aufkommen.

„Du bist so schweigsam“, stellte er fest.

Oh Himmel, schon allein seine tiefe, warme Stimme brachte ihr Innerstes in Aufruhr.

Autor

Darlene Gardner
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Dawn Atkins
Obwohl es immer Dawn Atkins’ größter Traum war, Autorin zu werden, war sie nicht sicher, ob sie wirklich den Funken Genialität besaß, den es dazu braucht. So wurde sie zunächst Grundschullehrerin und fing dann allmählich an, für Zeitungen und Zeitschriften Artikel zu verfassen. Schließlich gab sie ihre Arbeit an der...
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Kathleen Oreilly
<p>Kathleen schrieb ihren ersten Liebesroman im Alter von 11, welcher, zu ihrem ungebrochenen Erstaunen, laut in ihrer Klasse in der Schule vorgelesen wurde. Nach 20 Jahren ist sie jetzt stolz Karriere als Romanautorin gemacht zu haben. Kathleen lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern in Texas.</p>
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