Tiffany Exklusiv Band 34

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FRISCH VERHEIRATET - BITTE NICHT STÖREN! von RIDGWAY, CHRISTIE
Als seine Hochzeit platzt, steckt Riley Smith in der Klemme: Er muss der Presse eine Braut präsentieren! Kommt die unscheinbare Eden für den Job infrage? Eigentlich ist sie nicht Rileys Typ! Und dennoch erregt ihn der Gedanke, die Honeymoon-Suite mit ihr zu teilen …

DU IN DEINEM SCHÖNSTEN KLEID von LOGAN, LEANDRA
Hochzeitsplanerin Ellen ist verwirrt! Weshalb ist Harry Masters bei seiner Trauung geflüchtet? Und warum ist sie insgeheim sogar erleichtert, dass er ihre Freundin vor dem Altar stehen ließ? Liegt es daran, dass Ellen sich unwiderstehlich zu Harry hingezogen fühlt?

DIE NÄCHSTE BRAUT BIST DU von MACALUSO, PAMELA
Zehn Jahre nachdem Callie ihn ohne ein Wort verlassen hat, trifft Rorke O’Neil sie auf einer Hochzeit wieder. Er erkennt: Callies erotische Wirkung auf ihn ist ungebrochen! Sofort setzt er alles daran, sie zu verführen. Doch dabei schwört er sich: Noch mal bricht sie mir nicht das Herz!


  • Erscheinungstag 14.04.2015
  • Bandnummer 0034
  • ISBN / Artikelnummer 9783733750183
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Christie Ridgway, Leandra Logan, Pamela Macaluso

TIFFANY EXKLUSIV BAND 34

CHRISTIE RIDGWAY

Frisch verheiratet – bitte nicht stören!

„Passen Sie doch auf!“ In letzter Sekunde tritt Eden auf die Bremse und blickt in die Augen des attraktivsten Bräutigams, den sie je gesehen hat: Hotelier Riley Smith. Sofort beginnt ihr Herz zu rasen – umso mehr, als Riley sie bittet, für die Presse seine Ehefrau zu spielen. Eden zögert. Soll sie Rileys Vorschlag annehmen und die Nacht mit ihm verbringen?

LEANDRA LOGAN

Du in deinem schönsten Kleid

Nichts ahnend besucht Harry Masters eine Einweihungsparty und findet sich auf seiner eigenen, geheimen Hochzeit wieder! Harry ergreift die Flucht – im Lieferwagen von Weddingplanerin Ellen. Wütend stellt er die sexy Blondine zur Rede, dass die Funken sprühen! Oder ist da ein Knistern in der Luft zwischen ihnen? Aber woran denkt er da, schließlich ist er verlobt …

PAMELA MACALUSO

Die nächste Braut bist du

Ausgerechnet Callies Jugendliebe Rorke O’Neil soll der Trauzeuge ihrer Freundin sein! Zehn Jahre hat Callie ihn nicht gesehen, doch noch immer spürt sie dieses brennende Verlangen nach ihm. Es kommt, wie es kommen muss: Stürmischen Küssen folgt wilder, leidenschaftlicher Sex. Callie ist überglücklich – bis Rorke sie mit der bitteren Wahrheit konfrontiert …

1. KAPITEL

Riley Smith ignorierte seine stechenden Kopfschmerzen und versuchte erneut, sich die Smokingschleife zu binden. Teufel noch mal! Wie kam es, dass ein Kerl, der einen wundervollen trockenen Martini mixen und jeder Lady einen Daiquiri nach ihrem persönlichen Geschmack verfeinern konnte, solche Schwierigkeiten mit einer simplen Smokingschleife hatte?

Hinter sich, vor der Tür des kleinen Umkleideraums der Kirche, hörte er ein Geräusch. Vermutlich war es einer seiner zukünftigen reichen Schwager, der nach ihm sehen wollte. Und sicher wäre seine Unfähigkeit, eine Smokingschleife zu binden, der endgültige Beweis seiner Unwürde, in diese noble Familie aufgenommen zu werden.

Doch nichts geschah. Riley wischte sich die schweißfeuchten Handflächen an der Hose ab und startete einen letzten Versuch bei seiner Schleife. Er musste sich getäuscht haben. Dennoch überkam ihn plötzlich ein seltsames Gefühl – als würde er von unsichtbaren Augen beobachtet, als würde irgendwo eine heimliche Bombe ticken, als würde … Er drehte sich abrupt um. Und dann sah er es: einen zusammengefalteten Brief auf dem Boden vor der Tür, auf dem sein Name stand.

Die Nachricht war angesichts der geschwätzigen Natur der Verfasserin erstaunlich kurz, bewies jedoch in aller Deutlichkeit ihren unbekümmerten Charme.

Riley,

wenn Du dies liest, bin ich bereits zur Hintertür hinausgeschlüpft – ich habe mich in einen anderen verliebt und kann Dich nicht heiraten. Tu mir bitte den riesengroßen Gefallen, Süßer, und sag allen, dass Du die Sache abgeblasen hast. Daddy bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich es schon wieder getan habe!

„Schon wieder?“, wunderte Riley sich laut.

Eine Mischung aus Wut und Gekränktheit stieg in ihm auf. Er schluckte und zwang sich, den Brief noch einmal zu lesen. Dann zerknüllte er das Papier.

„Ich hätte es wissen müssen“, knurrte er. Ja, er hätte wissen müssen, dass, wenn es wirklich darauf ankam, die jüngste und verhätscheltste Tochter der edlen Delaneys von Rancho Santa Fe niemals einen Typen wie Riley Smith heiraten würde!

Hastig löste er den obersten Knopf seines Smokinghemdes. Zumindest konnte er jetzt seine Schleife, die ihn so lange beschäftig hatte, vergessen. Und seine Kopfschmerzen waren auf mysteriöse Weise wie weggeblasen.

Aber was nun? Just in diesem Augenblick standen sieben festlich gekleidete Delaneys aufgereiht neben dem Altar. Und im Vorraum warteten sieben Brautjungfern in gerüschten pinkfarbenen Petticoatkleidern, die an gehäkelte Klopapierschützer mit Kräuselrand erinnerten. Irgendjemandem musste er jetzt mitteilen, dass die Braut ihre Altarparade abgesagt hatte.

Tu mir bitte den riesengroßen Gefallen, Süßer, und sag allen, dass Du die Sache abgeblasen hast. Zum Teufel mit dieser Frau! Es geschähe ihr nur recht, wenn er ihren Brief allen fünfhundert Gästen laut vorlas!

Aber dann müsste er auch mit ansehen, wie langsam die Erkenntnis in ihnen aufstieg.

Sie würden denken, die Braut sei endlich zur Vernunft gekommen und habe ihm den Laufpass gegeben. Zu guter Letzt, so würden sie denken, hatte sie eingesehen, dass der Barkeeper Riley Smith nicht gut genug für eine Delaney war.

Gedankenverloren spielte er mit der zerknüllten Hiobsbotschaft. Wenn er, wie sie ihn gebeten hatte, die Schuld auf sich nahm, so könnte er zumindest sein Gesicht wahren. Dann würden sich nämlich alle wundern, warum eine Delaney nicht genug für einen Riley Smith war!

Er verzog das Gesicht. Das wäre ein ganz schön harter Brocken, den seine Beinahe-Schwiegerfamilie hinnehmen müsste.

Riley schob den Papierfetzen in die Tasche. Dabei stieß er mit den Fingern an das Samtkästchen, in dem der Platinehering steckte, und holte es hervor. Er sollte es wegwerfen. Ein Fenster öffnen und es so weit wegschleudern, wie er nur …

Nein. Er würde den Ring behalten – als ständige Erinnerung an die Lektion, die er schon vor langer Zeit hätte lernen müssen.

Dass Riley Smith sich lieber an seinesgleichen hielt.

Dass Riley Smith kein Mann zum Heiraten war.

Entschlossen trat er aus dem Umkleideraum, holte einmal tief Luft und ging den mit dicken Teppichen ausgelegten Gang entlang. Dabei sprach er in Gedanken einen Abzählreim, um zu entscheiden, wem er die Botschaft überbringen sollte. Als er mit dem freundlichen, aber verwirrten Pfarrer zusammenstieß, verlor er kein Wort über das bevorstehende Drama, nahm dessen „Gott segne dich, mein Sohn“ jedoch dankbar auf. Er hatte das Gefühl, er könne jetzt jeden Segen gebrauchen.

Der Gang führte zur Sakristei, und Riley blieb im Türrahmen stehen. Von hier aus hatte er einen guten Blick über das Kircheninnere, dessen Bankreihen mit den oberen Zehntausend von San Diego besetzt waren – jedenfalls sah es so aus. In der Sakristei erblickte er die kichernden Brautjungfern sowie diverse andere Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft. Neben einem riesigen Blumengebinde stand der Brautvater, dessen aristokratische Nase in Schärfe und Länge mit der Paradiesvogelblume konkurrierte, die im Mittelpunkt der Kreation ruhte.

Ene mene mink mank. Es war eine Ironie des Schicksals, dass er ausgerechnet dem Mann die Nachricht überbringen würde, der auf das Aufsetzen eines Ehevertrags bestanden hatte. Riley straffte die Schultern und steuerte auf Lawrence Delaney zu. Es hatte keinen Sinn, die Sache aufzuschieben. Doch Lawrence trat abrupt in den Kirchenraum und sprach mit einem älteren Herrn in der letzten Bank.

Riley ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und begann von Neuem. Ene mene mi… „Autsch!“ Er sah zu seinem schmerzenden Schienbein hinunter.

„Erwischt, du Nulpe!“ Eine zehnjährige Delaney, die das Amt der Reiswerferin übernommen hatte, grinste ihn an und holte mit dem Reiskörbchen aus, um sein anderes Schienbein zu treffen.

Riley sprang zurück. „He, was soll das?“

„Ich mag dich nicht.“ Die Reiswerferin schüttelte ihre Ringellocken. „Keiner von uns mag dich.“

„Ach ja?“ Riley verzog das Gesicht. Wenn er nicht andere Dinge im Kopf hätte, wäre er schlagfertiger gewesen.

Hinter dem kleinen Miststück erblickte Riley seine zukünftige Schwiegermutter. Seine ehemalige zukünftige Schwiegermutter, korrigierte er sich in Gedanken und fand, dass es sich immer besser anhörte, je öfter er sich das sagte.

Er ging auf sie zu, um endlich seine Mitteilung loszuwerden. Die Reiswerferin heftete sich an seine Fersen und schlenkerte ihr Körbchen gefährlich nahe seinen Beinen. „Evelyn.“

Sie hörte ihn nicht, denn sie winkte der mürrischen Großmutter. „Mutter, einer der Platzanweiser wird dich jetzt zu deiner Bank bringen.“

Riley berührte leicht den Ärmel der Brautmutter. „Evelyn.“

Sie blickte ihn entgeistert an. „Was machst du denn hier? Hör zu, Riley, dies ist nicht der richtige Moment, um in der Gegend herumzuspazieren. Selbst ein junger Mann mit deinem Mangel an Bildung …“

„Evelyn, ich habe beschlossen, dass die Hochzeit nicht stattfinden wird.“

„… sollte das wissen. Meine Güte, wir haben doch alles geprobt.“ Ihre Augen weiteten sich. „Was hast du gesagt?“

Riley achtete nicht auf den Korb, der seine Schienbeine malträtierte. „Ich habe beschlossen, dass die Hochzeit nicht stattfindet.“

Evelyn griff nach einem Halt, doch als Riley sie stützen wollte, stieß sie ihn heftig weg. „Lawrence!“, rief sie. Und noch einmal lauter: „Lawrence!“

Mr Delaney hörte die verzweifelten Rufe und kam aus der Kirche in die Sakristei gelaufen. „Evelyn! Was ist los?“

Sie hielt sich am Revers seines grauen Jacketts fest. „Riley sagt die Hochzeit ab. Er hat unserem armen Baby den Laufpass gegeben!“ Lawrence erbleichte. „Oh mein Gott! All die Kosten … und die Peinlichkeit …“ Er fing seine Frau auf, die ihm gegen die Brust taumelte. Riley sprang vor. „Lasst mich helfen …“

„Hinaus!“ Lawrence stützte seine halb ohnmächtige Frau und blitzte Riley drohend an. „Hast du nicht schon genug angestellt? Raus mit dir!“

Riley trat einen Schritt zurück und warf dabei fast das Reismädchen um. „Heiratsschwindler“, schimpfte es.

Die Brautjungfern murrten und surrten wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm, und der Lärm erreichte bald die hintersten Kirchenbänke. Entsetzte Gesichter drehten sich zu ihm um, und Riley konnte mit ansehen, wie die Neuigkeit der geplatzten Hochzeit wie eine Woge bis zur vordersten Kirchenbank rollte.

Lawrence erhob erneut die Stimme, um die murmelnde Menge zu übertönen. „Hinaus!“

Riley zögerte. Sollte er jetzt tatsächlich gehen? Doch der Anblick der Brautbrüder, die mit geballten Fäusten auf ihn zukamen, erleichterte ihm die Entscheidung.

„Zeit für den Guten, die Bühne nach rechts zu verlassen“, murmelte er und verschwand.

„Auf ins Abenteuer“, sagte Eden Whitney zu sich selbst, während sie in ihrem Buick an den stattlichen Palmen des Date Boulevard vorbeifuhr und auf die Küstenstraße zusteuerte. Jede Meile, die sie zwischen sich und die Whitney-Bibliothek brachte, machte diese Aussage realistischer.

An der nächsten Ampel warf sie einen Kontrollblick auf den Rücksitz. Ihr Kleidersack und die Reisetasche lagen vollgepackt nebeneinander – alles, was sie für eine zweiwöchige Urlaubsreise brauchte.

Sie strich ihr cremefarbenes langes Leinenkleid glatt. Durch die Junihitze waren etliche kleine Falten in dem sonst so glatten Material entstanden, aber sie hatte gedacht, dass dieses Kleid mit seinem Spitzenkragen und dem schwingendem Rock am besten zu der letzten Aufgabe passte, die sie vor dem Urlaub noch hatte erledigen müssen – das Mittagessen, das sie heute freiwillig im Wintergarten der Bibliothek organisiert hatte.

Als sie auf die nächste Ampel zufuhr und die lange Autoschlange bemerkte, bog Eden rasch in eine Seitenstraße ab, um dem Stoßverkehr zu entgehen. Sie lächelte und beglückwünschte sich zu diesem impulsiven Schritt. Das war es, worum es bei dieser Reise ging. Wenn der Verkehr sie störte, würde sie einfach eine andere Strecke nehmen. Wenn eine Straße ihr gefiel, würde sie so lange darauf fahren, wie sie wollte. Wenn sich eine interessante Gelegenheit ergab, würde sie mit Vollgas darauf zufahren.

Weiter vorn, hinter einer weiteren Kreuzung, stand rechts eine große Kirche. Beeindruckt von ihrer strengen Schönheit – kühle weiße Wände, hohe bunte Glasfenster, daneben schlanke, leicht gebeugte Palmen –, nahm Eden den Fuß vom Gaspedal. Eine Stretchlimousine parkte am Straßenrand, mit einem Schild „Frisch verheiratet“ über der Heckscheibe. Während sie es anstarrte, ging ein Mann auf das weiße Fahrzeug zu.

Oho, dachte sie, was für ein Mann!

Er hatte dunkles Haar und trug einen perlgrauen Smoking. Der oberste Knopf seines weißen Hemdes war geöffnet, und die Enden seiner Smokingschleife flatterten im Wind. Würdevollen Schritts marschierte er zur Limousine. Eden bremste knapp hinter der Kreuzung, etwa dreißig Meter von ihm entfernt.

Die Straße hinter ihr war frei, also hielt sie einfach und sah zu. Es war seine Würde, sein Format, das sie in seinen Bann zog. Sein Format, das in seinem Gang und seinen breiten Schultern zu erkennen war. Er schlenderte nicht, er ging … nun, eben mit Format. Und sie, Eden Whitney, Bibliothekarin in der Sondersammlung der berühmten, wenn auch unglaublich stickigen Whitney-Bibliothek, empfand große Bewunderung für Menschen mit Format.

Menschen mit Format verbrachten ihre Tage mit anderen Dingen als dem Ausleben familiärer Werte. Menschen mit Format genossen glanzvolle und abenteuerliche Abende mit anderen Menschen mit Format – nicht wie Bibliothekarinnen, deren seltene Verabredungen mit Männern stattfanden, die ihr Daddy vorab als kontaktwürdig eingestuft hatte, so wie eine Bank jemanden als kreditwürdig einstuft. Geld auf der Bank – genehmigt. Geregelte Arbeit – genehmigt. Angesehene Familie, langweiliger Lebensstil, eine Zukunft ohne Abenteuer. Genehmigt, genehmigt, genehmigt.

Der Mann lehnte sich über die Heckscheibe, sodass er das ‚Frisch verheiratet‘-Schild teilweise verdeckte. Was tat er da nur? Er schien ins Wageninnere zu spähen.

Um besser sehen zu können, ließ Eden das Fenster auf der Beifahrerseite ganz herunter. Hatte er in der Limousine etwas liegen lassen? Der Fahrer war nirgends zu sehen. Vielleicht lag der Hochzeitsstrauß noch da drin, oder die Ringe. Vermutlich war er der Trauzeuge, der geschickt worden war, um die …

Sie schüttelte den Kopf. Hier saß sie nun und verlor sich schon wieder in Tagträumen. Dachte sich etwas über das Leben anderer aus, anstatt ihr eigenes zu leben. Aber das wollte sie nicht mehr tun. Nie mehr! Dies war der Sinn ihrer ganzen Reise.

„Auf ins Abenteuer“, wiederholte sie ihr neues Mantra und schob den Fuß von der Bremse aufs Gaspedal. Ihr Wagen überquerte die Kreuzung.

Sie fuhr am Heck der Limousine vorbei und blickte dabei aus dem Beifahrerfenster, um sehen zu können, was der Mann da machte. Im selben Augenblick lehnte er sich zurück, und sie konnte erkennen, dass ihr vor Format strotzender Mann in fetten Buchstaben etwas über das erste Wort auf dem Schild geschrieben hatte: NOCH NICHT.

Eden riss die Augen auf. Was sollte das? Vor lauter Überraschung trat sie auf die Bremse und blieb direkt neben der Limousine stehen.

Ehe sie weiterfahren konnte, sah der Mann zu ihr hinüber. „Haben Sie ein Problem?“

Verlegen darüber, dass er sie erwischt hatte, wie sie ihn anstarrte, brachte Eden kein Wort hervor. Ihr Leinenkleid kam ihr auf einmal vor wie ein Saunaanzug. Sie schüttelte den Kopf und starrte dann auf ihr Lenkrad. Ich muss ganz schön blöd aussehen, dachte sie bei sich.

„Brauchen Sie Hilfe?“ Jetzt stand er direkt neben der Beifahrertür und blickte zu ihr in den Wagen.

Sie sah ihn an, und ihr Blick traf seine Augen. Sie waren golden. Golden wie Whisky. Golden und wissend. Er hatte Format, ein bezauberndes Lächeln und alte, wissende Augen. Eden spürte, wie sie trotz der Hitze erschauerte.

„Brauchen Sie Hilfe?“, wiederholte er.

Sie öffnete den Mund, doch ehe sie ein Wort hervorbringen konnte, drehte er den Kopf und blickte zurück zur Kirche. Am Ende der breiten Rasenfläche gingen die großen Flügeltüren auf, und Frauen mit großen Hüten und Männer in eleganten Anzügen strömten heraus. Allen voran ein kleines Mädchen mit einem großen Korb und eine ältere Dame mit Gehstock und verkniffenem Gesichtsausdruck.

„Zum Teufel“, knurrte der Mann.

Eden nahm dies als Stichwort, um weiterzufahren. Doch während sie anfuhr, lief der Mann vorne an ihrem Buick vorbei, und sie erwischte ihn mit der Stoßstange. Erschrocken stieg Eden auf die Bremse und stellte den Motor ab.

„Oje!“, rief sie und sprang aus dem Wagen. „Sind Sie in Ordnung?“

Der Mann klopfte gelassen den Staub von seinem Hosenbein. „Ja, best …“ Ein walnussgroßes Netzsäckchen flog an seinem Gesicht vorbei und landete auf der Straße, wo es platzte und Reis verspritzte. „Zum Teufel!“, fluchte er wieder.

Eden drehte sich um. Das Mädchen aus der Kirche warf ein weiteres Reissäckchen einige Male nach oben, während die verkniffene Lady in den Korb griff. Das Mädchen zielte, und ihr Säckchen flog durch die Luft. Sowohl Eden als auch der Mann duckten sich hinter den Buick.

„Wie können die das …“, begann Eden. Das Säckchen traf auf die Motorhaube, und Reis rieselte auf sie herunter. Sie sah den Mann an. „… wagen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Schätzchen. Ich zeige Sie nicht an wegen Körperverletzung, und Sie bringen mich hier raus.“ Das nächste Reisnetz zerplatzte auf dem Wagen. „Bitte!“ Er grinste sie an, aber seine schönen Augen verrieten seine Verzweiflung.

Eden schluckte. Auf so etwas war sie nicht vorbereitet. Was, um alles in der Welt, sollte sie sagen?

Der Blick dieser goldenen Augen trieb ihr die Röte in die Wangen. Sie mochte eine seriöse Bibliothekarin sein, aber dumm war sie nicht. Wenn sie nach einem Abenteuer suchte, so war dieser Moment – nein, dieser Mann – die beste Gelegenheit dafür.

Schon wieder erschauerte sie. Da sie fürchtete, keinen Laut aus ihrer trockenen Kehle hervorbringen zu können, nickte sie nur.

Er grinste sie an. Wieder so ein abenteuerlustiges, verwegenes Grinsen. Binnen weniger Sekunden saßen sie beide im Wagen, er hinter dem Lenkrad.

„Stört es Sie, wenn ich fahre?“, fragte er.

Erneut rieselte Reis über die Windschutzscheibe. „Der Schützenverein sollte sich dieses Kind schnappen“, brummte er.

Eden lächelte. „Na los, fahren Sie.“

Er drehte den Zündschlüssel, den sie hatte stecken lassen, und ließ den Motor aufheulen. Eden wusste gar nicht, dass ihr Buick sich so anhören konnte.

Der Mann warf ihr einen anerkennenden Blick zu und nickte. „Also los!“

Als Eden sich anschnallte, raste ihr Herz wie das eines Teenagers auf dem Schulabschlussball. Und als der Wagen mit einem Ruck losbrauste, kam sie sich vor wie die Ballkönigin.

Riley stellte den Motor ab und war nicht sonderlich erstaunt, sich auf dem Parkplatz seiner ersten Bar wiederzufinden. Er war ganz unbewusst dorthin gefahren. Über der Tür des stuckverzierten Hauses hing die Neonreklame, und er sah, dass das ‚y‘ in ‚Riley’s No. 1‘ schon wieder flackerte. Im Geist machte er eine Notiz, es reparieren zu lassen. Den Stammgästen wäre es vermutlich egal, aber er wollte nicht, dass es verlottert aussah.

Die Frau neben ihm löste ihren Sicherheitsgurt, und er beobachtete, wie sie graziös aus dem Wagen stieg. Die ist in Ordnung, dachte er. Nicht jede Frau würde einen verzweifelten Typ einfach an ihren Wagen lassen. Muss am Smoking gelegen haben.

Er grinste in sich hinein. Wahrscheinlich wusste sie nicht, was sie von der Sache halten sollte. Jede Frau mit einer gewissen Portion Selbstachtung musste entsetzt sein, wenn ein Kerl einfach ein „Frisch verheiratet “-Schild verunzierte. Er stieg aus und blickte sie über das Wagendach hinweg an.

„Tja, dann … danke.“ Zum ersten Mal sah er sie richtig an. Sie war jung, hatte langes braunes Haar, eine kleine gerade Nase. Der Rest ihres Gesichts war von einer riesigen Sonnenbrille verdeckt, und ihren Körper versteckte sie unter einem altmodischen weißen Kleid.

Sie warf ihm ein zaghaftes Lächeln zu.

Und plötzlich wollte er nicht allein sein.

Oh ja, wenn er hineinginge, würde Stu hinter der Theke stehen und ihm sofort ein Bier einschenken. Aber er würde einiges erklären müssen, und dazu hatte er eigentlich gar keine Lust.

„Wie wär’s mit einem Bier?“ Die Worte kamen aus seinem Mund, noch ehe er diesen Gedanken wirklich zu Ende gedacht hatte, doch er bereute sie nicht. Es war ein ungeschriebenes Gesetz in Riley’s No. 1 – und in jeder anderen seiner sechs Bars –, dass ein Mann in Damenbegleitung in Ruhe gelassen wurde. Die einzige Frage, die ein Mann in Begleitung zu beantworten brauchte, war die nach den gewünschten Getränken.

Sie schien zu zögern. Er konnte es ihr nicht verübeln, denn sie kannte ihn ja überhaupt nicht. „Mein Nachname ist Smith“, sagte er und deutete auf die Leuchtreklame. „Da drin wird man für mich bürgen. “ Er grinste. „Gezwungenermaßen – ich bin nämlich der Boss. Ich bin Riley.“

Sie räusperte sich und streckte ihm ihre schmale Hand entgegen. Ihre Fingernägel waren kurz und unlackiert. „Ich bin Eden Whitney. Nett, Sie kennenzulernen, Riley.“

Er lächelte über ihre etwas steife Vorstellung und schüttelte ihre Hand. „Lassen Sie mich Ihnen ein Bier spendieren.“

Sie zögerte wieder, schien dann aber eine Entscheidung zu treffen, schlug die Beifahrertür zu und folgte ihm zum Eingang der Bar. Als er ihr die Tür aufhielt, warf sie ihr langes Haar zurück und zog beim Hineingehen die Sonnenbrille von der Nase.

Die Gummisohlen ihrer bequemen flachen Schuhe quietschten auf dem Holzfußboden, während sie an den ersten Tischen vorbeiging. Dann blieb sie etwas unsicher stehen. Riley gab dem erstaunten Stu ein Zeichen, dass er zwei Bier wollte, und führte Eden zu einem kleinen Tischchen in der Ecke.

Sie setzten sich einander gegenüber, sodass Riley erneut ihr Gesicht betrachten konnte. „Sie haben blaue Augen“, stellte er fest, während er seine Smokingjacke auszog und über den Stuhl hängte. Na gut, das war eine plumpe Gesprächseröffnung, aber es war das erste, was ihm einfiel. Über ihrer kleinen Nase hatte Eden Whitney ein Paar blaue Augen mit langen dichten Wimpern. Ihr vieles Haar ließ den Rest des Gesichts in den Hintergrund treten, aber sie hatte einen hübschen Mund. Er sah genauer hin. Einen wirklich hübschen Mund mit vollen, geschwungenen Lippen.

„Hm.“ Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum und strich das Kleid über ihren Knien glatt.

Er nahm an, dass sie kein besonders redseliger Mensch war, was ihm aber gerade recht kam.

Ihre schlanken Hände bildeten auf dem Tisch ganz damenhaft einen Iglu, den sie konzentriert anstarrte. An der Ader knapp oberhalb ihres Kragens konnte Riley erkennen, dass ihr Puls raste. Er konnte seinen Blick nicht von ihrem Hals lösen und stellte sich vor, wie er … Guter Gott, was war nur los mit ihm? So ungefähr um diese Zeit wollte er eigentlich sein „Ja, ich will“ sagen und nicht einer fremden Frau sehnsüchtig auf den Hals starren.

Stu kam mit den zwei Bieren und stellte mittels seiner buschigen Augenbrauen allerlei stumme Fragen, doch Riley ignorierte es. Er leerte sein Glas in einem Zug und beobachtete, wie Eden vorsichtig an ihrem nippte.

„Ja, also, danke fürs Mitnehmen“, sagte er.

Sie lächelte. Ihre perfekten Zähne machten ihn ein wenig nervös, da sie ihn an die Braut erinnerten, die ihn gerade verlassen hatte.

„Wollten Sie wegfahren?“, fragte er und versuchte, das Bild loszuwerden.

Sie nahm einen zweiten zaghaften Schluck Bier. „Ich bin auf Abenteuer aus“, erwiderte sie.

In diesem Kleid? schoss es ihm durch den Kopf. „Aha.“

„Etwas Aufregendes“, fügte sie hinzu und sah von ihrem Bier auf in sein Gesicht.

Riley musste schmunzeln. Diese Frau sah aus, als käme sie aus einer Welt voller Vanille und wollte es nun als ihr größtes Abenteuer einmal mit Schokolade probieren.

Nicht wie seinesgleichen. Bitter kam dieser unerwünschte Gedanke in ihm hoch. Seinesgleichen kam aus einer Welt, die die reinste Hölle war. Eine Welt, die man nur mit Geld und Erfolg übertünchen konnte.

Wieder spürte er dieselbe Wut und Verletztheit wie beim Lesen des Briefs, aber er bemühte sich, diese Gefühle zu verdrängen.

„Was ist eigentlich passiert?“

Riley sah sie verwundert an. Es war die erste Frage, die sie ihm stellte. „Tja …“ Er leerte sein Glas und bedeutete Stu, ihm noch eins zu bringen. „Ich hätte heute heiraten sollen.“ Wieder beschlich ihn Unbehagen.

„Sie wirken nicht gerade wie ein Mann zum Heiraten – abgesehen von Ihrem Smoking, meine ich.“

Das stimmte! Riley grinste sie an, und sein Unbehagen wich so schnell, wie es gekommen war. „Wissen Sie was, da haben Sie absolut recht.“

Er bemerkte, dass ihr Glas fast leer war. „Ich bestelle Ihnen noch eins.“

Doch sie schüttelte den Kopf. „Ich muss weiter.“

„Sind Sie mit jemandem verabredet? Oder müssen Sie zu einer bestimmten Zeit irgendwo sein?“

Sie schüttelte wieder den Kopf.

„Dann bleiben Sie doch noch.“ Riley sah sich in der Bar um. Er war sich nicht ganz sicher, aber er hatte den Eindruck, dass Stu inzwischen ein paar Telefonanrufe getätigt hatte. An einem Samstagnachmittag war es hier normalerweise recht leer, aber seit seiner Ankunft hatten sich eine ganze Reihe Stammgäste an der Bar versammelt. Männer, die eigentlich zu Hause ihren Rasen mähen oder ihr Auto waschen sollten.

„Ich könnte jetzt einen Freund gebrauchen.“ Er setzte sein charmantestes Lächeln ein.

Sie runzelte die Stirn. „Aber hier sind doch eine Menge Leute, mit denen Sie reden können.“

Das ist ja das Problem, dachte er. Was er wirklich brauchte, war ein Vorwand, um dieser „Menge Leute“ nicht erklären zu müssen, warum er hier saß und Bier trank, anstatt auf seinem Hochzeitsempfang zu tanzen und Champagner zu trinken. Einer Eingebung folgend, stand er auf und sagte: „Ich hätte Lust zu tanzen.“

„Ich weiß nicht recht.“ Sie sah besorgt aus und schien mit den Augen die Entfernung zur Tür abzuschätzen. „Ich kann nicht … ich tanze nicht oft.“

„Hey, wenn ich Ihnen auf die Füße trete, können Sie mich ja verklagen.“ Er streckte seine Hand aus. „Na, kommen Sie schon, Schätzchen.“

Sie verzog das Gesicht, erhob sich aber von ihrem Stuhl. „Sie sehen nicht aus wie ein Mann, der einem beim Tanzen auf die Füße tritt.“

Er nahm ihre Hand. „Klingt, als hätten Sie mich durchschaut.“ Ihre Hand war glatt und warm. Es war ein schönes Gefühl, und er verschränkte seine Finger mit ihren. Er spürte deutlich ein Kribbeln in seinem Arm, doch er ignorierte es.

Er führte sie zur Jukebox neben der Tanzfläche, holte zwei Münzen aus der Tasche – wobei er wieder an das Samtkästchen stieß – und schob sie in den Schlitz. Nach kurzem Überlegen drückte er auf einen Klassiker von Bruce Springsteen. Eden war wohl ungefähr Mitte zwanzig und stand vielleicht eher auf Pearl Jam oder Hootie and the Blowfish, aber die Leute hier bevorzugten den harten, treibenden Rhythmus des „Bosses“.

Der Song begann, und der Rhythmus drang ihm ins Blut, wie ein Tequila auf ex. Er zog sie in die Arme. Sie fühlte sich gut an. Weich und zart. Und sie roch gut, also sog er den Duft ihres Parfüms ein, während er anfing, mit ihr zu tanzen.

Eden stolperte ein wenig, und er hielt sie fester und presste ihre Hüften gegen seine, damit sie seinen Bewegungen besser folgen konnte. „Mögen Sie den Boss?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie versteifte sich und rückte ein wenig von ihm ab. „Wie bitte?“

Er legte die Lippen erneut an ihr Ohr. „Gefällt Ihnen der Boss?“

„Äh … na ja, Riley, ich kenne Sie ja kaum.“

Es dauerte einen Moment, bis ihm einfiel, wie er sich ihr vorgestellt hatte. Dann lachte er. „Ich meinte doch nicht mich. Ja, stimmt, hier im Riley’s bin ich der Boss, aber ich meinte, ob Sie den Boss mögen – Bruce Springsteen?“

Ihre Wange lag warm an seiner. „Oh. Ja, natürlich. Doch.“

Er lachte wieder und glitt mit der Hand über ihren Rücken, um sie noch fester zu halten. Er war dieser Frau großen Dank schuldig. Hier tanzte er und lachte an dem Tag, der der schrecklichste seines Lebens hätte werden können. „Erzählen Sie mir mehr über dieses Abenteuer, auf das Sie aus sind.“

„Meine Taschen sind gepackt, und ich will die Küste hinauffahren.“

Riley merkte, dass ihn irgendetwas irritierte, aber er wollte jetzt an nichts anderes denken als an den süßen warmen Körper, den er im Arm hielt.

„Ich schaue einfach, wie weit ich komme. Ich habe einen groben Plan, aber ich nehme einfach jede Straße, die nach Abenteuer aussieht.“

Irgendjemand hatte neue Münzen in die Jukebox geworfen, und der Rhythmus des nächsten Songs war hart und pulsierend wie der Herzschlag eines Verliebten. Riley verlangsamte seine Schritte, presste Eden aber weiter fest an sich.

Sie sah zu ihm auf, und er blickte in ihr Gesicht. Er beobachtete, wie sie Luft holte und schluckte, und sein Blick glitt von ihren leicht geöffneten Lippen bis zu ihrem Hals. Schon wieder ihr Hals … Er sah ihr in die Augen.

Wie aus weiter Entfernung hörte er ihre Stimme. „Ich nehme die offene Straße“, sagte sie. „Unter der Sonne, unter dem Mond. Bleibe überall da, wo es mir gefällt …“

Ihre Stimme erstarb. Er atmete Edens blumigen Duft ein. Blickte tief in ihre saphirblauen Augen. „Blaue Augen“, murmelte er und versuchte, die aufströmende Hitze in seinem Körper zu ignorieren und sich auf ihre Worte zu konzentrieren. Offene Straße … bleibe überall da, wo es mir gefällt. Unter der Sonne. Unter dem Mond. Der Mond!

Er hielt abrupt inne, sodass Eden gegen ihn prallte. „Verdammt“, schimpfte er laut vor sich hin. „Jetzt habe ich ja gar keine Braut für meine Flitterwochen.“

2. KAPITEL

Eden spürte, wie ihr Herz gegen Rileys Brustkorb hämmerte. Das Saxofon aus der Jukebox konnte das Rauschen in ihren Ohren nicht übertönen.

Aufregung.

Abenteuer.

Noch nie zuvor hatte ein Mann solch eine starke und spontane Anziehung auf sie ausgeübt.

„Keine Braut“, wiederholte Riley. „Keine Flitterwochen.“

Edens Aufregung ließ etwas nach. Während in ihrem Körper die seltsamsten chemischen Reaktionen stattfanden, dachte er an seine ausgefallenen Flitterwochen. Sie lehnte sich gegen seinen Oberkörper, doch er lockerte im selben Moment seinen Griff und sah sie an, als würde er eben erst merken, dass er überhaupt jemanden im Arm hielt.

„Entschuldigen Sie mich“, sagte er. „Ich muss mal telefonieren.“

Er ließ sie auf der Tanzfläche stehen und verschwand durch eine Tür hinter der Bar. Das Lied, zu dem sie getanzt hatten, endete in einem traurigen Chorgesang über verlorene Liebe und ein paar einsamen Klavierakkorden. Eden seufzte.

Soviel also zu ihrem ersten Abenteuer.

Sie straffte die Schultern und ging an ihren Tisch zurück. Sie hätte sich nicht überreden lassen sollen, hier einzukehren. Aber sie war noch nie vorher in einer echten Bar gewesen, einer Bar, die nicht zu einem Restaurant gehörte. Es schien ein Tag der ersten Male zu werden.

Das erste Mal allein auf Reisen!

Das erste Mal, dass sie von Hochzeitsgästen mit Reis beworfen wurde!

Das erste Mal, dass ein Mann so eng mit ihr tanzte!

Sie zog eine Grimasse und nahm ihre Handtasche vom Tisch. Das nächste Mal würde sie sich einen anderen aussuchen als ausgerechnet den Bräutigam.

Sie sah zu der Tür, durch die Riley entschwunden war. Nichts zu sehen. Obwohl es gegen die Regeln der Höflichkeit verstieß, würde sie sich nicht mehr von ihrem Gastgeber verabschieden. Sie würde einfach gehen. Und vermutlich würde er sie auch nicht weiter vermissen.

Ja, sie würde gehen – sobald sie ihre Wagenschlüssel gefunden hatte.

Eden kramte zwei verknitterte Kaugummipäckchen und einen abgewetzten Bleistift aus ihrer Tasche, ehe ihr einfiel, dass ja Riley gefahren war und infolgedessen er die Autoschlüssel eingesteckt haben musste. Resigniert setzte sie sich wieder hin. Während sie wartete, inspizierte sie ihre kurz geschnittenen Fingernägel.

„Kann ich Ihnen etwas bringen?“

Eden sah auf und erblickte den Barkeeper, seine buschigen Augenbrauen machten den Riesenraupen Konkurrenz, die sie neulich in einem Bildband über den Regenwald gesehen hatte.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich warte nur auf Riley.“ Sie zögerte. „Er ist doch noch da, oder?“

„Hat sich in seinem Büro verschanzt.“ Der Barkeeper kniff die Augen zusammen. „Sie sind nicht die Braut, stimmt’s?“

„Stimmt.“ Eden gönnte sich diesen Luxus eines Tagtraumes nicht eine Sekunde.

„Ich wollte nur mal nachfragen.“ Der Barkeeper setzte sich auf den gegenüberliegenden Stuhl. „Riley hat sie nie mit hergebracht, aber wenn ich so an die anderen Frauen im Laufe der Zeit denke, dann …“

„Dann kann ich es einfach nicht sein?“ Eden spürte, dass sie rot wurde. Niemand musste ihr sagen, dass Riley Smith niemals eine Frau heiraten würde, die so unscheinbar und langweilig war wie sie.

„Was ist eigentlich passiert?“, hakte Barkeeper nach.

„Das weiß ich auch nicht genau“, antwortete Eden. „Die Hochzeitsgäste bewarfen ihn gerade mit Reis, als ich vorbeikam.“

Der Barkeeper machte ein erleichtertes Gesicht. „Dann hat er ja noch mal Glück gehabt.“

„Glück?“, fragte Eden erstaunt nach.

„Ein Kerl wie Riley sollte sich keine Ehefrau an Land ziehen. Wozu denn bloß?“

„Na, Liebe … Kameradschaft …“

Die Raupenbrauen krochen zusammen. „Kameradschaft findet er hier und in allen anderen Bars der Stadt. Und was die Liebe betrifft … Riley sagt selbst, das sei alles nur Blödsinn.“

„Warum wollte er dann heiraten?“

„Weiß nicht. In letzter Zeit hat er viele merkwürdige Dinge getan. Ein Hotel an der Küste gekauft. Immer wieder gesagt, er wolle aus dem Kneipengeschäft aussteigen.“

Eden nickte. „Anlagenstreuung.“ Ihr Vater behauptete, dass Anlagenstreuung der Schlüssel zu Großpapa Whitneys Wohlstand gewesen sei.

Der Barkeeper schnaubte. „Blödsinn. Was könnte schöner sein, als den ganzen Tag Sport zu gucken und Bier auszuschenken?“

Eden fühlte sich nicht qualifiziert, zu widersprechen. Sie hatte die letzten Jahre damit verbracht, Bücher zu katalogisieren und sich um edle Spender und betagte freiwillige Aushilfskräfte zu kümmern. „Vielleicht will er nur mal eine Abwechslung.“

Das war es, was sie wollte – nein, brauchte. Als sie eines Morgens aufwachte und die Hausgehilfin wieder eines ihrer unzähligen beigefarbenen Kleider zurechtlegte, erkannte sie, dass sie mit sechsundzwanzig Jahren bereits eine alte Jungfer war.

Ihr Vater hatte natürlich nichts verstanden. Er hatte ihr die Bitte um Urlaub gewährt, sofort das Reisebüro der Familie angerufen und eine Kreuzfahrt in der Karibik für sie arrangiert. Er hatte sogar einen der „genehmigten“ jungen Männer als Reisegefährten vorgeschlagen, der dann nahtlos in den Rang eines Verlobten hätte aufrücken können. Er hatte das nicht offen ausgesprochen, aber sicher gedacht.

Doch sie hatte erklärt, was sie wirklich wollte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie gegen sein „Ich weiß doch, was das Beste für dich ist“ angegangen und hatte auf einen Solourlaub bestanden. Sie hatte sich ihr eigenes Abenteuer versprochen, und damit würde sie fortfahren, sobald sie ihre Wagenschlüssel hätte.

Riley knallte den Hörer auf die Gabel und trank den letzten Rest der Flasche Bier, die er aus der Kühltruhe hinter der Bar genommen hatte. „Warum hebt da keiner ab?“, fragte er laut und betrachtete das Bikinigirl des Monats auf seinem Wandkalender.

Natürlich wusste sie auch keine Antwort.

Langsam wurde Riley wütend. Bis jetzt hatte er sich noch gut unter Kontrolle gehabt, aber ein Mann hatte das Recht, an einem Tag wie diesem wütend zu werden. Nicht nur, dass er am Altar den Laufpass bekommen hatte – jetzt konnte er noch nicht einmal seinen Partner erreichen. Miguel sollte sich in ihrer letzten großen Investition aufhalten, einer Hotelanlage namens „Casa Luna“, und den morgigen Besuch der Reporter des renommierten Reise- und Kulturmagazins Getaway vorbereiten. Stattdessen war keiner der beiden Büroanschlüsse und nicht einmal der Anschluss für Reservierungen besetzt.

Mist! Riley rutschte von der Tischkante. Am besten, er fuhr sofort ins Casa Luna. Getaway wollte einen Bericht über Flitterwochen bringen – seine Flitterwochen und er und Miguel würden sich überlegen müssen, wie sie nun das Interesse der Zeitschrift wachhalten konnten. Man hatte ihnen praktisch garantiert, dass ihr Hotel nach der Veröffentlichung einer bebilderten Story ein Erfolg werden würde.

Riley trat aus seinem Büro und überlegte, ob er noch eine Flasche Bier aus der Truhe nehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Er durfte sich erst betrinken, wenn er das Problem mit Getaway gelöst hatte. Wieder stieg die Wut in ihm hoch, und er steckte die Hände in die Taschen, um nicht gegen die Wand zu schlagen. Und danach würde er seine Hochzeitsnacht feiern – mit einer Flasche Whiskey statt einer Braut.

Er marschierte über die Tanzfläche, griff in der Tasche nach seinen Autoschlüsseln und zog … Eddies hervor. Na toll, dachte er erbost. Sein Beinahe-Schwager hatte ihn ja heute Morgen zur Kirche gefahren.

Eden erhob sich, als er zu ihrem Tisch kam. „Sie fahren doch nach Norden, haben Sie gesagt, oder?“, fragte er.

Sie blinzelte und nickte dann. „Die Küste hinauf.“

„Prima. Nehmen Sie mich mit? Ich muss dringend wohin.“

Sie blinzelte wieder. „Na ja …“

Riley achtete nicht weiter auf ihr Stottern, sondern stürmte zur Tür. Er musste unbedingt ins Casa Luna. Eden traf zwar keine Schuld an seiner Situation, aber sie war eine Frau, und so wie er es im Moment sah, schuldeten die Frauen ihm etwas. Basta.

Der Motor lief bereits, als sie auf den Beifahrersitz glitt. Riley legte den Arm um ihre Rückenlehne, als er zurücksetzte, und merkte, wie sie vor seiner Berührung zurückzuckte. Plötzlich fühlte er sich doch ein wenig schuldig.

„Ich verspreche, dass ich nicht beißen werde“, sagte er.

„Das Versprechen eines Autoentführers?“

Betroffen sah er sie an. Aber sie wirkte keinesfalls verängstigt. „Hören Sie, es tut mir leid, aber ich muss unbedingt an die Küste.“

„Könnten Sie dazu nicht einen anderen Wagen nehmen?“

Riley seufzte. „Stu geht zu Fuß zur Bar, und diese anderen Typen … Ich will einfach nichts erklären müssen.“

„Was erklären?“

Anscheinend hatte er vorhin sich geirrt, was ihre mangelnde Redseligkeit betraf. „Wenn ich das erzähle, wäre es erklären.“

„Aha“, sagte sie wieder.

„Hören Sie. Ich besitze dieses Hotel an der Küste. Niemand geht ans Telefon, und ich muss unbedingt da hin. Okay? Reicht das?“

Sie sah ihn nur an.

Er seufzte. „Ich hab’ da eine Menge reingesteckt, okay? Und dieser Schlamassel heute hat mir vielleicht die Chance verpatzt, groß rauszukommen.“

„Wieso? Hatte die Hochzeitsgesellschaft ihre Zimmer da gebucht?“

„Sehr witzig.“ Er hatte keine Lust, noch mehr über sich, diese Hochzeit oder das Hotel zu erzählen. Er wollte nicht erklären, dass der erträumte Erfolg mit dem Casa Luna bedeuten würde, dass er all denen eine Nase drehen konnte, die ihre ihm gegenüber so hoch trugen. „Reden wir mal über Sie“, meinte er, um sie abzulenken.

„Über mich?“, kiekste sie.

Das gefiel ihm. Kieksende Frauen waren nicht der Typ, der einem Mann ein Messer in die Eingeweide stieß und es herumdrehte. „Ja, hatten Sie nicht gesagt, Sie würden auf Reisen gehen?“

„Ja, eine Urlaubsreise.“

„Ein Abenteuer hatten Sie gesagt.“

Die Nachmittagssonne schien ihr ins Gesicht, und er sah, dass sie errötete. Auch das gefiel ihm. „Na ja, hm, ein Abenteuer“, stimmte sie zu.

„Was für ein Abenteuer? Wildwasserfahrten? Ein Campingtrip durch die Sierra?“

Sie schüttelte den Kopf und murmelte etwas vor sich hin.

„Wie bitte?“

Sie starrte aus dem Fenster und wiederholte es deutlicher. „Eine Reise zu den Missionsstationen in Kalifornien.“

„Was?“

Verteidigend erhob sie ihre Stimme. „Ich mache eine Urlaubsreise mit dem Auto und fahre zu jeder Mission in Kalifornien, die ich noch nicht gesehen habe. San Juan Capistrano, San Juan Bautista, San …“

„Das ist die langweiligste Urlaubsreise, von der ich je gehört habe.“ Er sah sie verwundert an. „Sie nehmen mich auf den Arm, stimmt’s?“

„Warum sagen Sie so etwas nur?“

Riley blinzelte und betrachtete diese Frau nochmals eingehend. Sofern sie nicht den Jungbrunnen entdeckt hatte, war sie etwa fünfundzwanzig. Und obwohl ihr Kleid und die Frisur ganz und gar altmodisch waren und das Gesicht kein Make-up aufwies, war das Ganze an sich nicht uninteressant. Ihm kam ein schockierender Gedanke. „Sie sind doch keine Nonne, oder?“

Bedeutsames Schweigen.

Oh Gott, so ergab das alles einen Sinn! Das formlose Kleid, die Reise zu den Missionsstationen. Himmel, er hatte mit einer Nonne getanzt! Unbehaglich rutschte er auf seinen Sitz. In gewisser Weise hatte sie ihn sogar angetörnt!

„Hören Sie, Schwester, es tut mir aufrichtig l…“

„Ich bin keine Nonne!“ Ihre Stimme klang erstickt.

Nun schwieg er. „Oh“, meinte er nach einer Weile. „War ja nur so ein Gedanke.“

Danach sagte er nichts mehr. Was ihn wieder dazu brachte, über seinen fürchterlichen Tag nachzudenken. Er überlegte sich langwierige und ausgeklügelte Foltern für den Delaney-Clan, insbesondere für dieses reiswerfende, mistige kleine Biest. Und seine Ex-Zukünftige – an die konnte er nicht einmal denken, ohne dass er vor Wut fast explodierte.

„Riley?“

Er grunzte zur Antwort, da er in Gedanken bei dem Vertrag zur Gütertrennung und seinem ehemaligen zukünftigen Schwiegervater war. Dem Mann, der ihm erzählt hatte, er könne seiner Tochter nichts abschlagen, nicht einmal die Heirat mit einem dahergelaufenen namenlosen Primitivling wie ihm.

„Meinen Sie, ich sollte woanders nach meinem Abenteuer suchen? Meine zweite Wahl war eine Reise durch das Goldgräberland. Sie wissen schon, all diese Geisterstädte und interessanten Charaktere. Joaquin Murieta, Black Bart …“

Riley schüttelte den Kopf. „Schätzchen, diese Typen sind kein Abenteuer. Die sind doch schon lange tot.“

„Aber ich bin nicht auf der Suche nach Männern!“

Riley verdrehte die Augen. „Natürlich.“

Schmollend verschränkte sie die Arme über der Brust. „Warum glauben Sie mir nicht?“

„Weil ich vielleicht dreißig Jahre alt bin? Und selber ein Mann?“

„Was soll denn das bedeuten?“

„Es bedeutet, dass nach meiner Erfahrung – die nicht gerade gering ist, wenn ich das mal sagen darf – das Abenteuer, das eine Frau sucht, nichts mit historischen Sehenswürdigkeiten, sondern nur etwas mit Männern zu tun hat.“

Sie schwieg.

„Sie können es nicht leugnen“, sagte er knapp.

Eden wand sich. „Ich glaube, alle alleinstehenden Menschen suchen nach Liebe.“

Er schnaubte. „Kommen Sie mir bloß nicht mit Liebe!“ Eine Diskussion über zärtliche Gefühle würde höchstwahrscheinlich damit enden, dass er ihr den vernichtenden Brief zitierte, den er heute bekommen hatte. Und er hatte sich geschworen, nie mehr darüber zu sprechen.

„Tja, also, mein Abenteuer hat nichts mit Männern zu tun. Es geht darum, dass ich allein bin und das tue, was ich will, dass ich mal von den Büchern wegkomme …“

„Sie sind Studentin?“ Vielleicht war sie jünger, als er dachte.

„Nein, ich bin Bibliothekarin.“

Riley lachte. „Das hätte ich wissen müssen.“

„Und was soll das heißen?“

Er machte eine vage Handbewegung. „Wie soll ich sagen? Diese typische Bibliothekarsprödigkeit?“

„Sprödigkeit?“

„Na, Sie wissen schon.“

„Nein, ich weiß nicht.“

Sie klang nicht verärgert, sondern einfach nur neugierig, also versuchte er, es zu erklären. „Ja also, dieses altjüngferliche Kleid … Ihr Haar …“

Sie schwieg.

Er sah zu ihr hinüber und merkte, dass seine letzten Worte wenig diplomatisch gewesen waren. „Sie haben schönes Haar. Aber …“

„Aber?“

Er verzog den Mund. „Aber es hängt irgendwie nur runter.“ Na toll, Smith! dachte er schuldbewusst. Nimm der Frau das Auto und ihr Selbstbewusstsein dazu!

„Oh, danke sehr.“ Sie klang verletzt. „Vielen herzlichen Dank.“ Sie sah aus dem Fenster. „Das muss ja ein toller Tag für Sie sein. Erst brechen Sie einer Frau das Herz und dann der nächsten ihr Selbstwertgefühl.“

„Was meinen Sie denn damit?“

„Was glauben Sie denn, wie die Braut sich gefühlt hat, als Sie sie unmittelbar vor der Trauung haben sitzen lassen?“

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Und das ist noch so ein Problem mit euch Intellektuellen. Ihr denkt, ihr habt alle Antworten.“

„Was soll das schon wieder bedeuten?“

Er sah sie wütend an. „Ich wollte nur ehrlich zu Ihnen sein. So ehrlich wie der kleine Brief, den ich fünf Minuten vor der Trauung bekam. In dem die Braut mir den Laufpass gab.“

Eden biss sich auf die Lippe und musterte Riley von der Seite. Seitdem er diese Bombe hatte hochgehen lassen, dass er der Verschmähte gewesen war, hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt. Sie wollte wissen, wie weit es noch bis zu seinem Hotel war, traute sich aber nicht zu fragen.

Sie seufzte. Mit Männern war sie einfach ungeschickt. Auf beruflicher Ebene gab es kein Problem, aber wenn es um private Kontakte ging, schien sie es nie richtig machen zu können.

Sie strich ihr Haar hinter die Ohren, zog es kurz darauf über ihre Schultern nach vom und zwang sich dann, nicht weiter damit herumzuspielen. Rileys ehrlich ausgesprochenes ‚Aber es hängt einfach nur runter‘ hätte sie nicht wundern müssen. Sie hatte seit Jahren nichts mehr mit ihrem hüftlangen Haar gemacht. Sie wusste, dass es unmodern saß, hatte jedoch keine Ahnung, was sie dagegen unternehmen sollte.

Und was ihre Kleidung anging … Na ja, dafür galt praktisch dasselbe. Sie hatte keinen Sinn für Mode und wusste einfach nicht, was sie kaufen sollte. Ihre Mutter war gestorben, als Eden acht Jahre gewesen war, und ihr Vater hatte eine Folge von Haushälterinnen angewiesen, sie einzukleiden. Es war erstaunlich, aber wahr, dass selbst die exklusivsten Geschäfte eine teure Auswahl an langweiligen Kleidern besaßen.

„In etwa zehn Minuten sind wir da.“

Rileys Worte unterbrachen ihre Gedanken, und sie musterte ihn nochmals verstohlen. Sie konnte kaum glauben, dass eine Frau einen Typen wie ihn sitzen ließ. Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar, das ihm danach leicht zerzaust auf den weißen Kragen fiel. Eden hatte plötzlich das schockierende Bild von wildem Sex auf weißen Laken vor Augen. Sie rutschte unruhig auf ihrem Sitz herum.

„Was ist?“, fragte er.

„Was soll sein?“

„Sie haben so ein komisches Lächeln auf den Lippen.“

„Habe ich das?“ Sie kniff die Lippen zusammen. „Und war das weniger altjüngferlich als mein Kleid?“

Er verzog das Gesicht. „Aua. Sie haben mich erwischt. Könnten Sie mir wohl verzeihen?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Es tut mir leid, Eden.“ Er seufzte. „Das war heute nicht gerade mein bester Tag, und wir werden uns bald verabschieden. Ich möchte mich nicht im Streit von Ihnen trennen.“

Sie nickte. „Also gut, Frieden.“

„Frieden.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.

„Frieden.“ Sie nahm seine Hand.

Und dann ließ er sie nicht wieder los. Eden spürte seine leicht schwielige Handfläche an ihrer, und so wie beim Tanzen hatten sie nicht die geringste Lust, die Hand wieder wegzuziehen. Ihre Nerven schienen sich einen Wettkampf zu liefern, möglichst viele Teile ihres Körpers über dieses Wohlgefühl zu informieren. Plötzlich wurden ihre Lippen trocken, und sie fuhr sich mit der Zunge darüber.

In diesem Moment sah Riley sie an.

„Schön“, sagte er und ließ dann ihre Hand los.

Eden wartete darauf, dass ihr Puls sich beruhigte. Vergeblich.

Riley bog von der Küstenstraße ab und fuhr auf einer gewundenen Straße auf den Strand zu, bis ein diskretes Hinweisschild kam und eine lange Auffahrt, die von blühendem weißen Oleander und rosa Bougainvilleas gesäumt war. Bald konnte Eden einen reizvollen Gebäudekomplex im mediterranen Stil erkennen, weiß, mit Stuck und roten Ziegeldächern, umgeben von tropischen Pflanzen und sauber gemähten Rasenflächen.

Die Auffahrt machte eine Kurve, und Riley fuhr langsamer, als sie auf das größte der Gebäude Zufuhren, ein dreistöckiges Haus mit venezianischen Balkons und einem kleinen Schild neben der Eingangstür, auf dem „Büro“ stand. Eden konnte weder Gäste noch Personal entdecken.

„Wo sind die alle?“, murmelte Riley und hielt an.

Eden und er stiegen gleichzeitig aus. Salzige Luft wehte ihnen ins Gesicht, und außerhalb der getönten Autoscheiben waren die Farben der Gebäude und Blumen noch strahlender.

„Es ist wunderschön hier, Riley.“

Er kniff die Augen zusammen. „Danke“, erwiderte er, offensichtlich in Gedanken versunken. „Danke vielmals.“ Er drehte sich um und ging zum Büro. „Wo sind die nur alle?“

In einiger Entfernung hörte Eden deutlich Mariachimusik. Sie lächelte. „Das klingt wie Livemusik.“

Riley sah sie überrascht an. „Ja, stimmt.“

Die Musik kam langsam näher. Eden drehte sich in ihre Richtung und erblickte einen schmalen Pfad wischen den Gebäuden. Riley schien zu erstarren und hatte plötzlich einen ganz seltsamen, beinahe leidenden Gesichtsausdruck. „Eden, steigen Sie wieder ins Auto“, sagte er schnell.

„Wie bitte?“ Sie runzelte die Stirn. „Aber die Musik gefällt mir.“ Noch während sie sprach, erschien der erste der Musiker, in schwarzer Hose und weißem Rüschenhemd und mit einer riesigen Gitarre.

„Verdammt!“ Rileys Stimme klang verärgert und belustigt zugleich.

Eden ging zu ihm und legte eine Hand auf seinen Arm. „Sind Sie in Ordnung?“ Sie wandte den Blick von den Musikern, die sich im Kreis um sie herum aufgestellt hatten, und sah Riley ins Gesicht.

Er wiederum musterte sie von Kopf bis Fuß. „Sie tragen ein weißes Kleid.“

„Na ja, Elfenbein.“

Er schloss kurz die Augen. „Und ich habe immer noch meinen Smoking an.“

Sie blinzelte. Warum sagte er etwas so Offensichtliches? Sie legte ihm eine Hand an die Wange. Ob er wohl Fieber hatte? „Ja, und?“

Immer mehr Leute kamen den Pfad entlang, die meisten von ihnen in Uniform, und stellten sich hinter der Mariachitruppe auf.

Leichtes Unwohlsein stieg in Eden auf. Die Leute lächelten sie an und sahen aus, als wollten sie ihnen gratulieren. Oh nein!

„Ich habe ein ganz komisches Gefühl, Riley.“

„Ich auch.“

Die eindringlichen Akkorde der romantischen Musik schwebten durch die Luft. Immer noch kamen Leute über den Pfad. Immer noch lächelten alle.

Eden konnte nicht fassen, dass Riley gar nichts unternahm. „Riley“, flüsterte sie und ergriff seine Hand. „Sie denken … Sie glauben …“

„Ich weiß. Beruhigen Sie sich. Wir machen einfach das Beste daraus, und danach werde ich die Sache aufklären. Es ist eine gute Übung, und wenn sie fertig sind, können wir alle darüber lachen.“

Plötzlich jedoch erstarrte er, und alle Gelassenheit schien verflogen. „Verdammt“, murmelte er. „Das ist aber gar nicht lustig. Die Leute von Getaway sind einen Tag früher gekommen.“

Eden sah in dieselbe Richtung wie er. Ein letztes Pärchen kam den Pfad entlangspaziert – sie in einem feinen Kostüm und er mit zwei Kameras über den Schultern und einer dritten in der Hand. Er deutete auf Riley und Eden.

Jubel brach aus, als zwei der uniformierten Männer ein weißes Banner mit roten Buchstaben entfalteten. Eden stöhnte und sah zu Riley hinüber. „Herzlichen Glückwunsch. Mr und Mrs Smith?“, flüsterte sie entsetzt.

Er drehte sich zu ihr, sein Gesicht eine einzige Bitte um Entschuldigung.

„Küssen! Küssen!“, jubelte die Menge.

Die Zeit schien stillzustehen, als Riley sie anblickte. Mit diesen goldenen Augen voller Wärme und Humor. Eden hörte das Klicken der Kameras und weitere Rufe. „Küssen! Los, die Braut küssen!“

Die Musiker spielten noch immer, und die verführerischen Klänge ließen Eden wie angewurzelt stehen bleiben. Riley hatte plötzlich einen ganz anderen Ausdruck im Gesicht. Zärtlichkeit? Bedauern? Unsicherheit? Und auf einmal waren seine Augen ganz, ganz nah.

„Küssen! Küssen! Küssen!“

„Aus irgendeinem verrückten Grund scheint das jetzt eine gute Idee zu sein“, sagte er. Und beugte sich über sie.

3. KAPITEL

Edens Mund – dieser schöne Mund, der Riley schon in der Bar aufgefallen war – schmeckte so süß wie Himbeeren. Bei seiner Berührung begannen ihre Lippen zu zittern, und er schob seine Zunge dazwischen, um noch mehr von ihrer Süße zu kosten.

Sein Puls erhöhte sich schlagartig, und während er den Kuss ausdehnte, dabei Edens Wange streichelte und langsam mit den Fingern über ihren Hals glitt, spürte er dort denselben pochenden Rhythmus. Sie gab einen unterdrückten Laut von sich, der fast wie ein Schnurren klang, und kurz darauf nahm er wieder alle anderen Geräusche um sich herum wahr. Er hörte die letzten Akkorde der Gitarren, die neckenden Oho-Rufe und immer wieder das Klicken der Kamera.

Riley zwang sich, den Kuss zu beenden, und zog die vollkommen verwirrte Eden in seine Arme. Aber er selbst konnte auch nicht klar denken. Warum hatte er sie nur geküsst?

Während die Musiker das nächste Lied anstimmten, überlegte er, dass all die unerwarteten Ereignisse dieses Tages seinen Verstand benebelt haben mussten. Das strahlende Lächeln seiner Angestellten und auch der beiden Getaway – Mitarbeiter verrieten, dass alle Eden für seine Frau hielten. Und dieser verdammte Kuss hatte ihre Überzeugung natürlich bestätigt.

Obwohl seine echte Fast-Ehefrau nie im Casa Luna gewesen war, hatte sie einige Male seinen Partner Miguel getroffen. Und der Ausdruck in dessen Gesicht verriet ihm, dass er Eden sofort als die falsche Braut identifizierte.

Miguel schüttelte ihm die Hand. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte er fröhlich und fügte flüsternd hinzu: „Was geht hier vor?“

Der Fotograf schoss noch immer ein Bild nach dem anderen, also setzte Riley sein strahlendstes Lächeln auf. „Ich habe nicht geheiratet“, flüsterte er zurück. „Warum sind die Getaway – Leute heute schon gekommen? Und was soll dieses Spektakel?“

Miguel klopfte Riley auf die Schulter. „Nur eine kleine Überraschung, die wir uns für dich ausgedacht haben. Das Getaway – Team hat in letzter Minute beschlossen, deine Ankunft hier zu dokumentieren, und da haben wir die Sache eben ein wenig ausgebaut. Wer ist sie denn?“ Er nickte in Edens Richtung.

Riley stellte die beiden kurz vor, und Miguel küsste sie auf die Wange. Eden schien vollkommen verstört.

Miguel setzte sein Willkommenslächeln auf und murmelte: „Was machen wir jetzt? Diese Journalisten haben dich mit deiner Braut erwartet, und nun haben sie Bilder von … ja, wovon eigentlich?“

Riley fiel dazu keine Antwort ein. „Wir sollten uns schnell etwas ausdenken.“

Miguel lächelte noch immer. „Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder schlagen wir uns die gute Werbung durch Getaway aus dem Kopf, oder du hast gerade eine neue Braut gefunden“, raunte er Riley ins Ohr.

„Erzähl mir was Neues.“ Natürlich hatte Riley in dem Moment, da er die Reporter entdeckte, dasselbe gedacht. Wahrscheinlich hatte ihn das auch dazu verleitet, Eden zu küssen.

Eine neue Braut. Er blickte auf die Frau hinunter, die er immer noch im Arm hielt. Könnten sie das durchziehen? Die Leute von Getaway hatten nie nach dem Namen seiner Zukünftigen gefragt.

Schnell traf Riley eine Entscheidung. „Miguel, könntest du Eden und mich schnell irgendwo hinzaubern, wo wir einen Augenblick ungestört sind?“ Eden hatte doch selbst gesagt, sie sei auf Abenteuer aus. Es konnte doch nicht allzu schwer sein, sie davon zu überzeugen, dass ein paar Flittertage weitaus abenteuerlicher waren als eine Reise zu Kaliforniens Missionsstationen.

„Also, was hatte das da draußen zu bedeuten?“, fragte Eden. „War das irgend so ein dummer Scherz?“

Nervös trat Riley von einem Fuß auf den anderen. „Nein, kein Scherz.“ Er deutete auf die Couch im Wohnzimmer der Luxussuite, in die er sie geführt hatte, und nahm sie bei der Hand. „Möchten Sie sich vielleicht setzen?“

Doch Eden trat einen Schritt zurück. „Ich würde gern wissen, was hier los ist.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Und kein Anfassen oder Küssen! Das hat mich so irritiert, dass ich auch noch mit Ihnen hierher gegangen bin.“

„Irritiert?“ Riley schmunzelte. „Ich glaube nicht, dass eine Frau jemals so auf mich reagiert hat.“

„Hm.“ Eden bezweifelte keine Sekunde, dass Riley eben diesen Effekt auf eine ganze Reihe von Frauen gehabt hatte, die jedoch im Gegensatz zu ihr zu erfahren waren, es zuzugeben.

„Okay, Sie wollen also wissen, was hier los ist …“

Eden biss sich auf die Lippe. Wollte sie das wirklich? Seit sie diesen Mann heute zum ersten Mal erblickt hatte, war nichts mehr nach Plan verlaufen. Und natürlich hätte sie nie erwartet, geküsst zu werden …

Denk nicht an diesen Kuss! befahl sie sich. Allein die Erinnerung daran ließ sie vor Wonne erschauern. Das kam vermutlich, weil sie noch nie so sanft und gleichzeitig intensiv geküsst worden war. Oder weil sie noch nie von einem Mann mit Format geküsst worden war. Sie seufzte. Sie musste diese Anziehung, die Riley auf sie ausübte, unbedingt unterdrücken.

Oder schleunigst fliehen.

„Ich denke, ich gehe jetzt“, sagte sie mit fester Stimme. „Eine Erklärung ist nicht nötig. Ich möchte nur meine Autoschlüssel und eine Beschreibung, wie ich wieder zurück auf die Küstenstraße komme.“ Riley verzog das Gesicht. „Ihre Missionen warten, hm?“

Eden streckte die Hand aus. „Geben Sie mir die Schlüssel.“

Da klopfte es an die Tür, und auf Rileys „herein“ kam eine junge Frau in Hoteluniform und überreichte einen riesigen Präsentkorb mit Früchten. „Guten Tag. Das ist für Sie.“

Riley zog Edens Hand an den Mund. „Danke, Lisa“, sagte er und hauchte einen Kuss auf Edens Fingerspitzen.

Eden versuchte, ihr Zittern vor Riley und der freundlichen Lisa zu verbergen, die den Korb abstellte und zu den abgedunkelten Fenstern hinüberging. „Soll ich die Vorhänge aufziehen? Oder …“, sie lächelte wissend, „wollen Sie lieber ein wenig für sich sein?“

„Aufziehen …“

„Zulassen …“

Riley und Eden sprachen gleichzeitig.

Das Zimmermädchen kicherte. „Ich überlasse die Entscheidung Ihnen.“ Als sie beim Hinausgehen einen letzten Blick auf die beiden warf, drückte Riley noch einen Kuss in Edens Hand.

Die Tür wurde zugezogen, und Eden befreite ihre Hand. „Was soll das? Ich wollte die Schlüssel und keine Küsse.“

Als er sich nicht rührte, sah sie ihn entschlossen an und räusperte sich. „Riley, die Schlüssel.“

Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Tut mir leid, aber die habe ich Miguel gegeben. Er wollte den Wagen auf den Parkplatz fahren.“

Eden seufzte. „Na gut. Dann sagen Sie mir, wo …“

Wieder klopfte es, und wieder bat Riley den Besucher schnell herein. Diesmal war es ein junger Mann in schwarzer Hose und schwarzer Weste, der Champagner in einem Eiskübel und zwei Kristallgläser hereinbrachte. „Ein Geschenk von der Bar.“

Riley lächelte. „Sagen Sie allen besten Dank, ja?“ Er sah zu Eden. „Möchtest du ein Glas, Liebste? Ich hätte Lust auf Champagner.“ Warum nennt er mich „Liebste“? dachte Eden. Sie verschränkte die Arme über der Brust. „Nein, danke.“

Mit einem verständnisvollen Mann-zu-Mann-Blick entkorkte der Barkeeper den Champagner und schenkte Riley ein Glas ein. „Sind Sie sicher, dass Sie nichts möchten, Ma’am?“

Eden lächelte. „Nein, danke. Aber wenn Sie mir sagen könnten, wo ich den Parkplatz finde …“

Der Mann hob erstaunt die Augenbrauen und sah zu Riley. „Das ist der überdachte Platz neben dem Hauptgebäude.“

„Vielen Dank.“ Eden nickte. „Wenn die Herren mich bitte entschuldigen wollen …“

Riley stellte sich schnell neben Sie und nahm ihre Hand. „Ich werde dir gern alles zeigen, meine Teuerste.“

Wie bitte? „Teuerste“?

Er gab dem Mann sein Champagnerglas zurück. „Wir werden bald wieder hier sein und uns den Rest der Flasche schmecken lassen.“ Er schob Eden zur Tür.

„Seien Sie da nicht so sicher“, rief sie dem Mann über die Schulter zu.

„Was haben Sie vor?“, flüsterte Riley, als sie wieder draußen in der warmen Nachmittagssonne waren. „Wollen Sie alles auffliegen lassen?“

„Was, alles?“ Sie seufzte. „Ach, lassen Sie es. Ich will es ja gar nicht wissen.“

Riley hielt ihre Hand fest umschlossen. „Miguel und mir gehört dieses Hotel. Wir haben es vor ein paar Monaten gekauft.“

Eden nickte und versuchte, sich durch den Druck seiner kräftigen Finger nicht zu sehr aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Leute von der Zeitschrift Getaway sind hier, um einen Artikel über das Casa Luna zu schreiben.“

„Getaway?“ Eden blieb stehen. Sie kannte das angesehene und einflussreiche Reisemagazin. Tatsächlich hatte es erst vor Kurzem einen Artikel über die Whitney-Bibliothek veröffentlicht.

„Ja“, bestätigte Riley. Er zog sie zu einem Pfad, der vom Hauptgebäude wegführte. Plötzlich lag ein abgeschiedener Swimmingpool mit schwarzem Boden, Wasserfall und tropischen Pflanzen vor ihnen.

„Wow!“ Eden war ganz hingerissen von diesem schönen Plätzchen. Der Pool sah nicht nur kühl und einladend aus, sondern man hatte von der Sonnenterrasse auch einen wunderbaren Blick auf den glitzernden Pazifik.

Riley lächelte. „Es gibt drei Pools im Casa Luna, aber dieser ist mein Lieblingspool.“ Er zog Eden in seine Arme und legte seine Stirn gegen ihre.

Eden blinzelte, und ihr Herz begann zu rasen. „Was …“

„Pscht. Da kommt jemand.“

Hinter sich hörte sie Schritte. „Okay, ich gebe auf“, flüsterte sie. Sie atmete durch den Mund ein, um seinen männlichen Duft nicht wahrnehmen zu müssen. „Also, was wird hier gespielt?“

Getaway bringt einen Bericht über meine Ritterwochen. Das ist der Aufhänger für den Artikel über Casa Luna. „Verliebter Besitzer in eigenem Hotel’ oder so etwas.“ Die Schritte entfernten sich, und Riley ließ Eden los. „Jetzt sind wir in Sicherheit.“

Sie starrte ihn an. Wie konnte sie in Sicherheit sein, wenn ihr Puls raste und jeder Teil ihres Körpers, den er berührt hatte, vor Erregung kribbelte? Sie versuchte nachzudenken. „Und jetzt haben Sie niemanden mehr für Ihre Ritterwochen“, sagte sie langsam.

„Und die Werbung durch Getaway werde ich auch nicht bekommen. Es sei denn, ich finde eine Braut.“

„Nein!“ Eden hob abwehrend die Hände. „Nein, keine Chance.“ Riley streckte seine Hand aus und berührte sanft ihre Wange mit den Fingerspitzen. „Warum nicht? Sie sagten doch, Sie wollten ein Abenteuer. Und die denken sowieso schon, dass wir verheiratet sind.“ Sie achtete nicht weiter auf das durch seine Berührung ausgelöste Prickeln ihrer Haut. „Ein Abenteuer, ja, aber nicht, dass ich bei einem wildfremden Mann die Braut spiele. Sie müssen eben allen die Wahrheit sagen.“

„Nun kommen Sie schon. Dafür bekommen Sie ja auch einen Bräutigam.“ Er lächelte. „Und Sie sagten bereits, dass Sie das Hotel schön finden.“

Abrupt zog er sie wieder in die Arme. Eine Minute lang lehnte sie sich an ihn und tat so, als sei alles echt. Aber auch sie hörte die Schritte.

„Wäre es nicht lustig, eine Weile meine Frau zu sein?“, flüsterte Riley.

Eden bekam weiche Knie. Sie hörte Musik in ihrem Kopf erklingen – Trommeln und Gesang. Ein schlichter Aufruf zum Abenteuer. Ja, dies war ihre Chance. „Wirklich? Könnten Sie sich mich denn als Mrs Smith vorstellen?“ Der Gedanke war aufregend und erschreckend zugleich.

Sein Atem strich über ihre Schläfe. „Werden Sie es tun?“ Die Schritte wurden leiser, und er entließ sie aus der Umarmung.

Eden bekam wieder richtig Luft. Was tat sie da nur? Wie konnte er auch nur eine Minute lang annehmen, dass sie bei so etwas mitmachen würde? „Das ist lächerlich. Natürlich werde ich das nicht tun“, sagte sie in ihrer entschlossensten „Nachschlagewerke dürfen nicht verliehen werden“-Stimme.

Er runzelte die Stirn und wand sich ab, um den Ozean zu betrachten. Minuten vergingen. Eden hörte das Rascheln der Vögel in den Büschen und die entfernten, heiseren Schreie der Seemöwen.

„Sie haben vermutlich recht“, meinte er schließlich resigniert. „Es würde ohnehin niemand glauben.“

Dieser Satz musste jede Frau mit einer gewissen Portion Selbstachtung empören! Und Eden mochte zwar eine ziemlich weltfremde junge Frau sein, aber Selbstachtung hatte sie. „Und was soll das nun wieder heißen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Niemand würde glauben, dass Sie mich geheiratet haben. Sie sind Bibliothekarin. Sie tragen … Sie sehen aus wie …“ Er machte eine vage Handbewegung.

Das alles hatte er schon auf der Fahrt hierher erläutert. Es verletzte ihren Stolz. „Und ob ich Ihre Braut sein könnte!“

Riley drehte sich um und musterte sie mit kritischem Blick. „Na, ich weiß nicht … Ich brauche eine Frau, die draufgängerischer ist, impulsiver …“

Eden schürzte die Lippen. Sie hatte heute bereits mehr impulsive Entscheidungen getroffen als sonst in einem ganzen Jahr, und er hielt sie dennoch für nicht gut genug. „Und ich kann es doch!“, entgegnete sie störrisch.

Er schien nachzudenken. „Ich brauche das ganze Drum und Dran, Schätzchen. Eine Frau, von der die Leute überzeugt sind, dass ich sie geheiratet habe. Eine Frau, die aussieht, als hätte sie auch sexuell etwas auf dem Kasten. Eine Frau, die ein bisschen verrucht wirkt.“

Eden wurde es plötzlich ganz heiß. Oh, wie sehr wünschte sie sich, nur ein einziges Mal ein bisschen verrucht zu sein! Wenn sie ihn nur überzeugen könnte … Sie würde ihm und sich selbst beweisen, dass Eden Whitney mehr konnte, als Bücher abzustauben und belesen auszusehen. „Hören Sie, ich wollte es Ihnen vorher nicht sagen, aber … aber …“

„Aber was?“

Sie überlegte blitzschnell. „Nun, was ich da anhabe und wie ich aussehe, das ist wie eine Verkleidung.“

„Eine Verkleidung?“

„Ich bin Bibliothekarin. Und ich liebe meinen Beruf.“ Sie holte tief Luft. „Aber in Wirklichkeit will ich nur meinen Spaß.“ Die Worte sprudelten einfach aus ihr heraus.

Er hob skeptisch eine Augenbraue. „Sie sind also eine Frau, die ihren Spaß will?“

„Ja“, erwiderte sie mutig. „Genauso ist es. So wie jetzt muss ich bei der Arbeit herumlaufen, damit man mich ernst nimmt, aber die übrige Zeit … Vertrauen Sie mir einfach. Ich könnte die heißeste Braut sein, die jemals Flitterwochen hatte.“ Als Beweis ihrer Entschlossenheit zog sie den schlichten Ehering ihrer Großmutter von der rechten Hand und steckte ihn auf den linken Ringfinger.

Eden hörte wieder jemanden kommen. Riley sah sich um, und Eden warf sich elegant an ihn und schlang die Arme um seinen Nacken. „Siehst du“, flüsterte sie, „dies ist mein wahres Ich.“ Ihr Herz raste, während sie ihren Kopf hob und Riley einen Kuss auf das kantige Kinn gab. Und noch einen.

Riley murmelte etwas Unverständliches, legte aber die Arme um ihre Taille.

„Das wahre Ich“, wiederholte sie, vor lauter Aufregung plötzlich ganz heiser. Sie küsste erneut sein Kinn, und dieses Mal strich sie ihm mit der Zunge über die Haut, um ihn zu schmecken. Du meine Güte! Er schmeckte nach Salz, nach Haut, nach Mann! „Ist das nicht überzeugend genug?“

Riley stieß einen Laut aus, der wie ein Stöhnen klang. Auf einmal verspürte Eden ein Gefühl der Macht, das sie erregte. Sie legte ihre Hände auf sein Hemd. „Ich kann es, Riley. Wir ziehen das durch.“ Noch ein Kuss auf sein Kinn.

Zeit verging. Sie sog erneut seinen männlichen Duft ein, genoss den Geschmack seiner Haut auf ihrer Zunge. „Sag ja“, flüsterte sie.

„Ja.“ Riley umarmte sie.

„Ja?“, wiederholte Eden. Himmel, worauf ließ sie sich da nur ein!

„Ja, ich glaube, wir schaffen das.“ Er grinste. „Du und ich, Eden, meine fröhliche, abenteuerlustige und hemmungslose Braut.“

Hemmungslos? Eden begann leicht zu zittern. Von „hemmungslos“ hatte sie nie etwas gesagt …

Eden machte mit! Riley atmete auf. Er war ein wenig erstaunt gewesen über ihr „Ich will nur meinen Spaß“, doch im Nachhinein betrachtete erschien es ihm plausibel. Eine verklemmte, altmodische Bibliothekarin hätte nie einen fremden Kerl vor einer reiswerfenden Hochzeitsgesellschaft errettet.

Ihm fiel ein, dass sie ja von Anfang an gesagt hatte, sie sei auf Abenteuer aus. Nur diese komische Reise zu den Missionen, wie passte die dazu?

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, dachte Riley. Er hatte seine Braut. Dem Himmel sei Dank!

Er hielt ihre schmale Hand fest und führte Eden durch die Anlagen des Casa Luna. Sie besichtigten die anderen beiden Pools, das Restaurant, den kleinen Nachtclub und die abgeschieden gelegenen Apartmenthäuschen, die besonders idyllisch waren.

Stolz erfüllte ihn, als er durch das üppige Buschwerk auf die Treppe zeigte, die zum Strand hinunterführte. Diese Hotelanlage lag deutlich um Klassen höher als die Bars, die er besaß. Er spürte zwar, dass dort seine Wurzeln lagen, aber sein Herz schlug fürs Casa Luna. Ein Erfolg dieses Unternehmens würde bedeuten, dass er sich ein ganz schönes Stück hochgearbeitet hatte.

„Wo sind denn all deine Gäste?“, wollte Eden wissen, als sie am Tennisplatz vorbeikamen. „Die meisten Leute, die ich gesehen habe, sind Angestellte.“

Riley schmunzelte. „‚Luna‘ ist das spanische Wort für ‚Mond‘. Und das Casa Luna ist …“

„Das Haus des Mondes“, fuhr Eden fort.

„Richtig. Dies ist ein Honigmondhotel. Für Paare in den Flitterwochen …“

Eden war überrascht. „Ich dachte, so was gäbe es nur in Las Vegas. Haben die Zimmer denn herzförmige Betten und Badewannen?“

Riley lachte. „Nein, hier gibt es Flitterwochen im kalifornischen Stil. Privatsphäre, Pools, Strand und Livemusik, wenn die Paare abends in den Nachtclub gehen möchten.“

„Und ein Hotel nur mit Brautpaaren kann immer voll belegt sein?“

Er schüttelte den Kopf. „Das ist keine Voraussetzung, um ein Zimmer oder ein Häuschen zu bekommen. Wir wollen nur dato bekannt sein. Wir haben sogar Sonderpreise für Leute, die ein zweites Mal kommen.“

„Leute in ihren zweiten Flitterwochen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht Leute, die ein zweites Mal geheiratet haben.“

Eden blieb stehen und zog ihre Hand aus seiner. „Das ist aber eine ganz schön zynische Einstellung.“

Riley sah sie an. Sie meinte es ernst, also verkniff er sich das Lachen. Hatte er eine zynische Einstellung zur Ehe? Natürlich. Seine Eltern waren nie verheiratet gewesen, und er selbst … nun, er war gerade kurz vor dem Altar in die Wüste geschickt worden. „Ich vermute, du hast recht. Ich glaube nicht unbedingt an lange glückliche Ehen.“

„Und warum wolltest du dann heute heiraten?“

„Lass uns über etwas anderes reden“, meinte er abrupt.

„Worüber denn?“

Riley nahm sie bei der Hand und zog Eden in Richtung ihrer Hochzeitssuite. „Zum Beispiel darüber, wie ich mich für diesen riesengroßen Gefallen revanchieren kann, den du mir tust.“

„Ach, übrigens“, sagte sie schnell, um die plötzlich auftauchenden, deutlichen Bilder über seine Möglichkeiten der Revanche zu vertreiben, „wie lange soll der ganze Zauber denn dauern?“

„Vier oder fünf Tage. Die Getaway – Leute werden ein paar Fotos von uns machen. Und Miguel und ich erzählen ihnen alles über das Casa Luna.“

Eden biss sich auf die Lippe. „Und was ist, wenn sie mir Fragen stellen und mehr über mich wissen wollen?“

„Mach dir keine Sorgen. Sie wollen eine Story über das Hotel und nicht über uns.“ Er war überzeugt, dass der einzige Mensch, der Eden besser kennenlernen wollte, er selbst war.

Er sah ihr in die Augen, die so tief und dunkelblau waren wie die Nacht, und spürte Erregung in sich aufsteigen. Wie vorhin, als er mit ihr getanzt hatte. Als er sie geküsst hatte. Und als sie ihn geküsst hatte. Oh ja, er wollte sie besser kennenlernen.

Aber natürlich nur, um herauszufinden, wie er sich angemessen bei ihr bedanken konnte.

„Glaubst du wirklich, die Sache läuft?“ Miguel warf Riley über den Servierwagen hinweg einen skeptischen Blick zu.

Riley hob einen Warmhaltedeckel hoch und atmete den würzigen Duft von Huhn mit Rosmarin und neuen Kartoffeln ein. „Na klar.“ Miguel schien nicht überzeugt. „Und was ist mit ihr?“ Er nickte in Richtung des Schlafzimmers.

Durch die halb geöffnete Tür konnte Riley sehen, wie Eden einen Stapel Kleider aus ihrer Reisetasche nahm. Obwohl er sich inzwischen in bequeme Jeans und T-Shirt aus seiner im Casa deponierten Tasche geworfen hatte, trug sie noch immer ihr weißes Aschenputtelkleid. Ihre Tarnung, erinnerte er sich. „Sie wird schon klarkommen.“

„Na, ich weiß nicht recht.“

Etwas in Miguels Stimme irritierte Riley. „Was meinst du damit?“

„Na ja, das Personal tuschelt ein bisschen. Sie wundern sich ziemlich über deine Wahl.“

Riley zuckte mit den Schultern und betrachtete prüfend das Etikett auf der Weinflasche. „Was stimmt nicht mit ihr?“

„Ich sage nicht, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Sie sieht nur nicht aus wie eine glückliche Braut auf der Hochzeitsreise.“

Riley reckte den Hals, um Eden sehen zu können. In ihrem Kleid und mit der langweiligen Frisur wirkte sie tatsächlich nicht aus wie die lebenslustige Frau, die sie vorgegeben hatte zu sein. „Sie ist auf Abenteuer aus. Und wir haben eins für sie.“

„Dann wird sie also in ein paar Tagen wieder abreisen?“

Riley nickte. „Genau.“

„Und bis dahin? Wie weit willst du in deinen ‚Ritterwochen‘ gehen?“

Riley spürte ein seltsames Kribbeln im Magen. „Darüber haben wir noch nicht gesprochen.“

„Ihr habt nicht darüber gesprochen? Du hast ihr also nicht klipp und klar gesagt, dass es nur eine vorgetäuschte Hochzeitsreise ist? Dass sie nicht richtig mit dir ins Bett gehen muss?“

Riley murmelte etwas.

„Wie bitte?“

„Vielleicht will ich ja, dass sie mit mir ins Bett geht.“

Miguel schnaubte. „Riley, du hättest heute heiraten sollen. Und jetzt denkst du daran, mit einer anderen ins Bett zu hüpfen?“

Riley versuchte, sich schuldig zu fühlen. Er bemühte sich, das Gesicht seiner echten Braut heraufzubeschwören. Doch weder das Gefühl noch das Bild stellten sich ein. „Miguel, ich denke an nichts anderes, als diese Show durchzuziehen“, log er. „Du kannst mir glauben.“

Mit ungläubigem Gesichtsausdruck verließ Miguel die Suite.

Riley runzelte die Stirn und starrte auf den Servierwagen. Er und Eden sollten wohl besser ein paar Regeln für diese Ritterwochen aufstellen. Und obwohl ihn ihre Augen, ihr Lächeln, ihr Körper, den er unter dem sackförmigen Kleid erahnte, unheimlich erregten, wusste er, dass er lieber nicht mit ihr schlafen sollte. Er mochte ein bisschen wild sein, ein bisschen verrucht, aber er war nicht dumm.

Doch was für Erwartungen hatte Eden? Beim Essen versuchte er, das herauszufinden. Sie sagte nicht viel und warf ihm über den Esstisch hinweg Blicke zu, die er nicht deuten konnte. War sie nervös? Oder flirtete sie mit ihm?

Vielleicht erwartete eine abenteuerlustige Frau, die sich dazu bereit erklärt hatte, seine Braut zu spielen, etwas Bestimmtes von ihm? Sein Puls begann zu pochen, und das Blut schoss ihm in die Lenden. Wie sah sie wohl ohne dieses komische Kleid aus?

Sie legte ihre Gabel beiseite und warf ihm erneut einen rätselhaften Blick zu. „Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett.“

Riley räusperte sich. „So früh? Willst du keinen Nachtisch mehr?“

Zwei Stücke hausgemachter Käsekuchen standen auf dem Tisch, übergossen mit frischer Himbeersoße. Riley musste an ihren Kuss denken. An ihren Geschmack. Er blickte auf ihren Mund, und sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als hätte sie dasselbe gedacht.

„Ich hoffe, du hast es bequem“, sagte er. „Fühl dich hier wie zu Hause.“

Sie schluckte. „Ich bin sicher, ich werde mich wohlfühlen. Ich muss nur endlich dieses Kleid loswerden.“

Sie wurde rot und stand auf. Sekunden später war sie im Schlafzimmer und zog die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich zu.

Riley leerte sein Weinglas und schenkte sich nach. Seine Gedanken rasten. Waren ihre letzten Worte eine Einladung gewesen? Er dachte wieder an ihre schönen blauen Augen, dieses verlockende und geheimnisvolle Saphirblau.

Dies ist meine Hochzeitsnacht, schoss es ihm durch den Kopf. Er lauschte angestrengt und konnte sie im Schlafzimmer umhergehen hören. Er stellte sich vor, wie sie ihre Schuhe auszog und das Kleid, sich ihr Haar bürstete, das ihr über die Brüste und die Taille fiel …

Abrupt schob er seinen Stuhl zurück. Sie will mich, dachte er. Sie war einverstanden, meine Braut zu spielen, oder etwa nicht? Und wenn sie mich will, will ich sie auch.

Autor

Leandra Logan
Schon in ihrer Kindheit hat Leandra geschrieben. Sie war überrascht, 1986 ihren ersten Jugendroman zu verkaufen. Seitdem hat sie viele Bücher veröffentlicht. Sowohl für Teenager als auch für Erwachsene. Ihre Bücher stehen regelmäßig auf den Bestsellerlisten von B.Dalton oder Waldenbooks und sie sind für mehrere Awards nominiert gewesen. Leandra Logan...
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