Tiffany Exklusiv Band 35

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

HEIßE KÜSSE UNTER PALMEN von KAUFFMAN, DONNA
Nie zuvor hat Sean Gannon eine Frau wie Laura getroffen! Die dunkelhaarige Schönheit hat ihm komplett den Kopf verdreht. Doch nach einer leidenschaftlichen Nacht im Inselparadies St. Thomas reist Laura Hals über Kopf ab. War Sean bloß ein One-Night-Stand für sie?

LIEBE UNTER TAUSEND STERNEN von VERGE, LISA ANN
Ein Kanutrip durch die kanadische Wildnis? Casey ist verunsichert. Soll sie Dylan MacCabe begleiten? Nach kurzem Zögern steht Caseys Entscheidung fest: Wagemutig stürzt sie sich in das größte Abenteuer ihres Lebens - und findet etwas, das sie längst verloren glaubte …

VIER NÄCHTE IM PARADIES von BROADRICK, ANNETTE
Steve ist schockiert! Vor seinem Bett stehen drei Männer und fordern ihn auf, mit nach Texas zu kommen. Der Grund: ihre Schwester Robin, mit der Steve eine heiße Affäre auf San Saba Island hatte. Aber wozu? fragt sich Steve. Schließlich will Robin nichts mehr von ihm wissen!


  • Erscheinungstag 26.05.2015
  • Bandnummer 0035
  • ISBN / Artikelnummer 9783733750190
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Donna Kauffman, Lisa Ann Verge, Annette Broadrick

TIFFANY EXKLUSIV BAND 35

DONNA KAUFFMAN

Heiße Küsse unter Palmen

Völlig überarbeitet unternimmt Richterin Laura einen Kurztrip auf die exotische Karibikinsel St. Thomas. Als sie den attraktiven Sean Gannon kennenlernt, knistert es gewaltig. Auf heiße Küsse folgt leidenschaftlicher Sex. Doch dann heißt es Abschied nehmen, denn zu Hause in Beauregard wartet ein gefährlicher Fall auf Laura! Wird sie Sean je wiedersehen?

LISA ANN VERGE

Liebe unter tausend Sternen

„Super!“ Dylan MacCabe ist begeistert! Casey Michaels hat eingewilligt, ihn auf seiner Reise durch die kanadische Wildnis zu begleiten. Dumm nur, dass die sexy Journalistin sein Blut derart in Wallung bringt, dass er bald nur noch Augen für sie hat. Doch Casey gibt sich betont zugeknöpft. Aber Dylan lässt nicht locker: Er will Casey – um jeden Preis!

ANNETTE BROADRICK

Vier Nächte im Paradies

Robin kann ihrem Schiff nur noch hinterherschauen – und erblickt Steve Antonelli. Ansonsten von ihren drei überfürsorglichen Brüdern bewacht, wittert Robin ihre Chance: eine Affäre ohne Vorschriften und Tabus! Fünf wundervolle Tage genießt Robin Steves Zärtlichkeiten unter tropischer Sonne. Was sie nicht ahnt: Ihr amouröses Abenteuer hat dramatische Folgen …

1. KAPITEL

„Wer hätte gedacht, dass ich der Erste von uns Brüdern sein werde, der heiratet?“ Brad Gannon schlang einen Arm um die Schultern seines älteren Bruders.

Sean grinste. „Na ja, Clay ist zu sehr damit beschäftigt, sich mit sämtlichen Cheerleaderinnen der Universität von Louisiana zu verabreden. Und ich wusste immer, dass ich nicht als Erster von uns heiraten würde.“

„Ja, es ist ja, als wärst du bereits verheiratet. Wie behandelt dich dein Job als Marshal denn so?“, neckte Brad ihn. „Ist es immer noch so aufregend wie damals, als du frisch verliebt warst? Können wir damit rechnen, bald das Trippeln kleiner Spezialagenten zu hören?“

„Ja, sobald ich mit meiner Klasse draußen in Beauregard fertig bin. Ich bin sicher, dass ich sehr stolz auf die Jungs sein werde, nachdem ich sie ausgebildet habe. Wenn nicht, können sie was erleben“, erwiderte Sean.

„Ich bin froh, dass ich es nicht nötig habe, dich zu beeindrucken“, entgegnete Brad.

Sean blickte zu Haley hinüber. Sie wirkte sehr glücklich. „Das hast du bereits“, erklärte er ernst. „Aber ich hätte gedacht, dass du dich vorher noch viel länger umsehen würdest.“

„Das hätte keinen Unterschied ausgemacht“, meinte Brad.

Sean sah noch mal zu der strahlenden Braut. „Jedenfalls hast du eine tolle Wahl getroffen.“ Dann bemerkte er, dass Brad Hailey, die er vor knapp einer Stunde geheiratet hatte, verliebt anstarrte.

Brad fiel auf, dass sein Bruder die Stirn runzelte. „Ist es seltsam für dich? Ich meine, weil du doch früher mal mit ihr ausgegangen bist. Allerdings ist das eine Ewigkeit her.“

„Und ich nehme an, deine Gefühle für sie waren damals nur eine jugendliche Schwärmerei?“, konterte Sean.

„Das einzig Jugendliche daran war meine Unfähigkeit, Haley schon damals festzuhalten. Aber ich war immer in der Lage, etwas Gutes zu erkennen, wenn ich es sah.“

„Im Gegensatz zu mir, nehme ich an“, gab Sean halb ernst, halb scherzhaft zurück.

„Hey, ich denke, ich habe uns beiden einen Gefallen getan. Haley wollte nicht den U. S. Marshals Service heiraten. Und irgendwann bin ich ja erwachsen geworden und habe gelernt, das Gute festzuhalten.“

„Ja.“ Sean sah wieder zu Haley hinüber, die sehr ruhig wirkte mitten zwischen den lauten Mitgliedern der Gannon-Familie. „Ich freue mich für dich, Brad. Und ich hoffe, dass du noch anderen Nachwuchs produzieren wirst als den vierbeinigen, mit dem du arbeitest.“

„Sehnst du dich etwa danach, Onkel zu spielen? Reicht dir Carlys Baby nicht?“

„Das jagt mir Angst ein“, erklärte Sean.

„Ja, ich weiß. Wie kann etwas so Winziges so laut sein?“

Aber es war nicht das Brüllen, das Sean zu schaffen machte. Er hatte an die perfekten kleinen Finger und Zehen gedacht. Wie sollte ein Mann so ein kleines Wesen halten können, ohne es zu zerbrechen? Doch seine jüngere Schwester schien damit umzugehen, als wäre sie dazu geboren. Von den fünf Gannon-Geschwistern war sie diejenige, die sich am besten für diese Aufgabe eignete. Allerdings würde es wohl nicht lange dauern, bis Brad und Haley ebenfalls ein Kind hatten. Brad hatte immer Tiere geliebt. Deshalb trainierte er auch Rettungshunde. Und die Tiere liebten ihn. Sean fand, dass Brad dadurch auch als Vater qualifiziert war.

„Ha“, sagte Brad jetzt. „Du glaubst, wenn Haley und ich für Nachwuchs sorgen, werden Mom und Dad vergessen, dass ihr Ältester noch nicht verheiratet ist. Viel Glück.“

„Ach, wir hetzen sie einfach auf Clay.“

„Soll das ein Witz sein? Er ist selber noch ein Baby.“

„Das ist wahr.“ Sean lachte.

„Du denkst also immer noch daran, den Job in Camp Beauregard anzunehmen? Du willst Leute für dein Land ausbilden?“

Tatsächlich hatte Brad sich schon mehr oder weniger dazu entschlossen, aber er wollte es im Moment noch nicht der ganzen Familie mitteilen. Schließlich war dies Brads und Haleys großer Tag. „Ich denke noch darüber nach.“

„Du wärst näher bei deiner Familie. Und Carly würde es sicher gefallen, wenn Onkel Sean jeden Freitagabend zum Babysitten käme.“

„Weißt du, du machst mir die Entscheidung von Minute zu Minute leichter. Plötzlich erscheint mir ein weiterer Winter in Denver erstrebenswert.“

Ihre ältere Schwester Isabel kam jetzt mit einem Glas Champagner auf sie zu. „Ihr trinkt Bier?“ Sie schüttelte den Kopf. „Und wir hatten so sehr gehofft, dass ein Collegeabschluss euch in zivilisierte Menschen verwandelt.“

„Was glaubst du, wo wir uns das Biertrinken angewöhnt haben?“, fragte Sean.

„Champagner ist was für Weicheier, Schwesterherz“, fügte Brad hinzu.

Isabel seufzte. „Na ja, vorhin als du den Toast ausgesprochen hast, schien er dir nicht zu weicheierhaft zu sein.“

Sean grinste. „Es ist wesentlich männlicher, wenn man den Champagner aus dem Schuh einer Brautjungfer trinkt, Izzy.“

Isabel schüttelte den Kopf. „Männer!“

Brad sah Sean an und warf dann einen bedeutungsvollen Blick auf ihre leeren Bierdosen. Sean schmunzelte. Und dann zerquetschten beide demonstrativ ihre Bierdosen an der Stirn.

„Du lieber Himmel!“ Isabel stellte sich schnell vor sie, damit die anderen Gäste sie nicht sehen konnten. „Lass dich dabei bloß nicht von Haley erwischen, Brad. Sie kann die Ehe immer noch annullieren lassen.“ Dann wandte sie sich an Sean. „Und du sagst lieber kein Wort. Bei dir ist sowieso Hopfen und Malz verloren.“

„Das musst du gerade sagen“, konterte er. Aber Isabel ging bereits weg. Sean bemerkte, dass sein Onkel Padraig gerade zu seiner Geige gegriffen hatte. „Oh, oh. Vielleicht willst du Haley davor bewahren“

„Keine Sorge.“ Brad lächelte. „Haley findet unsere Familie charmant.“

Sean warf ihm einen Blick zu. „Vielleicht sollte sie ihren Kopf mal untersuchen lassen.“

Brad lachte nur, dann überquerte er den Rasen, um mit seiner Frau zu tanzen.

Sean klatschte sich auf den Oberschenkel, und die beiden Hunde von Brad und Haley kamen zu ihm.

„Gelbe Schleifen? Wer hat euch die denn umgebunden? Wahrscheinlich Carly. Wisst ihr nicht, dass eure Freunde über euch lachen werden?“ Sie blickten beide mit großen Augen zu ihm auf, und er lächelte. „Aber sie haben mich ja immerhin auch dazu überredet, einen Smoking anzuziehen, also sollte ich wohl lieber den Mund halten, was?“ Er warf einen Stock für die Hunde und folgte ihnen den Hügel hinunter zum Fluss.

Die große Labradorhündin Recon erreichte den Stock zuerst, aber Digger, der Jack Russell Terrier, schnappte ihn ihr weg, obwohl er viel kleiner war, und sie ließ es zu.

„Warum lassen Frauen die Männer immer gewinnen?“, fragte Sean, nahm Digger den Stock ab und warf ihn wieder. „Glauben sie, unser Selbstwertgefühl wäre so schwach, dass wir es nicht ertragen, zu verlieren?“ Er blickte zu Brad zurück, der jetzt vorsichtig das Baby hielt, das Carly ihm in die Arme gelegt hatte. „Wahrscheinlich wollen sie uns auf diese Art nur weismachen, wir hätten eine Chance gegen sie.“

Sein Lächeln erlosch wieder. Es überraschte ihm, dass Brads Hochzeit Gedanken an Ehe, lebenslange Liebe und Familie in ihm ausgelöst hatte. Als Carly vor zwei Jahren geheiratet hatte, hatte er ihr einfach Glück gewünscht, und danach war er dankbar gewesen, nach Denver zurückkehren zu können.

Vielleicht lag es daran, dass Brad und Haley in Lebensgefahr gewesen waren, als sie sich in Kalifornien wieder getroffen hatten. Das genügte, um jeden dazu zu bringen, sich zu überlegen, was im Leben wirklich zählte. Und obwohl seine Familie ihn verrückt machte, hing Sean an ihr. Deshalb war er drauf und dran, die Stelle in Louisiana anzunehmen.

Als er jetzt das aufgeregte Geschrei der Kinder hörte, musste er sich eingestehen, dass er nicht unbedingt so lebte, wie er sich das vorgestellt hätte. Er hatte seine Karriereziele schon vor einiger Zeit erreicht, aber sein Privatleben hatte darunter gelitten. Und nun war er bestens ausgebildet, sehr erfolgreich, finanziell abgesichert – und allein.

Recon kam zu ihm und legte ihm den Stock vor die Füße. Er kraulte ihr den Kopf. „Ah, eine treue Frau.“ Wieder warf er den Stock. Die Labradorhündin sah den Stock an und blickte dann zu Digger hinüber, der gerade um Futter bettelte. Offensichtlich war sie nicht am Spielen interessiert, wenn Digger nicht mitmachte.

„Du solltest dich lieber um dich selber kümmern“, meinte Sean. „Dann wirst du nicht enttäuscht.“

Sie starrte ihn an, dann holte sie den Stock, lief damit zu Digger und zeigte ihm ihre Beute, bevor sie um den Büfetttisch herumlief. Digger warf einen letzten sehnsuchtsvollen Blick auf den Hähnchenflügel, den Tante Miranda in der Hand hielt, und jagte dann hinter Recon her.

Sean lachte. „Das dürfte mein Problem sein. Ich habe nie eine Frau getroffen, die mich so sehr wollte, dass sie hinter mir hergelaufen ist, wenn ich von etwas abgelenkt war.“

Er hatte tatsächlich ein Problem damit, sesshaft zu werden. Er hatte immer geglaubt, die richtige Frau würde irgendwann erscheinen und er würde sie instinktiv erkennen. Alles Weitere würde sich dann von selbst ergeben.

In der Zwischenzeit hatte er nichts gegen heiße Affären. Aber in letzter Zeit hatte er sich so in seine Arbeit vergraben, dass sein Privatleben gleich null war. Das brachte ihn dazu, an seinen nächsten Auftrag zu denken. Die meisten Männer hätten dafür alles gegeben. Er sollte ein paar Dokumente auf die Virgin Islands bringen und sich dort mit jemandem treffen. Fünf Tage mit Besprechungen, aber sechs Nächte, in denen er nichts zu tun haben würde, außer das Inselleben zu genießen. Er hatte diesen Auftrag verdient, das wusste er. Aber so peinlich ihm das war, irgendwie glaubte er, dass er mit den langen Nächten nicht viel anfangen könnte.

Digger kam jetzt mit dem Stock zu ihm. Recon stand hinter ihm und wedelte mit dem Schwanz.

„Ja, ja, ich weiß schon.“ Sean grinste.

Richterin Laura Patrick starrte auf das Flugticket in ihrer Hand und lächelte. Eigentlich hätte sie sich über ihren Vater ärgern sollen. Seamus Patrick wusste, wie man bekam, was man wollte. Das hatte er sogar schon gewusst, bevor er vor neun Jahren in den Obersten Gerichtshof von Louisiana gewählt worden war. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte es sie gestört, dass er ausgerechnet die Weihnachtsparty in ihrem Gericht für die Ankündigung benutzte, was er ihr schenkte. Aber natürlich war der Neunte Gerichtshof von Alexandria, Louisiana, seine Domäne gewesen, lange bevor es ihre geworden war.

Und sie war auch nur eine der Richterinnen hier. Doch sie war ein Mitglied der juristischen Patrick-Dynastie, die mit ihrem Urgroßvater Donal begonnen hatte, dem ersten Patrick, der in diesem Land aufgewachsen war. Und vor ihm waren einige Patricks in Irland Juristen gewesen. Insgeheim sehnte Laura sich danach, etwas Eigenes zu haben, was nicht von der Familientradition geprägt war.

Natürlich verstand Seamus Patrick dieses Bedürfnis nach etwas Eigenem nicht. Wenn er das getan hätte, wäre sie nicht Richterin gewesen. Nicht mal Anwältin wäre sie geworden. Aber als Teenager hatte sie nicht den Mut aufgebracht, ihrem Vater und ihrem Großvater zu erklären, dass sie lieber in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten wäre. Und ihrer Großmutter. Die waren Ehefrauen gewesen, hatten Kinder aufgezogen und für ihre Familien ein gemütliches Heim geschaffen. Davon hatte Laura geträumt, ebenso wie von der Mitarbeit in der Gemeinde. Das war eine lange Tradition bei den Frauen in ihrer Familie.

Das wäre auch in Ordnung gewesen, sogar bewundernswert – wenn sie Brüder gehabt hätte. Oder Schwestern mit einem Hang zur Juristerei. Aber sie war ein Einzelkind und die Einzige, die die Tradition fortführen konnte. Es stand gar nicht zur Debatte, auf die nächste Generation zu warten.

Jetzt warf sie einen Blick auf die Broschüre, die zu dem Flugticket gehörte. „Vier Tage im Paradies“ stand da in Pink. Darunter war ein Foto von einem weißen Sandstrand und kristallblauem Wasser.

Aber was Laura sah, war eine Fluchtmöglichkeit. Vier Tage weg von ihrer Arbeit, die ihr in letzter Zeit Kopfschmerzen bescherte, die nicht wieder aufhörten, Magenschmerzen, gegen die Säureblocker nichts halfen, Augenringe, die durch Make-up nicht mehr abzudecken waren, und eine fahle Haut, weil sie zu viele Nächte über Akten brütete.

„Es ist ein Wunder, dass Alan mich überhaupt will“, murmelte sie. Sie biss die Zähne zusammen, weil dieser Gedanke wehtat. Sie hatte keine Ahnung, warum er so hartnäckig war. Aber was sie hatte, war ein Flugticket, mit dem sie vom Gericht und von Alan Bentleys unerwünschter Aufmerksamkeit wegkam.

Ihr Vater bahnte sich jetzt einen Weg durch die Menge und zog Laura an seine Seite. Da er eins fünfundneunzig groß war und eine sehr laute Stimme hatte, wirkte er äußerst einschüchternd. Das nutzte er in jedem Bereich seines Lebens.

Obwohl Laura nie eine leidenschaftliche Juristin gewesen war, war sie doch stolz auf ihre Leistungen und darauf, mit ihrem Vater verglichen zu werden. Natürlich konnte er immer noch mit einem einzigen Blick erreichen, dass sie sich wie eine Siebenjährige fühlte.

Er hatte sie ehrlich verblüfft mit seinem Geschenk. Hatte er erkannt, unter welchem Stress sie stand? Hatte er vermutet, dass sie einen Urlaub nötig hatte, um ihr Leben wieder unter Kontrolle zu bekommen? Es war nicht unvernünftig, das anzunehmen. Zwar hatte er sie in ihre Karriere hineingedrängt, aber doch aus einer tiefen Liebe heraus und weil er von ihren Fähigkeiten überzeugt war.

Nun fragte sie sich, ob es vielleicht falsch gewesen war, dass sie ihre Probleme für sich behalten hatte. In diesem Moment hätte sie sich gern in seine Arme geschmiegt und ihm ihre Sorgen wegen ihrer dauernden Müdigkeit anvertraut. Sie hätte ihm gesagt, wie schwer es ihr fiel, Urteile zu fällen, und dass sie nicht sicher war, ob sie diesen Beruf weiter ausüben wollte. Außerdem hätte sie ihm gern erzählt, dass der leitende Staatsanwalt sie mehr oder weniger verfolgte.

„Ärgerst du dich über mich?“, fragte ihr Vater nun. „Wenn ich es unter vier Augen getan hätte, hättest du mir das Ticket ins Gesicht geknallt.“

Er hatte recht. Und eben weil er zu oft Recht hatte, fand sie jetzt die Kraft, sich von ihm zu lösen und ihm ihren Richterblick zuzuwerfen.

Er hob bloß die Augenbrauen.

„Ich bin nicht wütend“, erklärte sie. „Aber du solltest dich an drei Dinge erinnern. Erstens, der Apfel ist nicht weit vom Stamm gefallen. Zweitens, ich weiß, wann du Geburtstag hast und dass du siebzig wirst.“ Sie lächelte auf eine Weise, die bloß ein Neuling vor Gericht für freundlich gehalten hätte – und das auch nur ein Mal. „Drittens mag es ja schon unangenehm sein, wenn jemand sich rächt, aber wenn ein Patrick das tut, dann wird es wirklich gefährlich.“

Seamus lachte schallend. „Ich wünschte, deine Mutter wäre hier und könnte sehen, zu was für einer tollen Frau du dich entwickelt hast.“

„Soll das ein Witz sein? Mom wäre entsetzt, wenn sie wüsste, wie sehr du ihr einziges Kind korrumpiert hast.“

Seamus und Laura lachten beide, wie sie es immer taten, wenn sie über Alena Patrick sprachen. „Sie wusste, dass du niemals eine Prinzessin werden würdest.“

Laura seufzte. „Ich weiß. Allmählich glaube ich, sie war klüger als wir beide zusammen.“

Seamus’ Lächeln erlosch. Jetzt wirkte er besorgt. „Ist alles okay?“, fragte er. „Macht dir der Prozess gegen Rochambeau Schwierigkeiten? Wir wissen ja beide, dass Jack Rochambeau ein …“

„Ja“, unterbrach Laura ihn lächelnd. „Das wissen alle Juristen in dieser Gegend. Bisher ist er immer davongekommen, aber wenn der Staatsanwalt tatsächlich so gute Beweise hat, wie es heißt, dann ist Rochambeau dran.“

„Das will ich hoffen.“

„Vielleicht solltest du dem Rest seiner Familie solche Tickets schenken. Das würde mir das Leben sehr erleichtern.“ Sie wedelte mit der Broschüre.

Seamus lächelte, wirkte aber trotzdem weiter besorgt. „Ich weiß, dass du in letzter Zeit viele Probleme hattest, Laura. Und nun auch noch das.“

„Du hast immer gesagt, dass man mit solchen Prozessen Karriere macht.“

„Ja, aber ich denke, ich habe auch gesagt, dass eine Karriere nur etwas wert ist, wenn Menschen davon profitieren.“

Das kränkte Laura. „Ich meine, dass viele Menschen von meinen Urteilen profitiert haben. Und es besteht wohl kein Zweifel daran, dass es eine Menge wert sein wird, wenn wir eine Verbrecherbande wie die Rochambeaus …“

„Laura, ich spreche nicht von den Opfern und ihren Familien. Ich meine deine Familie.“

„Aber du bist meine Familie. Mein einziger …“

„Abgesehen von mir.“

„Es gibt niemanden außer dir.“

„Genau.“

Laura seufzte und erinnerte sich daran, warum sie mit ihrem Vater nicht über ihr Privatleben sprach. Sogar wenn sie mal eins hatte, was zurzeit nicht der Fall war. „Dad, ich will nicht wieder den Vortrag über die biologische Uhr hören. Wenn man Richterin ist, ist es schwierig …“

„Natürlich“, unterbrach er sie, wie er das immer tat. „Und deine Mutter war eine Heilige und ein Engel, weil sie so viel Geduld mit mir hatte. Und mit dir“, fügte er mit einem charmanten Lächeln hinzu, auf das Laura aber nicht hereinfiel.

„Du hast mich von Anfang an dazu erzogen, Richterin zu werden“, erinnerte sie ihn. „Also beschwer dich nicht, weil ich dir keine Enkel liefere, die du terrorisieren kannst.“

„Terrorisieren? Findest du, dass es das ist, was ich mit dir gemacht habe?“

Er zog sie nur auf, aber sie war zu müde, um mitzuspielen. Also tat sie das Eine, was garantiert der Diskussion ein Ende setzte. Sie setzte dieses Mittel nicht oft ein, da es ihm zu Kopf stieg. Sie umarmte ihn, küsste ihn auf die Wange und flüsterte: „Ich bin stolz, deine Tochter zu sein.“

„Ach, Kleines.“ Er seufzte und drückte sie an sich.

Sie hätte sich schuldig fühlen müssen, wenn es nicht die Wahrheit gewesen wäre. Doch das war es. Unter anderem war sie auch deswegen in seine Fußstapfen getreten, um herauszufinden, wie es war, ein bisschen so zu sein wie er. Außerdem hatte sie auch gewollt, dass er stolz auf sie war. Von Anfang an hatte er ihr die juristische Welt als aufregendes Abenteuer dargestellt. Er hatte in ihr das Gefühl geweckt, dass sie unglaubliches Glück hatte, das alles erforschen zu dürfen. Und sie war eine gute Studentin gewesen – gut genug, um lange Zeit zu glauben, der Erfolg in ihrem Beruf könnte sie ausfüllen.

„Ich würde dir ein Dutzend Enkel schenken, wenn ich könnte“, meinte sie nun. „Aber wir können nicht immer alles bekommen.“ Sie trat einen Schritt zurück und sah den Schmerz in seinen Augen, als er an seine geliebte Frau dachte. Sie war jetzt seit sieben Jahren tot, doch es verging kein Tag, an dem sie beide nicht vermissten. „Und man kann nie wissen“, fügte sie hinzu. „Vielleicht treffe ich einen Inselbewohner, verliebe mich bis über beide Ohren und bringe ihn mit nach Louisiana. Dann zwinge ich ihn, Hausmann zu werden und eine ganze Horde schreiender Patricks aufzuziehen.“

Seamus begann wieder zu lächeln, und Laura seufzte erleichtert.

Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. „Du weißt, dass ich dich liebe.“

Sie blinzelte, weil ihre Augen plötzlich feucht waren. „Ich liebe dich auch, Dad.“

„Genieße deinen Urlaub. Und nutze die Zeit gut. Lass die Arbeit hier.“ Dann wandte er sich einem Gerichtsboten zu, der sich bemühte, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er drehte sich noch mal zu Laura um und zwinkerte ihr zu. „Und falls du diesen Inselbewohner triffst, sorg dafür, dass er einen Ehevertrag unterschreibt.“

Laura war verblüfft, aber sie lachte, während ihr Vater in der Menge verschwand. Eine Affäre … Vielleicht war das genau das, was sie brauchte.

Sie steckte die Broschüre ein. Sie würde Alan einen Brief schreiben, in dem sie ihm noch einmal erklärte, dass sie nicht wieder zusammenkommen würden. Dann würde sie für eine Weile die Stadt verlassen. So hatte er Zeit, sich daran zu gewöhnen, bevor sie sich wieder vor Gericht trafen.

Vier Tage Erholung. Um zu faulenzen, ein Buch zu lesen, Sonne zu tanken, etwas zu trinken, in dem ein Schirmchen steckte. „Und vielleicht um Sex zu haben“, murmelte sie und grinste.

„Wie bitte?“, fragte jemand neben ihr.

Ihr war nicht klar gewesen, dass sie das laut ausgesprochen hatte. „Es ist schon spät“, sagte sie schnell. „Und ich muss morgen ein Flugzeug erreichen.“

2. KAPITEL

„Kommen Sie heute Abend zum Lagerfeuer? Habe ich schon erwähnt, dass Ihr Hotel eine nette Strandparty veranstaltet?“

„Ja, das haben Sie“, antwortete Sean. Mehrere Male. Er schüttelte den Kopf, während er Trenton Warner, dem Chef des Marshalbüros von St. Thomas, die Tür aufhielt. „Aber ich glaube kaum, dass ich kommen werde.“

Trent wirkte enttäuscht. Er hatte sich sehr bemüht, etwas Unterhaltung für Sean zu arrangieren. „Immer nur Arbeit und kein Spaß …“

Sean lachte. „Ich habe nicht behauptet, dass ich keinen Spaß haben will. Ich suche ihn nur nicht auf einer Hotelparty.“ Er wohnte in einem netten kleinen Hotel an der Morning Star Bay, ein Stück von Charlotte Amalie, der Hauptstadt von St. Thomas, entfernt. Und dort gab es jede Menge spärlich bekleidete Frauen. Genau deshalb hatte Trent ihn auch dort untergebracht. Allerdings fühlte Sean sich bei ihrem Anblick irgendwie alt, obwohl er erst vierunddreißig war.

„Was immer Sie sagen.“ Trent seufzte. Er war fünfundfünfzig, verheiratet, und hatte zwei Söhne, die in Florida studierten. „Was hat es für einen Sinn, so lange ledig zu bleiben, wenn man es nicht ausnutzt?“

„Ich schätze, es gibt auch andere Orte, an denen man Gesellschaft finden kann“, erwiderte Sean ausweichend.

Trent lachte. „Wahrscheinlich haben Sie schon im Flugzeug jemanden getroffen. Oder auf dem Flughafen heute früh?“

„Nein, habe ich nicht.“ Und Sean konnte nicht leugnen, dass die laue Luft und der weiße Strand gewisse Bedürfnisse in ihm weckten.

„Sie wollen wohl einfach kein Publikum“, forderte Trent ihn heraus. „Ein bisschen Inselzauber nur für zwei. Ich verstehe.“

Sean grinste. „Publikum zu haben macht mir nichts aus. Ich mag bloß keinen Sand in der Hose.“

Wieder lachte Trent. „Na, was immer Sie geplant haben, viel Spaß dabei. Und falls Sie eine gute Mahlzeit brauchen, versuchen Sie es bei ‚Sam’s Restaurant‘. Das ist direkt am Wasser, ungefähr eine Meile von Ihrem Hotel entfernt.“

„Danke für den Tipp. Wir sehen uns morgen.“

„Um neun.“ Trent tat so, als würde er salutieren. „Tun Sie nichts, was ich nicht auch tun würde. Und tun Sie alles, was ich gern tun würde, aber nicht kann.“

Sean schnaubte. „Hey, ich habe das Foto von Ihrer Frau auf Ihrem Schreibtisch gesehen. Deshalb habe ich kein Mitleid mit Ihnen.“ Er winkte, während er in seinem gemieteten Jeep davonfuhr.

Er kehrte zum Hotel zurück und überlegte, wie es wohl sein mochte, Abend für Abend zu derselben Frau nach Hause zu fahren. Er hingegen wusste nicht mal, wie es war, überhaupt zu irgendeiner Frau nach Hause zu fahren. Er benutzte seinen Job als Entschuldigung dafür, Single zu bleiben. Er war so daran gewöhnt, zu tun, was er wollte, dass er es sich nicht vorstellen konnte, sich den Wünschen und Bedürfnissen einer anderen Person anzupassen.

Er seufzte und betrachtete die wunderschöne Landschaft. Vielleicht war er einfach nicht zum Heiraten geschaffen. Doch wenn er daran dachte, aus was für einer großen, fröhlichen Familie er stammte, tat ihm diese Vorstellung weh. Etwas in ihm zog sich zusammen bei dem Gedanken, nie Kinder zu haben. Aber dazu musste man erst mal eine Partnerin finden.

Jedenfalls hatte er nicht vor, wie ein Mönch zu leben. In den letzten Jahren hatte er nicht viel Zeit für Affären gehabt, doch jetzt hatte er eine ganze Woche. Er umfasste das Lenkrad fester, als er in die Straße zu seinem Hotel einbog. Wo sollte er anfangen? Er fühlte sich zu alt, um in einer Bar eine Frau anzusprechen. Nicht dass er je der Typ gewesen wäre, der sich viel in Bars und Clubs aufhielt. Was blieb da noch? Callgirls und Gäste auf der Strandparty. Er war nicht sicher, was von beidem ihm weniger gefiel.

Was war er doch nur für ein trauriger Single! Er gehörte doch noch längst nicht zum alten Eisen, und obwohl Frauen vermutlich nicht ins Schwärmen gerieten, wenn er vorbeiging, war er auch nicht völlig unattraktiv. Außerdem war er dank seines Trainings in guter körperlicher Verfassung. Er war nicht reich, aber stand doch finanziell ganz gut da. Und trotzdem hast du keine Ahnung, wie du eine Frau fürs Bett finden sollst, dachte er, angewidert von der eigenen Einfallslosigkeit.

Als er sich dem Hoteleingang näherte, bremste er ab. Das Hotel lag etwas abseits von den anderen. Sein Zimmer war ganz oben im vierten Stock und bot eine großartige Aussicht auf den Hafen und die Berge auf der anderen Seite der Bucht. Heute Morgen war Sean am Strand entlanggelaufen, als die Sonne gerade erst aufgegangen war, und er dachte, dass er sich an so eine Routine gewöhnen könnte. In Denver sah er im Allgemeinen nur Bergstraßen und schneebedeckte Gipfel. Er hatte die Zeit dort genossen, musste aber zugeben, dass die Sonne eine willkommene Abwechslung darstellte. Sie erinnerte ihn an Louisiana.

Jetzt warf er einen Blick auf das Hotel und die weiß gekleideten Angestellten, die am Strand alles für die Party vorbereiteten – und trat aufs Gaspedal. Dann fuhr er weiter die Küstenstraße entlang zum östlichen Ende der Insel. Er kam an „Sam’s Restaurant“ vorbei und dachte, dass er vielleicht später dort Fisch essen und danach bei Sonnenuntergang am Strand entlanglaufen konnte. Er könnte wieder in seinem Zimmer sein, bevor die Party begann, duschen, sich mit einem Bier auf den Balkon setzen, den Thriller lesen, den er auf dem Flughafen gekauft hatte, und sich entspannen. Das war doch kein schlechter Abend. Sex war toll, aber ein Mann konnte auch ohne auskommen.

Sean trat auf die Bremse, als hinter einer Kurve plötzlich eine Frau vor ihm auftauchte, die eine kleine Vespa schob.

Sie trug eine enge marineblaue Hose, die kurz unter den Knien endete, weiße Turnschuhe und ein weites weißes T-Shirt. Dunkle Strähnen, die aus ihrem lockeren Pferdeschwanz gerutscht waren, klebten ihr an Wangen und Nacken. Ihr Gesicht war gerötet, ihr T-Shirt schweißnass. Wie lange hatte sie ihren Motorroller schon geschoben?

Sean hielt am Straßenrand. Die Frau warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Also holte er seine Brieftasche heraus und zückte seine Dienstmarke.

„Hallo.“ Er stieg aus und öffnete die Brieftasche. „Brauchen Sie Hilfe? Sean Gannon, Deputy U.S. Marshal.“ Er lächelte. „Für den Fall, dass Sie dachten, ich wäre der Stalker von St. Thomas.“

Bei dem Wort „Stalker“ spannte sie sich an. Vielleicht kein Wunder, denn diese Typen, die jemanden systematisch verfolgten und belästigen, konnten einem schon Angst machen. „Gibt es hier etwa Kerle, die Frauen verfolgen?“, fragte sie und lächelte schwach. Ihre Stimme klang melodisch – und ein bisschen vertraut.

„Oh, nein. Ich wollte Sie bloß nicht erschrecken.“

Die Fremde sah ihm ins Gesicht. „Sie haben eine seltsame Art, eine Frau zu beruhigen.“

„Es ist zu lange her“, murmelte er.

„Was?“

Das ignorierte er. „Etwas sagt mir, dass Sie auch ohne meine Hilfe zurechtkommen würden.“

Jetzt lächelte sie, und er wünschte sich unwillkürlich, sie würde die Sonnenbrille abnehmen, damit er ihre Augen sehen konnte.

Jetzt deutete sie auf seine Dienstmarke. „Also, Marshal Gannon, sind Sie beruflich hier?“

„Ja, Ma’am.“ Und nun wurde ihm klar, was ihm an ihr bekannt vorkam. „Wieso glauben Sie, dass ich nur zu Besuch hier bin? Wir haben doch ein Büro auf der Insel.“

Sie deutete auf seinen Jeep. „Der ist gemietet. Aber Sie haben eine nette Sonnenbräune.“

Er schmunzelte. „Tatsächlich habe ich die aus Denver.“

„Und Sie waren gezwungen, die Kälte dort zu verlassen, um hierher zu kommen. Ein schwerer Job.“

„Ja, es ist harte Arbeit.“ Er grinste. „Aber nachts lassen sie mich raus.“

„Und dann retten Sie Frauen, die in Schwierigkeiten sind. Wissen Sie denn nicht, wie man sich freinimmt?“

„Stellen Sie diese Frage auch, weil Sie selbst Hilfe in dieser Hinsicht brauchen?“

Sie wirkte überrascht. „Was meinen Sie? Womöglich verbringe ich meine Zeit ständig damit, auf exotischen Inseln herumzufahren.“

Er deutete auf die Vespa. „Die ist gemietet.“

Sie bemühte sich, nicht zu lächeln. „Na und?“, forderte sie ihn heraus. „Vielleicht besitze ich einfach nicht gern etwas.“

Er deutete auf ihre weißen Schuhe. „Die sind brandneu.“

„Vielleicht bin ich nur ein Sauberkeitsfanatiker.“

Er nickte anerkennend, weil sie sich so gut verteidigte. Es war eine Schande, dass er nicht mithalten konnte. „Und hinten an ihrem Hemd hängt noch ein Preisschild.“

Unwillkürlich griff sie hinter sich, und die Vespa drohte umzufallen.

Sean trat rasch näher und hielt den Roller fest. „Tut mir leid. Ich hätte einfach sagen sollen, dass ich es erkenne, weil ich selbst so bin. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen.“

Sie betrachtete ihn aufmerksam, zumindest soweit er das trotz ihrer Sonnenbrille beurteilen konnte. „Ich glaube fast, dass Sie das ernst meinen.“

Er lachte. „Wieso hätte ich Sie sonst durchschauen sollen?“

„Weil Sie darauf trainiert sind, gut zu beobachten.“

Er lachte. Es gefiel ihm, wie schlagfertig sie war. „Oh, unbedingt. Das und die Tatsache, dass die meiste Kleidung, die ich hier habe, abgesehen von diesen Sachen, entweder im Flughafen von Denver oder heute Morgen in der Hotellobby gekauft worden ist. Wahrscheinlich habe ich die Quittungen noch in der Tasche.“

Sie lächelte wieder. „Ich schätze, Hemden mit Blumenmuster und Badehosen sind in Denver nicht notwendig.“

„Woher wussten Sie, dass ich kitschige Inseltracht mag? Was hat mich verraten?“

Sie lachte, und das gab ihm ein gutes Gefühl.

„Ich habe bloß geraten. Allerdings finde ich, dass Sie eher aussehen wie ein Typ, der ausgebleichte Jogginghosen und T-Shirts trägt, die er schon seit dem College hat.“

Sean grinste. In genau solchen Sachen hatte er morgens gejoggt. „Sie haben gewonnen.“

„Mein Vater wäre stolz auf mich.“

„Ich hoffe, er ist zu Hause in Louisiana.“ Sean hob eine Hand, als die Frau unwillkürlich vor ihm zurückwich. „Es war der Akzent, der Sie verraten hat. Meine Familie wohnt in Baton Rouge.“ Er sprach jetzt demonstrativ mit Akzent.

„Aha“, meinte sie nur.

Sean überlegte, was er noch hinzufügen könnte. Aber dann fragte er einfach das, was er tatsächlich wissen wollte. „Sind Sie mit Ihrer Familie hier?“

„Nein.“ Weiter führte sie das nicht aus. „Und Sie?“, erkundigte sie sich dann.

„Nein, ich bin Single. Hier und in Denver.“ Er stellte fest, dass das ziemlich kläglich klang. Aber falls sich etwas zwischen ihnen anbahnte – und er wäre ein Narr gewesen, wenn er das nicht gehofft hätte – wollte er keine Missverständnisse. „Und Sie?“

„Ich bin ledig. Freiwillig.“

„Offensichtlich.“ Er lächelte. Dann zuckte er zusammen, als sie mit den Augen rollte. „Das war dumm, was? Ich bin etwas aus der Übung.“

Sie schnaubte ein bisschen, und das brachte ihn zum Lachen.

„Ehrlich. Ich bin ein Workoholic. Da ist es schwer, Verabredungen und Beziehungen zu haben.“

„Also kommen Sie nicht allzu oft in das Büro hier auf der Insel.“

„Dies ist das erste Mal.“

„Hm.“

Sie schwiegen beide eine Weile, während Sean versuchte, sich etwas Kluges einfallen zu lassen. „Ich bringe Sie und Ihre Vespa gern hin, wo immer Sie hinwollen.“

„Tatsächlich hatte ich nur vor, die Vespa bis zum nächsten Telefon zu schieben. Dann kann jemand vom Hotel mich und diese Todesfalle abholen.“ Sie warf einen genervten Blick auf den Roller.

„Kommen Sie beide nicht miteinander aus?“

Nun blickte sie zu Sean auf.

Er grinste. „Ich dachte, Ihnen wäre vielleicht nur das Benzin ausgegangen.“

„Was mir ausgegangen ist, ist die Begeisterung für erzwungenen Frohsinn.“ Sie seufzte. „Es tut mir leid. Das klingt nach Jammern, und es hat auch nichts mit Ihnen zu tun. Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Falls Sie ein Handy haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn ich mal damit telefonieren dürfte.“

„Warum packen wir die Vespa nicht hinten in meinen Jeep und fahren irgendwohin, wo es etwas Kaltes zu trinken und eine warme Mahlzeit gibt? Danach bringe ich Sie beide zu Ihrem Hotel.“ Sean hob eine Hand, als sie protestieren wollte. „Damit habe ich für heute meine gute Tat getan, und Sie brauchen sich nicht weiter mit dem Ding in Gefahr zu bringen.“

Sie musste lachen. „Sie haben irgendwie recht. Das war das erste Mal, dass ich etwas so Gefährliches getan habe.“

„Sie haben noch nicht gehört, was ich beim Dinner zu erzählen habe.“

„Ich betrachte das als faire Warnung.“

„Dann nehmen Sie meine Einladung an?“

Sie trat von einem Fuß auf den anderen, und Sean ahnte, dass sie ablehnen würde. Er hatte sich einfach zu dumm benommen. Man hätte denken können, dass er noch nie zuvor mit einer schönen Frau geflirtet hatte. Aber etwas an ihr bewirkte, dass er unsicher wurde.

Sie wartete gerade lange genug, dass er allmählich glaubte, sie würde Ja sagen. Es überraschte ihn, wie sehr er sich wünschte, dass sie zustimmte. Noch mehr verblüffte es ihn, dass er ihre Gesellschaft wollte und sich trotzdem nicht gleich vorstellte, mit ihr ins Bett zu gehen. Tatsächlich bezweifelte er ernsthaft, dass die Begegnung zu etwas in dieser Art führen würde. Es war deutlich, dass sie nicht der Typ für kurze Affären war. Und eigentlich war er es auch nicht. Sonst wäre er zu der Strandparty gegangen.

Aber im Moment fand er die Aussicht, beim Dinner eine attraktive Begleiterin zu haben, sehr schön. Und wenn ein bisschen sexuelle Spannung dabei im Spiel war, würde er sich bestimmt nicht darüber beschweren.

„Haben Sie schon andere Pläne? Oder hat die Vespa die ruiniert?“

„Nein“, sagte sie. „Keine Pläne.“

„Dann gehen Sie mit mir essen.“

Sie wirkte überrascht. Vielleicht hatte er das zu sehr im Befehlston ausgesprochen.

„Bitte.“ Er lächelte. Brad war derjenige in der Familie, der den meisten Charme abbekommen hatte, und Clay kam gleich nach ihm. Sean war immer etwas ernster gewesen und hatte daran arbeiten müssen, charmant zu sein.

„Wäre es zu viel verlangt, wenn wir erst da hinfahren würden, wo ich wohne?“, fragte sie.

Sean wäre mit ihr bis zum Mond gefahren, wenn sie nur zugestimmt hätte, mit ihm essen zu gehen.

„Ich würde mich gern umziehen. Ich bin ein bisschen …“

Sie brach ab, als Sean die Hand ausstreckte, und wich instinktiv zurück, aber er zog trotzdem das Etikett von ihrem Hemd. „So. Jetzt sehen Sie perfekt aus.“

„Oh, Sie sind so ein Lügner. Aber mein Selbstwertgefühl dankt Ihnen.“ Sie lachte ein bisschen. „Ich sollte das wirklich nicht tun.“

„Nennen Sie mir einen guten Grund, warum wir nicht gemeinsam etwas gegen unsere Unfähigkeit, uns zu entspannen, unternehmen sollten. Wir zwingen uns gegenseitig für eine Stunde oder zwei, still zu sitzen und nichts zu tun.“

„Nur einen guten Grund?“

„Wieso, haben Sie eine ganze Liste?“

Wieder lachte sie. „Gerade schlimm genug, dass es rührend ist und ich weniger verlegen bin.“

„Danke. Ich denke jedenfalls, ich sollte Ihnen danken.“

Sie lächelte. „Sie kommen mir vor wie jemand, der viel zu sehr daran gewöhnt ist, seinen Willen durchzusetzen.“

„Ach ja?“

„Sie mögen ja beim Flirten eingerostet sein, aber Sie haben etwas Dominantes an sich.“

Bei einer anderen Frau hätte das womöglich anzüglich geklungen, bei ihr wirkte es einfach ehrlich. Vielleicht lag es daran, wie sie dabei die Stirn runzelte, so als könnte sie sich nicht ganz entscheiden, ob ihr seine bestimmende Art gefiel oder nicht.

Sean war nicht klar, warum sein Körper heftig auf sie reagierte. Schließlich ging es nur um ein gemeinsames Essen. „Ich schließe daraus, dass Sie allergisch gegen Kommandos sind“, sagte er, als das Schweigen andauerte. Er steckte die Hände in die Taschen, vor allem weil er das absurde Bedürfnis hatte, der Frau die Sonnenbrille abzunehmen, damit ihre Augen sehen konnte. „Wie wäre es mit einer bescheidenen Bitte?“

„Irgendwie glaube ich, dass Sie wegen Ihrer bescheidenen Art in den Marshal Service gekommen sind.“

Er nahm die Hände wieder aus den Taschen, weil ihm klar wurde, dass seine Hose sich aufgrund seiner Erregung etwas spannte. „Bloß eine einfache Rettung und ein Dinner.“

„Und wenn ich nur gerettet werden will?“

„Dann wäre ich gezwungen, allein zu essen, was bedeutet, dass ich wahrscheinlich am Ende arbeiten werde, um die Zeit herumzukriegen.“

„Aha, ich würde Ihnen also einen Gefallen tun im Ausgleich dafür, dass Sie mir helfen, den Roller loszuwerden. Allerdings gefällt mir die Vorstellung, gerettet werden zu müssen, nicht besonders gut.“

„Falls Sie sich gegen mich entscheiden, gibt es dann die Möglichkeit, Berufung einzulegen?“

Sie grinste. „Oh, ich denke, da haben Sie gute Chancen.“

Er grinste noch mehr. „Wirklich?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Das Gericht entscheidet zu Ihren Gunsten, Deputy Marshal Gannon. Sie bekommen Ihr Dinner, aber die Parteien werden die Kosten zu gleichen Teilen tragen. Und zum Ausgleich für die Rettung werden Sie vor Überarbeitung und Erschöpfung bewahrt. Das sollte beides sowieso in solch einer herrlichen Umgebung gesetzlich verboten sein.“

„Danke, Euer Ehren.“

Nun streckte sie die Hand aus. „Ich bin Richterin Laura Patrick vom Neunten Gerichtshof in Alexandria.“

„Und dabei habe ich eben nur einen Witz gemacht.“

„Manchmal wünschte ich, es wäre einer.“

Aber bevor er sie bitten konnte, das näher zu erläutern, rollte sie bereits die Vespa zu seinem Jeep.

Sean hievte den Roller hinten hinein. Dann deutete er auf den Beifahrersitz. „Ich würde Ihnen ja die Tür öffnen, aber es gibt keine.“ Er hatte nie einen Jeep gehabt und genoss das Fahren im offenen Wagen. Mit Laura neben ihm würde es perfekt sein. Plötzlich fiel ihm auf, dass er sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit amüsierte.

Laura stieg ein, während Sean sich ans Steuer setzte.

„Wohin?“, fragte er.

Laura antwortete nicht gleich. Dann sagte sie sehr leise: „Zum ‚Resort‘.“

Sean sah sie an. „Sie meinen den Privatclub auf Flamingo Cay?“

„Ich habe ihn nicht ausgesucht. Mein Vater hat das getan.“

„Ihr Vater? Den muss ich kennenlernen.“

„Nein, müssen Sie nicht.“

Sie sprach das so entschieden aus, dass Sean lachen musste. „Das macht mich nur noch neugieriger.“

Sie seufzte. „Er wusste, dass ich Urlaub nötig hatte. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, was für einen Ruf der Privatclub hat. Hatte ich auch nicht, bevor ich da ankam. Die Broschüre hat ganz zahm gewirkt.“

Das „Resort“ befand sich auf einer Insel an der Südküste von St. Thomas und war einer dieser Clubs, bei denen alles im Preis inbegriffen war. Dort herrschte eine sehr entspannte, legere Atmosphäre, zumindest nach den Anzeigen zu urteilen, die Sean in der Zeitung der Insel gesehen hatte.

Er sah Laura an und entschied, dass er nicht riskieren wollte, seine Dinnerbegleitung zu verlieren. Also sagte er nichts weiter zu dem Thema. „Mögen Sie Meeresfrüchte?“, erkundigte er sich stattdessen.

„Was?“

„Meeresfrüchte. Zeug, das man unter Wasser fängt und dann kocht, damit man es essen kann.“

Laura warf ihm einen leidenden Blick zu, der ihn aus irgendeinem Grund dazu bewegte, noch breiter zu grinsen. „Ja, zufällig mag ich sie. Solange jemand anders sie fängt.“ Sie verzog die Nase. „Und kocht.“

„Na gut, dann bringen wir jetzt den Roller weg und fahren dann zu diesem kleinen Restaurant, von dem ich gehört habe.“

„Wieso habe ich das Gefühl, dass ich vollständig die Kontrolle verloren habe, als ich in diesen Jeep gestiegen bin?“

Sean lachte. „Ich weiß nicht. Vielleicht aus demselben Grund, aus dem ich das Gefühl habe, jede Kontrolle verloren zu haben, als ich um diese Kurve gebogen bin und Sie entdeckt habe.“

3. KAPITEL

Laura versuchte, nicht zu viel an das zu denken, wozu sie sich gerade bereit erklärt hatte. Eine Frau, die allein auf einer exotischen Insel war, hätte wirklich nicht am Straßenrand mit einem fremden Mann reden – okay, flirten – sollen. Und noch weniger hätte sie in sein Auto steigen und mit ihm davonfahren sollen.

Dann erinnerte sie sich daran, dass Sean ein Marshal war. Er würde sie wohl kaum angreifen. Aber er war ein Mann. Und sie wusste sehr gut, dass Männer fähig waren, eine Menge Ärger zu machen, egal was für einen Beruf sie hatten.

Sie schüttelte den Gedanken ab. Sie hatte Alan schon viel zu viel Zeit gewidmet. Er durfte ihr nicht auch noch den Urlaub ruinieren. Urlaub … sie war seit vierundzwanzig Stunden auf der Insel, und dies war das erste Mal, dass sie sich einigermaßen entspannt fühlte.

Nach dem Einchecken war sie an den Swimmingpool gegangen, aber der Anblick all der dort zur Schau gestellten jungen, straffen nackten Haut hatte sie eher deprimiert, da sie selbst zweiunddreißig und ziemlich blass war. Am ersten Abend hatte sie mit einem Glas Wein auf ihrem Balkon gesessen und versucht, mehr auf den Sonnenuntergang zu achten als auf das, was in der Ferienanlage vorging. Sie betrachtete sich zwar nicht als prüde, aber das Treiben im Nachtclub ihrer Ferienanlage erinnerte sie an eine griechische Orgie.

Heute Morgen hatte sie sich dann die neu erworbene Freizeitkleidung angezogen und war mit der Vespa losgetuckert, um sich die Insel anzusehen. Und wenn man bedachte, wie das ausgegangen war, hätte man glauben können, dass sie einen Aufpasser nötig hatte.

Sie warf einen Blick zur Seite und lächelte insgeheim. Trotz der Dienstmarke und der Behauptung, er wäre ein Workoholic, konnte es gut sein, dass sie mit Sean Gannon in weitere Schwierigkeiten geriet. Tatsächlich fiel ihr da alles Mögliche ein. Wenn sie es zuließ. Was sie natürlich nicht tun würde.

Ein gemeinsames Dinner mit ihm war besser als das, was sie noch vor einer Stunde geplant hatte. Sie hätte geduscht und vielleicht etwas beim Zimmerservice bestellt. Dinner mit Sean Gannon war ein Fortschritt. Nicht dass sie vorhatte, ihm das zu verraten.

Er war kein Typ, den eine Frau ermutigen sollte. Auch ohne weitere Herausforderung war er kühn genug. Es ist bloß ein Dinner, dachte sie wieder und verdrängte sämtliche Gedanken daran, was sie mit einem Mann wie Sean Gannon im „Resort“ hätte anfangen können. Plötzlich schien ihr die Atmosphäre dort gleich weniger anstößig und sehr viel sinnlicher.

Nicht dass sie je solch ein Verhalten gebilligt hätte. Immerhin war sie Richterin. Und eine Patrick. Wenn ihr Vater gewusst hätte, wo er sie hingeschickt hatte, wäre er entsetzt gewesen. Zumindest hoffte Laura das. Also würde sie nun mit Sean Gannon essen gehen. Weiter würde dabei nichts herauskommen, obwohl schon die Vorstellung, dass doch etwas möglich sein könnte, ihren Körper zum Prickeln brachte. Es war sehr lange her, seit sie zuletzt Sex gehabt hatte.

Sean bog jetzt in die Richtung des „Resorts“ ab, und Laura verdrängte all das, woran sie gerade gedacht hatte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Sean. „Das war ein bemerkenswerter Seufzer“, fügte er hinzu, als sie ihn fragend ansah.

„Oh, das tut mir leid. Es lag nicht an der Gesellschaft.“

Sean wirkte immer noch besorgt. „Wie weit mussten Sie dieses Ding eigentlich schieben?“

„Nicht besonders weit.“ Aber es war ihr sehr weit vorgekommen. „Ich würde gern schnell duschen, falls es Ihnen nichts ausmacht.“

Sofort wurde ihr klar, dass man das als Anmache hätte auslegen können. Es sprach für Sean, dass er nicht darauf einging. Doch gerade deshalb stellte Laura sich nun unwillkürlich vor, wie es gewesen wäre, mit Sean zu duschen. Sein Gesicht war kantig, das Haar fast streichholzkurz. Seine Augen waren dunkel und funkelten gefährlich, wenn er lächelte. Seine Zähne waren gerade und weiß, und diese Lippen – sie mochten ja hart wirken, aber auf einer zarten Haut einer Frau würden sie sich bestimmt nicht so anfühlen.

Seans Gesichtsausdruck änderte sich, und Laura wurde klar, dass er sie angestarrt hatte, während sie Fantasien über ihn gehabt hatte. Jetzt blickte sie zur Fähre. „Hier muss ich die Vespa zurückgeben. Der Mann, der sie mir vermietet hat, hat gesagt, dass es überall auf der Insel Depots gibt, aber …“ Sie brach ab, als sie merkte, dass sie Unsinn redete, um die plötzliche sexuelle Spannung zu überspielen.

Es sprach für Sean, dass sein Lächeln jetzt nicht so wirkte, als wüsste er, was in ihr vorging. „Ich glaube, das Depot ist dort.“ Er deutete auf einen Punkt hinter Laura.

Sie folgte seinem Blick nicht. Stattdessen überlegte sie, ob es das Training beim Marshal Service war, durch das Seans Südstaatenakzent verschwunden war, oder ob das daran lag, dass er so lange fern von zu Hause gewohnt hatte. Als der Akzent vorhin für einen kurzen Moment doch da gewesen war, hatte er umso stärker auf sie gewirkt. Er weckte Gefühle in ihr …

Sie dachte, dass sie vielleicht doch am vergangenen Abend in den Nachtclub hätte gehen sollen. Körperkontakt mit irgendeinem fast nackten Strandburschen wäre vielleicht genau das gewesen, was sie nötig gehabt hätte.

„Danke.“ Ihr wurde klar, dass sich das Schweigen zwischen ihnen schon wieder ausdehnte. Seans Ausdruck war nicht zu deuten. „Wenn Sie mir helfen, die Vespa rauszuheben, gebe ich sie zurück, und dann fahre ich mit dem Wassertaxi zum Hotel hinüber und komme so schnell wie möglich wieder.“

Einen kurzen Moment lang wirkte Sean enttäuscht. Das wäre Laura entgangen, wenn sie ihn nicht genauso intensiv angesehen hätte wie er sie. Aber es war angenehm, ihn anzuschauen. Nicht nur sein markantes Gesicht und sein breites Lächeln waren attraktiv, sondern auch sein Körper.

„Warum überlassen Sie es nicht mir, die Vespa zurückzugeben?“

Laura überlegte, ob er erwartete, dass sie ihn ins Hotel mitnahm, während sie duschte und sich umzog. Und warum wollte er mit? Um sich das Gebäude und die Gäste anzusehen? Oder um sie selbst näher zu betrachten? Sie erschauerte ein bisschen bei diesem Gedanken und stieg schnell aus dem Jeep, um das zu kaschieren. Eins wusste sie bereits über Sean Gannon. Ihm entging nicht viel.

„Ich würde Ihnen ja erlauben, mit ins Hotel zu kommen, um dort zu warten, aber es dürfen keine Gäste hin, die nicht eingetragen sind.“

Sean lächelte. „Das ist okay.“

Vielleicht hatte sie sich das mit dem enttäuschten Ausdruck ja auch nur eingebildet. Im Moment wirkte Sean, als wäre es ihm ganz egal. „Na gut. Es ist nur … ich dachte …“ Sie schüttelte den Kopf. „Vergessen Sie’s.“

Er verlagerte sein Gewicht, kam aber nicht näher. „Ich gebe zu, dass ich das Gefühl habe, dass Sie verschwinden werden, sobald ich Sie aus den Augen lasse, so als wären Sie eine Fata Morgana.“

Das klang ehrlich. Es war ihm also nicht egal. Lauras Herz schlug ein bisschen schneller. „Ich bin keine Einbildung. Und ich werde Sie nicht versetzen.“

Nun stieg er aus und holte die Vespa aus dem Wagen. „Ich kümmere mich um das Ding, und dann warte ich hier.“

„Moment, Sie brauchen den Zettel und …“

„Nein, den brauche ich nicht. Vertrauen Sie mir. Sie werden kein Problem damit haben, und Sie bekommen den vollen Mietpreis zurück.“

„Aber …“

„Sie sollten wirklich nicht für ein Fahrzeug bezahlen müssen, das nicht läuft.“

Sie widersprach nicht weiter. Er hatte natürlich recht, obwohl sie selbst es wahrscheinlich dabei belassen hätte, dem Angestellten zu berichten, was passiert war. „Danke.“ Sie grinste. „Und ich muss sagen, Sie sind wirklich gründlich, wenn Sie den edlen Ritter spielen.“

„Ich bin immer gründlich.“

Das klang eigentlich gar nicht anzüglich, aber doch wurde es Laura dabei ganz heiß. Vielleicht war es ihre übersteigerte Fantasie, vielleicht auch die Temperatur auf der Insel. Oder beides. Dann lächelte Sean, und sie dachte, dass es doch an ihm lag.

„Ich auch“, erwiderte sie schließlich.

Eine Glocke ertönte. Das hieß, dass ein Wassertaxi angelegt hatte und bereit war, Passagiere aufzunehmen.

„Ich sollte gehen.“

Sean starrte sie weiter an.

„Das Wassertaxi …“ Sie brach ab, als Sean die Vespa gegen den Jeep lehnte und schweigend näher trat. Laura stockte der Atem, als er eine Hand hob. Wie würde es sein, von ihm berührt zu werden? Ihr Puls begann zu rasen.

Fast streifte Sean ihre Wange – und dann nahm er ihr stattdessen die Sonnenbrille ab. „So“, sagte er leise. Als Laura fragend die Augenbrauen hob, lächelte er. „Ich musste es wissen.“

„Was?“, hauchte sie.

„Blau oder braun.“

Offenbar sprach er über ihre Augenfarbe. Sie fand es schwer, klar zu denken, wenn er so dicht bei ihr stand und sie sich so sehr danach sehnte zu erfahren, wie es sein würde, wenn er sie berührte. Sie musste es einfach wissen. Sie brauchte sich nur auf die Zehenspitzen zu stellen und … „Haben Sie gewonnen?“, fragte sie abrupt.

„Was?“ Das klang allerdings nicht, als wäre es ihm wichtig zu erfahren, was sie meinte.

„Die Wette, die Sie mit sich selbst abgeschossen haben. Blau oder braun?“

„Ja.“ Seine Stimme klang jetzt tiefer. „Das habe ich.“

Sie sprachen, aber es wurde immer deutlicher, dass die Worte nicht von Bedeutung waren. Es war eine andere Art von Dialog im Gange. Die Art, bei der Sprache nicht für Kommunikation benötigt wurde.

„Gut“, stieß Laura hervor.

„Ich habe noch eine Wette abgeschlossen.“

„Worüber?“

„Hierüber.“ Er beugte sich vor und küsste sie einfach auf die Lippen, nicht fordernd, aber auch nicht ganz sanft. Es war ein Test, ein Erforschen, um herauszufinden, was er über sie wissen musste.

Und es schien für Laura das Natürlichste von der Welt zu sein, diesen Kuss zu erwidern. Laura stöhnte unwillkürlich, als Sean den Mund öffnete und sie drängte, das Gleiche zu tun. Sie spürte das überwältigende Bedürfnis, überall von ihm berührt zu werden. Der Kuss war unglaublich schön – und doch fühlte Laura sich dadurch, als würde ihr etwas vorenthalten. Sie wollte mehr.

Sean drang mit der Zunge in ihren Mund ein, und sie hieß ihn fast gierig willkommen. Im Moment hätte sie nicht mal ihren zweiten Vornamen nennen können. Sie konnte nicht mehr klar denken, und als sie glaubte, sie könnte die süße Folter keine Sekunde länger ertragen, legte Sean die Hände auf ihre Schultern und zog sie ganz an sich.

Sie vergaß, dass sie auf einem öffentlichen Parkplatz stand und einen völlig fremden Mann küsste. Es war besser als alles, was sie je erlebt hatte.

Unwillkürlich stellte sie sich die wirkliche Vollendung vor, als er die Beine spreizte und sie dazwischen rutschte. Der Kontakt war äußerst erregend – und wirkte auf sie doch so, als wäre sie mit kaltem Wasser überschüttet worden. Sie löste sich von Sean, weil ihr mit einem Mal klar wurde, was sie taten, wo das womöglich hinführen würde – und das direkt hier auf dem Parkplatz.

Sie konnte nicht so tun, als wäre sie entsetzt. Es war zu wundervoll gewesen, und sie hatte es zu offensichtlich genossen, um nun etwas anderes vorzutäuschen. Sean griff instinktiv nach ihr, als sie zurückwich und stolperte. Doch dann ließ er sie sofort wieder los.

„Ich schätze, ich sollte mich dafür entschuldigen.“ Er klang heiser. „Oder zumindest sollte ich dir sagen, dass es nicht meine Gewohnheit ist, Frauen zu küssen, die ich gerade erst kennengelernt habe.“

Sie lächelte. Plötzlich war es ihr egal, ob man sie beobachtete. Sean Gannon hatte eine Art, sie anzusehen, die ihr das Gefühl gab, der einzige Mensch weit und breit zu sein. Und sie entschied, dass es vielleicht Zeit war, das zu tun, wofür sie hierher gekommen war – sich zu entspannen. Das Leben zu genießen. Ihre Sorgen hinter sich zu lassen. „Tatsächlich bin ich mehr daran interessiert, ob du die andere Wette gewonnen hast.“

Er grinste. „Nein, die habe ich verloren.“

„Ach ja?“ Das überraschte sie.

Er griff nach ihrer Hand. „Ich dachte, du könntest unmöglich genauso gut schmecken, wie ich mir das vorgestellt habe. Da habe ich mich geirrt.“

Sie blickte auf ihre ineinander verschränkten Hände und dachte, dass dies fast intimer war als der Kuss. Aber sie mochte es, dass er sich mit dieser Geste mit ihr verband. Sie verstand sein Bedürfnis, das zu tun, weil sie es selbst spürte. „Du hast dich geirrt?“ Wie lange war es eigentlich her, seit sie zuletzt so schamlos mit einem Mann geflirtet hatte?

Eigentlich hatte sie es noch nie getan. Aber sie war auch noch nie auf einer exotischen Insel gewesen. Allein mit einem Mann wie Sean Gannon.

Er zog an ihrem kleinen Finger, und sie trat näher. „Ja, total.“ Er lächelte.

Sie wusste, dass sie jetzt eine Entscheidung treffen musste, und zwar schnell. In ihrem Alltag waren Entscheidungen immer von großer Bedeutung. Man traf sie nur nach intensivem Nachdenken und genauer Analyse aller Fakten. So viel Zeit hatte sie jetzt nicht. Sean Gannon wollte sie. Sofort. Und sie wollte ihn auch.

Aber ganz gewiss war er ein Mann, der verstand, dass es Grenzen gab. Er hatte sein Leben auf einem bestimmten Regelwerk aufgebaut und wusste, dass Regeln aus gutem Grund bestanden. Er war ein Mann, der nicht über das hinausgehen würde, was sie zu geben bereit war. Und genau das war die große Frage in diesem Moment.

Was war sie bereit zu geben?

Alles, schrien ihr Körper und ihr Verstand. Zumindest für die nächsten paar Stunden. Vielleicht auch für die nächsten Tage. Sicher konnte sie sich den Luxus erlauben, sich einmal gehen zu lassen und zu nehmen, was sie wollte. Ohne Bedauern. Es würde nur wundervolle Erinnerungen geben an einen außergewöhnlichen Ort, an dem sie mit einem Mann, der nicht in ihre Welt gehörte, zusammen gewesen war.

„Vollkommen geirrt?“, wiederholte sie.

Er ließ ihren kleinen Finger los und legte die Hände um ihre Hüften. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er sie an sich und hielt sie gerade fest genug, um sie davon abzuhalten, sich von ihm zu lösen. Nicht dass sie das gewollt hätte. Alles fügte sich so perfekt zusammen, so … Sie erschauerte, als sie die Hände auf Seans Brust legte.

„Du hast alle meine Erwartungen weit übertroffen“, murmelte er, während er sich mit dem Mund schon wieder ihrem näherte. „Bist du ein Traum, Laura Patrick? Du kommst mir jedenfalls so vor.“

„Vielleicht sind Träume gar nicht so etwas Schlechtes“, flüsterte sie. Dann küsste sie Sean aufs Kinn. Und seine Reaktion darauf fand sie sowohl berauschend als auch verführerisch.

„Ja“, murmelte er. „Weil gelegentlich einer davon wahr wird.“

Er umfasste ihren Nacken und küsste sie wieder auf den Mund, diesmal fordernder. Und Laura dachte nicht mal daran, sich zurückzuhalten. Sie legte die Hände auf seine Brust und kam ihm entgegen. Es war nicht zu verkennen, wie erregt er war. Dadurch fühlte sie sich ausgesprochen weiblich. Und das war ihr nicht vertraut, da sie die meiste Zeit in einer unförmigen schwarzen Robe verbrachte und mit Männern zu tun hatte, die nur darauf warteten, dass sie eine Schwäche zeigte.

Na ja, Sean Gannon war weniger als zwei Stunden mit ihr zusammen, und er hatte schon jetzt jeden ihrer Schwachpunkte entdeckt.

Als er sich schließlich wieder von ihr löste, sahen sie sich benommen an. Doch gleich darauf läutete wieder die Glocke. Offenbar war das letzte Wassertaxi abgefahren, und ein anderes war gekommen.

„Was dein Hotel angeht“, begann Sean. „Meinst du wirklich …“

Laura lächelte. Sie würde nie wieder eine solche Gelegenheit haben. Außerdem hatte sie sich die entscheidende Frage schon gestellt: Würde sie es bereuen, wenn sie es nicht tat? Und bereute sie nicht schon genug in ihrem Leben?

„Ich denke, wenn eine Richterin und ein U.S. Marshal keinen Weg finden, auf diese Insel zu kommen …“, begann sie, aber Sean unterbrach sie.

„Tatsächlich wollte ich dich fragen, ob du bereit bist, aufs Duschen und Umziehen zu verzichten.“ Er sah ihr in die Augen, und sie klammerte sich unwillkürlich fester an ihn. „Weil die Kleidung keine Rolle spielt. Und wir werden sowieso wieder ins Schwitzen geraten.“

Ihr Puls begann zu rasen. Und etwas in ihr zog sich fast schmerzhaft zusammen. „Werden wir das?“ Sie war nicht sicher, warum sie ihn weiter herausforderte. Außer um zu erfahren, was geschehen würde, wenn sie ihn zu weit trieb.

Er griff nun nach ihrem Pferdeschwanz und zog langsam das Gummiband ab. Laura fiel das Haar auf die Schultern, und er strich es zurück. „Werden wir das nicht?“

Sie wusste, was er da fragte, ebenso wie sie schon die Antwort wusste. Aber es gefiel ihr, dass er wollte, dass sie es beide aussprachen. „Ich glaube schon, dass wir das werden.“

Nun streichelte er ihr Kinn und berührte mit einer Fingerspitze ihren Mund. „Na, dann sollten wir jetzt die Vespa zurückgeben und uns ein Restaurant suchen, wo wir in Ruhe essen können.“

Sie nickte bereits, dann erst wurde ihr klar, was er gesagt hatte. „Was? Essen?“ In ihrer Vorstellung hatte sie sich schon ausgezogen und …

Sean lächelte strahlend. „Es wird eine lange Nacht.“

Dinner als Vorspiel. Eigentlich hätte Laura ungeduldig werden müssen. Sie war doch schon jetzt in der Stimmung, mit ihm zu schlafen. Und sie hätte sich Sorgen machen sollen, denn wenn sie zu viel Zeit hatte, würde sie sich das, was sie sich gerade eingeredet hatte, womöglich wieder ausreden. Allein die Aussicht, Sean besser kennenzulernen, faszinierte sie genauso wie die Fantasie, seine Hände und seinen Mund auf ihrem Körper zu spüren.

„Ja“, sagte sie schließlich. „Das stimmt.“ Und doch war sie ziemlich sicher, dass das alles viel zu schnell ging. Vielleicht war es ja richtig, es hinauszuzögern und jeden einzelnen Schritt zu genießen, damit der Spaß länger dauerte.

4. KAPITEL

Sean fragte sich, was er sich bloß dabei gedacht hatte, Laura zum Dinner einzuladen, wenn er doch am liebsten gleich mit ihr auf sein Zimmer gegangen wäre.

Andererseits hatte er sich vorgestellt, mit ihr bei „Sam’s“ Fisch zu essen, während die Sonne unterging. Er wollte herausfinden, ob er Laura nur deshalb so begehrte, weil sie eine sehr attraktive und willige Frau war. Vielleicht war sie jedoch auch etwas Besonderes und er hatte einfach großes Glück gehabt, sie hier zu treffen.

Bei „Sam’s“ war es viel zu voll gewesen. Stattdessen hatten sie ein kleines Restaurant gefunden, das auf der anderen Seite der Bucht lag, wo sich auch Seans Hotel befand. Er konnte jetzt die Lichter in den Zimmern dort sehen, ebenso wie das Lagerfeuer am Strand.

„Weißt du schon, was du willst?“, fragte Laura.

Er legte die Speisekarte wieder weg. „Ich denke schon.“

Sie klappte ihre Karte zu. „Ich auch.“

Sean lächelte. „Hat es etwas mit Meeresfrüchten zu tun?“

Sie lächelte auch, und es gefiel ihm, wie zuversichtlich sie wirkte. „Nein, außer du hast vor, zuerst schwimmen zu gehen, um die Qual noch zu verlängern.“

Er berührte ihre Finger und freute sich darüber, dass sie erschauerte. „Qual? Also, die meisten Frauen, mit denen ich ausgehe, wären froh, wenn jemand anders für sie kocht.“

„Ich bin nicht wie die meisten Frauen.“

„Da sind wir uns einig.“

Sie hob eine Augenbraue.

„Liegt es an der Gesellschaft?“, fragte Sean.

„Wenn ich daran etwas auszusetzen hätte, wäre ich nicht mit dir essen gegangen. Und ich hätte schon gar nicht …“ An diesem Punkt ließ ihre Kühnheit sie im Stich. Sie wollte ihre Hand wegziehen, aber Sean hielt sie fest.

„Laura.“ Er wartete, bis sie ihn wieder ansah. „Weißt du was? Lass uns essen. Danach gehen wir am Strand spazieren und unterhalten uns. Ich genieße es, mit dir zusammen zu sein, und würde dir gern so lange Gesellschaft leisten, wie du es mir erlaubst.“

„Danke“, sagte sie nach kurzem Zögern. „Ich schätze, ich bin nicht ganz so locker, wie ich es gern wäre.“

Er lachte. „Das bin ich auch nicht.“

„Ich weiß nicht. Es kam mir da auf dem Dock durchaus so vor.“

„Dann hast du nicht mitbekommen, wie meine Knie gezittert haben.“ Und sein Herz hatte wie wild geschlagen. Er wusste, dass er Laura unbedingt wollte. Und doch war er bereit, nur einfach mit ihr zu essen, sich zu unterhalten, spazieren zu gehen. Denn das bedeutete, dass er länger mit ihr zusammen sein konnte.

Es war nicht so, dass er nur eine Gelegenheit nutzte. Wenn sie zu Hause gewesen wären, hätte er sich gern öfter mit ihr verabredet und alles getan, was nötig gewesen wäre, um sich das Recht auf Intimität zu verdienen. Und wahrscheinlich hätte er das genauso genossen wie den Sex später.

Aber er hatte nicht unbegrenzt Zeit, sich ernsthaft um Laura zu bemühen, sondern nur dieses Dinner und die Zeit, die sie ihm danach noch schenken würde. Und dann … Es war wirklich zum Ausrasten. Da hatte ihm das Schicksal endlich mal eine Frau geschickt, die ihn faszinierte – und das ausgerechnet jetzt, wo ihm nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stand.

„Fisch oder Steak?“, fragte er nun.

Laura zog ihre Hand weg, um noch mal die Speisekarte öffnen zu können. Sean tat das Gleiche, aber er konnte kaum dem Drang widerstehen, Laura zu packen und wie ein Höhlenmensch hinauszuschleppen.

Sie blickte über den Rand ihrer Karte. „Fisch.“

Sean sah wieder auf – und war sofort verloren. Dieses Gesicht, diese Augen, dieses Lächeln …

„Also, haben sie tatsächlich gezittert?“

„Was?“, fragte er.

„Haben sie tatsächlich gezittert? Es könnten nämlich auch meine gewesen sein.“

Wovon redete sie bloß?

„Deine Knie“, ergänzte sie, weil Sean sie perplex anstarrte.

„Knie“, wiederholte er, obwohl es ihm eigentlich egal war, wovon sie redete.

„Du willst nicht wirklich Steak oder Fisch oder?“, fragte Laura sanft.

Er schüttelte den Kopf, obwohl Ehrlichkeit in diesem Moment wahrscheinlich dumm war.

Laura legte die Speisekarte weg, stand und streckte die Hand aus.

„Aber …“

„Komm, lass uns spazieren gehen und reden. Das brauche ich jetzt.“

Er schob seinen Stuhl zurück, warf ein paar Dollar auf den Tisch, weil sie immerhin zehn Minuten lang hier gesessen hatten – und dann nahm er Lauras Hand. Ihre schlanken Finger verschränkten sich mit seinen kräftigeren, doch er spürte, dass sie durchaus nicht schwächer war als er, vielleicht sogar stärker. Immerhin bewirkte eine einfache Berührung bei ihm mehr als zitternde Knie.

Sie traten ins Freie, und der leichte Wind drückte ihnen die Kleidung an die Körper. Es gab ein kleines Hinweisschild auf einen Pfad, der zum Strand führte. Laura zog an Seans Hand.

„Bist du sicher, dass du nichts essen willst? Bloß weil ich …“, fragte er.

„Ich glaube, ich könnte das gar nicht. Ich bin viel zu durcheinander.“ Sie lächelte unsicher. „Vielleicht später.“

Später. Das war ein Wort, das Sean im Zusammenhang mit Laura gern so oft wie möglich hören wollte. „Ja, unbedingt.“ Sie wollte jetzt zum Strand hinuntergehen, aber er hielt sie zurück. „Nur dass du das weißt: Ich bin auch ziemlich durcheinander.“

. Ihr Lächeln wirkte entspannter als vorher.

Sean brauchte seine gesamte Selbstbeherrschung, um nicht sofort mit Laura zu seinem Hotel zu fahren. Stattdessen lächelte er, drückte ihre Hand und wandte sich in Richtung Strand.

Nach der ersten Biegung des Pfades war fast nichts mehr von den Lichtern des Hotels und des Restaurants zu sehen.

„Es scheint, als hätten wir die Show verpasst.“ Laura deutete den Horizont. Die Sonne war fast ganz untergegangen.

„Ich glaube, die nächste Show beginnt gleich“, meinte Sean.

Sie sahen beide nach oben, wo nun der erste Stern zu erkennen war, dann ein zweiter. Von irgendwo erklang Musik. Sean hatte vorhin im Restaurant eine kleine Bühne bemerkt und überlegt, ob er wohl die Chance haben würde, mit Laura zu tanzen. Es war eine langsame Melodie, die sie irgendwie einzuhüllen schien. Und es kam Sean ganz natürlich vor, Laura an sich zu ziehen und sich im Rhythmus der Musik zu bewegen.

Als er ihr einen Arm um die Taille schlang, tat Laura das umgekehrt auch. Ihre anderen beiden Hände waren weiter miteinander verschlungen. Laura und Sean schwiegen beide. Keiner von ihnen wollte den Zauber brechen. Schließlich legte Laura die Wange an Seans Schulter, und er schmiegte das Gesicht in ihr Haar. Sie duftete nach Salzwasser, frischer Luft und noch etwas anderem, was wahrscheinlich ihr ganz persönliche Note war.

Sean ließ die Hand zu ihrem Nacken gleiten. Es gefiel ihm, ihre seidenweichen Haare an seiner Haut zu spüren. Sie lehnte den Kopf zurück, und Sean wollte sie küssen. Doch ihr Lächeln bewirkte, dass er zögerte.

„Was ist los?“, fragte er.

„Ich habe bloß nachgedacht.“

Sie bewegten sich weiter zur Musik. „Ist das etwas Gutes?“

„Ich weiß nicht. Ich dachte, es ist erstaunlich, was ein bisschen Musik ausmachen kann, damit eine Frau sich …“

„Damit sie sich lockerer fühlt?“ Sean lächelte.

Laura nickte.

Sean sah ihr in die Augen und fragte sich, ob es ihr gelang, während eines Prozesses eine kühle, unbeteiligte Miene aufzusetzen, so wie es für ihre Position notwendig war. Sein Lächeln erlosch, und er streichelte ihr Kinn und strich mit dem Daumen über ihre Lippen.

Es erregte ihn, dass sie erschauerte. Selbst wenn Laura seinen Körper nur ganz leicht streifte, war das eine süße Folter für ihn.

„Wir haben das mit dem Reden noch nicht erledigt“, stellte er fest.

„Ich fühle mich …“

„Wir haben eigentlich so viel, worüber wir miteinander reden können, aber im Moment muss wenig gesagt werden, nicht wahr?“ Er hob ihre miteinander verschränkten Hände hoch und küsste Lauras Finger. „Laura …“

Sie legte ihre Finger auf seine Lippen. „Später. Wir werden noch genug Zeit dazu haben.“

Er wollte sie fragen, wie sie da so sicher sein konnte, aber stattdessen nickte er nur.

Laura löste sich von ihm und wollte sich wieder vom Strand entfernen.

„Kein Spaziergang?“, fragte Sean.

Sie grinste. „Ich halte nicht viel von Sand an gewissen Stellen.“

Sean lachte. „Seltsamerweise habe ich heute schon mal genau das Gleiche gesagt.“

„Noch etwas, worüber wir uns einig sind.“

Sie waren bei der Straße angelangt, von der der Pfad abzweigte, und Sean zog Laura an sich. „Noch etwas? Was war denn das Erste?“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, nahm sein Gesicht zwischen die Hände und küsste ihn sanft, aber sehr gefühlvoll.

Als sie den Kuss beendete, lachte sie. „Auf diese Weise kommen wir nie in dein Zimmer.“ Sie lief zum Parkplatz. „Wer zuerst beim Auto ist.“

Bevor Sean antworten konnte, war sie schon weg.

Er holte sie ein und bekam sie um die Taille zu fassen, unmittelbar, bevor sie den Jeep erreichte. Laura quietschte, als er sie herumwirbelte, und dann sank sie auf den Beifahrersitz. Sean strich ihr behutsam das Haar zurück. „Und dabei habe ich behauptet, ich würde keinen schönen Frauen hinterherlaufen, solange ich auf der Insel bin.“

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum nicht. Du bist gut darin.“

Er grinste. „Ich war ja auch inspiriert.“

„Ist dein Hotel weit weg?“

„Ungefähr fünf Minuten.“

Sie rutschte unter ihm hervor. „Gut. Da werde ich keine Zeit haben, meine Lockerheit wieder zu verlieren. Aber du solltest dich besser beeilen. Es könnte eine Aschenputtel-Sache sein. Du weißt schon – die große Verwandlung um Mitternacht.“

Sean dachte, dass er recht gehabt hatte mit der Idee, dass er es instinktiv spüren wenn, wenn die richtige Frau erschien. Er grinste und schwang sich auf den Fahrersitz. „Aschenputtel, ja?“

Laura faltete die Hände im Schoß und warf Sean einen hoheitsvollen Blick zu. „Man kann nie wissen.“

Plötzlich hatte er kein Problem mehr damit, sie sich in einem Gerichtssaal vorzustellen, und er vermutete, dass da meistens Ordnung herrschte. „Also willst du damit sagen, dass wir nur bis Mitternacht Zeit haben?“

Sie behielt die majestätische Haltung bei. „Ich schätze, das kommt darauf an. Bist du ein Märchenprinz?“

„Ehrlich gesagt, ich bin noch nie als Prinz bezeichnet worden.“

Lauras Lippen zuckten. „Na ja, Ehrlichkeit führt dich an Orte, wo ein Prinz nie hinkommen würde.“

„Wirklich?“

Sie nickte.

Er beugte sich vor. „Kann ich dir dann ehrlich verraten, dass ich vorhabe, die Prinzessin länger als bloß bis Mitternacht in meinem Turm einzusperren? Und dafür zu sorgen, dass sie jegliche zeitliche Einschränkung vergisst?“

Laura erschauerte und rieb sich die Arme. „Und wirst du auch dafür sorgen, dass ich diese dumme Prinzessinnen-Idee vollkommen vergesse?“

Sean streichelte ihre Wange. Dann umfasste er ihren Nacken und zog sie zu sich heran. „Es war keine dumme Idee“, murmelte er. „Zum Glück haben wir ja schon geklärt, dass ich kein Märchenprinz bin. So gibt es später keine Überraschungen.“

Laura tat so, als wäre sie enttäuscht. „Überhaupt keine?“

Das raubte Sean den Atem. In einer Minute war sie ernst, in der nächsten albern. In einer Minute selbstbewusst, in der nächsten unsicher. Klug, witzig, schlagfertig. Er hatte es noch nie mit so einer Frau zu tun gehabt. Sie kam ihm vor wie eine Droge, und er war bereits süchtig nach ihr.

Vielleicht lag es ja an der Luft auf der Insel oder an der Freiheit hier, tausend Meilen von zu Hause entfernt. Aber das glaubte er nicht. „Ich schätze, das müssen wir abwarten“, antwortete er.

Als er sie dann wieder küsste, hatte er das Gefühl, sich völlig in ihr zu verlieren. Er ließ seine Zunge mit ihrer spielen, und als sie sich schließlich voneinander lösten, sank Laura gegen die Rückenlehne. „Manchmal scheint eine Fahrt von fünf Minuten sehr lang zu sein.“

Sean musste ihr insgeheim zustimmen. „Na ja, wenn ich meine Hände auf dich lege statt aufs Steuer, wird die Fahrt noch wesentlich länger.“

Laura deutete auf die Straße. „Fahren Sie, James.“ Dann sah sie Sean an, und ihre Augen glänzten. „Bitte.“

„Genau das habe ich vor.“

Sie stöhnte leise und schlang die Arme um sich. Es war, als wäre sie so erregt, dass sogar die Nachtluft sie weiter antörnte. Genau so ging es Sean auch. Die paar Meilen bis zum Hotel kamen ihm vor wie eine Fahrt quer durch Amerika. Er umfasste das Lenkrad immer fester, nur um sich davon abzuhalten, stattdessen Laura zu berühren.

Als er endlich auf den Hotelparkplatz einbog, war er nicht sicher, ob er es noch schaffen würde, den Weg bis zum Zimmer hinter sich zu bringen, falls er Laura auch nur flüchtig berührte. Er kam sich vor wie ein liebeskranker Teenager. Bis er Laura ansah. Da fühlte er sich sehr erwachsen. Er grinste. Und glücklicherweise war er erwachsen genug, um zu wissen, wie er bekommen konnte, was er brauchte.

Sein Gehirn funktionierte auch noch gut genug, um ihn zum Geschenkeshop in der Lobby zu führen, wo er schnell etwas kaufte.

„Es war offensichtlich kein Witz, als du gesagt hast, dass du nicht hergekommen bist, um Frauen anzumachen“, lautete Lauras einziger Kommentar dazu. Sie hob eine Augenbraue, als Sean die preiswertere Großpackung wählte. Er zuckte mit den Schultern. Dann lachte er, als Laura noch eine Packung neben seine auf den Tresen legte. „Anscheinend bin ich es, der ein paar Überraschungen erleben wird“, sagte er. „Ich hoffe nur, ich bin der Herausforderung gewachsen.“

Sie griff nach seinem Arm, als sie dann die Halle durchquerten. „Ich habe ja nicht gesagt, welche Mitternacht ich meine.“

Sein Körper reagierte sofort auf die Andeutung, dass ihr Beziehung nicht allzu schnell enden musste. Allerdings wollte er überhaupt nicht an das Ende denken. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich auf den Anfang zu freuen.

Die Fahrstuhltür ging auf, und glücklicherweise stieg niemand mit ihnen ein. Sean drängte Laura gegen die Wand, noch bevor die Tür wieder zu war. „Hast du eigentlich eine Vorstellung, was du mir antust?“

„Oh ja. Die Indizien sind ziemlich eindeutig.“

Er küsste sie auf den Mund. „Ist dir klar, dass ich noch niemals eine Frau so sehr begehrt habe wie jetzt dich?“

Sie stöhnte leise. „Du bist derjenige, der die Sache herauszögern wollte.“

Er lachte ein bisschen. „Herauszögern? Du lieber Himmel, ich kenne dich ja immer noch nicht richtig.“

Autor

Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
Mehr erfahren
Lisa Ann Verge
Mehr erfahren
Donna Kauffman
Nachdem Donna Kauffmans Bücher acht Jahre über die Bantam Loveswept Linie veröffentlicht wurden, veränderte sie ihren Schreibstil und hatte ihre erste Veröffentlichung bei Harlequin’s Temptation Line. Donna Kauffman lebt mit ihrem Ehemann, zwei Söhnen und vielen Haustieren in Virginia.
Mehr erfahren