Tiffany Exklusiv Band 82

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Miniserie von Cathy Yardley: "The Player’s Club”

Willkommen im Player’s Club!

Scott hat es satt, nur "nett" zu sein. Er will dem legendären Player's Club beitreten und seiner sexy Nachbarin Amanda beweisen, dass er ein ganzer Kerl ist. Doch dann wird ihm eines klar: Die Aufnahmeprüfung bei den Adrenalinjunkies hat es in sich - und bringt auch Amanda in eine riskante Lage …

Lügen, Sex und Adrenalin

Oh, wie gern würde er sie auf ihrem Designer-Sofa verführen! Aber unmöglich: Lincoln soll die bildhübsche Juliana bei ihrer Aufnahmeprüfung im legendären Player’s Club begleiten. Da muss er sich beherrschen. Wenn das bei dem It-Girl bloß nicht so verteufelt schwer wäre …

Atemloses Abenteuer

Diana soll den Sohn ihres Chefs dazu bewegen, aus dem Player’s Club auszutreten. Viel zu gefährlich, findet der alte Herr. Blöderweise sind Finn Macalisters Küsse für sie das pure Adrenalin. Will sie wirklich, dass der Draufgänger den Club verlässt?


  • Erscheinungstag 28.07.2020
  • Bandnummer 82
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726973
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathy Yardley

TIFFANY EXKLUSIV BAND 82

1. KAPITEL

Was machen die da draußen bloß?

Scott starrte in die Dunkelheit. Es war drei Uhr an einem Samstagmorgen. Der größte Teil seiner Nachbarn in dem kleinen Viertel schlief noch.

Scott kämpfte schon seit drei Monaten mit Schlaflosigkeit, weshalb er auch beobachten konnte, dass merkwürdige Dinge in dem geschlossenen chinesischen Supermarkt auf der anderen Straßenseite vor sich gingen. In der letzten Stunde waren verschiedene Männer aufgetaucht und in der Gasse dahinter verschwunden. Seltsam war nur, dass niemand von ihnen kriminell aussah – es sei denn, Schläger trugen auf einmal Anzüge und Krawatten.

Hier passierte definitiv irgendetwas Sonderbares.

Er verrenkte den Hals, um besser sehen zu können, aber der Blick aus seinem Fenster ließ ihm keine großen Möglichkeiten. Er überlegte, ob er runter auf die Straße gehen sollte. Aber was, wenn es doch Verbrecher waren und sie ein Problem damit hatten, dass ein rechtschaffender Bürger ihnen hinterherschnüffelte?

Nein, er musste noch ein bisschen weiter observieren. Aus sicherer Entfernung.

Da fiel ihm plötzlich der perfekte Beobachtungspunkt ein, und ohne zu zögern verließ er seine Wohnung.

Er tappte barfuß in den Hausflur, öffnete das Fenster und kletterte vorsichtig hinaus auf die Plattform der Feuerleiter.

Fast die ganze Straße war nun zu überblicken. Es wäre noch besser, wenn ich etwas weiter oben wäre, dachte er und betrachtete die Leiter. Das Metall fühlte sich kalt unter seinen Füßen an, als er so leise er konnte die Stufen erklomm. Es war Juni, aber das hier war San Francisco – was hieß, dass es kühl war und Nebelschwaden ihn frösteln ließen. Er bereute, dass er sich kein Shirt übergezogen hatte und nur eine dünne Jogginghose trug.

Nun bogen nur noch ein paar Männer in die Gasse ein: Nachzügler, wie es aussah. Er konnte gerade so erkennen, dass ein Mann mit einem anderen herumalberte, während sie in der Dunkelheit verschwanden. Er kniff die Augen zusammen. Einer sah aus, als ob … Trug er einen Smoking?

Wer waren die Typen?

„Schöne Nacht heute.“

Scott fuhr herum. Eine Frau stand im offenen Fenster hinter ihm. Sie trug ein übergroßes T-Shirt, auf dem stand: Brave Frauen schreiben selten Geschichte. Außerdem hielt sie einen Golfschläger in der Hand, als wolle sie ihm ein paar verpassen, was ein ziemlicher Widerspruch zu ihrer lässigen Begrüßung war.

Scott räusperte sich. „Bestimmt fragst du dich, was ich hier treibe“, sagte er leise.

Ihre vollen Lippen formten sich zu einem leichten Lächeln. „Es kam mir kurz in den Sinn.“

„Irgendwas ist da unten los“, sagte er. „Lauter Leute verschwinden in der Gasse da drüben.“

„Echt?“ Sie kam näher, ohne jedoch den Golfschläger wegzulegen. „Ich sehe niemanden.“

Na toll, jetzt denkt sie, ich bin ein perverser Spanner. „Ich schwöre, dass da ein Haufen Typen in der Gasse verschwunden sind.“

„Warum hast du nicht die Polizei gerufen?“

„Sie sahen nicht wie Verbrecher aus“, sagte Scott kleinlaut.

„Du willst also im Großen und Ganzen sagen, dass deine Neugier dich um drei Uhr morgens hier auf meine Feuerleiter getrieben hat?“

„Wenn man es so sagt, klingt das natürlich ziemlich dämlich“, gab Scott zu.

„Das hast du gesagt.“

Scott runzelte die Stirn und betrachtete die Frau vor ihm genauer. Sie war circa ein Meter fünfundsechzig groß und dünn – ihr T-Shirt schlackerte an ihr herunter. Im fahlen Mondlicht konnte er nur erkennen, dass sie helle Haare hatte, die ihr knapp bis zur Schulter reichten. Sie sah aus wie ein Teenager.

„Weißt du was, du hättest die Polizei rufen sollen“, schalt er sie.

Sie hob die Augenbrauen und senkte den Golfschläger. „Bitte?“

„Ich wiege wahrscheinlich ungefähr dreißig Kilo mehr als du.“ Er musterte sie und dachte daran, wie schlimm die Situation hätte ausgehen können, wenn hier jemand anders als er selbst gestanden hätte. „Ich hätte dir diesen Golfschläger abnehmen können. Du solltest nicht versuchen, mutig zu sein, in einer Situation wie dieser. Wenn ein fremder Mann auf deiner Feuerleiter steht, schließ dich im Bad ein und ruf die Bullen.“

„Das ist ja prächtig“, sagte sie lachend. „Ich werde also von einem potenziellen Einbrecher über Sicherheitsmaßnahmen belehrt.“

„Ich meine das vollkommen ernst.“

„Du sahst nicht aus wie ein Verbrecher“, wiederholte sie seine Worte und schenkte ihm ein breites Lächeln. „Der Golfschläger war nur für den Fall, dass ich mich geirrt hätte. Soll ich jetzt die Polizei rufen? Oder willst du reinkommen? Du siehst aus, als würdest du frieren.“

Es war wirklich kalt. Und die Typen waren nirgends mehr zu sehen. „Na ja, unter diesen Umständen … aber eigentlich ist das auch keine gute Idee“, stellte er klar, als er unbeholfen durch das Fenster kletterte.

„Warum nicht?“

„Du kennst mich doch gar nicht.“

„Natürlich kenne ich dich“, sagte sie. „Du bist Scott Ferrell. Apartment 3D.“

„Äh … ja“, gab er zu, etwas perplex.

„Wir haben uns schon mal getroffen, als ich eingezogen bin“, erklärte sie. „Deine Freundin war dabei.“

„Sie ist nicht meine Freundin“, antwortete Scott automatisch und seufzte. Diese Antwort war schon fast ein Reflex. „Das heißt, sie ist es nicht mehr. Tut mir leid, ich weiß nicht mehr, wie du heißt.“

„Amanda“, sagte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Amanda Wheeler. Schön, dich kennenzulernen. Erneut.“

Er schüttelte ihr die Hand und musste nun auch lachen. „Das ist ja wohl die seltsamste Situation, um sich vorzustellen …“

„Wieder vorzustellen“, unterbrach sie ihn mit einem schelmischen Lächeln.

„Verzeihung, ja, wieder vorzustellen … die ich je erlebt habe.“ Sie war süß, auf eine Mädchen-von-nebenan-Art. Was witzig war, denn sie war ja tatsächlich das Mädchen von nebenan. Er trat von einem Bein auf das andere und sah dann aus dem Fenster. „Ich sag dir, da draußen ist wirklich etwas Merkwürdiges passiert.“

„Ich glaub dir ja“, sagte sie und klang zum Glück so, als meinte sie es auch. „Wolltest du eigentlich so lange auf der Feuerleiter sitzen bleiben, bis die seltsamen Männer zurückkommen?“

Scott rieb sich das Kinn. „Um ehrlich zu sein, das habe ich mir vorher gar nicht überlegt.“

„Hab ich mir schon gedacht, sonst hättest du sicher eine Jacke mitgenommen.“

Er verschränkte die Arme und grinste, als sie anfing zu kichern.

„Willst du eine Tasse Tee? Kaffee?“ Sie zwinkerte ihm zu. „Heißen Kakao?“

Auf jeden Fall süß. „Ich nehme den Kakao, auf die Gefahr hin, meine Männlichkeit noch weiter zu ruinieren.“

„Du kannst sogar Marshmallows haben“, sagte sie. „Keine Angst, ich erzähl es niemandem.“

Als sie in die Küche verschwand, betrachtete er seine Umgebung. Aus der Küche fiel Licht ins Wohnzimmer und enthüllte große Fenster – jenes eingeschlossen, durch das er eingestiegen war – und Holzdielen. Das Sofa sah sehr bequem aus, und der Flachbildfernseher wirkte riesig und stand umgeben von Stapeln mit DVDs. Es gab außerdem jede Menge Bücher, die ungeordnet in Einbauregalen aus Kirschholz standen. Das Wohnzimmer gab ihm das Gefühl, dass er sich hier wohlfühlen könne.

So wie seine Besitzerin.

Nach ein paar Minuten kam Amanda mit zwei Bechern zurück … und in einem Kimono, sehr zu seiner Enttäuschung. Sein eigener nackter Oberkörper wurde ihm deutlich bewusst. Er nahm den Becher und trank vorsichtig, um sich nicht die Zunge zu verbrennen. „Fantastisch“, lobte er.

Sie lächelte. „Sind die Jungs wiedergekommen?“

„Ich hab nichts gesehen“, sagte Scott ernüchtert. Er nahm genussvoll einen weiteren Schluck des cremig-schokoladigen Getränks. „Was ist noch da drin?“

„Muskatnuss“, sagte sie schulterzuckend. „Meine eigene Mischung. Ich hatte mal ein Pralinengeschäft. Hab es vor Kurzem verkauft.“

Sein Blick streifte gerade das Fenster, als sie rief: „Guck mal, da sind sie!“

Sie kauerten sich beide unter das Fenster und spähten hinaus. Wie eine Armee von Ameisen strömten Männer aus der Gasse, wobei das summende Geräusch zu hören war, das entstand, wenn man vergeblich versuchte, leise zu sein. Es waren einige laut geflüsterte „Schsch“ und „Klappe!“ zu hören und Gelächter, als die Gruppe sich zerstreute.

„Es ist fast vier“, sagte Amanda. „Was machen die bloß?“

„Ich habe keine Ahnung“, sagte Scott, während er eine Limousine beobachtete, in die einige der Männer einstiegen. „Verstehst du jetzt, warum ich auf der Feuerleiter stand?“

Sie lachte, und das wärmte ihn mehr als die heiße Schokolade. „Hab ich mich etwa darüber beschwert, dich da draußen zu sehen?“, fragte sie, den Blick auf ihre Tasse gerichtet. Dann sah sie ihn an und lächelte schüchtern.

Er starrte sie an. Flirtete sie mit ihm? Immerhin war er hier, in ihrem Wohnzimmer, mitten in der Nacht. Mit nichts an außer einer Jogginghose. Und sie trug nur ein T-Shirt und einen Kimono, so wie es aussah. Das konnte in der Tat eine Anmache sein.

Andererseits war er gerade auf höchst ungewöhnliche Weise in ihr Zuhause eingedrungen. Sie könnte auch einfach das sein, nach dem sie aussah: die süße Nachbarin, die sich nachbarschaftlich-freundlich verhielt.

Er schüttelte den Kopf und gab ihr den Becher zurück. „Ich steh in deiner Schuld“, sagte er. „Danke für den Kakao. Und dafür, dass du nicht die Bullen gerufen hast. Obwohl nächstes Mal …“

„Werde ich sie aus dem Bad anrufen. Und trotzdem, ich glaube nicht, dass ich mich davon überzeugen könnte, dass du ein Einbrecher bist. Du bist zu …“

„Zu was?“, unterbrach er sie, aber er brauchte ihre Antwort nicht zu hören. Er hatte das Gefühl, sie schon zu kennen.

Nett. Sie würde „nett“ sagen.

Er hielt inne, die Worte seiner Exfreundin hallten in seinem Kopf, als hätte sie sie eben erst gesagt und nicht vor drei Monaten.

Scott, ich kann unmöglich eine Beziehung mit dir haben.

Du bist zu nett. Du bist zu lieb.

Du bist langweilig.

„Mir zu sagen, dass ich mich schützen soll, war wirklich … lieb“, stammelte sie. „Du wirkst einfach nicht wie ein Einbrecher-Vergewaltiger-Typ. Ich sehe oft genug Criminal Minds, ich kann das einschätzen.“

„Danke“, sagte er und wollte zurück durchs Fenster klettern.

„Du darfst auch die Tür benutzen. Aber nur, wenn du willst.“

„Oh, ja, klar“, rief er und fühlte sich wie ein Vollidiot. Er folgte ihr zur Tür und trat hinaus in den Hausflur.

Wie sie da so im Türrahmen lehnte, sah sie für eine Sekunde weniger aus wie ein Teenager und mehr wie eine Frau. Ihr eines Bein blitzte unter dem Kimono hervor, ihr Haar war wild zerzaust, ihre Augen halb geschlossen.

Du solltest sie fragen, ob sie mit dir ausgeht.

Er wartete.

Der Verstand siegte. Der Moment verging.

„Danke noch mal“, wiederholte er, drehte sich um und ging weg.

Er wollte herausfinden, was es mit den Typen in der Gasse auf sich hatte, keine neue Freundin suchen. Er wollte noch nicht mal mit jemandem ausgehen. Ganz sicher war er nicht an einem „Mädchen-von-nebenan“ interessiert, schon gar nicht an einem, das in der Wohnung über ihm wohnte.

Und auf gar keinen Fall an einem, das der Meinung war, er sei „lieb“.

Am nächsten Tag stand Amanda im Pralinenladen. In ihrem Pralinenladen. Er war noch geschlossen, aber sie konnte einige Angestellte hören, die schon in der Küche werkelten.

Die Schlüssel in ihrer Jacke fühlten sich an wie aus Blei. Sie versuchte, das Gefühl zu ignorieren, und studierte stattdessen die künstlichen Ausstellungsstücke von Bonbons und Trüffeln in den glänzenden Glaskästen. Aus Gewohnheit ordnete sie in einem Regal die dunklen Schokoriegel neu an.

Ein großer blonder Mann kam aus dem Hinterzimmer und lächelte sie sanft an. „Du kannst das Mädchen aus dem Pralinenladen entfernen …“

„… aber du kannst nicht den Pralinenladen aus dem Mädchen entfernen“, beendete sie wehmütig den Satz und steckte die Hände in die Jackentaschen – abrupt stieß sie gegen den Schlüsselring. „Tut mir leid, Ethan. Ich muss es wohl nur noch richtig aus dem Kopf kriegen.“

„Bist du dir sicher?“, fragte er besorgt. „Bist du sicher, dass du das zurücklassen kannst?“

Sie nickte etwas heftiger, als nötig gewesen wäre, zog die Schlüssel aus der Tasche und legte sie ihm in die Hand. „Ja. Außerdem weiß ich, dass du den Laden genauso liebst wie ich, vielleicht sogar mehr.“

Er lachte halbherzig. „Ich hab ihn die letzten zwei Jahre vermisst.“

Sie zwang sich, ebenfalls zu lachen, und fragte sich, ob das wohl eine kleine Spitze gegen sie war. Als sie sich scheiden ließen, hatte sie auf Unterhaltszahlungen verzichtet, um dafür die alleinige Inhaberschaft für den Candy-Love-Laden zu erhalten. Damals dachte sie, der Grund dafür sei gewesen, dass sie den Laden eröffnet hatte, zwei Jahre bevor sie geheiratet hatten. Nun wusste sie, dass sie etwas hatte beweisen wollen. Sie hatte ihn am Laufen gehalten und ihn sogar noch erfolgreicher gemacht. Dafür hatte sie achtzig Stunden in der Woche gearbeitet.

„Und, was wirst du jetzt mit all deiner freien Zeit machen?“, fragte Ethan und klimperte mit den Schlüsseln.

„Schlafen“, seufzte sie, und diesmal klang sein Lachen natürlicher. „Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Verreisen. Etwas Aufregendes tun … Was ist?“

Sie runzelte die Stirn, und sein Grinsen wurde breiter. „Du wirst wahrscheinlich die nächsten sechs Monate lesen und fernsehen“, prophezeite er. „Und danach wirst du ein neues Unternehmen gründen. Seit ich dich kenne, Mandy, gibt es bei dir nur zwei Geschwindigkeiten: Workaholic oder Winterschlaf.“

Sie biss sich auf die Lippe, irritiert sowohl von seiner Feststellung als auch von der Wahrheit, die vielleicht darin lag. „Vielleicht werde ich eine Affäre anfangen“, sinnierte sie.

„Tu das, das würde dir bestimmt guttun“, bestätigte er ohne Groll. Wahrscheinlich weil er dachte, dass das nie im Leben passieren würde. Und damit hatte er wohl auch noch recht. „Du brauchst etwas Leidenschaft in deinem Leben.“

„Genau, ich werde mit einem Harley-Fahrer in Ledermontur anbändeln“, witzelte sie. „Vielleicht durch das Land fahren.“

„Anfangen, Poolbillard zu spielen“, fügte Ethan hinzu.

„Mit einer Mikrokamera Fotos von Unterwäschemodels mit Namen Günther machen“, spann sie weiter. „Ja, die Möglichkeiten sind endlos.“

„Also, wenn du dir etwas in den Kopf setzt, bin ich sicher, du wirst es auch erreichen“, sagte Ethan zärtlich. „Du bist die entschlossenste Frau, die ich kenne, Mandy. Ich wünsche dir, dass du dein Abenteuer bekommst.“

„Bye und viel Glück“, sagte sie und umarmte ihn seufzend. Nicht wegen der Beziehung seufzte sie – damit hatte sie vor Jahren abgeschlossen –, nur wegen der Endgültigkeit. Und wegen seiner Kommentare.

Was würde sie denn jetzt wirklich mit sich anfangen?

Sie lächelte etwas gequält, dann verließ sie den Laden. Sie fühlte sich seltsam leer, und ihr war kalt, obwohl die Sonne schien.

„Ich bin spät dran, oder?“

Amanda drehte sich um und sah ihre beste Freundin Jackie auf sie zutraben. „Ich hab meine Schlüssel für das Candy Love abgegeben“, erzählte ihr Amanda mit einem traurigen Lächeln.

Jackie nahm sie in die Arme. „Komm, wir betrinken uns.“

„Es ist acht Uhr morgens“, gab Amanda zu bedenken.

„Dann ein Bloody-Mary-Frühstück“, sagte Jackie und zog sie mit sich. „Keine Widerrede.“

„Als ob du auf mich hören würdest“, murmelte Amanda, fühlte sich aber schon besser. Sie gingen ins Caffè De Lucchi in North Beach. Amanda bestellte Lachs Benedikt und Bloody Mary und Jackie wie immer Pfannkuchen mit Schokostückchen und Vanillesahne.

„Du hast den Geschmack eines Kindes“, sagte Amanda.

„Und das von einer Frau, die einen Pralinenladen besessen hat. Außerdem lebst du dafür wie eine alte Frau“, sagte Jackie und streckte ihr die Zunge heraus. „Unser Essen spiegelt unsere Lebensweise wider. Du beneidest mich um meine Pfannkuchen. Gib’s zu.“

„Weißt du“, seufzte Amanda, „ich beneide dich wirklich irgendwie um deine Pfannkuchen.“

Jackie bemerkte den veränderten Tonfall. „Was ist los, Chica?“ Ihr Gesichtsausdruck bekam etwas Mörderisches. „Es geht doch wohl nicht um deinen Schlappschwanz von einem Exmann, oder?“

„Ethan ist kein Schlappschwanz“, verteidigte Amanda ihn.

Jackie verdrehte die Augen. „Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die mit dem Mann, der sie betrogen hat, immer noch befreundet ist.“

„Er hat mich nicht betrogen. Er hat sich bloß in Jillian verliebt, und wir haben uns getrennt, damit er mich nicht betrügen muss.“ Ehe sie wahrnehmen konnte, wie ungläubig Jackie sie anstarrte, schüttelte sie den Kopf. „Und wenn ich ihn wirklich geliebt hätte, hätte mir das natürlich etwas ausgemacht. Das war das Schlimmste, weißt du. Da kommt dieser Typ und sagt mir: ‚Ich glaube, ich habe mich in eine andere verliebt, vielleicht sollten wir nicht verheiratet sein‘, und mein erster Gedanke ist: ‚ein Glück‘. Er hat mich sitzen lassen, so muss ich nicht die Böse sein.“

Jackie nickte und nahm einen Schluck von ihrem Drink. „Ich hab mir so etwas schon gedacht. Du warst zwar traurig, wirktest aber auch erleichtert. Das hast du bisher nur nie so gesagt.“

„Ich wollte es wohl nicht zugeben. Aber nun bin ich bereit, nach vorn zu schauen.“

„Alles wird gut! Wir gehen feiern! Wenn es nach mir geht, musst du nie wieder um zehn ins Bett gehen, nachdem du sechs Stunden lang ferngesehen hast.“

„Letzte Nacht habe ich gar nicht gut geschlafen“, stellte Amanda klar. Ihr Ruf als langweilige Dauerschläferin war anscheinend weitverbreitet. Sie musste grinsen, als ihr die letzte Nacht mit Scott einfiel. „Das ist allerdings nicht allein meine Schuld.“

„Albträume?“, fragte Jackie besorgt. „Oder kannst du nur deinen Kopf nicht dazu bringen, Ruhe zu geben? Ich hasse das.“

„Besser.“ Amanda nahm ihren Sellerie aus der Bloody Mary und trank einen großen Schluck. „Ich habe etwas Zeit mit einem fremden Mann verbracht.“

Jackie machte große Augen. „Mein Gott! Und war es gut?“

„Was? Oh, nein, nicht, was du denkst.“ Amanda erzählte schnell die Geschichte von ihrem Besucher.

„Ich dachte eigentlich, dass dein Wohnhaus sicher ist, aber vielleicht solltest du das Fenster lieber nicht auflassen“, meinte Jackie und lachte dann über die Geschichte. „Scheint aber ein heißer Typ gewesen zu sein. Du hättest ihn vernaschen sollen.“

„Ja, genau“, schnaubte Amanda und trank ihre Bloody Mary aus. „Wie auch immer, ich überlege, ob ich nicht in den Urlaub fahren soll, aber irgendwie finde ich nicht das Richtige. Ich will ein Abenteuer, verstehst du? Ethan hatte recht. Entweder ich arbeite oder ich hänge herum. Ich muss die Dinge mal etwas in Schwung bringen.“

„Ich könnte mir vorstellen, dass Mr. Feuerleiter jemand sein könnte, der die Dinge in Schwung bringt“, konterte Jackie. „Also, dein Liebesleben zum Beispiel oder zumindest deine Matratze. Du solltest unbedingt mit ihm schlafen.“

„Auf was für einem Planeten lebst du eigentlich?“, fragte Amanda. „Gehst du wirklich einfach auf Leute zu und sagst: ‚Hi, ich finde, wir sollten miteinander schlafen‘, und dann … macht ihr es?“

„Fünf von sieben Malen funktioniert es“, zählte Jackie an ihren Fingern ab.

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber ich habe deine Versuchsgruppe gesehen, und mit sieben von sieben dieser Typen möchte ich nicht ins Bett.“

„Das liegt nur daran, dass du meinst, du musst sie danach behalten“, meinte Jackie und grinste boshaft. „Für kurze Zeit kann man phänomenale Ergebnisse erzielen. Und selbst wenn nicht, es macht Spaß. Lebe ein bisschen. Wann hattest du das letzte Mal Sex nur so zum Spaß?“

Amanda schaute sich verstohlen im Café um und errötete. „Äh, noch nie?“

„Verurteile nichts, was du nicht ausprobiert hast“, sagte Jackie wissend. „Ich glaube, das ist genau das, was du brauchst.“

„Was?“

„Eine Affäre“, meinte Jackie breit grinsend. „Ich weiß gar nicht, warum ich nicht früher darauf gekommen bin. Du brauchst wilden, ungezähmten, animalischen Sex.“

„Und noch eine Bloody Mary“, sagte Amanda zum Kellner, der sie jetzt beide mit großen Augen anstarrte. „Mensch, Jackie, was ist mit deinem inneren Zensor passiert? Außerdem hatte ich Kurzzeitbeziehungen …“

„Das soll aber in keiner Hinsicht eine Beziehung sein. Du solltest möglichst noch nicht mal den Nachnamen des Typen kennen. Das Einzige, was du wissen musst, ist, dass er dich auf Touren bringt.“

Amanda dachte an Scott, nur mit der Jogginghose bekleidet, sein Haar zerzaust. Bei dem Gedanken an einen Einbrecher hatte sie schon heftiges Herzklopfen gehabt, aber es war kein bisschen weniger geworden, nachdem sie herausgefunden hatte, dass es ihr Nachbar war.

Oh ja, er brachte sie sehr wohl auf Touren – schon seit sie ihn das erste Mal im Hausflur getroffen hatte, vor ungefähr einem Jahr.

Jackie bemerkte ihren Blick. „Also … du solltest Mr. Feuerleiter zu mehr Kakao einladen. Und zu anderen Leckereien.“

„Du bist geisteskrank“, sagte Amanda. „Ich habe sogar versucht, zu flirten – er hat überhaupt nicht reagiert.“

„Wenn du eine Amish wärst, würde das vielleicht als Flirten zählen“, spottete Jackie. „Sei klar und deutlich. Lade ihn ein, bitte ihn, sich auszuziehen, und guck, was passiert.“

„Und wenn er Nein sagt und ich ihn dann im Fahrstuhl oder bei den Briefkästen treffe?“, antwortete Amanda, obwohl ein Teil von ihr der Idee nicht abgeneigt war. „Wie unangenehm. Das wäre schrecklich.“

„Du bist ein Feigling“, meinte Jackie, wechselte aber das Thema. „Was willst du also stattdessen machen? Keine Reise, aber du willst ein Abenteuer erleben. Was wirst du tun. Bungeejumping oder so was?“

Amanda schüttelte sich beim bloßen Gedanken an die Höhe. „Nicht im Entferntesten.“

Aber der Gedanke an ein Abenteuer – ein echtes Abenteuer – ging ihr nicht aus dem Kopf.

Vielleicht ist es das, was ich brauche.

„Du könntest … das heißt, warte, du hasst es ja, zu fliegen“, sagte Jackie. „Wie wär’s dann mit einer Bergwanderung oder so etwas in der Art?“

Amanda johlte. „Sag mal, kennst du mich eigentlich?“

„Mädchen, du bist ein hoffnungsloser Fall.“ Jackie schüttelte den Kopf. „Du sagst, du willst ein Abenteuer erleben. Du sagst, du willst anders sein. Aber in sechs Monaten werde ich dich mit einem weiteren Businessplan in den Händen vorfinden, du wirst bis zum Hals in Achtzigstundenwochen stecken, und wir werden uns wie immer monatlich zum Brunch treffen.“

Amanda rührte in ihrem Drink. Jackie hatte recht. Ethan hatte recht. Das alles deprimierte sie nur noch mehr. Sie war in diese Tretmühle geraten, und es hatte sie unglücklich gemacht, aber dennoch schien sie davon magnetisch angezogen zu werden.

Nein. Sie würde so nicht weitermachen. Sie würde etwas anderes machen … auch wenn es unbequem sein würde. Sogar wenn es die Hölle wäre.

Sie wollte eine Abenteurerin sein. Sie musste eine Abenteurerin sein.

„Okay“, grübelte sie. „Ich werde Scott zum Essen einladen.“

„Gut!“ Jackie grinste. „Ich werde das natürlich erst glauben, wenn ich es sehe.“

„Du wirst schon sehen.“ Amanda trank ihren zweiten Drink noch schneller aus als den ersten. Dann starrte sie auf ihren Teller. Sie gab dem Kellner ein Zeichen.

„Ja, bitte?“, fragte er mit einem nervösen Seitenblick auf Jackie.

„Bringen Sie mir bitte auch diese verdammten Pfannkuchen!“

„Sieh an! Du meinst es ernst!“ Jackie brach in Gelächter aus. „Ich bin gespannt!“

Gut, dass du sowieso nicht schlafen kannst, sagte Scott sich, als er die Straße betrachtete. Langsam wird es nämlich lächerlich.

Es war drei Uhr nachts, schon wieder. Ein paar Tage waren vergangen, seit er die Ansammlung von Männern in der Gasse hatte verschwinden sehen. Er war nicht mehr auf der Feuerleiter gewesen, aber er sah aus dem Fenster, wann immer er nachts wach war.

Zu dumm, dass du nicht heißen Kakao mit deiner süßen Nachbarin trinken kannst.

Er lächelte, als er an Amanda dachte – ihr ungeschminktes Gesicht, das ausgebeulte T-Shirt. Ihre wohlgeformten Beine darunter …

Sie war das genaue Gegenteil von seiner letzten Freundin, Kayla, dachte er, während er weiter die Straße nach verdächtigen Zeichen absuchte. Kayla war sehr elegant und sexy.

Die Leute hatten sich oft gefragt, wie er zu einer Freundin wie Kayla gekommen war. Manchmal konnte er es selbst kaum glauben. Kaylas Leben war voller Dramen – Dramen, aus denen er sie normalerweise befreit hatte, wenn er sich recht entsann. Da hat sie sich nie darüber beschwert, dass er „zu nett“ gewesen sei.

Nicht, dass er deswegen verbittert wäre.

Wie auch immer, diese Zeiten waren vorbei, dachte er und nahm einen Schluck von seinem Bier. Er würde sich verdammt noch mal nicht mit einer Frau einlassen, bevor er nicht vollkommen bereit war. In der Zwischenzeit hatte er ein kleines Geheimnis aufzudecken. Jemand wie Kayla würde das vielleicht langweilig finden, aber er wusste, dass ein Rätsel wie dieses ihn so lange verfolgen würde, bis er es gelöst hätte. Und er war fest entschlossen, das zu tun.

Amanda fand das nicht langweilig. Es schien ihr Spaß gemacht zu haben, vielleicht fand sie es sogar interessant. Er schaute nach oben und fragte sich, ob ihr Licht wohl an war. Ob sie vielleicht gar wach war. Sie hatte gesagt, dass sie gerade ihr Geschäft verkauft hatte. Es konnte ja sein, dass sie auch Probleme hatte, einzuschlafen?

Er könnte ja noch mal auf die Feuerleiter steigen …

Konzentrier dich, du Idiot.

Er ließ seinen Blick über die Straße schweifen – und hielt die Luft an.

Da waren sie. Er erkannte die Männer wieder, die sich langsam einer nach dem anderen und manchmal zu zweit oder zu dritt in Richtung der Gasse hinter dem chinesischen Supermarkt bewegten.

Er dachte nicht nach. Er zog sich einen dunklen Pulli an und lief nach unten. Sein Herz klopfte. Er wusste nicht, was da los war, aber, so viel war sicher, er würde es herausfinden.

Er öffnete vorsichtig die Haustür und sah sich um, bevor er schnell in den Schatten abtauchte. Er wollte nicht, dass ihn jemand bemerkte. Er sah einen Mann in einem dunklen Anzug mit loser Krawatte und aufgeknöpftem Hemd, der sich ebenfalls verstohlen umblickte. Dann bog er in die Gasse ein.

Scott schaute sich um. Die Luft war rein. Er überquerte die Straße und ging ebenfalls in die Gasse. Es war dunkel und roch nach Müll und chinesischen Kräutern. Ihm fiel auf, dass Licht aus einer Hintertür des Restaurants fiel. Er rannte zu der Tür und versteckte sich hinter einem Müllcontainer.

Nach ein paar Minuten tauchten noch einige Männer auf. „Lincoln kann es nicht ausstehen, wenn wir zu spät kommen“, murmelte einer der Männer.

„Er wird es überleben“, antwortete ein anderer glucksend. „Außerdem wäre ich nicht ich, wenn ich pünktlich wäre.“

„Drei Uhr nachts, verdammt“, grummelte der Dritte. „Finn, kannst du George nicht dazu kriegen, die Treffen zu einer vernünftigen Uhrzeit abzuhalten?“

„Wirst du etwa alt, Tucker?“, fragte der zweite Mann. Dann klopfte er an die Tür. Sie öffnete sich.

„Passwort?“, verlangte der Türsteher.

„Glück der Iren“, sagte der erste Typ, Finn. „Los jetzt, wir sind eh schon spät dran.“

„Und wessen Schuld ist das, Finn?“, fragte der Türsteher. „Sie haben schon angefangen. Geht durch.“

Die Tür schloss sich, und Scott blieb allein in der Dunkelheit stehen. Es war also irgendeine Art von Treffen … geleitet von einem Lincoln, oder einem George.

Sie hatten ein Passwort.

Es war zu mysteriös, um wahr zu sein.

Es ist wahrscheinlich gar nichts, versuchte Scott sich einzureden, während sein Herz vor Aufregung zu rasen begann. Wahrscheinlich ist es nur so ein Zwölf-Schritte-auf-dem-Weg-zum-Erfolg-Programm.

Aber sein Bauchgefühl sagte ihm etwas anderes. Irgendwas Seltsames ging hinter dieser Tür vor.

Er war nicht ganz sicher, was ihn dazu trieb. Vielleicht Kayla, die ihn langweilig fand. Oder die Tatsache, dass nicht viel passierte in seinem Leben. Warum auch immer, plötzlich stand er vor der Tür und klopfte dreimal, genauso wie er es bei den anderen gesehen hatte.

Die Tür öffnete sich. Der Türsteher betrachtete Scott misstrauisch.

„Passwort?“

„Glück der Iren“, sagte Scott mit ruhiger Stimme.

Der Typ betrachtete ihn abwartend. Dann sagte er: „Komm rein. Das Treffen hat bereits angefangen. Folge mir.“

Scotts Herz klopfte wie wild, als er dem Typen durch den Flur folgte. Er öffnete eine Tür, die zu einem Keller führen musste. Scott machte große Augen. Hier sah nichts nach Keller aus. Die Wände waren verkleidet, und pompöse und bequeme Möbel standen herum. Es erinnerte ihn an einen altmodischen Herrenclub, in dem normalerweise alte, reiche Männer Brandy tranken und Zigarren rauchten.

Viele der Männer passten auch in dieses Bild, sie trugen Anzüge oder offensichtlich teure Kleidung. Dann gab es aber auch ein paar tätowierte Männer, die eher aussahen wir Skater. Ein paar grölten wie Verbindungsstudenten, andere unterhielten sich lachend.

Was war das hier, fragte sich Scott, während er umherschaute. Eine Art alternativer Gentlemensclub? Waren das Gangster? In was war er hier hereingestolpert?

Plötzlich fiel ihm auf, dass alle still waren und ihn anstarrten. Und sie sahen nicht freundlich aus.

Oh, oh.

Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Der Türsteher, der von zwei anderen Männern flankiert wurde, ergriff ihn und schleppte ihn nach vorne. „He!“, protestierte Scott und wollte sich losreißen, aber die Männer hielten in fest und zogen ihn mit sich.

„Wen haben wir denn hier?“

Scott sah den Mann an, der die Frage gestellt hatte. Er war einer der Studenten – er trug zwar einen Anzug, sein Benehmen und seine zu laute Stimme verrieten aber, dass er betrunken war. Sein Gesicht war fast so rot wie seine gegelten Haare. Er starrte Scott aus zusammengekniffenen Augen an und grinste schmierig.

„Er hat sich eingeschlichen, George“, sagte der Türsteher.

„Ich kannte doch das Passwort“, protestierte Scott.

„Es existiert kein Passwort, du Idiot“, antwortete der Türsteher, aber ein anderer Mann gab ihm ein Zeichen, still zu sein.

Er war groß, hatte dunkle Haare, einen düsteren Gesichtsausdruck und strahlte eine gewisse Autorität aus – etwas Hartes, obwohl er ein kultivierter reicher Mann zu sein schien. Das war der Chef, wusste Scott sofort. Das musste Lincoln sein.

„Also, was willst du? Bist du ein Journalist?“, fragte Lincoln. Sein Tonfall war milde, aber seine Augen glänzten zornig.

„Was, nein“, sagte Scott. „Ich … ich wohne auf der anderen Straßenseite und habe eine Gruppe von Typen morgens um drei in diese Gasse gehen sehen und wollte nur wissen, was hier los ist.“

Das schien niemanden zu überzeugen.

„Ihr könnt meine Brieftasche überprüfen“, sagte er scharf und befreite seinen Arm aus dem Griff von einem der Männer. „Da ist mein Führerschein mit meiner Adresse drin, außerdem meine Visitenkarte. Ich bin Sales Analyst bei Daventech.“ Er griff in seine Tasche und reichte Lincoln seine Geldbörse.

Lincoln untersuchte deren Inhalt und gab sie ihm dann nachdenklich zurück.

„Er scheint die Wahrheit zu sagen“, sagte der Typ namens Finn amüsiert. „Woher hast du gewusst, dass wir nicht gefährlich sind?“

„Habe ich nicht“, gab Scott zu und fühlte sich immer idiotischer.

„Warum um Himmels willen bist du dann hierhergekommen?“, fragte der Türsteher.

Scott zuckte mit den Schultern. Jetzt, wo ihn alle so böse anstarrten, wusste er auch nicht mehr, was in ihn gefahren war.

„Ich wollte einfach nur herausfinden, was hier los ist, das ist alles“, murmelte er.

„Du bist auf der Suche nach einem Abenteuer, was?“, fragte Lincoln.

Scott betrachtete Lincoln und fragte sich, ob er auf den Arm genommen wurde. „Ja, wahrscheinlich.“

„Das zeugt von Mut. Das bewundere ich“, sagte Lincoln mit einem dünnen Lächeln. „Also, was meint ihr, Leute? Es ist schon etwas her, dass wir ein neues Mitglied aufgenommen haben, sollen wir ihn nehmen?“

„Testen wir ihn erst mal“, brüllte der rothaarige Kerl namens George, woraufhin die Männer hinter ihm in wildes Gelächter ausbrachen.

„Das versteht sich von selbst“, meinte Lincoln.

„Wartet mal“, sagte Scott schnell. „Ich hab nicht gesagt, dass ich irgendwo eintreten will. Ich weiß noch nicht mal, wer ihr seid!“

„Kannst du ein Geheimnis bewahren?“, fragte Lincoln nachsichtig. „Wenn wir nämlich beschließen, dich aufzunehmen – und dich zu einem Mitglied machen –, ist Verschwiegenheit eine der wichtigsten Regeln. Und eine, die wir sehr ernst nehmen.“ Er klang ein kleines bisschen drohend. „Wenn es dir aber lieber ist, können wir dich auch hinausbegleiten, und du wirst uns nie wiedersehen. Nichts für ungut.“

Scott dachte nach. Er war sich immer noch nicht sicher, was hier vorging – aber er brannte vor Neugier.

Gott hasst Feiglinge. Das war einer der Lieblingssprüche seines Großvaters gewesen. Er hatte jahrelang nicht mehr daran gedacht, aber nun passte es irgendwie.

„Ich kann ein Geheimnis bewahren“, hörte er sich sagen.

„Schwörst du es?“

Scott nickte. „Ich schwöre.“

„Also gut.“ Lincoln lächelte breit, und zu Scotts Verwunderung brachen die Männer im Raum in lautes Gejohle aus. „Wie heißt du?“

„Scott. Scott Ferrell.“

„Scott Ferrell“, sagte Lincoln und streckte ihm seine Hand entgegen, „willkommen im Players Club.“

„Der Players Club“, wiederholte Scott erstaunt. „Im Ernst?“

Lincoln lachte. „Hast du von uns gehört?“

„Wer hat das nicht?“, fragte Scott. „Willst du damit sagen, dass ihr … ihr alle … die Typen seid, die all diese verrückten Sachen machen? Durch die Weltgeschichte fliegen, Riesenpartys schmeißen, irre Streiche spielen?“

„So sieht es wohl aus“, sagte Lincoln mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wir tun aber auch noch andere Dinge.“

Scott fühlte, wie die Aufregung sich in ihm ausbreitete. „Und … ihr lasst mich rein?“

„Heißt das, du bist interessiert?“

Scott schluckte. „Ja, klar, und wie ich interessiert bin!“

Lincoln lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und lächelte.

„Okay, Leute!“, brüllte George und legte Scott den Arm um die Schultern. „Dann wollen wir ihn mal auf die Probe stellen!“

Es folgte lautes Gejohle, und Scott wurde gepackt und Richtung Tür geschleppt.

2. KAPITEL

„Was genau ist denn jetzt der Players Club?“, fragte Scott, der brüllen musste, damit man ihn über den Lärm des Flugzeugmotors hören konnte.

Finn, der Typ, den er das Passwort hatte sagen hören, grinste breit. „Ein Club wie kein anderer, mein Freund“, schrie er zurück. „Er wird dein Leben verändern.“

Nervös bemerkte Scott, wie die anderen Mitglieder um ihn herumstanden, grinsten und sich gegenseitig abklatschten. Er fragte sich abwesend, ob er vielleicht gerade gekidnappt wurde.

„Bevor wir gehen“, schrie George, „müssen wir ein paar Regeln durchsprechen.“

Finn verdrehte die Augen. Scott runzelte die Stirn.

„Wohin gehen?“, fragte er. Bis dahin hatte die „Mutprobe“ darin bestanden, dass man ihm die Augen verbunden hatte, er in ein Auto verfrachtet und mit einigen der anderen Player zur Flughafenlandebahn gebracht wurde. Nun waren sie in einem Frachtflugzeug und flogen der Dämmerung über Marin County entgegen. Scott war sich nicht sicher, was los war, aber zumindest hatten sie ihm die Augenbinde abgenommen.

„Player sind was Besonderes“, sagte George und torkelte näher. Scott roch seine Scotchfahne. Er zog seine Brieftasche heraus und gab Scott eine Karte – eine Visitenkarte, auf die der Name „Players Club“ geprägt war. Auf der Rückseite stand: George Macalister, Vizepräsident.

„Wir tun Dinge, von denen all die anderen Verlierer nur träumen“, fuhr George leicht schwankend fort. „Wir spielen härter, wir trinken mehr, und wir geben mehr aus …“

Lincoln räusperte sich. Scott stellte fest, dass jeder hier Lincoln als Anführer betrachtete und George demonstrativ ignorierte.

„Das sind die Regeln, wie wir sie ursprünglich aufgestellt haben“, begann Lincoln. „Regel Nummer eins: Für einen wahren Player ist das ganze Leben ein Spiel.“

Scott wartete auf eine Erklärung, anscheinend war das aber eine Art Zen-Weisheit. Scott nickte.

„Regel Nummer zwei: Das Spiel wird draußen auf dem Feld gespielt.“

„Nicht auf dem Sofa“, betonte Finn. „Oder vor dem Fernseher, im Internet oder in deinem Büro.“

Aha. Spiel als Metapher für das Leben, fasste Scott zusammen. „Alles klar.“

„Regel Nummer drei“, fuhr Lincoln fort. „Jeder Tag ist ein neues Spiel.“

„Kein Trott, keine Routine“, stellte Finn klar.

„Regel Nummer vier: Player zählen keine Punkte.“

„Das heißt, es gibt keinen Neid. Bewahre einen Sinn für Humor, besonders den anderen Playern gegenüber“, sagte Finn. Er fungierte als eine Art Übersetzer, was gut war, denn dieser Kram war ungefähr so klar wie Matsch. „Im Übrigen willst du das hier vielleicht anziehen.“ Er gab Scott einen Nylon-Anzug.

Scott war bewusst, dass es unangebracht wäre, jetzt „warum?“ zu fragen, also zog er den Anzug an. Er war knallgelb. Alle anderen zogen ebenfalls diese Anzüge an. „Äh …“

„Regel Nummer fünf“, fuhr Lincoln unbeirrt fort. „Player verlieren niemals. Sie spielen einfach weiter.“

„Durchhaltevermögen und Haltung“, fügte Finn hinzu, während er sich eine Art Rucksack aufschnallte.

„Ob du nun bei einer Frau oder irgendwo sonst einen Volltreffer landen willst, wir empfehlen immer beide Eigenschaften.“

„Moment mal“, unterbrach Scott, der auf einmal hellwach war, obwohl er die ganze Nacht noch nicht geschlafen hatte. „Ist das ein Fallschirm?“

„Ich weiß, sie sind etwas lahm“, meinte Finn, „aber das sind die Regeln, die wir uns vor unserem ersten Sprung ausgedacht haben. Und, zugegeben, wir waren etwas betrunken damals.“

„Sie sind echt lahm“, schrie George und lachte dreckig. „Scheiß auf die Regeln!“

„Lass den Fallschirm liegen, George“, sagte Lincoln. „Du springst heute nicht.“

„Warum nicht, verdammt? Mir geht’s gut!“, schimpfte George wütend.

Lincoln kam zur letzten Regel: „Regel Nummer sechs: Alles bleibt vertraulich. Du erzählst niemandem außerhalb des Clubs, was du im Club tust“, schloss Lincoln mit versteinerter Miene, es war ihm todernst. Scotts Blick hing immer noch an den Fallschirmen, aber er nickte. „Du erzählst niemandem von der Existenz dieses Clubs. Weder, wer daran teilnimmt, noch, wo wir uns treffen … nichts.“

„Sonst noch was?“, fragte Scott.

Lincoln grinste und warf einen Blick auf George und dessen Karte in Scotts Hand. „Eher eine Richtlinie als eine Regel“, sagte er schulterzuckend: „Player prahlen nicht.“

„Echte Player“, fügte Finn hinzu, „haben das nicht nötig.“ Er grinste breit und ging zur Tür des Flugzeugs.

„Du springst mit mir“, sagte Lincoln und stellte sich hinter Scott. „Tandem. Keine Sorge, das ist bestimmt mein sechzehnter Sprung.“

Scott nahm sich eine Schutzbrille und fühlte das Adrenalin durch seine Adern rauschen. „Weißt du, ich hab’s nicht so mit Höhe“, warf er zögernd ein und fragte sich, ob er nicht gerade den größten Fehler seines Lebens machte. Es fühlte sich an wie Gruppenzwang.

Wenn all deine neuen Freunde aus einem Flugzeug springen, würdest du es auch tun?

„Das dachte ich mir“, sagte Finn mit einem schalkhaften Lächeln.

„Jetzt erzähl mir nicht, dass ich die Aussicht lieben werde“, meinte Scott, dem das Herz bis zum Hals schlug.

„Eigentlich wirst du es wahrscheinlich von Anfang bis Ende furchtbar finden“, sagte Lincoln. „Vielleicht wird dir sogar schlecht. Fluchen hilft ein bisschen.“

Scott sah zu, wie die Flugzeugtür geöffnet wurde und das fahle Morgenlicht durch die Luke kroch. Die Luft war eiskalt und traf ihn mit voller Wucht wie eine Kanonenkugel in den ohnehin schon flauen Magen. „Ich weiß nicht, ob ich das durchziehen kann“, wand er ein.

„Es ist leicht“, sagte Finn, rief dann „Jippih“ und warf sich aus dem Flugzeug.

Der Rest der Gruppe johlte – außer George, der mit finsterem Blick und verschränkten Armen in der Ecke saß.

Einer nach dem anderen stellte sich an, fiel oder sprang aus der offenen Tür in den Himmel und trudelte Richtung Erde. Scotts Handflächen waren schweißnass. Er verdrehte den Kopf, um Lincoln anzusehen. „Ich hab vom Players Club gehört.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Lincoln schien nicht begeistert zu sein.

„Warum tut ihr das?“

Diese Frage gefiel Lincoln anscheinend besser. „Sag mal, Scott, bist du glücklich mit deinem Leben?“

Scott war etwas abgelenkt von seinem eindringlichen Ton. „Glaub schon.“ Er hielt inne und krümmte sich fast unter Lincolns anklagendem Blick. „Na ja, ich bin nicht begeistert, aber so schlimm ist es auch nicht.“

„Und das ist die beste Bestätigung“, fand Lincoln. „Wann hast du dich das letzte Mal richtig darauf gefreut, morgens aufzuwachen?“

Scott blinzelte. „Ich … weiß nicht.“

„Wann hast du zuletzt etwas getan, für das es sich gelohnt hat, morgens aufzustehen?“ Lincoln ging noch weiter. „Wenn du morgen sterben würdest, würdest du denken, Mann, bin ich froh, all diese Arbeit erledigt zu haben? Oder würdest du denken, mein Leben läuft genau so, wie ich es will? Ich habe nichts zu bereuen? Ich habe alles getan?“

„Wer lebt schon so?“, fragte Scott verwirrt.

Lincoln lächelte.

„Wir.“

Scott ließ das einen Moment sacken.

„Wirklich“, sagte Lincoln, „wenn du dich doch gegen den Club entscheidest, ist das kein Problem, solange du niemandem von heute Nacht erzählst. Wir werden wahrscheinlich den Treffpunkt ändern, das tun wir sowieso ständig, und so werden wir einfach verschwinden. Wenn du nicht aus einem Flugzeug springen willst, ist das völlig verständlich. Verdammt, es ist sogar sehr vernünftig!“

Scott fühlte, wie sich sein Magen beruhigte. Er hatte seine Neugier befriedigt, oder etwa nicht? Er wusste nun, warum sie sich trafen. Er hatte herausgefunden, was er wissen wollte. Nun konnte er in sein mehr oder weniger ruhiges Leben zurückkehren.

Wann hast du zuletzt etwas getan, für das es sich gelohnt hat, morgens aufzustehen?

Scott holte tief Luft.

„Letzte Chance“, meinte Lincoln. „Du kannst auch einfach an Bord bleiben und dich auf dem Flugplatz absetzen lassen. Da nimmst du dann eine der Limousinen, die dort warten. Sie wird dich nach Hause bringen, ohne Fragen, ohne dich zu verurteilen.“

Scott wartete einen langen, quälenden Moment.

Dann zog er die Brille über die Augen.

„Lass es uns tun.“

Er sah Lincolns kurzes Lächeln, und schon war er an dessen Geschirr geschnallt. Lincoln erzählte ihm, wie der Sprung sein würde, aber aufgedreht, wie er war, verstand Scott kaum ein Wort.

„Okay, los geht’s“, sagte Lincoln. „Eins … zwei …“

Scott streckte seine Hände aus und fühlte den Wind.

„Drei!“

Und damit sprangen sie aus dem Flugzeug, und er fühlte nichts als Luft zwischen sich und dem Erdboden.

Nach dem Brunch mit Jackie hatte es ein paar Tage gedauert, bis Amanda den Mut gefasst hatte, Scott zum Essen einzuladen. Nun stand sie in ihrem „sexiesten“ Outfit – einem weißen Netztop, einem luftigen, silbernen Rock und weißen Sandalen – vor seiner Wohnungstür. Es schrie vielleicht nicht gerade: „Lass uns wilden, heißen Sex haben“, aber es war das Beste, das sie aus dem, was sie in ihrem Schrank gefunden hatte, machen konnte. Sie musste zugeben, dass sie nur entweder Geschäfts- oder gemütliche Freizeitkleidung besaß.

Wenn er den Köder schluckte, dachte sie nervös, musste sie ihre Garderobe aufstocken. Wenigstens mit Unterwäsche – Dessous, korrigierte sie sich selbst.

Sie klopfte sacht an seine Tür. Sie hatte sich überlegt, dass sie ihn am besten am frühen Nachmittag fragen würde, bevor er abends ausging. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er viele Abende allein zu Hause verbrachte. Vielleicht hatte er an einem Abend in der Woche Zeit, an einem Mittwoch oder so. Er konnte ja nicht immer beschäftigt sein, oder?

Es machte niemand auf. Sie klopfte noch einmal. Sie fühlte sich unwohl. Vielleicht war er nicht zu Hause. Oder er war zu Hause, aber hatte … Gesellschaft.

Das könnte unangenehm werden, sehr unangenehm.

Oh nein, was habe ich mir bloß gedacht?

Sie hörte, wie jemand am Schloss herumfummelte und irgendetwas murmelte. Dann ging die Tür weit auf. „Mm … hallo?“

Sie bemühte sich, nicht zu starren. Eine Spur aus Klamotten zog sich vom Flur bis ins Schlafzimmer. Wenigstens sah es so aus, als wären es nur seine …

Dann schaute sie ihn an, und ihr fiel die Kinnlade herunter. Da stand er und trug nichts als Shorts. Hatte der Typ keine Hemden? Nicht, dass sie sich beschweren wollte, aber … verdammt.

„Äh, hallo“, sagte sie und biss sich auf die Lippen. Sein Haar stand in alle Richtungen ab, seine Augen waren halb geschlossen und seine Haut noch vom Schlaf gerötet. Er sah zum Anbeißen aus – als ob er gerade aus dem Bett gekommen war und nichts lieber wollte, als dahin zurückkehren. Sie hätte nichts dagegen, ihm Gesellschaft zu leisten.

Warum liegt er nachmittags um eins noch im Bett? Sogar für einen Sonntag schien ihr das ein wenig, nun ja, ungewöhnlich. Andererseits war auch nicht jeder ein Frühaufsteher wie sie selbst.

„Hallo“, sagte er mit belegter, aber warmer Stimme. Er streckte sich etwas, was seine Muskeln gut zur Geltung brachte. Sie wusste, dass sie ihn anstarrte. „Tut mir leid. Ich war gestern Nacht erst spät zu Hause. Heute morgen, meine ich.“ Er sah etwas albern aus mit seinem schiefen Lächeln, und sie konnte nicht anders, als zurückzulächeln. „Was gibt’s?“

Ihre Hormone funktionierten schon mal, so viel war klar. Und schlimmer noch, sie boykottierten ihre Pläne. „Ich, ähem, hab ein paar Brownies gebacken und dachte, du willst vielleicht welche …“

Sie hielt ihm ihren Köder hin. Nach seiner Reaktion auf ihren Kakao wusste sie, dass er ein Faible für Süßes hatte. Sie war bewaffnet mit einem Duzend Zartbitterschokoladen-Brownies mit Macadamia-Toffee und Karamell-Glasur. Sie war vielleicht von ihren eigenen Reizen nicht ganz überzeugt, aber ihre Süßigkeiten würden jeden Schokoladenliebhaber im Handumdrehen verführen.

„Brownies“, sagte er ehrfürchtig und schien bei dem Anblick erst richtig aufzuwachen. Sein Magen knurrte, und er lachte. „Ich habe seit letzter Nacht nichts gegessen. Die sehen großartig aus.“

Sie gab ihm den Teller, und er nahm sich schnell einen herunter und biss hinein. Sein verzücktes Stöhnen verursachte ihr Gänsehaut.

„Die sind unglaublich“, murmelte er mit vollem Mund. „Das ist der Himmel, verpackt in Schokolade.“

Sie grinste. „Du solltest meinen Minz-Vollmilchschokoladenmousse-Pie probieren“, murmelte sie. „Glaub mir, er ist orgastisch.“

Er hielt inne und lächelte verschlagen. „Du machst mich neugierig.“

Sein Lächeln ließ es in ihrem Bauch kribbeln. Sie räusperte sich. „Ich wollte Mittwoch einen machen“, sagte sie in der Hoffnung, ganz beiläufig zu klingen. „Vielleicht willst du vorbeikommen? Auf ein Stück?“

So. Wenn das nicht deutlich genug war, dann würde sie ein Jahr lang auf Schokolade verzichten.

„Wirklich?“, flüsterte er und trat etwas näher. Seine dunkelbraunen Augen wärmten sie. Er lächelte immer noch. „Das klingt … nett.“

Sie zitterte. Wie schaffte der Mann es, mit nur einer einzigen Silbe so einladend zu klingen? Und dann auch noch mit einer, die sie immer für absolut harmlos gehalten hatte?

„Wann soll ich kommen?“

Sie lächelte und fühlte Erleichterung und Adrenalin durch ihr Blut rauschen. „Wie wär’s mit …“

Bevor sie eine Zeit nennen konnte, klingelte sein Telefon. Er ließ es einmal, zweimal klingeln, während er sie weiter anstarrte. Dann fluchte er leise, als sei ihm plötzlich etwas eingefallen. „Warte kurz. Ich bin gleich zurück.“

Er rannte in seine Wohnung und ließ sie in der offenen Tür stehen. Sie konnte seine Stimme hören, wie sie etwas unfreundlich „Hallo?“ fragte.

Sie wartete, und ihr ganzer Körper war in Aufruhr. Das könnte funktionieren. Sie würde ihn mit Schokolade ködern, und sobald sie ihn in ihrer Wohnung hatte …

Was würde sie dann machen?

Sie schluckte. Sie musste das noch besser planen. Jackie würde sicherlich ein paar riskante Ideen zum Ausprobieren haben. Wenigstens hatte sie noch ein paar Tage, um …

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so schnell anrufen würdest.“ Scotts überraschter Tonfall unterbrach ihre kleine mentale Panikattacke und wurde noch betont dadurch, dass er auf einmal die Stimme senkte. Das war so seltsam, dass sie sich nun anstrengte, zu hören, was er sagte.

„Was? Wann?“, fragte er erstaunt. „Ja, ja, gut. Ich hab die Adresse. Soll ich etwas mitbringen?“ Lange Pause. „Okay. Ich werde da sein. Ich ändere meine Pläne.“ Noch eine lange Pause. „Ja, ich erinnere mich an die Regeln. Ich werde niemandem was erzählen.“

Er erinnerte sich an die Regeln? Sie runzelte irritiert die Stirn. Was für Regeln? Und warum klang er auf einmal so geheimnisvoll?

Er kam zur Tür zurück, ohne die Brownies, und sah verlegen aus. „Äh, tut mir leid.“

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie.

„Was? Ja. Klar.“

Er sah sie nicht mehr an und trat von einem Fuß auf den anderen. Sie war keine Kriminalistin, aber verbarg er irgendetwas?

„Wie auch immer … wie wär’s mit sieben?“

„Sieben was?“, wiederholte er dümmlich.

Sie fühlte, wie sie rot wurde, als die Peinlichkeit ihr einen Stoß versetzte. „Ähm, sieben Uhr am Mittwoch?“, sagte sie und konnte seinen leeren Gesichtsausdruck kaum ertragen. „Zum Minz-Schokoladenmousse-Pie …?“

„Oh. Oh“, sagte er und sah schuldbewusst aus. „Ähm … mir ist gerade was dazwischengekommen.“

„Oh“, wiederholte sie und hoffte, dass sie nicht so enttäuscht aussah, wie sie war.

„Oh, hey, versteh mich nicht falsch“, sagte er schnell, und zu ihrem Entsetzen wurde ihr klar, dass sie wohl noch enttäuschter aussah, als sie dachte. „Ich wollte wirklich kommen. Will kommen, meine ich.“

„Wir können ja einen anderen Termin finden“, stammelte sie.

Er seufzte. „Ich würde gerne, wirklich“, sagte er. „Aber …“

„Aber.“ Sie schnitt ihm das Wort ab. „Glaub mir, das reicht als Erklärung. Gut. Genieß die Brownies, wir sehen uns.“

Sie drehte sich um und floh, um ihre Demütigung in heißer Schokolade zu ertränken, mit einem kräftigen Schuss Godiva-Likör oder Bacardi. Aber bevor sie auch nur zwei Schritte gehen konnte, war seine Hand an ihrem Arm und hielt sie fest. Hielt sie auf.

„Ich meine es ernst“, sagte er, und sie konnte hören, dass das stimmte, sah die Wärme und Wahrheit in seinen Augen. Er streichelte ihren Arm, während er sprach, und sie zitterte. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal eine Verabredung hatte, die mir noch lieber war als ein Stück von deinem Kuchen.“

Seine Stimme war so tief, seine Worte so warm, dass sie darin schwelgte. Das heißt, so lange, bis sie deren Zweideutigkeit erfasste. Sie starrte ihn mit großen Augen an.

Anscheinend begriff er zur gleichen Zeit. „Ah. So meinte ich das gar nicht“, stellte er schnell klar. „Ich meine, ich wollte sagen … Mist, ich mach es nur noch schlimmer.“

Sie lachte. „Naja, eigentlich lief es doch ganz glatt, wenn man das Ganze betrachtet.“

„Also eigentlich lade ich eine Frau erst zum Essen ein, bevor ich mit den ganzen Andeutungen loslege“, sagte er, und sie musste kichern. „Was ich sagen will, ist jedenfalls: Ich mag dich und würde mich gerne mit dir treffen.“

Sie nickte und wartete.

„Aber diese Woche ist irgendwie verrückt“, sagte er und ließ seine Hand von ihrem Arm fallen. „Ich bin verwickelt in …“ Er hielt inne. „Ich habe ein …“ Er hörte auf und sah frustriert aus. „Mein Leben ist gerade etwas kompliziert geworden.“

„A-haaa“, sagte sie langsam. Was zum Teufel soll das bedeuten?

„Mein Terminkalender ist sozusagen komplett voll“, beendete er seine Erklärung niedergeschlagen. „Für die, äh … die absehbare Zukunft.“

„Oh.“ Sie versteifte sich. „Okay.“

„Aber ich mag dich wirklich.“

„Klar.“ Kann ich mich jetzt bitte in Luft auflösen?

Er fuhr sich durch die Haare. „Du glaubst mir nicht, oder?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich …“

Er beugte sich vor und küsste sie.

Sie erstarrte vor Schreck. Dann, nach ein paar Sekunden, reagierte ihr Körper instinktiv und ignorierte ihren paralysierten Geist. Sie küsste ihn zurück.

Wenig überraschend schmeckte er nach Schokolade, Karamell und Macadamia-Toffee. Er hielt sie fest, und sie fuhr mit den Händen über seine nackte Brust; seine erhitzte Haut fühlte sich gut an unter ihren Fingerspitzen.

Der Kuss sollte etwas beweisen, da war sie sich sicher. Sie wusste zwar nicht genau, was er beweisen sollte, aber es war ihr auch egal. Solange sein Schokoladenkuss nur andauerte, konnte er von ihr aus die Relativitätstheorie damit beweisen wollen, sie würde ihn einfach machen lassen.

Seine Finger gruben sich in ihre Hüften, und er zog sie dicht an sich heran. Sie seufzte vor Verlangen.

Ganz plötzlich ließ er sie los und sah sie benommen an. „Huch, tut mir leid.“

„Das muss es nicht“, sagte sie atemlos.

„Ich wollte … nur nicht, dass du das Falsche denkst.“

„Ach so?“ Sie hatte keine Ahnung, was nun das Richtige sein sollte.

„Also, wir sehen uns.“ Er blinzelte und schüttelte den Kopf. „Später. Ich meine, hier in der Gegend.“

Und damit verschwand er in seiner Wohnung, schloss die Tür und ließ sie völlig verwirrt stehen.

Er ist in irgendetwas hineingeraten, dachte sie. In etwas Mysteriöses. Vielleicht sogar in etwas Gefährliches. Plötzlich fragte sie sich, ob es wohl etwas mit den seltsamen Typen nachts in der Gasse zu tun haben könnte.

Sie ging auf seine Tür zu, um zu klopfen, zu fragen … nein, zu verlangen, dass er ihr sagte, was zum Henker eigentlich los war. Jeder Mann, der ihre Brownies nahm und sie küsste, sollte doch so anständig sein, ihr zu sagen, warum er ausschlug, was sie so offensichtlich anbot. Wenn sie Jackie wäre, würde sie wahrscheinlich die Tür mit einer Axt einschlagen.

Aber ich bin nicht Jackie.

Sie trat zurück und runzelte die Stirn, als sie eine weiße Visitenkarte aufhob. Wahrscheinlich hatte Scott sie fallen gelassen.

Sie las sie. Las noch einmal. Dann schnappte sie nach Luft und zählte eins und eins zusammen.

„Das glaub ich nicht“, murmelte sie. „Das kann verdammt noch mal nicht sein.“

3. KAPITEL

Der Players Club.

Amanda kostete die Vorstellung aus, während sie die Karte in der Hand hielt. Sie hörte schon seit Jahren Geschichten über diesen Geheimbund – von Kunden, Freunden, aus Blogs oder der Zeitung. Niemand konnte dessen Existenz beweisen: Die Player waren eine urbane Legende, die ab und zu mal auftauchte, nach einer berüchtigten Party oder einem wahnwitzigen Streich. Sie wurden verdächtigt, einen Smart von einer Brücke baumeln haben zu lassen. Sie hatten Aufsehen mit einem FKK-Lauf durch den Golden Gate Park erregt. Angeblich hatten sie in Machu Picchu Fangen gespielt, waren mit Schildkröten bei den Galapagosinseln geschwommen und mit Fallschirmen vom Eiffelturm gesprungen.

Wenn sie nach Abenteuern suchte, war das die erste Wahl.

Und Scott ist dabei.

Sie hatte auf der anderen Straße in ihrem Auto auf Scott gewartet. Er war in ein Taxi gestiegen, und wie in einem schlechten Film war sie ihm gefolgt, wobei sie versuchte, einen sicheren Abstand zu halten – und trotzdem wirkte es noch, als würde sie ihm folgen, denn es war zwei Uhr morgens und kein Verkehr. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht darauf achtete. Sie wurde immer nervöser, als sie feststellte, dass sie mitten in den Industriebezirk fuhren, in ein Gewirr aus dunklen, verlassenen Straßen. Rußige, leere Fabrikgebäude tauchten schemenhaft vor dem nächtlichen Himmel San Franciscos auf. Sie fühlte sich wie in einem Film Noir.

Ihre Haut kribbelte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so nervös, so wahnsinnig aufgeregt gewesen war.

Sie hörte die Musik, bevor sie die Lichter sah. Dumpfe, hämmernde Bässe und ein Pulk von Menschen. Ihre Augen weiteten sich, als sie um die Ecke fuhr und eine Fabrik voller Menschen sah. Ein Türsteher stand am Eingang.

Sie lächelte. Soso. Anscheinend ging Scott auf eine Art Rave. Sie fragte sich, wer diese Player wohl sein könnten …

Sie parkte an der Straße hinter ein paar anderen Wagen und beobachtete, wie Scott auf den Türsteher zuging, ein paar Worte sagte und eingelassen wurde.

So, Sherlock, und was jetzt?

Sie zog die Handbremse an, atmete tief durch und stieg aus dem Auto. Sie musste mutig sein. Sie könnte zumindest fragen, was hier los war. Sich irgendwie reinschmuggeln?

Sie schlenderte auf den Türsteher zu, während sie den Gürtel ihres Trenchcoats zuband. „Entschuldigung …“

Er musterte sie flüchtig. „Stripperinnen dahinten lang“, sagte er und zeigte nach links.

Sie starrte ihn an. „Bitte?“

„Bist du keine Stripperin? Es sind nämlich keine Frauen auf der Gästeliste.“

„Doch, ja“, sagte sie zu ihrer eigenen Überraschung. „Mir ist nur der Ausdruck exotische Tänzerin lieber.“

Er lächelte nicht mal ansatzweise und wirkte immer noch skeptisch. „Wie auch immer“, meinte er. „Der Hintereingang ist da lang.“

„Danke.“

Sie konnte jetzt nicht mehr einfach gehen – es wäre verdächtig, sie wurde ohnehin schon argwöhnisch beäugt.

Was kann schon passieren. Du hast es so weit geschafft.

Sie ging langsam in Richtung der Tür und hoffte, das würde ihr etwas Zeit verschaffen, um herauszufinden, was sie nun tun sollte. Vielleicht konnte sie sich hineinschmuggeln oder vorbeischleichen. Sehen, was da los war. Und dann? Sich freiwillig melden? Fragen, ob sie mitmachen darf?

Das seh ich, wenn ich da bin, dachte sie entschlossen. Für eine Frau, die alles plante, war diese Art intuitives Denken erschreckend. Jackie wäre stolz auf sie.

Sie grübelte immer noch über Möglichkeiten nach, als sie die Tür erreicht hatte. Sie öffnete sich, und ein Gewitter aus Farben und Lärm brach los. „Sag, dass du eine Tänzerin bist“, begrüßte sie eine große schwarzhaarige Frau. „Ich habe vier Mädchen zu wenig, und der Laden ist heute rappelvoll.“

„Äh …“ Amanda schluckte. Sie hatte mal ein paar Tanzkurse besucht, mehr als Sport, und sie war auch im Tanzteam der Highschool gewesen. Es war lange her, aber es war eine Chance. Nicht das, was sie erwartet hatte, aber das war nichts von dem hier.

Wenn du das schaffst, schaffst du alles.

„Ja“, sagte Amanda bestimmt. „Ja, ich bin eine Tänzerin.“

Die große Frau musterte sie. „Ich kenne dich nicht“, sagte sie. „Wer hat dich empfohlen?“

„Ich arbeite nur heute Nacht“, bestätigte Amanda ihr. „Ich habe beim Training eine Frau sagen hören, dass sie es heute nicht hierherschafft, und mich freiwillig gemeldet. Ich habe ihren Namen allerdings nicht verstanden … Millie? Oder Sallie?“

Die Lüge klang hohl in Amandas Ohren, aber sie brachte sie vor, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Wahrscheinlich Mitzi. Sie ist leider echt unzuverlässig.“ Die Frau seufzte. „Wenn ich es nicht so nötig hätte …“, grummelte sie und winkte Amanda herein. „Grundregel: Keine Gespräche mit den Klienten! Du bleibst auf der Bühne oder im Käfig. Hinterher kriegst du einen Teil des Trinkgelds. Diese Männer haben Klasse, also werden dir keine Geldscheine in den Slip gesteckt oder so was. Du sollst nur tanzen, alles klar?“

„Alles klar“, sagte Amanda. Ihr Puls raste.

Die Frau sah sie an. „Ich bin Tina“, sagte sie und reichte ihr die Hand. „Das ist meine Truppe, die Bettie Pages.“

Amanda musste bei dem Gedanken an das verruchte Pin-up-Girl lächeln.

„Cool.“

„Du musst eine Bettie-Page-Perücke tragen.“ Sie zeigte auf eine Reihe glänzend schwarzer Perücken auf Styropor-Köpfen. Sie waren alle schulterlang, wellig und hatten einen geraden Pony. „Und dann musst du dich natürlich umziehen.“

„Natürlich.“ Amanda nickte.

Tina starrte sie an. „Ich weiß ja nicht, wo du vorher gearbeitet hast, aber wir sind keine Stripperinnen. Wir sind Burlesque-Tänzerinnen. Das ist ein Unterschied.“

„Ich weiß“, beteuerte Amanda. „So wie Dita Von Teese.“ Ihr erstes Schokoladengeschäft war neben einem Fetischladen gewesen, und sie hatte mehr gelernt, als sie je wissen wollte. Dort hatte sie auch von Bettie Page erfahren.

Tina strahlte. „Ein Glück! Ich werde vielleicht noch froh sein, dass du hier bist und nicht Mitzi. Wie wär’s mit dem schwarzen Korsett? Du würdest toll darin aussehen. Andererseits, mit so einem Vorbau willst du vielleicht auch das Diamanten-Outfit anziehen? Oder das getigerte?“

„Äh …“ Amanda war überwältigt von der Auswahl.

Ein anderes Mädchen drehte sich um. „Das Diamanten-Kostüm“, meinte sie. „Das Korsett dauert zu lange, und wir brauchen in den nächsten fünf Minuten jemanden im Käfig.“

Im Käfig?

„Also das Diamanten-Outfit. Bitte sehr, Süße.“ Damit ließ Tina einen BH und ein Paar silbern glitzernde Hotpants in Amandas Hände fallen, ging dann weg und sprach in ein Headset: „Wir haben jemanden für den Nord-Käfig in fünf Minuten, sag ihnen, sie sollen die Ruhe bewahren, okay?“

Amanda atmete tief durch und suchte dann den Umkleideraum. Schnell wurde ihr klar, dass das der Flur war, in dem sie stand. Überall um sie herum waren halb nackte Mädchen, die sich ihre Kostüme anzogen. Sie biss sich auf die Lippen.

„Dein erstes Mal?“, fragte das Mädchen, von dem der Vorschlag des Diamanten-Outfits stammte.

Amanda lachte nervös. „Ist das so offensichtlich?“

„Keine Sorge. Das hier ist das Beste, was man finden kann“, sagte das Mädchen. „Erst mal gibt es kein Gegrapsche. Die Typen sind alle reich und halten sich streng zurück … was manche Mädchen enttäuscht, die auf einen kleinen Extra-Verdienst aus sind.“

„Extra-Verdienst“, wiederholte Amanda und fühlte sich etwas benommen. Sie schlüpfte aus ihrer Jeans und ihrem T-Shirt und tauschte dann ihren BH gegen den glitzernden „Diamanten“-BH, ein hautfarbenes Stück Lingerie-Kunst, das ihre vollen Brüste riesig aussehen ließ.

„Tina gefällt das nicht. Sie bemüht sich sehr, die Truppe als Burlesque-Revival anzupreisen, aber ich weiß nicht, wie gut das klappt.“ Das Mädchen seufzte. „Tut mir leid, ich rede und rede, dabei muss ich in einer Minute auf der Hauptbühne sein. Ich heiße übrigens Janet.“

„Amanda“, antwortete sie und schüttelte Janets Hand. Dann zog sie sich die Shorts an und setzte eine der Perücken auf. Sie besah sich im Spiegel und lächelte. Sie erkannte sich kaum. Schon gar nicht ihre beeindruckenden Brüste.

„Wow, du siehst toll aus“, sagte Janet bewundernd. „Du brauchst allerdings noch etwas Make-up. Den knallroten Lippenstift nicht vergessen!“

„Ah ja“, sagte Amanda. Sie nahm doppelt so viel Make-up wie sonst und legte dann vorsichtshalber noch eine Zusatzschicht auf.

„Da drüben sind Stiefel“, sagte Janet. „Du brauchst nicht nervös zu sein, es wird alles gut gehen. Wir sehen uns draußen!“

Amanda wühlte in einer Kiste mit Stiefeln, bis sie das einzige Paar in ihrer Größe fand. Leider kniehoch, mit Bändern, Plateausohlen und aus weißem Leder.

„Beeil dich!“, rief Tina und sah auf ihre Uhr. „Ich brauch dich im Käfig!“

„Ja, okay“, rief Amanda und fummelte die Schuhbänder zu. Dann probierte sie ein paar Schritte aus. Solange sie auf den Fußballen bliebe, würde sie die Balance halten können. Normal zu gehen war definitiv keine Option. Durch die Absätze bekam ihr Gang eine sexy Note.

Sie schaffte es auf Tinas Seite, die sie schnell musterte. „Fantastisch“, befand sie und schob sie zu einer Tür, vor der die Musik lauter wurde. „Du bist im Käfig auf der rechten Seite.“

Amanda sah sich um. Es gab zwei Käfige, die an der Wand befestigt waren. Sie würde eine circa sechs Meter lange Leiter hochklettern müssen, um in ihren zu kommen. Der andere Käfig war schon mit einer Frau besetzt, die schwarze Wäsche zu schwarzen Stiefeln trug.

„Geh schon“, sagte Tina und gab ihr noch einen Schubs.

Und dann stolzierte Amanda selbstbewusster, als sie sich fühlte, zur Leiter hinüber und ignorierte das Gejohle der Männer.

„Wow“, sagte Scott, der in der VIP-Ecke des hippen Clubs saß. „Ich wusste gar nicht, dass dieser Ort hier existiert.“

„Er ist sehr exklusiv. Nicht viele Leute wissen davon“, sagte Lincoln lässig. Lincoln war in allem, was er tat, lässig. Er trug einen Smoking, aber seine Fliege war ungebunden. Er sah aus wie George Clooney oder vielleicht ein Mitglied des Rat Pack. Er saß auf einem teuren roten Lederstuhl. „Nachdem du uns entdeckt hast, mussten wir einen neuen Treffpunkt suchen. Ein Freund von mir leitet diesen Laden. Er hat mir einen guten Preis für die nächsten Monate gemacht, bis wir etwas Besseres gefunden haben.“

„Warum habt ihr keinen festen Treffpunkt?“, fragte Scott.

Lincoln zuckte mit den Schultern, stand auf und schenkte sich hinter der Bar einen Scotch ein. „Einige von uns versuchen, dies hier geheim zu halten.“

„Das ist mir schon aufgefallen“, meinte Scott ironisch und nahm einen Schluck von seinem Gin Tonic. „Wirklich genial, die Webseite hinter einem falschen Golfbekleidungsladen zu verstecken und uns Passwörter zu geben. Brillant.“

„Danke“, sagte Lincoln. „Eines unserer Mitglieder, Tucker, ist unser Computergenie. Er hat das alles eingerichtet – es ist die einzige Arbeit, die er noch ausübt.“

„Aber warum all diese Geheimnistuerei?“

Lincolns dunkle Augen bohrten sich in Scotts. Scott sah nicht weg, obwohl er sich unter dem intensiven Blick unwohl fühlte.

„Um es kurz zu machen: Es gibt einige Stellen, denen es lieber wäre, wir existierten nicht. Außerdem würden viele Journalisten gern über uns schreiben, und dann würden alle möglichen Leute Mitglieder werden wollen. Leute, die nicht zu uns passen. Und wenn wir jemanden ablehnen würden, würden wir wegen Diskriminierung angeklagt werden. Was mal eine Gruppe netter Typen auf der Suche nach Abenteuer war, wäre dann ein bürokratischer Albtraum. Und der Polizeichef ist auch nicht so begeistert von uns, wie du weißt. Ein Missverständnis wegen eines Smarts.“ Lincoln schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist besser, wir bleiben, wie wir sind. Ruhig.“

Scott lachte ungläubig. „Also, wenn du je genug davon hast, wird es ein Leichtes für dich sein, in diesem Laden einen Job zu kriegen.“ Er schnippte mit den Fingern.

Lincoln lächelte in sich hinein. „Ich habe diesen Club nicht immer geleitet, weißt du.“

Scott konnte nicht anders. Ihm stand der Mund offen. Hatte Lincoln gerade gesagt, dass er hier arbeitete?

Das würde einiges erklären.

Lincoln prostete Scott zu. „Genieß die Party! Wir wollen später über Geschäftliches mit dir reden.“

Scott starrte ihm ungläubig nach, als er ging.

George kam zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. „Amüsierst du dich gut?“, fragte er.

Scott blickte sich in der Fabrik um. Er sah ein paar Pokerspieler unten und einige Skater auf einer improvisierten Halfpipe im Erdgeschoss. Hier im zweiten Stock war die Musik laut, ein Mix aus Vierzigerjahre-Musik, Jazz und Hip-Hop. Sowohl klassisch als auch modern.

„Schon beeindruckend“, sagte Scott. Finn kam zu ihnen.

„Nicht die da, du Blödmann“, spottete George. „Die Mädchen, Mann. Die Stripperinnen!“

Scott sah in die Richtung, in die Finn nickte. Es gab exotische Tänzerinnen, die strategisch im Club verteilt waren und sich verführerisch zur Musik bewegten. Einige waren oben ohne. Die Männer, die zusahen, klatschten begeistert.

„Lincoln kam mir gar nicht vor wie jemand, der auf Striptease steht“, meinte Scott. Eigentlich wirkte Lincoln auf ihn wie ein Auftragskiller, wenn er darüber nachdachte – eiskalt, sehr klug, wahrscheinlich rücksichtslos. Er hatte das Gefühl, es sei besser, Lincoln nicht gegen sich zu haben, wenn man es vermeiden konnte.

George schien nicht seiner Meinung zu sein. „Ach, verdammt“, murmelte George. „Ich wollte, dass er Stripperinnen holte, und er kam mit diesen Tussis an. ‚Burlesque‘, sagte er. Kein Anfassen, kein Geldscheine-in-Tangas-Stecken. Was zum Teufel soll das denn?“ Er schüttelte den Kopf. „Lincoln hat diesen Club vielleicht zusammen mit meinem kleinen Cousin Finn gegründet, aber glaub mir, er war beschissen, bevor ich kam.“

Scott fiel auf, dass viele der Tänzerinnen zwar die typischen Striptease-Bewegungen machten. Manche waren aber auch etwas artistischer. Eine Frau machte einen Fächertanz, während sie ihr Oberteil auszog, nur ab und zu blitzte Haut hervor. Eine andere spielte mit ihrem Hut.

Wie auch immer. Er wartete, bis George weitergezogen war zu einer anderen Gruppe Rowdys, die an der Bar tranken. Dann ging er weg. Stripperinnen konnte er überall sehen. Der Players Club hatte den Ruf, das Risiko zu suchen. Das Abenteuer.

Deshalb war er hier.

Ein Lichtstrahl traf ihn, und zum ersten Mal sah er, dass an der Wand zwei Käfige hingen, in denen auch noch Frauen tanzten. Eine bewegte sich selbstbewusst, die andere schien nicht ganz in ihrem Element zu sein.

Nein – sie fühlte sich richtig unwohl, das sah man. Es war wahrscheinlich kein Vergleich dazu, in einem schmierigen Stripclub zu tanzen, aber trotzdem schien sie nicht gerade begeistert zu sein. Sie schwankte leicht, bewegte sich sonst aber kaum. Einige Männer pfiffen und buhten sie aus und belachten ihre lustlose Performance.

Er war sich nicht ganz sicher, warum er dorthin ging – vielleicht wollte er sie verteidigen oder ihr helfen, zu gehen. Bis er dort war, hatte die Reaktion der Masse sie aber dazu gebracht, sich etwas mehr anzustrengen. Scott sah hoch und sah, wie sie mit fast aggressivem Enthusiasmus anfing, sich zu bewegen. Die Pfiffe der Menge waren nun anerkennend. Sogar das andere Mädchen schien sich zu wundern.

Die Frau stellte ihre Beine wie ein umgedrehtes V, rollte ihre Hüften und streckte ihre Brüste heraus – sie hatte ein beeindruckendes Dekolleté, das musste Scott zugeben. In wellenartigen Bewegungen streckte und dehnte sie sich, drehte sich, wobei ihre Hotpants einen wohlgeformten Hintern zeigten. Das nächste schnelle Hüftflattern bannte die Männer vollkommen. Dann fasste sie graziös mit einer Hand nach dem Verschluss ihres BHs.

Die Männer, die um Scott herumstanden, klatschten und schrien. Scott war noch nie ein Fan von Stripperinnen gewesen – er war ein Fan von nackten Frauen –, aber diese Frau war wirklich aufregend. Sie öffnete den Verschluss und drehte sich dann um, die Arme verschränkt, um das fallende Stück Stoff aufzufangen. Ihr rot geschminkter Mund rundete sich zu einem O der Überraschung, das sie dann mit einer Hand verdeckte. Sie sah aus wie das ultimative ungezogene Mädchen.

Die Menge johlte, und sie fiel aus der Rolle, um ihnen zuzulächeln – mit einem echten, erfreuten Lächeln.

Seine Augen verengten sich.

Ich kenne dieses Lächeln.

Wo zum Teufel hatte er sie schon mal gesehen?

Mit prüfendem Blick sah er weiter zu, wie sie sich drehte und tanzte, ohne je etwas ganz zu zeigen und so dem Begriff Striptease alle Ehre machte. Als sie ihren BH wieder zuhakte und aus dem Käfig kletterte, fraß ihr die gesamte Meute der Männer aus der Hand. Scott war sich immer noch unsicher, aber er wusste genau, dass er dieses Lächeln kannte, und war auf einmal wild entschlossen, herauszufinden, wer diese umwerfende, exotische Frau war.

Sie stieg die Leiter hinunter, ging durch die Menge, die offensichtlich von ihr gefesselt war, und wechselte lachend ein paar Worte mit der Tänzerin, die sie ablöste.

Dann trafen sich ihre Blicke mit Scotts. Ihre silbrig-blauen Augen weiteten sich, groß und glänzend.

Sie lächelte. Und dann, langsam und wohlüberlegt, gab sie ihm ein Zeichen, ihr zu folgen.

Amanda hatte sich noch nie zuvor so gefühlt. Als sie in den Käfig geklettert war, war sie sich wie eine Idiotin, eine Hochstaplerin vorgekommen. Sie war unfähig, den Striptanz der Frau im anderen Käfig zu kopieren. Aber nach ein paar Minuten, in denen die Männer sie ausgepfiffen und – gebuht hatten, legte sich irgendein Schalter in ihr plötzlich um. Ihr fiel der Film „Gypsy“ ein. Und irgendwie gelang es ihr, Natalie Woods Verspieltheit mit der statuenhaften Schönheit von Bettie Page zu verbinden.

Sie hatte wie eine Idiotin angefangen und war als Göttin von der Bühne getreten.

Nun war sie heiß, ausgehungert und kraftvoll. Scott zu sehen war, als hätte man ein Streichholz an eine Stange Dynamit gehalten. Sie war kurz vorm Explodieren.

Sie wollte ihn. Und in ihrem momentanen stürmischen Gemütszustand wusste sie: Sie war zum ersten Mal in der Lage, sich zu nehmen, was sie wollte.

Sie wartete, bis er ihr folgte, und suchte mit den Augen das Gebäude ab. Überall waren Männer. Im Flur, in dem sie sich umgezogen hatte, waren zu viele Tänzerinnen.

Plötzlich entdeckte sie eine Tür, auf der stand: Nur für Angestellte. Sie drückte die Klinke. Die Tür öffnete sich und offenbarte einen weiteren Flur, der zu einer leeren Halle und einem Versorgungsraum führte, die aber beide abgeschlossen waren. Aber der Flur würde es auch tun …

Scott war direkt hinter ihr.

„Hi“, sagte er mit seiner sexy Stimme, die ihre Haut streichelte wie Nerz.

Sie antwortete nicht, sondern lächelte nur und fasste nach seinem Shirt. Sie zog ihn an sich, und zögernd fuhr seine Hand über ihren nackten Rücken. Sie presste ihre Brüste an seinen Körper.

Er stöhnte und drängte sie gegen die Wand. Sie zog ihn weiter in eine Ecke des Flurs. Es war dunkel, und sie waren für sich. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, rieb ihr Becken an ihm und küsste ihn sanft.

Sie fühlte ihn hart werden durch den dünnen Stoff seiner Hose, hart wie Stahl. Gute Länge, dachte sie bewundernd und wurde sofort feucht. Seine Finger gruben sich in ihre Hüften und zogen sie nah an sich heran, streichelten sie. Lustvoll küssten sie sich, tastend, forschend glitt seine Zunge in ihren Mund, liebkoste sanft die ihre, woraufhin ihre Brustwarzen hart wurden. Die Diamanten auf ihrem BH rieben gegen sein Shirt.

„Ich will dich“, flüsterte sie verlangend.

„Du bist so sexy“, murmelte er; drängend küsste er ihren Nacken und ließ sie erschauern. Sie umfing ihn mit ihren Beinen, rieb ein Knie an seiner Hüfte. „Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.“

Sie seufzte vor Lust, als eine seiner Hände über ihren Bauch fuhr, zwischen ihre Beine glitt und sie dort berührte, wo sie so sehr berührt werden wollte.

„Scott“, sagte sie, während sie ihren Kopf zurückwarf.

Seine Hand verweilte auf ihrem Schenkel. „Was?“

Sie merkte, dass er sie anstarrte. „Was?“, wiederholte sie, noch ganz benommen von ihren Empfindungen.

Autor

Cathy Yardley

„Als ich noch auf der Schule war, haben mir meine Eltern das Lesen von Liebesromanen verboten. Für sie zählten nur lehrreiche Bücher", erinnert Cathy sich lächelnd. „Als ich dann aufs College kam und dort entdeckte, dass meine Freundin einen ganzen Schrank voll besaß, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen."

Aus...

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