Tiffany hot & sexy Band 25

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Einfach mal den Ex verführen von Leto, Julie
"Ich bin hier, um dich zu verführen!" Lauren hat ihr Ziel im Blick, als sie ihren sexy Ex in New Orleans trifft. Denn solange sie ihr Herz aus dem Spiel lässt und sich auf die Erotik konzentriert, bedeutet ein sündiges Wochenende mit Luc pures Vergnügen ohne Reue. Oder etwa nicht?

Einfach zu hemmungslos … von O'Reilly, Kathleen
Hemmungslose Spiele auf der Ladefläche seines Pick-ups, ein erotisches Schaumbad unterm Sternenhimmel, romantische Geständnisse … Die Affäre mit Brooke Hart wird für Jason langsam zu gefährlich. Er muss sie beenden! Bevor Brooke etwas verlangt, das er ihr nicht geben kann …

Einfach zu verlockend … von O'Reilly, Kathleen
Austen Hart ist zurück! Er war und ist der Sexiest Man Alive für Gillian - auch wenn sie ihm nie verziehen hat, dass er sie einst sitzenließ, nachdem er sie erst heiß gemacht hatte. Doch das zahlt sie ihm jetzt heim! Diesmal verführt sie ihn - und lässt ihn dann abblitzen …

Einfach zu erregend … von O'Reilly, Kathleen
Die lebenslustige New Yorkerin Edie hat schon eine prickelnde Idee, wie der zurückhaltende Tyler Hart zum perfekten Liebhaber wird. Und sie erklärt es ihm auf ihre ganz eigene, erregend anschauliche Weise - wilden Sex zum Frühstück inklusive …


  • Erscheinungstag 05.05.2012
  • Bandnummer 25
  • ISBN / Artikelnummer 9783864941825
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kathleen Panov, Kathleen Panov, Kathleen Panov, Julie Elizabeth Leto

TIFFANY HOT & SEXY, BAND 25

KATHLEEN PANOV

Einfach zu erregend …

Eigentlich wollte Tyler von der flippigen Edie bloß Tipps, um seine Ex zurückzugewinnen. Doch dann ertappt er sich dabei, dass er Edies erregende Vorschläge nur noch mit ihr selbst ausprobieren will …

KATHLEEN PANOV

Einfach zu verlockend …

Gillian hat Austen nie verziehen, dass er sie einst verlassen hat. Doch immerhin kann sie sich jetzt leidenschaftlich dafür rächen! Was bei seinem Sex-Appeal ein ziemlich gewagtes Vorhaben ist …

KATHLEEN PANOV

Einfach zu hemmungslos …

Eine platonische Freundschaft – ganz ohne Sex? Wie soll sie das aushalten? Brooke vergeht vor Verlangen in Jasons Nähe. Ihre Haut brennt noch immer, dort, wo seine Hände sie so heiß berührt hatten …

JULIE ELIZABETH LETO

Einfach mal den Ex verführen

Wilde Ekstase und hemmungslose Intimitäten! Lauren weiß genau, was sie will, als sie ihren Ex Luc als persönlichen Tourguide für ihre Reportage „Sexy City Nights“ engagiert. Doch bekommt sie es auch?

1. KAPITEL

Aufgekratzt trommelte Edie Higgins mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln auf dem Lenkrad von Barnabys Taxi herum. Es goss in Strömen, und der Regen floss in Sturzbächen an der Windschutzscheibe herunter. Ihre Mickey-Maus-Armbanduhr zeigte 1:07 Uhr, aber am John F. Kennedy International Airport herrschte um diese Zeit das gleiche Gewimmel wie am Tag. Es war warm für eine Nacht im Mai, wenn auch nicht zu warm, und darüber war Edie erleichtert, nachdem sie entdeckt hatte, dass die Klimaanlage seit Neuestem nicht mehr funktionierte. Nicht, dass der Rest des Fahrzeugs in merklich besserem Zustand gewesen wäre, doch das machte nichts. Sie hatte den sprichwörtlichen Bleifuß, beim Gasgeben ebenso wie beim Bremsen.

Neugierig beobachtete Edie die durchnässten Passagiere, die weiter vorne am Taxistand Schlange standen. Das Kommen und Gehen auf Flughäfen mit seinen großen und kleinen menschlichen Dramen hatte sie schon als Kind fasziniert. Da gab es die herzzerreißenden Umarmungen, mit denen heimkehrende Familienmitglieder empfangen wurden. Die nicht enden wollenden Küsse wiedervereinigter Liebespaare. Oder das Winken eines verloren wirkenden Sechsjährigen, der nicht verstehen konnte, warum seine Mom fortmusste. Kurz und gut: Hier gab es Leben pur. Und Gefühle, die einem durch und durch gingen. Gefühle, bei denen Edie immer seufzen musste.

Ihrer Erfahrung nach war die Nacht von Donnerstag auf Freitag sowieso der Spitzenreiter unter den Langeweilebekämpfungsmaßnahmen – ganz einfach deswegen, weil da die Kurzurlauber ankamen und sie die Chance hatte, Pärchen, die einander versunken in die Augen blickten, zu ihren Romantikhotels zu fahren oder ganze Familien zu den überteuerten Touristenfallen am Broadway.

Na und? Wenn es die Leute glücklich machte? Das war schließlich das, was ihr an dem Job am besten gefiel: die glücklich glänzenden Augen, die übersprudelnde Vorfreude und die gespannte Erwartung all dieser Menschen, dass sie etwas besonders Schönes erleben würden.

Also, wenn man bei diesem Gedanken nicht seufzen musste …

Sie griff nach ihrem Handy und sah nach, ob er sich gemeldet hatte.

„Sie haben keine neuen Nachrichten“, ließ die Mailbox-Stimme sie wissen, und Edie stopfte das Mobiltelefon in ihre Handtasche. Was kümmerte sie ein Anruf, den sie nicht bekam, von jemand, der sie nicht brauchte? Da draußen standen Hunderte von Leuten, die so schnell wie möglich in die Stadt wollten. Und genau deshalb war sie hier.

Langsam steuerte sie den Wagen ein paar Zentimeter vorwärts. Der völlig durchnässte Angestellte der Flughafenaufsicht schob Passagiere in die Taxis, als wären sie Müll vom Vortag. Edie ließ den Blick an der Warteschlange entlangwandern. Doch noch während sie abzuzählen versuchte, wer bei ihr landen würde, riss der schlecht gelaunte Angestellte schon ihre hintere Wagentür auf. Sie sah über die Schulter. Also dann – welches aufregende Abenteuer spuckte die Fahrgast-Lotterie heute Nacht für sie aus? Knutschende Verliebte oder eine kreischende Familie?

Nein. Diesmal hatte sie Mr Oberpraktisch erwischt, Mr Danke-kein-Champagner-für-mich. Einen langweiligen Regenmantelträger, für den der Begriff „Abenteuer“ bestenfalls ein Eintrag im Wörterbuch war. Im dunklen Anzug und gestreifter Krawatte mit perfektem Windsorknoten. Den sie auf Anhieb erkannte, weil der angesehene Dr. med. Jordan Higgins – ihr Vater – ihn allen anderen vorzog. Der Windsorknoten war nüchtern und professionell, und er roch nach Erfolg.

Wie Dr. Jordan Higgins.

Und wie so vieles, was der hochgeschätzte Dr. Higgins liebte, konnte Edie den Windsorknoten nicht ausstehen.

Nicht, dass sie übertrieben kritisch sein wollte, aber ihr waren auch gestreifte Krawatten zuwider, genau wie Krawatten insgesamt. Ihrer Meinung nach handelte es sich dabei um eine Erfindung, die ihren Trägern die Luft abschnüren sollte, ähnlich wie Feinstrumpfhosen dem weiblichen Teil der Menschheit. Sie warf einen verstohlenen Blick in den Rückspiegel und stellte fest, dass das tadellose Äußere des Fremden nicht die kleinsten Knitter aufwies … oder sonst etwas, das lebendig wirkte.

Na großartig! Da hatte sie auf ein gepflegtes, kostenloses Besäufnis mit Anita verzichtet, um Barnabys Taxischicht zu übernehmen. Und ja, weil ihr Gemeinheitsgen anscheinend nicht dominant genug war, hatte er sie mal wieder dazu überreden können, ohne sich sonderlich anstrengen zu müssen. Aber trotzdem …

Wenigstens war die Frisur ihres Fahrgasts ein bisschen durcheinander, wie sie bemerkte, als er seine Aktentasche ordentlich auf dem Sitz neben sich abstellte. Sein dunkles Haar war ganz feucht vom Regen, und eine verirrte Strähne hing ihm in die Stirn. Er schob sie ungeduldig zurück an den Platz, an den sie gehörte.

Schade. Er sah ansprechender aus, wenn die Haare nicht ganz so akkurat lagen. Aber nun gut, es war nicht jedem gegeben, die eigenen Besonderheiten zu erkennen und vorteilhaft zu nutzen, so wie Edie es konnte. Obwohl sie natürlich kein Wort darüber verlieren würde. Trenchcoat-Träger taten sich schwer mit Kritik, und deswegen fuhr sie auf den Belt Parkway, die große amerikanische Schlaglochpiste, und fädelte sich in den langsam rollenden Verkehr ein.

„Wo soll’s denn hingehen, Mister?“

„Zum Belvedere“, antwortete er zu ihrem Erstaunen. Das Belvedere war eine ziemlich zwielichtige Adresse, so ganz und gar nicht der Tummelplatz für den klassischen Windsorknoten-Typen, außer vielleicht, er trug eine billige rote Satinkrawatte. Edie musterte ihren Fahrgast mit neu erwachtem Interesse. Ob er auf irgendwelche abgedrehten Sexpraktiken stand?

„Ernsthaft?“, hakte sie nach.

„Fahren Sie einfach!“ Dem knappen Ton nach zu urteilen, war er es gewöhnt, dass man seine Anweisungen befolgte. Edie, zu deren Tugenden Gehorsam nie gezählt hatte, begann mit dem Zeigefinger auf das Lenkrad zu klopfen.

„Treffen Sie jemanden in dem Hotel?“ Sie versuchte, nicht allzu neugierig zu klingen.

Sein kühler Blick begegnete ihrem im Rückspiegel, ehe er sich auf das Namensschild an der Sonnenblende heftete. „Sie sehen nicht aus, als würden Sie Barnaby heißen.“

„Die Wunder der modernen Medizin! Zwei Jahre Hormone, ein paar chirurgische Eingriffe, und siehe da, das Ergebnis ist Barbara.“

„Wohl kaum“, murmelte er, anscheinend beseelt von dem Wunsch, ihr den Spaß zu verderben. Als sie erneut in den Rückspiegel sah, war die widerspenstige Haarsträhne ihm abermals in die Stirn gefallen. Edie grinste in sich hinein. Manchmal war das Schicksal gnädig, und manchmal bewies es sogar Sinn für Humor.

„Barnaby ist mein Ex“, gab sie zu.

„Ihr Ex lässt Sie sein Taxi fahren? Das ist mit Sicherheit ungesetzlich.“

Edie zuckte mit den Schultern. Gesetze waren für sie bloß ein Haufen Vorschriften, genauso einengend wie der Windsorknoten. „Sein Onkel Marty ist irgend so ein hohes Tier bei der Personenbeförderungskommission. Obwohl ich nicht glaube, dass sie wirklich verwandt sind; es handelt sich eher um eine dieser guten Beziehungen, die durch saftige Bestechungsgelder zustande gekommen sind. Deswegen kann Barnaby sich einiges erlauben.

„Und Ihr richtiger Beruf?“

„Richtiger Beruf?“, fragte Edie spöttisch zurück. „Was genau soll das sein? Eine von Geldgier bestimmte Plackerei, die sich gesellschaftlicher Anerkennung erfreut? Acht Stunden lang Brechreiz verursachende, hirnzerfressend kleinkarierte Diskussionen über entwendetes Büromaterial? Nein danke! Aber um ehrlich zu sein und auch, weil ich nicht will, dass Marty Schwierigkeiten bekommt – ich fahre das Taxi nur hin und wieder. Zum Beispiel, wenn Barnaby ein Date mit Sasha hat. Also meistens donnerstags, weil er da Kurse hätte, wenn er noch hinginge. Tut er aber nicht mehr, nachdem er letztes Semester durchgefallen ist.“

„Warum die Geheimniskrämerei?“

Allein die Frage bewies, dass er nicht unter einer erdrückenden, sich in alles einmischenden Familie litt. Sie selbst ja eigentlich auch nicht, obwohl sie sich immer nach einer gesehnt hatte. Einer großen Familie mit vielen lauten Brüdern und Schwestern, so wie in den Fernsehserien.

Als sie die Mautstelle anfuhr, beschloss sie, ihn über einige Besonderheiten amerikanischer Familiendynamik aufzuklären. „Sie halten ihre Beziehung geheim, weil Barnabys Familie dagegen ist. Sasha stammt aus Oklahoma, und seine Eltern sehen das ziemlich eng, weil sie dieses bescheuerte Anti-Oklahoma-Ding am Laufen haben. Also bittet er mich von Zeit zu Zeit, seine Taxischicht zu übernehmen, und ich mache es. Donnerstags am liebsten, weil das die beste Nacht für einen geselligen Menschen wie mich ist.“

Mit einem scharfen Schwenk nach rechts setzte sie das Taxi vor ein anderes, dessen Fahrer den Bogen offenbar noch nicht ganz raushatte, und murmelte einen Fluch, als der Verkehr im nächsten Moment zum Erliegen kam. Auf dem Belt standen die Autos heute Nacht Stoßstange an Stoßstange, ihre Bremslichter leuchteten unheimlich im strömenden Regen. Irgendwo weiter vorne, so versprach ein Hinweisschild, sollte die Straßendecke ausgebessert werden.

Unwahrscheinlich, dass bei diesem Wetter Bautrupps arbeiteten, aber die vom Verkehrsamt veranlassten Fahrbahnverengungen würde es trotzdem geben. Allein wegen der völlig verdrehten Logik, die in New York herrschte, musste man die Stadt lieben. Ganz im Gegensatz zu Mr Trenchcoat. Der machte es seinen Mitmenschen mit dem Lieben wahrhaftig nicht einfach.

Zwei Fahrspuren weiter tat sich plötzlich eine Lücke auf. Edie gab Gas und musste kurz darauf heftig auf die Bremse treten. Sie unterdrückte ein Lächeln, als Mr Trenchcoat sich den Kopf stieß. Ihre Rolle als New Yorker Taxifahrer brachte es nun mal mit sich, dass sie sich ungehobelt benahm und fuhr wie ein Berserker. Von einem Cabbie erwarteten Touristen das einfach. Es war zwar ein Mythos, aber Edie fand, dass die Fahrgäste auf ihre Kosten kommen sollten.

„Macht es Ihnen nichts aus, dass Ihr Ex sich mit einer anderen trifft?“

„Wir haben nicht zusammengepasst.“ Sie zuckte die Schultern und schlängelte sich mit höchst erfinderischen Manövern durch den Verkehr. Ihr Fahrgast blinzelte nicht einmal, geschweige denn, dass er eine Beschwerde geäußert oder sich den Schweiß von der Stirn gewischt hätte. Dann eben nicht.

Sie hupte ausdauernd wegen eines unerträglich lahmen Fahrers aus New Jersey, grinste und wünschte den Bewohnern des Bundesstaats sämtliche Qualen des Transportwesens an den Hals, Fahrpreiserhöhungen, Strafzettel und Rohrbrüche, bei denen es grünen Schleim regnete, inklusive.

„Ich hab’s versucht“, fuhr sie fort und versuchte gleichzeitig, möglichst jedes der kratertiefen Schlaglöcher zu erwischen. „Im Bett lief es ganz gut zwischen uns, aber Barnaby wusste nie, worüber er mit mir reden sollte. Er hat null Fantasie und keinerlei romantische Ader. Wir langweilten uns miteinander, und das ist nicht gut für eine Beziehung. Als Frau erkennt man die Zeichen. Genauso, wie man binnen fünf Minuten weiß, ob einer der Richtige ist oder nicht.“

Fünf Minuten?“ Er klang ungläubig, aber sie hatte schon mit ganz andern Zweiflern zu tun gehabt, und sie stritt sich für ihr Leben gern. Außerdem gab es unumstößliche Wahrheiten, in der Liebe sowieso, und je mehr Männer diese Wahrheiten kannten, desto besser für die Frauenwelt.

„Genau, und tun Sie nicht so, als wäre es bei Männern anders! Die Menschen erkennen es sofort, das ist bewiesen, und ich gehöre zu denen, die keine Zeit verlieren wollen. Das Leben ist zu kurz, als dass man ignorieren dürfte, was einem klar vor Augen steht.“ Das meiste von dem, was sie von sich gab, war kompletter Blödsinn, aber der letzte Satz nicht.

„Und was für Zeichen sollen das sein, an denen eine Person erkennt, ob jemand der oder die Richtige ist?“

Er zog sie durch den Kakao, machte sich lustig über Ansichten, die er als albern, beschränkt und naiv betrachtete. Sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie augenblicklich die Schultern verspannte. Aber es war nicht das erste Mal, dass jemand sie nicht für voll nahm. Das hatten auch schon Leute getan, deren Meinung ihr wichtig gewesen war. Es machte ihr nichts mehr aus – oder jedenfalls nicht besonders viel.

„Für Sie kann ich es nicht sagen, aber für mich gehören Funkenschlag und Blitze dazu. Krachender Donner. Und irgendein AC/DC-Stück in meinem Kopf. Die Welt muss ins Schlingern geraten, und mir muss die Luft wegbleiben.“

„Was Sie beschreiben, ist nicht Liebe, sondern eine schwere Herzmuskelerkrankung.“

Sie kannte diesen belehrenden, staubtrockenen Ton, der alles, was nicht wissenschaftlich belegbar war, als Unfug abtat. Als könnte man Liebe irgendwie messen und in Forschungsberichten erklären! Liebe gab es einfach. „Und Sie sind ein Klugscheißer, richtig?“

Er schien die Beleidigung nicht zum ersten Mal zu hören, war aber offenbar entschlossen, darüber hinwegzugehen. „Wie oft haben Sie diese Symptome schon erlebt?“

„Noch nie.“

„Sie sind drauf und dran, sich eine Enttäuschung einzuhandeln!“ Für die Grußkarten-Branche, Romantik im Allgemeinen und die gesamte Speed-Dating-Industrie im Besonderen war seine Prophezeiung ein Schlag ins Kontor.

„Das Leben ist voll von Enttäuschungen. Und wenn man nicht scheitert, ist man am wahren Leben gescheitert“, behauptete sie trotzig. „Ich nehme das Risiko in Kauf.“

Es hätte ihr Genugtuung bereiten sollen, dass er daraufhin schwieg, aber das Gefühl blieb aus. Da, wo es wirklich kontrovers wurde, pflegte Dr. Jordan Higgins genauso zu schweigen. Egal wie provozierend sie argumentierte. Edie wollte die Musik aufdrehen, aber der Lautstärkeregler hatte den Geist aufgegeben, und da sie ohnehin entschlossen war, nun ebenfalls eisern zu schweigen, schaltete sie das Radio aus.

Irgendwann gab sie auf und fing eine klassische Dinnerparty-Unterhaltung an. „Krebs, hab ich recht?“

„Bei der letzten Vorsorgeuntersuchung jedenfalls nicht.“

„Ihr Sternzeichen meine ich. Krebs. Zurückhaltend, beharrlich, scharfsinniger Denker.“

„Zwilling.“

Geistreich, sprühende Intelligenz, amüsant?

„Auf keinen Fall.“

„Auf jeden.“

Eine solche astrologische Anomalie konnte sie sich nicht erklären, daher nahm sie von weiteren persönlichen Themen Abstand, bis sie den Brooklyn-Queens-Expressway erreichten. Sie wies auf verschiedene Touristenattraktionen hin, an denen sie vorbeirasten, doch ihr Touristenbegrüßungsgeplapper wurde von einem Handy unterbrochen.

Mr Trenchcoat hatte eine SMS erhalten.

Den Text auf dem Display konnte sie sich gut vorstellen. Sexy, wahrscheinlich mit Foto, sinnlich, zweideutig, aber nicht geschmacklos. Schließlich war Raffinesse der Garant einer erfolgreichen Verführung. In Sachen Liebeskunst betrachtete Edie sich durchaus als Expertin.

Plötzlich hörte sie ihn ein Schimpfwort murmeln, die gängige Anspielung auf eine von fleischlicher Lust motivierte Betätigung, aber nichts daran klang sexy. Sondern eher stocksauer. Als sie in den Rückspiegel sah, hatte sich eine steile Falte zwischen seinen Brauen gebildet. Die widerspenstige Haarsträhne hing ihm immer noch in die Stirn.

Komischer Kerl.

„Gibt’s Schwierigkeiten?“ Sie versuchte abermals, nicht neugierig zu klingen.

„Überhaupt nicht.“

Ha! Wenn das stimmte, war sie Weltraumwissenschaftlerin. Nicht, dass sie es nicht hätte sein können. Edie hatte ihre Seminare in Astrophysik an der New York University mit Bestnote absolviert, ihr Hauptfach dann aber gewechselt. Ausschlaggebend dafür war eine hitzige Diskussion mit dem zuständigen Professor über von männlichem Chauvinismus geprägte Märchen gewesen, in denen sich eine einzige Frau den sexuellen Wünschen von sieben beruflich stark geforderten kleinwüchsigen Männern mit einem ausgeprägten Napoleonkomplex unterwarf.

Zugegeben, es war ein beachtlicher Gedankensprung von Sternen zu frauenfeindlichen literarischen Klischees. Der Auffassung musste auch ihr Prof gewesen sein; er hatte jedenfalls nicht sehr begeistert gewirkt. Ganz ähnlich wie ihr schweigender Fahrgast, der teilnahmslos aus dem Seitenfenster starrte. Missbilligend runzelte Edie die Stirn, als sie einen Anflug von Mitgefühl verspürte. Typen, die auf Windsorknoten und Trenchcoats standen, verdienten kein Mitgefühl. Auch nicht, wenn sie ausnahmsweise mal ein Schimpfwort in den Mund nahmen.

„Irgendwas, das Ihre Planung durcheinanderbringt?“, erkundigte sie sich.

„Meine Planung sieht nur noch vor, dass ich ins Bett falle und schlafe.“

Edie lachte und nahm die Ausfahrt Richtung Whitestone Bridge. „Im Belvedere? Nicht dass es mich was anginge, aber ich wüsste zu gern, warum Sie ausgerechnet dort untergebracht sind. Wenn Sie mich also einweihen wollen – ich bin ganz Ohr.“

Ihre Blicke trafen sich im Rückspiegel, und plötzlich runzelte er beunruhigt die Stirn. Es wurde auch Zeit. „Was ist mit dem Belvedere? Gibt es da irgendwelche Probleme?“

„Sie übernachten das erste Mal in dem Hotel?“

„Ja. Mein Bruder hat dort für nächsten Monat ein Zimmer gebucht, deshalb dachte ich, ich probiere es aus.“

Edie feixte.

„Oh, verdammt!“

Armer Kerl, er rastete schon wieder aus. Aber Edie wollte nicht verständnisvoll sein, schon allein wegen des Cabbie-Mythos, aber erst recht, weil diese Trenchcoat-Träger-Überheblichkeit kein schöner Zug war. Und deshalb – wenn auch nur für einen kurzen Moment – trat ihr Gemeinheitsgen in Aktion. Sie wählte ihre Worte sorgfältig. „So schlecht ist es gar nicht. Bloß anders als das, was Sie sonst buchen. Eher für angenehme Stunden zu zweit geeignet. Ich dachte mir, dass das nicht Ihr Ding ist, aber … Nun ja, stille Wasser sind tief, und ich hatte mich auch schon bei Ihrem Sternzeichen geirrt.“

Er lachte kopfschüttelnd in sich hinein. Sie fühlte sich gleich besser, weil Lachen immer gut war, sogar selbstironisches.

„Egal! Ich bin fix und fertig. Ein doppelter Scotch, ein sauberes Bett mit einer ordentlichen Matratze, und ich kippe wortlos vornüber.“ Er zuckte gleichgültig die Schultern, und das, obwohl er so gar nicht zu der gleichgültigen Sorte zu gehören schien.

Edie spähte angestrengt durch die Windschutzscheibe. Die quietschenden Wischblätter konnten die Wassermassen kaum noch bewältigen. „Was führt Sie nach New York? Geschäfte? Vergnügen?“ Sie fädelte sich rechts ein, um dem Gegenverkehr auszuweichen.

„Ich wollte mich mit jemandem treffen.“ Seine Stimme war völlig ausdruckslos, als er es sagte, von Blitzen und krachendem Donner keine Spur. Sie würde darauf wetten, dass er auch mit dem Namen AC/DC nichts anfangen konnte.

„Deswegen also das Belvedere.“ Jetzt verstand sie. Ein romantisches Versteck für jemanden, der in romantischer Hinsicht ein bisschen gehandicapt war. „Sie sollten Ihrem Bruder für die Anregung danken, wenn Sie wieder zu Hause sind.“

„Mache ich. Wenn ich ihn umgebracht habe.“

Diesmal fiel es ihr auf – die typische schleppende Aussprache der Leute aus den Südstaaten, bei der jeder echte New Yorker sich schüttelte.

„Wo genau kommen Sie her?“

„Aus Houston.“

„Oh, tut mir leid.“

„Muss es nicht. Die Stadt ist in Ordnung.“

„Kein Vergleich zu New York“, beharrte sie.

„Waren Sie schon mal da?“

„Ja. Ein Verflossener von mir war Bullenreiter. Leon ‚Die Abrissbirne‘ Braker. Ich war ihm verfallen, bis ich ihn auf der Viehmesse in Houston erlebt habe. Der Bulle warf ihn nach zwei Komma sieben Sekunden ab und Schluss. Ein paar Tage später habe ich mich von dem Kerl getrennt. Blender.“

„Ziemlich herzlos von Ihnen.“

„Ach wo! Ich habe ihn mit einem dieser Rodeo-Groupies zusammengebracht. Die Kleine war Physiotherapeutin, und inzwischen sind die beiden glücklich verheiratet.“

Wieder starrte er aus dem Seitenfenster. Entweder hatte dieser Mann eine Sprachstörung, oder er war schlicht und einfach empfindungslos. Sie tippte auf Letzteres. Was dazu führte, dass sie sich Mühe gab, ihn aufzuheitern.

„Da haben Sie ja wirklich ein Hundewetter erwischt! Kommt Ihre Freundin auch noch? Bestimmt wurde ihr Flug verschoben.“

Keine Antwort. Anscheinend hatte er keine Lust, seine Privatangelegenheiten vor einer völlig Fremden auszubreiten. Und da er nichts tat, um ihrer Fantasie Einhalt zu gebieten, blieb es Edie überlassen, sich die Situation auszumalen. Seine Freundin hatte ihn versetzt, und er war am Boden zerstört. Als klassischer Windsorknoten-Träger konnte er mit Zurückweisung nicht gut umgehen, obwohl er nicht so untröstlich wirkte, wie man hätte erwarten können. Sie fragte sich, ob er eine zurückhaltende Rothaarige attraktiv finden würde, denn Patience brauchte einen Typen, der nicht laut wurde. Einen, der seine Gefühle beherrschte. Und beherrscht war Mr Trenchcoat, um nicht zu sagen: verklemmt.

„Sie hat Sie sitzen lassen, stimmt’s? Das ist Pech, aber, hey, im Belvedere lernen Sie bestimmt schnell jemanden kennen, da wette ich drauf. Eine Blondine mit endlos langen Beinen. Oder vielleicht sogar Zwillinge.“

Auch auf diesen Aufmunterungsversuch erhielt sie keine Antwort. Was sie ärgerte. Da verhielt sie sich viel netter als sonst, und er wusste es nicht zu schätzen. Außerdem war sie mit Schweigen nie besonders gut klargekommen. Seit sie denken konnte.

„Ach verdammt, nun stellen Sie sich nicht so an! Wir haben mindestens noch dreißig, wenn nicht gar fünfzig oder neunzig Minuten vor uns. Alle Welt weiß, dass Menschen auf langen Autofahrten Beziehungen knüpfen, und Selbstgespräche sind echt nicht mein Ding. Wir können es ja mit was Unverbindlichem versuchen, so was wie … Waren Sie lange mit ihr zusammen?“

„Müssen wir uns unterhalten?“ Die Autos hinter ihnen begannen zu hupen.

„Ja. Ich versuche Ihnen die volle Packung ‚Taxi fahren in New York‘ zu verabreichen, seien Sie also kein Spielverderber. Meine Frage ist ganz leicht zu beantworten. Also, tun Sie was, damit ich in Schwung bleibe.“

Als er tief Atem holte, hatte Edie das Gefühl, einem Gletscher beim Abschmelzen zuzuhören.

„Drei Jahre. Oder waren es fünf?“

„Das wissen Sie nicht?“, platzte es aus ihr heraus. Sollte er ruhig merken, wie entsetzt sie war.

„Nicht genau, nein. Können wir weiterfahren?“

Mannomann! Kein Wunder, dass seine Freundin ihm die kalte Schulter zeigte. Ihn mit Patience verkuppeln? Die Ärmste verdiente etwas Besseres. Edie fuhr an. „Jetzt sehe ich, wo das Problem liegt.“

„Und haben zweifellos einen guten Rat auf Lager.“

„Oh nein, mein Freund! Die Grube haben Sie sich ganz allein gegraben. Und so tief und ungemütlich, wie sie ist, verspricht sie keine angenehme Nachtruhe, wenn Sie mich fragen.“

„Ich schlafe immer gut.“

Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und las unerschütterliches Selbstvertrauen in seinen Augen, in seinen Gesichtszügen, sogar in der stolzen Haltung, mit der er das todesverachtende Fahrerlebnis durchstand. Edie fühlte sich beschämt.

„Wahrscheinlich, weil Sie Pillen nehmen“, murmelte sie, weil sie es nicht ertragen konnte, zu versagen. Das hatte sie von ihrem Vater, und es war eine der ganz wenigen Eigenschaften, bei denen sie es zugab.

„Nein, keine Medikamente. Man muss sein Leben richtig anpacken. Stress vermeiden, gesund essen, Sport treiben.“

„Ja, Mama.“

Er zuckte die Schultern. „Es ist Ihr Grab, das Sie sich schaufeln.“

„Hey, ich bin es nicht, die heute Nacht allein schläft“, rief sie ihm in Erinnerung. Die Bemerkung war kleinlich und boshaft, aber sein Ego konnte es vertragen.

„Sondern mit Barnaby?“ Das hörte sich missbilligend an, regelrecht schockiert sogar.

Köstlich.

„Ach was!“ Sie winkte ab. „Ich wollte noch irgendwo einen sexy Typen abschleppen, wenn ich Sie abgesetzt habe. Ganz locker, wissen Sie. Wegen der Spontaneität. Sonst ist es ja, als hätte man einen Blitzableiter am Kopf und würde so tun, als wäre man überrascht, wenn der Einschlag kommt. Wo bleibt da der Spaß?“

Er kaufte es ihr ab, von A bis Z. „Reden Sie tatsächlich von einem One-Night-Stand mit einem x-beliebigen Unbekannten?“

„Ja, klar“, behauptete sie forsch. Endlich hatte sie den Knopf gefunden, den man bei ihm drücken musste. „So ist es doch erst richtig aufregend.“

„Es ist lebensgefährlich.“

„Nicht, wenn man sich schützt.“

„Was, wenn Sie an einen Serienmörder geraten?“

Er klang ernstlich besorgt. Wie süß von ihm! Aber gänzlich unnötig, da Edie One-Night-Stands ablehnte. Sex war für sie Teil einer alles Leben durchdringenden, alles Leben hervorbringenden Verschmelzung, und wie sämtliche anderen Geschöpfe mussten die Menschen dem folgen, was ihre DNA-Ketten an Schicksal vor ihnen auslegten. Und wenn sie fremde Männer aufgabelte, würde das bedeuten, dass sie Verbindungen einging, die für sie gar nicht vorgesehen waren.

Es fiel ihr sehr wohl auf, wie betroffen ihr Fahrgast aussah, und sie hätte ihn vom Haken lassen sollen, aber sie brachte es nicht fertig. Jedenfalls nicht gleich. „Man erkennt einen Killer an den Augen. Die sind kalt und ausdruckslos. Unbeseelt.“

„Nach dieser Definition sitzt einer bei Ihnen im Taxi.“

Sie lächelte. „Aber nein. Ich kann in Ihren Augen lesen.“

„Klar“, schoss er großspurig und ohne den Hauch einer Ahnung zurück. Typisch Mann. „Und was, wenn ich fragen darf?“

„Wollen Sie das wirklich wissen?“

„Nein.“

„Verdammt, geben Sie schon zu, dass Sie neugierig sind!“

Er seufzte. „Sagen Sie es mir.“

Sie fragte sich, ob sie flunkern sollte, und kam zu dem Schluss, dass Mr Trenchcoat etwas brauchte, das ihn aufrichtete. „Ihre Augen sind kalt und ausdruckslos, aber ich kann Ihre Seele darin erkennen. Und deshalb gehören Sie ins Hilton, nicht ins Belvedere.“

„Wie schmeichelhaft.“

„Aber wahr.“ Sollte er doch widersprechen.

„Sind Sie sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?“, fragte er stattdessen. „Liegt Manhattan nicht dort?“ Er deutete Richtung Westen.

„Ich dachte, Sie möchten vielleicht ein bisschen mehr von der Umgebung sehen.“

„Ich zahle nichts extra, bloß weil Sie sich verfahren haben.“

Verfahren? Sie? Dass sie nicht lachte! „Einheitspreis von JFK in die Stadt. So wollen es die Verordnungen.“

„Und Sie sind auf einmal eine gesetzestreue Bürgerin?“

„Es macht einfach Spaß, Sie auf den Arm zu nehmen. Und außerdem sehen Sie aus, als könnten Sie ein bisschen Aufmunterung vertragen.“

„Es ist mitten in der Nacht. Ich bin todmüde. Ich will ins Hotel.“

„Haben Sie immer so schlechte Laune, wenn Sie müde sind?“

„Nein.“

„Wollen Sie nicht das unterirdische New York kennenlernen, den Teil, den die Touristen meist gar nicht zu Gesicht kriegen?“

„Nein.“

„Aber irgendwann müssen Sie raus und sich das alles ansehen. Sie können nicht zulassen, dass eine Zurückweisung Sie derart fertigmacht. Das ist keine Frau wert.“

„Sie macht mich nicht fertig.“

„Nein, natürlich nicht. Glauben Sie doch, was Sie wollen! Wenn Sie nachher in Ihrem Bett liegen und in den Spiegel an der Decke starren, werden Sie die Leere in Ihren Augen sehen. Und ehe Sie wissen, wie Ihnen geschieht, landen Sie auf den Titelseiten, weil Sie nackt von der Brooklyn Bridge gesprungen sind.“

„Spiegel an der Decke?“, wiederholte er den provozierenden Teil ihres Vortrags. Was viel über seine Haltung zu Sex aussagte.

„Ja, klar. Und erst die Bühne!“

„Welche Bühne?“

„Die im Belvedere. Nur Live-Vorstellungen übrigens. Die Gäste können ein Zeitfenster reservieren und …“ – sie musste sich räuspern – „… vorführen, worauf sie Lust haben. Die Zuschauerplätze sollen im Nu ausgebucht sein, habe ich gehört.“

„Das ist nicht wahr!“

Edie grinste ihm im Rückspiegel zu. „War nur ein Scherz.“

„Dachte ich mir.“ Sie hätte wetten können, dass er log.

„In Wirklichkeit kann man die Plätze nämlich nicht reservieren. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

„Ich glaube Ihnen nicht“, behauptete er, während er gleichzeitig versuchte, seine Krawatte zu lockern.

Einige von den Geschichten, die über das Belvedere kursierten, gehörten sicher in den Bereich „Legenden der Großstadt“. Bei anderen handelte es sich um bloße Gerüchte, obwohl Edie überzeugt war, dass sich da, wo Rauch aufstieg, auch ein Brandstifter mit Kerosinkanister und einem Päckchen Streichhölzer herumtrieb. Und wenn sie ehrlich war – das mit der Bühne hörte sich toll an. Jedenfalls, solange der beteiligte Mann einen knackigen Hintern hatte und seine Partnerin keine Haare an den Beinen. Edie rasierte sich regelmäßig. Es gab ein paar grundlegende Dinge, die man sich schuldig war als Frau.

„Ganz wie Sie wollen.“

„Können Sie mich nicht einfach zum Hotel bringen?“ Er begann tatsächlich, ungeduldig zu werden. So wie die Dinge lagen, musste Edie einsehen, dass ihre Spritztour vorbei war. Bald würde sie wieder in ihrem Apartment sein und unfreiwillig mithören, wie der Typ über ihr und seine Freundin es miteinander trieben. Während sie sich durch lausige Fernsehprogramme zappte und das Ticken des Uhrzeigers mitzählte. Sie hasste das alles. Aus tiefstem Herzen.

Und ja, zugegeben, mitten auf der Nostrand Avenue zu wenden war ein bisschen gewagt. Edie riss das Lenkrad herum, und der Wagen schrammte mit einem unschönen Knirschen über den Bordstein, geriet in eine gefährliche Schräglage, ehe er wieder mit allen vier Rädern fest auf der Fahrbahn aufsetzte. Ein bisschen zu fest vielleicht, denn plötzlich tat es einen Knall.

Für den Bruchteil einer Sekunde geriet sie in Panik, doch dann fiel ihr Blick in den Rückspiegel. Da saß dieser Kerl, völlig ungerührt, ein Ausbund an Selbstbeherrschung. Entschlossen schob sie ihre Angst beiseite, und als sie sprach, klang ihre Stimme absolut ruhig. „Was war das?“

Es zuckte um seine Mundwinkel, und in den kalten, emotionslosen Augen erschien ein diabolisches Funkeln. „Sie haben einen Platten.“

2. KAPITEL

Diese Nacht konnte ihm nur die Hölle beschert haben, da war er sicher, und das Einzige, was ihn davon abhielt, vor Wut zu schäumen, war der entsetzte Gesichtsausdruck der Taxifahrerin im Rückspiegel. Solche Art Panik begegnete ihm ständig in seinem Beruf, und Situationskontrolle zu übernehmen, wenn jemand Todesängste ausstand, war Dr. med. Tyler Hart zur zweiten Natur geworden.

„Verfügt Barnabys Taxi über einen Ersatzreifen?“, fragte er mit geduldiger Arztstimme.

Sie sah über die Schulter, und er stellte erleichtert fest, dass ihr Zittern nachließ und sie wieder etwas Farbe bekam. „Ich weiß es nicht.“

Im Geist ging er die einzelnen Schritte durch, stellte die notwendigen Werkzeuge zusammen und vergegenwärtigte sich die Vorgehensweise. Er war froh über die Ablenkung. Ein Reifenwechsel, einen vierfachen Bypass legen – das waren Probleme, mit denen er umgehen konnte. Aber damit, dass Cynthia mit ihm Schluss machte? Nicht in diesem Leben. Tyler hasste es, mit etwas nicht umgehen zu können. „Lassen Sie uns nachsehen.“

So eilfertig, wie die Taxifahrerin zustimmte, war sie bereits in den gleichen blinden Gehorsam verfallen, den die meisten Menschen an den Tag legten, wenn er seinen nüchternen Klinik-Ton anschlug. Was ließ sie mit einem Mal so umgänglich werden? War es Unsicherheit, oder war sie einfach nur ein hirnloses Schaf? Den violetten Strähnen in ihrem kurz geschnittenen blonden Haar nach zu urteilen, tippte er auf Ersteres.

Es regnete immer noch in Strömen, aber er würde seinen Trenchcoat im Auto lassen. Schmieröl und der New Yorker Straßendreck waren nichts für das gute Stück. Tyler zog den Mantel aus und rollte sich die Hemdsärmel hoch. Dann atmete er tief durch und wappnete sich für die Begegnung mit Mutter Natur.

Mutter Natur schien entschlossen, ihm eine ausgiebige Dusche zu verabreichen, und er verbiss sich einen Kraftausdruck. Fluchen war nicht sein Stil. Es ließ einen Mangel an Selbstbeherrschung erkennen, ähnlich wie pubertäre Sprache. Er hatte beides nicht nötig. Wenn es Komplikationen gab, pflegte er zu Hochform aufzulaufen; bei seinen schwierigsten Herzoperationen hatte er veritable Wunder zustande gebracht. Vor diesem Hintergrund war das bisschen Regen ein Klacks.

Aber verdammt lästig.

Die Taxifahrerin trat neben ihn, als er den Kofferraum öffnete. Mit einem Blick stellte er fest, dass alles da war – Wagenheber, Radkreuz und ein profilloser Ersatzreifen. Kein Prachtexemplar, aber er würde gehen.

„Gott sei Dank“, sagte sie leise. Die Herablassung war völlig aus ihrer Stimme verschwunden, stattdessen klang sie verschüchtert. Was lange genug auf sich hatte warten lassen.

Es überraschte ihn nicht, dass sie versuchte, den Reifen aus dem Kofferraum zu wuchten; nichts anderes hätte er von ihr erwartet. Er tippte ihr auf den Arm. „Lassen Sie mich das machen.“

„Ich sollte es tun“, erwiderte sie störrisch und zerrte erfolglos an dem Ersatzrad. „Ich bin über den Bordstein geschrammt wie eine tollwütige Fledermaus. Und wenn man etwas Dummes getan hat, muss man es umgehend wieder in Ordnung bringen, sonst kommt noch etwas Schlimmeres hinterher. Das ist jedenfalls meine Überzeugung.“

Etwas Schlimmeres? Womit rechnete sie? Hungersnot, Pest?

Geduldig suchte Tyler ihren Blick, beobachtete, wie das Wasser in Rinnsalen an ihren Wangen herunterrann, und wartete auf Einsicht. Seiner Erfahrung nach gab es einen Punkt, an dem jeder Mensch seine Prinzipien Prinzipien sein ließ und sich entschied, das zu tun, was die Situation verlangte. Die Art, wie sein Gegenüber den Kiefer zusammenpresste, ließ in dieser Hinsicht nichts Gutes ahnen, doch langsam schien ihr die Erkenntnis zu dämmern. Irgendwann nickte sie.

„Lassen Sie mich Ihnen wenigstens zur Hand gehen“, lenkte sie ein, ganz vernünftig, wie er fand. „Wenn Sie schon nass werden bis auf die Haut und sich elend fühlen, sollte ich es nicht besser haben.“

Das T-Shirt klebte förmlich an ihrem Körper. Ja, dass Cynthia die Beziehung per SMS beendet hatte – per SMS! –, nahm er ihr wirklich übel, weil es ihm respektlos erschien. Er hätte nicht behaupten können, dass er verletzt oder enttäuscht war; er konnte nicht einmal sagen, warum nicht. Aber per SMS? Wahrscheinlich landete sein Blick deshalb ständig auf dem nassen, fast durchsichtigen T-Shirt der Taxifahrerin. Tyler hielt nichts von sexueller Untreue. Er hatte keine Zeit dazu und auch nicht die Neigung, aber der Anblick ihrer aufgerichteten Brustwarzen unterminierte seine übliche Zurückhaltung. „Nicht nötig. Setzen Sie sich ins Auto.“

„Bitte!“, beharrte sie, und es war ein Beweis für die Macht des menschlichen Sexualtriebes, dass er sich nicht vom Fleck rührte, tropfnass, wie er war, und den Blick auf ihr Gesicht heftete, das dummerweise genauso zum Anbeißen war wie diese beiden Brustwarzen, die er eigentlich gar nicht zum Anbeißen finden wollte.

Normalerweise stand er nicht auf kurzes Haar bei Frauen, aber bei ihr wirkte es … frech. Wieder landete sein Blick auf ihrer Brust, schweifte halbherzig zum Kofferraum. Die Reifenpanne, richtig. „Eine Taschenlampe wäre gut. Meinen Sie, Barnaby hat eine im Handschuhfach?“

Er brauchte die Taschenlampe nicht, aber noch weniger konnte er es gebrauchen, dass sie ihn mit ihren Brüsten von der Arbeit ablenkte. Der Regen, die SMS und nun auch noch die Reifenpanne – viel mehr konnte er seinem gesunden Menschenverstand nicht mehr zumuten.

„So was hat Barnaby bestimmt nicht.“ Das T-Shirt spannte über ihren Brüsten, als sie die Hände in die hinteren Jeanstaschen schob.

„Würden Sie nachsehen? Bitte?“ Er musste diesen Körper in diesen engen Klamotten aus seinem Blickfeld schaffen.

Für zwei viel zu kurze Sekunden war er sie los, dann kam sie mit einer Taschenlampe zurück. Na klar. In dem Versuch, zu helfen, richtete sie den Strahl auf das Hinterrad. „Ich hatte eine in meiner Handtasche, ein Werbegeschenk vom Hudson-River-Verein für Wildtier- und Fischbestand. Die hatte ich völlig vergessen.“

„Ich Glückspilz“, murmelte er und setzte den Kreuzschlüssel an, um die erste Radmutter zu lockern. Hebelte angestrengt … Qualvoll angestrengt. Dann merkte er, dass etwas nachgab. Prinzipien. Unerschütterliche Überzeugungen. Eiserne Selbstbeherrschung.

„Ich bin übrigens Edie“, erfuhr er, da dies augenscheinlich der perfekte Moment war, sich vorzustellen.

Edie. Ein hübscher, frecher Name. Für eine Frau mit hübschen, frechen Brüsten. Und braunen Augen, die selbst bei diesem Wetter übermütig blitzten. Blitzten. Ein brutaler Ruck, und Tyler hatte die nächste Radmutter gelöst.

„Und wie heißen Sie?“

Solche Unterhaltungen war er nicht gewöhnt. Er zog kühle, unpersönliche Achtsilbenwörter vor, die nichts mit Sex, Gefühlen und – Gott bewahre! – aufgerichteten Brustwarzen zu tun hatten.

Anstatt ihre Frage zu beantworten, verlagerte er sein ganzes Gewicht auf das Radkreuz.

„Seien Sie nicht sauer. Regen ist gut für unseren Planeten, wissen Sie. Er reinigt und nährt, tränkt die dürstende Erde.“

„In New York nicht.“ Er wischte sich übers Gesicht, aber das schmutzige Regenwasser schien an seiner Haut zu kleben. Unhygienisch, diese Nässe. Eine Brutstätte für Krankheitserreger, erregenden Sex und … Tyler stöhnte unterdrückt.

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich kleinlaut. Das schlechte Gewissen, das sie seit ungefähr tausend Stunden hätte haben sollen, schien sich endlich zu melden.

In der Absicht, ihr die verdiente Standpauke zu halten, richtete er sich auf. Aber sie sah so … bedürftig aus. „Mein Name ist Tyler.“

„Tyler. Freut mich, Sie kennenzulernen! Kriegen Sie es hin?“ Er hatte gerade die letzte Mutter herausgeschraubt und stemmte die Radkappe los.

„Sicher. Geht prima.“ Ein Stadtbus raste vorbei und bespritzte ihn von Kopf bis Fuß mit schwarzbrauner Brühe.

Er machte einen halbherzigen Versuch, den Schmutz abzureiben, dann fiel ihm auf, dass sie sich ein Grinsen verbiss. Ein nettes Mädchen hätte so etwas nicht getan. Ihn ausgelacht. Wo sie ihm stattdessen zu Dank verpflichtet war. Großem Dank.

„Irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte er höflich und aufmerksam. Einer musste ja schließlich ein Beispiel geben. Das Gute daran war, dass es ihn davon abhielt, auf ihre Brüste zu starren.

„Alles okay. Wirklich.“

Verbiss sie sich etwa wieder ein Grinsen? Und musste sie unbedingt die Arme unter der Brust verschränken? So, dass ihre Brustwarzen ins Zentrum seines Blickfelds gerieten?

„Na dann.“ Angesichts des schmerzhaften Problems in seiner Hose fragte Tyler sich, ob es wirklich eine gute Idee war, die zweimonatige Assistenz in interventioneller Kardiologie in New York zu machen. Selbstverständlich ist es das! wies er sich gleich darauf streng zurecht. Du lieber Himmel, er würde mit Dr. Abe Keating zusammenarbeiten! Und nicht nur eine hervorragende Möglichkeit haben, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, sondern vielleicht sogar die Auszeichnung der Keating-Stiftung und das damit verbundene Stipendium zu gewinnen. Was bedeutete, dass er weitere zwei Jahre Erfahrung im Bereich Herzchirurgie sammeln konnte.

Angespornt vom strömenden Regen, dem gelegentlichen Hupen eines vorbeifahrenden Autos und seiner sexuellen Frustration, hatte er den Reifen in null Komma nichts gewechselt. Sie stiegen ins Auto, und ab jetzt fuhr Edie so langsam und gesittet wie eine alte Oma.

Tyler begutachtete sein ruiniertes Hemd und zerrte es aus dem Hosenbund. Außer zum Verbrennen taugte das verdreckte Ding zu nichts mehr. Er sah hoch und begegnete Edies Blick im Rückspiegel. „Warum lachen Sie?“

„Schmutz steht Ihnen“, ließ sie ihn wissen, und er bemerkte das Grübchen auf ihrer rechten Wange, das weder Schmutz noch Schuldgefühle zu kennen schien.

„Sie sind nicht besonders hilfreich.“

„Ich versuche, Sie aufzumuntern.“ Sie hörte sich ernst und völlig ungezwungen an. Nicht schmerzhaft erregt. Nicht wie jemand, die sich fragte, was wohl passieren würde, wenn er nackt wäre.

„Bringen Sie mich ins Hotel“, murmelte er. „Das ist mir Aufmunterung genug.“

„Warum können Sie mich eigentlich nicht leiden?“

„Weil es Ihnen Spaß macht, andere Menschen leiden zu sehen.“

„Das ist nicht wahr.“

„Und warum waren Sie so begeistert, als ich den Laufpass bekommen habe?“ Es tat weh. Ja. Verdammt weh, und Schmerz akzeptierte Tyler nicht. Er linderte ihn, verschrieb Medikamente dagegen. Er analysierte und überwachte ihn, aber er fühlte ihn nicht, zum Teufel noch mal. Und es war nicht so sehr Cynthia, sondern die Vorstellung, nicht zu genügen. Er hatte vor so langer Zeit aufgehört, diesen Schmerz zuzulassen. Hatte geglaubt, es gebe ihn nicht mehr. Ein Irrtum, wie sich jetzt herausstellte.

„Aha! Wusste ich doch, dass ich recht hatte.“ Das Zwitschern in ihrer Stimme rieb Salz in seine Wunden. „Aber begeistert? Nein. Ich stelle Vermutungen über Menschen an und freue mich, wenn ich richtigliege. Es ist wie ein Spiel, und ich bin risikofreudig.“

Den Versicherungsanbietern zufolge war Risikofreude der Spitzenreiter unter den tödlichen Unfallursachen in den USA.

Okay, er hatte miserable Laune, aber daran war Cynthia schuld. Ohne sie würde er sich nie so beschämend pubertär verhalten. Edie schlug mit ihren Sticheleien nur in eine vorhandene Kerbe.

„Tut mir leid“, entschuldigte er sich höflich.

„Was halten Sie davon, wenn ich Sie zu einem Drink einlade?“ Sie schien nichts von seiner immer noch schmerzhaften Erregung zu ahnen.

„Wieso?“, fragte er, um Zeit zu gewinnen, sonst hätte er das Erste geantwortet, was ihm in den Sinn kam. Gern.

„Ich finde, den schulde ich Ihnen. Sie waren total nett, haben sich nicht mal beschwert, dass ich mit Ihnen kreuz und quer durch die Stadt gefahren bin. Und anstatt in Ihrem gemütlichen Hotelbett zu liegen, wechseln Sie mir einen Reifen und müssen damit klarkommen, dass Ihre soundsolangjährige Freundin Sie sitzen lässt. Wenn es auf dieser Welt jemanden gibt, der einen Drink nötig hat, dann Sie. Einen Tequila vielleicht, oder besser, einen Ouzo. Ich kenne da eine griechische Bar …“

„Mir ist nicht nach einer griechischen Bar.“ Er rutschte unbehaglich auf dem Sitz hin und her, spürte eine kaputte Sprungfeder unter seinem Oberschenkel, die sich ihm in die Haut bohrte und vermutlich die Hauptschlagader verletzte, sodass er auf einen schnellen, schmerzlosen Tod hoffen konnte, weil er ausblutete. Aber wenigstens müsste Cynthia dann Schuldgefühle haben. Unfassbar! Ihn einfach per SMS abzuservieren!

„Lieber eine amerikanische?“ Edie schien zu glauben, dass sämtlichen Sorge in Alkohol ertränkt werden konnten, aber da seine Oberschenkelarterie nicht verletzt war und er nicht ausbluten würde, schien Alkohol eine gute Idee.

„Wenn ich Sie zu einem Drink einlade – einem! –, fahren Sie mich dann ohne Umweg zu meinem Hotel?“ Er war irritiert über die Heiserkeit in seiner Stimme und kam zu dem Schluss, dass die Einladung ein Vorwand war. Er hätte sich nach nichts mehr anderem sehnen sollen als nach einer Dusche und einem Bett, aber stattdessen trieben ihn irgendwelche dunklen Mächte dazu, sich sie vorzustellen. Nackt. In seiner Dusche. In seinem Bett.

„Mache ich. Versprochen“, erwiderte sie, doch Tyler hatte ein komisches Gefühl, das er nur deshalb nicht Vorahnung nannte, weil es dem Eingeständnis gleichgekommen wäre, dass sein Unterbewusstsein Entscheidungen für ihn traf. Oder schlimmer noch: sein Penis.

Cynthia hatte ihn abserviert. Den viertbesten Herz-Lungen-Spezialisten von Texas, mit einem Einkommen von vier Millionen netto jährlich. Er hatte Cynthias Vater das Leben gerettet – nicht ein, sondern drei Mal, wohlgemerkt! –, und wenn es auf dieser Welt eine Frau gab, die es ihm schuldig gewesen wäre, auf eine anständige Art mit ihm Schluss zu machen, dann Cynthia.

Konnte man es ihm verdenken, wenn ihm danach war, sich heute Nacht danebenzubenehmen? Wenn er einen Drink wollte oder zügellosen Sex mit einer Frau, die von dem Wunsch beseelt schien, ihm etwas Gutes zu tun? Nein, zum Teufel noch mal! Er hatte einen begründeten Anspruch auf ein spontanes, haarsträubendes Abenteuer!

Für seine bestechende Logik hatte ihm sein Vater den Spitznamen „Sophokles Klugscheißer“ verpasst. Tyler war seinerzeit mit einem Schulterzucken darüber hinweggegangen, doch nun fragte er sich, ob Sophokles ähnlich spitzfindig argumentiert hatte, wenn er scharf auf jemand gewesen war. Nein. Sophokles war ein ernst zu nehmender Philosoph gewesen. Der Klugscheißer hieß Tyler.

„Ein Drink. In einer amerikanischen Bar“, wiederholte er sicherheitshalber noch einmal. Die Entscheidung war gefallen.

„Eine Freundin von mir arbeitet in einem Striptease-Klub.“

Er lächelte ihr im Rückspiegel zu und sah an sich herunter. Er starrte vor Schmutz. Kein Vergleich zu seinen Fantasien. Die waren um einiges schmutziger.

3. KAPITEL

Edie wusste nicht recht, weshalb sie Tyler Hart noch ins Ira’s mitgenommen hatte, denn eigentlich gehörte das Diner zu ihrem Privatleben, und das ging niemanden etwas an. Wahrscheinlich bloß, weil ich ein schlechtes Gewissen habe wegen der Schmierölflecken an seinen Händen und dem Dreck auf seinem Hemd, dachte sie. Aber am ehesten war es wohl wegen der Arroganz in seinen Augen. Diese Arroganz kannte sie, seit sie denken konnte. Bloß dass ihr Vater nie so verloren gewirkt hatte. Nie.

Drei Uhr morgens, die dunkelste Stunde der Nacht. Außer in Manhattan und besonders hier in ihrem Lieblingsdiner. Nacht und Dunkelheit waren Fremdworte im Ira’s mit seinen knallgelben Wänden, den Vierhundert-Watt-Leuchtstoffröhren und dem Personal, dessen Träume mit Gastronomie nicht das Geringste zu tun hatten. Edie bestellte für sie beide und widmete sich wieder ihrer dringlichsten Aufgabe. Die Verlorenheit aus Tyler Harts Augen zu vertreiben.

„Weißt du, wenn man sich für eine Nacht jemand anlacht und ein bisschen Ablenkung verschafft, ist daran nichts auszusetzen.“ Im Private Eyes, dem Striptease-Klub, in dem sie gewesen waren, hatten sie sich darauf geeinigt, sich zu duzen, und sie hatte ihn mit Paradise, Lulu und Honey bekannt gemacht. Und mit ihrer Freundin Anita, die dort unter dem Namen Passion strippte. Zu ihrer Enttäuschung schien ihm keine von ihnen gefallen zu haben.

„Ich sage ja nicht, dass es daran was auszusetzen gibt.“

„Aber von den Mädchen im Klub wolltest du nichts wissen.“

„Sehe ich aus wie jemand, der auf Stripperinnen steht?“

Edie verdrehte die Augen. „Alle Männer stehen auf Stripperinnen. Du hast das nur verdrängt, und es braucht Zeit, solche Hemmungen wieder abzulegen.“

Seine Brauen zogen sich zusammen. „Ich bin nicht gehemmt.“

„Du bist emotional versteinert, aber keine Sorge. Das passiert, wenn man von einer Frau geliebt wird, die Cynthia heißt. Apropos – was hast du an ihr geliebt?“ Sie wollte wissen, was er attraktiv fand. Wenn barbusige Frauen schon keinen Reiz auf ihn ausübten.

Schweigend arrangierte er sein Besteck, legte die Messer und Gabel sorgfältig nebeneinander, ehe er den Kopf hob und sie verwundert ansah. „Wie kommst du darauf, dass ich sie geliebt habe?“

Er versuchte sich aus der Affäre zu ziehen. „Wieso warst du mit ihr zusammen, wenn du sie nicht geliebt hast?“

„Cynthia ist schön, angenehm im Umgang, intelligent … Sie liebt Literatur.“

Ach so! Gähn! dachte Edie bei sich. Und worin besteht ihre Anziehungskraft? Ha! Als ob sie das nicht wüsste!

„Und im Bett geht sie ab wie eine Rakete“, vervollständigte sie die Aufzählung. Die Nummer kannte sie zur Genüge. Ihr ehemaliger Mitbewohner Scott war vierzehn Mal von seiner Freundin abserviert worden. Und jedes Mal zu ihr zurückgekrochen, weil sie für gewisse Dinge einfach ein zu gutes Händchen hatte. Edie musterte Tyler voller Mitgefühl. Auch so ein Fall sexueller Hörigkeit. Manchmal waren Männer wirklich arme Hunde.

„Ich würde es vorziehen, nicht über mein Intimleben zu sprechen.“ Eine leichte Röte kroch ihm in die Wangen.

„Entschuldigung.“ Er sah süß aus, wenn er rot wurde, so zugeknöpft und so zuvorkommend. Neben all den ungehobelten Typen, die sie in ihrem Leben schon kennengelernt hatte, war seine altmodische Ritterlichkeit etwas ganz Neues für sie. Sie fand sie … sexy. „Okay, halten wir uns nicht mit den schmerzlichen Erfahrungen deines Sexlebens auf und konzentrieren uns stattdessen auf die Zukunft. Es gibt viele tolle Frauen auf der Welt. Die da zum Beispiel.“

Die Kellnerin, auf die sie deutete, war um die dreißig, immer offen für neue Leute und würde einmal das Petrovich-Vermögen erben. „Das ist Olga.“ Edie wollte sie herbeiwinken, doch Tyler fiel ihr in den Arm. „Schon gut.“

Er ließ ihr Handgelenk nicht sofort los, und die Berührung fühlte sich ungewohnt an. Angenehm … warm. Edie rief sich zur Ordnung und setzte ihr Verkaufsgespräch fort. „Olga ist großartig. Man kann gut mit ihr reden, und sie hat echt Sinn für Humor. Du müsstest mal eine ihre Promi-Imitationen sehen, du würdest dich wegschmeißen vor Lachen!“

„Ganz bestimmt. Aber du brauchst dich nicht um mich zu kümmern.“ Sein Blick fiel auf ihr Handgelenk, das er noch immer umfasst hielt. Lächelnd ließ er es los. Und nein, sie vermisste die Berührung kein bisschen.

„Nimm’s nicht persönlich“, tat sie die Sache mit einem Lachen ab. „Ich mache das gern, mich um Leute kümmern. Und du bist neu in der Stadt, und es war eine schlimme Nacht für dich und alles nur wegen mir. Ich würde mich hundertmal besser fühlen, wenn ich noch was für dich tun könnte.“

„Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, mir etwas schuldig zu sein.“

„Bin ich aber.“

„Bist du nicht. Könnten wir uns nicht … ganz normal unterhalten, weil wir uns gut verstehen?“

Gut verstehen? Trenchcoat und Tätowierung? Krawatte und Zehensocken? Das war … ausgeschlossen.

Oder?

„Vielleicht“, antwortete sie und rutschte unbehaglich auf der kunstlederbezogenen Bank hin und her. „Ich fühle mich trotzdem verantwortlich.“

„Zahl das Frühstück, wenn du es dir leisten kannst, und wir sind quitt.“

Edie grinste dankbar. Finanzielle Engpässe gab es bei ihr nicht, auch wenn das nicht ihr Verdienst war. Ihr Dad nannte es dreistes Schnorren, ihre Mom ADS, und sie selbst fand sich einfach schlau. „Geld ist kein Problem. Mein Dad ist Arzt.“

„Was für einer?“

„Die Großartiger-als-Gott-Sorte.“

„Das ist keine Antwort“, erwiderte er ernst. „Großartiger als Gott sind sie alle.“

Edie musste lachen. Er schien sie wirklich zu verstehen. „Kein Mensch begreift, warum ich ihn nicht für den besten Vater der Welt halte. Er ist liebenswürdig, witzig, seine Patienten beten ihn an. Man hat vier Gebäude nach ihm benannt, weil drei anscheinend nicht genug waren, und …“

„Was wirfst du ihm vor?“

Ihre Mutter konnte gut verstehen, dass Edie eifersüchtig war auf die Zeit und die Aufmerksamkeit, die er seinen Patienten widmete, beschwerte sich jedoch nie über seine langen Abwesenheiten. Aber Clarice Higgins war ja auch eine Heilige. Im Gegensatz zu Edie, die daran glaubte, dass das Schicksal Heiligen den Lohn bescherte, den sie verdienten. Ein frühes Ende meistens.

Sie tat ihre missgünstigen Gefühle mit einer lässigen Handbewegung ab. „Männer kapieren es nicht. Dabei kann es doch nicht so schwer sein, diese kleinen Dinge zu tun. Diese menschlichen Dinge, die ein Vater tut und tun sollte.“

„Und das Gute, das er bewirkt? Zählt das nicht?“

Ja, die ewige Rechtfertigung für endlose Überstunden, regelmäßiges Fehlen bei Geburtstagen und Schulfeiern, aus dem Mund von einem, der nicht wusste, wie es war, einen Arzt in der Familie zu haben. „Das kann nur jemand fragen, der sich nie ausgeschlossen gefühlt hat. Ich fand es immer schrecklich, ausgeschlossen zu werden.“ Edie stützte den Ellbogen auf und legte das Kinn in die Handfläche. „Und was machst du so?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

„Eine Fortbildung.“

„Wo?“

„An der Columbia University.“

Sie nickte. Ja, man konnte sie förmlich sehen, die akademische Gelehrtheit in den gut aussehenden Zügen mit dem energischen Kinn. „Lernen fand ich immer toll. Was für eine Fortbildung?“

„Römische Kunstgegenstände.“

„Wow, cool! Und wer hält die Vorlesungen?“

Er legte die Stirn in Falten, als müsse er überlegen. „Dr. Lowenbrow“, platzte er schließlich heraus und versuchte auszusehen, als sei er stolz darauf, sich an den Namen zu erinnern.

Puh. Gerade noch mal gut gegangen.

Im Verlauf der nächsten Stunde erfuhr Edie, dass Tyler Hart Museumskurator war, Spezialgebiet Altertümer. Dass er und sein Bruder Austen beim Vater – ein gemeiner Hund, laut Tyler – im Westen von Texas aufgewachsen waren und dass Tyler irgendwann nach Afrika reisen wollte. Zum Abschluss bestellte Edie ihm einen Erdbeer-Smoothie, weil es im Ira’s die besten Smoothies der Welt gab. Und nein, ein paar Erdbeeren würden nicht wiedergutmachen, was sie ihm heute Nacht zugemutet hatte, aber er schien das Getränk zu mögen.

Nachdem Olga den Tisch abgeräumt hatte, war klar, dass er jetzt zum Belvedere gebracht werden wollte. Edies Stimmung sank auf den Nullpunkt.

Sie fuhr vorbildlich – immerhin hatte er die Höllentour schon hinter sich – und parkte in zweiter Reihe vor dem Hotel. Als sie seinen Koffer aus dem Kofferraum heben wollte, kam er ihr zuvor. Edie trat einen Schritt zur Seite und gestattete ihm, sich als Mann zu beweisen. Etwas von einer Diva steckte auch in ihr, wenn es sein musste.

Ohne groß nachzudenken, folgte sie ihm die Eingangsstufen hinauf und beobachtete, mit welch selbstverständlicher Ungezwungenheit er sich bewegte. Kein bisschen müde, schien er auf Zylindern zu laufen, die bei Edie längst ausgebrannt waren. Na gut, er hatte Eier gegessen und sie Pfannkuchen, aber das erklärte nur zum Teil, weshalb ein Museumskurator nach sechsunddreißig Stunden ohne Schlaf noch voll funktionierte. Wenn sie ehrlich war, fand sie es ein wenig erschreckend, doch sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn er blieb unvermittelt stehen und wollte ihr die Taxifahrt bezahlen. Edie lehnte höflich ab. Selbst für ihre Begriffe wäre es unverschämt gewesen, dafür Geld zu nehmen.

Sie standen vor den mit Schnitzereien versehenen Türen des Haupteingangs. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass die hölzernen Figurenpaare in allen nur denkbaren Stellungen des Kamasutra abgebildet waren. Tyler schien genau hinzusehen, doch Edie stellte fest, dass er lange keine so schockierte Miene machte, wie sie befürchtet hatte. Wahrscheinlich gab es in seinem Museum tonnenweise pornografisches Zeug. Die alten Römer hatten was für Darstellungen unbekleideter Frauen übrig gehabt … Nun ja, die heutigen Männer auch.

Sie versuchte den Museumskurator, für den der Anblick von Nacktheit eine berufliche Selbstverständlichkeit war, mit dem zugeknöpften Typen in Übereinstimmung zu bringen, der Stripperinnen nichts abgewinnen konnte. Nicht, dass es sie etwas anging, sie würde ihn sowieso nicht wiedersehen, weil …

Einfach weil, Punktum! Trotzdem zögerte etwas in ihr, sich zu verabschieden. „Wenn du nicht klarkommst, ruf mich an. Ich kann dir sagen, wo du die beste Pizza kriegst, welche Klubs überteuert sind oder wo du in Ruhe lernen kannst.“

Sein Lächeln wirkte müde, aber echt. „Richte Barnaby meinen Dank aus. Er soll sich eine Taschenlampe besorgen, und im Rücksitz ist eine Sprungfeder kaputt, die muss repariert werden.“

Abschiedsworte. Zwei Fremde, deren Wege sich trennen würden. Edie war so etwas wie eine Expertin darin, das zu erkennen. Ihr Blick begegnete seinem, und sie fragte sich, weshalb sie so nervös war. Sie war nie nervös, nie um eine schlagfertige Antwort verlegen, hatte sonst nie das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen.

Tyler runzelte fragend die Stirn. „Edie?“ Er legte den Kopf schräg und musterte sie aufmerksam. „Du wirst jetzt nicht irgendeinen Kerl aufgabeln, nicht wahr?“

Sie musste lachen. Er nahm alles immer so ernst.

„Ach wo! Ich habe nur Spaß gemacht …“ Als sie die eigentliche Frage in seinen Augen las, verstummte sie. Aller Unernst war plötzlich verflogen. Tief in ihrem Inneren begann es zu pochen.

Ein vorbeifahrendes Auto hupte, wahrscheinlich weil sie so schlecht geparkt hatte. Sie nahm das Geräusch wahr wie durch einen Nebel, in dem auch der Rest der Welt zu versinken schien. Doch während alles andere um sie her unscharf wurde, produzierte ihr bis dato jugendfrei arbeitendes Gehirn plötzlich die schärfsten Bilder. Bilder von nackten Körpern. Und Windsorknoten an … ganz und gar nicht jugendfreien Stellen.

Kein Wunder, dass ihr heiß wurde und es zu kribbeln begann.

An sämtlichen nicht jugendfreien Stellen.

„Und du kommst klar?“, wiederholte sie dümmlich, weil sie sich unbedingt ablenken musste von dem fesselnden Anschauungsmaterial in ihrem Hirn. Zwei Körper. Ineinander verschlungen.

Tyler wirkte enttäuscht. „Mach dir keine Sorgen um mich.“

Sorgen? Sie war neugierig auf ihn. Wie sich wohl sein Mund auf ihrem anfühlen würde? Oder sein Körper, wenn er auf ihr lag. Und in ihr war. Die Vorstellung sandte ein intensives Prickeln durch ihren Unterleib. Kurz entschlossen disponierte Edie um, von Abschied auf Begrüßung.

Sie setzte ihr unwiderstehlichstes freches Lächeln auf. Tyler Hart war dran, er wusste es nur noch nicht. „Aber du bist hier in New York, und es gibt eine Menge schlechter Menschen in dieser Stadt. Leute, die dir das Geld aus der Tasche ziehen. Die dir überhöhte Taxigebühren abknöpfen. Und Reifenwechsel aufbrummen. Dich kidnappen, anstatt dich zu deinem Fahrziel zu bringen. Die Stadt ist echt verkommen.“

„Ich dachte, du liebst sie.“

Sie hob die Schultern, höchst zufrieden, dass er den Blick auf ihre Brüste heftete, deren Knospen wie als Erwiderung hart wurden. „Klar liebe ich sie, aber ich bin zäh. Und ich weiß, was hier abgeht. Im Gegensatz zu mir bist du eine … eine Jungfrau in Sachen Großstadt.“

Es war die tollpatschigste, peinlichste, die blödeste Anmache, die sie je von sich gegeben hatte.

„Keine Jungfrau. Nicht mehr.“ Sein Widerspruch hörte sich genauso dämlich an, doch als sie ihm in die Augen sah, war von Tollpatschigkeit darin nichts zu erkennen. Stattdessen erschien ihr sein Blick wie ein unwiderstehlicher Sog, der sie mitriss in dunkle, lustvolle Untiefen. Untiefen, die ein Windsorknoten-Fan gar nicht kennen sollte.

„Und …“, sie musste sich räuspern, „… wenn nun irgendwer daherkommt und deine Großzügigkeit und deine weichherzige texanische Art ausnutzen will?“

Seine Mundwinkel bogen sich nach oben. Was gar nicht weichherzig wirkte, sondern eher wieder ein bisschen überheblich. Egal. „Ich würde es wohl zulassen“, sagte er leise, und wieder begann es tief in ihr zu pochen.

„Siehst du? Was habe ich dir gesagt? Ich wusste es!“

„Was wirst du jetzt machen?“, erkundigte er sich.

„Ich? Na ja, ich schleppe wohl doch noch irgendeinen knackigen Typen ab.“ Sie fühlte sich leichtsinnig und schwindlig und glücklich über die Lebendigkeit in seinen Augen. Und nicht mehr so allein.

Mit einem vernehmlichen Geräusch setzte Tyler seinen Koffer ab. „Und wenn es ein Verbrecher ist?

„Ich würde es an seinen Augen erkennen.“ Das konnte sie mit absoluter Sicherheit sagen. Sie hielt zwar immer noch nichts von One-Night-Stands, aber wenn sie jetzt bei Tyler Hart blieb und Sex mit ihm hatte, würde sie sich einreden können, dass es zu seinem Besten war. Die ultimative Wiederbelebungsmaßnahme gewissermaßen.

„Und was genau?“, hakte er nach.

Edies Blick glitt zu den Kamasutra-Figuren. Es gab Situationen, da zählte nur die Wahrheit. So wie jetzt. „Dass er ins Hilton gehört, nicht ins Belvedere.“

Langsam hob er die Hand und strich ihr mit dem Daumen über die Unterlippe. Die Berührung sandte ihr ein Kribbeln wie Champagnerbläschen den Rücken hinunter, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, erwog Edie, ob sie sich womöglich in ihm getäuscht hatte.

Nie im Leben!

Aber ehe sie in aller Öffentlichkeit die Kontrolle verloren, kam sie Mr Hilton zuvor und schnappte sich seinen Koffer. Sie balgten sich noch darum, als sie bereits an der Rezeption standen.

4. KAPITEL

Das Hotel hatte sein Zimmer weitervermietet, und ein neues wurde frühestens in drei Stunden frei.

Für Dr. Tyler Hart brachte diese Kleinigkeit das Fass zum Überlaufen. Er setzte zu einer ausgiebigen Beschwerde an, deren Wortwahl zu jedem anderen Zeitpunkt freundlicher ausgefallen wäre. Weniger fordernd vor allem.

Irgendwann nahm Edie seinen Koffer, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in die menschenleere Bar, die um diese Zeit noch keinen Alkohol ausschenkte. Wegen irgendwelcher vorsintflutlicher Branntweingesetze. Und das in New York!

„Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich wohl zum achtzigsten Mal. „Ich würde dir anbieten, bei mir zu schlafen, aber heute ist der Kammerjäger in meiner Wohnung.“

„Es ist wahrscheinlich am besten so“, beruhigte er sie, auch um nicht dazustehen wie der größte Pechvogel aller Zeiten. Der er dummerweise wohl aber war.

„Wahrscheinlich.“ Dass sie so bereitwillig zustimmte, ging ihm gegen den Strich. Verdammt, er war ein Hauptgewinn! Erst recht im Bett, bei seinem Stehvermögen. Vielleicht, vielleicht, schnitt er nicht ganz so gut ab, wenn es um den Romantik-Faktor ging, aber wog drei Mal die Woche Leben retten das nicht auf?

Richtig. Nicht für sie.

Sie musste seine Frustration bemerkt haben – nicht, dass das seine Absicht gewesen wäre –, denn sie nahm seine Hand und strich mit dem Daumen über die Innenfläche. „Ich hätte wirklich gern Sex mit dir gehabt.“

Hätte gehabt. Vergangenheit. „Danke“, antwortete er höflich und kämpfte gegen das Bedürfnis an, vor ihr auf die Knie zu fallen und zu betteln. Herrgott, er brauchte dringend Schlaf. Nein … Sex.

„Ich kann bleiben, bis ein Zimmer frei wird.“

„Nein.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ließ den Kopf auf den Tisch fallen. Hoffentlich hatte er sich keine Gehirnerschütterung zugezogen.

„Wir könnten versuchen, ein anderes Hotel zu finden“, bot sie an.

„Nein. Irgendwann ist es Zeit, das Handtuch zu werfen.“ Er spürte die kühle Tischplatte an seiner Wange. Eine Sekunde später war er eingeschlafen.

Edie parkte das Taxi ordnungsgemäß, besorgte sich einen Kaffee und nahm Kurs auf die Rezeption. „Ich weiß, dass Sie gerade kein freies Zimmer haben …“ Sie lächelte, ganz die erfahrene New Yorkerin, der man nichts vormachen konnte, und lehnte sich lässig an den Empfangstresen. „Aber mein Lover ist völlig erschöpft, und ich dachte … nun, vielleicht gibt es irgendwo in Ihrem Haus ein Fleckchen, wo er sich ausschlafen kann. Er ist gerade mit dem Flieger gekommen.“

„Sie gehören zu Dr. Hart?“

Doktor? Sie wurde hellhörig. Aber eigentlich hätte sie sich denken können, dass Tyler Hart promoviert war. Dieser zurückhaltende, bescheidene Mann, der es nicht nötig hatte, mit seinem Titel anzugeben. Oder dass man Gebäude nach ihm benannte.

Sie war schon die ganze Zeit scharf auf ihn, aber jetzt gab es kein Halten mehr.

Frisch inspiriert und von neu erwachter Lust getrieben, zückte sie das Bündel Dollarnoten mit dem Konterfei Benjamin Franklins, das sie gerade bei der Bank nebenan geholt hatte, und zählte vier der druckfrisch knisternden Hunderter vor den Angestellten hin. Bargeld löste so gut wie alle Probleme. Das hatte sie von Dr. Jordan Higgins gelernt, der es ihr von jeher zuzustecken pflegte als Ersatz für Familiendinner oder ein anerkennendes Schulterklopfen.

Sie beugte sich vor und klimperte schamlos mit den Wimpern. „Ob Sie da wohl etwas machen könnten? Bitte?“

Der Angestellte sah verstohlen nach rechts, dann nach links, nickte knapp und ließ die Scheine in der Hosentasche verschwinden. „Nehmen Sie die Bühne. Da steht ein Bett.“

„Die Büh…“ Etwas von ihrer Schockiertheit musste in ihrer Stimme zu hören gewesen sein; der blasierte Blick des Angestellten sagte ihr unmissverständlich, dass er sie für einen hoffnungslosen Fall hielt. Edie riss sich zusammen. Sie war Edie Lass-dich-nicht-unterkriegen Higgins, die keine Angst vor gar nichts hatte, vor nichts davonlief und sich um einen halb toten promovierten Akademiker kümmern musste, der ein bisschen Liebe brauchte.

Hoffnungsloser Fall. Dass sie nicht lachte!

„Wird das Publikum sich nicht beschweren, wenn wir nur schlafen? Obwohl, anschließend vielleicht …“ Sie verstummte und rieb sich die Fingerknöchel am T-Shirt.

Der Angestellte gähnte nur. „Zuschauer sind erst wieder ab elf Uhr zugelassen. Verordnung der Stadt New York.“

„Wie schade.“ Edie seufzte gespielt enttäuscht. Ihr Blick glitt zum Bonbonglas auf dem Tresen. „Dabei hatte ich mich so auf die Erfahrung gefreut – mich vor all diesen Fremden der Leidenschaft zu überlassen. Na ja. Ich werde drüber hinwegkommen.“

Sie unterzog das Bonbonglas einer genaueren Musterung. Es enthielt keine Süßigkeiten. Sondern Kondome.

Kondome.

Sie angelte sich eins der bunten Päckchen heraus, bemerkte den spöttischen Blick des Angestellten, und nahm Nachschlag. Mehrmals.

Der Angestellte schrieb eine Reihe Zahlen auf einen Notizzettel und schob ihn ihr über den Tresen. „Das ist der Nummerncode. Die Flügeltür am Ende des Medici-Korridors.“

Medici-Korridor. Edie nickte, hob die Fingerspitzen an die Lippen und presste einen Kuss darauf.

Jemand küsste ihn auf den Nacken, und es war nicht Cynthia. Cynthia hielt nichts von Nackenküssen. Tyler erwog, die Augen aufzumachen, doch dann entschied er, dass er träumte, und er wollte nicht, dass der Traum aufhörte. Noch nicht.

„Tyler“, murmelte der Traum mit tiefer, sexy Stimme, die sein Ohr und seinen Hals streichelte und ihm eine Erektion bescherte. Letztere ging mit dem starken Drang einher, aktiv zu werden, doch Tyler rührte sich nicht und hielt die Augen geschlossen.

„Wir haben ein Zimmer, Liebling! Ein ruhiges Zimmer, viel bequemer als diese Tischplatte und ganz für uns allein. Wie findest du das, Tyler? Ich finde es fantastisch. Ich will dich sehen. Ich will dich spüren. Ich will dich schmecken.“

Er öffnete ein Auge. Wenn es um schmecken ging, war wach sein besser als träumen.

Edie.

Im selben Moment wusste er irgendwo tief in seiner Großhirnrinde, dass er noch nie etwas so Umwerfendes geträumt hatte.

Weil er sie auch schmecken wollte, schmecken musste, kam er taumelnd auf die Füße, zog sie an sich und küsste sie. Ein Energiestoß ging durch ihn hindurch, und von einer Sekunde auf die andere war sein Körper hellwach. Oh ja! Das hier war so überhaupt nicht Cynthia.

Sondern Edie.

Sie küsste ihn, kein bisschen zurückhaltend, kein bisschen vornehm. Er würde nie wieder etwas gegen New York haben. Versprochen.

Er zog sie enger an sich, schob ihr T-Shirt hoch, wollte mehr, doch sie lachte und hielt seine Hand fest. „Komm mit.“

Tyler konnte nicht recht einsehen, wieso. Sie hatten Platz, sie waren allein, was brauchten sie mehr?

„Aber …“

„Tyler.“

Er hielt den Atem an, als sie den Reißverschluss ihrer Jeans herunterzog und seine Hand dorthin legte.

Er würde mit ihr gehen, wo immer sie hinwollte.

Edie tippte den Schlüsselcode ein, stieß die Tür auf und stürzte zum Bett. Tyler kickte die Tür zu, stürzte hinter Edie her und warf sich auf sie, küsste sie auf den Mund, auf den Hals, versuchte ihr mit einer Hand die Jeans auszuziehen, schob die andere unter ihr T-Shirt, und als er ihre Brüste berührte, keuchte sie auf.

Sie konnte ihn zwischen ihren Schenkeln fühlen. Er war so hart, so heiß und so erwartungsvoll, dass ihr die Luft wegblieb. Aber da gab es viel zu viel Stoff zwischen ihnen, viel zu viel Kleidung.

„Verdammt“, hörte sie ihn murmeln, und siehe da, ihre Jeans schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Sie fummelte an seiner perfekt geschnittenen Wollstoffhose herum und wunderte sich, wie schnell sie verschwunden war. Er zog ihr das T-Shirt über den Kopf, stieß sie zurück in die Kissen. Er schloss seinen Mund um eine Knospe, saugte daran, und sie presste ihre Hüften gegen seine … weil es sich so gut anfühlte.

So gut.

Er schob eine Hand in ihren Slip, fand das, was er suchte, und ließ sie seine Finger genauso eindringlich spüren wie den Druck seiner Lippen. Wie von selbst hoben sich ihre Hüften seinen streichelnden Fingern entgegen. Er wusste genau, wo er sie berühren musste. Wie er sie scharfmachen konnte.

Tyler barg sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und seufzte glücklich. Edie speicherte den Laut sorgfältig in ihrem Gedächtnis, weil sie wusste, dass Tyler normalerweise nicht glücklich seufzte. Das war ihr Verdienst, und sie würde ihn auch dazu bringen zu stöhnen. Und zu kommen.

Das erste Licht des neuen Tages war voller Verheißungen. Edie tastete nach den Kondomen, fand eins der Päckchen auf dem Bettlaken und bemühte sich vergeblich, es aufzureißen. Tyler musste ihre Frustration gespürt haben, vermutlich wegen ihrer zahlreichen Flüche, denn er nahm es ihr aus der Hand. Sie fühlte, wie er sich bewegte, sich das Kondom überstreifte, und dann …

Ja.

Das schmerzhafte Ziehen in ihr beruhigte sich, als er sie ganz ausfüllte. So hart, so gut, so befriedigend.

So perfekt.

Jede Faser in ihr schien zu glühen, sie hatte das Gefühl, in Flammen zu stehen, doch dann stützte er sich auf die Hände, und plötzlich tat sich eine riesige Entfernung zwischen ihnen auf. Mit ruhigem Blick musterte er ihr Gesicht und seufzte. Aber diesmal nicht vor Glück.

„Warum bist du hier?“

Sein Ton war so ernst, dass Edie erstarrte. Kurz fragte sie sich, ob er ihr eine Fangfrage stellte, und betete, dass es keine war. Weil er sich so gut anfühlte, so richtig. Aber dann glitt er aus ihr heraus, und das gute Gefühl hörte auf, und sie war wieder allein.

Verdammt.

Edie seufzte, ebenfalls nicht vor Glück. Sie konnte ihm keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil, mit einer derartigen Reaktion hätte sie rechnen sollen. Hatte sie auch, ehrlich gesagt, und sich dagegen gewappnet. Bevor er sie hatte vergessen lassen, dass sie damit rechnen musste.

Dumm gelaufen, was, Higgins?

Sie lächelte ihr „Macht mir gar nichts“-Lächeln und rettete sich in das bewährte Edie-Drehbuch. „Weil wir eine Verbindung eingegangen sind, zwei Erwachsene, die sich zufällig getroffen haben und etwas zutiefst Menschliches miteinander teilen.“

„Die sich zufällig getroffen haben und es miteinander treiben“, murmelte er und rollte sich von ihr herunter.

„Okay, so kann man es auch sagen. Zwei höhere Säugetiere, die kopulieren, um sich fortzupflanzen und die Spezies zu erhalten. Aber keine Sorge, wir haben ja ein Kondom benutzt.“

Er sah sie an. Bei der Reife und Lebensweisheit, die sie in seinen Augen las, wurde ihr unbehaglich.

„Warum bist du hier?“

Edie drehte den Kopf weg, krallte die Finger in das scharlachrote Bettlaken. „Weil ich mich gut fühlen wollte. Nur deswegen. Verklag mich doch.“

Es war so still, dass sie ihn ausatmen hörte. Dann rückte er von ihr fort, eine unmissverständlich ablehnende Geste.

Edie betrachtete sich im Deckenspiegel. Ihre Augen hatten einen unnatürlichen Glanz, ihr Lächeln wirkte ein wenig zu kess und ihr Haar eine Spur zu lässig zerzaust. Tyler und sie hatten so gut wie nichts miteinander gemein, und trotzdem tat es verdammt weh. Aber Beständigkeit war keine feste Größe in ihrem Dasein – außer jemand brauchte sie. Ansonsten folgte alles in ihrem Leben dem universellen Gesetz des Tauschhandels, Geben und Nehmen. Und nun brachte Tyler mit seiner Gewissenhaftigkeit ihr tolles System zum Einsturz. Er konnte eben nicht aus seiner Haut, nicht mal ohne Trenchcoat und Krawatte, und er gehörte nicht zu denen, die mit sich handeln ließen.

„Du bist mir nichts schuldig.“ Er sagte es ruhig, und es hörte sich viel besser an, als sie befürchtet hatte. Sie rutschte näher zu ihm hin.

„Warum bist du hier?“ Sie war neugierig, was ihn hatte kapitulieren lassen. Sein gekränkter Stolz? Die körperliche Erschöpfung?

Oder Edie Higgins?

„Weil es mein Zimmer ist.“ Er stützte sich auf den Ellbogen, ließ den Blick über das plüschige scharlachrote Bordell-Interieur gleiten und sank zurück in die Kissen. „Hatte ich jedenfalls gehofft. Ist es mein Zimmer?“

„Vorläufig.“ Sie wartete, dass er weiterredete. Was er nicht tat. „Warum bist du hier?“ Jetzt wollte sie es wirklich wissen. Ihrer Erfahrung nach waren die Menschen einfach gestrickt, sie verzichteten nicht so leicht auf ihr Vergnügen. Oder ihr Glück. Tyler Hart würde in Vorleistung gehen müssen, ehe sie die Karten auf den Tisch legte.

Er rückte näher an sie heran und strich mit dem Finger sacht über ihren Arm. Es fühlte sich schön an, behutsam. „Weil ich Sex mit dir wollte. Weil ich dich wollte. Weil ich mir vorgestellt habe, dass du auf mir sitzt, dass ich in dir bin, dass du mich umschließt. Deshalb bin ich dir die halbe Nacht hinterhergelaufen.“

Wenn das eine Darlegung von Gründen sein sollte, war sie Güteklasse eins, aber Worte galten nichts ohne Taten. „Warum hast du dann aufgehört?“

„Warum bist du hier?“, kam die Gegenfrage.

Es war leichter, zur Decke zu starren und den Blick ihrer überwachen Augen im Spiegel zu erwidern, als die Wahrheit auszusprechen. In diesem Raum mit seinen vielen Spiegeln konnte man sich der Illusion hingeben, dass es keine Wände gab, er gaukelte einem unendliche Weite vor. Es kam nicht darauf an, warum Tyler hier war oder sie. Sie waren hier. Ein Mann und ein Frau, scharf aufeinander, in einem Bühnenbild, wie es optimaler nicht sein konnte für Sex.

Eine solche Gelegenheit durfte man nicht mit Reden vergeuden.

Diesmal erfüllten sie keine Zweifel, als sie sich auf ihn setzte, mit einer einladenden Bewegung seiner Hüften hieß er sie willkommen. Wie von einer urtümlichen Macht getrieben, beugte sie sich vor, strich mit ihren Lippen über seine und rieb ihre Brüste an seiner Brust. Sie brauchte diese Berührung jetzt. Sie brauchte sie dringend.

„Deshalb“, antwortete sie und fuhr mit ihrer Zungenspitze am Rand seiner Lippen entlang, ehe sie ihren Mund auf seinen presste.

„Und deshalb.“ Sie legte sich seine großen warmen Hände auf ihre Brüste.

Dann senkte sie sich auf ihn, umschloss ihn eng. „Und deshalb“, flüsterte sie heiser.

Sie hielt seinen Blick fest, während sie sich unmerklich auf ihm zu wiegen begann. Ihr ganzer Körper zitterte vor Lust, und in ihr Lächeln stahl sich eine Schamlosigkeit, die jeden Mann angetörnt hätte. Doch Tylers Blick blieb ernst, und sie sah rasch beiseite.

Sie begann sich schneller zu bewegen, alles in ihr strebte zum Höhepunkt, doch er umfasste ihre Hüften und drosselte ihr Tempo, bis sie in einen trägen, verführerischen Rhythmus verfiel und sich ganz gegen ihren Willen entspannte. Nichts zählte mehr, außer Tyler in sich aufzunehmen und wieder freizugeben.

Er hob die Hand und berührte ihre Lippen. Sie nahm seinen Finger in den Mund und bemerkte voller Genugtuung, wie etwas in seinen Augen aufblitzte. Wie plötzlich ein Ruck durch seine Hüften ging.

Autor

Julie Leto
Auch als Julie Elizabeth Leto bekannt.
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Kathleen Oreilly
<p>Kathleen schrieb ihren ersten Liebesroman im Alter von 11, welcher, zu ihrem ungebrochenen Erstaunen, laut in ihrer Klasse in der Schule vorgelesen wurde. Nach 20 Jahren ist sie jetzt stolz Karriere als Romanautorin gemacht zu haben. Kathleen lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern in Texas.</p>
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