Tiffany Hot & Sexy Band 45

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MANHATTEN NIGHTS von LEIGH, JO
Prickelnde Leidenschaft mit einer Note Gefühl: Zwei Gründe hat die Weinexpertin Molly für die Abende mit dem sexy Bierbrauer Cameron: Er ist der perfekte Begleiter für die Partys in Manhattan und ein fantastischer Lover! Eine spritzige Affäre - bis die Liebe ins Spiel kommt …

AUF DEIN KOMMANDO von STONE, SARA JANE
Noch ein Monat: Dann wird Erotikautorin Sadie Bannerman ihr Pseudonym lüften und jeder wissen, dass sie ultrasexy Bücher schreibt! Diese vier Wochen will sie mit dem nahkampferprobten Army-Ranger Logan verbringen. Der keine Ahnung hat, dass sie eine echte Spezialistin ist …

BLANKE VERSUCHUNG von MCCARTHY, ERIN
Die junge Journalistin Emma Gideon macht alles für den Job - auch wenn das Gruppenaktfoto mit den Kollegen Überwindung kostet. Zumal ihr größter Rivale und heißer Office-Flirt Kyle Hadley ebenfalls die Kleider fallen lässt! Aber bei einer guten Story zählen nur die nackten Fakten …

BESCHÜTZE UND VERFÜHRE MICH von WEBER, TAWNY
Er will Tag und Nacht in ihrer Nähe sein? Lara hat eigentlich nicht die Absicht, sich von einem breitschultrigen Navy SEAL bewachen zu lassen! Andererseits: Vielleicht können sie und Dominic Castillo die Zeit miteinander befriedigend nutzen …


  • Erscheinungstag 09.06.2015
  • Bandnummer 0045
  • ISBN / Artikelnummer 9783733750749
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jo Leigh, Sara Jane Stone, Erin McCarthy, Tawny Weber

TIFFANY HOT & SEXY BAND 45

JO LEIGH

Manhattan Nights

Cameron findet die Affäre mit Molly einfach großartig. Sie lieben Partys. Sie lieben Sex. Die Chemie ist perfekt. Nur eins könnte alles ruinieren: wenn einer von beiden sich verliebt …

SARA JANE STONE

Auf dein Kommando

Das Letzte, was Logan Reed in seinem Heimatdorf sein will, ist ein Held in Uniform! Was er dagegen unbedingt will, ist die heiße Rothaarige, die ihn schon durch ihren Anblick stramm stehen lässt …

ERIN MCCARTHY

Blanke Versuchung

Hat sie ein Problem damit? Es amüsiert Kyle, dass er und seine etwas schüchterne Kollegin Emma bei einem Aktfoto-Shooting mitmachen. Als er allerdings Emma ohne alles sieht, hat er plötzlich das Problem …

TAWNY WEBER

Beschütze und verführe mich

Beschützen sollte er sie – nicht verführen! Aber zu spät: Navy SEAL Dominic hat sich auf eine heiße Affäre mit Lara Banks eingelassen. Dabei ist es lebensgefährlich, wenn er sich ablenken lässt …

1. KAPITEL

„Ach, komm!“

Emmy stemmte beide Hände in ihre Seiten, blickte eher enttäuscht als schuldbewusst – somit keineswegs so, wie es angemessen gewesen wäre.

Cameron Crawford prüfte die Temperatur der Maische des neuesten Sommerbiers von „The Four Sisters“. Der Braumeister Eric Strand und sein Team blickten vom Gärkessel erwartungsvoll auf Cameron. Emmy war einfach eine Nervensäge, also ignorierte er sie. Bis er sein Temperament nicht mehr zügeln konnte. „Überrascht dich das? Dass ich außer mir bin, weil du in diesen seltsamen Dating-Zirkel geraten bist und einfach meinen Namen und mein Foto ohne Erlaubnis dort verwendest? Was zum Teufel hast du dir nur dabei nur gedacht?“

Emmy zog die Brauen zusammen. „Kann ja sein, dass du ein genialer Chemiker mit Doktortitel bist, kleiner Bruder, aber manchmal schnallst du gar nichts.“ Sie wedelte mit der Karte vor seinem Gesicht herum. „Das hier ist eine ‚Hot Guys Trading Card‘ – die erklärt dich zu einem heißen Typ. Obwohl mir schleierhaft ist, wie ich je darauf kommen konnte, du könntest für irgendwen ein heißer Typ sein.“

Er beendete den Temperatur-Check, trug die Werte in die Log-Datei ein und machte weiter. Wenigstens war es hier unten in der Brauerei kühl, ganz im Gegensatz zum restlichen Queens. Jeder Sommer wurde heißer als der zuvor, und das bedeutete ständig steigende Energiekosten für die Kühlung. Andererseits strömten die Gäste bei der Hitze in Scharen in den Brauerei-Pub. „Schon begriffen. Nur um das klarzustellen: Ich bin also unansehnlich, begriffsstutzig und …“

„Egoistisch.“

Er liebte seine Familie, aber das Leben war ungleich angenehmer, wenn sie sich nicht in derselben Stadt wie er aufhielten. Alles, was er wollte, war, endlich diese Tests hinter sich zu bringen und sich dann möglichst schnell wieder in seinem Labor einzuigeln. „Egoistisch.“

„Sei doch froh, dass ich nicht weiter wegen meiner Scheidung herumheule. Und es gibt keinen sichereren Weg, in dieser Stadt einen anständigen Mann zu finden, als diese Tauschkarten.“

„Mach doch. Tausch deine Kärtchen, mit wem du willst. Allerdings, fürs Protokoll: Ich finde, es klingt nicht sehr seriös. Aber mach mich jetzt nicht zum Buhmann, nur weil ich es leid bin, von dir und allen anderen ständig verkuppelt zu werden.“

„Es ist absolut seriös, weil all diese Männer in direkter Beziehung zu den Teilnehmerinnen stehen. Sie sind nicht die Freunde ominöser Freunde. Man muss den Mann selbst kennen, mit ihm verwandt sein oder zusammenarbeiten, um seinen Namen einzureichen. Und das hier hat nichts damit zu tun, dich zu verkuppeln, das schwöre ich.“

„Ja, ja.“

Wütend sah sie ihn an. „Ich durfte mir selbst erst eine Karte ziehen, nachdem ich zwei beigesteuert habe.“

„Das entschuldigt nicht, dass du mich nicht um Erlaubnis gefragt hast.“

„Ich dachte, du würdest mir helfen wollen, jemanden zu finden, und ehrlich gesagt … obwohl es gar nicht meine Absicht war …“ Sie hielt die Hände hoch und trat einen Schritt zurück. „… könnte es am Ende auch gut für dich sein.“

Da war es wieder. Das große Thema. „Das konntest du dir nicht verkneifen, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Emmy, ich treffe die Richtige schon, wenn es sein soll. Das ist eine Frage der Chemie. Das kann man nicht erzwingen. Ich glaube eher an glückliche Zufälle, als mich an die Meistbietende versteigern zu lassen.“

„Hier wird doch niemand versteigert. Du wirst erwählt. Was spricht dagegen, dem glücklichen Zufall mit diesen Tauschkarten auf die Sprünge zu helfen?“

„Über wie viele Frauen sprechen wir denn hier?“

„Im Moment sind wir siebenundzwanzig Single-Frauen. Die meisten arbeiten im East Village. Mindy hat mich dorthin mitgenommen. Die war neulich auch hier im Pub.“

„Keine Ahnung, von wem du sprichst.“

„Blond? Grüne Augen?“

„Warte, Mindy? Kleiner als du, stimmt’s?“

„Alle sind kleiner als ich.“

Er zuckte mit den Schultern. Vor einem halben Jahr war er zurück in die Stadt gekommen, um seinem Dad beim Bierbrauen zu helfen. Die ersten vier Monate hatten seine Schwestern ihn in Ruhe gelassen. Aber in letzter Zeit versuchte die Bande pausenlos, ihn zu verkuppeln. Mit Freundinnen, mit Bekannten, mit Gästen im Pub. Das war das Schlimmste. „Ich bleibe doch nur noch ein paar Monate hier. Mir geht’s gut als Single in Syracuse. Wieso denken bloß alle, sie müssten mir helfen?“

In sanfterem Tonfall sprach Emmy weiter: „Du weißt genau, wieso wir dir immer wieder Frauen vorstellen, ob du willst oder nicht. Dad sehnt den Tag herbei, an dem du eine Frau findest. Eine Frau wie Mom. Mit diesen Tauschkarten besteht für dich zumindest die Chance, mal eine zu treffen, die nicht hier aus dem Viertel kommt.“

Stirnrunzelnd betrachtete er die Karte. „Was steht denn da alles auf der Rückseite?“ Fordernd streckte er die Hand aus.

Schnell zog Emmy die Karte weg. „Da steht, du seist Braumeister.“

Gerade wollte er sie korrigieren – doch falsch war das nicht. Zumindest nicht völlig. „Warum hast du nicht geschrieben, dass ich Chemiker bin?“

„Weil Frauen bei einem Chemiker nicht an Sex denken.“

„Aber bei einem Braumeister?“

Sie lächelte nur. „Hier steht auch, dass dein Lieblingsrestaurant das ‚Prune‘ ist.“

„Prune? Blödsinn.“ Er griff nach der Karte, aber dank ihrer eins achtzig Körpergroße war seine Schwester sehr schnell.

„Keine Frau begibt sich für ein Date in ein Schnellrestaurant wie das ‚White Castle‘.“

In dem Punkt könnte sie recht haben. Doch das würde Cameron nie zugeben. „Das ist alles? Mehr steht nicht auf der Karte?“

„Da steht noch, dass du davon träumst, mit einem selbst komponierten Bier einen Preis zu gewinnen. Und dass du im Grunde kein Nerd bist, sondern ein toller Kerl und …“

„Du hast mich als Nerd bezeichnet?“

„Und als tollen Kerl.“

„Vielen Dank. Kann ich mal sehen?“

Lächelnd reichte sie ihm die Karte. „Tolles Foto, oder?“

„Daran kann ich mich gar nicht erinnern.“

„Weil Jade es heimlich aufgenommen hat. Dreh die Karte mal um und sieh genau hin, du selbstverliebter Sturkopf.“

Sein Seufzen machte unüberhörbar klar, was Emmy ihm zumutete. Bis er vor der Wahl zwischen Heiraten, endlosen Dates und One-Night-Stands stehen würde. Okay. Zumindest bei Letzterem begriff Emmy, was ihn tatsächlich interessierte. „In Ordnung.“ Er reichte ihr die Karte zurück. „Ich mach’s, aber nur, weil ich ein guter Bruder bin.“

Ihr Lachen verfolgte ihn quer durch die Brauerei, bis er die Tür hinter sich schloss.

„Chips und Flips, ja?“ Molly Grainger lehnte sich etwas zurück, während das Mikrofon vor ihrer Nase hing.

Ihr Stammhörer. Er rief immer zuerst an. Andy lachte. „Genau. Mit Paprika gewürzt und salzig.“

„Einen Moment.“ Molly wartete ein paar Sekunden. Sie wusste, welchen Wein er bestellen würde – und genoss es doch, die Spannung zu steigern. „Einen Malbec! Nehmen Sie einen aus Argentinien – intensiv fruchtig, sehr aromatisch und äußerst komplex. Damit verwandeln Sie schon einen einfachen Snack in kulinarische Höhenflüge. Außerdem gibt es einen guten Malbec bereits für kleines Geld. Was halten Sie davon?“

„Cool. Gracias.“

„De nada.“ Sie lächelte. „Ich bin Molly Grainger, und Sie hören ‚Mollys Wein-ABC für Anfänger‘ auf WNYU. Wir sind nach einer kurzen Pause wieder da.“

Sie stellte das Mikro aus und betrachtete die Karte auf ihrem Pult. Gerade eben war sie beim fünften Tauschtreffen der „Hot Guys Trading Cards“ gewesen, und zum ersten Mal hatte sie sich auch für einen Kerl entschieden. Cameron Crawford sah sehr gut aus. Doch in erster Linie hatte sie ihn ausgesucht, weil er als Braumeister in gewisser Weise in derselben Branche tätig war wie sie. Das würde beim Small Talk sicher helfen.

Schon seit Jahren arbeitete sie daran, ihre Schüchternheit zu überwinden. Mittlerweile konnte sie ohne Scheu vor einer Gruppe sprechen oder dozieren. Doch ein Zweiergespräch fiel ihr nach wie vor schwer. Normalerweise war das gar kein Problem – im Moment blieb in ihrem Leben ohnehin für nichts Zeit als allenfalls ein One-Night-Stand. Aber mit einem Mann ins Bett steigen, ohne zuvor herauszufinden, ob sie ihn überhaupt mochte – das kam für sie nicht infrage.

Als Meistersommelier hatte sie bereits viel erreicht, und bald schon durfte sie sich „Master of Wine“ nennen. Camerons Leidenschaft fürs Bierbrauen gab ihnen beiden sicher genug Schnittmengen für ein Gespräch. Nachdem Molly seine kluge und humorvolle Schwester Emmy kennengelernt hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sich als Widerling entpuppen würde.

Jetzt musste sie sich nur noch mit ihm verabreden. Auf keinen Fall im „Prune“. Sie hatte vor, die Rechnung zu bezahlen, und solche Preise kamen für sie nicht infrage. Er lebte in Queens. Also vielleicht ins „Bistango’s“ oder ins „Tommy Bahama“.

Bevor sie Camerons Nummer wählte, rief sie die Frau an, die sie zu den Kartentauschtreffen eingeladen hatte. Donna war ihre Chefin bei der Zeitschrift „Wine Connoisseur“. Und ihre beste Freundin.

Gleich beim ersten Klingeln nahm Donna ab. „Hast du ihn schon angerufen?“

„Nein. Mein Problem ist: Was passiert nach dem Diner?“ Wieder betrachtete sie die Karte. „Er lebt doch in Queens. Glaubst du etwa, er möchte für einen One-Night-Stand bis nach Bensonhurst fahren?“

Donna lachte so laut, dass Molly den Hörer vom Ohr nehmen musste.

„Denkst du, ein Kerl mit der Aussicht auf Sex schreckt vor einer Bahnfahrt zurück? Du lebst definitiv schon viel zu lange enthaltsam.“

„Das war ja nicht freiwillig. Mir fehlt halt die Zeit.“

„Du bist so beschäftigt, dass du sicher ein Jahr lang nicht mehr im Kino warst, stimmt’s? Und jetzt ruf diesen Typ endlich an.“

„Ja doch! Schrei nicht gleich. Ich … ich würde seinetwegen nicht bis nach Queens fahren, das ist alles.“

„Ihm macht das nichts aus, das versichere ich dir.“

„Hey, Molly, ihr könnt es auch bei mir treiben“, mischte Bobby sich über die Sprechanlage ein.

Molly schloss die Augen. Verdammt, wieso hatte sie die Sprechanlage nicht ausgeschaltet? Wütend sah sie zum Toningenieur hinter der Glasscheibe. „Du hast bestimmt überall in deinem Apartment Kameras installiert. Du bist pervers, Bobby!“ Sie wandte sich wieder an Donna. „Ich ruf dich an, wenn alles geklärt ist.“

„Gut.“ Donna legte auf.

Bobby hob nur die Schultern hoch. „Ich bin ein Mann, Molly. Wusstest du, dass wir alle sechs Sekunden an Sex denken? Mein Interesse an dem Thema ist biologisch verankert.“

„Dein Interesse an dem Thema kannst du dir sonst wohin stecken.“ Man hörte der Produktionsleiterin Roxanne die Abscheu an. Bobby wirkte tatsächlich etwas beschämt, doch lange würde das nicht anhalten. Roxanne sah zu Molly. „In drei … zwei …“ Roxanne gab Molly ihr Signal.

Der nächste Anrufer hatte offenbar beim letzten Anruf vor der Werbepause mitgehört. Er wollte wissen, welcher Wein zu Popcorn passte.

Molly empfahl ihm einen Viognier, buchstabierte es und erklärte ihm geduldig, wieso der Wein so gut zu Popcorn passte.

Als die Sendung vorüber war, ließ Molly zufrieden erst noch ein paar Werbespots laufen. Sie packte ihre Aktentasche mitsamt dem Handy, suchte ihre Notizen zusammen und verließ das Studio. Endlich den überaus wichtigen Anruf bei Mr Crawford tätigen!

Doch zunächst borgte sie sich Roxannes leeres Büro aus. Ein paar Minuten allein mit ihrem Tablet sein! Sie beantwortete Emails und öffnete den Kalender. Auf dieses Meisterwerk der Organisation war sie dringend angewiesen.

Jeden Tag teilte er in halbstündige Segmente auf. Sogar die Pausen für Mahlzeiten plante er in den Tagesablauf ein. Genau wie jedes Telefonat, das länger als fünf Minuten dauerte. Blogs, Unterricht, Weinproben, Zeit fürs Schreiben und Lektorieren.

Im Moment suchte sie nach einem freien Abend. Freie Abende verbrachte sie normalerweise damit, sich auszuschlafen oder weiterzuarbeiten. Ab und zu las sie ein bisschen, aber zumeist, um etwas zu recherchieren.

Seit dem ersten Tauschkartentreffen im Keller der St. Marks Church hatte Molly ihre Termine so hin und her geschoben, dass sie nächsten Donnerstag oder Sonntag für ihr Date freihatte.

Ihre Freitage und Samstage waren leider schon auf Monate hinaus für Weinproben und Vorträge verplant. Demnächst stand ihr eine viertägige Veranstaltung in den Hamptons bevor. Dafür hatte sie viel hin und her koordinieren müssen.

Mit wild klopfendem Herzen rief sie die Nummer auf der Karte an. Sofort sprang die Mailbox an.

„Hi, hier ist Molly Grainger. Ich rufe wegen der Tauschkarte an. Ich würde mich gern mit Ihnen nächste Woche auf einen Drink treffen. Beruflich habe ich mit Wein zu tun und Sie mit Bier. Deshalb … rufen Sie mich doch einfach an.“ Sie hinterließ ihre Nummer und legte auf. Wenigstens hatte sie es jetzt hinter sich. Wahrscheinlich würde er anrufen, und hoffentlich steckte sie dann nicht gerade auf dem Heimweg in der überfüllten U-Bahn.

Bevor sie das Gebäude verließ, betrachtete sie sich noch prüfend im Spiegel: die gestärkte weiße Bluse und die dunkle Hose – für sie so eine Art Alltagsuniform. Seit ihrem Entschluss, eine weltbekannte Weinexpertin zu werden, kleidete sie sich dementsprechend. Nur teuer durfte es nicht sein.

Manchmal kam es ihr vor, als habe sie schon ihr ganzes Leben in einer Tretmühle verbracht und sich abgestrampelt, ohne je voranzukommen. Doch mit ihren siebenundzwanzig Jahren hatte sie bereits eine Menge erreicht. Wenn sie weiter dem geplanten Weg folgte, würde sich der Erfolg unweigerlich einstellen.

Das erinnerte sie daran, dass es bereits Viertel nach vier war. Damit blieb ihr kaum noch Zeit, um zu duschen, sich umzuziehen und bei „Winesby“ alles für den Weinkurs um sechs Uhr vorzubereiten. Heute ging es um Rotwein, und das machte ihr besonders Spaß.

Gerade noch rechtzeitig erwischte sie die U-Bahn. Während der Fahrt betrachtete sie Camerons Tauschkarte. Ein toll aussehender Braumeister mit welligem, dunklen Haar, sündhaft dunklen Augen und einem verheißungsvollen Lächeln.

Ein Mann, mit dem sie sich sogar unterhalten konnte! Wie verführerisch! Hoffentlich hatte er am Sonntag oder am Donnerstag Zeit. Viel länger hielt sie es nicht aus, so ganz allein mit ihrem Vibrator und ihren Fantasien von Benedict Cumberbatch.

2. KAPITEL

Die Klimaanlage im Bistango’s lief auf vollen Touren – doch mit jedem Gast wehte ein Schwall heißer Sommerluft herein.

Cameron versuchte, seine Vorfreude zu zügeln. One-Night-Stand – das bedeutete ja nicht, dass es gleich beim ersten Treffen dazu kommen würde.

Doch er hoffte es inständig.

Wieder sah er zur Tür. Da war sie. Molly war noch hübscher als auf den Fotos auf ihrer Website. Sie wirkte so schlank und zerbrechlich. Knapp eins siebzig groß, schulterlanges, welliges, dunkelbraunes Haar. Ausdrucksvolle, große, dunkle Augen. Und ihr Körper! Auf den Fotos der Website kamen die sinnlichen Kurven gar nicht richtig zur Geltung.

„Cameron.“

Ihr Handschlag war fest. Sie ließ den Blick über seine Brust gleiten, bevor sie ihm wieder in die Augen sah. „Ich bin Molly Grainger. Warten Sie schon lange?“

„Nein, ich bin auch gerade erst gekommen.“

Keiner von ihnen ließ die Hand des anderen los.

„Freut mich, Sie zu treffen, Molly. Nennen Sie mich bitte Cam.“ Bei ihrem Lächeln musste er unwillkürlich auch lächeln. „Tja, unser Tisch ist frei.“ Er nickte einer brünetten Kellnerin zu, die die Speisekarten hielt. „Alles wartet auf uns.“

„Oh. Gut.“

Cameron ging einen Schritt hinter ihr und riskierte einen Blick auf die so perfekten Rundungen und die langen schlanken Beine. Das alles lief viel besser als geplant. Obwohl sie noch kaum ein Wort gewechselt hatten.

Sie setzten sich in eine etwas abgelegene Nische. Molly musterte ihn intensiver, als er gedacht hätte. Leider sprach aus ihrem Blick keine sexuelle Anziehung – eher ein „Oh mein Gott, worauf habe ich mich nur eingelassen!“.

„Ich bin beeindruckt von Ihrer Website.“ Hoffentlich lockerte er damit die Anspannung. „Und ich habe einige Ihrer Artikel gelesen. Sehr interessant. Unsere Berufe sind sich in vieler Hinsicht sehr ähnlich.“

„Sie waren auf meiner Website?“ Seufzend ließ sie die Schultern sinken.

Cams Lächeln erstarb. „Verstößt das gegen irgendwelche Regeln?“

„Nein, aber das war’s dann mit dem Small Talk.“ Sie richtete sich wieder auf. „Sie wissen ja schon alles über mich.“

„Das bezweifle ich. Es sei denn, Sie tun nichts anderes, als zu arbeiten.“

„Im Grunde ja.“

„Das erklärt, wieso jemand, der derart attraktiv ist, sich auf so etwas wie diese Tauschkarten einlässt.“

Sie wurde rot. „Und wie lautet Ihre Entschuldigung?“

„Meine Schwester, die sich in alles einmischt.“

Fragend zog sie die Brauen hoch. „Heißt das, Sie wollen eigentlich gar nicht hier sein?“

„Nein, nein, im Moment möchte ich an keinem anderen Ort der Welt sein!“ Das war die Wahrheit. War Molly nervös? „Aber meine Schwester meint leider, sie wisse alles besser als ich. Manchmal möchte ich ihr eine Glocke umhängen, weil sie so eine blöde Kuh ist. Ach Mist, jetzt fällt mir erst ein, dass Sie sie ja kennen.“

„Keine Bange, ich petze nicht.“

„Ein Glück. Sie ist nämlich viel stärker, als man denkt.“

Sie mussten beide lächeln. Als die Kellnerin die Getränkebestellungen aufnehmen wollte, bat Molly um Bedenkzeit. Erst die Speisen!

Vorfreude stieg in Cameron auf: Wenn Molly nicht nur einen Cocktail trinken wollte, dann war der Weg ins Schlafzimmer schon so gut wie frei. Mit neuem Interesse sah er in die Speisekarte. Vielleicht ein Steak? Die Energie konnte er mit etwas Glück später gebrauchen. „Schon eine Idee, was Sie wollen?“

Sie blickte hoch, als er die Karte weglegte. „Die Artischockenvorspeise und den Spezialitätensalat. Was würden Sie mir als Getränk dazu empfehlen?“

War das ein Test? Bei Wein war er ein absoluter Anfänger. „Ist das nicht Ihr Fachgebiet?“

„Stimmt schon, aber jetzt hätte ich gern ein Bier. Schließlich habe ich Feierabend.“

Ihm gefiel, wie sie sich vertraulich zu ihm vorbeugte. Ein freier Abend schien etwas ganz Besonderes für sie zu sein. „Sehen wir doch mal nach.“ Die Liste der Biere war nicht lang, aber exzellent. „Wenn Sie einverstanden sind, bestelle ich uns ein ‚Green Flash‘. Das ist ein tolles helles Bier aus Indien, sehr vollmundig und mit ausgewogenem Hopfengeschmack.“

Das Lächeln, mit dem sie darauf antwortete, warf ihn fast vom Stuhl.

„Einverstanden. Ich bin sehr gespannt.“

Nachdem sie bestellt hatten, verschränkte Molly die Arme auf dem Tisch und lehnte sich vor. „Jetzt müssen Sie mir alles über sich erzählen. Sie sind mein erster Hot Guy.“

Er unterdrückte ein Husten. „Ich … äh …“

„Ich meine, Sie sind mein erstes Tauschkarten-Date. Natürlich bin ich schon früher heißen Typen begegnet.“

„Tja, Sie sind auch meine erste Tauschkartenbegegnung, dann sind wir also quitt.“

„Sie brauen Bier und haben viele Geschwister. Im Grunde weiß ich nur, was auf der Karte stand.“

„Also gut, ich habe vier Schwestern, alle groß und athletisch. Meiner Familie gehört ein Pub in Queens, der zu allem Überfluss auch ‚Four Sisters‘ heißt. Dort braue ich Bier und entwickle neue Sorten.“

Jetzt hätte er seinen Job in Syracuse erwähnen können, aber viel lieber wollte er mehr über Molly erfahren.

„‚Four Sisters‘? Nur die vier Schwestern? Wer sind denn Sie? Der zugelaufene Hund?“

„Das werde ich Emmy unter die Nase reiben.“ Er lachte. „Die Bar hatte ihren Namen schon, bevor meine Schwestern oder ich auf der Welt waren. Mein Dad hatte auch vier Schwestern. Also, schätze ich, ist er der zugelaufene Hund und nicht ich.“

Wieder wurde sie rot. „Ich wollte damit nicht sagen, dass …“

„Weiß ich doch.“ Er lächelte. „Eigentlich müsste die Bar in ‚Ein Bruder und vier Nervensägen‘ umbenannt werden. Aber das ist wohl zu lang fürs Eingangsschild.“

Wenn eine Frau kicherte, klang das oft albern. Bei Molly wirkte es einfach nur bezaubernd. Auch, weil sie so angestrengt versuchte, es zu unterdrücken.

„Das würde nicht gerade einladend klingen.“

„Und deswegen komponiere ich meine Biere auch nur. Die Namensgebung überlasse ich anderen.“

Die Getränke wurden serviert, und Cameron konnte förmlich sehen, wie Molly sich entspannte, als sie die Augen schloss und den Bierkrug an die Lippen hob.

Als sie schnupperte, ahmte er sie unwillkürlich nach, obwohl sein Bier noch auf dem Tisch stand. Und als sie die Lippen für den ersten Schluck öffnete, öffnete auch er den Mund ein wenig. Er konnte nur hoffen, dass sie das Küssen ebenso auskostete.

„Oh. Ja!“

Es klang wie etwas, das er gern von ihr im Bett hören wollte. Verdammt, er steckte allmählich in Schwierigkeiten!

„Sie und ich, wir werden gut miteinander auskommen.“ Sie sah ihm in die Augen, und ihre Begeisterung steckte an. „Genau, was Sie versprochen haben: Viel Aroma, Hopfen und dazu ein Hauch von Zitrus und Pinien.“ Noch ein Schluck. „Und Grapefruit, Mango, Ananas. Bei all den Gerüchen hier im Raum ist es schwer, jede Nuance herauszuschmecken. Doch der Hopfen und der Piniengeschmack halten sich die Waage. Sehr köstlich.“

Am liebsten hätte er sie auf der Stelle in seine Arme gezogen und bis zum Morgengrauen geküsst. Stattdessen erhob er sein Bier. „Auf Hopfen und Trauben.“

Sie stießen miteinander an.

Molly hatte ihren Salat halb aufgegessen, als sie ihre Gabel beiseitelegte. Zwei Minuten lang hatten jetzt weder Cameron noch sie ein Wort gesagt. Sehr angenehme zwei Minuten!

Und das beim ersten Date. Mit dem bestaussehenden Mann im ganzen Restaurant! Er trug ein kurzärmeliges Hemd, das grau schimmerte zur Jeans. Breite Schultern, schmale Hüften, lange Beine.

Dieser Mann verstand sie, wenn sie über Weine sprach. Er brachte sie zum Lachen. Sein Lächeln löste seltsame Empfindungen in ihr aus. Immer wieder stellte er ihr Fragen, anstatt nur über sich selbst zu reden.

„Was ist?“ Camerons Gabel verharrte auf dem halbem Weg zum Mund. „Alles in Ordnung?“

Sie nickte. „Bestens. Erstaunlich gut.“

„Was meinen Sie damit?“

Die Vorstellung von unkompliziertem Sex mit diesem Mann mit den so tiefen, kakaobraunen Augen machte sie überglücklich. „Beim ersten Date bin ich normalerweise nicht so entspannt.“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie sind eine tolle Gesprächspartnerin.“

„Mit dieser Ansicht stehen Sie ziemlich allein da. Es muss daran liegen, dass wir so viel gemeinsam haben.“

„Oder Sie sind einfach nur froh über den freien Abend. Ist die Terminliste auf Ihrer Website echt? Wie bleibt Ihnen da überhaupt Zeit für ein Date? Ich bin selbst auch sehr beschäftigt, aber was Sie sich alles aufhalsen – Wahnsinn!“

„Der Kalender auf der Website ist echt. Er hilft mir oft, wenn ich gesellschaftliche Termine absagen muss. Aber die meisten Menschen, die ich kenne, machen viele Überstunden. Sie laden sich noch zusätzlich Arbeit auf, aus Angst, ihren Job zu verlieren.“

„Ich weiß. Das erlebe ich jeden Abend bei uns im Pub. Früher sind die Leute zur Entspannung gekommen, spielten ein bisschen Billard und probierten neue Biersorten. Jetzt kommen viele Gäste nur noch, um sich besinnungslos zu betrinken.“

Gerade hatte sie um ein zweites Bier bitten wollen. Vielleicht war es klüger, wenn sie sich ein Wasser bestellte. „Zumindest bin ich selbst für all meine Termine verantwortlich und letztlich wird es sich für mich auszahlen.“

„Inwiefern?“

„Ich möchte die beste Expertin in der Welt der Weine werden. Dafür muss ich mich auf das konzentrieren, was wichtig ist.“

„Bei Ihrem Ehrgeiz schaffen Sie es bestimmt. Sie lieben Ihre Arbeit. Genau das ist der Schlüssel zum Erfolg.“

Entspannt lächelnd sah sie ihn an. „Erzählen Sie mir doch etwas mehr über Ihre Brauerei.“

Sofort sah sie ihm die Begeisterung an. Da war sie wieder, diese Verbindung. Ich habe bei diesen Tauschkarten den Jackpot geknackt! Zur Feier des Tages bestellte sie für sich und ihn ein zweites Bier.

Cameron berichtete ihr von seinen Versuchen mit Spontangärung, einem der ältesten Verfahren bei der Bierherstellung. Molly hätte seiner tiefen sanften Stimme ewig zuhören können.

Ihr wurde ganz heiß. Sie spürte ein aufregendes Prickeln. Mr Crawford wurde mit jeder Sekunde noch attraktiver. Wann hatte sie das letzte Mal eine Unterhaltung so fesselnd gefunden? Sie dachte kaum noch an den anstrengenden Tag, der ihr morgen bevorstand.

„Entschuldigung.“ Er lehnte sich zurück. „Wenn’s ums Bierbrauen geht, lasse ich mich mitreißen. Dabei würde ich viel lieber mehr darüber hören, wie Sie es zum Meistersommelier geschafft haben, obwohl Sie kaum alt genug sind, um legal an Alkohol heranzukommen.“

„Sie Charmeur! Ich bin siebenundzwanzig, alt genug für einen Studienabschluss in Önologie.“

„Sind Sie nicht der jüngste Meistersommelier aller Zeiten?“

„Einer der jüngsten. Ich hatte zwei ausgezeichnete Mentoren, die mir sehr geholfen haben. Simone ist auf dem Weingut ihrer Familie in Frankreich aufgewachsen, und Phillip führt einen international sehr erfolgreichen Weinhandel. Zufällig schmeckt mir Wein sehr gut, und ich habe einen guten Geruchs- und Geschmackssinn. Deshalb unterstützten die beiden mich. Das war mein großes Glück.“

„Sie müssen sich bis über beide Ohren in die Arbeit gestürzt haben.“

Sie konnte sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen. „Und Sie? Wie sind Sie beim Bierbrauen gelandet? Der Pub gehört Ihrem Dad, oder?“

„Den Pub hat mein Großvater 1960 gekauft. Aber erst seit 2007 darf man in Queens alkoholische Getränke destillieren und vertreiben. Er hat schon damals von zu Hause aus ein bisschen was verkauft, aber verraten Sie’s nicht weiter. Seit meiner Kindheit habe ich mit dem Geschäft zu tun. Das war ein paar Jahre nach dem Tod meiner Mom. Bier brauen, das konnte ich zusammen mit meinem Dad machen.“

„Das mit Ihrer Mom tut mir leid! Aber das Bierbrauen mit Ihrem Dad klingt schön.“

„Es hat mir sehr geholfen, und es macht mir immer noch Spaß. Mich hat die chemische Seite besonders interessiert. Sein Verständnis von Bier ist eher intuitiv. Wir ergänzen uns bestens.“

„Und Ihre gesamte Familie ist da eingespannt?“

„Nicht alle von uns. Ruby ist Assistenztrainerin bei den ‚Indiana Fevers‘, das ist ein Frauenbasketballteam. Aber die anderen von uns arbeiten alle zusammen. Emmy kennen Sie schon, sie arbeitet in Teilzeit in der Bar. Und dann sind da noch Amber und Jade.“

„Alles Namen von Edelsteinen.“ Sie lachte auf. „Wie kommt’s, dass Sie nicht Silver oder Sterling heißen?“

„In der Hinsicht hatte ich wirklich großes Glück.“ Auch er musste lachen. „Meine Schwestern durften bei meinem Namen mitentscheiden und hatten einen nachsichtigen Moment.“

„Cam. Klingt wie ein Sportwagen. Sehr männlich.“

Er spannte den Arm an und ließ den ansehnlichen Bizeps sehen. „Das passt zu mir, stimmt. Bei der Arbeit trage ich nur Muscle-Shirts, selbst bei Minusgraden.“

Lachend stellte Molly fest, dass sie ihren Teller leer gegessen hatte. Jetzt konnte sie Cameron zu sich ins Apartment schleppen und dort über ihn herfallen.

Er winkte die Kellnerin heran, und in dem Moment überkam Molly die Erkenntnis: Zwischen Cameron Crawford und ihr durfte es keinen Sex geben.

Es würde alles ruinieren. Alles.

3. KAPITEL

Es fiel Cameron nicht leicht, Molly die Rechnung zu überlassen. „Sind Sie sicher?“, fragte er, bevor die Kellnerin zurückkehrte. „Sie haben es riskiert, einen Mann auf ein Date einzuladen, da sollte ich wenigstens das Diner bezahlen.“

„Heißt das, jedes Mal, wenn Sie eine Frau zu einem Date einladen, überlassen Sie ihr hinterher die Rechnung?“

Er lächelte. „Verdammt clever! Als Verbrecherin hätten Sie sicher auch Karriere gemacht.“

Sie schüttelte nur lachend den Kopf und reichte der Kellnerin die gefaltete Rechnung mit dem Geld darin.

„Aber dann bestehe ich drauf, unser Taxi zu bezahlen.“

Verwundert sah sie ihn an und öffnete den Mund. „Äh …“

„Oh, tut mir leid, das sollte nicht heißen, dass … Das Taxi kann auch ganz allein für Sie sein.“ Verlegen faltete er seine Serviette und wich Mollys Blick aus.

Als er sie wieder ansah, lächelte sie leicht angespannt.

„Schon gut, ich lade Sie gern auf einen Kaffee zu mir ein, aber ich wohne in Bensonhurst in einem entsetzlichen Apartment, und ich habe keine Milch im Haus. Falls Sie Milch wollen. Im Kaffee.“

Na wunderbar, dachte er, eben noch haben wir uns entspannt unterhalten, und jetzt ist alles verklemmt. Und ich bin schuld. „Ich trinke meinen Kaffee schwarz, und Bensonhurst ist ja keine Weltreise entfernt. Wollen wir aufbrechen?“

Sie ging voraus, und er überlegte, wie es jetzt wohl weitergehen würde. Kaffee, das konnte Sex bedeuten – oder eben einfach nur Kaffee. Er musste es auf sich zukommen lassen.

Es war fast neun Uhr, doch die feuchte Augusthitze lag noch drückend wie ein nasser heißer Lappen über der Stadt.

Zum Glück war die Luft in dem klimatisierten Taxi kühl und frisch.

Molly nannte der Fahrerin ihre Adresse, und Cameron und sie ließen sich in die kühlen Sitze sinken.

„Ich dachte, es würde das leichteste Date der Welt werden. Und in gewisser Weise war es das bisher auch.“ Eindringlich sah sie ihm in die Augen. „Zum Teil liegt das bestimmt an unseren ähnlichen Berufen, aber da ist noch mehr. Da ist so eine …“

„Eine Verbindung.“

„Ja.“

Sein Schenkel presste sich an ihren. Sein Arm berührte ihre Schulter. Ihre Augen weiteten sich, als er sich zu ihr beugte und ihre Lippen mit den seinen berührte.

Sie holte Luft.

Er rührte sich nicht und wagte kaum zu atmen.

Und dann küsste sie ihn.

Molly strich mit den Lippen über Camerons. Tief sog sie seinen Duft ein. Karamell und Malz und ein bisschen Zitrus. Sie schmeckte ihn. Aber um den Mann hinter diesen Aromen zu erkunden würde sie mehr benötigen als den Geruchs- und den Geschmackssinn.

Er schob sich enger an sie und öffnete den Mund. Er wollte mehr.

Mit der Hand an seiner Wange hielt sie ihn zurück, strich ihm mit der Zungenspitze über die Unterlippe.

Schon im Restaurant faszinierte sein Mund sie. Jetzt erforschte sie den leicht süßlichen Geschmack seiner Lippen. Sie tastete sich mit der Zunge vor. Er stöhnte leise auf.

Cameron erwiderte den Druck. Sie konnte nichts anderes tun, als sich seinem Drängen hinzugeben – diesem süßen Duell der Zungen.

Danach, exakt danach hatte sie sich gesehnt: ein Mann, der sie Arbeit und den ewigen Zeitdruck vergessen ließ!

Die Art, wie er sie küsste, so hungrig, so klar, erweckte in ihr die Lust auf eine fantastische Nacht. Auf eine Auszeit, an die sie noch wochenlang denken würde – dann, wenn sie nach einem stressigen Tag einen Orgasmus brauchte, um einzuschlafen.

Warm spürte sie seine Hand am Rücken. Er wand sich aus dem Kuss, jedoch nur, um den Kopf zur Seite zu neigen – so zog er sie noch enger an seine Brust.

Viel zu früh fuhr das Taxi eine scharfe Kurve, sodass sie sich wieder voneinander lösten.

„Alles okay?“

Er hatte es nur geflüstert. Ohne zu blinzeln, sah er in ihre Augen. Sein Atem ging schnell, so, als sei er gerade eine Langstrecke gelaufen.

Molly genoss, dass sie das in ihm auslöste. „Alles bestens.“

Sie schloss die Augen, kurz bevor er sie wieder küsste. Sie lehnten aneinander, und Molly fühlte sich winzig. Cam war groß, bestimmt knapp eins neunzig. An seine breite muskulöse Brust geschmiegt und mit seinen kraftvollen Händen am Rücken fühlte sie sich klein und geborgen.

Als er den Kuss unterbrach, entfuhr ihr ein leises Seufzen. Er ließ sich dadurch nicht bremsen und drang mit den Lippen zur empfindsamen Stelle hinter ihrem Ohr vor. Sie erschauerte. Er nahm ihr Ohrläppchen so zwischen die Lippen, dass sie zu zittern begann.

„Wir werden der Fahrerin wohl ein dickes Trinkgeld geben müssen“, sagte sie leise. Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder.

„Ich verdopple den Preis, wenn sie dafür ganz langsam fährt.“ Immer wieder küsste er sie. Beinahe hätte sie aufgestöhnt.

Sie konnte sich nicht mehr zügeln. Das Stöhnen brach aus ihr hervor und wurde lauter.

Die heutige Nacht könnte perfekt werden. Es stand sogar eine gekühlte Flasche Sekt im Kühlschrank. Im Schrank im Bad lag eine Packung Kondome.

Seine Hand! Seine linke Hand! Sie ruhte nicht mehr auf ihrem Rücken!

Molly spürte sie an der Brust. Nicht unter der Bluse oder unter dem BH. Durch die Kleidung hindurch. Fast beiläufig berührte er sie, küsste sie heiß und hungrig.

Molly versank in der Glut des Kusses – das Taxi holperte über eine Bodenwelle. Ihre erregte Brust rieb sich an Camerons Handfläche.

Er bewegte die Hand gar nicht! Dabei sehnte Molly sich so sehr danach. Sie drängte sich ihm entgegen.

„Na also“, flüsterte er, „darauf habe ich gewartet.“

Seine Küsse und der sanfte Druck seiner Hand ließen sie alles andere vergessen. Seine Hand erhöhte sanft den Druck, er ließ sie an der erregten Spitze kreisen.

Ein Schauer fuhr ihren Rücken herab.

In Gedanken sah sie ihn in ihrem winzigen Apartment stehen. Im Schrank hing das Kleid. Jenes, das sie für einen ganzen besonderen Anlass gekauft hatte. Sie hatte ein kleines Vermögen dafür ausgegeben, trotzdem sie es im Second-Hand-Laden kaufte. Camerons Küsse weckten in Molly zwar Lust auf überwältigenden Sex. Noch wichtiger erschien ihr plötzlich, dass er sie zu dem Bankett begleiten würde, für das sie dieses Kleid gekauft hatte.

Seit der ersten Berührung seiner Lippen wollte sie Sex mit ihm. Aber … Das Taxi fuhr weiter. Molly zog sich von Cameron zurück. Nicht sehr weit. Doch der Abstand reichte.

„Was hast du?“

„Nichts.“ Sie atmete tief durch. „Alles okay.“

Er ließ die Hand sinken und half Molly, sich wieder aufzurichten.

War das nicht der endgültige Beweis, dass er das perfekte Date war für den wichtigsten Abend ihres Lebens? Ihr Nachbar Eddie war nach Ohio gezogen. Seitdem hatte sie niemanden mehr, der sie zu solchen Anlässen begleiten konnte.

„Molly?“

Sie sah ihm in die Augen. Nur noch zwei Häuserblöcke, dann waren sie bei ihrem Apartment!

Laut Tauschkarte hatte er nur ein Ziel. Er würde es erreichen, wenn sie jetzt zusammen zu ihr ins Apartment hinaufgingen. Dann würde er wieder aus ihrem Leben verschwinden. Sie würde eine fantastische Gelegenheit verstreichen lassen. Die Auszeichnung bekommen, eine Ansprache halten, alleine vor so vielen Menschen, das machte ihr Angst.

Sie hatte keine andere Wahl, als die Ziellinie zu verschieben. Das mochte ihm gegenüber zwar ein wenig unfair sein …

„Es tut mir leid. Wirklich. Mein Timing ist schrecklich. Bitte, können wir das verschieben?“

Bei seiner entsetzten Miene hätte sie ihre Meinung fast sofort wieder geändert.

„Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Habe ich etwas falsch verstanden?“

„Nein, nein, alles, was du getan hast, war wunderbar. Es war ein fantastischer Abend. Aber es geht alles so schnell und …

„Du willst dir sicher sein.“

Sie nickte.

Aus seinen dunklen Augen sah er sie an. „Okay. Verschieben wir es.“

Ihr Seufzen linderte nicht das schlechte Gewissen. „Ich rufe dich an.“ Sie erreichten den Häuserblock, in dem Molly wohnte. „Bald. Hoffentlich willst du mich wiedersehen.“

Cam gab ihr einen zärtlichen Kuss. Erst auf die Lippen, dann auf die Wange. „Ich habe es sehr genossen. Fast bis ganz zum Schluss.“

Gequält verzog sie das Gesicht, obwohl sie wusste, dass er sie nur aufzog. „Danke.“ Sie drückte ihm die Hand. „Tut mir leid.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ Er hielt sie auf, als sie Geld aus dem Portemonnaie holen wollte. „Können Sie kurz auf mich warten?“, fragte er die Fahrerin. „Fünf Minuten?“

„Meine Uhr läuft. Von mir aus lassen Sie sich Zeit.“

„Du brauchst mich nicht zu begleiten.“ Molly lächelte ihn an. „Es sind nur ein paar Schritte.“

Er stieg aus und half ihr beim Aussteigen. Sobald sie auf dem Fußweg standen, schwankte Molly – sollte sie ihn doch mit nach oben bitten? Nein! Dieser Mann sollte für das perfekte Finale den Abend bilden, an dem sie ihre Auszeichnung verliehen bekam. Wenn sie sich danach dann verabschiedeten – das würde sie keine Sekunde bereuen!

Auf der Rückfahrt nach Manhattan grübelte Cameron vor sich hin. Mollys Bitte um Aufschub war für ihn vollkommen unerwartet gekommen. Sie hatten sich doch so gut unterhalten. So ein unkomplizierter Abend! Und Molly: Soooo sexy! Ihr Körper in seinen Armen! Und ihre Küsse erst!

Verdammt, es hatte doch zwischen ihnen geknistert!

Natürlich hatte er sich vorgestellt, mit ihr im Bett zu landen. Und dann … Es fühlte sich wie ein eiskalter Waschlappen mitten ins Gesicht an.

Wenn Molly ihn anrief, würden sie einen zweiten Anlauf unternehmen. Vermutlich surfte sie jetzt gerade im Internet, um sich zu vergewissern, dass er kein Mistkerl war.

Niemand hatte für diesen Abend Sex garantiert. Jetzt lag es an ihr. Er würde ihr ein paar Tage Zeit lassen. Sie würde ihn anrufen.

Ganz bestimmt.

4. KAPITEL

Ruhelos wälzte Molly sich im Bett. Viertel nach zwei, also nur noch drei Stunden und fünfzehn Minuten Schlaf. Sie war bestimmt der entsetzlichste Mensch in ganz New York, vielleicht sogar von der gesamten Ostküste.

Wie Cameron sie angesehen hatte, als sie die Notbremse gezogen hatte! Als habe sie ihn geohrfeigt.

Seit sie ihr Apartment betreten und den Computer eingeschaltet hatte, bekam sie diese Gedanken nicht mehr aus dem Kopf. Auf der Website des „The Four Sisters Brewpub“ hatte sie viel über die Geschichte des Pubs gelesen und erfahren, dass Cameron für seine Bierkreationen im Lauf der Jahre schon viele blaue Bänder als Ehrung bekommen hatte. Aber in den letzten fünf Jahren war keine Auszeichnung mehr hinzugekommen.

Molly wollte noch so viel von ihm wissen: Wo war er zur Schule gegangen? Was tat er, wenn er gerade kein Bier braute? Oder lebte er genau wie sie nur für seinen Beruf?

In der Welt der Weine herrschte starker Wettbewerb. Nur wenige Experten wurden international bekannt.

Molly hätte sich gewünscht, dass Phillip und Simone zu ihrer Auszeichnung am nächsten Freitag nach New York kamen. Doch sie konnte nachvollziehen, dass die zwei für ein einziges Bankett nicht von Bordeaux nach New York reisen würden. Phillip und Simone waren schließlich nicht ihre leiblichen Eltern. Vor zwölf Jahren nahmen die beiden Molly bei sich auf. Es fühlte sich an wie eine Wiedergeburt. Phillip und Simone adoptierten sie nicht, aber das war für Molly okay. Als Teenager eine Pflegefamilie zu finden war ohnehin die absolute Seltenheit.

Sie hätte die beiden gern mit Cameron bekannt gemacht. Besonders mit Phillip hätte er sich sicher gut verstanden. Ab und zu trank Phillip gern ein kühles Bier. Es hätte ihn beeindruckt, dass Cameron selbst Biersorten entwickelte.

Ich rufe Cam am Dienstag an, beschloss sie. Da bleibt ihm noch genug Zeit, sich einen Smoking zu leihen. Würde es ihn kränken, wenn sie ihm anbot, die Leihgebühr zu übernehmen? Cameron Crawford würde ihr den perfekten Abend und eine wundervolle Nacht bescheren.

Wieder fantasierte sie davon, wie Cameron ihr langsam die Kleidung auszog und sie am ganzen Körper küsste. Wie er ihr sagte, wie schön sie war. Es fiel ihr so leicht, sich ihn ohne Hemd vorzustellen. Ohne Jeans, das war schon etwas schwieriger. Was mochte sich darunter verbergen? Den knackigen Hintern hatte sie auch so schon erkannt.

Sie ließ eine Hand in den Slip gleiten.

Cameron würde genau wissen, was er zu tun hatte. Wie er sie erregen könnte. Erst quälend langsam, bis sie es nicht länger ertrug, dann immer schneller und schneller … Er würde sich voll und ganz darauf konzentrieren, ihre Lust zu stillen.

Entnervt zog sie die Hand aus dem Slip zurück. So würde sie niemals einschlafen: Von einem Mann träumen, den sie kaum kannte. Das musste aufhören.

Seufzend fing sie an, Sekunden zu zählen. Bei fünfhundert bin ich eingeschlafen, sagte sie sich.

Sie kam bis achthundertneun.

Es war Dienstagnachmittag. Emmy füllte Gewürzstreuer auf. Cameron war an einem kleinen Tisch in der Küche beschäftigt.

„Ich rufe sie an“, sagte er. „Nur damit ich weiß, dass bei ihr alles okay ist.“

Als Emmy verdächtig lange schwieg, sah Cameron auf. „Ich mach da keine große Nummer draus. An ihrem Tonfall erkenne ich schon, ob sie mit mir reden will.“

„Was ist los mit dir?“ Sie sortierte die Gewürzstreuer ins Regal. „Bisher hast du noch nie über die Frauen gesprochen, mit denen du aus warst. Auch dann nicht, wenn du die ganze Nacht bei ihnen geblieben bist.“

Auf keinen Fall wollte er Emmy verraten, wie das Date geendet hatte. „Wir waren mit unserer Unterhaltung einfach noch nicht fertig, das ist alles. Sie war nett. Sehr interessant.“

„Verstehe. Die Unterhaltung wurde unterbrochen.“

„Ich bin müde, lass mich in Ruhe.“

„In Ordnung. Aber tu mir einen Gefallen und ruf Molly nicht an. Du klingst erbärmlich.“

„Na, herzlichen Dank!“ Er musste sein Rezept fertig bekommen. Doch im Moment konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Er verließ die Küche und ging hinauf in sein Apartment.

Das Dachgeschoss hatte sein Dad ausbauen lassen. Schon sehr oft waren Gäste sehr froh darüber, sich hier ohne langen Heimweg ausschlafen zu können. Cam war überzeugt, dass alle sehr erleichtert sein würden, wenn er nach Syracuse zurückkehrte. Dieses Apartment würde dann wieder allen zur Verfügung stehen.

Sein Handy klingelte. Er sah im Display, dass es Molly war. Cameron hastete die letzten Stufen hinauf. Erst im Apartment angekommen, die Tür fest hinter sich geschlossen, nahm er den Anruf entgegen.

„Hi, ich bin’s. Molly.“

„Wie geht’s dir?“

„Ich komme bei der Kolumne, die ich gerade schreibe, einfach nicht weiter. Abgesehen davon geht’s mir gut.“

„Mich hat es sehr beeindruckt, dass du dir in deinem Terminkalender extra die Zeit fürs Schreiben einplanst.“

„Alle sollen wissen, dass es Zeiten gibt, in denen ich nicht gestört werden will.“

„Respektieren die Leute das denn?“

„Überhaupt nicht.“ Sie lachte kurz. Doch dann wurde sie ernst. „Mir tut es immer noch schrecklich leid, wie unser Abend endete. Das war nicht sehr nett von mir.“

„Nicht so schlimm. Zumal du jetzt ja anrufst.“

„Was den verschobenen Abend angeht …“

„Wann und wo?“

Sie zögerte. „Eigentlich hatte ich an Freitagabend gedacht. Die Sache hat allerdings einen Haken.“

Er ließ sich in den einzigen bequemen Sessel des Apartments fallen. Ein Wohnraum, eine winzige Küche und ein kleines Bad mit Dusche. „Ich höre.“

„Ich muss zu einem Bankett. Da geht es um Wein, daher wird es ausgezeichnete Verpflegung geben. Leider wird es eher steif und förmlich zugehen. Mit Reden und Ansprachen. Deshalb ist ein Smoking Pflicht. Aber der Wein wird erstklassig! Alle Winzer schicken nur ihre besten Sorten.“

„Ein Bankett?“

„Genau. Ein internationales Treffen der Weinredakteure. Die Gäste kommen aus aller Welt. An unserem Tisch sitzen sehr nette Menschen. Zum Beispiel Donna, die Herausgeberin der Zeitschrift, für die ich schreibe. Sie ist sehr witzig, eine typische New Yorkerin. Sie sagt immer direkt ihre Meinung. Ich weiß jetzt schon, dass ihr euch mögen werdet.“

Du kannst aufhören, dachte er. Ich komme ja mit. „Klingt toll, und das mit dem Smoking ist kein Problem. Sag mir einfach, wann ich wo sein muss.“

„Wirklich?“

Lächelnd rekelte er sich. „Wirklich. Ist das für dich eine Pflichtveranstaltung, oder macht dir so was Spaß?“

„Es ist ein sehr wichtiges Ereignis. Normalerweise muss ich dafür bezahlen.“

„Was ist diesmal denn anders?“

Sie räusperte sich. „Ich … also ich bekomme einen Preis verliehen.“

„Im Ernst? Wofür?“

„Newcomer-Redakteurin des Jahres.“

Er sah es geradezu vor sich, wie sie verlegen den Blick senkte. Jetzt freute er sich umso mehr, dass er zugesagt hatte. „Dann ist das ja, als würde ich mit Jennifer Lawrence zur Oscar-Verleihung gehen!“

Sie musste lachen. „Nicht mal ansatzweise.“

„Lass mir doch meine Fantasien. Zumindest werde ich mit der hübschesten Frau des Abends dort sein.“

„Hör auf, ich werde schon ganz rot.“

„Ich meine es genau so, wie ich es sage. Ich bin immer von Grund auf ehrlich. Das ist bei uns Braumeistern Ehrensache.“

„Du musst mir unbedingt alles übers Bierbrauen erzählen. Leider muss ich in ein paar Minuten in ein Meeting. Das habe ich extra so geplant. Damit ich das Gespräch schnell beenden kann, falls du Nein sagst.“

„Du hättest dir doch einfach irgendeinen Vorwand ausdenken können.“

„Ich bin auch von Grund auf ehrlich. Aber nicht aus Überzeugung. Ich bin nur beim Lügen so unglaublich schlecht.“

„Ich freu mich auf Freitag. Mach’s gut.“ Was hatte Molly nur an sich, das ihn so faszinierte? Wahrscheinlich lag es daran, dass sie keine Beziehung wollte. Solange er in Queens war, wollte er sich nur amüsieren, ohne jede Verpflichtung. Anscheinend war das genau das, wonach auch Molly sich sehnte. Zum Glück.

5. KAPITEL

Es war Cameron! Er rief an! Hastig strich Molly sich durchs Haar. Nach ein paar tiefen Atemzügen nahm sie den Anruf entgegen. „Hallo?“

„Hast du zu tun? Ich will dich nicht stören.“

„Nein, kein Problem. Was gibt’s?“

„Ich brauche deine Meinung.“

Sie hörte ein undefinierbares Rascheln, dann piepste ihr Handy. Sie nahm es vom Ohr und öffnete die Bildnachricht, die Cam ihr gerade geschickt hatte.

Lächelnd betrachtete sie das Selfie. Die Aufschläge des Jacketts waren breit genug, um damit bis an die Westküste zu fliegen. Abgesehen davon saß der Smoking perfekt.

„Und?“, fragte er. „Geht das?“

„Bei den Aufschlägen bin ich mir nicht so sicher.“ Hoffentlich gab es für ihn noch eine Alternative.

„Okay, bleib dran. Ich bin gleich wieder da.“

Dass Cameron sich für sie diese Mühe machte! Er war tatsächlich der perfekte Begleiter. Zwei Tage noch bis zum Freitag.

Wieder piepste das Handy, und diesmal posierte er wie ein Filmstar, leicht nach rechts gedreht und mit Blick direkt in die Kamera. Molly brauchte ein paar Sekunden, bis ihr wieder einfiel, dass sie den Smoking beurteilen sollte.

„Viel besser! Du siehst fantastisch aus. Sehr maskulin.“

„Wirklich? Dann nehme ich den.“ Er klang geschmeichelt. „Danke, Molly. Wir reden später, okay?“

Sie nickte. „Sehr gern.“

Als der nächste Student an die Tür klopfte, hielt sie immer noch lächelnd das Smartphone in der Hand.

Es war gerade noch hell, als Cam im Taxi bei Mollys Apartment eintraf. Es gab keinen Portier, aber eine Gegensprechanlage. Er drückte die 403. Molly ließ ihn sofort herein.

Im Fahrstuhl nach oben wurde Cameron sich bewusst, wie nervös er war. Bei Molly ging es zwar eigentlich nur um Sex. Aber er freute sich auch darauf, einfach Zeit mit ihr zu verbringen.

Endlich erreichte der Fahrstuhl den vierten Stock, und sobald er an ihre Tür klopfte, öffnete Molly ihm. „Du siehst sehr schön aus.“

Glücklich lächelte sie. „Danke. Wenn du jetzt zweifelnd dreingesehen hättest, wäre ich bestimmt in Tränen ausgebrochen.“

Er drehte Molly in ihrem eng anliegenden weißen Kleid im Kreis. Es war trägerlos. Sehr sexy. Das dichte dunkle Haar trug sie hochgesteckt. Es juckte in seinen Fingern, ihren langen schlanken Hals zu berühren – die vollen pinkfarbenen Lippen, ihren schlanken Körper. „Du siehst umwerfend aus.“

Hektisch wedelte sie mit den Händen vor dem Gesicht herum. „Bring mich nicht zum Weinen. Ich war extra bei ‚Macy’s‘ und habe mich schminken lassen.“

Also kein Begrüßungskuss bis zum Atemstillstand. Schade. „Du bist viel zu hübsch, um dein Gesicht unter Make-up zu verstecken.“

Sie seufzte. „Ein schöneres Kompliment könntest du mir gar nicht machen.“

Ihre Reaktion konnte er nicht ganz nachvollziehen, aber er wollte nicht diskutieren. „Bist du fertig? Bei dem Verkehr bin ich nicht sicher, wie lange wir brauchen.“

„Ich hole nur schnell meine Tasche.“

Während sie zum Nachttisch ging, sah er sich im Apartment um. Es war ungefähr halb so groß wie seins. Alles außer dem Bad befand sich im selben Raum. Möbliert war das Zimmer mit Einbauschränken über dem Bett, einem Schminktisch, einem Spiegel, zwei Stühlen und einem kleinen Tisch voller Bücher, Zeitschriften und einem Laptop. An der Wand hingen Karten von Weinanbaugebieten, und neben dem Bad hing ein riesiges Whiteboard mit Mollys Terminkalender. Außerdem gab es noch einen großen Kühlschrank für Wein, und über dem Kühlschrank befand sich ein Regal mit … noch mehr Wein.

„Alles bereit.“ Sie hielt ihre winzige rote Handtasche hoch. „Du siehst umwerfend aus in dem Smoking. Ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du das alles mir zuliebe mitmachst.“

„Heute Abend wird jeder Kerl neidisch auf mich sein.“

„Und du wirst die Ladies zum Schwärmen bringen.“

Das Kompliment freute ihn. Dabei wollte er niemanden als nur Molly beeindrucken.

In dem Kleid ins Taxi zu steigen war gar nicht so einfach. Molly hatte sich gefragt, ob Simone und Phillip ihr vielleicht eine Limousine schicken würden. Doch sie hörte von den beiden kein Wort mehr. Doch das machte ihr nichts aus. Auf irgendeine Weise fiele ihnen eine Überraschung zur Feier des Tages schon ein. Molly drapierte ihr Kleid so, dass es nicht zu sehr knitterte. Cameron nannte dem Fahrer die Adresse. In Molly stiegen erneut Zweifel auf. Es war aufregend, den Preis verliehen zu bekommen. Doch solche Festlichkeiten, bei denen alle zwanglos miteinander plauderten: Das war für sie der reinste Horror.

„Alles okay?“ Cam strich ihr sanft über den Handrücken.

„Ich bin nur nervös. Aber meine Rede habe ich bei mir.“

„Aha. Ich hatte mich schon gefragt, ob du etwas sagen musst.“

„Nur Danksagungen. Die Zeitschrift hat mir diese Chance gegeben, die mein Leben verändert hat. In der Welt des Weins geht es viel um Anerkennung und Preise. Das ist beim Bier sicher nicht viel anders.“

Nachdenklich nickte er. „Besonders bei Spezialsorten. Aber es gibt da etwas, das mich unaufhörlich beschäftigt, schon seit du mir vorhin die Tür geöffnet hast: Ist dieser Lippenstift eigentlich schwierig aufzutragen?“

„Nicht sonderlich.“

„Dann wäre es doch nicht schlimm, wenn ich dich küsse? Immer wieder? Die ganze Zeit bis zum Hotel?“

Molly lächelte. In ihrem Magen kribbelte es. „Es könnte sein, dass ich ab und zu mal Luft holen muss.“

„Sonst noch was?“ Er kam ihr so nahe, dass sie seinen Duft wahrnahm.

„Abgesehen davon sehe ich keine Probleme darin, wenn …“

Er unterbrach sie mitten im Satz. Das machte ihr nichts aus. Sie hätte ihn schon längst geküsst, hätten sie nicht so überstürzt das Apartment verlassen. Seit dem Date telefonierten sie viermal. Diese Gespräche heizten ihre Sehnsüchte stärker an als alle Männer, mit denen sie je zusammen gewesen war.

Cam war so behutsam, dass ihr ganz warm wurde. Mit einer Hand stützte er sie im Nacken, die andere lag an ihrer Taille.

„Seit der Taxifahrt am Sonntag denke ich nur noch daran, dich zu küssen“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Er glitt ihren Hals hinab bis kurz vor dem Ansatz ihres Kleids. Sein warmer Atem streifte ihre Haut. Molly kostete seine Küsse aus. Sie zogen sich wie eine Spur an ihrem Hals hinauf. Bis zu den Ohren.

„Hoffentlich wird mir das nicht zur Gewohnheit. Könnte peinlich werden, wenn ich mal mit jemand anderem als dir im Taxi sitze.“ Er hob den Kopf. „Okay, ich muss mich etwas abkühlen. Erzähl mir, was uns bevorsteht.“

Ihr Herz raste wie wild. „Ich bin aufgeregter als damals, als ich meine Prüfung zum Meistersommelier gemacht habe. Alle wichtigen Leute sind da. Redakteure, Kolumnenschreiber, Blogger und Branchenexperten.“

„Und deine Chefin auch, stimmt’s? Donna? Ihr muss ich wohl dafür danken, dass sie dich mit zur Tauschkartenrunde genommen hat, oder?“

Dass er sich das gemerkt hatte! Unfassbar, wie wunderbar er war. Sie küsste ihn noch einmal, und als sie schließlich vor Lust fast ohnmächtig wurde, war sein Haar zerzaust und der Blick verklärt.

„Verdammt, wie lange wird dieses Bankett dauern?“

Sie lachte. „Wir brauchen nicht bis zum bitteren Ende auszuharren. Ich leite morgen früh wieder einen Kurs. Zu schade, denn du wirst in ganz Manhattan kaum eine bessere Auswahl an Weinen finden. Wenn sich alle Weinredakteure treffen, will sich kein Winzer diese Chance auf Berichterstattung entgehen lassen.“

„Dann auf in den Kampf. Da vorn ist das Hotel.“

Schon den ganzen Tag nagte die Nervosität an ihr, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was jetzt in ihr vorging. „Oh Gott, wir sind da! Es geschieht tatsächlich.“

Alles wird gut, sagte sie sich und zuckte zusammen, als ein uniformierter Portier ihr die Wagentür öffnete.

Cameron legte ihr einen Arm um die Taille. „Ich bin bei dir“, sagte er leise mit durchdringender Stimme.

Hinter dem Portier entdeckte Molly Donna, doch sie war nicht allein.

„Oh, nein!“ Molly klammerte sich an Camerons Arm. „Das ist Robert Parker, der wahrscheinlich einflussreichste Weinredakteur der Welt. Und Benjamin Spencer von ‚American Wine Writer‘. Und Donna und ihr Begleiter. Sie sind schon fast bei uns.“ Sie fuhr zu Cameron herum. „Tust du mir einen Gefallen? Lass mich nicht los, okay? Nicht, bis wir an unserem Tisch sind.“

Lächelnd beugte er sich vor und gab ihr noch einen Kuss.

Sie war so schockiert, dass sie vergaß, den Kuss zu erwidern. Dann spürte sie, wie er mit seinem Daumen an ihrem Mundwinkel rieb.

Kurz bevor die anderen bei ihnen waren, zwinkerte Cameron ihr zu. „Jetzt bist du bereit, um sie alle umzuhauen.“

„Oh.“ Sie berührte die Stelle, wo er, so vermutete sie, ihren verwischten Lippenstift weggerieben hatte. Cam war vielleicht zu gut, um real zu sein. Doch für den heutigen Abend war er einfach perfekt.

6. KAPITEL

Cameron hatte beruflich schon an einigen Events teilgenommen, aber das hier ähnelte eher der Oscarverleihung als dem Oktoberfest. Es gab über ein Dutzend Tische mit jeweils acht Plätzen, und an jedem Platz waren neun Weingläser aufgereiht. Eine Längsseite des Saals nahm ein prachtvoll geschmückter Tisch ein, auf dem Flaschen von Weiß- und Rotwein präsentiert wurden. Am Kopfende des Saals befand sich eine kleine Bühne mit einem Tisch voller schlanker Statuen in Form von Weinflaschen, ein Rednerpult mit Mikrofon und eine große Leinwand, auf der eine Slideshow von Weingütern in aller Welt ablief.

Cam hielt Mollys Arm, als sie den Saal betraten. Die stilvolle Atmosphäre erklärte ihre Nervosität.

Noch vor dem Hotel hatte sie ihn mit Donna und den Redakteuren, mit denen sie sich unterhielt bekannt gemacht. Cameron prägte sich alle Namen gut ein.

Mollys Auftreten sorgte für Aufsehen. Cameron bemerkte, dass manche Gäste sie regelrecht anstarrten.

Sobald sie am Tisch ankamen und alle ein Glas Champagner in der Hand hielten, wendete Donna sich Cameron zu und sagte: „Wenn ich geahnt hätte, dass Sie im Smoking so umwerfend aussehen, hätte ich Ihre Tauschkarte nie im Leben an Molly weitergegeben.“

„Es freut mich, dass Sie es getan haben.“ Er lächelte. „Obwohl ich mir sicher bin, dass ein Date mit Ihnen auch toll gewesen wäre.“ Er stellte sein Glas ab und wandte sich an Donnas Begleiter, den er zuvor nur sehr flüchtig begrüßen konnte. „Wayne, stimmt’s?“ Auf das Nicken des Mannes hin sagte er: „Cameron Crawford. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Glück.“

„Das kann ich nur erwidern.“ Wayne lächelte froh. „Sie sind also einer dieser Tauschkarten-Männer, ja?“

„Stimmt. Meine Schwester hat mich dort ins Spiel gebracht. Kennen Sie Molly Grainger? Sie ist hier, um sich den Preis als Newcomer-Redakteurin des Jahres abzuholen.“

Molly lächelte Wayne zu und drückte sich etwas enger an Cameron.

Nach ein paar weiteren Gesprächen erkannte Cameron das Muster. Jemand kam auf Molly zu, gratulierte ihr zu ihrem Preis, erwähnte ihre Kolumnen oder ihre Radiosendung, und nach ein paar kurzen Worten zog sie Cameron mit ins Gespräch. Das führte unweigerlich zu einer Unterhaltung, bei der sie außen vor blieb. Anfangs versuchte er, sie wieder einzubeziehen. Doch sie wirkte viel entspannter, wenn sie einfach nur zuhören konnte.

Sie wusste es gut zu verbergen – doch er erkannte ihre Scheu und stellte sich ganz auf Mollys Verhalten ein. Small Talk fiel ihm leicht. So fragte er viel, erwähnte Mollys Kolumnen und hielt die Unterhaltung am Laufen.

Er legte die Hand auf Mollys, und sie verschränkte die Finger mit seinen.

„Ich bin so froh, dich hier bei mir zu haben.“ Sie sprach sehr leise. „Allein wäre es für mich die reinste Hölle. Kurse leiten oder Vorträge halten, alles kein Problem. Aber unverbindlich plaudern, das ist nicht so mein Ding.“

„Bisher läuft es doch fabelhaft. Außerdem hatte ich recht: Du bist tatsächlich die schönste Frau im ganzen Saal.“

„Lügner. Trotzdem charmant.“

Er prostete ihr zu. „Auf den Ehrengast.“

Sie lachte leise. „Das bin ich ganz sicher nicht.“

Das Licht im Saal wurde gedimmt. Nach großem Applaus verkündete ein grauhaariger Mann auf der Bühne, welcher Wein ihnen gerade zu einem kleinen Gericht aus Kaninchen, zartem Gemüse und Pistazien serviert wurde.

Cam blickte zu Molly. „Was meinst du? Passt der Wein?“

„Dazu müsste ich ihn erst probieren.“ Sie lächelte. „Aber bei diesem Anlass kannst du darauf vertrauen, dass die Weinauswahl passt.“

Essen und Wein schmeckten tatsächlich unvergesslich gut. Doch den größten Spaß machte es Cam, die Weinexperten dabei zu beobachten, wie sie am Wein schnupperten, ihn schlürften und im Glas kreisen ließen, während sie ihn probierten.

Im Verlauf des Abends und mit jedem neuen Wein, der eingeschenkt wurde, lockerte die Konversation am Tisch sich ein wenig. Doch sobald eine Preisverleihung angekündigt wurde, verstummten alle. Jetzt rief man Mollys Kategorie auf. Unter dem tosenden Beifall aller Gäste stand auch Cameron auf, als ihr Name genannt wurde. In dem Moment war er nervöser als bei seinen eigenen Preisverleihungen.

Ganz kurz umarmte sie Donna, dann wandte sie sich ihm zu. „Mir geht’s gut.“

„Schnapp sie dir, Tiger.“

Endlich lächelte sie wie eine Siegerin. Es war das umwerfende Lächeln, das er schon beim ersten Treffen an ihr gesehen hatte.

Erst als sie am Rednerpult stand und sich das Mikro zurechtgerückt hatte, nahm Cameron wieder Platz.

„Ich danke allen Mitgliedern der ‚International Wine Writers Association‘ für diese unglaubliche Ehre. Ich würde heute nicht hier stehen, wenn meine Herausgeberin Donna Woppner mir nicht ihr Vertrauen geschenkt hätte. Vielen Dank an sie und an das gesamte Team von ‚Wine Connoisseur‘. Ihr habt mir Mut gemacht und mich immer unterstützt. Es war mehr, als ein Neuling in dieser Branche sich je erträumen könnte. Mein ganz besonderer Dank geht an Phillip und Simone Alexander, die mich in die Welt der Önologie eingeführt haben. Es ist mir ein großes Privileg, heute hier im selben Raum mit all den Legenden aus der Welt des Weins zu sein.“

Der Reaktion der Gäste nach zu urteilen, hatte Molly genau den richtigen Ton getroffen. Dass sie sich auf der Bühne so selbstbewusst verhielt, hätte Cam nicht gedacht. Ihm gingen unzählige Fragen durch den Kopf, aber heute Abend würde er keine davon stellen. Heute ging es nur ums Feiern.

Während die Abschlussrede gehalten wurde, dachte Molly über den Verlauf des Abends nach. Cameron hatte ihr den schwierigsten Part abgenommen. Mit seinem Charme und seinen klugen Fragen zeigte er Interesse an jedem Gesprächspartner. Er fand sogar immer den richtigen Zeitpunkt, Molly wieder ins Gespräch zu bringen und seinem Gegenüber zu zeigen, wie stolz er auf sie war.

Ein zauberhafter Abend! Molly konnte kaum glauben, dass er schon vorbei war. Ursprünglich hatte sie schon vor über einer Stunde gehen wollen.

Im Moment hatte Cam sich für ein paar Minuten entschuldigt, und Donna kam zu ihr. „Du hast das toll gemacht da vorn. Wie ein erfahrener Profi.“ Donna beugte sich dichter zu ihr. „Und Cameron ist so fantastisch, den darfst du auf keinen Fall wieder ziehen lassen.“

„Du hast doch seine Tauschkarte gesehen. Er ist nur hier, weil …“

„Unsinn. Kein Mann ist so aufmerksam und umsichtig, wenn er nur auf einen One-Night-Stand aus ist.“

Molly schüttelte den Kopf.

„Eddie hat dich immer nur wegen des guten Essens und Weins begleitet und kaum ein Wort mit irgendwem gewechselt. Cameron war deinetwegen hier.“

„So ist er nun mal, das hat nichts mit mir zu tun.“

Prüfend erwiderte Donna ihren Blick. „Du hast ein paar seltsame Ansichten, Molly. Jetzt fahr mit ihm nach Hause, feiere deine ganz private Party und sieh einfach, was sich draus ergibt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht auf was Ernstes einlassen.“

„Du und dein verdammter Terminplan!“ Donna seufzte. „Dein Ehrgeiz ist bewundernswert, aber wenn man nur noch arbeitet und jeden Spaß vergisst …“

Molly griff nach ihrem Pokal. „Ab jetzt bin ich Weinjournalistin, Kritikerin, Moderatorin einer Radiosendung und Dozentin. Heute Abend waren alle schrecklich nett zu mir, aber wenn ich erst meinen ‚Master of Wine‘ habe, stehe ich auf einem sehr hohen Podest, und alle warten nur aufs nächste Erdbeben.“

Donna antwortete nicht sofort, und schließlich nickte sie. „Vielleicht hast du recht, aber genieß diese Nacht, du hast es dir verdient. Da kommt ja auch schon dein Ritter im Smoking. Viel Spaß und vergiss nicht zu verhüten.“

„Donna!“

„Was denn? Ich sag’s doch nur.“

Sobald Cam bei ihnen war, flüsterte Donna ihm etwas ins Ohr, das Molly nicht verstehen konnte. Jemand gratulierte ihr zu ihrem Preis und fragte sie, ob sie bei einem gesellschaftlichen Anlass des Bürgermeisters als Sommelier mitmachen wolle oder bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der Hurrikan-Opfer. Alles sehr gute Chancen für ihre Karriere – für ihre Nerven allerdings eine Katastrophe. Andererseits musste sie jede Gelegenheit zum Kontakteknüpfen nutzen.

Anscheinend hatte Donna mitgehört, denn sie nickte ihr strahlend lächelnd zu. Cameron wartete derweil geduldig. Dann kam er zu ihr und legte ihr beruhigend die Hand auf den Rücken.

„Wollen wir los? Oder möchtest du noch ein bisschen mit deinen Fans plaudern?“

„Nein.“ Lachend sah sie nach ihrer Handtasche, während er ihren Pokal nahm.

Cam ergriff ihre Hand. Die Geste kam Molly unglaublich intim vor. Es fühlte sich an, als seien sie zwei ein festes Paar.

Er hatte ihr heute Abend Sicherheit gegeben. Letztlich jedoch würde sie lernen müssen, in solchen Situationen auch ohne ihn klarzukommen. Sie konnte ihn schließlich nicht bis ans Ende ihres Lebens bitten, sie zu solchen Events zu begleiten.

Der Gedanke kam ihr so unvermittelt, dass sie abrupt stehen blieb.

„Alles okay?“

Sie nickte, doch ihre Gedanken überschlugen sich. Ja! dachte sie. Ich will Sex mit ihm. Unbedingt.

Aber wenn sie jetzt mit ihm schlief, sahen sie sich womöglich niemals wieder. Wenn sie sich weiter miteinander trafen, würde Mollys Leben sehr kompliziert werden. Doch dann könnte Cam sie weiterhin auf Events begleiten, und sie bräuchte keine Angst mehr vor gesellschaftlichen Anlässen zu haben.

„Molly?“ Er hielt ihr die Tür zum Taxi auf.

Hastig beeilte sie sich mit dem Einsteigen. In ihrem Abendkleid war das nicht ganz einfach.

Cam gab dem Portier noch ein Trinkgeld und folgte ihr ins Taxi. „Du bist bestimmt ziemlich erschöpft nach all der Anspannung.“

„Kann sein.“ Sie lehnte den Kopf zurück. „In erster Linie bin ich froh, dass es vorbei ist.“

„Da kommt bestimmt noch mehr auf dich zu. Ich habe drei Einladungen zu weiteren Events gezählt. Aber wenigstens brauchst du da keine Ansprachen zu halten.“

„Die Ansprache war der einfache Part.“ Sie lachte. „Glaub mir, mir wäre es lieber, wenn ich stattdessen beim Small Talk begabter wäre.“

Sachte strich er ihr über die Wange. „Heute Abend warst du in jeder Hinsicht fantastisch. Ich habe mich glänzend amüsiert.“ Er lachte leise. „Ja. Der Wein war tatsächlich so gut, dass ich am liebsten eine Flasche rausgeschmuggelt hätte.“

Jetzt musste sie lachen. „Donna hat das bereits geregelt. Die Flaschen werden unter den Verlagen aufgeteilt. Wir sind zwar nicht die größte Zeitschrift auf dem Markt, aber wir bekommen unseren Anteil. Eine fällt auch für dich ab, dafür sorge ich.“

„Die gönnen wir uns zusammen.“

Sie wünschte sich, sie könnte sein Gesicht deutlicher sehen. Meinte er es ernst?

„Alles okay?“

Bevor sie antworten konnte, klingelte ihr Handy. Das mussten Phillip und Simone sein. Die zwei konnten den heutigen Abend nicht vergessen haben. „Tut mir leid, aber da muss ich rangehen.“ Sie kramte in ihrer winzigen Handtasche.

Doch der Anrufer war Roxanne. Molly versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Nein, sie konnte diesen Anruf jetzt nicht annehmen. Schnell steckte sie das Handy wieder weg.

„Geh ruhig dran.“

„Nein, schon gut. Es ist jemand anderes, als ich erwartet habe.“ Sie ließ den Kopf an seine Schulter sinken. „Der heutige Abend war ein großer Erfolg, und es gibt noch viel, worauf wir uns freuen können.“

Noch vor einer Stunde hatte sie fest vorgehabt, mit ihm zu schlafen. Er war in jeder Hinsicht der ideale Begleiter gewesen. Sex wäre doch für diesen Abend der perfekte Abschluss! Doch jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher.

7. KAPITEL

Trotz der Klimaanlage war es in Mollys Apartment heiß und stickig.

„Im Kühlschrank steht Eiskaffee.“ Sie stellte ihren Pokal mitten auf den einzigen Tisch im Zimmer. „Ich habe noch Wein und Eisteepulver. Vielleicht ein Mineralwasser …“ Sie öffnete den kleinen Kühlschrank. Cam sah darin außer Getränken nur ein paar Joghurts.

„Zu einem Eistee würde ich nicht Nein sagen.“

„Aber erst muss ich aus diesem Kleid raus.“

Sie stand vor ihrer Kommode, und Cams Fantasie ging mit ihm durch. Er malte sich aus, wie er ihr das Haar öffnete und sie langsam auszog. Ganz so wie in einem James-Bond-Film.

Als die Tür zum Bad sich hinter ihr schloss, befreite sich Cameron von dem Smoking-Jackett und der Krawatte. Er öffnete ein paar Knöpfe am Kragen und krempelte sich die Ärmel hoch.

Beim Anblick des Betts sehnte er sich danach, Molly zu berühren. Und sie so intensiv zu bearbeiten, dass sie ihn anflehen würde, sie kommen zu lassen.

Verdammt, was war nur los mit ihm? Was würde sie nur von ihm denken, wenn sie aus dem Bad kam und ihn hier mit Erektion sah!

Um sich abzulenken, sah er zum Tisch mit dem Pokal. Erst nach Mollys Ansprache hatte er die Bedeutung dieser Auszeichnung wirklich begriffen. Donna hatte ihm erklärt, wie viele Weinexperten es gab, die einfach alles für diesen Preis geben würden. Aber hatte er nicht schon beim ersten Date erkannt, dass Molly etwas ganz Besonderes war?

Doch dann kam ihm ein weiterer Gedanke. Bisher hatte Molly kein einziges Wort über ihre Familie verloren. Wenn er so eine Auszeichnung verliehen bekäme, würde seine gesamte Sippe das mit ihm feiern. Das war schon so gewesen, als er mit acht Jahren bei einer Schulaufführung als Pommes Frites aufgetreten war.

Abgesehen von Kollegen und ihm war heute niemand gekommen, um mit Molly zu feiern. Hatte sie gehofft, dieser Anruf komme von ihren Eltern? Am liebsten hätte er Molly gefragt. Aber das alles ging ihn nichts an. Auch wenn der heutige Abend der schönste seit Jahren für ihn gewesen war, änderte das nichts daran, dass sie beide nichts Ernstes wollten. Er hatte ihr gegenüber ja noch nicht mal erwähnt, was er eigentlich beruflich machte.

Die Tür zum Bad öffnete sich. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Molly trug ein kurzes Blumenkleid mit Spaghettiträgern, das Haar offen. Beim Anblick ihrer nackten Beine und Füße, der großen Augen und der schimmernden Lippen befiel ihn sofort wieder die Erregung.

„Hey.“

„Hey. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Das Make-up loszuwerden war nicht so leicht.“

„Bevor du dich wieder so schminken lässt, solltest du wissen, dass du jetzt genauso schön bist wie zuvor.“ Er sah, wie sie rot wurde.

„Danke. Du siehst heiß aus.“

„Danke.“

„Ich meine“, sie trug ihr Kleid zum Schrank, „du siehst aus, als sei dir heiß.“

„Das stimmt, aber du hättest mir meine Illusionen ruhig noch etwas länger lassen können.“

„Dass du umwerfend aussiehst?“ Sie hängte das Kleid in den kleinen Schrank. „Habe ich dir das nicht schon gesagt?“

Er zuckte mit den Schultern. „So was hören Männer gern auch öfter.“

„Wirklich?“

Ihr belustigter Tonfall machte ihm Hoffnungen auf eine gemeinsame Nacht mit ihr. „Du findest also, ich sollte meinen Smoking aus gesundheitlichen Gründen ausziehen?“

Ihr Lächeln wirkte verhaltener als zuvor. Sie wich seinem Blick aus. In Camerons Kopf erklangen die Alarmglocken. Er fragte sich, womit er die Stimmung ruiniert hatte.

„Was hältst du davon, wenn ich uns was Kaltes zu trinken mache, und dann reden wir ein bisschen?“

„Klar doch.“ Ihm gefiel nicht, worauf das hinauslief. „Kann ich dir helfen?“

„Sag mir nur, wie du deinen Tee trinkst.“

„Ohne Zucker, ohne Zitrone.“

Sie rührte das Pulver in kaltes Wasser, und Cameron überlegte, ob er lieber gehen sollte. Hatte sie ihn mit dem Date nur dazu bringen wollen, sie zu dem Event zu begleiten? Warum rührte sie jetzt so heftig in den Gläsern herum? „Molly?“

Das Klappern hörte ganz abrupt auf. „Entschuldige.“ Sie seufzte.

„Erzähl mir doch einfach, was dich bedrückt. Ich flipp nicht aus, versprochen.“ Er nahm auf einem der zwei Stühle Platz und von Molly das Glas Eistee entgegen. „Willst du denn nichts trinken?“

Kopfschüttelnd setzte sie sich zu ihm. „Ich bin viel zu nervös. Okay, ich sag’s ganz offen: Ich finde dich wirklich fantastisch. Es gibt gar keine Worte dafür, wie dankbar ich dir bin. Ich hatte solche Angst. Deinetwegen war der heutige Abend schöner, als ich es mir je hätte erträumen können.“

„Das ist doch gut, oder?“

„Sehr gut. Weißt du, was?“ Sie streckte die Hand über den Tisch aus. „Kann ich doch vielleicht einen Schluck haben?“

Er reichte ihr das Glas, und sie trank einen großen Schluck, bevor sie es ihm zurückgab.

„Jetzt gehöre ich ganz offiziell zu den Großen der Branche. Ab jetzt nimmt der Druck zu. Ich darf mich durch nichts ablenken lassen.“

„Auch nicht durch mich.“

Seufzend schloss sie die Augen. „So ungefähr.“

Endlich begriff er. Er hatte vorgeschlagen, die Flasche Wein von Donna gemeinsam zu trinken. Und das, obwohl sie sich noch gar nicht geeinigt hatten, dass es ein nächstes Mal geben würde.

„Das Problem ist, dass ich dich so sehr mag. Und ich glaube, du magst mich auch. Die Küsse waren …“ Sie wandte den Blick ab und wurde rot. „Die Küsse waren die besten, die ich je erlebt habe. Die Vorstellung, Sex mit dir zu haben … Wir sollten es langsamer angehen lassen. Also, eher als Freunde. Eine Zeit lang.“

Er sah zur Decke hinauf. „Freundschaft – und mehr?“

„Nein.“ Sie sagte es so entschieden. Ihm fiel es schwer, nicht gekränkt zu sein. „Ich finde, wir hatten doch auch ohne Sex einen schönen Abend, oder?“

Das hatte er jetzt nicht hören wollen. Er trank seinen Tee aus. Es schmeckte schrecklich. „Rede nur weiter, gib mir den Rest. Du magst mich, aber du siehst mich eher als Bruder.“

„Wenn ich einen Bruder hätte, würde ich ihn bestimmt nicht so küssen wie dich.“ Lächelnd seufzte sie. „Ich möchte dich gern wiedersehen. Aber der Sex ist das Problem. Das ist die Ablenkung, die mir Sorgen macht.“

„Meinst du nicht, gar kein Sex wäre noch schlimmer?“

„Eher nicht.“ Einen Moment dachte sie nach. „Oder doch. Aber ich sage ja nicht, dass wir niemals Sex haben werden. Irgendwann kommt es dazu. Nur jetzt noch nicht.“

Cam sah auf sein Glas. Vielleicht hätte er sich doch für etwas Alkoholisches entscheiden sollen. „Und bis dahin gehen wir aus? Aber kein richtiges Date? Vorausgesetzt, dein Terminplan lässt das zu?“

Sie blickte ihm in die Augen. „Zum Beispiel zu den Einladungen, die ich heute erhalten habe. Wir könnten zusammen zu diesen Events gehen.“

Sollte er sauer, verblüfft oder gekränkt sein? „Warum rufst du keinen Escort-Service an? Da bekommst du Begleiter mit tadellosen Umgangsformen. Findest du in den Gelben Seiten.“

„So meine ich das doch nicht, Cam. Wir haben beide gespürt, dass es zwischen uns funkt. In deiner Nähe zu sein ist fantastisch. Aber es gibt da diese Grenze.“

„Weil du dich nicht zu sehr ablenken lassen willst, das hätte ich fast vergessen. Beide bekleidet? Dann ist alles prima und wir können Kumpel sein. Beide nackt? Viel zu gefährlich. Habe ich das richtig verstanden?“

Er sah ihr an, dass ihr seine Beschreibung nicht gefiel. Doch ihm war der Humor abhandengekommen. Eine platonische Freundschaft mit ihr war für Cam undenkbar. Seit dem ersten Moment an begehrte er sie. Vielleicht spielte sie gar nicht mit ihm. Doch das konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Dazu kannte er sie nicht gut genug.

„Du hast recht. Es war dumm von mir, dich darum zu bitten.“ Sie seufzte. „Ich habe deine Karte ausgewählt, weil du nach einem One-Night-Stand suchst. Das alles tut mir sehr leid.“ Beim Aufstehen stieß sie beinahe den Stuhl um und rannte fast zur Anrichte, um noch ein weiteres Glas Eistee zuzubereiten. Sie wandte ihm nicht den Rücken zu: Doch sie sah auch nicht in seine Richtung.

Es stimmte, zwischen ihnen stimmte die Chemie. Wenn Molly das Knistern gespürt hatte, dann … ja, vielleicht schreckte sie aus Angst davor zurück.

Das Dinner mit ihr war fabelhaft gewesen. Der heutige Abend auch. Was genau zog ihn zu Molly hin? Doch er würde ohnehin nur ein paar Monate in der Stadt bleiben. Wäre es da so schlimm, sie zu Banketts und Events zu begleiten?

„Du möchtest gehen, stimmt’s?“

Er zuckte zusammen. Sie stand direkt neben ihm und hielt ihm noch ein Glas von diesem entsetzlichen Eistee hin. „Nein.“ Er nahm das Glas und trank. Es schmeckte keinen Deut besser als das erste. „Ich denke nach.“

„Oh.“ Sie setzte sich wieder. „Denk nach, solange du magst.“

„Danke.“ Wie sollte er sie begleiten, wenn er sich keine Hoffnung auf Sex machen durfte? „Was ist mit Küssen?“

„Oh.“ Sie klang überrascht. „Ich mag es sehr, dich zu küssen.“

Also gut, küssen war okay. Innerlich seufzte er auf. Sie wollte eine platonische Freundschaft mit weit in der Zukunft liegendem Sex? Also schön. Dann musste er sie eben davon überzeugen, dass früher besser als später war, ohne sie zu bedrängen. „Weißt du was? Das könnte vielleicht klappen.“

Sie richtete sich etwas auf. „Wirklich?“

„Habe ich dir nicht erzählt, wie sehr meine Schwestern mich nerven?“

Verwundert blinzelte sie. „Ja.“

„Ständig wollen sie mich verkuppeln. Aber ich will nicht heiraten. Jedenfalls jetzt noch nicht.“ Er beugte sich vor und umfasste das Glas. „Gehen wir mal davon aus, dass du über mich als Begleiter verfügen kannst. Könntest du dann nicht als Gegenleistung als meine Freundin auftreten?“

„Damit sie aufhören, dich verkuppeln zu wollen. Und als Gegenleistung begleitest du mich auf ein paar Events.“ Lange musterte sie ihn eingehend. „Ich kann dir versichern, dass du guten Wein zu trinken bekommst und meistens auch sehr erlesenes Essen.“

Fast hätte er gelacht. „Das ist definitiv ein Pluspunkt. Und wenn du mit mir zusammen auftrittst, kannst du deine geheime Vorliebe für Bier ausleben.“

Lächelnd erwiderte sie seinen Blick. „Und das Küssen ist im Deal eingeschlossen.“

„Exakt.“

Sie hielt ihm die Hand hin, und er schlug ein.

„Eines noch: Da wir ja nur Freunde sind, sollte es kein Problem sein, wenn ich mich mit anderen Frauen treffe, stimmt’s?“

Ihm entgingen nicht das Zucken in ihrer Wange und die Art, wie sie tief Luft holte. Er gab sich große Mühe, sich die Genugtuung nicht anmerken zu lassen. Er wollte sie nicht verletzen. Aber er wollte einfach sichergehen, dass er sich das Prickeln nicht bloß eingebildet hatte.

Ihr Lächeln wirkte angestrengt. „Natürlich. Alles okay.“

„Scheint so, als hätten wir einen Deal.“ Er schnappte sich sein Smokingjackett und ging zur Tür.

„Du gehst?“

„Einerseits bekomme ich schon wieder eine Erektion. Das ist im Moment nicht hilfreich. Andererseits brauchen wir beide Zeit zum Nachdenken.“

„Du hast recht.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.“

Bevor er ging, blickte er Molly eindringlich in die Augen. „Dir ist doch klar, dass früher oder später einer von uns die Beherrschung verliert und über den anderen herfällt, oder?“

Sie öffnete den Mund. Es kam nur ein leises „Oh“ heraus.

Energisch zog Cam die Tür hinter sich zu.

8. KAPITEL

Molly schaltete die Sprechanlage zum Tonstudio aus. Heute lief es nicht so gut, und das hatte nichts damit zu tun, dass heute Mittwoch war.

Wie sie befürchtet hatte, dachte sie seit Freitagabend fast ständig an Cameron. Bei den zwei Weinkundekursen am Samstag hatte sie kaum etwas Vernünftiges erzählt, und bei der Weinverkostung in Chelsea war sie wie ein absoluter Laie aufgetreten. Für ihre nächste Kolumne fehlte ihr auch noch jede Idee.

Jetzt gerade sah sie Cam in Gedanken wieder vor sich, lebensgroß, splitternackt, und er lächelte. Sie konnte die Brustbehaarung sehen, die sich als dünne Spur über den Nabel tiefer zog, und … verdammt! Er war erregt. Sie brauchte nur die Hand auszustrecken, um …

„Molly!“

Sie fuhr hoch und riss die Augen auf. Roxanne stand in der Tür.

„Du bist auf Sendung.“ Roxannes Stimme klang trotz Flüstern wütend.

Molly schaltete ihr Mikro wieder an. „Entschuldigung, wir hatten ein kleines technisches Problem. Wie heißt unser nächster Anrufer, Bobby?“

„Heather aus der Bronx ist in der Leitung, und sie möchte wissen, welcher Wein zu Vietnamesischer Küche passt.“

„Hi, Heather!“ Molly versuchte, Camerons Bild aus ihren Gedanken zu verdrängen. „Geht’s dir um ein bestimmtes Gericht?“

„Hi, Molly. Ich liebe deine Sendung. Ich mache roten Reissalat mit Minze.“

Molly lächelte. Nicht, weil sie fröhlich war, sondern weil dadurch ihre Stimme fröhlich klang. Diesen Trick hatte sie von ihrem Therapeuten. „Gefällt mir. Was hältst du von einem weißen Burgunder? Du hast in deinem Essen sicher frische Kräuter, Minze, Koriander und Petersilie.“ Sie sah auf die Uhr und nannte Heather noch andere mögliche Weine, gab sich Mühe, auch noch die letzten Infos aus ihrem Gedächtnis zu kramen. Das hier war wichtig. Wenn sie sich nicht auf ihr Ziel konzentrieren konnte, musste Cameron aus ihrem Leben verschwinden. Vollkommen.

Eigentlich sollte er gerade an seinem hellen Ale arbeiten. Stattdessen saß Cam an seinem Tisch im Lagerraum, in dem er an seinen Bierkompositionen herumexperimentierte, und starrte zur Decke. Heute hatte er noch überhaupt nichts hinbekommen, außer den geliehenen Smoking zurückzubringen. Und an Molly zu denken.

Verdammt, warum hatte er sie nicht in die Arme gezogen und sich mit ihr aufs Bett fallen lassen? All ihre Zweifel und Logik hätte er vertrieben und sie dazu gebracht, vor Sehnsucht zu stöhnen und …

Tief seufzend ließ er den Kopf in die Hände sinken. Dass er bei Molly seine schmutzige Fantasie überhaupt nicht mehr abschalten konnte, machte ihm ernsthaft zu schaffen.

Er zog sein Handy hervor. Statt Molly rief er seine Chefin an. Dr. Inaba war als Biochemikerin für Cams Team bei „Protean Pharmaceuticals“ verantwortlich. Sie hatte seine Doktorarbeit betreut und ihn gebeten, mit ihr zusammen zu forschen, wie man den biochemischen Code von resistenten Erregern knacken konnte.

„Cam. Ich wollte Sie gerade anrufen.“

„Haben Sie schon was gehört?“

„Nichts Konkretes. Es dauert sicher noch drei oder vier Monate, bis das Gremium entscheidet. Die neuen Berichte der Weltgesundheitsorganisation könnten erschreckend genug sein, um die Entscheidung zu beschleunigen.“ Sie atmete durch. „Ehrlich gesagt kann ich’s kaum erwarten, wieder loszulegen. Das Team fehlt mir.“

„Mir auch.“

„Sie können sich wenigstens mit Bierbrauen ablenken.“

Er lächelte. Dr. Inaba war großer Fan von Bier. „Ich schicke Ihnen ein paar Flaschen zum Durchhalten.“

„Ausgezeichnet. Ich melde mich, sobald ich was höre.“

Cameron legte wieder auf. Drei oder vier Monate mussten ausreichen, damit Molly zur Besinnung kam. Im Grunde wusste er nicht, wie er auch nur einen Monat aushalten sollte. Geschweige denn vier.

Sollte er Molly auch mal etwas vom „India Pale Ale“ schicken? Aber eigentlich passte dieses Bier nicht zu ihr.

Er schlug eine neue Seite im Notizblock auf und fing an aufzulisten, was er für das perfekte Ale für Molly brauchte. Hatte ihr dieser Cabernet Sauvignon nicht so gut geschmeckt? Konnte man das, was an diesem Wein besonders war, auch auf ein Bier übertragen? Es musste ein kerniger Geschmack sein, volles dunkles Aroma, etwas rauchig, Eiche und Minze.

Als er wieder hochsah, war es schon fast sieben Uhr, und er hatte das Basisrezept fertig, einschließlich Hopfenanteil und Malzsorte.

Es würde ein paar Wochen dauern, bis das Bier fertig war. Wenn Molly und er bis dahin noch nicht miteinander geschlafen hatten, konnte er sich immer noch im Gärkessel ertränken.

Vorerst brauchte er feste Nahrung, und zum Glück gab es im „Four Sisters“ immer etwas Leckeres zu essen.

Drei Minuten später stand er in der Küche und versuchte, sich zwischen Bratwurst mit Sauerkraut, Sandwich mit Schweinebraten und Cheeseburger zu entscheiden. Er packte sich von allem etwas auf den Teller und schlang es im Büro hinunter.

„Stiehlst du schon wieder Essen?“

Cam kaute noch, als sein Dad hereinkam. Wie immer trug er das grüne Four-Sisters-T-Shirt zu Jeans und Boots mit Stahlkappen. Er wirkte erschöpft, aber das war nichts Neues.

Als er wieder sprechen konnte, nickte Cam in Richtung des Schankraums. „Wie in alten Zeiten. Ich glaube, es ist kein einziger Platz mehr frei.“

Gordon ließ sich auf das kleine Sofa unter dem Fenster sinken. „Warum tun wir uns das alles an? Die Gäste machen nur Arbeit.“

„Genau. Was haben wir uns bloß dabei gedacht?“

Sie lächelten sich an. Genau wie damals, als sie das erste Mal gemeinsam Bier gebraut hatten. Cameron war noch zu jung gewesen, um wirklich helfen zu können. Aber beim Bierbrauen durften Mädchen nicht mitmachen und für Cam hatte das damals alles bedeutet. Das Bierbrauen hatte ihm seinen Vater nähergebracht, und auch heute noch standen sie sich nahe. Durch das Bierbrauen hatte Cam auch Gefallen an der Chemie gefunden.

Jetzt diskutierte er mit seinem Vater über die Brauereiausstattung und einen neuen Kessel. Als Amber zu ihnen ins Büro kam, war es halb elf. Für einen Anruf bei Molly war es bereits zu spät. Er hatte sowieso beschlossen, sie erst morgen zu fragen, ob sie nach Queens kam, um ihren Teil der Abmachung einzuhalten.

„Hat die Welt jemals zwei faulere Männer gesehen?“ Amber schüttelte den Kopf. „Da draußen tobt die Karaoke-Schlacht, und ihr tratscht hier rum, als hättet ihr Urlaub.“

Cam verdrehte die Augen. Widerwillig stand er auf und stürzte sich ins Getümmel.

Der restliche Abend verging rasend schnell. Cam war froh, als er sich ins Apartment über der Bar zurückziehen konnte. Dort brauchte man zwar Ohrstöpsel zum Einschlafen, aber wenn er sich im Haus seines Dads einquartierte, würde er ständig gestört. Amber wohnte dort jetzt auch. Dauernd kamen auch noch seine anderen Schwestern und die Nachbarn zu Besuch. Cam hatte nichts gegen Gesellschaft. Doch hier in dem winzigen Apartment hatte er wenigstens Zeit zum Nachdenken. Und zum Träumen.

Bevor er sich ins Bett legte, stellte er sich vor, wie Molly in die Bar kam. Sein Dad würde sie mögen. Wenn er anfing, mit ihr über das Bierbrauen zu reden, würde er ihr auch gefallen.

Und vielleicht, vielleicht würde es ihr hier in Cams Bett auch gefallen.

Molly stand auf dem Fußweg vor dem ‚Four Sisters‘. Es war fast acht Uhr. Die Aussicht, Cams Familie zu treffen und sich als seine Freundin auszugeben, versetzte sie in Angst und Schrecken. Während der Herfahrt hatte sie sich davon zu überzeugen versucht, dass dies hier eine ausgezeichnete Übung im sozialen Umgang mit Menschen für sie war. Außerdem konnte sie ihre Selbstbeherrschung trainieren. Denn natürlich war das Küssen Teil des Ganzen.

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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