Tiffany Sexy Band 84

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Heiße Enthüllungen im Schnee von Rock, Joanne
Zusammen mit Jake in einem verschneiten Hotel … es klingt, als würden Winterträume wahr. Doch leider dient Marnies Trip mit dem attraktiven Detektiv nur der Verbrecherjagd. Bis sie sich eine Suite teilen müssen - und die Undercover-Mission auf erotische Abwege gerät …

Verführung in zehn Dates von Macallister, Heather
Zehn Dates ersteigert Ty auf einer Charity-Gala - für seine Mitbewohnerin. Ungeahnt flammt wildes Begehren in ihm auf, als er Marlie mit neuem sexy Look vor dem ersten Treffen sieht. Jetzt hat Ty ein Problem: Wie erobert man eine Frau, die an jedem Finger einen Verehrer hat?

Countdown der Lust von O'Reilly, Kathleen
Kurz vor Mitternacht trifft Ian im Silvestertrubel eine schöne Fremde. Noch 19, 18, 17 Sekunden … und sie gibt ihm den süßesten Kuss seines Lebens … 3, 2, 1 … er spürt das heiße Versprechen ihrer Kurven. Doch dann verschwindet sie in der Menge - und Ians Suche beginnt.


  • Erscheinungstag 06.10.2012
  • Bandnummer 84
  • ISBN / Artikelnummer 9783954463909
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Heather MacAllister, Joanne Rock, Kathleen O´Reilly

TIFFANY SEXY, BAND 84

HEATHER MACALLISTER

Verführung in zehn Dates

Tyler ist wie ein Bruder für Marlie. Bis sie ihren Mitbewohner zufällig nackt sieht. Kein Wunder, dass sie da als Dauersingle auf dumme Gedanken kommt – bei dem Körper … Doch bald soll das Alleinsein ein Ende haben, schließlich ist sie mit zehn Traummännern verabredet – einer knackiger als der andere. Warum nur geht ihr der elfte nicht aus dem Kopf?

JOANNE ROCK

Heiße Enthüllungen im Schnee

Sexy, smart, verdächtig! Privatdetektiv Jake beobachtet Marnie seit Wochen und ist sich schließlich sicher: Sie hat die fehlenden Gelder in ihrer alten Firma nicht unterschlagen. Doch wer will ihr die Sache anhängen? Um es herauszufinden, müssen sie verdeckt im noblen Marquis ermitteln – einem verschneiten Clubhotel, das Paare zu sinnlichen Spielen verführt …

KATHLEEN O´REILLY

Countdown der Lust

Rose steigt die Hitze in die Wangen, wenn sie an den sexy Fremden vom Times Square denkt. Dabei ist sie so gut wie verlobt! Wieso nur hat sie das Gefühl, dass ihre Begegnung vorherbestimmt war? Über eine Suchanzeige finden sie und Ian sich wieder. Doch mehr als eine einzige hemmungslose Nacht soll es mit ihm nicht geben. Zu viel steht für Rose auf dem Spiel …

1. KAPITEL

„Tut mir leid!“ Marlie Waters starrte erschrocken in das grimmige Gesicht ihres Mitbewohners.

Tyler stand an der Tür ihres Arbeitszimmers, er hatte es nicht einmal geschafft, sein Hemd richtig anzuziehen, und sah aus wie ein Mann, dem gerade eine heiße Nummer vermasselt worden war. Und genau das war passiert – durch ihre Schuld.

„Ich war abgelenkt.“ Marlie deutete auf ihren Computer. „Ich war mit meinen Gedanken ganz bei der Homepage. Dann hatte ich Lust auf einen Snack, und als ich so überlegte, was ich essen soll, dachte ich gar nicht an dich und …“ … deinen Oberkörper.

„Axelle“, vervollständigte er ihren Satz.

Er starrte sie finster an. Sein Haar war zerzaust, und über seine Wange zog sich eine Spur Wimperntusche. Es war offensichtlich, was er auf dem großen braunen Sofa getrieben hatte – und mit wem –, obwohl Marlie sich sofort umgedreht hatte und wieder nach unten gelaufen war.

Das Ganze war ihr verdammt peinlich. Dazu kam die verstörende Erkenntnis, dass sie ihren Mitbewohner plötzlich in einem völlig neuen Licht wahrnahm. Ihr war durchaus bewusst, dass er objektiv gesehen ziemlich heiß aussah. Er war ein gut gebauter, sportlicher Typ, doch bisher hatte es sie nie interessiert, und gefunkt hatte es auch nicht zwischen ihnen. Ganz abgesehen davon, dass sie sich sowieso vorgenommen hatte, sämtliche Funken sofort zu ersticken, denn so ein Leben ohne brennende Leidenschaft war doch viel unkomplizierter.

Da stand Ty in seiner ganzen Pracht, und trotz ihrer guten Vorsätze weigerte sich der Funke, der soeben aufgeflackert war, zu verglühen.

Sie spürte, wie die Lust sie packte.

Reiß dich gefälligst zusammen! Ty war für sie wie ein Bruder – na gut, vielleicht eher ein Cousin. Sie ließ den Blick über sein Gesicht und seine muskulöse Brust gleiten. Ein entfernter Cousin, angeheiratet.

Tyler Burton war der Sohn enger Freunde ihrer Eltern. Während der vielen gemeinsamen Sommerurlaube in ihrer Jugend hatte er stets die Rolle ihres Spielgefährten und Aufpassers übernehmen müssen. Damals war er ein mürrischer Teenager, jetzt war er ein attraktiver Mann.

Wie praktisch, dass er zurzeit bei ihr wohnte. Zu dumm, dass sie das in den vergangenen achtzehn Monaten nicht ausgenutzt hatte.

Stopp! Marlie unterdrückte das aufkeimende Verlangen und versuchte schnell, sich den schlaksigen Ty aus ihrer Jugend in Erinnerung zu rufen. „Axelle“, wiederholte sie, um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Axelle war Tys Freundin und ihre Kundin. Es war Axelles Website, an der sie an diesem Abend arbeitete. Welche Ironie. „Ich habe einfach vergessen, dass ihr oben seid. Als ich euch sah, fiel es mir wieder ein und da …“

„… hast du geschrien.“

„Tut mir leid! Ich hab nichts gesehen, ehrlich.“ Was nicht ganz stimmte. Das Bild des halb nackten Ty und ihrer ebenso spärlich bekleideten Kundin hatte sich ihr deutlich ins Gedächtnis gebrannt.

„Du hast die ganze Stimmung verdorben.“ Er steckte sich das Hemd in die Hose und zog den Gürtel fest.

Marlie fand, dass er für ein zwangloses Essen viel zu schick angezogen war, doch Axelle verstand unter „zwanglos“ sicher etwas anderes als sie. Wahrscheinlich war das so ein Franzosen-Ding. „Das wird wieder. Ich bleibe den Rest des Abends in meinem Arbeitszimmer, versprochen. Ich mache auch die Tür zu.“

Vom oberen Treppenabsatz war ein Geräusch zu hören, und Tyler gab ihr mit einem Blick zu verstehen, dass ihre Diskussion noch nicht zu Ende war.

„Ich bringe Axelle jetzt nach Hause.“

Marlie ging zurück in ihr Arbeitszimmer und schloss die Tür, doch sie hörte die beiden draußen miteinander tuscheln. Sie konnte nicht widerstehen und legte ein Ohr an die Tür.

„Sie geht nie aus“, sagte Ty. Er klang frustriert.

„Hat sie keinen Freund?“, fragte Axelle. „Natürlich nicht, dumme Frage.“

Autsch. Die beiden gingen weg, und Marlie konnte nichts mehr hören.

Autsch nicht, weil sie sich nach Liebe sehnte – sie hatte sich vor drei Jahren von ihrem Verlobten getrennt –, sondern weil sie seitdem eher einfache Aufmachung bevorzugte. Sie benutzte kein Make-up, band ihr wildes Haar stets zum Pferdeschwanz und trug ausschließlich Yoga-Hosen und Tank-Tops.

Na und? Das bekam schließlich niemand mit, außer Ty, und der zählte nicht. Er bemerkte es nicht einmal. Axelle allerdings schon, und das war etwas peinlich. Die Französin hatte ihr eindeutig zu verstehen gegeben, dass zwischen „einfach“ und „schlampig“ ein Unterschied bestand.

Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte Axelle die neue Speisekarte für das Restaurant vorbeigebracht, das sie mit ihrem Bruder betrieb. Die Frau hatte sie von Kopf bis Fuß gemustert und eine besorgte Miene aufgesetzt.

„Warum hast du nicht gesagt, dass du krank bist? Wir führen die neue Karte erst nächste Woche ein, die Website muss nicht sofort aktualisiert werden. Ab ins Bett mit dir und gute Besserung.“

„Okay“ war alles gewesen, was Marlie herausgebracht hatte. Sie war weder krank gewesen, noch hatte sie im Bett gelegen.

Danach war sie ins Bad gerannt und hatte sich zum ersten Mal seit Monaten gründlich im Spiegel betrachtet. Die Sorge ihrer Auftraggeberin war durchaus begründet gewesen. Später war Axelle sogar noch einmal vorbeigekommen, um ihr eine Gemüsebrühe aus dem Restaurant zu bringen. Vom Duft der Suppe war Tyler nach unten in den Flur gelockt worden. Axelle hatte bei seinem Anblick so strahlend gelächelt, dass er von diesem Moment an völlig neben sich stand.

Marlie seufzte. Diesen dummen Patzer musste sie irgendwie wiedergutmachen. Sie blieb so lange in ihrem Arbeitszimmer, bis das Garagentor mit einem dumpfen Geräusch zufiel.

Sie riss die Tür auf und lief durch den Flur zur Treppe, die in den Wohnbereich führte. Dort blieb sie stehen und starrte den weichen Teppich an, der an dem ganzen Schlamassel schuld war. Ty und Axelle hatten sie nicht kommen gehört, und sie selbst war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie die leise Musik nicht wahrgenommen hatte. Klar, dass ihr Mitbewohner in diesem Moment nicht gestört werden wollte.

Langsam ging sie nach oben. Als Ty zum ersten Mal eine Frau mit nach Hause gebracht hatte, war sie ins Kino gegangen, aber nicht lange genug weggeblieben. Beim nächsten Mal hatte sie mit dem Laptop in ihrem Auto in der Garage gesessen. Leider war sie dabei eingeschlafen, und Ty hatte sie erst am nächsten Morgen entdeckt. Das Haus gehörte ihr, keine Frage, doch auch ihrem Mitbewohner stand Privatsphäre zu. Es war nicht seine Schuld, dass sie keinen anderen Ort hatte, an den sie gehen konnte.

Als Marlie die oberste Stufe erreichte, bemerkte sie auf dem Wohnzimmertisch die Reste des Abendessens, das Ty für Axelle vorbereitet hatte: Bouillabaisse, Brot und Salat. Vielleicht war noch etwas von der Suppe übrig, daher ging Marlie in die Küche und hob den Deckel des Topfes hoch. Volltreffer!

Möglicherweise hatte sie nun ein echtes Problem. Sie lehnte sich an die Anrichte und aß. Dabei überlegte sie, ob Ty so sauer war, dass er ausziehen wollte. Irgendwann würde das sowieso passieren. Er hatte ein Haus gekauft, doch die Arbeiten daran wurden immer wieder verschoben, weil noch nicht alle Baugenehmigungen erteilt worden waren. Im Grunde war sie froh über die Bürokratie und die Verzögerung, die es ihr erlaubten, von der Miete, die er zahlte, ein wenig Geld zurückzulegen. Sollte der Umbau seines Hauses sich noch länger hinziehen, würde sie nach Ty niemanden mehr bei sich aufnehmen müssen, um ihre Hypothek abbezahlen zu können.

Er war ein vorbildlicher Mitbewohner. Da sie in der Jugend viel Zeit miteinander verbracht hatten, wusste sie viel über ihn, ein großer Vorteil. Bis vor Kurzem war er oft geschäftlich für seinen Arbeitgeber, einen großen Ölkonzern, unterwegs gewesen. Die Situation mit Ty hätte nicht besser sein können, doch nun hatte sie womöglich alles verdorben.

Axelle, die das genaue Gegenteil von ihr war, bedeutete ihm viel. Zum einen war sie Französin. Das verlieh ihr eine Kultiviertheit, die sie nie erreichen würde, selbst wenn sie sich Mühe gäbe. Außerdem sah Axelle immer perfekt aus. Tyler stand auf gepflegte Frauen, trotzdem würde sie jede Wette eingehen, dass er schockiert wäre, wenn er wüsste, wie viel Zeit und Geld Axelle in ihre stets gepflegte Erscheinung investierte. Zeit und Geld für Maniküren, Gesichtsbehandlungen, gefärbte Strähnchen und wer weiß was noch für Anwendungen und Fitnesskurse. Axelle nahm all das auf sich, denn als Empfangsdame des exklusiven „Ravigote“, dem Restaurant, das ihrem Bruder und ihr gehörte, erwartete man von ihr eine glamouröse Erscheinung. Marlie seufzte. Das Gourmetrestaurant lag weit außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Sie hatte gerade das Licht in der Küche ausgemacht, als sie hörte, wie die Hintertür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ty war erst vor einer halben Stunde aus dem Haus gegangen. Er kann doch nicht schon wieder hier sein! In der kurzen Zeit hätte er Axelle gerade einmal absetzen und zurückfahren können.

Marlie blieb in der fast dunklen Küche stehen und hielt krampfhaft ein Geschirrtuch fest. Als Ty zwischen den Streben des Geländers sichtbar wurde, atmete sie erleichtert auf.

„Hey“, sagte er, als er sie sah.

Er war immer noch sauer, versuchte aber, es zu verbergen, und wies mit dem Kopf in Richtung des leeren Wohnzimmertischs.

„Du hättest das nicht aufräumen müssen.“

„Ich weiß, aber ich fand, dass ich dir etwas schuldig bin, und ich wusste auch nicht, wann du zurückkommst.“ Oder ob du zurückkommst.

„Ich kann dort nicht übernachten.“

Ty blickte zum Sofa hinüber. Er hatte immer noch Lippenstift auf der Wange.

„Warum?“

„Weil sie mit ihrem Bruder zusammenwohnt.“

„Ach ja?“

Er warf seine Jacke über einen Stuhl. „Pauls Loft liegt direkt gegenüber vom Restaurant, es war also sinnvoll für Axelle, dort einzuziehen und auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten, bis der Laden richtig läuft.“

„Sehr praktisch.“

„Wir sind zwar alle erwachsen, aber in so einem Loft hört man wirklich alles, und sie ist immerhin die Schwester dieses Typen.“

„Okay, hab schon verstanden.“ Marlie lächelte ihn an. „Ich verspreche dir, dass wir das hinkriegen. Sag mir das nächste Mal Bescheid, dann gehe ich … in irgendein Hotel.“

Er ging an ihr vorbei und öffnete den Kühlschrank. „Das musst du nicht machen.“

Die fahle Innenbeleuchtung schien in sein Gesicht. Er griff nach einer Flasche Bier und öffnete sie. Marlie starrte wie gebannt auf seinen Kehlkopf, als Ty trank.

Hatte sie je auf seinen Hals geachtet? Nein. Warum soll ich auch auf Tyler Burtons Hals achten, um Himmels willen? Doch jetzt konnte sie kaum ihren Blick davon losreißen. Er ließ die Flasche sinken und sah lange zu ihr herüber. Marlie wappnete sich für die Ankündigung, dass er ausziehen werde. Da sie nicht wusste, wohin mit ihren Händen, verschränkte sie die Arme vor der Brust.

Tyler kam auf sie zu. Er lächelte nicht, was seine Lippen viel voller aussehen ließ. Zum Küssen wie gemacht, schoss es ihr durch den Kopf. Schön und weich. Vielleicht benutzte er Lippenbalsam, um sie in diesem Zustand zu halten.

Marlie starrte den Fleck auf Tys Wange an. Sie hatte sicher auch irgendwo Lippenbalsam. Es würde nicht schaden, wenn sie ihn ab und zu mal benutzte, sofern sie daran dachte. In der nächsten Zeit würde sie allerdings niemanden küssen. Erst recht niemanden, der mehr Lippenstift trug als sie.

Ohne den Blickkontakt abzubrechen, blieb Ty vor ihr stehen. Sicher würde er gleich etwas sagen, das sie gar nicht hören wollte. Sie presste die Lippen zusammen. Um keinen Preis würde sie ihn anflehen zu bleiben.

Tyler sah auf die Frau hinunter, die sein Liebesleben schon seit den Sommerferien zwischen der vierten und fünften Klasse auf der Highschool sabotierte. In jenem Sommer war er zum ersten Mal verliebt gewesen, doch da er ständig auf Marlie hatte aufpassen müssen, war aus der Sache nichts geworden. Auch in jedem darauffolgenden Sommer vermasselte sie ihm noch die winzigste Chance auf ein Date. Das einzig Gute war, dass Marlie sich nie in ihn verknallt hatte, deswegen kamen sie einigermaßen miteinander aus.

Vielleicht braucht die erwachsene Marlie einfach einen Freund.

Er betrachtete sie. Sie war nicht sein Typ, aber sie war bereits verlobt gewesen und musste somit der Typ von irgendjemandem sein. Oder war es zumindest gewesen. Jetzt war ihr Haar zerzaust und ihr Gesicht blass und nichtssagend. Die Arme hatte sie um den Oberkörper geschlungen, ihre Hände verschwanden in den Ärmeln des grauen Kapuzenpullis, den sie zu einer unförmigen Hose trug. Ihre alltägliche Aufmachung.

Depressiv war sein Gedanke, und er wunderte sich, wieso es ihm nicht schon längst aufgefallen war.

„Du solltest öfter mal ausgehen“, schlug er ihr vor.

„Ich weiß. Ich hab’ dir ja schon versprochen, das nächste Mal …“

„Nicht meinetwegen. Für dich. Du siehst aus wie ein Maulwurf.“

„Ich gehe raus.“

„Na klar.“ Er zog skeptisch die Augenbrauen hoch. „Was du brauchst, ist Licht.“

„Im Frühling wieder. Jetzt ist Dezember.“

Das war noch so eine Sache. „Wirklich?“ Ty sah sich um. „Wo denn?“

„Wie – wo denn?“

„Na ja, nach Weihnachtsstimmung sieht das hier nicht gerade aus. Dort drüben haben wir Erkerfenster über zwei Stockwerke – ohne Weihnachtsschmuck.“

„Ich mag es eher schmucklos.“

„Schmucklos kannst du es elf Monate im Jahr haben, aber hier gehört ein Baum hin. Wo ist dein Baum?“

„Der wächst noch.“

Sie war tatsächlich depressiv. Das hätte ihm viel früher auffallen müssen. „Warum schmückst du das Haus nicht?“

„Weil ich den Schmuck wieder abnehmen und wegräumen müsste.“

Aus ihrer Stimme klang übertriebene Geduld.

„Ah ja.“

Plötzlich glaubte Marlie zu verstehen. „Ach so, ihr beide, du und Axelle, wollt für Weihnachten schmücken.“ Sie knuffte ihn in die Seite. „Bitte sehr. Tobt euch ruhig aus.“

Ty überlegte. Ein Date zum Schmücken des Baums war gar keine schlechte Idee. Heiße Schokolade mit einem Schuss Kahlúa, ein Feuer im Kamin, Weihnachtsjazz, vielleicht ein paar von diesen Zimtkerzen …

Er vertiefte sich so sehr in die Vorstellung, dass er fast nicht mitbekommen hätte, wie Marlie sich umdrehte und die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer ging.

„Hey.“

Sie blieb stehen und sah zu ihm herunter. In ihren Augen lag keine Neugierde, ihr Blick war völlig ausdruckslos. Er hatte nie viel Zeit darauf verwendet, Marlie Waters anzusehen. Zu vertraut war ihm ihr Anblick.

Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass es ihr vielleicht auch nicht gefallen hatte, in den Ferien auf ihn angewiesen zu sein. So wie er seit mehreren Monaten auf sie angewiesen war.

Dies war ihr Haus, das er ganz selbstverständlich bewohnte. Als er nach Houston versetzt worden war, hatten seine und Marlies Mutter eingefädelt, dass er bei ihr einzog. War ihr das wirklich recht gewesen? Machte seine Anwesenheit sie depressiv?

Er sah zu ihr hoch und überlegte, ob ihre Miene schon immer so ausdruckslos war.

„Ich bin dir dankbar, dass ich bei dir wohnen kann. Ich weiß, dass ich schon viel länger hier bin als geplant.“ Er suchte in ihrem Gesicht nach einem Hinweis auf ihre Gedanken.

„Schon in Ordnung. Wenn du nicht mein Mitbewohner wärst, müsste ich mir einen anderen suchen.“ Sie ging eine Stufe nach oben und fügte hinzu: „Aber wenn du dich unwohl fühlst, musst du dich nicht gezwungen fühlen, hier zu wohnen.“

Sie schien es ernst zu meinen.

„Ich will aber hier wohnen“, versicherte Ty. „Das Haus hat eine tolle Lage; eine bessere als meins, sollte es denn jemals fertig werden.“

„Deshalb habe ich es auch gekauft. Das ist mein Traumhaus. Ich habe alles selbst ausgesucht, die Farben, die Böden, die Arbeitsflächen in der Küche, den Marmor für den Kamin und die Badausstattung.“ Marlie hob die Stimme. „Ich musste mir über tausend Türknäufe ansehen, bis ich die richtigen gefunden habe.“

„Und sie sind perfekt.“ Er hatte nie darauf geachtet.

Sie legte eine Hand auf das Geländer. „Siehst du das Ahornholz? Das habe ich ausgesucht.“ Sie strich langsam darüber.

„Wunderschön.“ Warum habe ich sie nicht einfach gehen lassen?

Marlie nickte träumerisch. „Der Tischler dachte, ich merke es nicht, wenn er Eiche nimmt, aber ich habe es gemerkt – und sie mussten unser gesamtes Geländer noch einmal anfertigen.“ Sie hielt inne. „Mein Geländer“, verbesserte sie sich mit leiser Stimme.

Oh nein! Die geplatzte Verlobung. Nein, nein, nein! Nicht weiterreden! Sie hatten nie darüber gesprochen, und es hatte auch kein Grund dafür bestanden. Sollte er das Thema ansprechen, müsste er Tränen und wer weiß was noch über sich ergehen lassen. Marlie war plötzlich blasser und schien irgendwie kleiner geworden zu sein.

Sag einfach Gute Nacht. Jetzt kannst du noch abhauen!

Sie hielt sich krampfhaft am Geländer fest.

Ty stöhnte innerlich auf. Was soll’s, die Nacht ist sowieso schon im Eimer. Er konnte sich genauso gut wie ein Mann verhalten und ihr für ein paar Minuten seine starke Schulter anbieten. „Meine Mutter hat mir erzählt, dass du verlobt warst, aber sie wusste nicht, was dann passiert ist.“

„Das liegt daran, dass meine Mutter nicht weiß, was passiert ist. Sie konnte es deiner nicht weitererzählen.“ Ihre Unterlippe zitterte. „Nicht einmal ich weiß, was eigentlich passiert ist.“

Nun musste er sich die komplette Geschichte anhören.

2. KAPITEL

„In der einen Minute unterhielten wir uns noch über den Makler, der uns das Haus verkauft hat, und in der nächsten sagte Eric, er könne nicht mehr. Ich dachte, er meinte, er hätte keine Zeit, auf den Mann zu warten.“

Eric ist also der Ex, vermutete Ty. Er schüttelte seine Bierflasche. Sie war leer.

„Er meinte einfach alles, das Haus, den Job, die Hochzeit. Das alles setzte ihn unter Druck. Aber warum?“ Sie tippte sich auf die Brust. „Ich war diejenige, die sich um alles gekümmert hat. Er musste nur ab und zu mal vorbeischauen!“

„Gerade das war wohl das Problem“, warf Ty ein. „Vielleicht hat er sich ausgeschlossen gefühlt.“

Statt zu antworten, lief Marlie die Treppe hoch.

Verflucht. Das war erst der Anfang. Nicht einmal mit ihrer Mutter hatte sie bisher darüber gesprochen. Offenbar ließ sie zum ersten Mal überhaupt alles heraus, das würde wahrscheinlich ewig dauern.

Ty folgte ihr langsam nach oben. „Marlie …“, mehr brachte er nicht heraus.

In ihrem Schlafzimmer war er noch nie gewesen. Der Anblick ihres Betts traf ihn deshalb wie ein Blitz. Zuerst erkannte er es nicht einmal als Bett. Es handelte sich um einen weißen Kubus mit abgerundeten Ecken, der an den beiden Längsseiten offen war. Die Wände im Inneren waren grafitgrau. Beim genaueren Hinsehen erkannte er kleine Leuchten, Lautsprecher und ein Bedienfeld am Kopfende. An der Decke befand sich ein Beamer. Der dazugehörige Bildschirm erstreckte sich über die gesamte Fußseite.

Ty war fassungslos. „Ist das … ist das …?“

„Das europäische Medienbett, das in jedem Magazin war? Nicht ganz.“ Marlie trat neben ihn. „Die Tischler, die an der Renovierung beteiligt waren, haben es für mich nachgebaut, und dafür habe ich ihnen eine Website eingerichtet.“

Sie klingt schon viel ruhiger, dachte er. Sein Interesse an dem außergewöhnlichen Bett schien eine gute Ablenkung zu sein. „Wow.“ Dass Marlie der Typ für so ein Hightech-Bett war, hätte er nie gedacht. Plötzlich erschien sie ihm um einiges interessanter. Ihr Ex musste ein kompletter Idiot sein.

„Der Fernseher geht so an.“ Marlie drückte auf einen Knopf des Bedienfelds, woraufhin auf seiner Seite ein weiteres Steuerungselement ausgefahren wurde.

„Man kann es von beiden Seiten aus bedienen?“, rief er begeistert.

Sie nickte. „Probier es ruhig aus.“

Ty kletterte in Marlies Bett und streckte sich aus. „Wirklich bequem.“ Ihm fielen etliche Dinge ein, die darin Spaß machen würden.

Marlie griff zur Fernbedienung. Vorhänge schlossen sich an den Seiten, und er war plötzlich von anheimelnder Dunkelheit eingehüllt. Auf dem Bildschirm erschien das blaue Wasser eines Ozeans. Das Brausen der Wellen und Knattern von Segeln im Wind hörte sich unglaublich echt an. Entspannt verlor er sich in der Szene auf dem Monitor, bis das Bild plötzlich zu schwanken begann.

Marlie lachte. „Na, seekrank geworden?“ Die Vorhänge glitten zurück, und sie blickte grinsend auf ihn herunter.

Lächelnd war Marlie viel besser zu ertragen. Sie sollte viel öfter lächeln, schoss es ihm durch den Kopf, dann würde sie im Handumdrehen einen Freund finden. „Wenn das mein Bett wäre, würde ich nie mehr aufstehen.“

„Es war mein Hochzeitsgeschenk für Eric“, sagte sie mit tonloser Stimme.

Dieser Eric ging ihm langsam ziemlich auf die Nerven. „Ist der bescheuert? Das ist das tollste Bett der Welt, wie konnte er das denn ausschlagen?“ Zu spät erkannte er, wie sich das anhörte. „Ich meine, wie konnte er dich nur verlassen?“ Ihre Miene blieb unverändert. „Also, was ich eigentlich sagen wollte … eine Frau, die einem Typen so ein Bett schenkt, sollte nicht verlassen werden.“ Etwas Besseres brachte er nicht heraus.

„Versuchst du, mich zu trösten?“

„Ja, aber ich fürchte, ich bin ein lausiger Tröster.“

„Stimmt, aber es ist irgendwie süß.“

„Solange es dich davon abhält, dich einen Abgrund hinunterzustürzen …“

Sie verdrehte die Augen.

„Was ist denn da nun wirklich gelaufen?“ Er konnte sich nicht vorstellen, warum Marlies Verlobung geplatzt war. Sie war eine bodenständige Person, keine Zicke, sondern verlässlich und anständig. Die perfekte Ehefrau. Mit einer solchen Frau spielte man keine Spielchen.

Ty beobachtete ihr vertrautes Gesicht. Sie blickte ihm verwirrend direkt in die Augen, und er dachte, er könnte sie nie belügen, ihre Augen würden die Wahrheit immer erkennen. „Ich kann verstehen, wenn du denkst, dass ich mich für dein Leben nicht interessiere, aber das stimmt nicht. Ich möchte wirklich gerne wissen, wie er es geschafft hat, dich in eine Eremitin zu verwandeln, die nie rausgeht und die keine Freunde hat.“

„Meine Freunde habe ich in Seattle zurückgelassen, als ich meinen Job gekündigt habe und Eric nach Houston gefolgt bin.“

„Such dir neue Freunde.“

Sie starrte ihn vorwurfsvoll an. „Du willst doch nur die Wohnung für dich, damit du mit Axelle allein sein kannst.“

Erwischt. „Das war direkt.“

„Aber ich habe recht.“

„Wenn deine Rückkehr ins Leben für mich auch irgendeinen Vorteil bringt, beschwere ich mich nicht.“

Marlie schnitt eine Grimasse. „Typisch du.“

„Und ewig einem Typen hinterherzurennen, das bist typisch du.“ Er schlug sich an die Stirn. „Vergiss, was ich gesagt habe.“

„Wir waren verlobt!“, verteidigte Marlie sich.

„Das war daneben, tut mir leid.“

„Und dass du hier wohnst, wollten unsere Eltern.“

„Ich weiß. Entschuldige, können wir das eben einfach vergessen?“

Marlie warf ihm einen finsteren Blick zu.

„Na komm, Schwamm drüber.“

„Mit Mitleid hast du es nicht gerade.“

„Hättest du lieber, dass ich dir tausendmal sage, wie leid du mir tust? Oder willst du aus männlicher Perspektive hören, was deinem Ex durch den Kopf ging?“ Er hatte bereits eine Theorie.

„Das ist mir egal. Ich will wissen, was passiert ist, nachdem er mich morgens zum Abschied geküsst hat und bevor er mittags aus meinem Leben verschwunden ist.“

„Hast du ihn gefragt?“

„Ich war so schockiert, dass ich keinen Ton gesagt habe.“ Marlie setzte sich und zog die Beine auf die Matratze. „Das Bett sollte eine Überraschung sein. Ich hatte es so eingerichtet, dass die Handwerker es aufbauen, während wir beim Makler waren. Ich wollte, dass wir zurückkommen und es einweihen.“

Ein Bild von Marlie und ihrem Ex drängte sich in seine Vorstellung. „Stopp! So genau will ich das gar nicht wissen!“

Sie machte ein trotziges Gesicht. „Ich sage das nur, damit du verstehst, dass ich absolut ahnungslos war. Am Morgen war noch alles gut, und mittags meinte er, er würde sich festgenagelt fühlen und weder seinen Job noch Houston mögen. Mich mochte er offenbar auch nicht mehr.“

„Das hat er gesagt?“

„Er hat die Hochzeit platzen lassen. Das sagt doch alles.“

„Wollte er den Ring zurück?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Also hat er dich nicht wegen einer anderen Frau verlassen.“

„Woher willst du das wissen?“

„Er hätte den Ring zurückgefordert, um ihn zu verkaufen oder den Stein neu einfassen zu lassen.“

Sie dachte einen Moment lang nach. „Soll ich mich jetzt besser fühlen?“

„Also, ich fühle mich besser. Jetzt weiß ich, dass wir es hier mit Zurückweisung zu tun haben, nicht mit Betrug. Wäre da eine andere Frau gewesen, dann hättest du dir die Schuld für alles gegeben. Du hättest dir vorgeworfen, nicht schön oder schlank genug zu sein. Und dann hättest du versucht, es zu werden. Den nächsten Typen in deinem Leben hättest du dann dafür bestraft, dass er auf dein ‚neues Ich‘ abfährt. Denn natürlich hätte er hinter deinem neuen Ich dein wahres Ich erkennen müssen, aber davon hätte er keine Ahnung. Du wirfst ihm deshalb vor, oberflächlich zu sein, und machst Schluss, aber nicht, bevor er dich schön oft in teure Restaurants eingeladen hat.“

„Kennst du jemanden, dem das schon mal passiert ist?“ Ty sprach so offensichtlich aus Erfahrung, dass Marlie sich das Lachen verkneifen musste. „Hoffentlich war sie wenigstens gut im Bett.“

Er blickte sie kläglich an. „Ging so.“

„Du Armer.“ Sie kicherte. Zum ersten Mal spürte sie weder Schmerz noch Wut bei dem Gedanken an Eric.

„Bitte lach ruhig. Immerhin weißt du jetzt, dass Erics Probleme nichts mit dir zu tun hatten.“ Er lehnte sich im Bett zurück. „Wie ging es dann weiter?“

„Er sagte, ich soll seine Hälfte der Anzahlung auf das Haus behalten und dafür die Kautionen übernehmen, die bei der Absage der Hochzeit fällig würden.“ Sofort stieg wieder Wut in ihr hoch. „Als ob das dafür gereicht hätte. Bis zur Hochzeit waren es nur noch zwei Monate. Die Einladungen waren zwar noch nicht verschickt, aber gedruckt. Mein Kleid war fertig. Die Kleider der Brautjungfern konnte ich nicht zurückgeben, und meine Freundinnen wollten sie natürlich nicht bezahlen. Alle hatten ihre Flugtickets schon gebucht …“

„Nicht abschweifen“, unterbrach Ty sie. „Was hat er sonst noch gesagt?“

„Ich habe ihn nie wiedergesehen. Keine SMS, keine Mail, nichts.“

„Du machst Witze.“ Ty starrte sie an.

„Nein“, flüsterte sie. Diesen Punkt konnte sie am allerwenigsten akzeptieren.

„Was für ein Idiot. Und seine Sachen?“

„Er muss noch mal im Haus gewesen sein, als ich schon auf dem Weg zu unserem Termin beim Makler war.“

„Der Feigling hatte alles im Voraus geplant.“

Ty war ehrlich erbost, das fühlte sich gut an. „Ich dachte, er würde nach ein paar Stunden schon wieder vernünftig werden. Auf jeden Fall musste ich den Termin beim Makler wahrnehmen. Wir mussten ja unsere Wohnung räumen, der Umzugswagen war bereits beladen. Da ich nicht wusste, wohin, habe ich das Haus gekauft, das unser Zuhause werden sollte.“ Sie holte tief Luft.

„Ich hätte das Gleiche getan.“ Ty streckte sich.

Marlie musste unwillkürlich lächeln. Ty sah gut aus und wirkte, als gehöre er in dieses Bett. Es wäre schön, beim Fernsehen den Kopf an seine breiten Schultern zu lehnen.

Marlie hatte noch weitere dieser angenehmen Gedanken, bis ihre Vernunft ihr sagte, dass es sich hier um Tyler Burton handelte.

Das ist nur, weil er in deinem Schlafzimmer ist und weil er ein Mann ist, sagte sie sich. Du willst nicht Tyler Burton, du willst einfach einen Mann.

„Wann hast du gemerkt, dass er nicht wiederkommen wird?“

„Nach ein paar Tagen. Er ging nicht an sein Handy, und in seiner Firma hieß es, er hätte gekündigt und einen Job in Übersee angenommen. In Übersee! Er musste sogar auf einen anderen Kontinent vor mir fliehen!“

Ty sah sie streng an. „Kein Drama bitte.“

Seine nüchterne Art war zwar nicht gerade charmant, aber immerhin konnte sie so weitersprechen, ohne zu weinen. „Ich verstehe einfach nicht, wieso ich nicht gemerkt habe, dass etwas nicht stimmt.“

„Hör mir mal zu.“ Er lehnte sich zu ihr und blickte ihr direkt in die Augen. „Es gab garantiert keine Anzeichen, dafür hat er schon gesorgt, damit du ihn hasst.“

Marlie wusste, dass er ihr die ungeschminkte Wahrheit sagte. „Aber warum, Ty?“ Diese Frage hatte sie sich schon viel zu oft gestellt.

„Damit du ihn nicht zurück willst. So hat er einen sauberen Schnitt gemacht und ihr beide konntet weiterleben. Das hat er lange geplant. Von eurer Beziehung hatte er sich schon längst verabschiedet.“

Die ungeschminkte Wahrheit tat ziemlich weh. „Du meinst, er hat mich gar nicht mehr geliebt?“

Ty nickte.

„Aber er … wir hatten doch …“

„Er hat es eben nicht gezeigt.“

„Dann hat er es in der Nacht davor gleich zwei Mal nicht gezeigt?“

„Er war gründlich“, sagte Ty unerbittlich.

Bilder ihrer letzten gemeinsamen Nacht schossen ihr durch den Kopf. „Wir haben in dieser Nacht über unsere Zukunft gesprochen, darüber, Kinder zu haben.“ Sie musste schlucken. „Mir ist schlecht.“

„Wenn du hier noch eine Bettpfanne hättest, wäre das kein Problem.“

„Du bist unglaublich. Wie kannst du nur so etwas sagen? Wo ist denn dein Mitgefühl?“

„Ist dir immer noch schlecht?“

„Nein, dazu bin ich zu sauer auf dich. Oh. Du hast mich absichtlich wütend gemacht. Wahrscheinlich hältst du dich jetzt für verdammt schlau.“

„Ja, ich bin gut, was?“

Eigentlich sollte sie sauer auf ihn sein, aber sie war es nicht. Ty war sehr direkt, sie ärgerte sich oft über ihn, aber er war hier bei ihr und war immer ehrlich zu ihr gewesen.

„Pass auf“, sagte er. „So ist es mit Eric weitergegangen. Er hat einen Job irgendwo in Übersee angenommen, der nur für alleinstehende Männer infrage kommt.“

„Warum muss er alleinstehend sein?“

„Das ist oft so im Ölgeschäft. Manche Firmen stellen nur unverheiratete Männer ein. So werden keine Familien auseinandergerissen. Mit diesen Jobs verdient man wie blöd. Ich habe solche Jungs gesehen, wie sie nach einem Einsatz zurückkamen. Sie machen Party und verprassen haufenweise Geld. Sie fahren in schicken Autos mit aufgemotzten Tussis herum. Nach so einem Leben sehnt man sich, wenn man in einem kleinen Büro sitzt, wenig verdient und auch noch eine Frau und eine Hypothek am Hals hat.“

„Aber er hat mir den Antrag gemacht“, rief Marlie aus. „Er wollte, dass ich meinen Job kündige und durch das halbe Land zu ihm ziehe.“

Ty nickte. „Das ergibt alles Sinn.“

„Der entzieht sich mir.“

„Nehmen wir an, ich bin Eric.“ Ty machte eine Pause und sah sie an. „Alle Typen ziehen abends um die Häuser, nur ich kann nicht mit, weil ich mit Marlie Hochzeitstorten probieren muss.“

„Ich habe geglaubt, das mit den Torten macht dir Spaß. Du magst Torte.“

„Hier geht’s nicht um Kleinigkeiten.“ In seinem Blick lag Ungeduld. „Ich zeige dir nur, was in ihm vorging. Während du mit den Hochzeitsvorbereitungen voll beschäftigt warst, hat er nur gesehen, wie ihm ein wirklich tolles Leben durch die Lappen ging. Die anderen Typen hatten Geld, sie waren frei und trugen keine Verantwortung. Und was hätte er? Kinder und eine Riesenhypothek.“

„Er hätte mich“, flüsterte Marlie.

„Aber du wärst nicht du – du wärst Mutter.“

„Ja, aber die Mutter seiner Kinder!“

Ty hob abwehrend die Hände. „Ich sage dir nur, wie Männer ticken.“

„Denken alle Männer so?“

„Nein, nicht alle.“

„Denkst du so?“

Er überlegte einen Moment. „Ich bin irgendwo in der Mitte. Ich kaufe ein Haus, bin aber definitiv nicht bereit für Frau und Kinder.“ Er warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. „Er war auch noch nicht bereit, Marlie. Du musst einfach einen finden, der bereit ist.“

Das hatte sie von Eric allerdings angenommen. „Warum hat er mir das alles nicht einfach gesagt?“

„Er fühlte sich schuldig, weil du für ihn so weit von allem weggezogen bist.“

„Ich hätte auf ihn gewartet.“

„Das wusste er.“ Ty schüttelte den Kopf. „Ich sag’s nicht gerne, aber der Typ hat absolut richtig gehandelt. Er hat nur nicht damit gerechnet, dass du deswegen so lange durchhängen würdest.“ Er schwang die Beine über die Bettkante. „Das Bett ist wirklich klasse.“ Noch einmal ließ er den Blick über die Innenausstattung gleiten. „Zu schade, dass du es nicht behalten kannst.“

3. KAPITEL

„Was? Warum?“ Marlie war irritiert.

„Weil es dich für immer an ihn erinnern wird.“

Er hatte recht, das war ihr klar.

„Du kannst dieses Bett nicht genießen. Außerdem schläfst du doch meistens auf dem Sofa im Büro.“

Das wusste er? Hatte er etwa nach ihr gesehen, während sie schlief? Bei diesem Gedanken stockte ihr der Atem. „Ich arbeite eben lange.“

„Weil du das Bett meidest. Hör endlich auf, dich für etwas zu bestrafen, wofür du keine Schuld trägst. Schmeiß es raus.“

„Das kann ich mir nicht leisten.“

„Verkauf es.“

Ty würde nicht lockerlassen, bis sie zustimmte, das sah sie ihm deutlich an.

„Ich kaufe es. Problem gelöst.“

Er wirkte ziemlich zufrieden mit sich, doch Marlie war sich nicht sicher, ob sie schon bereit war, Axelle und Ty ihr Hochzeitsgeschenk an Eric für ihre Liebesspiele zu überlassen. „Wenn ich es verkaufe, haben die Tischler Vorkaufsrecht. Ich erkundige mich, ob sie noch interessiert sind.“

„Mach das. Aber das hättest du mir ruhig sagen können, bevor ich mich in das Ding verknallt habe. Ich hatte große Pläne damit.“

„Ich auch.“

Ty seufzte. „Wenn die Handwerker es wollen, sollen sie es gleich abholen. Und dann gehst du sofort los und kaufst ein neues Bett. Du brauchst eins, das zu dir passt.“ Er strich über den Bettrahmen. „Das hier hat nie zu dir gepasst.“

Marlie fragte sich, wieso er das annahm. „Was für ein Bett passt denn zu mir?“

„Ungebleichte Baumwolle, eine dicke Daunendecke, weiche Kissen“, sagte er, ohne nachzudenken. „Strandfarben, keine Muster, weil deine Augen Ruhe brauchen. Vielleicht ein Himmelbett, aber nichts Wuchtiges.“

Eigentlich hatte sie aus seinem Mund so etwas wie „blau“ oder „traditionell“ erwartet.

Er war voll in Fahrt: „Außerdem musst du eine gute Matratze haben, damit dein Rücken entlastet wird, weil du den ganzen Tag sitzt. Nicht zu viele Steckdosen in der Nähe. Vielleicht ein Fernseher, aber wahrscheinlich eher nicht. Du brauchst eine elektronikfreie Zone.“

„Okay.“ Marlie war perplex. Es faszinierte sie, dass Ty ihr perfektes Schlafzimmer beschrieben hatte.

„Es ist spät. Versuch zu schlafen.“

Er streckte sich und gähnte. Sein Hemd spannte über der Brust, und Marlie musste unwillkürlich an seinen muskulösen Oberkörper denken. „Danke“, sagte sie, während sie aufstand. „Und entschuldige noch mal, dass ich dein Date mit Axelle ruiniert habe.“

„Willst du es wiedergutmachen?“

„Ja.“

„Besorg einen Weihnachtsbaum.“

Das war nicht das, worauf sie gehofft hatte.

„Das kriege ich hin.“ Sie hatte eines dieser kleinen, schon geschmückten Bäumchen im Sinn. So eins konnte sie online bestellen.

„Ich weiß, woran du gerade denkst, aber ich rede hier von einem großen Baum für das Erkerfenster.“

„Also bitte.“

Er ging Richtung Tür. „Das sind meine Bedingungen.“

„Und wenn nicht?“

Boshaft grinsend blieb er auf der Schwelle stehen. „Wenn nicht, rufe ich deine Mutter an und sage ihr, dass ich mir Sorgen um dich mache.“

Marlie schnappte nach Luft. „Das ist gemein, Ty.“

Und ich erzähle ihr außerdem, dass du nicht über deine geplatzte Verlobung hinweggekommen und total deprimiert bist – was auch stimmen könnte.“

„Es stimmt nicht.“

„Überzeuge mich. Kauf einen Baum.“

„Okay! Ich kaufe einen Baum. Ist einer mit integrierten Lämpchen in Ordnung?“

„Integrierte Lämpchen?“

Ty sah aus, als hätte sie vorgeschlagen, eins der Rentiere des Weihnachtsmannes zu schlachten.

„Redest du von einem künstlichen Baum?“

„Ja, klar.“

Er starrte sie nur an.

„Mein Haus, mein Baum. Wehe, du rufst meine Mutter an.“

„Gut, ich rufe nicht deine Mutter an, ich rufe meine Mutter an. Und du weißt, wenn deine Mutter es von meiner Mutter hört, ist es zehnmal schlimmer.“

Marlie war entsetzt. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie ihre Eltern ihre Reise stornierten und stattdessen auf ihrer Schwelle standen, um sie zu trösten. „Du hast gewonnen. Ich kaufe einen Baum. Einen großen, nadelnden Tannenbaum.“

Als Tyler am nächsten Abend nach Hause kam, waren vier Männer gerade dabei, das Bettgestell auseinanderzunehmen und nach unten zu tragen. Er trat zur Seite, um sie vorbeizulassen. Marlie saß in ihrem Büro. Dafür, dass gerade ihr Schrein, das Mahnmal für eine gescheiterte Liebe, abgeholt wurde, schien sie verhältnismäßig gut drauf zu sein.

Er lehnte sich an den Türrahmen, und Marlie zog die Augenbrauen hoch.

„Was gibt’s?“

Sie sah genauso aus wie immer, vielleicht etwas neugieriger. Normalerweise unterbrach er sie nicht bei ihrer Arbeit, wenn er nach Hause kam. Er deutete hinter sich. „Sieht so aus, als wollen die Tischler das Bett …“

„Ja. Sie konnten gar nicht schnell genug hier sein. Ich glaube, sie haben selbst noch nicht entschieden, wer von ihnen es nun haben darf.“

„Hast du schon ein neues?“

„Dazu war noch keine Zeit.“ Sie deutete auf den prächtigen Blumenstrauß, der auf ihrem Schreibtisch stand. „Den hat deine Freundin mir geschickt.“

Ty lächelte. „Sie ist wirklich klasse.“ Axelles impulsive Großzügigkeit war eine der Eigenschaften, die ihm an ihr gefielen. Er fand auch beeindruckend, wie sie es geschafft hatte, die Leitung der Benefiz-Versteigerung am kommenden Freitag während der Midtown Business Mentors Charity Auction zu bekommen. Er hatte sofort angeboten, ihr zu helfen, und Marlie hatte sich bereit erklärt, die Website dafür zu gestalten. Zu Axelle konnte man einfach schlecht Nein sagen.

„Ich habe eine der teuren Dankeskarten verwendet, die ich für meine Hochzeit bestellt hatte, und mich für die ‚Aufheiterung‘ bedankt. Ich frage mich, wieso sie annimmt, dass ich eine Aufheiterung brauche.“

„Macht es dir etwas aus, dass ich ihr das von deinem miesen Verlobten erzählt habe? Du musst dich deswegen nicht schämen.“

„Ich schäme mich eher, weil ich bei euch reingeplatzt bin und Axelle halb nackt gesehen habe.“

„Du hast gesagt, deine Augen wären zu gewesen.“

„Das waren sie – nachdem ich euch beide gesehen habe.“

Ty holte tief Luft. „Ich hätte ihr Blumen schicken sollen.“

„Da hast du aber Glück. Zufälligerweise habe ich welche hier.“

„Behalte du die mal.“

„Ich habe das Gefühl, ich schulde ihr was.“

„Mach einfach eine gute Website für die Benefiz-Veranstaltung.“

Marlie nickte Richtung Monitor. „Es sind schon doppelt so viele Spenden eingegangen, wie Axelle erwartet hat. Bei jeder muss ich ein Bild, eine Beschreibung und einen Link zu der Firma oder der Person, die gespendet hat, hinzufügen. Die Versteigerung wird live im Netz zu sehen sein, daher muss ich am Freitagabend auch Onlinegebote annehmen. Dieses Programm einzurichten dauert länger, als ich dachte.“

Ty warf einen Blick auf den Bildschirm. „Es ist immerhin für einen guten … Was zur Hölle ist das denn?“

„Das“, sagte Marlie, „ist der Grund, weshalb mich die Extraarbeit nicht stört.“

Ein Mann mit freiem Oberkörper, der Hosenträger und einen Feuerwehrhelm trug, grinste ihn vom Monitor an. „Was spendet der denn?“

„Ein Date.“

„Muss er so aussehen, als würde er für einen Kalender posieren?“

„Oh ja, das muss er.“ Sie lächelte.

Ty hob die Augenbrauen.

Marlie tippte eine Bildunterschrift unter das Foto und murmelte: „Das ist Mr Tannenbaum, der hat bestimmt einen ordentlichen Stamm.“

„Äh, Marlie?“

„Hm?“

Auf dem Bildschirm erschien ein weiterer Mann. Er trug mehr Kleidung als der erste, aber sein Lächeln versprach, dass er sie nicht lange anbehalten würde.

„Und mit dir würde ich jederzeit losfliegen.“ Marlie tippte die Worte: Mr Himmelszelt.

„Was machst du denn da?“

„Das ist das Zehn-Weihnachstmänner-Date-Spektakel.“

„Ist das legal?“

„Axelle hat zehn Männer gefunden, die die Siegerin jeweils auf ein Date ausführen.“ Sie lachte und tippte weiter, während sie sprach.

„Mich hat sie nicht gefragt.“ Es hätte ihn interessiert, woher Axelle diese Typen kannte.

„Wahrscheinlich hat sie Angst, du könntest die anderen Männer blamieren, weil alle Frauen wie verrückt für dich bieten würden.“

Das klingt nicht schlecht, fand Ty. Er stellte sich Horden von Frauen vor, die ihre Konten plünderten und ihre Gebote so schnell schrien, dass der Auktionator nicht mehr mitkam. Dann bemerkte er, wie Marlie ihn mit wissendem Blick ansah. Schnell deutete er mit dem Kinn zum Monitor. „Was glaubt Axelle, wie viel die Frauen für die Dates zahlen werden?“

„Keine Ahnung. Das Mindestgebot liegt bei fünfhundert Dollar für zehn Dates.“

„Fünfzig Dollar pro Date? Das ist ja ein Schnäppchen! Dafür kann man sonst gerade mal ins Kino gehen und Popcorn, was zu trinken und ein bisschen Schokolade kaufen.“

„Ich habe den Startpreis nicht festgelegt. Er ist so niedrig, weil man nur das gesamte Paket bekommen kann“, erklärte Marlie. „Axelle hat gesagt, einige der Jungs hätten Angst, dass niemand für sie bietet. Sie haben sich nur unter dieser Bedingung einverstanden erklärt mitzumachen. Sie wird die Bieterinnen dazu auffordern, sich zu Gruppen zusammenzutun und dann die Dates unter sich aufzuteilen.“

Er nickte. „Gute Idee, das hilft, falls eine zu schüchtern ist. Und jetzt her mit den Mädels!“

Marlie drehte sich langsam um und sah zu ihm hoch.

„Ich meine“, Ty räusperte sich, „kann man auch für Dates mit Frauen bieten?“

„Nein.“ Sie tippte weiter, wobei sie breit grinste. „Ooooh! Mr Weihnachtsengel. Der hat garantiert himmlische Qualitäten.“

Ty starrte ungläubig auf das Foto. „Das ist Axelles Bruder!“

„Das ist also Paul.“ Marlie zoomte das Bild näher heran. „Hmm.“

Sie ließ den Cursor über Pauls Lippen gleiten und vergrößerte das Bild weiter, bis nur noch sein Mund und ein Teil seines Kinns mit der tiefen Kerbe den Bildschirm füllten.

Ty fragte sich, wie man so eine tiefe Kinnspalte rasieren konnte. Marlies träumerischem Blick nach zu urteilen, dachte sie an ganz andere Dinge.

Sie wird doch nicht ausflippen, jetzt, da ich ihr geholfen habe, über Eric hinwegzukommen? Er hatte gehofft, sie würde sich zu etwas entschließen, das irgendwo zwischen Nonne und Nymphomanin lag. Marlie hatte inzwischen ein neues Foto angeklickt.

„Hallo, Mr Sternsinger. Du kannst mir jederzeit was singen.“

Ihre Stimme ähnelte einem verführerischen Schnurren. Beim nächsten Kandidaten, Mr Weihnachtszauber, wurde es nicht besser.

„Ein Turner.“ Sie seufzte.

Das Foto war während eines Wettkampfes aufgenommen worden. Die Armmuskeln des Mannes waren beachtlich.

„Sieh dir nur seine Figur an. Sicher ist er wahnsinnig gelenkig.“

Ty wartete einen Moment. „Wolltest du nicht sagen, der kann mir sicher einen Ring umlegen oder so was in der Art?“

„Du meinst, einen goldenen?“ Sie winkte ab. „Ich hatte eher an seine Fähigkeiten an der Stange gedacht … Reck, meine ich natürlich …“

„Was soll das denn bedeuten?“

Ein anzügliches Lächeln zeigte sich um ihre Lippen, während sie tippte. Ty fühlte sich merkwürdig überfordert. „Und die hat alle Axelle aufgetrieben?“ Er merkte selbst, dass seine Stimme höher als sonst klang.

„Ja. Toll, nicht?“

Genervt verzog er das Gesicht. „Hätte sie nicht Männer mit Hobbys finden können, bei denen man angezogen sein muss?“

„Du meinst so was wie eine Sportuniform?“

„Ja.“ Er dachte an Baseball. „Genau.“

Marlie klickte auf das nächste Bild. „Ich präsentiere: Mr Karpfen blau.“ Sie riss in gespielter Unschuld die Augen auf und blickte zu ihm hoch. „Das ist seine vorgeschriebene Wettkampfkleidung.“

Badehosen. Ty schluckte. Badehosen so eng anliegend wie Haifischhaut, und das an Männerkörpern, die kein Gramm Fett aufwiesen. Oder Schamgefühl.

„Das ganze Schwimmteam?“

„Nein“, sagte Marlie mit Bedauern in der Stimme. „Nur er.“

Sie zoomte den Kandidaten heran. Vergrößerung hatte er eigentlich nicht nötig, zeigte die Badehose doch alles nur zu gut.

„Aber er ist mehr als genug, findest du nicht?“

„Und ob.“ Welcher von denen hat denn Angst, dass niemand für ihn bieten könnte? Ty hatte ein gesundes Selbstbewusstsein, beim Anblick dieser Jungs entschied er jedoch spontan, von nun an morgens einen Kilometer mehr zu laufen.

„Er ist Meister in Brust und Kraulen. Das sollte ich in der Bildunterschrift erwähnen.“

„Marlie.“ Tyler begann zu schwitzen. Diese Seite von ihr hatte er bisher noch nie erlebt, und er wünschte, sie hätte sie für sich behalten.

„Was denn?“ Sie war bereits mit dem nächsten Kandidaten beschäftigt.

„Das klingt alles so … versaut.“

„Versaut?“

Sie schaute ihn an wie die Unschuld vom Lande.

„Tyler, diese Männer sammeln Geld für einen guten Zweck. Was bitte ist daran versaut? Außerdem mache ich mir hier unglaublich viel Mühe. Von dir dagegen kam noch gar nichts. Willst du die Spendenaktion nicht unterstützen?“

„Ich habe dich gespendet.“

„Wie bitte?“

Er deutete auf den Computer. „Für die Website.“

Marlie kniff leicht die Augen zusammen. „Du meinst, ich mache die Arbeit, und du erntest die Anerkennung?“

„Ich komme für die Kosten der Seite auf und für dein Honorar.“

„Oh.“ Sie wandte sich wieder dem Bildschirm zu. „Ich würde dir gern sagen, dass du mein Honorar vergessen kannst, aber leider brauche ich das Geld.“

„Kein Problem. Du hast ja jede Menge Arbeit investiert, und es war gar nicht dein Anliegen.“ Oder seins, aber das war hier nicht wichtig. „Ich finde, du solltest was machen, das du nur für dich tust. Zum Beispiel irgendein Ehrenamt. Da kämest du mit vielen Leuten in Kontakt.“ Er sagte Leute, doch er meinte Männer.

„Ich arbeite gerade für die Allgemeinheit.“ Sie retuschierte etwas am Kehlkopf des Schwimmers. „Und ich komme so was von in Kontakt.“ Mit wenigen Klicks zoomte sie den Kopf des Mannes heran und entfernte die roten Ringe, die die Schwimmbrille um seine Augen hinterlassen hatte. „Nicht dass ihm irgendjemand ins Gesicht schauen würde.“

Ty hatte nicht geahnt, dass Marlie so auf Äußerlichkeiten fixiert war. „Ich habe persönliche Begegnungen gemeint.“

„Dagegen habe ich gar nichts.“ Seufzend warf sie noch einen Blick auf das Bild.

„Dann melde dich doch für irgendetwas, bei dem du aus dem Haus kommst.“ Ihm kam eine Idee. „Warum begleitest du Axelle und mich nicht am Freitag zur Auktion? Dann siehst du alles live.“ Und vielleicht kann Axelle dich mit jemandem bekannt machen. Sie kennt Gott und die Welt. Ja, sie könnte Marlie alle möglichen Männer vorstellen. Tyler Burton, du bist brillant!

Er spürte Marlies Haar an seinem Arm und sah zu ihr hinunter. Ihr Pferdeschwanz verlieh ihr einen angenehm lässigen Touch, aber wahrscheinlich konnte Axelle ihr bis zum Freitag ein paar Tipps für ihre Frisur geben.

„Ich kann nicht. Die Auktion wird live im Netz übertragen. Das muss ich von hier aus überwachen.“

Mist. Er hatte sie schon so gut wie unter der Haube gesehen.

„Ich werde mir am Freitagnachmittag alles ansehen, wenn ich zusammen mit Randy die Webcams anbringe.“

„Randy?“

„Computerfreak.“

Marlie klickte zu Mr Schneeballschlacht. Ein Mann in einem hautengen schwarzen World-of-Warcraft-T-Shirt lehnte an einer Mauer. Die Arme hatte er verschränkt; er zeigte mehr Bizeps, als man einem Computerfreak zutrauen würde. Wenigstens war er bekleidet.

„Randy wird bei der Auktion vor Ort sein. Ich steuere von meinem Computer aus die Webcams, und er leitet die Onlinegebote an Axelle weiter. Übrigens, sie wird sich am Freitag vor der Veranstaltung hier umziehen. Dann musst du sie nicht abholen.“

„Schön.“ Axelle könnte Marlie so bereits am Nachmittag allen möglichen Leuten vorstellen, überlegte er. Da ist noch keiner in Abendgarderobe. Eine lockere Atmosphäre passt sowieso besser zu ihr.

Es klopfte an der Tür. Einer der Tischler steckte den Kopf ins Zimmer. „Wir haben jetzt alles.“

„Okay.“

„Und danke noch mal!“

Marlie winkte abwesend und der Mann verschwand.

„Du scheinst gut damit klarzukommen“, sagte Ty. „Und wo schläfst du heute Nacht?“

„Hm?“

„Du hast kein Bett.“

„Ich schlafe hier.“ Sie starrte auf den Monitor. „Auf dem Sofa.“

In Gedanken war sie offensichtlich längst beim nächsten Kandidaten, der den anderen in nichts nachstand.

4. KAPITEL

Als Axelle und Ty fertig angezogen für die Auktion die Treppe herunterkamen, war Marlie mehr als froh, dass sie die beiden nicht begleiten konnte. Sie war zwar keine Modeexpertin, aber sie erkannte auf den ersten Blick, dass Axelles bodenlanges Kleid ein Vermögen gekostet haben musste.

Ihre Überzeugung, dass Männer in Jeans am besten zur Geltung kamen, änderte sich schlagartig, als sie Ty betrachtete. Im Anzug sah ihr Mitbewohner einfach göttlich aus. Er wirkte klassisch elegant und unglaublich verführerisch.

Marlie konnte nicht anders, sie musste ihn anstarren. Dann lächelte Ty, und das warf sie schlichtweg um. Es war ihr egal, dass man es ihr ansah.

„Sieht er nicht toll aus?“, fragte Axelle.

„Ja.“ Marlie seufzte.

Immer noch lächelnd, vollführte Ty eine Verbeugung und rettete so die Situation, die ansonsten ziemlich peinlich für sie geworden wäre.

„Wir haben seinen Smoking etwas nachgerüstet.“

Axelle strich über das ohnehin schon glatte Seidenrevers, und Ty strahlte sie an. Marlie fühlte einen Stich im Herzen. Möglicherweise war sie eifersüchtig auf Axelle, aber in Wirklichkeit war sie wohl einfach bereit für einen neuen Mann in ihrem Leben.

„Ihr seht beide unglaublich toll aus“, sagte sie, um ihnen zu zeigen, dass sie sie nicht beneidete. „Axelle, dein silbern glänzendes Kleid wird auf der Bühne zauberhaft zur Geltung kommen.“

„Danke, Marlie. Ich fand, dass Zinn gut zur Jahreszeit passt.“

Bitte, dann heißt es eben Zinn und nicht Silber. Wie auch immer. Marlie verkniff sich weitere Bemerkungen. Sie waren beide hinreißend und wussten es. Können sie nicht endlich gehen?

„Und danke, dass du heute Nachmittag noch so hart an der Website gearbeitet hast“, fügte Axelle hinzu. „Hoffentlich kommen viele Onlinegebote rein.“

„Ja, hoffentlich. Ich werde von hier aus alles überwachen, und Randy wird mit seinem Laptop direkt vor der Bühne sitzen. Wir haben vorhin einen Probedurchlauf gemacht.“ Das alles hatte sie zwar schon einmal erzählt, aber Axelle konnte die Details nicht oft genug hören. „Alles funktioniert wie geschmiert. Also los jetzt.“ Sie machte eine scheuchende Handbewegung, und Ty warf ihr ein weiteres Lächeln zu.

Ihr stockte der Atem, und sie fragte sich, ob er sie absichtlich so sinnlich angelächelt hatte. Nach einem Moment Überlegung schüttelte sie den Kopf. Es musste ein Rest des Lächelns für Axelle gewesen sein. Ganz ruhig. Trotz der besten Vorsätze klopfte ihr Herz wie verrückt.

Bevor sie aus der Tür gingen, legte Ty seiner Freundin in einer fürsorglichen Geste ihre Stola um die Schultern. Keine schlechte Idee, dachte Marlie, denn bei Axelles Kleid schien man das gesamte Rückenteil vergessen zu haben. So stellte sich die Frage, ob Ty es überhaupt bis zur Auktion schaffen würde, ohne ihr das Ding vom Leib zu reißen.

Sie seufzte, denn sie war schon den ganzen Tag unruhig. Am Nachmittag hatte Axelle ihr im Veranstaltungssaal mehrere Männer vorgestellt, die alle sehr nett waren. Ich will keinen Netten. Ich will Ty.

Ach was, ich will einfach einen Mann, berichtigte sie sich in Gedanken.

Sie versuchte, sich einen geeigneten Kandidaten vorzustellen, doch sofort kam ihr Ty vor Augen. Raus aus meiner Fantasie! Leider gab es in ihrem Kopf keine anderen Männer. Im Geiste ging sie die zehn durch, die sich für die Auktion zur Verfügung gestellt hatten. Sie hatten sehr anziehend auf sie gewirkt, als sie sich mit Ty darüber unterhalten hatte, aber jetzt sprang sie nicht einmal mehr auf ihren Lieblingskandidaten Mr Glockengeläut an.

Was ist nur mit mir los, fragte sie sich. Damals, als ihre Mütter vorgeschlagen hatten, dass Ty bei ihr einziehen soll, hatte sie nur Erleichterung empfunden. Sie war sicher gewesen, dass es mit ihm nie irgendwelchen Gefühlsstress geben würde, doch jetzt war der Stress da. Und das war schlecht, denn Ty war vergeben. Das wiederum war gut, denn ein solches Kleid, wie Axelle es an diesem Abend trug, stünde ihr niemals. Axelle war groß und mehr als schlank, genau sein Typ. Sie dagegen war durchschnittlich groß und kurvig, das genaue Gegenteil.

Obwohl Marlie nicht eifersüchtig auf Axelle war, glaubte sie manchmal, es sein zu müssen. Beste Freundinnen würden sie nie werden, aber das mussten sie auch nicht. Axelle war ihre Kundin. Sie hatte ihr gegenüber stets professionelle Freundlichkeit an den Tag gelegt.

In den vergangenen Jahren hatte Marlie kaum auf ihr Erscheinungsbild geachtet. An diesem Nachmittag verbrachte sie jedoch mehr als nur einen Moment damit, ihr Haar zu bändigen. Das war ein klares Zeichen, sie war bereit, wieder auszugehen. Sie dachte an Tys Wir-sehen-uns-später-Lächeln und erschauerte. Genau so wollte sie von einem Mann angesehen werden. Und je eher sie einen fand, umso schneller würde sie sich von der Hoffnung verabschieden, dass Ty dieser Mann war.

Ty hatte mehr Spaß an der Auktion, als er erwartet hatte. Der Stoff des Kleids, das Axelle trug, floss wie flüssiges Silber an ihrem Körper herab. Er hatte sie beobachtet, während sie vor der Auktion durch den Saal geschwebt war und alle begrüßt hatte. Die männlichen Gäste hatten sich mehrmals nach ihr umgedreht, wenn sie ihnen ihren entblößten Rücken zuwandte, um sich der nächsten Gruppe zu widmen. Sie war wie ein schillerndes Accessoire, das den Mann schmückte, der sie sein Eigen nennen durfte.

Dieser glückliche Mann, der sie nachher mit nach Hause nehmen konnte, war er. Allerdings nicht zu sich. Sein Haus war noch nicht fertig, und Axelle würde nicht mit zu Marlie kommen, solange diese daheim war. Technisch gesehen hatte diese Traumfrau auch kein eigenes Zuhause, also musste er sie in das Haus ihres Bruders bringen – und es kurz darauf verlassen.

Es war höchste Zeit, ihre Beziehung zu festigen. Wahrscheinlich wünschte er sich das mehr als Axelle. Diese Frau lag eigentlich nicht ganz in seiner Reichweite, und richtig stabil fühlte sich ihre Verbindung nicht an. Es war, als müsse er noch eine Art Test bestehen. Er hatte sich deshalb vorgenommen, an diesem Abend mitzubieten, war aber unsicher, ob sie das zu schätzen wissen würde. Wenn er schon viel Geld ausgab, dann sollte es sich wenigstens auch lohnen.

Wäre Axelle mehr wie Marlie, könnte er sie einfach danach fragen. Bei Marlie wusste man, woran man war. Sie war verlässlich, unkompliziert und angenehm um sich zu haben. Das mochte er an ihr, auf lange Sicht wollte er allerdings eine aufregende und spannende Beziehung.

Unter seinen Bekannten gab es genug Männer, die die Gewissheit brauchten, dass es dienstags Steak und freitags etwas vom Chinesen gab. Für solche Männer war Marlie die perfekte Frau. Ihn würde so ein Leben langweilen, doch das Zusammenwohnen mit ihr würde er trotzdem vermissen. Sie waren in ein gewisses Muster verfallen, als hätten sie jahrelang ein Haus geteilt. Wären die Dinge anders gelaufen, würde er sich vielleicht sogar für sie interessieren.

Nein! Er war nicht bereit für Häuslichkeit. Und wenn es bei ihm so weit war – falls es überhaupt jemals dazu kam –, hatte Marlie wahrscheinlich längst einen Mann und Kinder.

Axelle hatte ihn gebeten, am Auktionstisch Fragen zu beantworten und Broschüren zu verteilen. Bisher hatte sich jedoch niemand an ihn gewandt, die Gäste hielten fast alle Flyer in den Händen. Es war nicht viel los, und ihm war langweilig. Marlie, die alleine zu Hause saß, langweilte sich vermutlich auch. Er entdeckte eine ihrer Webcams, drehte dem Saal den Rücken zu und zog direkt vor der Kamera eine Grimasse.

Marlie verschluckte sich fast an ihrer Nudelsuppe, als Ty vor der Kamera Faxen für sie machte. Wenn Axelle ihn dabei erwischt hätte, wäre er dran. Während der Vorbereitungen war ihr klar geworden, dass die Französin sehr viel Wert auf Perfektion legte. Das war ihre erste Spendengala, und die sollte dazu beitragen, den Namen ihres Restaurants bekannt zu machen. Das Publikum dieser Art von Wohltätigkeitsveranstaltung war genau ihre Zielgruppe. Über Tys Grimassen wäre sie vermutlich ziemlich sauer, wenn sie davon wüsste.

Sobald Marlie wieder richtig atmen konnte, lachte sie laut auf und wünschte, Ty könnte sie sehen. Sie wählte seine Nummer und beobachtete auf dem Bildschirm, wie er nach dem Handy griff. „Du Witzbold! Was machst du denn da?“

„Ich wollte nur prüfen, ob du auch gut aufpasst.“

Sie kicherte. „Warum stehst du nicht auf deinem Posten?“

„Ich habe Broschüren-Dienst.“

Er hielt einige Flyer vor die Kamera.

Was? Axelle hat ihn in eine Ecke verbannt, dachte Marlie. Das ist kein gutes Zeichen. „Wo ist Axelle?“

„Ach, irgendwo hier.“

Ty wirkte absolut unbesorgt, während er sich im Saal nach seiner Freundin umsah. Am plötzlichen Wandel seines Gesichtsausdrucks erkannte Marlie, dass er sie entdeckt hatte.

Sie wählte eine andere Kamera an und sah, wie Axelle durch den Saal auf Ty zuschwebte. Er klappte sein Handy zu und schob es in die Tasche. Marlie Waters hatte er von einer Sekunde auf die nächste vergessen.

Axelle nahm ihm das Glas aus der Hand und stürzte den Inhalt hinunter. „Was zur Hölle ist das?“, fragte sie mit angewiderter Miene.

„Gingerale“, antwortete Ty trocken.

„Etwa mit Zucker?“ Sie blickte ihn entgeistert an.

„Das bisschen Zucker wird dir schon nicht wehtun.“

„Ich dachte, es wäre Scotch.“ Axelle blickte sich kurz um. „Ich brauche Alkohol.“

Es verblüffte ihn, sie so nervös zu sehen. „Du kriegst das hin“, sagte er. „Sobald die Versteigerung beginnt, musst du nur ein bisschen lächeln, und die Leute werden sich wie wild überbieten.“

„Hoffentlich.“ Sie atmete tief ein. „Ich hatte eigentlich auf mehr Gäste gehofft.“

Ty sah sich um. „Es sind doch ziemlich viele da.“

„Ja, aber die meisten haben bereits gespendet. Die werden nachher nicht besonders großzügig sein. Ich habe Angst, dass die Dates für wesentlich weniger rausgehen, als sie wert sind.“

So unsicher wirkte Axelle plötzlich viel menschlicher. Ty legte einen Arm um sie und drückte sie kurz an sich. Unter seiner Hand spürte er nichts als nackte Haut. Um das Gefühl voll auskosten zu können, hielt er für einen Moment den Atem an. Mit aller Lässigkeit, zu der er in diesem Augenblick fähig war, fragte er: „Und, hast du Marlie heute Nachmittag ein paar Jungs vorgestellt?“

Axelle runzelte die Stirn, irritiert vom plötzlichen Themenwechsel. „Ja, einige. Ich habe sie allerdings vorher nicht gefragt, ob sie Singles sind.“ Sie klang schnippisch.

Er zog den Arm zurück. „Die waren wahrscheinlich sowieso nicht ihr Typ. Sie muss nur einfach mal raus.“

Axelles Lächeln war unergründlich.

„Vielleicht sollte sie weniger anspruchsvoll sein“, sagte sie.

Das war definitiv ein Seitenhieb. „Du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf Marlie?“

Sofort zeigte sie Reue. „Das klang fies, oder?“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm. „Ich bin einfach nur total aufgeregt. Es ist wohl Zeit anzufangen.“ Sie drückte seinen Arm. „Wünsch mir Glück!“

Ty küsste sie. „Viel Glück“, flüsterte er.

Während Axelle die Stufen zum Podium hinaufstieg, blickte er unverwandt ihren freien Rücken an. Es fühlte sich gut an, zu wissen, dass ihn die anderen Männer beneideten. Dann erst fiel ihm auf, dass Axelle seinen Kuss nicht erwidert hatte.

Ty hatte bei seinem Kuss mit Axelle direkt vor der Kamera gestanden, die die Nahaufnahmen der Kandidaten für die Dates zeigen sollte. Marlie hatte daher mehr als nötig von seiner Kusstechnik mitbekommen. Er hatte die andere meisterhaft an sich gezogen, entschlossen und leidenschaftlich. Sie seufzte, als sie Tys Blick bemerkte, während er Axelle nachstarrte, die durch die Menge schritt.

Wie im Kino. Fehlt nur noch Popcorn.

Axelle bewegte sich auf dem Podium, als hätte sie nie etwas anderes getan.

„Wie Sie alle wissen, möchten wir mit unserem Programm benachteiligten Kindern und Jugendlichen den Berufseinstieg erleichtern. Sie bekommen Vertreter interessanter Berufsgruppen als Mentoren an die Seite gestellt und sammeln als Praktikanten wertvolle Erfahrungen, die für ihre Zukunft sehr nützlich sein können. Diese Jugendlichen lungern nicht länger auf der Straße herum, sie lernen stattdessen zu programmieren, zu kochen, zu verkaufen oder Menschen medizinisch zu versorgen. Wir sind heute Abend hier, um Geld für einen Kleinbus zu sammeln, mit dem die Kinder von der Schule zu ihren Praktikumsstätten gefahren werden sollen.“

Marlie ließ die Kamera über die Menge schwenken. Es waren weniger Besucher gekommen als erwartet, deshalb blendete sie nur das Mittelfeld des Publikums ein. In dem Moment erschien eine Nachricht von Randy auf ihrem Laptop: Sie ist so heiß. Wenn man für sie bieten könnte, hätten wir den Van schon drin.

Marlie verzog das Gesicht.

Axelle wandte sich einem der Assistenten zu und zeigte erneut ihren freien Rücken.

Heiß, schrieb Randy.

Ich hab’s kapiert, schrieb Marlie zurück.

Tut mir leid. Hab vergessen, dass du ein Mädchen bist, erhielt sie zur Antwort.

Kein Problem, dachte sie.

Als Erstes wurde ein Dinner im „Ravigote“ für vier Personen versteigert. Dazu kam Axelles Bruder Paul aufs Podium. Ohne die Chefkochuniform, die er auf seinem Kandidatenfoto trug, sah er deutlich besser aus. Er konnte Ty auf jeden Fall das Wasser reichen. Sein Talent, den Blick über das Publikum schweifen zu lassen und dabei einzelne Frauen zu fixieren, blieb sogar ihr durch die Kamera nicht verborgen. Statt auf den Gutschein zoomte sie Pauls Gesicht heran. Er allein würde der Grund für die Spenden sein, nicht das Dinner.

Die ersten Bieter stiegen peinlich weit unten ein. Marlie kannte die Preise im „Ravigote“. Ein Abendessen für vier Personen inklusive Wein konnte leicht einige Hundert Dollar kosten. Die Gebote kamen zögerlich, und als Axelle schließlich mit dem Hammer auf die Unterlage schlug, musste sie verkünden, dass das Abendessen für den Preis von einhundertfünfundsiebzig Dollar verkauft war. Paul bemühte sich, ein liebenswürdiges Gesicht zu machen.

Von diesem Moment an verlor die Versteigerung sichtlich an Energie. In der Hoffnung, die Gäste zu höheren Ansagen anzuregen, machte Axelle den Fehler, die Prozedur in die Länge zu ziehen, anstatt sie zu beschleunigen.

Sag ihr, sie soll mehr Tempo machen, schrieb Marlie an Randy.

Einen Augenblick später flüsterte ein Assistent Axelle etwas ins Ohr, woraufhin sie mit Vollgas die Auktion einiger kleinerer Dinge über die Bühne brachte. Das war wiederum zu schnell.

Ein Wochenende in einem romantischen Hotel ging für den unglaublich niedrigen Preis von hundert Dollar über den Tisch. Marlie bemerkte, dass die Leser ihres Blogs sich nur für das Weihnachtsmann-Date-Paket interessierten. Den Onlinekommentaren zufolge wollte niemand für etwas anderes bieten, um genügend Geld für die Dates zur Verfügung zu haben. Auf ihre Frage in ihrem Blog, wer alles auf die Versteigerung der Männer wartete, strömten die Antworten nur so herein, daher rief sie Ty an.

„Was gibt’s?“

„Sag Axelle, sie soll fünf Minuten Pause machen und dann die Jungs auf die Bühne bringen.“

„Was, jetzt schon? Das ist doch das große Finale!“

„Die Frauen bieten nicht, weil sie ihr Geld für die Männer aufsparen. Axelle muss sie vorziehen, so können die Verliererinnen danach etwas anderes ersteigern. Im Netz überschlagen sich die Mädels geradezu vor Ungeduld.“

„Es ist aber alles genau durchgeplant.“

„Und? Funktioniert es?“

Ty zögerte einen Moment. „Nicht wirklich.“

Marlie ließ den Blick über die Menge schweifen, bis sie ihn entdeckte. „Nutzt die Pause, um die Frauen mit Getränken zu versorgen. Lasst anregende Musik laufen und macht ein bisschen Stimmung. Ich eröffne dann die Onlineauktion.“

„Alles klar.“

Sie beobachtete, wie Ty sich unters Publikum mischte. Er wirkte so selbstsicher und interessant, dass sie erst wieder aus ihren Träumen erwachte, als sie eine Nachricht von Randy bekam, der wissen wollte, wo das nächste Bild blieb.

Ups! Sie war abgelenkt gewesen.

Inzwischen hatte Axelle die Pause angekündigt, und die zehn Männer stellten sich auf der Bühne auf. Marlie legte sich ins Zeug, die Jungs in ihrem Blog anzupreisen, und verbreitete Gerüchte über wild entschlossene Käufergemeinschaften. Sie zoomte an einige Frauengrüppchen heran, damit die Internetbieter einen Blick auf ihre Konkurrentinnen werfen konnten. Eine andere Kamera richtete sie auf die Kandidaten. Die Spannung im Saal stieg an.

Dann war es so weit – das erste Onlinegebot kam herein. Erleichtert atmete Marlie aus. Axelle hoffte, dass mindestens das Zehnfache des Mindestgebots von fünfhundert Dollar zusammenkommen würde, aber das war vermutlich etwas zu optimistisch.

Gerade als der hinreißende Mr Nussknacker im Begriff war, ihnen zu zeigen, was er unter seiner Uniform trug, wurde ein weiteres Gebot abgegeben.

„Und als ob es nicht schon genug wäre, mit zehn faszinierenden Männern auszugehen, erhält die Gewinnerin auch ein Silberarmband und je einen Anhänger als Andenken an die Dates“, verkündete Axelle. „Gewinnt eine Gruppe die Auktion, bekommt jede der Damen ein Armband.“

Aufgeregtes Stimmengewirr erhob sich.

„Es wurden bereits mehrere Onlinegebote abgegeben. Der aktuelle Stand ist sechshundertfünfzig Dollar.“

Im Saal überschlugen sich nun die Gebote. Als eintausend Dollar erreicht waren, brach euphorischer Applaus aus. Ein Internetbieter erhöhte auf tausendzweihundert, und eine Gruppe von fünf Frauen bot schließlich sogar tausendfünfhundert. Danach stagnierte die Auktion.

Wenn noch jemand bieten möchte, hat er jetzt die Chance dazu, postete Marlie in ihrem Blog. Zehn unvergessliche Dates für je hundertfünfzig Dollar! Auf geht’s, Mädels! Es ist für einen guten Zweck!

Keine Reaktion.

Ich hätte vielleicht ein paar mehr Ausrufezeichen verwenden sollen, dachte sie. So durfte die Sache nicht zu Ende gehen.

„Zweitausend“, rief ein Mann irgendwo im Saal.

Ty, stellte Marlie fest.

Es war süß von ihm, Axelle so zu unterstützen, aber solange er das Date-Paket nicht wirklich kaufen wollte, sollte er besser aufpassen. Wenigstens brachte sein Gebot die Auktion wieder ins Rollen. Bei zweitausendzweihundert Dollar geriet die Sache jedoch erneut ins Stocken.

Ty bemerkte die Anspannung in Axelles Gesicht. Er wusste, was für sie auf dem Spiel stand. An diesem Abend hatten sie und Paul auf eigene Kosten das Catering übernommen. Ob sie mit Gewinn oder Verlust aus der Veranstaltung herauskommen würden, hing von ihrem Erfolg oder Misserfolg bei der Versteigerung ab.

Einem plötzlichen Impuls folgend, hob er seine Bieterkelle und rief: „Zweitausendfünfhundert!“ Die Auktion musste wieder Fahrt aufnehmen.

„Höre ich dreitausend?“, fragte Axelle. Ihr Lächeln wirkte etwas zu aufgesetzt.

„Zweitausendfünfhundertfünfundsiebzig!“ Einige kichernde Frauen in kurzen Kleidern durchsuchten fieberhaft ihre Portemonnaies. „Nein, zweitausendfünfhundertfünfundneunzig!“

Einer der Kandidaten, Mr Sternsinger, zog einen Geldschein aus der Hosentasche, reichte ihn den Bieterinnen und reihte sich unter dem Gelächter der Gäste wieder auf dem Podium ein. Eine der Frauen schwenkte den Schein und rief: „Zweitausendsechshundert!“

Dies wäre ein guter Moment gewesen, um die Auktion zu beenden. Auch den Männern war anzusehen, dass es ihnen langsam peinlich wurde, Axelle sah aus, als bräche sie gleich in Tränen aus.

Eine Fernsehreporterin fragte eine der Frauen aus dem Publikum: „Warum bieten Sie für diese Männer?“

„Das ist doch eine tolle Art, Jungs kennenzulernen“, antwortete sie. „Man geht aus, hat Spaß, und alles für einen guten Zweck.“ Sie kicherte.

Ty überlegte fieberhaft, was er unternehmen sollte, um Axelle zu helfen. Plötzlich dachte er daran, wie Marlie die Bildunterschriften für die Kandidatenfotos geschrieben hatte. Sie war ganz schön ins Schwärmen gekommen. Wenn er das Gewinnergebot abgäbe, könnte das Marlie zehn Mal zwingen, das Haus zu verlassen, und er würde auf diese Weise auch noch etwas für Axelle tun. Außerdem waren die Kosten von der Steuer absetzbar.

„Wir sind bei zweitausendsechshundert“, tönte Axelles Stimme durch den Saal. „Höre ich …“

Ty hob eine Hand. „Dreitausend!“

Gemurmel setzte ein. Die Frauen und die Reporterin blickten enttäuscht. Die Männer wirkten irritiert. Die Kamera schwenkte auf ihn.

„Moment!“, rief eine der Frauen. Die Kamera schwenkte zurück.

Eine weitere Gruppe von Bieterinnen hatte sich zusammengetan und überprüfte ihre Mittel. „Dreitausendfünfhundert!“ Sie hüpften aufgeregt herum.

„Viertausend!“, bot Ty und warf Axelle ein Lächeln zu. Sie erwiderte es.

„Viertausendfünfhundert!“, kam es überraschend von den Frauen. Ihre Aufregung war Entschlossenheit gewichen.

Axelle hob den Hammer, um die Auktion zu beenden.

„Fünftausend!“, rief Ty. Er lächelte Axelle erneut an, doch diesmal lächelte sie nicht zurück.

Die Frauen warfen ihm aufgebrachte Blicke zu, und auch die Reporterin schaute zu ihm herüber.

„Das aktuelle Gebot liegt bei fünftausend Dollar.“ Axelle schien den Atem anzuhalten. Es herrschte erwartungsvolle Stille. „Verkauft an den Herrn hinten im Saal, der hoffentlich eine gute Erklärung dafür hat.“

Die Reporterin war schon bei ihm und zog ihn neben sich vor die Kamera.

„Hier ist Alicia Hartson mit dem überraschenden Gewinner der Weihnachtsmänner-Versteigerung. Wie heißen Sie?“

Autor

Joanne Rock
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