Tränen im Palast der Liebe

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Im prunkvollen Palast von Xanthia wissen Abby und Prinz Rachid jeden Tag in vollen Zügen zu genießen - bis der jungen Engländerin ein Gerücht zu Ohren zukommt: Rachid hat mit einer Nebenfrau ein Kind gezeugt! Für Abbey gibt es nur eins: Die Flucht zurück nach London.


  • Erscheinungstag 26.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779603
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Abby stand hinter der Küchentür und presste die Hände an die erhitzten Wangen. Sie hoffte, dass niemand ihren hastigen Rückzug von der Party bemerkt hatte. Und wenn es doch jemandem aufgefallen war, würde man vielleicht glauben, sie wolle Liz beim Abwaschen helfen. Sie wollte jede Aufmerksamkeit vermeiden, und in der Küche fühlte sie sich einigermaßen sicher. Glücklicherweise waren die Leute von dem Partyservice schon wieder weg.

Auf den Gedanken, dass Rachid, ihr Mann, ausgerechnet auf Liz’ Party auftauchen würde, wäre sie nie gekommen. Abby hatte noch nicht einmal gewusst, dass er überhaupt in London war. Seit achtzehn Monaten hatte sie ihn nicht mehr gesehen.

Sie atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen. Ich benehme mich geradezu lächerlich, überlegte sie. Sie war eine erwachsene Frau und konnte jede Situation meistern. Immerhin war sie Brads Sekretärin und keineswegs mehr so naiv und unerfahren wie damals, als sie Rachid in Paris auf einem Empfang begegnet war.

Hatte Liz etwa gewusst, dass Rachid kommen würde? Abby runzelte die Stirn. Liz kannte alle möglichen Leute. Sie arbeitete bei einer Nachrichtenagentur, deshalb konnte Abby sich nur schwer vorstellen, dass Liz nichts von Rachids Aufenthalt in London erfahren hatte. Er war der Sohn eines Prinzen aus dem Mittleren Osten und eine bekannte Persönlichkeit. Vermutlich hat Liz es mir absichtlich verschwiegen, weil ich sonst nicht gekommen wäre, dachte Abby.

Sie biss sich auf die Lippe und lehnte sich an die Spüle. Früher oder später wäre sie Rachid sowieso wieder begegnet. Das hätte sich wahrscheinlich gar nicht vermeiden lassen, denn Brad, ihr Chef, arbeitete mit den Vertretungen aller möglichen Erdöl fördernden Länder zusammen.

Aber was war mit Liz? Sie und Abby waren seit der Schulzeit befreundet, und Liz wusste genau, dass Abby ihren Mann nicht wiedersehen wollte, jedenfalls jetzt noch nicht. Irgendwie bereute sie es, dass sie den Wunsch ihres Vaters, nach England zurückzukehren und den Job bei der Handelsvertretung in New York aufzugeben, erfüllt hatte.

Doch hätte das, was heute passiert ist, nicht auch in New York geschehen können? überlegte sie dann. Rachid war oft und viel für seinen Vater geschäftlich unterwegs.

In New York wären die Chancen sicher geringer gewesen, ihm über den Weg zu laufen. Das war Abby klar. Dort hatte sie nicht so viel direkten Kontakt mit Kunden und Produzenten gehabt wie als Brads Sekretärin. Außerdem hatte Rachid gar nicht gewusst, dass sie in den USA war. Ihre gesamte Post hatte sie an ihren Vater in London schicken lassen und ihn gebeten, niemandem ihre Adresse zu verraten, ohne sie zuvor zu fragen.

Als die Tür hinter ihr geöffnet wurde, wirbelte sie herum. Sie befürchtete, Rachid habe sie entdeckt und sei ihr gefolgt. Doch Liz Forster kam herein und betrachtete ihre Freundin. Sie war ungefähr so groß wie Abby, hatte aber nicht so eine gute Figur. Abby war schlank, hatte üppige Rundungen, und sie bewegte sich ausgesprochen geschmeidig.

Nachdem Liz die Tür zugemacht hatte, lehnte sie sich dagegen und verschränkte die Arme über der Brust. „Du brauchst mir nichts zu sagen, du hast ihn gesehen“, stellte sie fest und schüttelte den Kopf. „Versteckst du dich deshalb hier?“

„Ich verstecke mich nicht“, entgegnete Abby und richtete sich auf. „Es ist mir rätselhaft, warum du das getan hast.“

Liz seufzte. „Du bist zornig“, erklärte sie gleichgültig.

„Hast du etwas anderes erwartet?“

„Nein, wahrscheinlich nicht.“ Liz zuckte die Schultern.

Abby blickte sie hilflos an. „Liz, du musst gewusst haben, wie ich reagieren würde. Du hast es mir absichtlich verschwiegen, stimmt’s? Kannst du dir vorstellen, wie mir zumute war, als Damon mit ihm ankam?“

„Hat er dich bemerkt?“

„Nein, ich glaube nicht.“ Abby presste die Lippen zusammen. „Aber bei Rachid kann man sich nie völlig sicher sein. Er hat Augen wie ein Falke.“

„Wie ein Wüstenfalke“, sagte Liz spöttisch. „Es tut mir leid, Abby, ich hatte keine andere Wahl.“

„Wieso nicht? Du hättest mich zumindest warnen können.“

„Dann wärst du nicht gekommen“, antwortete Liz. „Ist es wirklich so schlimm? Du hättest ihn doch sowieso wiedergesehen, spätestens vor Gericht beim Scheidungstermin.“

Abby schnitt ein Gesicht. „So offiziell machen es die Moslems nicht. Das weißt du doch. Rachid braucht nur zu erklären, dass er mich verstößt, dann ist er ein freier Mann. Aber warum sollte er sich überhaupt die Mühe machen? Er darf doch vier Frauen haben.“

Liz legte ihr die Hand auf die Schulter. „Abby, du hast mir doch selbst erzählt, dass Rachid kein Moslem, sondern Christ ist.“

„Ach ja?“ Abby durchquerte die Küche. „Darüber möchte ich jetzt nicht reden, Liz. Ich muss hier weg. Holst du mir bitte meinen Mantel aus dem Schlafzimmer? Ich verschwinde …“

„Sprich wenigstens mit ihm“, unterbrach Liz sie. „Oder hast du Angst vor ihm? Du liebe Zeit, ihr wart beinah drei Jahre verheiratet! Fünf Minuten Zeit müsstest du für ihn haben.“

In Abbys Augen blitzte es zornig auf. „Ich weiß nicht, wie er dich dazu gebracht hat, ihn einzuladen, aber …“

„Damon hat mich gefragt, ob er einen Freund mitbringen könne“, fiel Liz ihr gereizt ins Wort. Damon Hunter war ihr Chef. „Ich konnte doch nicht ahnen, dass dein Mann dieser Freund ist.“

„Hattest du wirklich keine Ahnung?“ Abby blickte sie skeptisch an.

Liz wandte sich ab. „Okay“, gab sie zu und nahm sich ein belegtes Brötchen von dem halb leeren Teller. „Damon hat mir gesagt, um wen es sich handelt. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass du einen hysterischen Anfall bekommst.“

Abby senkte den Kopf. „Holst du mir den Mantel oder nicht?“

Liz sah sie beinah flehentlich an. „Abby, bitte …“

„Ich gehe“, erklärte Abby energisch. „Ich bin nicht hysterisch, und ich habe keine Angst davor, Rachid zu begegnen. Aber ich habe einfach keine Lust, mit ihm zu reden.“

„Damon wird sich sehr ärgern.“ Liz schüttelte den Kopf.

„Wieso Damon?“, fragte Abby irritiert.

Liz zuckte unbehaglich die Schultern. „Ach, wenn du es genau wissen willst: Er hat mich gebeten, die Party zu geben und dich einzuladen. Offenbar hat Rachid etwas damit zu tun.“

„Wie bitte? War das Rachids Idee?“ Abby wurde zornig. „O Liz, wie konntest du dich darauf einlassen?“

Ihre Freundin verzog das Gesicht. „Ich hatte keine andere Wahl, das habe ich doch schon erwähnt. Damon ist mein Chef.“

Abby ballte die Hände zu Fäusten. „Nein, ich werde nicht mit ihm reden, Liz.“

„Okay.“ Liz gestikulierte resigniert mit der Hand. „Niemand kann dich dazu zwingen.“

Davon war Abby nicht überzeugt. Sie kannte ihren Mann und wusste, wie perfekt er es verstand, auf andere Druck auszuüben. Sie überlegte, warum er sie ausgerechnet jetzt sehen wollte, nachdem sie angefangen hatte, sich in Sicherheit zu wiegen.

„Ich hole deinen Mantel“, erklärte Liz plötzlich und ging zur Tür. „Warte hier, ich bin gleich wieder da.“

Wenig später kam sie mit Abbys Mantel zurück. „Nimm den Hinterausgang“, sagte sie, während Abby den Mantel anzog. „Dann bist du in wenigen Minuten am Gresham Square.“

„Danke.“ Abby schlug den Mantelkragen hoch. „Es tut mir leid, Liz, aber heute Abend möchte ich nicht mit Rachid sprechen.“

Wieder zuckte Liz die Schultern. „Wenn du meinst.“ Sie machte eine Pause. Als sie Abbys besorgte Miene bemerkte, fuhr sie fort: „Liebes, Rachid ist ein attraktiver Mann. Ich habe nie verstanden, warum es dich gestört hat, dass du keine Kinder bekommen kannst. Viele Paare …“

„Du hast recht, Liz“, unterbrach Abby sie und ging zur Wohnungstür hinaus. „Du verstehst das alles nicht. Ich muss gehen. Gute Nacht – und danke.“

„Ich rufe dich nächste Woche an“, versprach Liz.

Abby nickte. „Ja, tu das.“ Sie lächelte leicht und eilte die Treppe vom siebten Stock hinunter bis nach unten zum Hinterausgang des Apartmenthauses.

Es war kühl an diesem Abend im Oktober, Nebel stieg über dem Fluss auf. Als sie das Gebäude verließ, schob Abby die Hände in die Manteltaschen und ging in Richtung Gresham Square. Vielleicht würde sie dort ein Taxi finden.

Dass sie beobachtet wurde, merkte sie nicht. Als plötzlich eine große Gestalt vor ihr auftauchte, dachte sie im ersten Moment, jemand wolle sie belästigen. Sie hob den Kopf, um zu protestieren. Doch dann trat sie entsetzt einige Schritte zurück, denn Rachid, ihr Mann, stand vor ihr. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihm hier auf der Straße zu begegnen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nicht allein war. Zwei Männer waren in seiner Nähe, und ihr wurde klar, dass es kein zufälliges Treffen war. Man hatte sie in eine Falle gelockt. Warum hatte Liz ihr das angetan?

„Guten Abend, Abby.“ Rachids Stimme klang tief und angenehm. In seinen Augen blitzte es jedoch ärgerlich auf. Da er in England die exklusivsten Internate besucht und außerdem eine englische Großmutter hatte, sprach er akzentfrei Englisch. Er stand da und sah auf Abby hinab. Er war mindestens einen halben Kopf größer als sie, obwohl sie für eine Frau schon ziemlich groß war.

Abby senkte den Kopf. Panik breitete sich in ihr aus, und sie fühlte sich völlig hilflos. „Guten Abend, Rachid.“

Auf seinen Wink hin entfernten sich seine beiden Begleiter. „Du hast dich geweigert, mit mir in der Wohnung deiner Freundin zu reden“, stellte Rachid dann fest. „Das ist sehr bedauerlich. Ich bin jedoch fest entschlossen, mich heute noch mit dir zu unterhalten, Abby.“

Sie hoffte, dass Rachid im Schein der Straßenlaternen nicht erkennen konnte, wie blass sie geworden war und dass ihre Lippen zitterten.

„Du hättest mich zu Hause oder im Büro anrufen können. Du weißt sicher, dass ich wieder für Brad Daley arbeite, das haben deine … Privatdetektive bestimmt herausgefunden“, erwiderte sie betont gleichgültig.

„Privatdetektive“, wiederholte er verächtlich. „Komm mit, mein Wagen steht nicht weit von hier. Ich bringe dich nach Hause. Es ist mir zu kalt und zu feucht, hier können wir uns nicht unterhalten.“

„Ich weiß wirklich nicht, was es noch zu bereden gibt, Rachid“, entgegnete sie energisch. „Ich habe Liz erklärt, dass ich nicht mit dir sprechen möchte. Leider hat sie meinen Wunsch nicht respektiert, doch meine Meinung habe ich nicht geändert.“

„Elizabeth oder Liz, wie du sie nennst, hatte gar keine Chance, deinen Wunsch zu respektieren“, erklärte er angespannt. „Als ich begriff, dass du die Wohnung verlassen würdest, bin ich dir gefolgt. Ich bin mit dem Aufzug gefahren und war vor dir unten.“

„Trotzdem möchte ich nicht …“

„Abby, ich habe keine Lust, mit dir hier auf der Straße zu diskutieren.“ Er schob die Hände in die Taschen seines anthrazitgrauen Kaschmirmantels. „Komm bitte mit zu meinem Wagen. Ich verspreche dir, ich werde dich nicht entführen und dir nichts antun. Aber ich muss mit dir reden.“

„Worüber?“, fragte Abby misstrauisch.

„Du strapazierst meine Geduld.“ Er drehte sich halb zur Seite. „Warum tust du nicht ein einziges Mal das, worum ich dich bitte? Es ist doch nicht zu viel verlangt, oder? Immerhin bist du noch meine Frau.“

„So?“ Sie zog die Augenbrauen hoch.

„Was soll das denn heißen?“

Abby zuckte die Schultern. „Ich habe gedacht, du hättest dich … scheiden lassen.“

„Jetzt reicht es.“ Er wurde zornig. „Du bist meine Frau, und das wirst du auch bleiben. Kommst du freiwillig mit, oder muss ich Karim und Ahmed bitten, dich …“

„Würdest du mich wirklich zwingen, mit dir zu gehen?“, unterbrach sie ihn ärgerlich.

„Ach, hör auf damit, Abby.“ Er atmete tief ein. „Diese Unterhaltung ist lächerlich. Es ist doch wohl verständlich, dass ich nach zwei Jahren Trennung wieder einmal mit dir reden möchte, oder etwa nicht?“

„Nach achtzehn Monaten Trennung“, korrigierte sie ihn. „Ich habe dir doch geschrieben …“

„Dass du mich nicht sehen willst“, fiel Rachid ihr ungeduldig ins Wort. „Das kann ich nicht akzeptieren. Ich habe damals lange gewartet und gehofft, du würdest zur Vernunft kommen. Schließlich bin ich hinter dir hergeflogen und habe erfahren, dass du nicht mehr in London warst.“

„Wann war das?“, fragte Abby neugierig.

„Vor sechs oder neun Monaten, ich weiß es nicht mehr genau.“

„Hast du etwa mit meinem Vater gesprochen?“

„Ja.“

Abby runzelte die Stirn. „Das hat er mir verschwiegen.“

„Hätte es denn etwas geändert, wenn er es dir erzählt hätte?“ Rachid zuckte gleichgültig die Schultern. „Er wollte mir deine Adresse nicht verraten.“

„Nein? Hast du ihn nicht bedroht? Hat er sich nicht erpressen lassen?“

Rachids Züge wurden hart. „Ich hatte ganz vergessen, was für eine spitze Zunge du hast.“

Trotz seines Ärgers hat er sich völlig unter Kontrolle, schoss es Abby durch den Kopf. „Dann kannst du ja froh sein, dass du mich los bist“, fuhr sie ihn spöttisch an.

„Komm“, sagte er und packte sie am Arm. Als sie sich wehren wollte, blitzte es in seinen Augen warnend auf.

Abby gab ihren Widerstand auf und ging mit ihm. Als sie und Rachid um die Ecke bogen, hielten Karim und Ahmed schon die Türen einer schwarzen Limousine auf. Genau wie Rachid trugen sie westliche Anzüge und Mäntel, doch man sah den beiden an, dass sie Araber waren, während Rachid eher wie ein Europäer wirkte.

Er ließ Abby einsteigen und setzte sich neben sie. Nachdem die beiden Männer vorn eingestiegen waren, fuhren sie los. Unbehaglich lehnte Abby sich auf dem Ledersitz zurück und betrachtete die Trennscheibe vor sich. Der Luxus, in dem Rachid lebte, beeindruckte sie nicht mehr. Sie hatte begriffen, dass es auf den Charakter eines Menschen und nicht auf seinen Reichtum ankam.

„Du hast in New York gearbeitet“, stellte Rachid plötzlich fest und drehte sich halb zu ihr um.

Sie nickte. „Ja. Ich habe gedacht, das wüsstest du nicht“, erwiderte sie.

Er seufzte ungeduldig. „Seit du aus New York nach London zurückgekehrt bist, bin ich über alles informiert, was dich betrifft. Daley ist nicht so verschwiegen, wie du es dir vielleicht gewünscht oder vorgestellt hast. Nach einer halben Flasche Scotch ist er zu allen Auskünften bereit.“

„Heißt das, du hast Brad ausgefragt?“

Rachid schüttelte den Kopf. „Nicht ich, sondern Freunde von mir.“

„Du benutzt andere Menschen offenbar immer noch für deine Zwecke, Rachid“, sagte sie empört.

Sie spürte, wie sehr er sich über die Beleidigung ärgerte. Es gehörte sich nicht, dass die Frau eines Prinzen ihrem Mann widersprach, so viel hatte sie in der Zeit, die sie in Abarein mit ihm verbracht hatte, gelernt.

„Diese Unterhaltung führt zu nichts“, stellte er schließlich fest. „Ich habe viel Geduld mit dir gehabt, Abby. Doch jetzt reicht es mir. Ich möchte, dass du mit mir nach Xanthia zurückkehrst.“

Abby war entsetzt. „Das meinst du doch nicht ernst, oder?“

„Doch“, versicherte er ihr ruhig. „Du bist meine Frau und gehörst zu mir. Ich brauche eine Frau und ganz besonders dich. Du wirst meine Wünsche respektieren.“

Sie konnte es kaum glauben und hätte beinah hysterisch gelacht. Er meinte es wirklich ernst. Er erwartete von ihr, dass sie alles aufgab, was sie sich aufgebaut hatte, und mit ihm nach Abarein und in den Palast in Xanthia zurückkehrte, in dem er mit seinem Vater und seiner ganzen Familie lebte.

„Ja, du hast recht“, erwiderte sie und legte die Hand auf den Türgriff. „Diese Unterhaltung führt zu nichts. Lass mich aussteigen, ich fahre mit dem Bus …“

„Du steigst erst aus, wenn ich die Antwort habe, die ich brauche“, unterbrach er sie hart. „Ich warne dich, überleg es dir gut, ehe du etwas tust, was du bitter bereuen wirst.“

Abby hielt den Atem an. „Du hast mir doch versprochen, mich nicht zu entführen“, erinnerte sie ihn entsetzt. „Und du hast gesagt …“

„Du liebe Zeit, du bist meine Frau, Abby“, fuhr er sie an. „Wie kann man seine eigene Frau entführen? Du gehörst zu mir.“

„Nein, ich gehöre zu niemandem“, entgegnete sie. „Rachid, du hast kein Recht …“

„Doch, ich habe das Recht. Die Gesetze deines und meines Landes …“

„Gesetze!“ Abby blickte besorgt zum Fenster hinaus. „Rachid, man kann eine Ehe nicht nach Gesetzen führen. Es kommt auf die Gefühle an. Und man muss Vertrauen haben können.“

Rachid beugte sich zu ihr hinüber. „Ich vertraue dir.“

„Aber ich dir nicht“, entgegnete sie. „Rachid, begreifst du nicht, dass du nur deine Zeit verschwendest? Unsere Ehe ist nicht mehr zu retten, dessen bin ich mir völlig sicher.“

„Nein, da kann ich dir nicht zustimmen.“

„Du wirst es einsehen müssen. Ich komme nicht zu dir zurück, Rachid. Ich … liebe dich nicht mehr.“

„Aber ich liebe dich.“

„So?“ Abbys Lippen bebten. „Ich glaube, du und ich haben verschiedene Vorstellungen darüber, was Liebe bedeutet.“

Plötzlich legte er ihr die Hand aufs Knie. „Hör mir zu, Abby. Ich brauche dich …“

„Du brauchst irgendeine Frau, aber nicht unbedingt mich“, erwiderte sie angespannt.

„Du irrst dich!“

„Nein.“ Sie versuchte, seine Hand wegzuschieben. „Nur weil ich dich verlassen habe, glaubst du, du müsstest mich zurückholen. Als wir noch zusammen waren …“

„Ja? Was wolltest du sagen? Habe ich dich etwa nicht liebevoll und rücksichtsvoll behandelt?“

Abby senkte den Kopf. „Okay, du hast mich respektiert und mich korrekt behandelt. Doch du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht genug ist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Rachid, du brauchst einen Erben. Und ich kann keine Kinder bekommen.“

„Abby!“ Seine Stimme klang seltsam gequält.

Es war sicher schwer für ihn, die gemeinsame Zeit zu vergessen, aber Abby konnte ihm nicht vertrauen, weil er ihr nicht treu war. Und sie wäre niemals dazu bereit, ihn mit seinen Freundinnen oder Geliebten zu teilen.

„Mein Vater hat damals mit dir geredet“, stellte er auf einmal fest.

„Meinst du?“ Sie versteifte sich.

„Ich weiß es“, stieß er hervor. „Glaubst du, ich hätte nicht Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um herauszufinden, warum du mich verlassen hast?“

„Du weißt genau, warum. Was dein Vater mir erzählt hat, war mir nicht neu. Du hast mir ja nie etwas vorgemacht.“

„Abby, hör zu …“

„Nein, jetzt hörst du mir zu.“ Endlich gelang es ihr, seine Hand wegzuschieben. Sie rückte so weit von ihm weg wie möglich. „Als ich dich geheiratet habe, war ich völlig naiv. Ich war wirklich überzeugt, du würdest mich lieben.“

„Das habe ich auch getan. Ich liebe dich immer noch.“

Sie schüttelte den Kopf. „Mir ist klar, dass das Scheitern unserer Ehe teilweise meine Schuld ist. Du warst enttäuscht darüber, dass ich kein Kind bekam. Aber so etwas kann in jeder Familie passieren. Ich konnte es nicht ändern.“

„Das weiß ich.“

„Du hättest dich von mir scheiden lassen sollen“, fuhr sie leise fort. „Dann wären mir einige Demütigungen erspart geblieben, und du hättest die Frau heiraten können, die dein Vater für dich ausgewählt hatte.“

„Abby, ich wollte keine andere Frau heiraten als dich.“

„Ach, das Gespräch ist doch sinnlos, Rachid. Wir rufen nur die Vergangenheit wach. Warum willst du dich nicht damit abfinden, dass unsere Ehe nicht mehr funktioniert? Du könntest längst frei sein, ich hätte dir keine Steine in den Weg gelegt. Ich habe dich damals geliebt, Rachid. Doch jetzt liebe ich dich nicht mehr. Und ich werde nicht zu dir zurückkehren.“

„Du bist meine Frau …“

„Am besten hättest du mich zu deiner Geliebten gemacht“, unterbrach sie ihn. „Eine Geliebte braucht keine Kinder zu bekommen, das erwartet man nicht von ihr. Natürlich hätte ich so ein Angebot abgelehnt, es hätte uns jedoch viel Kummer und Schmerz erspart.“

Rachid atmete tief ein. „Kinder sind mir völlig egal. Und jetzt hör mir endlich zu. Mein Vater weiß, wie ich denke und was ich empfinde. Er wird sich nicht mehr einmischen.“

„Nein, bestimmt nicht, denn ich werde nicht zurückkommen, Rachid. Du musst mich schon bewusstlos machen oder dir sonst etwas ausdenken, wenn du mich mitnehmen willst.“

In seinen Augen blitzte es auf. „Bist du wirklich entschlossen, dich mir zu widersetzen?“

„O ja, das bin ich.“

Sekundenlang zögerte er. Dann nannte er über die Sprechanlage seinem Chauffeur und Leibwächter vor ihm im Auto Abbys Adresse. Danach ließ er sich auf dem Sitz müde zurücksinken.

Insgeheim atmete Abby erleichtert auf. Offenbar ist er bereit, nachzugeben und mich nach Hause zu bringen, überlegte sie. Doch ihr war klar, dass Rachid nicht so leicht aufgab. Die Auseinandersetzung war bestimmt noch nicht beendet. Damals hätte sie keine Sekunde gezögert, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Aber das war vorbei. Obwohl sie froh war, ihre Freiheit zurückgewonnen zu haben, erinnerte sie sich mit einer gewissen Wehmut an die schöne Zeit mit ihm.

Schließlich hielten sie vor dem Haus ihres Vaters an. Rachid half ihr beim Aussteigen und blieb neben der Limousine stehen, bis sie die Haustür aufgeschlossen hatte und hineinging. Erst dann stieg er wieder ein, und sie hörte die Limousine davonfahren.

2. KAPITEL

Abbys Vater saß in seinem Arbeitszimmer. Als sie den Kopf zur Tür hereinsteckte, blickte er sie überrascht an.

„Du bist früh zurück“, stellte er fest. „Ich dachte, du seist auf Liz’ Party.“

„Das war ich auch“, erwiderte sie ruhig. „Ich bin nur früher nach Hause gegangen, als ich vorgehabt hatte, das ist alles.“

„Warum?“, fragte Professor Gillespie und fuhr sich mit der Hand durch das dünne graue Haar. „Hat es dir nicht gefallen? Normalerweise bist du doch gern mit Liz zusammen.“

„Ja“, gab Abby zu. „Ich mache mir einen Kaffee. Möchtest du auch einen?“, versuchte sie ihren Vater abzulenken.

„Nein, so spät trinke ich lieber eine Tasse Schokolade“, antwortete ihr Vater geistesabwesend. „Ein Sandwich wäre auch nicht schlecht.“

„Gut, ich mache es dir.“ Sie ging in die Küche.

Abby und ihr Vater wohnten in einem dreigeschossigen Terrassenhaus. Unten befanden sich die Küche, das Esszimmer und das Arbeitszimmer ihres Vaters. Er war im Ruhestand und erteilte Studenten Privatunterricht.

Er kam in die Küche, während Abby das Brot mit Käse belegte. Nach dem Tod ihrer Mutter vor einem Jahr war er sehr gealtert. Dennoch liebte er seine Arbeit. Jetzt betrachtete er seine Tochter nachdenklich.

„Was ist passiert?“, fragte er schließlich. „Habt ihr euch gestritten, Liz und du? Du siehst erhitzt aus.“

Sie seufzte und drehte sich zu dem Wasserkocher um. Dann nahm sie zwei Becher aus dem Schrank. „Ach, du kennst Liz doch. Mit ihr kann man sich gar nicht streiten.“

„Ist etwas vorgefallen auf der Party?“ Professor Gillespie kannte seine Tochter, er ließ sich nicht täuschen.

Wahrscheinlich muss ich ihm die Wahrheit sagen, dachte Abby. „Hast du mit Rachid gesprochen, als ich in New York war?“, begann sie vorsichtig.

„Ich habe geahnt, dass es mit Rachid zusammenhängt“, erklärte Professor Gillespie und schüttelte den Kopf. „Komm, verrat mir, was los ist. War er auch auf der Party?“

Sie nickte. „Damon Hunter, Liz’ Chef, hat es eingefädelt. Ich war völlig ahnungslos und ziemlich entsetzt, als plötzlich Rachid hereinkam.“ Sie zuckte die Schultern. „Dann bin ich so rasch wie möglich verschwunden.“

„Offenbar nicht rasch genug“, stellte ihr Vater leicht spöttisch fest. „Ich nehme an, ihr habt euch unterhalten.“

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
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