Trau dich: Es ist Liebe!

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Eine dreiwöchige Mittelmeerkreuzfahrt? Jillian freut sich wahnsinnig über das Geschenk ihrer Eltern. Doch endlich auf Reisen, traut sie ihren Augen nicht! An Bord des Luxusliners trifft sie auf Aidan - ihren Ex! Zufall oder Schicksal? Jillian ist sich nicht sicher, aber eins wird ihr schnell klar: Noch immer bringt Aidan ihr Herz zum Pochen, und noch immer sehnt sie sich mit jeder Faser ihres Körpers nach seinen Zärtlichkeiten. Berauscht vom mediterranen Urlaubsflair, landet Jillian erneut in Aidans Armen - und in seinem Bett! Hat ihre Liebe doch noch eine Chance?


  • Erscheinungstag 03.05.2016
  • Bandnummer 1923
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721619
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Jillian Novak sah ihre Schwester fassungslos an. „Was soll das heißen – du kommst nicht mit? Das ist doch verrückt, Paige! Du warst diejenige, die die Reise geplant hat!“

„Daran brauchst du mich nicht zu erinnern, Jill, aber bitte versteh doch mein Dilemma.“ Zerknirscht hielt Paige dem Blick ihrer Schwester stand. „Eine Rolle in einem Film von Steven Spielberg ist einfach ein Traum. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, als Anfängerin ein solches Angebot zu bekommen! Zuerst war ich vor Freude im siebten Himmel – und dann zu Tode betrübt, als ich sah, dass die Dreharbeiten genau in der Woche beginnen, in der ich mit dir auf Kreuzfahrt sein sollte.“

„Lass mich raten – die Freude hat die Oberhand behalten.“ Jillian spürte, wie sich ein pochender Kopfschmerz anbahnte. Sie hatte sich aus verschiedenen Gründen sehr auf diese Mittelmeer-Kreuzfahrt gefreut, und nun sah es so aus, als fiele das Ganze ins Wasser.

„Es tut mir leid, Jill. Ich weiß, wie sehr du dir diese Reise gewünscht hast.“

Paiges Entschuldigung verstärkte Jillians Qual nur noch. Sie verdarb ihrer Schwester die Freude an einer Entscheidung, die sie selbst nicht anders getroffen hätte.

„Ich bin hier diejenige, die sich entschuldigen sollte, Paige. Ich habe nur an mich gedacht. Es wäre verrückt, eine solche Chance nicht zu nutzen. Ich freue mich wirklich für dich. Herzlichen Glückwunsch!“

Jetzt strahlte Paige über das ganze Gesicht. „Danke. Dabei wäre es so schön gewesen, wenn wir wieder mal ein bisschen Zeit für uns gehabt hätten. Am schönsten wäre es natürlich gewesen, wenn wir alle vier hätten zusammen sein können – du, ich, Pam und Nadia.“

Nadia, die noch das College besuchte, war ihre jüngste Schwester. Mit ihren einundzwanzig Jahren war sie zwei Jahre jünger als Paige und vier Jahre jünger als Jillian. Die älteste Schwester, Pamela, war zehn Jahre älter als Jillian. Alle waren sich einig, dass sie die beste älteste Schwester war, die man haben konnte. Pam hatte bereits die ersten Erfolge im Filmgeschäft gefeiert, als ihr Vater starb – und sie hatte der Glitzerwelt Hollywoods sofort den Rücken gekehrt und war nach Hause gekommen, um sich um ihre drei jüngeren Schwestern zu kümmern. Zu Hause – das war Gamble in Wyoming. Jetzt lebte Pam in Denver. Sie war inzwischen verheiratet, hatte zwei Kinder und leitete zwei Schauspielschulen, eine in Gamble, die zweite in Denver. Paige war in ihre Fußstapfen getreten und wollte ebenfalls Schauspielerin werden. Sie hatte bereits kleinere Rollen gehabt, studierte aber noch in Los Angeles.

Pam hatte so viel um die Ohren, dass sie eine Teilnahme an der Reise von vornherein ausgeschlossen hatte. Nadia wäre gern mitgekommen, aber verschiedene Prüfungstermine sprachen dagegen. Jillian hatte sich wenigstens eine ihrer Schwestern als Reisebegleitung gewünscht. Nachdem sie ihr Staatsexamen endlich hinter sich gebracht hatte, brauchte sie diese zweiwöchige Reise, um etwas Abstand zu gewinnen, bevor sie die Zeit als Assistenzärztin antrat. Und es gab noch einen zweiten Grund, wieso ihr diese Kreuzfahrt so wichtig war.

Aidan Westmoreland.

Es war kaum zu glauben, dass schon mehr als ein Jahr vergangen war, seit sie die Beziehung zu ihm beendet hatte. Noch heute tat es ihr weh, daran zu denken. Sie sehnte sich nach ein wenig Ablenkung von ihren Erinnerungen.

„Bist du okay, Jill?“

Jillian sah auf und zwang sich zu einem Lächeln. „Ja, natürlich – wieso fragst du?“

„Ich hatte den Eindruck, dass du völlig abwesend warst, während ich dir alles Mögliche erzählt habe. Ist wirklich alles in Ordnung?“

Jillian winkte ab. Unter gar keinen Umständen wollte sie, dass Paige sich Sorgen machte und weiter in sie drang. „Ja. Alles okay.“

Paige schien nicht überzeugt. „Hmmm, ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich den Film doch vergessen und stattdessen lieber mit auf die Kreuzfahrt kommen.“

Jillian nippte an ihrem Wein. „Sei nicht albern! Du nimmst diese Rolle an. Außerdem – ich storniere die Kreuzfahrt natürlich.“

„Wieso das denn?“

Jillian verdrehte die Augen. „Meine Güte, Paige! Was soll ich denn zwei Wochen allein auf einer Kreuzfahrt?“

„Dich entspannen. Das Meer genießen. Die Ruhe. Außerdem werden fantastische Ausflüge in die interessantesten Städte des Mittelmeerraums angeboten. Davon einmal abgesehen könntest du Glück haben und einen netten Junggesellen kennenlernen.“

Jillian schüttelte den Kopf. „Nette Junggesellen gehen nicht allein auf Kreuzfahrt. Außerdem ist ein Mann im Moment wirklich das Letzte, was ich gebrauchen könnte.“

Paige lachte. „Jill, in deinem Leben hat es keinen Mann mehr gegeben, seit du in der Oberstufe mit Cobb Grindstone ausgegangen bist. Ich glaube, gerade ein Mann ist das, was dir fehlt.“

Empört funkelte Jillian ihre Schwester an. „Wohl kaum – bei meinem vollen Terminkalender. Außerdem sehe ich in deinem Leben auch keinen Mann.“

„Zumindest habe ich im Laufe der letzten Jahre immer wieder mal ein Date gehabt. Du nicht. Falls doch, hast du es mir zumindest nicht erzählt.“

Jillian zwang sich zu einer nichtssagenden Miene. Sie hatte Paige tatsächlich nichts von ihrer Affäre mit Aidan erzählt, und das war auch gut so, wenn sie bedachte, wie diese Sache zu Ende gegangen war.

„Jill?“

Sie sah auf. „Ja?“

„Du hast doch keine Geheimnisse vor mir, oder?“

Das wäre der ideale Moment gewesen, ihre Affäre zu beichten, aber Jill war noch nicht bereit dafür. Auch nach einem Jahr war das Ganze für sie noch zu schmerzlich. Und unter gar keinen Umständen sollte Paige in dieser offenen Wunde herumstochern.

„Du weißt doch, dass ich mich voll und ganz auf das Studium konzentriert habe – deswegen gibt es keinen Mann in meinem Leben.“ Paige musste ja nicht wissen, dass es Aidan vor einigen Jahren problemlos gelungen war, sie von ihrem Studium abzulenken. Es war ein Fehler gewesen, für den sie teuer bezahlt hatte.

„Gerade deshalb finde ich, du solltest die Kreuzfahrt auch ohne mich machen. Du hast hart gearbeitet und solltest dich jetzt endlich mal entspannen. Sobald deine praktische Ausbildung beginnt, hast du noch viel weniger Zeit für dich – oder für sonst jemanden.“

„Mag sein, aber …“

„Kein Aber, Jillian.“

Jillian kannte diesen Ton. Wenn Paige sie bei ihrem vollen Namen nannte, war es ihr wirklich ernst. „Ich würde mich auf dieser Kreuzfahrt zu Tode langweilen. Zwei ganze Wochen!“

„Genau diese Zeit brauchst du zur Erholung. Und denk doch nur an all die tollen Städte, die du sehen wirst: Barcelona, Rom, Florenz, Athen.“ Paige musterte ihre Schwester kritisch. „Ich spüre, dass irgendwas mit dir nicht stimmt. Das habe ich schon vor Monaten gemerkt, als ich dich besucht habe.“ Sie lachte leise. „Vielleicht gibt es ja irgendeinen Arzt an der medizinischen Fakultät, auf den du ein Auge geworfen hast, und du bist nur noch nicht bereit, darüber zu reden. Vielleicht hat es dich richtig erwischt, und du weißt nicht, wie du mit diesem Sturm der Gefühle umgehen sollst. Falls dem so ist, hast du mein vollstes Verständnis. Wir haben alle mal Probleme, die wir lieber allein angehen. Deswegen bin ich ja überzeugt, dass die zwei Wochen an Bord dir guttun werden.“

In dem Moment brachte die Kellnerin das Essen. Jillian war erleichtert über die Unterbrechung. Paige ahnte ja nicht, wie nah sie der Wahrheit gekommen war. Das Problem war tatsächlich ein Arzt, aber keiner, der zusammen mit ihr an der Uni war.

Sie wusste, Paige würde keine Ruhe geben, bis sie sich bereit erklärte, die Kreuzfahrt auch ohne sie zu machen. Paige spürte, dass sie etwas beschäftigte. Es würde nicht mehr lange dauern, und Pam und Nadia wären ebenfalls im Bilde – falls sie es nicht bereits wussten. Außerdem: Sie hatte sich terminlich bereits auf die Kreuzfahrt eingerichtet. Fuhr sie nicht, würde die Familie erwarten, dass sie die Zeit zu Hause verbrachte. Das war ausgeschlossen. Was, wenn Aidan zufällig gleichzeitig nach Hause kam? Er war der Letzte, den sie jetzt sehen wollte.

„Jill?“

Jillian seufzte schwer. „Okay. Ich fahre. Vielleicht wird es ja ganz nett.“

Paige strahlte. „Bestimmt wird es das. Du kannst jede Menge interessanter Dinge sehen, und falls dir danach ist, einfach nichts zu tun, ist das auch okay.“

Jillian nickte. Nichtstun klang nicht schlecht. Sie musste ja zugeben, dass sie Aidan vermisst hatte. Seine heißen SMS. Die E-Mails, die ihr Blut in Wallung brachten. Die nächtlichen Telefonate, die Schauer prickelnden Verlangens in ihr auslösten.

Aber das war gewesen, bevor sie die Wahrheit erfahren hatte. Jetzt wollte sie nur noch eines: ihn endlich vergessen. Paige hatte recht. Sie musste abschalten. Sie wollte diese Kreuzfahrt machen. Allein.

Dr. Aidan Westmoreland betrat sein Apartment und warf frustriert einen Blick auf die Uhr. Er hätte erwartet, längst etwas gehört zu haben. Was, wenn …

Das Klingeln seines Handys ließ ihn innehalten. „Paige?“

„Ja, ich bin’s.“

„Und? Fährt sie?“ Sein knapper Ton verriet die innere Anspannung.

Am anderen Ende entstand eine kleine Pause. Dann folgte die erlösende Nachricht: „Ja, sie fährt.“

Erleichtert atmete er auf.

„Jill hat keine Ahnung, dass ich von eurer Affäre weiß“, fuhr Paige fort.

Aidan hatte auch nicht gewusst, dass Paige etwas ahnte, bis sie ihn im vergangenen Monat besucht hatte. Bereits einige Jahre zuvor hatte sie eins und eins zusammengezählt, als er zur Hochzeit seines Cousins Riley nach Hause gekommen war und sie zufällig gehört hatte, wie er Jillian zärtlich Jilly nannte. Im letzten Jahr dann hatte sie gespürt, dass etwas Jillian bedrückte. Etwas, über das sie nicht sprechen wollte.

Paige hatte mit Ivy gesprochen, Jillians bester Freundin, die sich ebenfalls Sorgen machte. Ivy hatte ihr alles erzählt, was sie über Jillians Verhältnis zu Aidan wusste. Das hatte Paige veranlasst, zu ihm nach Charlotte zu fliegen und ihn zur Rede zu stellen. Bis zu dem Zeitpunkt hatte er keine Ahnung gehabt, was Jillian veranlasst hatte, ihre Beziehung zu beenden.

Paige erzählte ihm von der Kreuzfahrt, die sie gemeinsam mit Jillian plante. Als sie vorschlug, selbst von der Reise zurückzutreten, damit er an ihrer Stelle fahren und Jillian allein für sich haben konnte, hatte er nur zu bereitwillig zugestimmt.

Ich habe meinen Teil getan, und der Rest liegt jetzt bei dir, Aidan. Ich hoffe, du kannst Jillian von der Wahrheit überzeugen.

Kurze Zeit später beendete er das Gespräch und ging in die Küche, um sich ein Bier zu holen. Zwei Wochen allein mit Jillian – das war seine Chance. Nach diesen zwei Wochen würde sie nicht mehr daran zweifeln, dass er der richtige Mann für sie war.

Er zog sich aus, um zu duschen. Dabei musste er daran denken, wie seine geheime Affäre mit Jillian vor fast vier Jahren begonnen hatte …

1. KAPITEL

Vier Jahre zuvor

„Wie fühlt es sich an, einundzwanzig zu sein?“

Jillian stockte der Atem, als Aidan Westmoreland ihr gegenüber Platz nahm. Erst jetzt bemerkte sie, dass alle anderen ins Haus gegangen waren. Sie und Aidan waren allein auf der Terrasse, die einen wunderbaren Blick auf den See gewährte.

Diese Geburtstagsparty war eine große Überraschung gewesen – aber noch größer war die über Aidans Erscheinen, denn er kam nur selten von der Uni nach Hause. Es erschien ihr wenig wahrscheinlich, dass er allein wegen ihrer Party gekommen war. Da sie selbst die meiste Zeit am College war, kreuzten sich ihre Wege nur selten. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie in den vier Jahren, die sie ihn nun kannte, je ein wirkliches Gespräch mit ihm geführt hätte.

„Das Gefühl ist nicht anders als gestern“, bemerkte sie trocken. „Das Alter ist ja nur eine Zahl. Keine große Sache.“

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Ein wunderbares Lächeln, das genau zu seinem allgemeinen Erscheinungsbild passte. Wenn auf irgendjemanden der Begriff des optischen Leckerbissens passte, dann auf ihn. Sie war ihm vom ersten Augenblick an verfallen. Richtig verfallen.

Aber welcher Frau würde es beim Anblick eines solchen Mannes anders gehen? Wenn es nicht seine Lippen waren, dann diese dunklen Augen, die einen so durchdringend ansehen konnten. Jillians Herz machte jedes Mal einen Satz, wenn ihre Blicke sich trafen.

„Nur eine Zahl?“ Er lachte leise und streckte die langen Beine vor sich aus. „Frauen mögen das so sehen, aber für Männer ist das anders.“

Er roch gut. Seit wann fiel ihr so etwas auf?

„Wieso, Aidan?“ Jillian nippte an ihrer Limonade. Ihr war plötzlich unerklärlich heiß geworden. Sie sah, wie er eine Braue hochzog und amüsiert lächelte.

„Bist du sicher, dass ich Aidan bin und nicht Adrian?“

Ja, da war sie sich hundertprozentig sicher. Nur Aidan berührte sie auf eine Weise, über die sie jetzt nicht weiter nachdenken wollte. Aber sie hatte gehört, dass er und sein eineiiger Zwilling nichts ahnende Mitmenschen, die sie nicht auseinanderhalten konnten, oft hinters Licht führten.

„Ich bin mir sicher“, bestätigte sie.

Er beugte sich zu ihr herüber und sah ihr tief in die Augen. „Und woher willst du das wissen?“

Bildete sie es sich nur ein, oder hatte sich seine Stimme zu einem rauen Flüstern gesenkt? Sein Bruder und er hatten den Ruf, wahre Frauenhelden zu sein. Dass er gern flirtete, hatte sie selbst auf diversen Hochzeiten im Hause der Westmorelands beobachten können. Und sie konnte es den Frauen nicht verdenken, dass sie diesen Männern verfielen.

„Ich weiß es einfach.“ Ihr Ton verriet, dass sie nicht die Absicht hatte, sich weiter zu dieser Frage auszulassen.

Ihr Schwager Dillon hatte sie vor der Hochzeit mit ihrer Schwester Pam mit seinem Bruder Aidan bekannt gemacht. Damals war sie gerade siebzehn gewesen und noch zur Highschool gegangen. Sie war Aidan vom ersten Augenblick an verfallen. Das Problem war: An diesem Zustand hatte sich seither nichts geändert. Eine Tatsache, die sie niemals zugegeben hätte.

„Wieso?“

Sie sah auf. „Wieso – was?“

„Wieso bist du dir so sicher? Du hast es noch nicht erklärt.“

Sie unterdrückte ein Seufzen. Wieso konnte er es nicht dabei belassen? Sie hatte nicht die Absicht, weiter über dieses Thema zu sprechen. Da sie ahnte, dass er keine Ruhe geben würde, erklärte sie vage: „Ihr beide klingt unterschiedlich.“

Sein Lächeln zauberte Grübchen auf seine Wangen. Reagierten ihre Hormone ohnehin bereits chaotisch, so liefen sie jetzt mehr oder weniger Amok. „Merkwürdig. Die meisten sagen, dass unsere Stimmen völlig gleich klingen.“

„Das finde ich nicht.“

Nur Aidans Stimme konnte ihre Nerven zum Vibrieren bringen, nicht Adrians. Um das Gespräch in eine unverfänglichere Richtung zu lenken, fragte sie: „Und? Wie läuft’s am College?“

Er begann, von seinem Medizinstudium zu erzählen. Seit sie sieben war und ihre Mutter an einem Hirntumor gestorben war, träumte sie davon, Medizin zu studieren und Neurochirurgin zu werden.

Er berichtete von einem dualen Ausbildungsprogramm zum Facharzt, das Kliniken in Portland und Charlotte anboten. Dort wollte er sich nach dem Examen bewerben. Er wollte Kardiologe werden und freute sich auf diese Arbeit. Sie spürte es an der Begeisterung, die in seinem Ton mitschwang. Diese Gefühle konnte sie teilen, weil es ihr selbst ebenso erging, auch wenn sie noch ein Jahr bis zu ihrem ersten Abschluss an der Universität von Wyoming vor sich hatte. Erst dann konnte sie ihr Medizinstudium aufnehmen.

Während er redete, gönnte sie sich das Vergnügen, ihn verstohlen zu betrachten. Der Mann war einfach in jeder Hinsicht umwerfend. Seine Stimme war samtweich mit einem rauen Unterton, der unglaublich sexy war. Dann diese markante Nase. Sinnliche volle Lippen. Ein kantiges Kinn. Sie liebte es, den Blick über seine Züge gleiten zu lassen.

„Weißt du schon, wo du nach dem Bachelor dein Medizinstudium machen möchtest, Jillian?“

Ruckartig kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Er hatte sie etwas gefragt und wartete jetzt auf ihre Antwort. Hatte er bemerkt, wie sie ihn betrachtete?

„Ich habe mir schon immer gewünscht, in New Orleans zu leben. Ein Ausbildungsplatz dort steht also ganz oben auf meiner Liste.“ Sie wich seinem Blick aus.

„Und die zweite Wahl?“

Sie zuckte die Schultern. „Da bin ich mir nicht sicher. Vielleicht Florida.“

„Wieso?“

Sie runzelte die Stirn. Wieso fragte er sie so aus? „Ich bin noch nie dort gewesen – vielleicht deswegen.“

„Ich hoffe, das ist nicht der einzige Grund“, erwiderte er lachend.

„Natürlich nicht“, sagte sie hitzig. „Aber ich weiß, dass es sowohl in Louisiana als auch in Florida eine gute medizinische Ausbildung gibt.“

Er nickte. „Das stimmt. Wie ist dein Notendurchschnitt?“

„Gut. Ich gehöre zu den Besten meines Jahrgangs.“

Es war nicht leicht gewesen, so weit zu kommen. Jillian hatte viele Opfer gebracht, besonders was ihr soziales Leben anging. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ausgegangen war. Aber das war okay. Pam hatte die meisten Kosten für die Ausbildung übernommen, und Jillian wollte, dass ihre Schwester stolz auf sie sein konnte. Es war ein langer Weg: zuerst das vierjährige Universitätsstudium, das mit dem Bachelor-Titel abgeschlossen wurde. Das hatte sie bald hinter sich. Erst nach dem anschließenden, ebenfalls vierjährigen Medizinstudium konnte sie als Assistenzärztin in einem Krankenhaus arbeiten und eine Facharztausbildung machen.

„Was ist mit dem Zulassungsexamen für das Medizinstudium? Ich meine das MCAT. Hast du dafür schon was getan?“

„Das ist noch zu früh.“

„Es ist nie zu früh. Ich rate dir, schon jetzt in deiner Freizeit damit anzufangen.“

Jetzt war es an ihr, zu lächeln. „Freizeit? Was ist das denn?“

„Ganz gleich, ob du glaubst, Zeit zu haben, oder nicht – du solltest so früh wie möglich mit den Vorbereitungen beginnen und deine Zeit klug einteilen, damit du nicht schon vor dem Studium zusammenbrichst.“

Einerseits ärgerte sie sein Rat, andererseits musste sie zugeben, dass er bereits hinter sich hatte, was ihr noch bevorstand. Und soweit sie gehört hatte, war er sehr gut. Er würde die berühmte Harvard-Universität als einer der besten Absolventen verlassen und konnte sich dann einen Platz für seine Facharztausbildung aussuchen. Er würde die Chance haben, mit den besten Kardiologen in den gesamten Vereinigten Staaten arbeiten zu können.

„Danke für den Rat, Aidan.“

„Wenn du dich auf den Zulassungstest vorbereitest, lass es mich wissen. Ich werde dir helfen.“

„Wirklich?“

„Natürlich. Sogar wenn ich zu dir kommen muss, um es zu tun.“

Fragend sah sie ihn an. Er würde zu ihr kommen? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Harvard war in Boston, und von dort war es ein weiter Weg bis zu ihrer jetzigen Universität in Laramie, Wyoming.

„Gib mir doch für einen Moment dein Handy.“

„Wieso?“

„Damit ich meine Nummern einspeichern kann.“

Verblüfft zog Jillian ihr Handy aus der Hosentasche und reichte es ihm. Sie versuchte, das erregende Prickeln zu ignorieren, das sie überlief, als ihre Hände sich dabei flüchtig berührten. Fasziniert beobachtete sie, wie seine Finger rasch die Zahlen eingaben. Die Finger eines Chirurgen. Lange, schlanke, kräftige Finger. Wie mochte es sein, wenn sie ihre Haut berührten? Allein der Gedanke ließ sie erschauern.

Sekunden später klingelte sein Handy und riss sie aus ihren Gedanken. Sie begriff, dass er seine eigene Nummer angerufen hatte, um ihre Nummer bei sich abzuspeichern. „Das war’s.“ Er gab ihr das Handy zurück. „Nun hast du meine und ich deine Nummer.“

Zog sie irgendwelche voreiligen Schlüsse, oder hatte seine Stimme wirklich einen bedeutungsvollen Unterton? Schweigend steckte sie das Handy ein und verdrängte alle hoffnungsvollen Gedanken.

Mit einem Blick auf die Uhr erhob er sich. „Adrian und ich wollen uns in der Stadt mit Canyon und Stern auf einen Drink treffen. Ich muss los. Also: alles Gute zum Geburtstag.“

„Danke, Aidan.“

An der Terrassentür drehte er sich noch einmal zu ihr herum. Der durchdringende Blick dieser dunklen Augen ließ sie erneut erschauern. Was war das? Leidenschaft? Lust? Reine Chemie? Sicher ein wenig von allem – und mehr. Seit ihre Schwester Pam in die große Familie der Westmorelands eingeheiratet hatte, hatte sie, Jillian, immer wieder feststellen können, dass alle Männer der Familie ausgesprochen gut aussahen. Aber Aidan hatte etwas an sich, das sie ganz besonders ansprach. Es weckte ihre ganze Weiblichkeit zum Leben.

Sie räusperte sich. „Ist was?“, fragte sie, als das Schweigen zwischen ihnen sich dehnte.

Ihre Frage ließ ihn aufschrecken. Er runzelte leicht die Stirn, bevor er kurz lächelte. „Ich bin mir nicht sicher.“

Fragend sah Jillian ihm nach. Was hatte er damit gemeint?

Warum muss es ausgerechnet Jillian Novak sein?

Gleich bei der ersten Begegnung hatte Aidan sich zur ihr hingezogen gefühlt. Er war zweiundzwanzig gewesen und sie gerade siebzehn. Bildhübsche siebzehn. Er hatte sofort gewusst, dass er auf Distanz gehen musste. Nun war sie einundzwanzig und wirkte immer noch so unschuldig wie vor vier Jahren. Nach allem, was er gehört hatte, gab es keinen Mann in ihrem Leben. Sie konzentrierte sich ganz auf ihr Studium.

Aidan liebte seine Familie. Wieso ließ er es also zu, dass er sich zur Schwester seiner Schwägerin Pam hingezogen fühlte? Nichts lag ihm ferner, als Probleme für seinen Cousin Dillon heraufbeschwören zu wollen.

Pam Novak war eine Perle und genau die Frau, die Dillon verdient hatte. Alle waren schockiert gewesen, als Dillon erklärte, er wolle wieder heiraten. Ausgerechnet Dillon! Er hätte es besser wissen sollen! Hatte seine erste Frau ihn nicht verlassen, als er sich weigerte, die jüngsten vier Familienmitglieder – nämlich Aidan, Adrian, Bane und Bailey – in Pflegefamilien zu geben? Wie konnte Dillon sicher sein, dass Pam anders war? Aber es dauerte nicht lange, bis die ganze Familie begriff: Pam war in der Tat anders.

Sie kannte den Wert der Familie. Sie hatte es bewiesen, als sie auf ihre Karriere beim Film verzichtet hatte, um sich um ihre drei Schwestern zu kümmern, nachdem ihr Vater gestorben war.

Die Westmorelands hatten einen ähnlichen Schicksalsschlag einstecken müssen. Aidans Eltern waren zusammen mit seinem Onkel und seiner Tante bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Sein Cousin Dillon als der Älteste übernahm die Verantwortung, unterstützt von Ramsey, Aidans ältestem Bruder. Dillon und Ramsey hatten alles getan, um die Familie zusammenzuhalten. Alle fünfzehn Cousins und Cousinen.

Aidans Eltern hatten acht Kinder gehabt: fünf Jungen – Ramsey, Zane, Derringer und die Zwillinge Aidan und Adrian – und drei Mädchen: Megan, Gemma und Bailey. Onkel Adam und Tante Clarissa hatten sieben Söhne gehabt: Dillon, Micah, Jason, Riley, Canyon, Stern und Bane.

Es war nicht leicht gewesen, besonders da er, Adrian, Bane und Bailey noch unter sechzehn gewesen waren. Die vier waren es auch gewesen, die ständig in irgendwelchen Problemen gesteckt hatten, bis die Behörden schließlich eine Unterbringung in Pflegefamilien anordneten. Dillon legte Berufung ein gegen diese Entscheidung und gewann. Zum Glück für die vier jüngsten Westmorelands hatte Dillon begriffen, dass alle Probleme letztlich auf ihre Trauer um den Verlust der Eltern zurückzuführen waren. Jetzt studierte Aidan Medizin. Adrian stand kurz vor dem Abschluss seines Ingenieur-Studiums. Brisbane war bei der Marine, und Bailey besuchte Kurse an der örtlichen Universität, während sie gleichzeitig in Teilzeit arbeitete.

Gegen seinen Willen schweiften Aidans Gedanken zurück zu Jillian. Die Geburtstagsparty am Vortag war eine Überraschung gewesen. Ihre schockierte Miene war einfach göttlich gewesen. Hinreißend. Hätte er noch irgendwelche Zweifel daran gehabt, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte – seine Reaktion auf diese Begegnung hätte sie beseitigt.

Sie war auf die Terrasse gekommen in dem Glauben, es gebe eine Abschiedsparty für seine Schwester Gemma, die Callum geheiratet hatte und mit ihm nach Australien gehen wollte. Stattdessen erwartete sie eine Geburtstagsparty für sie selbst. Sie vergoss vor Rührung ein paar Tränen. Tränen, die er gern fortgeküsst hätte. Dann umarmte sie Pam und Dillon und dankte ihnen, dass sie an ihren einundzwanzigsten Geburtstag gedacht hatten. Nach allem, was er gehört hatte, war dies ihre erste Party gewesen.

Während alle sich darum drängten, ihr zu gratulieren, hielt er sich im Hintergrund und betrachtete sie verstohlen. Das leichte Sommerkleid war bezaubernd. Sie war eindeutig nicht mehr die Siebzehnjährige, die er vor vier Jahren kennengelernt hatte. Ihr Gesicht war voller geworden, ihre Züge reifer und ihr Körper …

Woher waren diese Rundungen gekommen? Die hätte er niemals übersehen können. Sie war kleiner als er mit seinen einen Meter achtzig. Er schätzte sie auf gut einen Meter sechzig. Und ob es Pam gefiel oder nicht: Ihre Schwester war rundum eine Augenweide. Er kannte keine andere Frau, die derart sexy war.

Als er begriff, dass er der Einzige war, der ihr noch nicht gratuliert hatte, wollte er gerade zu ihr gehen, aber in dem Moment klingelte sein Handy. Rasch verließ er die Terrasse, um den Anruf eines Freundes entgegenzunehmen, der ihm ein Blind Date für das kommende Wochenende schmackhaft machen wollte.

Kurze Zeit später kehrte er auf die Terrasse zurück. Bis auf Jillian waren alle ins Haus gegangen, um sich einen Film anzusehen oder Karten zu spielen. Sie war allein. Nie würde sie erfahren, wie schwer es ihm gefallen war, ihr gegenüberzusitzen, ohne sie berühren zu können. Sie sah einfach hinreißend aus. Und duftete gut.

Jillian Novak ging ihm eindeutig unter die Haut.

Aber Dillon und Pam würden ihn umbringen, wenn er seine Gefühle nicht in den Griff bekam.

Jeder wusste, dass Pam ihre Schwestern behütete wie eine Glucke ihre Küken. Genauso wie jeder wusste, dass Aidan ein Frauenheld war, der mitnahm, was sich bot, ohne die Beziehungen je ernst zu nehmen. Und er hatte nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. Unter diesen Umständen war es also das Beste, wenn er in den kommenden drei Tagen auf Abstand zu Jillian blieb – so wie er es immer getan hatte.

Und warum hast du ihr dann deine Nummer gegeben?

Okay, das war vielleicht nicht sehr klug gewesen. Nur gut, dass sie ihn mit größter Wahrscheinlichkeit nie anrufen würde. Und umgekehrt würde er es ebenso halten. Das war eine gute Absicht. Wenn er sich jetzt noch dazu bringen könnte, nicht mehr ständig an sie zu denken, wäre eigentlich alles in Ordnung. Er zwang den Blick auf die medizinische Fachzeitschrift, die er vor sich hatte, und versuchte, sich auf den Text zu konzentrieren.

„Würdest du mir einen großen Gefallen tun?“

Aidan sah auf, als seine Schwester Bailey ihn ansprach. Sie war immer das Baby der Westmorelands gewesen, bis Dillon und Pam einen kleinen Sohn und Ramsey und seine Frau Chloe eine Tochter bekommen hatten.

„Das hängt davon ab, was es ist.“

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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