Traumhochzeit ohne Tabu

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EINE (FAST) PERFEKTE HOCHZEIT

Griffin Slater liebt die Tochter seines Chefs! In seinen Träumen hat er Eva Tremont schon unzählige Male geliebt, sie sinnlich geküsst und zärtlich verführt. Das genügt ihm längst nicht mehr, als er erfährt, dass Eva sich völlig überstürzt mit einem anderen verlobt hat. Jetzt muss er handeln. Und er ist fest entschlossen, seine Traumfrau für sich zu gewinnen. Den üblichen hitzigen Wortgefechten sollen bald heiße Küsse folgen … Griffin hat auch schon einen (fast) perfekten Plan: Er wird Eva engagieren, damit sie ihre Hochzeit vorbereitet - und Mrs. Griffin Slater wird.

HOCHZEIT JA, LIEBE NEIN?

"Willst du meine Frau werden?" Unfassbar, dass Nick Valente ihr ernsthaft diese Frage stellt! Damals, vor sieben Jahren, hätte Sasha nicht gezögert … nach dem Kuss im blumenumrankten Pavillon, als ihr minutenlang schwindlig vor Glück war - weil sie naiv daran geglaubt hatte, dass Nick ihre Gefühle erwiderte! Jetzt will er sie nur heiraten, um das Familien-Anwesen zu bekommen. Schade eigentlich, findet Sasha, als sie vor ihm steht und ein verräterisches Kribbeln im Bauch spürt. Oder ist es doch mehr als Berechnung, was sie in seinen blauen Augen aufflackern sieht?

ES BEGANN IN DER HOCHZEITSNACHT

Die Hochzeitssuite, zu der Damon Blakely sie führt, ist zwar luxuriös, hat aber nur ein Schlafzimmer. Lily überläuft es siedend heiß, als er sie hineinträgt. Sofort erinnert sie sich daran, wie sie einander lustvoll geliebt haben. Doch das darf nie wieder passieren! Denn diese Ehe ist nur ein Geschäft: Damon kann erben, während Lily die nötige Unterstützung für ihre Familie bekommt. Nie wieder wollte Lily tiefe Gefühle für diesen Mann entwickeln … Aber da passiert es schon. Kaum spürt sie seine Lippen auf der Haut, ist sie von einem unwiderstehlichen Verlangen erfüllt …

HOCHZEIT MIT EINEM PLAYBOY

Hochzeit in Las Vegas! Noch kann Stephanie, die eher unscheinbare Bibliothekarin, es selbst kaum fassen. Der immens reiche, charmante Großgrundbesitzer Alex Kent hat ausgerechnet sie auserwählt. Leider keine Liebesheirat, sondern nur eine Scheinehe. Doch Stephanie, die seit Jahren schon heimlich für Alex schwärmt, will sich diese Chance nicht entgehen lassen. In einem neuen verführerischen Outfit erscheint sie zum Hochzeitsdinner und sieht an Alex begehrlichen Blicken, dass sie die gewünschte Wirkung erzielt. Diese Nacht will sie nicht allein bleiben ...


  • Erscheinungstag 29.04.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787851
  • Seitenanzahl 608
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Anna Depalo, Maxine Sullivan, Rachel Bailey, Cathleen Galitz

Traumhochzeit ohne Tabu

Anna DePalo

Eine (fast) perfekte Hochzeit

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2008 by Anna DePalo
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1543 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Angelika Beecken-Klevesath

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-527-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

„Ich werde ihn heiraten.“

Den falschen Mann.

Nein, den richtigen Mann. Eva korrigierte sich. Warum hatte sie denn plötzlich gezweifelt? Ihr Vater sah die Dinge negativ, sie ganz bestimmt nicht.

Sicher, sie hatte nicht dieses überwältigende Gefühl, dass es das einzig Richtige war, dass dieser Mann ihr Schicksal war; aber das war sentimental. Entschlossen verbannte sie diese irrationalen Gedanken.

Stattdessen erinnerte Eva sich an die Erfahrungen, die sie im Beruf gemacht hatte. Wie oft in ihrer Karriere war es schon passiert, dass plötzlich alles schiefzulaufen schien, bevor sich dann alles zum Besten gewendet hatte? Gut, sie hatte auch schon Veranstaltungen organisiert und geglaubt, dass nichts dazwischenkommen konnte – und sich dann einem fürchterlichen Desaster gegenübergesehen.

Nein, niemand konnte in die Zukunft blicken. Und von ihrem Vater, der sie verärgert und ungläubig anschaute, wollte Eva sich nicht von ihrem Entschluss abbringen lassen.

Marcus Tremont stand vor dem massiven Eichentisch und schlug mit der Hand auf die Tischplatte. „Verdammt, Eva! Hast du den Verstand verloren? Carter Newell ist ein hinterlistiger Mitgiftjäger. Du wirst keinen Penny von mir bekommen.“

Sie presste die Lippen aufeinander. Auf keinen Fall wollte sie sich anmerken lassen, wie sehr die Worte ihres Vaters sie verletzten. Heute hatte sie sich gleich nach der Arbeit – montags war stets ein ruhiger Tag – auf den Weg zum Familiensitz im exklusiven Mill Valley gemacht. Obwohl Eva sich gründlich auf die zu erwartende Auseinandersetzung vorbereitet hatte, fiel es ihr jetzt schwer, die Fassung zu bewahren.

„Glücklicherweise brauchen wir dein Geld nicht. Occasions by Design läuft sehr gut.“

In den letzten Jahren hatte sie sich in der Bay Area einen Namen gemacht, Eva organisierte die beliebtesten Veranstaltungen und die rauschendsten Feste. Zu ihren Auftraggebern gehörten die angesehensten Familien in San Francisco und etliche gemeinnützige Organisationen.

Seufzend strich sich ihr Vater durch das graue Haar. „Ich werde nie verstehen, was du an diesem Carter Newell findest.“

Sie hatten schon mehrfach über das Thema debattiert, immer mit dem gleichen Ergebnis. Irgendwie hatte sie trotzdem gehofft, dass es heute anders sein würde. Immerhin hatte Eva ihrem Vater gerade von ihrer Verlobung erzählt.

Im Gegensatz zu ihrem Vater und seinesgleichen drehte sich in Carters Leben nicht alles um seinen Job. Im Gegenteil, Carter gab ihr das Gefühl, dass sie das Wichtigste in seinem Leben war.

„Carter liebt mich“, antwortete sie nur. Zweifelnd runzelte Marcus Tremont die Stirn. „Oder dein Bankkonto.“

Sie biss die Zähne zusammen. Ihr Vater war immer vorsichtig gewesen, sogar misstrauisch, wenn sie sich mit jungen Männern getroffen hatte. Wahrscheinlich verhielt er sich so, weil sie das einzige Kind und die Alleinerbin seines Vermögens war.

Doch ihr Vater hatte seine Haltung Carter gegenüber nicht geändert, auch nicht, nachdem er ihn besser kennengelernt hatte. Natürlich war die Situation jetzt anders … Schließlich hatte Eva nie übers Heiraten gesprochen, wenn sie ihrem Dad früher ihren Freund vorgestellt hatte.

„Hat Carter überhaupt einen Job?“, fuhr er gereizt fort. „Hilf mir auf die Sprünge. Womit beschäftigt er sich noch mal?“

Ihr Vater wusste ganz genau, womit Carter seinen Lebensunterhalt verdiente. Resigniert seufzte Eva. Es nützte nichts, sie musste ihrem Vater eine Antwort geben. „Carter arbeitet als unabhängiger Finanzberater.“

Als sie vor einigen Monaten beiläufig erzählt hatte, was Carter beruflich machte, war Eva überzeugt gewesen, dass wenigstens das die Anerkennung ihres Dads finden würde. Denn Marcus Tremont achtete stets darauf, sein Geld gewinnbringend anzulegen.

Doch stattdessen hatte er nur mäßig begeistert reagiert. Und als sie schließlich angedeutet hatte, dass sie darüber nachdachte, Carter zu heiraten … Seit jenem Tag ging es mit der Laune ihres Vaters rasant bergab.

„Quatsch“, kommentierte er unwirsch und wiederholte, was er bereits bei früheren Gelegenheiten unermüdlich heruntergebetet hatte. „Das ist nur eine aufgeblasene Berufsbezeichnung, hinter der sich nichts anderes verbirgt als das schnöde alte Wort ‚Mitgiftjäger‘.“

„Carter kommt aus einer wohlhabenden Familie.“ Wieder einmal ergab ein Wort das andere. Sie tauschten immer wieder dieselben Argumente aus, was auch dieses Mal zu nichts führen würde. Allmählich bekam Eva Kopfschmerzen.

„Er kam aus einer wohlhabenden Familie. Aber das ist lange vorbei“, konterte ihr Vater. „Seitdem er selbst nichts mehr hat, gibt er damit an, das Geld anderer Leute zu verwalten.“

Der Hieb saß. „Du bist unmöglich! Nur weil die Newells nicht mehr so reich sind, wie sie einmal waren, unterstellst du Carter, dass er in eine reiche Familie einheiraten will.“

Noch während sie sprach, ärgerte sie sich darüber. Wenn sie mit ihrem Vater diskutierte, klang sie viel zu häufig wie ein störrischer Teenager. Dabei war sie doch alles andere als das.

„Glaub mir, Eva. Die Menschen können ziemlich hartnäckig werden, wenn sie verzweifelt versuchen, einen Absturz zu vermeiden, und ihren Lebensstandard halten wollen.“

Sie waren beide laut geworden. Eva musste sich eingestehen, dass es sinnlos war, ihre bevorstehende Hochzeit als ein erfreuliches Ereignis darstellen zu wollen.

„Wo ist denn der Ring?“, fragte ihr Vater abrupt und fixierte suchend ihre Hand. „Ich sehe keinen.“

„Das liegt daran, dass ich noch keinen habe.“

Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Auf seiner Miene las Eva, was er dachte: Siehst du? Brauchst du noch mehr Beweise?

„Ich weiß, was du denkst“, beeilte sie sich zu sagen, bevor er seinen Gedanken laut aussprechen konnte. „Aber ich habe noch keinen Ring, weil wir ihn zusammen aussuchen werden.“

„Wie denn?“, fragte er spitz. „Willst du dafür einen Kredit aufnehmen?“

Wahrscheinlich konnte ihre Verlobung nicht offiziell bekannt gegeben werden, solange sie keinen Ring an der Hand trug. Diesen Einwand musste Eva gelten lassen. Aber sie weigerte sich, mit ihrem Vater darüber zu diskutieren. Bei einem Verlobungsring ging es nur um reine Symbolik und darum, was die Leute sagten.

Es klopfte an der Tür. Vater und Tochter schwiegen und blickten auf die verschlossene Tür der Bibliothek.

„Herein“, rief Marcus Tremont mit tiefer Stimme.

Die Tür öffnete sich, und Griffin Slater trat ein.

Eva kniff die Augen zusammen.

Griffin Slater. Die rechte Hand ihres Vaters. Und natürlich hielt ihr Dad diesen Mann für den perfekten Kandidaten, wenn es um die Frage ging, wen Eva heiraten sollte.

Und sie ging ihm am liebsten aus dem Weg. Sie kannte Griffin schon, seit er vor einem Jahrzehnt bei Tremont Real Estate Holding angefangen hatte.

Zunächst hatte sie ihn kaum wahrgenommen. Sie hatte ihn nur für einen weiteren frischgebackenen Stanford-Absolventen gehalten. Im Unternehmen ihres Vaters wollten Männer wie er das Immobiliengeschäft von der Pike auf lernen und die Karriereleiter immer weiter hinaufsteigen.

Griffin war inzwischen fünfunddreißig Jahre alt. Und er hatte in den vergangenen Jahren immer mehr Verantwortung übertragen bekommen. Weil Evas Vater Vorsorge treffen wollte, hatte er damit begonnen, die Führung des Familienunternehmens allmählich in die Hände besonders qualifizierter und treuer Mitarbeiter zu legen.

Immer wenn Eva Griffin sah, versetzte es ihr einen Stich. In seiner Gegenwart hatte sie ständig das Gefühl, als Alleinerbin des Unternehmens ihres Vaters versagt zu haben. Eigentlich hätte sie einmal Tremont Real Estate Holding übernehmen sollen. Daran hatte sie allerdings keinerlei Interesse gezeigt – und stattdessen gleich nach ihrem Abschluss in Berkeley angefangen, eine eigene Eventagentur aufzubauen.

Eva war klar, dass ihre Arbeit nur von wenigen ernst genommen wurde. Allzu viele glaubten, dass sie als Mädchen aus gutem Hause eher einem Hobby nachging statt einem echten Beruf. Und zweifellos teilte Griffin Slater diese Ansicht.

Doch immerhin hatte sie sich eine eigene Existenz aufgebaut. Eva hätte es sich leichter machen können. Und im Gegensatz zu Griffin riss sie nicht das Unternehmen eines anderen an sich.

Als sie ihn jetzt ansah, verzog er keine Miene. Er hatte mal wieder sein Pokerface aufgesetzt, wie so oft, wenn er mit ihr sprach.

Mit seiner Größe von über einem Meter achtzig und seinem markanten Gesicht wirkte er mehr wie ein Boxer als wie ein Model. Trotzdem hatte er eine starke Wirkung auf Frauen. Das hatte Eva bei zahlreichen gesellschaftlichen Anlässen in den letzten Jahren beobachten können.

Wahrscheinlich lag es an seinen ausdrucksstarken dunklen Augen, vielleicht auch an dem vollen schwarzen Haar, das sich trotz des extrem kurzen Schnitts widerspenstig lockte. Und sicher hatte es auch mit seiner athletischen Statur zu tun … Eva hatte selbst mehr als einmal einen längeren Blick auf seinen gut gebauten Körper riskiert – bevor sie sich streng zur Ordnung gerufen hatte.

„Du kommst gerade rechtzeitig für den großen Auftritt, Griffin“, sagte sie spöttisch.

Mäßig interessiert sah er sie an, während er die Tür hinter sich schloss.

Widerwillig bemerkte sie, wie erleichtert ihr Vater war, Griffin zu sehen – oder Mr. Okay, wie sie ihn heimlich nannte.

Nun würde Griffin Zeuge einer weiteren dramatisch ausufernden Familienschlacht werden. Das passierte nicht zum ersten Mal. Anscheinend hatte er ein besonderes Gespür für unangenehme Situationen und tauchte stets im entscheidenden Moment auf.

„Welcher Auftritt? Ich muss zugeben, dass ich neugierig bin“, fragte er wie allzu oft amüsiert, was Eva wie immer irritierte und auch ein wenig wütend machte.

Marcus Tremont schlug mit der Hand auf den Tisch. „Meine Tochter hat beschlossen, den unmöglichsten Mann zu heiraten, den ich kenne.“

„Dad!“

Als Griffin ihr einen schnellen Blick zuwarf, spürte sie regelrecht, wie sich die angespannte Atmosphäre im Raum verstärkte.

„Wer ist denn der Glückliche?“

Als ob er es nicht wüsste, dachte Eva. Griffin und Carter waren sich schon mehrmals begegnet. Einmal hatten sie einander bei einem Empfang im Haus ihrer Eltern die Hand geschüttelt. Ein anderes Mal hatten sie sich zufällig bei einer Vernissage getroffen.

In beiden Fällen war Griffin ohne weibliche Begleitung erschienen. Davon ließ Eva sich nicht täuschen. Sie wusste genau, was für ein Typ Mann er war. Sie hatte Frauen kommen und gehen sehen. Meistens gingen sie, da Griffin es anscheinend ablehnte, zu lange mit derselben Frau auszugehen.

Stolz hob sie ihr Kinn und sah ihm direkt in die Augen. Trotz der peinlichen Vorstellung ihres Vaters gab es keinen Grund, sich zu verteidigen. Eva war sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung.

„Carter Newell“, betonte sie nachdrücklich.

Griffin kam näher. „Dann sollte ich wohl gratulieren.“

So wie er es sagte, klang es weder ehrlich noch besonders herzlich. Aber etwas anderes hatte sie von ihm auch nicht erwartet.

Er musterte sie von oben bis unten. Und obwohl Eva ein stilvolles Designerkleid trug, kam sie sich plötzlich vor, als hätte sie einen unförmigen Jogginganzug an. Ihr Blutdruck stieg, wie immer, wenn sie und Griffin gezwungen waren, miteinander zu reden. In ihren kurzen Gesprächen schwang immer etwas mit; es war ein gewisser Unterton, den sie nicht näher beschreiben konnte und den ihr Vater nicht bemerkte.

„Dein herzliches Beileid wäre wohl eher angebracht“, murrte Marcus Tremont.

Griffins Blick fiel auf ihre Hand. „Wo ist der Ring?“

Seine Worte waren ein perfektes Echo der Bemerkung ihres Vaters. Eva presste angespannt hervor: „Du bist wie mein Dad.“

„Und daran ist nichts verkehrt“, warf Marcus Tremont ein und fixierte dabei Griffin, um ihn zu einer weiteren Bemerkung zu ermuntern.

Griffins Mundwinkel zuckten, so als wäre er bereit, die Herausforderung anzunehmen, die in der Luft lag. „Du siehst aus, als ob du die Vorspeise nach mir werfen oder mich vielleicht mit der Dessertgabel aufspießen willst.“

Da war es wieder … diese indirekte, gönnerhafte Anspielung auf ihre Arbeit. Griffin kritisierte Evas Job, und das in Gegenwart ihres Vaters. Was war denn verwerflich daran, Partys zu organisieren? Stumm seufzte Eva. Offensichtlich konnte sie sich keine Minute lang mit Griffin in einem Raum aufhalten, ohne dass er sie provozierte.

Sie lächelte warnend. „Reiz mich lieber nicht.“

Zu ihrem Vater sagte Eva fröhlich: „Weißt du, du solltest glücklich sein. Schließlich ist es doch so: Je schneller ich heirate, desto schneller könntest du das Enkelkind bekommen, auf das du ständig anspielst.“

Insgeheim gab sie zu, dass der Zeitpunkt der Verlobung ein ganz klein wenig damit zu tun hatte, wie sehr sie sich nach einem Baby sehnte.

Obwohl sie sich mit vielen Männern getroffen hatte, war sie nie dem Richtigen begegnet. Eva wusste nicht, wie viel Zeit ihr noch blieb, Kinder zu bekommen. Immerhin war sie schon über dreißig. Sicher, im Augenblick konnte sie natürlich noch schwanger werden. Aber bald könnte es zu spät sein. Und die Angst, irgendwann eine kinderlose Ehe führen zu müssen, begleitete Eva jeden Tag.

Nachdem sie sich Carter anvertraut hatte, war er sofort Feuer und Flamme für die Idee gewesen. Er wollte so schnell wie möglich nach der Hochzeit eine Familie gründen.

„Jeder, nur nicht Carter Newell“, nahm ihr Vater die Diskussion wieder auf.

Indem er schwieg, schien Griffin zuzustimmen. Zum Teufel mit ihm, dachte Eva.

Der Blick ihres Vaters ging von einem zum anderen. Ihr Dad wirkte noch mürrischer denn je. „Wenn ihr euch wenigstens sympathisch wärt, könnte ich darauf hoffen, dass ihr beide heiratet.“

Eva stockte der Atem.

Jetzt war es raus. Endlich hatte er ausgesprochen, was er wahrscheinlich schon seit langer Zeit dachte.

Mit einem schnellen Seitenblick erkannte Eva, dass Griffin völlig ungerührt dastand. Er ließ sich keinerlei Gefühlsregung anmerken. Und seine Reaktion fiel damit nicht anders aus, als sie erwartet hatte. Es war zum Verrücktwerden. Wie konnte Griffin immer so gelassen bleiben?

Ihr dagegen war die Schamesröte ins Gesicht gestiegen. Eva hoffte nur, dass es niemandem auffiel. Schon setzte sie zu einer Entgegnung an, als Griffin ihr zuvorkam.

„Marcus“, sagte er ruhig, „du weißt, Eva ist zu …“

Wenn er jetzt „frivol“ sagt, schwor sie sich, werde ich ihm gegen das Schienbein treten.

„… zu temperamentvoll für mich.“

Verblüfft hielt sie inne. Angesichts der Tatsache, dass sie gerade noch ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, Griffin gegenüber handgreiflich zu werden, war es wohl sinnlos zu widersprechen.

Griffin schaute sie spöttisch an, ganz so, als ob er ihre Gedanken lesen könnte.

Hastig wandte sie sich wieder ihrem Vater zu. Manchmal fühlte sie sich wie ein weiterer wertvoller Besitz in seinem Gesamtvermögen … und die Heirat mit Carter Newell würde sich für ihn vermutlich nicht auszahlen.

Trotzdem wollte sie nicht nachgeben. „Mom und ich werden nach einem geeigneten Ort für die Feier suchen und ein Hochzeitskleid kaufen gehen.“

Marcus Tremonts Blick verfinsterte sich. „Deine Mutter weiß schon Bescheid?“

Eva zwang sich zu einem fröhlichen Lächeln. „Ich habe ihr schon erzählt, dass Carter und ich verlobt sind, ja. Aber in die Höhle des Löwen wollte ich mich allein wagen.“

Ihr Vater warf ihr einen kühlen Blick zu.

„Ich hoffe, du kommst zur Hochzeit …“, fuhr sie fort. „Ob du dich nun dazu durchringen kannst, mich zum Altar zu führen, oder nicht.“ Die Worte waren so leicht dahingesagt. Doch es schwangen eine Menge Gefühle in diesem entscheidenden Satz, über die Eva nicht nachdenken wollte.

Ohne Griffin eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ die Bibliothek.

Sie war alles, was er sich wünschte. Doch die Situation war total verfahren.

Griffin beobachtete Eva Tremont, wie sie aus dem Raum hinausstolzierte. Das eng anliegende Strickkleid betonte ihre verführerischen Rundungen.

Bewusst entspannte er seine Schultern. Sie führte ihn durchaus in Versuchung. Und das tat sie bereits, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. Sie war sowohl eine eigensinnige Erbin als auch eine clevere Geschäftsfrau. Aber vor allen Dingen war Eva Tremont eine alleinstehende und höchst attraktive Frau.

Ebenso unumstößlich war die Tatsache, dass sie ihn verachtete. Wenn er hätte raten müssen, würde er sagen, es lag daran, dass sie durch ihn ständig daran erinnert wurde, wer eigentlich die Nachfolge ihres Vaters hätte antreten sollen: sie. Und er war kürzlich Geschäftsführer von Tremont Real Estate Holding geworden. Wahrscheinlich streute das Salz in ihre Wunden.

Außerdem, rief er sich ins Gedächtnis, gibt es einen anderen Hinderungsgrund. Er arbeitete in Marcus Tremonts Firma. Darum kam eine Affäre mit Eva für ihn nicht infrage. Denn zur Tochter des Chefs baute man entweder eine ernsthafte Beziehung auf oder gar keine. Und er gehörte nicht zu dem Typ Mann, der sich so schnell festlegte.

Sicher, da er hauptsächlich Marcus zuliebe die Geschäftsführung übernommen hatte, musste er Eva nicht länger als die Tochter des Bosses ansehen. Dennoch war Griffins Respekt vor Marcus als Freund, Kollegen und Mentor zu groß. Niemals hätte er ernsthaft in Erwägung gezogen, Eva näherzukommen.

„Dieser Bastard Newell.“ Marcus Tremont riss Griffin aus seinen Gedanken.

Griffin hatte Newell nur einige Male getroffen. Trotzdem hielt er ihn für einen raffinierten Kerl, der es nur auf Geld abgesehen hatte. Der erste Eindruck trügt selten, dachte Griffin.

Als Carter mit seinen angeblichen Fähigkeiten als Finanzberater geprahlt hatte, hatte Griffin unbeeindruckt zugehört und sich seinen Teil gedacht …

Ganz bestimmt würde er Carter Newell, den er für einen windigen Geschäftemacher hielt, seine Finanzen nicht anvertrauen. Lieber beobachtete Griffin den Markt selbst. Auch wenn Carter nicht müde wurde, seine freundliche Verkäufermasche aufs Neue an Griffin auszuprobieren.

Er hatte Carter nicht gezeigt, was er über ihn dachte. Seltsamerweise hatte Griffin jedoch den Eindruck, dass Carter ihn nicht leiden konnte. Von Zeit zu Zeit hatte Carter sich unbeobachtet gefühlt und ihn angesehen. Und jedes Mal wenn Griffin den Mann dabei ertappte, entdeckte er einen säuerlichen Gesichtsausdruck.

Newell hatte wohl selbst eine Einschätzung der Lage vorgenommen und war zu dem offensichtlichen Schluss gekommen: Marcus Tremont, der Mann, der sein Schwiegervater werden sollte, sah in Griffin seinen Wunschnachfolger – einen Nachfolger, der zudem alleinstehend und ungebunden war.

Ohne Zweifel sah Newell ihn als Rivalen an, der den Geldfluss und möglicherweise auch Eva kontrollieren konnte. Carter war jedoch bereit, seine persönlichen Gefühle beiseitezuschieben, wenn es ihm einen finanziellen Vorteil brachte … Deshalb versuchte er, Griffin als neuen Kunden zu gewinnen.

Dass der Mann derart seine Prioritäten setzte, machte Griffin wirklich zu schaffen. Nicht so sehr seinetwegen, sondern wegen Eva. Wenn Carter bereit war, über vieles hinwegzusehen, um einen neuen Kunden an Land zu ziehen – wie viel mehr würde er auf sich nehmen, um eine reiche Frau zu heiraten?

Marcus Tremont sah Griffin ernst an. „Stelle bitte Nachforschungen für mich an.“

„Was genau soll ich tun?“ Er konnte es sich denken, doch er wollte jedes Missverständnis aus dem Weg räumen.

„Ich möchte, dass du alles über Carter Newell in Erfahrung bringst, was es zu wissen gibt. Engagiere den Privatdetektiv, der sonst immer für die Firma arbeitet.“ Der Blick des älteren Mannes verfinsterte sich. „Ich möchte wissen, was Carter Newell verheimlicht, und zwar bevor er mein Schwiegersohn wird.“

Griffin war erstaunt. Anscheinend gab Marcus sich geschlagen, wenn er davon ausging, dass seine Tochter tatsächlich diesen Carter heiratete. Griffin ließ sich nichts anmerken. Schließlich war er bekannt für sein Pokerface. „Hast du einen besonderen Grund zu glauben, dass er etwas verheimlicht?“

Marcus sah ihn aufmerksam an. „Was ich über die Newells weiß, gefällt mir nicht. Sie haben es geschafft, die Tatsache lange geheim zu halten, dass ihr Vermögen stetig schwand. Täuschung liegt bei denen in der Familie.“

„Ich verstehe. Aber, wenn Eva das herausfindet …“

Er führte den Gedanken nicht weiter aus. Griffin wollte nur sichergehen, dass Marcus sich über die möglichen Konsequenzen seiner Entscheidung im Klaren war. Die Beziehung zu seiner Tochter könnte unwiderruflichen Schaden nehmen, wenn Eva herausfand, dass sie Carter hinterherspioniert hatten.

Und mein Verhältnis zu Eva würde davon sicherlich auch nicht gerade profitieren, dachte Griffin.

„Es gibt keinen Grund, warum Eva davon erfahren sollte“, erwiderte Marcus schroff. „Es sei denn, wir bringen etwas über Newell ans Licht … In dem Fall sollte sie uns sogar dankbar sein.“

Griffin nickte.

Auch wenn er es nicht zeigte, er würde seine Freude daran haben, Carter Newell zu Fall zu bringen. Sollte er tatsächlich etwas verbergen und es mit Eva nicht ehrlich meinen, Griffin würde es herausfinden.

Er verdrängte die Sorge, dass Eva alles andere als erfreut reagieren könnte, sobald sie entdeckte, wer ihrem Verlobten hinterherspionierte …

2. KAPITEL

Griffin blickte aus dem Fenster seiner Villa in Pacific Heights auf die funkelnden Lichter der San Francisco Bay. Während er die Ereignisse des Tages Revue passieren ließ, hielt er sein Weinglas fest umschlossen. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor.

Obwohl er einverstanden gewesen war, Evas Verlobten zu überwachen, hatte Marcus’ Bitte ihn in eine schwierige Situation gebracht.

In den vergangenen Jahren hatte er Eva immer sehr anziehend gefunden, dieses Gefühl jedoch unterdrückt. Dennoch hatte Griffin sich des Öfteren vorgestellt, wie es wäre, sie zu küssen, sie im Arm zu halten und in sein Bett zu tragen … auch wenn sie ihn abwechselnd verwirrte und verärgerte.

Sie erinnerte ihn an eine geschmeidige kleine Katze. Sie hatte einen perfekt proportionierten Körper, war schlank und durchtrainiert. Ihr glattes schwarzes Haar reichte knapp über ihre Schultern. Ihre sinnlichen Lippen luden geradezu zum Küssen ein, und ihre blauen Augen funkelten manchmal wie die einer Katze. Diese charakteristischen Merkmale machten sie zu etwas ganz Besonderem.

Nun hatte man von ihm verlangt, dem Mann hinterherzuspionieren, den sie heiraten wollte. Er sollte hinter dem Mann herschnüffeln, den sie zu lieben glaubte. Griffin sah sich in einer ausweglosen Situation.

Doch er konnte Marcus Tremont seinen Wunsch nicht abschlagen. Nicht nur, dass er selbst kein gutes Gefühl hatte, was Carter Newell betraf. Griffin stand außerdem so tief in Marcus’ Schuld, dass er sie niemals begleichen konnte.

Als seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, hatte Griffin gerade die Highschool beendet. Damals hatte er die Vormundschaft für seinen fünfzehnjährigen Bruder Josh und seine vierzehnjährige Schwester Monica. Durch diesen schweren Schicksalsschlag war er gezwungen, über Nacht erwachsen zu werden. Bereits in jungen Jahren hatte eine riesige Verantwortung auf seinen Schultern gelastet.

Obwohl seine Eltern ihnen kein Vermögen hinterlassen hatten, war es glücklicherweise genug gewesen, um seine jüngeren Geschwister auf eine gute Schule zu schicken und seine eigene Ausbildung fortsetzen zu können.

Nach dem College und dem BWL-Studium hatte Marcus, der ein Geschäftsfreund seines Vaters gewesen war, ihm eine Chance gegeben. Griffin war der erste Job bei der Tremont Real Estate Holding angeboten worden.

Die Geschäftsbeziehung erwies sich für beide Seiten als lukrativ. Griffin entdeckte schon bald, dass er ein gutes Händchen für den Immobilienhandel besaß. Schließlich gründete er seine eigene Firma, Evkit Investments, die durch sein kluges Management schnell weiter expandierte und große Gewinne erwirtschaftete.

Doch aus Loyalität zu Marcus Tremont hatte er auch weiter in dessen Firma gearbeitet. Als sein Mentor sich vor zwei Jahren aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, hatte er Griffin seine Aufgaben übertragen. Marcus blieb zwar weiterhin Aufsichtsratsvorsitzender, vertraute aber ansonsten vollkommen auf Griffins Fähigkeiten. Griffin wusste, was Marcus sich wünschte: dass sein Zögling die Firma weiterführte, die er als sein Lebenswerk betrachtete.

Nachdem Griffin die doppelte Geschäftsführung übernommen hatte, wurden die Büros der beiden Firmen zusammengelegt. Da Evkit Investments und Tremont REH unterschiedliche Geschäftsinteressen verfolgten, gab es keinen Konkurrenzkampf zwischen den beiden Unternehmen. Während bei Tremont REH mit Büroimmobilien gehandelt wurde, hatte sich Evkit auf den Handel mit Baugrundstücken spezialisiert. Und auch für die Zukunft wollte Griffin den Wettbewerb mit der Firma seines Freundes vermeiden.

Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Eva. So anziehend er sie auch fand, er verstand sie einfach nicht. Dass sie sich überhaupt nicht für Tremont REH interessierte, machte ihn wütend. Als Familienmitglied hatte sie einen Sitz im Aufsichtsrat der Firma, doch das war auch ihre einzige Verbindung dazu.

Er hingegen wusste aus Erfahrung, was es hieß, ein solch erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Genau wie Marcus, hatte auch er viel Zeit und Kraft investiert, um seine Firma zum Erfolg zu führen. Mittlerweile war Evkit genauso groß wie Marcus’ Unternehmen. Trotz der Arbeit, die Griffin in Evkit investiert hatte, hatte er auch nie vergessen, sich um Tremont REH zu kümmern. Und er wollte als Geschäftsführer genauso gut sein, wie Marcus Tremont es gewesen war.

Griffin sah blicklos auf San Franciscos Lichter.

Obwohl er Evas mangelndes Interesse am Lebenswerk ihres Vaters verurteilte, konnte er nicht einfach die Augen vor den Tatsachen verschließen. Er fühlte sich zu ihr hingezogen. Wenn er in ihrer Nähe war, hatte er das Gefühl, dass ihm das Blut plötzlich schneller durch die Adern floss. Er verspürte jedes Mal einen Adrenalinstoß … ein berauschendes Gefühl, das ihm beinahe die Sinne raubte.

Eva Tremont forderte ihn heraus. Und er liebte Herausforderungen.

Bisher hatte er sich immer zurückgehalten und versucht, diese Anziehungskraft zu ignorieren, so gut es eben ging. Ihm war klar, dass er nicht einfach Marcus Tremonts Tochter verführen konnte. Wenn er dieser Versuchung nachgab, hätte es Konsequenzen. Und Evas offensichtliche Abneigung gegen ihn machte es ihm leichter, sich zusammenzureißen.

Außerdem hatte er schon genug Verpflichtungen erfüllt, dass es für ein ganzes Leben reichte. Er war ganz sicher nicht scharf auf noch mehr Verpflichtungen, und auf eine Ehe wollte er sich erst recht nicht einlassen.

Er hatte seine jüngeren Geschwister großgezogen und dafür gesorgt, dass sie ihren Platz in der Welt fanden.

Erst in den letzten Jahren bekam er allmählich das Gefühl, endlich aufatmen zu können. Sein Bruder Josh hatte sein Medizinstudium beendet und arbeitete als Chirurg in Denver, wo er kürzlich seine Collegeliebe Tessa geheiratet hatte.

Seine Schwester Monica leitete inzwischen eine Schule für Kinder mit Lernbehinderungen. Vor zwei Jahren hatte Monica den Filmproduzenten Ben Corrigan geheiratet. Sie lebten heute in L. A., und in fünf Monaten sollte ihr erstes Kind zur Welt kommen.

Griffin war sehr stolz auf seine Geschwister. Um sie musste er sich keine Sorgen machen, sein Job war erledigt. Auch wenn er seine Geschwister liebte und sich gern um sie gekümmert hatte, wollte er nicht wieder gezwungen sein, für jemand anderen die Verantwortung zu übernehmen.

Doch der Gedanke, dass Eva sich mit einem Verlierer wie Carter Newell einließ und ihn sogar heiraten wollte … Griffin hätte die Wände hochgehen können.

Wenn er sie nicht haben konnte, wollte er verdammt noch mal genauso wenig, dass sie sich an einen Falschspieler wie Newell verschwendete. Auch wenn Griffin wusste, sie würde ihn nie wieder eines Blickes würdigen, wenn sie es jemals herausfand. Er war fest entschlossen zu enthüllen, was für Ziele Carter Newell tatsächlich verfolgte.

Griffin hatte lange genug gegrübelt. Er wollte es nicht länger aufschieben und griff nach seinem Mobiltelefon, um Ron Winslow anzurufen.

Von Zeit zu Zeit engagierte er den Privatdetektiv, um vor geplanten Immobilienkäufen alle Fakten in Erfahrung zu bringen.

Bereits nach dem ersten Klingeln meldete sich Ron. Griffin kam gleich zur Sache. „Ich habe einen neuen Auftrag für Sie.“

„Er ist unmöglich.“

„Er ist dein Vater.“

Eva seufzte. Sie hatte das Anwesen ihrer Eltern vor ein paar Stunden verlassen. Gleich nach dem Gespräch mit ihrem Vater war sie zu ihrer Eigentumswohnung in San Francisco gefahren. Eva lebte gern in Russian Hill. Die Gegend war gepflegt, und hier wohnten normale Menschen.

Sie hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und telefonierte gerade mit ihrer Mutter.

„Dabei hatte ich diesmal wirklich gehofft, er würde mich verstehen.“

„Ach, Kind, irgendwann wird er schon einlenken und sich für dich freuen.“

Das wäre zu schön, dachte Eva. Sie wusste, wie stur ihr Vater sein konnte. Und wenn sie ganz ehrlich war, gab sie sogar zu, dass sie diese Sturheit von ihm geerbt hatte.

„Viel wichtiger ist die Frage“, fuhr ihre Mutter fort, „ob du sicher bist, dass du Carter heiraten willst …“

„Natürlich!“, antwortete Eva, ohne nachzudenken. Sie war immer noch verletzt, nachdem ihr Vater ihr ungeschönt gesagt hatte, was er von der Verlobung hielt. Und Eva war wütend, dass er sie ausgerechnet vor Griffin so bloßgestellt hatte.

„Gut. Denn es gibt keinen Grund zur Eile“, redete ihre Mutter in beruhigendem Tonfall auf sie ein. „Du warst ja beim Arzt und weißt, dass du noch Zeit hast.“

„Ja, aber wie lange noch?“ Sie hatte ihrer Mutter erzählt, dass sie sich beim Gynäkologen auf ihre Fruchtbarkeit hin hatte untersuchen lassen. Jetzt, da sich auch ihre Mutter Sorgen wegen ihrer Verlobung zu machen schien, überlegte Eva, ob sie sich vielleicht zu viel mit ihrer biologischen Uhr beschäftigte. Womöglich war es doch vernünftiger zu warten, bevor man eine so wichtige Entscheidung traf.

„Eva …“

„Mom.“

Ihre Mutter seufzte.

„Wie findest du Carter?“, platzte Eva mit der Frage heraus, die sie bisher nicht zu stellen gewagt hatte. Und kaum hatte Eva die Worte ausgesprochen, hätte sie sich dafür am liebsten geohrfeigt.

„Ich möchte nur, dass du glücklich bist, mein Schatz.“

„Ich will Carter heiraten, wirklich“, erklärte Eva in einem Tonfall, von dem sie wusste, dass er äußerst professionell und ruhig klang. So besänftigte sie häufig Kunden, die vor einer großen Feier schrecklich nervös wurden.

Bevor ihre Mutter zu einer Entgegnung ansetzen konnte, hörte Eva ihr Handy summen. „Mom, ich habe ein anderes Gespräch in der Leitung.“

Auf dem Display las Eva die Nummer ihrer Freundin Beth Harding. Sie und Beth steckten mitten in der Planung für eine Party, die die Hardings in einigen Wochen auf ihrem Anwesen geben wollten.

„Es ist Beth“, sagte sie entschuldigend zu ihrer Mutter.

„Okay, Süße. Ich werde jetzt auflegen. Wir können ein anderes Mal über einen geeigneten Ort für die Hochzeit sprechen, damit du einen Termin festsetzen kannst.“

Evas Stimmung besserte sich augenblicklich. Wenigstens war ihre Mutter bereit, sich an den Hochzeitsvorbereitungen zu beteiligen, die so viel Spaß machten.

„Danke, Mom“, sagte sie aufrichtig und verabschiedete sich, bevor sie das andere Gespräch annahm.

„Hi, Beth. Ich habe bei einer Firma, die sich um die Filmsets unten in L. A. kümmert, einige großartige Art-déco-Requisiten für die Party gefunden.“

Beth und ihr Mann Oliver veranstalteten eine Party auf ihrem Landsitz in Palo Alto, um Geld für Kinderkliniken zu sammeln.

Als Thema hatten die beiden Freundinnen sich für die Dreißigerjahre entschieden. Es sollte eine nette Überraschung für Beths achtzigjährige Großmutter werden, die in einem Gästehaus auf dem Anwesen lebte. Die alte Dame freute sich schon darauf, auf dem Fest zu tanzen.

Beth lachte. „Wunderbar.“

„Ich habe ein paar fantastische Mohair-Clubsessel gemietet, einige Bartresen aus Wurzelholz und verschiedene Leuchtobjekte aus mattiertem Glas. Und das Beste: Ich habe die perfekten verspiegelten Tabletts in Kobaltblau gefunden!“

„Das klingt alles großartig, aber eigentlich rufe ich nicht wegen der Party an.“

Eva ließ sich ins Sofa zurückfallen. „Lass mich raten. Es geht um meine Verlobung.“

„Na los. Spann mich nicht auf die Folter“, drängte Beth.

Eva hatte ihrer Freundin erzählt, dass sie einen letzten Versuch unternehmen würde, um ihren Vater umzustimmen. Anschließend hatte sie mit Carter zusammen einen Ring aussuchen wollen.

Seufzend fasste Eva sich an die Stirn. „Wo soll ich anfangen? Mit der schlimmen oder der noch schlimmeren Nachricht?“

„Na los. So schrecklich wird es ja wohl nicht gewesen sein!“

Beth hatte ein unerschütterlich sonniges Gemüt. „Na los“ schien einer ihrer Lieblingsaussprüche zu sein.

„Es war schlimm“, erwiderte Eva unheilvoll. „Weißt du, es ist ja nicht nur so, dass mein Vater ausgerastet ist. Das hätte ich ja noch verkraftet. Viel schlimmer war, dass Griffin Slater Zeuge der Szene wurde und den ganzen Streit zwischen meinem Vater und mir mitbekommen hat.“

Beth hielt die Luft an. „Oh, nein!“

„Oh, doch.“

Eva erzählte ihrer Freundin ausführlich, was sich zwischen ihrem Vater und ihr abgespielt hatte.

„Es war mir so unangenehm. Und ich hoffe, ich werde Griffin Slater nie wiedersehen“, erklärte sie am Ende ihrer traurigen Geschichte. Und während Eva die letzten Worte aussprach, wusste sie, dass es eine vergebliche Hoffnung war.

„Hmm …“, sagte Beth zögerlich.

Sofort war Eva alarmiert. „Sag bloß, du hast ihn zu eurer Party eingeladen?“

„Eva, ich musste ihn einfach einladen! Er und Oliver kennen sich seit Jahren.“

Eva verdrehte gequält die Augen. Sie hatten die Gästeliste gemeinsam erstellt. Doch Beth hatte die endgültige Fassung direkt in die Druckerei gegeben, bevor Eva noch einmal einen Blick darauf hätte werfen können.

„Na großartig“, murmelte sie frustriert.

„Vielleicht kommt er nicht.“

„Wenn er weiß, dass ich die Party plane, wird er bestimmt nicht kommen“, erwiderte sie hoffnungsvoll.

Griffin ließ sich nie auf ihren Partys blicken. Das war einer der Gründe, aus denen sie schloss, dass er ihren Beruf ablehnte und für eine lächerliche Zeitverschwendung hielt.

„Hast du dir schon Gedanken über dein Kostüm gemacht?“, fragte Beth. Offensichtlich versuchte sie, das Thema zu wechseln.

„Im Moment denke ich, es würde gut passen, wenn ich mit Carter als Nick & Nora komme. Du weißt schon, das ist das Detektivpaar aus diesem Buch.“

Beth lachte.

Eigentlich hatte Eva es nicht ernst gemeint. Wie die Spürhunde aus dem Kriminalroman von Dashiell Hammett aufzutauchen – ein pensionierter Detektiv und seine reiche Frau aus der Oberschicht, die in den Augen ihrer Familie nicht standesgemäß geheiratet hatte. Wie die Dinge lagen, würde Eva damit definitiv für Aufsehen sorgen.

„Erinnere mich daran, dass ich dann meine ‚Nick & Nora‘Kosmetiktasche für euch ausgrabe“, sagte Beth amüsiert. „Wer auch immer die Idee hatte, aus diesen Charakteren ein Modelabel zu machen, ist ein Genie.“

„Danke“, erwiderte sie ausdruckslos.

Nachdem sie das Gespräch mit Beth beendet hatte, ließ sich Eva aufs Sofa zurücksinken und schloss die Augen.

Plötzlich musste sie wieder an den schrecklichen Moment denken, als ihr Vater ihr offenbart hatte, was er sich vorstellte. Sie sollte Griffin heiraten.

Griffin als ihr Ehemann?

Von wegen.

Ja, sie spürte die veränderte Atmosphäre, die entstand, wenn Griffin den Raum betrat. Aber das lag nur daran, dass er die erstaunliche Fähigkeit besaß, sie mit fast allem, was er sagte und tat, auf die Palme zu bringen. Und sie konnte sich nicht einmal erklären, wie er das anstellte.

„Ich habe eine Wahnsinnsneuigkeit.“

Mit festem Griff umklammerte Griffin den Telefonhörer.

Seit seinem Anruf bei Ron Winslow waren mehr als zwei Wochen vergangen. Sobald Griffin jetzt die Stimme des Privatdetektivs hörte, musste er wieder an Eva denken.

Als hätte er nicht schon genug an sie denken müssen.

„Was haben Sie herausgefunden?“, fragte er ruhig, während er sich auf seinem Bürosessel umdrehte, um einen Blick aus den raumhohen Fenstern zu werfen. Sein Büro lag hoch über dem geschäftigen Treiben des Union Squares in San Francisco.

Ron räusperte sich. „Newell ist ein raffinierter Kerl …“

„Kann ich mir vorstellen.“

„… aber nicht so, wie Sie denken.“

Er hielt angespannt inne. „Wie meinen Sie das?“

„Romeo betrügt seine Julia.“

Griffin fluchte leise. Das hatte er nicht erwartet. Er hatte eher mit unlauteren Geschäften und Wirtschaftskriminalität gerechnet.

„Bisher haben Sie immer einen guten Job gemacht, Ron, das weiß ich. Trotzdem muss ich Sie das fragen … Sind Sie sicher?“

Immerhin sprachen sie über Marcus Tremonts Tochter. Sie bewegte sich in exklusiven Kreisen. Wenn Evas schmieriger Möchtegern-Verlobter sie betrog, war das eine Neuigkeit, die sicher einige Leute interessierte. Nicht auszudenken, was passierte, wenn die Gerüchte erst einmal in der höheren Gesellschaft San Franciscos die Runde machten.

„Ich schicke Ihnen die Beweisstücke gerade zu. Es gibt ein Video, Fotos, die ich mit dem Teleobjektiv gemacht habe und sogar…“, Ron lachte bitter auf, „… eine Tonaufnahme. Was Sie damit anfangen, ist Ihre Sache.“

Auch ohne nachzufragen, wusste Griffin, was Ron meinte.

Er entschied allein, wem er die Beweisstücke vorlegte.

Ihm gefiel der Gedanke nicht, derjenige zu sein, der Eva von Carters Untreue in Kenntnis setzte. Besonders, da Griffin gerade an nichts anderes denken konnte als daran, diesem aalglatten Kerl ins Gesicht zu schlagen.

„Wie haben Sie herausgefunden, dass Newell sich mit einer anderen Frau trifft?“

„Reiner Zufall“, antwortete Ron. „Ich habe ihn beschattet, um zu sehen, ob ich irgendetwas Interessantes herausfinde. Nach ein paar Tagen bin ich ihm in ein Restaurant in Berkeley gefolgt. Dort stellte sich heraus, dass er sich mit einem Mädchen traf, das ein wenig wie Jessica Alba aussah.“

Dieser Bastard.

Griffin überlegte, ob Newell einen bestimmten Frauentyp bevorzugte. Eva hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Schauspielerin.

Und möglicherweise ist das der springende Punkt, erkannte Griffin. Eva war nicht Carters Typ. Der Kerl hatte es nur auf ihr Geld abgesehen.

„Während Newell und die Frau im Restaurant an der Bar saßen“, setzte Ron seinen Bericht fort, „habe ich einen der Kellner geschmiert, um zu erfahren, welchen Tisch die beiden reserviert hatten. Bevor sie Platz genommen haben, konnte ich in der Nähe ein Mikrofon an der Wand installieren. Dann habe ich mich am Nebentisch postiert.“

Der Detektiv schnaubte verächtlich. „Sie werden den Mist nicht glauben, den ich auf Band mitgeschnitten habe.“

Oh, und ob ich das glaube, dachte Griffin zynisch. Er konnte sich jetzt schon allzu gut ausmalen, welche Szene sich abgespielt hatte. Nur, wie sollte er das alles Eva erklären?

„Hinterher habe ich sie auf einem düsteren Parkplatz hinter einem unauffälligen Bürogebäude erwischt“, erzählte Ron mit Unbehagen weiter: „Newell hat sie noch nicht mal in eine billige Absteige mitgenommen, wie es solche Typen sonst immer machen.“

„Toll.“

Nicht toll. Die Informationen stimmten ihn nachdenklich; Newells Taschen waren anscheinend so leer, dass er aus Verzweiflung eine reiche Erbin heiraten wollte.

„Ich habe das Video und Fotos von dem Parkplatz-Intermezzo.“

„Sind Sie sicher, dass es sich nicht nur um einen One-Night-Stand handelt?“, fragte Griffin. Seine Argumente sollten hieb- und stichfest sein, wenn er Eva die Augen öffnete über den Mann, den sie zu lieben glaubte. Und Newell sollte keine Möglichkeit haben, sich herauszureden. Wenn er behauptete, das Ganze wäre nur ein einmaliger Fehltritt gewesen und Eva ihm glaubte – nicht auszudenken.

„Keine Sorge, ich habe sie mehrere Male erwischt. Vor zwei Tagen hatten sie ein Stelldichein in einem Motel.“

„Verdammt.“

„Ich habe außerdem herausgefunden, dass Carter über kein nennenswertes Vermögen verfügt. Er lebt auf Pump, um seinen Lebensstil zu finanzieren. Offensichtlich steckt er in der Klemme.“

Griffin kam zu dem Schluss, dass sie den wunden Punkt von Newell getroffen hatten. Er hätte dem Kerl am liebsten den Hals umgedreht.

Und obwohl ihm klar war, dass Eva von Carters Betrug erfahren musste, war ihm das Ganze mehr als unangenehm. Er wollte sie nicht verletzen.

Seufzend fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. „Ron, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nichts von dem weitergeben, was Sie herausgefunden haben. Erzählen Sie es niemandem, auch nicht Marcus.“

„Geht klar.“

„Ich werde mir Ihre Aufzeichnungen anschauen“, erklärte Griffin in beherrschtem Tonfall, als er das Gespräch beendete.

Eine Stunde später hatte er die Beweise auf seinem Schreibtisch. Missmutig betrachtete Griffin den Karton. Dann gab er seiner Sekretärin die Anweisung, keine Telefongespräche durchzustellen.

Schließlich nahm Griffin einen Brieföffner aus der Schublade und schlitzte den Karton auf. Darin lagen ein Finanzprofil, ein Umschlag mit Fotos sowie eine CD und eine DVD.

Nachdem Griffin tief eingeatmet hatte, betrachtete er voller Abscheu die Beweisstücke. Dieses Material könnte Evas gesamtes Leben auf den Kopf stellen. Es würde sie völlig aus der Bahn werfen.

Hastig überflog Griffin die Akte, die der Detektiv über Carters Finanzen zusammengestellt hatte. Die Unterlagen bestätigten, was Ron geschildert hatte. Auf Newells Eigentumswohnung lastete eine Hypothek, und bei der Bank hatte er hohe Schulden. Er war alles andere als ein Bill Gates. Und offensichtlich verfügte er nicht einmal über einen Bruchteil des Vermögens, das seiner Familie einmal gehört hatte.

Griffin öffnete den nächsten Umschlag. Annähernd ein Dutzend Fotos fielen heraus. Sorgfältig verteilte er sie vor sich auf dem Tisch.

Auf einigen Fotos war ein Mann zu erkennen, der wie Carter Newell aussah und eine vollbusige Brünette umarmte und küsste. Ein anderes zeigte das Pärchen, das Hand in Hand ein Restaurant betrat. Aus der Körpersprache und der Art, wie die Frau sich gegen den Mann lehnte, ging deutlich hervor, dass die beiden mehr als Freundschaft verband.

Anscheinend waren die Aufnahmen an dem Tag gemacht worden, als Ron den beiden ins Restaurant in Berkeley gefolgt war. Griffin konzentrierte sich auf die übrigen Fotos. Sie stammten ganz eindeutig von einem anderen Tag, an dem sich das Paar in einem Park getroffen hatte. Darauf umarmten sie sich unter einem Baum in der Nähe eines kleinen Pfades. Andere Fotos zeigten, wie sich dasselbe Paar auf einer Parkbank küsste.

Die Aufnahmen waren halbwegs aussagekräftig. Griffin genügten sie jedoch nicht. Es war kein absoluter Beweis dafür, dass Carter und die Frau tatsächlich ein Liebespaar waren.

Schließlich legte Griffin die DVD ein. Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück, um sich den Film anzusehen.

Das Video fing genauso an, wie Ron es beschrieben hatte. Ein Auto hielt auf einem verlassenen Parkplatz, der nur von einigen Straßenlaternen beleuchtet wurde. Einige Augenblicke später begann das Fahrzeug auffällig zu wackeln. Griffin konnte sich vorstellen, was da im Inneren des Wagens passierte. Danach stiegen der zerzauste Carter und die spärlich bekleidete Frau aus dem Wagen. Newell half ihr, den BH zuzuhaken und das Sweatshirt überzustreifen. Während die Brünette sich das Haar bürstete und die Lippen schminkte, streichelte Carter sie. Danach stiegen sie wieder ein und fuhren davon.

Der zweite Film zeigte, wie Carter und die Frau sich vor einem Motel trafen. Durch die große Frontscheibe des Gebäudes konnte man sehen, wie das Paar eincheckte und in den Fahrstuhl ging.

Als der Film zu Ende war, beugte sich Griffin vor, um die DVD aus dem Laufwerk zu nehmen. Angewidert verzog er das Gesicht. Offenbar war Carter nicht zu geizig, um ein Zimmer für eine Nacht zu bezahlen. Oder er hatte es an einigen Tagen nicht eilig gehabt, weil er nicht so schnell zu Eva zurückgemusst hatte.

Dieser Mistkerl.

Griffin legte die CD ein, die Ron ihm geschickt hatte, spielte sie ab und lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück.

Nach einigen Sekunden hörte er laute Hintergrundgeräusche und die Stimmen eines Mannes und einer Frau, die sich unterhielten. Zuerst redeten sie über banale Dinge wie die Speisekarte. Doch nachdem der Kellner die Bestellung aufgenommen hatte, wurde das Gespräch intimer.

Die Frau sprach Carter mehrmals mit dem Vornamen an, während er sie „Sondra“ oder noch öfter „Baby“ nannte.

Griffin verdrehte die Augen, als die Frau das letzte Treffen mit Carter in aller Ausführlichkeit beschrieb. Schließlich beschwerte sie sich jedoch darüber, dass er zu wenig Zeit für sie hatte.

Ja klar, dachte Griffin. Wenn Carter nicht ständig zu der reichen Erbin müsste, um sie zu umgarnen, hätte die Geliebte wohl eine reelle Chance, mehr Aufmerksamkeit von ihm zu bekommen.

Griffin hörte zu, wie Carter versuchte, seine Freundin zu beschwichtigen. Er versprach ihr, bald mit ihr in Mexiko Urlaub zu machen. Außerdem deutete er an, einen unverhofften Gewinn in Aussicht zu haben, über den er keine Details verraten wolle.

Allmählich konnte Griffin seine Wut nicht mehr unterdrücken. Ihm war klar, was Carter mit dem Gewinn meinte: die bevorstehende Hochzeit. Offensichtlich wollte Newell seiner Geliebten nicht auf die Nase binden, dass er sie mit einer reichen Erbin betrog. Schließlich wollte er nicht erpressbar sein.

Carter ist erledigt, dachte Griffin. Wenn ich diesem Kerl noch einmal begegne, muss er sich in Acht nehmen.

Die Tonbandaufnahme lief weiter. Nachdem das Paar gegessen hatte, begann Carter, detailliert zu beschreiben, was genau er im Bett mit Sondra machen wollte. Er versprach ihr die wundervollsten Stunden ihres Lebens für das nächste Treffen.

Nachdem er das Band abgehört hatte, dachte Griffin darüber nach, welche Möglichkeiten ihm nun offenstanden. Ihm gefiel keine der Optionen, die ihm einfielen.

Wie zum Teufel sollte er das Ganze Eva beibringen? Sie würde ihn ein Leben lang hassen, falls das jetzt noch nicht der Fall war.

Später an diesem Tag begegnete Griffin zufällig ihrem Vater.

„Hast du schon etwas von Ron gehört?“, fragte Marcus.

„Nein, er hat sich noch nicht gemeldet“, hörte Griffin sich sagen.

Mit dieser Behauptung hatte er nicht einmal gezögert. Doch es war das erste Mal in seinem Leben, dass er nicht ehrlich zu Marcus war.

3. KAPITEL

Eva hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Während sie mit ihrer Mutter telefonierte, blätterte sie in einem der vielen örtlichen Gesellschaftsmagazine. Es gehörte zu ihrer Arbeit, sowohl über ihre Kunden als auch über die Konkurrenz auf dem Laufenden zu bleiben.

Der Dienstag war der einzige Abend in der Woche, an dem Eva sich normalerweise zurücklehnen und ausruhen konnte. Weil sie Events und Partys organisierte, arbeitete sie in der Regel, wenn die meisten anderen ihre Freizeit genossen.

In der Mitte der Woche konnte sie relaxen, doch am Wochenende hatte sie immer viel zu tun. Oft richtete sie dann für ihre Auftraggeber Spendenaktionen oder andere Wohltätigkeitsveranstaltungen aus. Und während der Feiern war Eva meistens die Ansprechpartnerin für die Angestellten. Ihre Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass alles reibungslos ablief. Und darin war Eva sehr gut.

An diesem freien Tag beschäftigte sie sich jedoch mit den Vorbereitungen der eigenen Hochzeit.

„Wie wäre es mit dem ‚Fairmont‘?“, fragte ihre Mutter.

„Ich bin mir nicht sicher, ob es genau das ist, was ich suche …“

Ihr war schnell klar geworden, was ihrer Mutter vorschwebte: eine riesige Hochzeit, auf der die ganze Familie, Freunde und Geschäftspartner feierten. Das historische Fairmont-Hotel verfügte über mehrere Säle, war opulent ausgestattet und bestach mit klassischer Eleganz. Es wäre der ideale Ort für eine große Hochzeitsfeier.

Das Problem war nur, dass Eva sich mehr nach einer kleineren Party sehnte. Carter schien allerdings ähnliche Vorstellungen zu haben wie ihre Mom.

„Und was hältst du vom ‚Palace of fine Arts‘?“, schlug ihre Mutter vor. Der „Palace of fine Arts“ war ein anderes edles Etablissement, in dem oft Bälle stattfanden.

Eva seufzte.

„Das habe ich gehört.“

„Ach, tatsächlich?“, fragte Eva abwesend.

„Es ist zu schade, dass deinem Vater nur Bürogebäude gehören“, bemerkte ihre Mutter. „Vielleicht bekommen wir mal einen Insidertipp und können ein Hotel oder so kaufen.“

„Ich bin nicht sicher, ob Dad überhaupt zur Hochzeit kommen will.“

„Ach, er wird schon zur Vernunft kommen“, wiederholte ihre Mutter mit ungebrochenem Optimismus ihre Ansicht zu dem Thema. „Du bist sein einziges Kind, und auch wenn er es manchmal nicht zeigen kann, er sorgt sich wirklich um dich.“

Plötzlich klingelte es an der Haustür. Verwundert fragte Eva sich, wer das wohl sein könnte. Ihre Eigentumswohnung lag in einem wenig besiedelten Teil von Russian Hill. Obwohl Freunde von ihr in der Nähe wohnten, hatte niemand die Angewohnheit, unangemeldet auf einen Sprung vorbeizukommen. Und da ihre beste Freundin Beth Harding zurzeit nicht in der Stadt war, hatte Eva keine Ahnung, wer sie mit einem Besuch überraschen könnte.

„Mom, ich muss auflegen. Es hat an der Tür geläutet.“

„In Ordnung. Dann rufe ich dich morgen wieder an. Wir können dann immer noch über die Hochzeitsvorbereitungen sprechen.“

Eva wurde leichter ums Herz, wie immer, wenn sie spürte, dass nicht die ganze Welt gegen ihre Hochzeit war. „Das wäre schön.“

Sie freute sich, dass ihre Mutter ihr während dieses besonderen Abschnitts ihres Lebens so zur Seite stand.

„Oh, ich weiß genau, dass ich weinen werde, wenn ich dich in einem Hochzeitskleid sehe“, erwiderte ihre Mutter mit erstickter Stimme.

Plötzlich fühlte auch Eva die Tränen aufsteigen. „Ich weiß, Mom. Ich weiß.“

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, atmete Eva tief ein, um sich zu fassen. Dann schlüpfte sie in ihre Schuhe und eilte zur Tür.

Die Tür zu ihrem Apartment befand sich im ersten Stock. Weil die Wohnung über der Garage und einem großen Abstellraum lag, war sie nur über eine Außentreppe zu erreichen. Ein massives Stahltor sicherte den Zugang zur Treppe.

Als Eva die Tür öffnete, erblickte sie die einzige Person, die sie hier niemals erwartet hätte. Griffin Slater. Er stand unten und sah erwartungsvoll zu ihr hoch.

Unwillkürlich verspannte Eva sich.

„Kann ich hochkommen?“, rief er.

Fieberhaft ging sie alle Möglichkeiten durch. Ja. Nein. Da kannst du lange warten.

„Was machst du hier?“, fragte sie und zuckte zusammen, weil ihre Worte etwas misstrauischer klangen als beabsichtigt.

Sie entlockte Griffin jedoch nur ein amüsiertes Lächeln. „Würdest du mir glauben, wenn ich sage, dass ich gerade in der Nähe war?“, entgegnete er selbstsicher.

„Eigentlich nicht“, sagte sie, während sie nach unten ging, um das Tor zu öffnen.

Eva wusste, dass Griffin nicht weit entfernt wohnte, in Pacific Heights genauer gesagt. Aber er war ihr hier noch nie über den Weg gelaufen. Das lag höchstwahrscheinlich daran, dass sie sich in verschiedenen Kreisen bewegten. Vermutlich fand Griffin sie viel zu unkonventionell und zu freizügig. Er dagegen plante bestimmt jede Minute seines Tages und trug vielleicht sogar die Zeit zum Zähneputzen in einen Terminkalender ein. Gut, vielleicht auch nicht.

Eva konnte allerdings nicht verstehen, warum er sich immer so seltsam benahm. Seine Geschwister waren wirklich nett. Sie kannte seine Schwester und hatte sich mehr als einmal sehr gut mit ihr unterhalten. Bei Griffin wurde Eva jedoch nicht das Gefühl los, dass er ihr gefährlich werden könnte. Sie verspürte ein seltsames Kribbeln im Bauch, während sie die letzten Stufen herunterging.

Wie üblich trug er einen konservativen Anzug, dazu hatte er ein Hemd im Fischgrätenmuster und eine hellgelb und blau gestreifte Krawatte gewählt. Mit der mauvefarbenen Bluse und der braunen Hose, die Eva schon bei der Arbeit getragen hatte, kam sie sich jetzt sehr salopp gekleidet vor.

Während sie ihm das Tor öffnete, trafen sich ihre Blicke.

Griffin warf ihr ein charmantes Lächeln zu. „Du lässt mich also tatsächlich rein?“

„Bist du im Auftrag meines Vaters hier?“, entgegnete sie und schaute dabei auf den Umschlag in seiner Hand. „Wenn ja …“

„… dann kann ich gleich wieder gehen. Ich weiß.“

Zufrieden sah sie ihn an. Gut, die Fronten waren geklärt.

„Ich bin aus persönlichen Gründen hier.“

Damit überraschte er sie tatsächlich. Sie glaubte zwar nicht, dass sie und Griffin sich etwas Persönliches zu sagen hatten, dennoch war sie gespannt, was jetzt wohl kommen würde. Neugierig musterte sie ihn. „Komm mit rauf.“

Auf dem Weg nach oben spürte sie seine Gegenwart geradezu überdeutlich. Warum nur musste sie sich seiner Nähe immer so bewusst sein? Eva zwang sich zu ignorieren, wie schnell ihr Herz mit einem Mal schlug.

„Kann ich dir etwas anbieten?“, fragte sie höflich, nachdem sie die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.

„Nein danke.“

Ihr entging nicht, wie er sich in ihrem loftartigen Apartment umsah. Vom marmorgefliesten Flur konnte man in die mit eleganten Möbeln ausgestattete Küche blicken. Dort glänzten Granitoberflächen und Edelstahlgeräte. Der Essbereich bestand aus einem Tresen, vor dem einige Barhocker standen.

Eva fiel auf, dass Griffins Blick auf dem Arrangement frischer Blumen auf dem Tisch hängen blieb. Sie liebte frische Sträuße.

Seine Anwesenheit in ihrer Wohnung machte sie nervöser, als sie gedacht hatte. Erleichtert stellte Eva fest, dass keine persönlichen Dinge herumlagen. Ihr Schlafzimmer, das Gästezimmer, zwei Bäder und die Terrasse befanden sich ein Stockwerk höher. Dorthin würde sie Griffin vorsichtshalber nicht führen.

Unvermittelt erinnerte Eva sich daran, dass er immer noch nicht erklärt hatte, warum er bei ihr aufgetaucht war. „Ist es wegen Dad?“, platzte sie heraus. „Ist mit meinem Vater alles in Ordnung?“

Griffin hatte zwar behauptet, nicht von ihrem Vater hergeschickt worden zu sein. Sein Erscheinen konnte trotzdem mit ihrem Vater zu tun haben. Warum sollte Griffin sich sonst die Mühe machen? Für gewöhnlich ging er Eva doch eher aus dem Weg.

Ihr Vater war Ende sechzig. Und sie fürchtete den Tag, an dem ihm etwas zustoßen würde. So angespannt ihre Beziehung zuweilen auch war, Eva liebte ihren Vater von ganzem Herzen. Und sie kannte ihn gut genug, um eines zu wissen: Er würde jedes gesundheitliche Problem so lange wie möglich vor ihr verheimlichen, nur damit sie sich keine Sorgen um ihn machte.

„Nein, keine Angst“, antwortete Griffin beruhigend. Dann fragte er unvermittelt: „Weißt du, was Carter vorgestern Nacht gemacht hat?“

Völlig überrumpelt sagte sie: „Nein. Warum?“

Er betrachtete sie aufmerksam. Und obwohl seine Miene völlig reglos blieb, entdeckte Eva da einen Ausdruck in seinen Augen, der ihr nicht gefiel. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.

„Warum erkundigst du dich nach Carter?“, wiederholte sie ihre Frage.

Sein eindringlicher Blick ging ihr durch und durch. „Carter Newell hat dich mit einer anderen Frau betrogen. Vorgestern Nacht ist er mit ihr zusammen gewesen.“

Sekundenlang sah Eva ihn verständnislos an, bevor sie begriff, was er ihr gerade erzählt hatte. Dann trafen seine Worte sie mit voller Wucht.

Ihr Mund bewegte sich, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie war unfähig, den Blick von Griffin abzuwenden. Und irgendwie schien es das Einzige zu sein, was sie aufrecht hielt. Panische Angst überkam Eva.

„Woher … woher weißt du das?“, brachte sie schließlich hervor. Angestrengt bemühte sie sich, Ruhe zu bewahren. Am liebsten hätte Eva laut aufgeschrien.

„Spielt das eine Rolle?“, fragte er und schob dabei die Hände in die Hosentaschen.

Da er auf die Frage vorbereitet zu sein schien, wurde Eva nun misstrauisch.

„Wie hast du es herausgefunden?“, fragte sie jetzt in schärferem Tonfall. „Du und Carter, ihr verkehrt nicht in den gleichen Kreisen.“

Griffin zuckte mit den Schultern.

„Mein Vater hat dich darauf angesetzt, nicht wahr?“

Als er sie weiterhin unbeirrt ansah, wurde Eva energischer. „Antworte mir, Griffin. Er hat dich angeheuert, ist es nicht so?“

Herausfordernd musterte er sie. „Dein Vater hat den Stein ins Rollen gebracht. Er hat mich darum gebeten, der Sache auf den Grund zu gehen, ja.“

„Du meinst, er hat dich dazu aufgefordert, Carter beschatten zu lassen. Red bitte nicht um den heißen Brei herum, Griffin Slater. Er wollte, dass du den Detektiv, der manchmal für Tremont REH arbeitet, auf ihn hetzt, richtig?“

Ihr war bewusst, dass sie ihn geradezu verhörte. Und er sah nicht so aus, als ob ihm das gefiel.

Selbst schuld, dachte sie. Da er freiwillig gekommen war, um ihr die Botschaft zu überbringen, hatte er es so gewollt und auch nicht anders verdient.

„Ist es so wichtig, wie ich es herausgefunden habe?“, fragte er ruhig.

„Hast du meinem Vater erzählt, dass du herkommen wolltest?“

Er zeigte immer noch nicht die geringste Regung. „Ich habe deinem Vater gar nichts erzählt … schon gar nicht das, was mir der Detektiv gesagt hat. Ich dachte, das solltest du als Erste erfahren.“

„Ist deine Höflichkeit jetzt nicht etwas unangebracht, Griffin?“, fragte sie spöttisch.

Sein Blick verfinsterte sich. „Ich habe eigentlich erwartet, du würdest mir dafür dankbar sein.“

Fassungslos sah sie ihn an. „Dankbar? Dankbar, dass du jemanden hinter meinem Verlobten herschnüffeln lässt? Dankbar, weil du der anmaßenden Bitte meines Vaters nachgekommen bist und bei seinem kleinen schmutzigen Spiel mitgemacht hast?“

Ungerührt blieb er vor ihr stehen. Statt zu antworten, kniff er nur die Augen zusammen.

„Oh, ich bin dankbar. Ich weiß nur nicht, wem ich zuerst danken soll! Carter, meinem Vater oder dir.“

„Weichst du jetzt nicht dem eigentlichen Problem aus?“

Sie ignorierte seine Bemerkung und sagte stattdessen provozierend: „Und was ist, wenn ich dir sage, dass ich dir nicht glaube?“

Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Du kannst dir sicher denken, dass der Detektiv Beweisstücke vorgelegt hat, die die Vorwürfe untermauern.“

Zum ersten Mal richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf den Umschlag in seiner Hand. „Lass mich mal sehen.“

„Nein.“

„Nein?“

„Einen Teil davon werde ich dir zeigen. Ich habe einige Fotos mitgebracht … und Belege dafür, dass Carter keinen Dollar besitzt.“

Mehr gab er nicht preis. Aber Eva verstand seine Andeutungen auch so. Wenn Carter kein Geld hatte und sie zu allem Überfluss auch noch betrog, gab es eigentlich nur einen Grund, warum er sie heiraten wollte.

Nur widerwillig überlegte sie, ob ihr Vater doch recht hatte. Sicher, Carter hatte vorgeschlagen, einen Ehevertrag aufzusetzen. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte er jedoch beinah erleichtert reagiert, als Eva es abgelehnt hatte. War sie tatsächlich so dumm und hoffnungslos romantisch gewesen? Ehevertrag oder nicht, natürlich hätte Carter durch die Hochzeit einen Gewinn gemacht. Er hätte den Lebensstil genossen, den ihr Einkommen und ihr Treuhandvermögen ihnen beiden ermöglichen konnten.

Und als ob das noch nicht genug wäre, stand jetzt Griffin vor ihr. Edelmütig wollte er ihr ersparen, sich die schmutzigen Beweise für Carters Betrug ansehen zu müssen. Am liebsten wäre Eva im Erdboden versunken, um dieser Situation zu entkommen.

Aber nein, sie war eine kluge Geschäftsfrau und schon mit ganz anderen Dingen zurechtgekommen. Tief atmete Eva ein.

„Versuchst du, mich zu schonen, Griffin?“, fragte sie herausfordernd. „Denkst du nicht, dass es dafür ein wenig zu spät ist?“

„Du benimmst dich nicht gerade wie eine Frau, die soeben erfahren hat, dass ihr Zukünftiger fremdgeht …“

„Stellst du etwa die Ernsthaftigkeit meiner Gefühle zu Carter infrage? Willst du womöglich behaupten, ich liebe ihn nicht?“

Er sah sie nur kühl an und schwieg.

„Du bist wirklich ein Mistkerl, weißt du das?“, rief sie. „Zuerst spionierst du meinem Verlobten hinterher, dann stellst du meine Gefühle infrage. Streust du immer Salz in die Wunden?“

„Ich stelle nur Tatsachen fest.“

„Erwartest du etwa, dass ich zusammenbreche und in deiner Gegenwart anfange zu heulen?“, warf sie ihm an den Kopf.

„Ich nehme an, dass die Tränen fließen, wenn deine Wut verraucht ist.“

Jetzt reichte es ihr. Mit hoch erhobenem Kopf ging sie auf ihn zu, um ihm den Umschlag zu entreißen. Griffin reagierte leider prompt.

Blitzschnell hielt er den Umschlag hoch. Und als sie sich reckte, um an die Fotos zu kommen, stieß Eva unsanft gegen ihn. Verzweifelt bemühte sie sich, den Umschlag zu erreichen, aber es gelang ihr nicht.

„Verfluchter Mistkerl!“, presste sie wütend hervor. Tränen stiegen ihr in die Augen. Waren denn alle Männer in ihrem Leben gegen sie?

„In Ordnung, ich bin ein Mistkerl“, gab er zurück.

„Du hast noch nie eine Abfuhr erhalten, nicht wahr? Nein, natürlich nicht. Denn du bist ja Mister Perfekt, der alles bekommt, was er will.“

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung.“

„Oh, ich vergaß“, entgegnete sie mit zitternder Stimme und wischte sich verstohlen eine Träne fort. „Du bist ein Mann. Du musst dir keine Gedanken darüber machen, dass deine biologische Uhr tickt und dir vielleicht eine vorzeitige Menopause droht. Dir bereitet es keine schlaflosen Nächte, dass du über dreißig, fast fünfunddreißig Jahre alt bist. Du verschwendest keine Sekunde an den Gedanken, dass du vielleicht keine Kinder bekommen kannst, weil der Zeitpunkt vorbei ist, ehe du dich versiehst.“

Während sie ihm das alles ins Gesicht schleuderte, stand er unbeweglich wie ein Fels vor ihr.

„Jetzt werde ich nie ein Baby bekommen!“ Obwohl sie sich schämte, konnte sie nicht verhindern, dass sie jetzt schluchzend in Tränen ausbrach.

Als sie den Kopf sinken ließ, warf Griffin das Kuvert beiseite und schloss Eva in seine Arme. Sein Mund war ihrem mit einem Mal ganz nah. Irritiert stellte Eva fest, dass Griffin sie gegen eine Wand gedrängt hatte.

Verblüfft hielt Eva inne.

Er überrumpelte sie mit einem Kuss, der sie überwältigte. Sie spürte seinen muskulösen Körper, nahm den Duft des Rasierwassers wahr und erschauerte. In diesem Augenblick dachte Eva nicht länger an ihre Wut oder an die Enttäuschung. Das alles war wie ausgelöscht, als sie Griffins leidenschaftlichen Kuss erwiderte.

Fest presste sie die Lippen auf seinen Mund und küsste ihn so hungrig, wie sie es sich niemals zugetraut hätte. Wie aus weiter Ferne hörte sie das eigene Seufzen und war sich nicht sicher, ob sie damit Lust oder Wut und Verzweiflung ausdrückte.

Moment. Griffin war in ihr Haus eingedrungen. Er hatte ihren Schutzpanzer aufgebrochen, sie an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen, und jetzt besaß er auch noch die Unverfrorenheit, sie zu küssen.

Eva versuchte, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Er weigerte sich jedoch, sie freizugeben, sondern hielt sie mit seinen sinnlichen Berührungen gefangen.

Sie fühlte seine warmen Lippen, und sein inniger Kuss machte sie beinah benommen. Heiße Schauer jagten durch ihren Körper.

Bevor es kein Zurück mehr gab, nahm sie den letzten Rest Vernunft zusammen und drehte ihren Kopf weg.

Nachdem sie ihn weggeschubst hatte, sah er sie benommen an.

Eva hatte aufgehört zu schluchzen. Stattdessen war ihre Wut mit aller Macht zurückgekehrt. All das, was sie für ihren Vater und Carter empfand, richtete sich in diesem Moment gegen Griffin.

Völlig durcheinander und auch etwas verlegen, schleuderte sie ihm entgegen: „Denkst du, dass ich jetzt leicht zu haben bin, nachdem du Carters Untreue bewiesen hast? Denkst du, dass ich so verzweifelt bin …“

So verzweifelt, dass ich sogar bereit bin, mit dir etwas anzufangen. Sie konnte sich gerade rechtzeitig davon abhalten, den Satz zu Ende zu führen.

Griffins Miene verfinsterte sich. „Ich denke nicht, dass du jemals so verzweifelt sein kannst.“

Und bevor sie etwas entgegnen konnte, hatte er sich umgedreht und war zur Tür marschiert. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss, nachdem Griffin gegangen war.

Eva stürzte zum Fenster, um zu beobachten, wie er Sekunden später die Treppe hinuntereilte und in sein Porsche-Cabriolet stieg. Sie sah ihm immer noch hinterher, als er bereits davongefahren war, ohne sich einmal umzudrehen.

Erst als sie den Wagen nicht mehr sehen konnte, merkte Eva, dass sie sich zwei Finger auf die Lippen presste … wo sie immer noch seinen Kuss spürte.

4. KAPITEL

Am folgenden Abend war Eva ohnehin mit Carter zum Essen verabredet. Deshalb hatte sie vorher nicht mit ihm telefoniert, um ihn zur Rede zu stellen.

Um Viertel nach sieben betrat sie eilig den „Last Supper Club“. Wenn es nach mir geht, dachte sie, ist es wirklich Carters letztes Abendessen.

Vor einer halben Stunde hatte sie im Restaurant angerufen. Das Personal sollte Carter darüber informieren, dass sie sich ein wenig verspäten würde. Eva hatte länger gebraucht, um sich zu entscheiden, was sie anziehen wollte.

Jetzt trug sie ein elegantes schwarzes Designerkleid, damit sie sich zumindest äußerlich gut fühlte. Von nun an würde sie wahrscheinlich beim Anblick dieses Outfits jedes Mal daran denken, wie sie mit Carter Schluss gemacht hatte.

Sie entdeckte ihn genau da, wo sie es erwartet hatte. Lächelnd saß er an einem bereits eingedeckten Tisch und trank ein Glas Rotwein, während er die Speisekarte las.

Seine Miene erhellte sich, als er Eva bemerkte. „Eva, schön, dass du da bist!“

Die gute Laune wird ihm gleich vergehen, dachte sie. Sie ging zu seinem Tisch, machte sich jedoch gar nicht erst die Mühe, Platz zu nehmen. Voller Zynismus beobachtete Eva, wie Carter sich höflich erhob.

Bei ihrem ersten Treffen hatten seine guten Manieren sie sehr beeindruckt. Doch jetzt sah sie sie nur noch als das, was sie waren. Das Lächeln, die Gesten eines Gentlemans, das alles war lediglich ein Teil seiner Kunstgriffe, mit denen er seine sorgfältig konstruierte Fassade pflegte. Das Image als Saubermann wollte Carter natürlich unbedingt aufrechterhalten.

Sie musterte ihn gründlich. Er trug einen cremefarbenen Leinenblazer zu seinem hellblauen Hemd, das seine blassen Augen betonte. Sein dunkelblondes Haar hatte er sich kunstvoll zerzaust.

Vorher war es Eva nie aufgefallen. Aber plötzlich erschien ihr sein Äußeres, ja seine ganze Aufmachung, viel zu perfekt. Bestimmt zum tausendsten Mal in den letzten vierundzwanzig Stunden nannte Eva sich eine Idiotin.

Traurig erinnerte sie sich an den Moment, als Carter sofort erklärt hatte, dass er wahnsinnig gern Vater werden wollte. Seine Begeisterung war nur geheuchelt gewesen. Natürlich hätte ein Erbe seinen Anspruch auf ihr Vermögen zusätzlich untermauert.

Sogar sein Drängen, eine große Hochzeit zu feiern, erschien Eva im Nachhinein suspekt. Ein rauschendes Fest, zu dem die angesehensten Menschen der Stadt eingeladen waren, das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, wichtige Geschäftsbeziehungen zu knüpfen. Carter hätte zweifellos versucht, die wirtschaftliche Elite von San Francisco für sich einzunehmen.

Carter trat neben sie und wollte ihr gerade höflich den Stuhl zurechtrücken. Doch Eva blieb weiterhin stehen, ohne sich einen Zentimeter zu bewegen.

Erst jetzt bemerkte er ihren Gesichtsausdruck und runzelte die Stirn.

„Ist irgendetwas los?“, fragte er arglos.

„Sag mir nur eins“, entgegnete sie freiheraus. „Ist es wahr?“

„Ist was wahr?“

„Triffst du dich mit einer anderen Frau?“

Einen Moment lang erhaschte Eva einen Blick auf sein wahres Gesicht. Carter entglitten sekundenlang die Gesichtszüge, und was sich auf seiner Miene widerspiegelte, war Schrecken. Dann fasste er sich schnell.

Oh, er ist ein wirklich guter Schauspieler, dachte Eva geringschätzig.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, antwortete er vorsichtig, und er warf ihr einen unschuldigen Blick zu. „Eva, ich bin doch mit dir verlobt.“

Er streckte die Hand nach ihr aus. Eva wich ihm aus. Sie war darauf vorbereitet, dass er versuchen würde, Zeit zu gewinnen und die Tatsachen zu verschleiern. Deshalb zog Eva jetzt die Fotos aus ihrer Handtasche und warf sie auf den Tisch.

Still beobachtete sie Carter, während er sich die Aufnahmen ansah. Sein Gesicht offenbarte zunächst Verwirrung. Dann kam der Schock, und schließlich erkannte Eva deutlich, wie angespannt ihr Nochverlobter war.

Als er zu ihr aufblickte, wurde ihr noch etwas anderes klar. Er war nicht bereit, das Spiel aufzugeben. Inzwischen hatte er sich beherrscht und wirkte nun völlig kühl und gelassen.

„Eva, ich kann das erklären …“

„Es gibt noch mehr“, fiel sie ihm ins Wort.

Nachdem Griffin am vergangenen Abend aus ihrem Apartment gegangen war, hatte Eva die Fotos hervorgeholt, die er dagelassen hatte. Sie hatte die Bilder auf dem Couchtisch ausgebreitet und wie betäubt betrachtet, bis eine seltsame Ruhe sie überkommen hatte. Die Schnappschüsse belasteten Carter eindeutig, sie ließen keinen Zweifel zu. Die Fotos zeigten ihn, wie er mit einer vollbusigen Brünetten herumschäkerte … Nach einiger Zeit hatte Eva begonnen, darüber nachzudenken, was es sein könnte, das Griffin ihr nicht zeigen wollte. Ein Videoband vielleicht?

Nun schaute sie Carter eindringlich an. Sie war fest entschlossen, sich weder erweichen noch in irgendeiner Weise einwickeln zu lassen. Er ließ seine Schultern sinken.

„Von wem hast du die?“, wollte er wissen.

„Spielt das eine Rolle?“, entgegnete sie angriffslustig.

Ihr war bewusst, dass sie sich gerade genau wie Griffin benahm. Sie blendete die wichtige Frage, wie die Fotos entstanden waren, einfach aus. Doch das kümmerte Eva nicht.

„Dein Vater“, riet er.

„Griffin Slater“, konterte sie.

Sie verspürte eine gewisse Befriedigung, während sie ihm den Namen sagte. Außerdem war ihre Aussage noch nicht einmal falsch. Schließlich war Griffin derjenige gewesen, der ihr die Fotos ausgehändigt hatte – auch wenn er nur einer Bitte ihres Vaters nachgekommen war.

Carter runzelte die Stirn. „Der Typ, den ich vor einigen Monaten auf einem Empfang im Haus deiner Eltern kennengelernt habe? Der Geschäftsführer der Tremont Real Estate?“

Sie nickte.

„Ich wette, er hat im Auftrag deines Vater gehandelt.“

Sie erwiderte nichts darauf, sondern ballte die Hände stumm zu Fäusten.

Einen Augenblick später verzog Carter den Mund zu einem eisigen Lächeln. „Dein Vater kann mich nicht ausstehen. Er hatte es von Anfang an auf mich abgesehen.“

„Das ist alles? Mehr hast du nicht dazu zu sagen?“

Carter blickte sie kühl an. „Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen, Eva?“

„Du hast dich über mich lustig gemacht! Mich angelogen … mich betrogen!“, herrschte sie ihn an, ohne sich darum zu kümmern, ob die anderen Gäste im Restaurant es hörten. „Hattest du vor, deine Affäre mit ihr auch nach unserer Heirat fortzusetzen, sogar während unserer Flitterwochen wolltest du dich mit ihr treffen?“

Jetzt wirkte Carter doch leicht beunruhigt. „Eva, du machst eine Szene.“

„Das ist mir völlig egal!“

„Hier ist nicht der geeignete Ort, um so eine Diskussion zu führen.“

„Ehrlich gesagt kann ich mir gar keinen besseren vorstellen“, entgegnete sie und kam nun richtig in Rage. Die Wut brauchte Eva auch, um die entscheidende Frage zu stellen, die sie so sehr belastete. „Warum wolltest du mich heiraten, Carter?“

Einen Moment lang sagte er nichts. Dann sah er sie scharf an. Sein Blick wirkte berechnend. „Wie sieht es denn mit deinen Motiven, mich zu heiraten, aus? Ein Baby!“

„Ich habe dir anvertraut, dass ich Angst davor habe, keine Kinder bekommen zu können. Das kann man wohl kaum einen Vertrauensbruch nennen.“

Sie hatte geglaubt, dass sie Carter aus den richtigen Gründen das Jawort geben würde. Und sie hatte ihn nicht nur heiraten wollen, weil sie sich nach einem Baby und einer eigenen Familie sehnte. Oder?

„Und was geht da eigentlich zwischen dir und diesem Griffin Slater vor?“, wollte er wissen.

„Wie bitte?“

Carter runzelte die Stirn. „Verlange nicht von mir, dass ich glaube, zwischen dir und dem Herrn Geschäftsführer würde rein gar nichts laufen. Der Typ hat doch aus verdammt gutem Grund so rasant Karriere gemacht. Ich habe gesehen, wie er dich bei der Party deiner Eltern mit Blicken regelrecht verschlungen hat.“

Verblüfft sah sie ihn an. Es war unglaublich. Carter drehte den Spieß einfach um. Mit wenigen Worten trieb er sie in die Enge. Als ob sie diejenige wäre, die sich verteidigen müsste.

„Auch wenn Griffin Slater nur angeheuert war“, fuhr er fort, „er hätte die belastenden Beweise auch deinem Vater übergeben können, statt zu der am Boden zerstörten Erbin zu gehen, um sie höchstpersönlich zu trösten.“

Carters spöttischer Tonfall rief Eva die Worte ihres Vaters ins Gedächtnis. Mitgiftjäger …

Plötzlich erkannte sie, was Carter wirklich war: ein Aufschneider und ein Blender, der sich an ihrem Erbe bereichern wollte. Aus keinem anderen Grund hatte er sich an sie herangemacht, ihr Komplimente gemacht, sie in teure Restaurants ausgeführt …

Und dann tat Eva etwas, was sie sich niemals zugetraut hätte. Etwas, das sie später, wenn sie an diesen Moment zurückdachte, mit Stolz erfüllen würde.

„Oh, ich denke ‚am Boden zerstört‘ trifft nicht ganz zu.“ Impulsiv griff sie zu dem Weinglas, das schon für sie eingeschenkt war, und schüttete Carter den Inhalt ins Gesicht. „‚Mit einer Mordswut im Bauch‘ trifft es eher.“

Carter errötete vor Zorn, als er an sich heruntersah. Rotwein lief ihm über das Gesicht und tropfte auf sein ehemals makelloses Jackett und auf das Hemd. „Warum zum Teufel hast du das gemacht?“

„Weil du genau das verdient hast“, antwortete sie herablassend. Eva empfand eine gewisse Genugtuung, obwohl sie wusste, dass ein schmutziges Hemd nicht annähernd genug war. Für das, was er ihr angetan hatte, hätte er richtig büßen sollen.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte hinaus, ohne den Blicken der anderen Gäste und des Personals Beachtung zu schenken. In dem Restaurant war es mit einem Mal so still geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Eva hatte eingesehen, wie sehr sie sich geirrt und in diesem Mann getäuscht hatte. Die Arbeit ist für Carter nicht das Wichtigste im Leben, und ich bin es offensichtlich auch nicht, dachte sie voller Bitterkeit.

Wie hatte ihr nur entgehen können, was für ein Mensch Carter wirklich war? Hatte ihr verzweifelter Wunsch nach einem Kind sie blind gemacht, sie vollkommen jeglicher Intuition beraubt? Eva war immer stolz auf ihre gute Menschenkenntnis gewesen. Und diese Fähigkeit war unerlässlich in ihrem Beruf.

Mit finsterem Blick ging sie über den Bürgersteig zu ihrem Auto. Sie war von Carter betrogen worden, ihr Vater hatte sie hintergangen, und zum krönenden Abschluss hatte Griffin ihr einen schmerzhaften Hieb versetzt. Vielleicht sollte ich mich in Zukunft besser von Männern fernhalten und in ein Kloster gehen, dachte sie angewidert.

Sie konnte immer noch nicht fassen, dass Carter tatsächlich die Frechheit besessen hatte, sich so zu benehmen. Er hatte den Spieß einfach umgedreht und behauptet, dass sie eine Affäre mit Griffin hatte!

Unwillkürlich musste sie wieder an Griffins Kuss denken, mit dem er sie in ihrem Apartment überrascht und ihr geradezu den Boden unter den Füßen fortgerissen hatte. Hinter seiner stets gelassenen Haltung lauerte eine Leidenschaft, die Eva den Atem geraubt hatte. Und sie war schlichtweg fasziniert von dieser neuen Seite an Griffin.

Zum ersten Mal hatte sie gespürt, dass etwas Ungezähmtes in ihm steckte. Als ob sich unter seinen feinen Krawatten, Maßanzügen und lässig-eleganten Smokings ein Mann verbarg, der sie mit jeder Faser seines Körpers wild begehrte.

Als er gestern gegangen war, hatte sie registriert, dass er einen Porsche fuhr … Das hätte sie von einem so zugeknöpften Bürohengst nicht erwartet.

Seit der vergangenen Nacht dachte sie darüber nach, warum Griffin sie geküsst hatte – natürlich nur, wenn sie einmal nicht mit ihrer Wut auf Carter beschäftigt war.

Sie kam zu dem Schluss – denn es war die einzig sinnvolle Erklärung –, dass er sie nur geküsst hatte, weil er so unglaublich von sich selbst überzeugt war und seine Wirkung auf sie ausprobieren wollte. Vielleicht hatte er auch gedacht, dass er sie so am effektivsten davon abhalten konnte, mehr höhnische oder bissige Bemerkungen zu machen.

Auf keinen Fall konnte sie glauben, dass Griffin sich ernsthaft zu ihr hingezogen fühlte. Sie waren bisher schließlich immer aneinandergeraten, wenn sie sich nur im selben Raum aufgehalten hatten.

Und auch wenn Griffin Lust hatte, sich mit ihr zwischen den Laken zu wälzen, was ihr sehr unwahrscheinlich erschien … Mit aufrichtigen Gefühlen konnte es nichts zu tun haben. Entweder ginge es ihm einfach nur um Sex, oder er hatte andere niedere Beweggründe, die sie noch nicht kannte.

Das Letzte, was sie jetzt in ihrem Leben gebrauchen konnte, war ein Mann mit Hintergedanken.

„Die Hochzeit findet nicht statt“, erklärte Eva rundheraus. „Ich wollte, dass ihr es von mir erfahrt.“

Es war eines der schmerzhaftesten Eingeständnisse ihres Lebens. Aber Eva fand, dass sie ihren Eltern schuldig war, es ihnen persönlich mitzuteilen. Sie sollten es nicht zufällig von jemand anderem erfahren. Und das konnte schnell geschehen, wenn die Gerüchteküche erst einmal brodelte.

„Oh, Eva!“ Ihre Mutter eilte sofort zu ihr, um sie in den Arm zu nehmen.

Ihr Vater wirkte erleichtert. Doch seine Stimme klang schroff, als er fragte: „Geht es dir gut?“

Eva war direkt vom „Last Supper Club“ nach Mill Valley gefahren. Sie hatte ihre Eltern im Wohnzimmer gefunden, wo sie es sich nach dem Essen bequem gemacht hatten. Bitterkeit stieg in Eva auf, als sie sah, dass ihre Mutter in einem Hochzeitsmagazin geblättert hatte. Währenddessen hatte ihr Vater sich die Nachrichten im Fernsehen angesehen.

Nachdem sie sich einigermaßen gefasst hatte, löste Eva sich aus der Umarmung ihrer Mutter und wandte sich an ihren Vater. „Du kannst dich glücklich schätzen. Carter wird nicht dein Schwiegersohn.“

„‚Glücklich‘ ist nicht das treffende Wort für das, was ich empfinde.“

„Begeistert?“

Ihr Vater ging nicht auf die Bemerkung ein, sondern fragte stattdessen: „Was ist passiert?“

„Hat Griffin dir nichts erzählt?“, fragte sie überrascht und fügte spitz hinzu: „Sollte man nicht annehmen, dass der Hilfssheriff seinen Boss zuerst informiert?“

Griffin hatte ihr zwar gesagt, dass er mit den Beweisen zuerst zu ihr gekommen war. Trotzdem erstaunte es Eva. Nachdem er ihr die Fotos gebracht hatte, hätte er ihren Vater anrufen können. Griffin war gegangen, ohne dass sie noch einmal mit ihm gesprochen hatte. Und wäre ihr Zeit geblieben, sich zu beruhigen, hätte sie ihn um Stillschweigen gebeten, vorausgesetzt sie hätte ihren Stolz überwunden.

Ihr Dad sah so aus, als ob er sich nicht ganz wohl in seiner Haut fühlte. „Er hat kein Wort gesagt.“

„Das wundert mich, nachdem du ihm befohlen hast, Carter hinterherzuschnüffeln“, antwortete sie kühl.

„Erstens, niemand hat Griffin befohlen …“

„Marcus, ist das wahr?“, warf ihre Mutter schockiert ein.

„Was blieb mir denn anderes übrig, Audrey? Er war im Begriff, in unsere Familie einzuheiraten. Und im Nachhinein betrachtet waren meine Sorgen ja wohl mehr als berechtigt. Sogar Eva hat ja gerade zugegeben, dass ich recht hatte.“

„Womit hattest du recht?“, fragte ihre Mutter.

Eva seufzte leise. „Damit, dass Carter mich nur wegen meines Geldes heiraten wollte, Mom.“

„Oh, Eva, das tut mir so leid.“

Ihr Vater fluchte leise.

Eva konnte sich nicht dazu durchringen, auch noch zuzugeben, dass Carter sie betrogen hatte. Solange Griffin nichts verriet, würde sie ihren Eltern nur die halbe Wahrheit erzählen. Und sie hatte keine Skrupel, das zu nutzen. Immerhin behielt sie dadurch wenigstens einen Teil ihrer Würde.

„Was sollen wir den Leuten erzählen, Eva?“, fragte ihre Mutter ruhig.

„Sag ihnen nur, dass wir beschlossen haben, uns zu trennen. Punkt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Sie hatte während der Fahrt zu ihren Eltern über die ganze Angelegenheit nachgedacht. Schließlich war Eva zu dem Schluss gekommen, dass sie nur wenigen Leuten die Wahrheit gestehen wollte.

Glücklicherweise würden nur wenige Fragen stellen. Denn von der Verlobung hatte bisher kaum jemand erfahren … Es gab keinen Ring, keine Feier und keine öffentliche Bekanntgabe. Mit Carters Schweigen konnte Eva rechnen. Ihm lag sicher nichts ferner, als zuzugeben, dass die Erbin des Tremont-Vermögens ihm den Laufpass gegeben hatte – weil er sie betrogen hatte.

Trotzdem war die Situation alles andere als angenehm. Eva fühlte sich tief verletzt und verraten. Vorwurfsvoll sah sie ihren Vater an. „Carter bin ich losgeworden. Aber du bist mein Vater, und das kann ich nicht ändern.“

Marcus schluckte.

„Ich bin nur hier, um dir etwas für die Zukunft zu sagen“, fügte sie hinzu. „Misch dich nie wieder in mein Leben ein, Dad.“

„Evangeline …“

„Und dass du für dein kleines Spielchen hinter meinem Rücken ausgerechnet Griffin Slater eingespannt hast …“

Ihr Vater schüttelte resigniert den Kopf, bevor er Eva ernst anblickte. „Ich habe deine Abneigung ihm gegenüber nie verstanden.“

„Weißt du, ich habe es selbst nie ganz verstanden. Letzten Endes hat er mir sogar einen großen Gefallen getan“, sagte sie sarkastisch, „indem er die Rolle bei der Tremont REH übernommen hat, die mir nicht liegt … Oder sollte ich sagen, für die ich ungeeignet bin?“

„Ich habe niemals gesagt, dass ich es dir nicht zutraue.“

„Das musstest du auch nicht“, erwiderte sie müde.

Ihr Vater wirkte entrüstet, während ihre Mutter nur unglücklich den Kopf schüttelte.

„Eva, ich habe dich nur aus einem Grund nie gedrängt, in die Firma einzutreten. Du solltest die Möglichkeit haben, deinen eigenen Weg zu wählen und deine Träume zu verwirklichen.“

Seine Worte wirkten wie Balsam auf Eva. So offen hatte ihr Vater noch nie ausgesprochen, warum er ihr keinen Posten in dem Familienunternehmen angeboten hatte. Im Grunde hatte sie das nie gewollt. Und allmählich verstand sie, dass ihr Vater sich für sie vielleicht wirklich nur das Beste wünschte. Aber was Griffin anging, wollte sie ihn nicht so leicht davonkommen lassen.

„Gut, es stimmt. Du hast mir niemals damit zugesetzt, dass ich in deine Firma einsteigen sollte. Allerdings hast du keine Gelegenheit ausgelassen, mir Griffin schmackhaft zu machen.“

„Doch nicht wegen der Tremont REH“, entgegnete ihr Vater mit tiefer Stimme, „sondern weil er ein guter Mann ist.“

„Hört jetzt auf, ihr beiden“, erklärte ihre Mutter nun und bemühte sich, damit die Diskussion zu beenden. Sanft legte Audrey eine Hand auf Evas Schulter und drückte sie tröstend. „Ich hoffe, du bleibst heute Nacht bei uns. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du jetzt allein bleibst.“

Eva war ihrer Mutter für die Einladung dankbar. Ihrem Vater musste sie jedoch noch etwas einschärfen. „Eins sollst du wissen, Dad. Griffin Slater ist der letzte Mann auf der Welt, den ich heiraten werde.“

Ein gutes Schlusswort, dachte sie. Besonders weil das Risiko, dass ich diese Erklärung zurücknehmen muss, gleich null ist.

5. KAPITEL

Zwei Tage nachdem Griffin Eva in ihrem Apartment aufgesucht hatte, begegnete er Marcus in der Firma. Normalerweise war dessen Anwesenheit im Hauptsitz der beiden Unternehmen nicht notwendig. Da er aber immer noch Aufsichtsratsvorsitzender war und es ihm schwerfiel, sich von seinem Lebenswerk zu trennen, hatte er die Angewohnheit, regelmäßig kurz vorbeizuschauen.

Griffin hatte gerade in sein Büro gehen wollen, als er Marcus sah. Und Griffin wusste nur zu gut, aus welchen Gründen sein älterer Freund ihn in der Firma aufsuchte. Geschäftlicher Natur waren seine Motive nicht.

Nachdem sie wortlos das Büro betreten hatten, schloss Marcus die Tür hinter sich. Mit finsterer Miene sah er Griffin an. „Dieser Bastard Newell.“

Er spricht genau aus, was ich denke, ging es Griffin durch den Kopf.

„Ich bin nur froh, dass Eva die Hochzeit abgesagt hat.“ Seufzend fasste Marcus sich an die Stirn.

Die Neuigkeit erleichterte Griffin so sehr, wie es eine kühle Brise an einem glühend heißen Tag vermocht hätte. Eva hatte also doch Vernunft angenommen und Carter den Laufpass gegeben. Zum Glück!

Statt sich hinter seinen Schreibtisch zu setzen, bot Griffin seinem Besucher einen Sessel an und nahm ihm gegenüber Platz. „Ich bin froh, dass du so aufmerksam warst. Wäre dir kein Verdacht gekommen … Gott sei Dank konnten die Machenschaften dieses miesen Typen aufgedeckt werden, Marcus.“

„Sie hat gesagt, der Detektiv hätte Beweise dafür gefunden, dass Carter sie nur des Geldes wegen heiraten wollte.“

„Ja“, erwiderte Griffin einsilbig. Wie viel hatte Eva ihrem Vater bisher wohl erzählt – die ganze Wahrheit?

„Wie ist er denn zu diesem Schluss gekommen?“

Griffin zwang sich, möglichst unbeteiligt zu wirken. „Tja, das Übliche. Ein Finanzprofil, aus dem ersichtlich ist, dass Carter seinen Lebensstil über Kredite finanziert hat. Außerdem konnte der Detektiv einige interessante und erhellende Gespräche auf Band festhalten.“

Da Marcus bis jetzt mit keiner Silbe erwähnt hatte, dass Carter Eva betrogen hatte, sprach Griffin nicht über dieses Thema. Und der ältere Mann nickte zufrieden und machte den Eindruck, als ob er tatsächlich keine weiteren Details hören wollte.

Griffin nahm ihm das nicht übel. Er hätte sich die Einzelheiten auch gern erspart. Doch wahrscheinlich fühlte sich Marcus weitaus unbehaglicher, angesichts der Tatsache, dass Eva seine Tochter und das einzige Kind war.

„Ich bin zuerst zu Eva gegangen“, erklärte Griffin und wich damit der Frage aus, die unweigerlich folgen musste. Natürlich wollte Marcus erfahren, wann Ron die Ermittlungsergebnisse vorgetragen hatte. „Ich war der Meinung, dass sie einen Anspruch darauf hatte, zuerst informiert zu werden. Und ich bin davon ausgegangen, sie würde es dir gern selbst erzählen.“

„Ich weiß, dass du dabei einiges riskiert hast. Eva wünscht uns jetzt beide bestimmt zum Teufel. Darum bin ich froh, dass sie es wenigstens als Erste erfahren hat. Man muss die Dinge nicht noch schlimmer machen, als sie ohnehin schon sind, oder?“

„Da hast du wohl recht.“

Marcus deutete ein Lächeln an und fuhr stolz fort: „Eva hat ihrer Mutter erzählt, dass sie Newell im Restaurant Wein ins Gesicht geschüttet hat. Vor aller Augen hat sie ihn zur Rede gestellt.“

Griffin verspürte eine Art grimmige Genugtuung. Zumindest weinte Eva sich wegen Newell nicht die Augen aus dem Kopf, sondern hatte sich wenigstens ein bisschen an ihm gerächt. Das erleichterte ihn etwas, obwohl er überzeugt war, dass Eva dennoch unter Newells Verrat litt.

Er sorgte sich um sie, auch wenn sie ihn manchmal zum Wahnsinn trieb. Und Marcus’ Bitte hatte er letzten Endes nur erfüllt, weil er wollte, dass es ihr gut ging. Sonst hätte er sich der Angelegenheit nicht selbst gewidmet und Newell nicht beschatten lassen.

Und weil er wollte, dass es ihr gut ging, hatte er sie in ihrem Apartment geküsst … Jedenfalls versuchte er, sich das einzureden.

Dabei verachtete sie ihn jetzt mit Sicherheit. Aus ihrer Sicht hatte er sie bestimmt in einem schwachen Moment an sich gerissen und aus heiterem Himmel geküsst. Trotzdem hätte Griffin sich in einer anderen Situation wieder so verhalten. Immerhin hatte er sie davor bewahrt, unnötige Tränen zu vergießen und ihre Zeit mit Liebeskummer zu vergeuden.

Kurz nachdem Marcus das Büro verlassen hatte, klingelte das Telefon. Griffin setzte sich auf den Bürosessel und nahm ab.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung sagte: „Du bist natürlich genau da, wo ich es mir vorgestellt habe … an den Schreibtisch gefesselt. Immer noch fleißig bei der Arbeit?“

Lachend rieb Griffin sich den Nacken. Er freute sich immer, von seinem Bruder zu hören. „Du weißt ja, ich schiebe nur Teile auf dem Monopoly-Brett hin und her“, scherzte er. „Wie läuft es im OP, kleiner Bruder?“

Sein Bruder lachte. „Ach, ein Blinddarm ist wie der andere, nichts Neues, wirklich. Aber deswegen rufe ich nicht an.“

„Sondern?“

„Tessa ist schwanger.“

„Großer Gott.“ Gespielt entsetzt stöhnte er auf. „Du als Vater!“

„Von dir nehme ich das als Kompliment“, entgegnete sein Bruder fröhlich.

Griffin musste lächeln. „Im Ernst, herzlichen Glückwunsch. Das sind fantastische Neuigkeiten.“

„Danke. Wir freuen uns wahnsinnig.“

„Erst Monica und jetzt du. Ich kann es kaum fassen. Na ja, wenigstens habt ihr zum ersten Mal in eurem Leben etwas gemeinsam.“ Während ihrer Jugendjahre waren sich seine jüngeren Geschwister selten einig gewesen. Sie hatten sich vielmehr wie Hund und Katze benommen.

Josh lachte. „Manchmal bist du wirklich unmöglich.“

Während Griffin sich mit seinem Bruder über die Schwangerschaft seiner Schwägerin und die damit verbundene Aufregung unterhielt, fiel ihm wieder ein, was Eva gesagt hatte: Jetzt werde ich nie ein Baby bekommen.

Ihre Worte hatten ihn die ganze Nacht beschäftigt. Er hatte Eva vor einem betrügerischen Mitgiftjäger schützen wollen. Dabei war ihm nicht klar gewesen, dass er damit gleichzeitig alle ihre Hoffnungen auf eine eigene Familie zunichtegemacht hatte.

Warum machte sie sich in dieser Hinsicht überhaupt so große Sorgen? Eva war erst zweiunddreißig Jahre alt. Viele Frauen bekamen Ende dreißig Kinder, besonders heutzutage.

Weil er nicht hatte schlafen können, hatte Griffin während der vergangenen Nacht im Internet unter dem Stichwort „vorzeitige Menopause“ nachgesehen. Er hatte herausgefunden, dass es sich auf Frauen bezog, die zwischen zwanzig und fünfunddreißig Jahre alt waren und keine Menstruation mehr bekamen. Bei einigen lag dafür offenbar eine genetische Veranlagung vor. Und aus der Bemerkung, die Eva gemacht hatte, schloss Griffin, dass sie sich zu diesen Frauen zählte.

„Hallo, Griffin, bist du noch da?“, fragte sein Bruder amüsiert.

Erst jetzt bemerkte Griffin, dass er mit den Gedanken woanders war.

„Ja, entschuldige bitte“, sagte er. „Hör zu, du solltest mit Tessa bald mal wieder nach San Francisco kommen. Wir werden feiern. Und zwar habe ich geplant, in ein paar Wochen eine Cocktailparty für einige Geschäftsfreunde zu geben. Es wäre toll, wenn ich dich und Monica überreden könnte, mit euren Ehepartnern hier vorbeizuschauen.“

„Klar, gern. Ich muss zwar erst in unserem Terminkalender nachsehen“, antwortete Josh, „aber ich bin sicher, dass Tessa gern noch so viel wie möglich reisen will, bevor der Arzt es ihr in den letzten Wochen der Schwangerschaft verbieten wird.“

„Prima.“

„Dann wird dein großes Haus endlich mal von Nutzen sein, was?“, zog sein Bruder ihn auf. „Ich frage mich immer wieder, was du eigentlich damit machst.“

„Ich hebe es natürlich für all die Neffen und Nichten auf, die du und Monica mir schenken werdet“, antwortete Griffin und lächelte.

Josh stöhnte ungläubig auf. „Na klar, wer’s glaubt! Eines Tages werden die wilden Haremspartys auffliegen, die du heimlich darin abhältst.“

Diese Art von verbalem Schlagabtausch lieferten sie sich oft. Es war nicht ernst gemeint, sondern brachte beiden einfach Spaß. In Wahrheit widmete Griffin sein Leben seiner Karriere, seit ihre Eltern gestorben waren und die Geschwister eigene Wege eingeschlagen hatten. Er war ehrgeizig und zielstrebig.

Nachdem er das Gespräch mit Josh beendet hatte, drehte Griffin seinen Stuhl herum. Gedankenverloren blickte er aus dem Bürofenster. Er freute sich für seinen Bruder. Zu spüren, wie sehr Josh sich freute, führte Griffin jedoch auch vor Augen, wie sehr Eva unter ihrem Problem leiden musste. Das Problem, das durch ihn erst verursacht worden war.

Jetzt werde ich nie ein Baby bekommen.

Seit Jahren fühlte er sich schon zu Eva hingezogen, doch er hatte diese Leidenschaft immer unterdrückt.

Statt an Eva zu denken, hatte er sich auf andere Dinge in seinem Leben konzentriert. Er hatte seine Firma zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen gemacht und dafür gesorgt, dass es seinen Geschwistern gut ging.

Das Letzte, was er zu dem Zeitpunkt hätte gebrauchen können, war ein Techtelmechtel mit der Tochter seines Mentors und die sich unweigerlich daraus ergebenden Probleme.

Trotzdem, nachdem er seine selbst gesteckten Ziele erreicht hatte, war er in der Lage, ein wenig kürzerzutreten und sich umzuschauen – um zu erkennen, dass er seine Gefühle für Eva zu lange bekämpft hatte? Der Gedanke drängte sich Griffin auf.

Um ein Haar hätte er sie an den nichtsnutzigen Schurken Newell verloren. Offensichtlich konnte man Eva nicht zutrauen, dass sie selbst den richtigen Ehemann für sich fand; und bei Gott, wenn sie sich mit Newell begnügt hätte, könnte sie sich auch für ihn entscheiden.

Griffin ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Zahlreiche elegant gekleidete Menschen drängten sich auf der Terrasse und auf dem Rasen. Während Griffin sich umsah, stellte er fest, dass es sich bei den meisten der Gäste um bekannte Persönlichkeiten handelte, die in San Francisco in den gehobenen Kreisen verkehrten. Er nahm an, dass Eva viele von ihnen kannte … manche davon zweifellos schon seit ihrer Schulzeit.

Vor einigen Wochen hatte er die Einladung zu der Dreißigerjahreparty erhalten. Jetzt befand er sich auf dem Anwesen des prominenten Ehepaares Beth und Oliver Harding, einem Silicon-Valley-Magnaten.

Ursprünglich hatte er nicht die Absicht gehabt, tatsächlich zu erscheinen. Und das obwohl Oliver und er sich aus einigen Aufsichtsratssitzungen kannten. Kurz bevor er hätte absagen müssen, hatte Griffin jedoch seine Meinung geändert. Denn er wusste, dass Beth eine gute Freundin von Eva war. Und Marcus hatte vor einiger Zeit erwähnt, dass seine Tochter die Party organisierte.

Er hatte sie seit der Woche nicht gesehen, in der er ihr die Nachricht über Carters Untreue überbracht hatte. Aber Griffin war fest entschlossen, sie heute in einem günstigen Moment zu erwischen und ein wenig mit ihr zu plaudern.

Hier stand er also in einem Anzug, in dessen Jacke Schulterpolster eingenäht waren, und in einer für seinen Geschmack viel zu eng zulaufenden Hose. Griffin hatte die Sachen im Internet bestellt und kam sich darin jetzt ziemlich lächerlich vor.

Die Party war schon in vollem Gange gewesen, als er angekommen war. Oliver hatte ihn Noah Whittaker vorgestellt, der sich für den Computergiganten Whittaker Enterprises auf Geschäftsreise im Silicon Valley befand. Eine Zeit lang hatte Griffin sich angeregt mit dem in Boston ansässigen Unternehmer über die wirtschaftliche Lage unterhalten.

Von Oliver hatte er erfahren, dass Eva sich unter die Gäste mischte, wenn sie in der Küche nicht gebraucht wurde. Offensichtlich schien sie heute halb Angestellte, halb Gast zu sein.

Er nahm sein Weinglas und trank einen Schluck, während er mit Blicken wieder die Menge absuchte … Ihm stockte der Atem, als er sie entdeckte.

Mit einem Mal hatte er das Gefühl, sein Puls schlüge plötzlich doppelt so schnell.

Sie trug ein schwarzes Zigarettenmädchenkostüm. Der kurze Rock reichte ihr nicht bis zu den Knien, sondern bedeckte gerade mal halb ihre Oberschenkel. Griffin genoss den Anblick ihrer wohlgeformten Beine, die unendlich lang schienen. Netzstrümpfe und Peep-toe-High-Heels vervollständigten ihr Outfit.

Sie trug einen kleinen Bauchladen vor sich her.

Raffiniert, dachte er, und gleichzeitig fühlte er, wie ihm vor Verlangen heiß wurde.

Er war zum ersten Mal auf einer Party, die Eva organisiert hatte. Jetzt fragte er sich, ob er ihre Arbeit und wie gut sie diese offensichtlich erledigte, zu schnell verurteilt und als pure Zeitverschwendung abgetan hatte.

Gedankenverloren reichte er einem vorbeigehenden Kellner sein Glas. Dann atmete Griffin tief ein und bahnte sich durch die Menge einen Weg zu Eva.

Offensichtlich hatte sie gemerkt, dass er auf sie zusteuerte. Er erreichte sie gerade in dem Moment, als sie sich in die andere Richtung davonmachen wollte.

„Vergewisserst du dich, dass alles glattgeht?“, fragte er schnell, bevor sie außer Hörweite war.

Sie wirbelte herum und sah ihn erstaunt an. Dann kniff sie die Augen zusammen. „In meinem Arbeitsleben, meinst du? Denn, wie du weißt, ist mein Privatleben augenblicklich ziemlich durcheinander.“

Er nickte schuldbewusst und schwieg.

„Was? Hast du heute etwa keine weiteren schockierenden Fotos für mich?“, fragte sie herausfordernd. „Keine weiteren sensationellen Beweise?“

„Ich habe gehört, dass du Carter eine ordentliche Dusche verpasst hast.“

„Das weißt du zweifellos von meinem Vater.“

„Alles hast du ihm aber nicht erzählt.“

Sie neigte den Kopf zur Seite. „Enttäuscht, dass ich die größte Demütigung für mich behalten habe?“

„So würde ich das nicht nennen. Ich kann mir schlimmere Dinge vorstellen …“

„… als meinem Vater zu erzählen, dass er mehr als recht hatte?“, beendete sie den Satz spöttisch. „Dass Carter mich betrogen hat?“

„Dein Vater macht sich Sorgen um dich, Eva.“

In ihren Augen flammte für einen kurzen Moment ein Gefühl auf, das er nicht deuten konnte. „Ja, ich weiß. Aber manchmal hilft das nicht. Nun, wenn du mich entschuldigen würdest, ich muss hier einen Job erledigen.“

Er streckte den Arm aus und hielt sie am Ellenbogen fest. „Die Party läuft doch super.“

Sie blickte auf seine Hand und sah ihm dann in die Augen. „Lass mich los.“

Ohne seine Finger auch nur einen Zentimeter zu bewegen, fuhr er fort: „Wir beide wissen, dass du auch als Gast hier bist. Und an diesem Punkt des Abends ist dein Job im Wesentlichen erledigt. Du hast sicher ein paar Minuten übrig.“

„Du gibst niemals auf, was?“, herrschte sie ihn an.

„Eines Tages wirst du vielleicht zu schätzen wissen, dass das eine meiner besten Eigenschaften ist.“

„Das bezweifle ich. Obwohl, wenn man überlegt, wie wenig tolle Eigenschaften du besitzt, ist das vielleicht gar nicht so weit hergeholt.“

Autor

Cathleen Galitz
<p>Cathleen Galitz hat als Autorin schon viele Preise gewonnen und unterrichtet an einer kleinen Schule im ländlichen Wyoming Englisch. Ihr Ehemann und sie haben zwei Söhne, die ihre Eltern mit ihren vielen unterschiedlichen Aktivitäten ganz schön auf Trab und damit auch jung halten. Cathleen liest sehr gerne, geht oft Golf...
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