Traummänner & Traumziele: Athen

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BEIM BLICK IN DEINE AUGEN ...

Können diese Blicke lügen? Fassungslos starrt der Milliardär Constantine Karantinos die zarte Laura an: Sie behauptet, sie hätte einen Sohn mit ihm! Aber das wüsste er doch. Eine Liebesnacht mit ihr, vor sieben Jahren … vergessen? Aber weil der Junge ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist und Familie zählt, ordnet der mächtige Grieche an, dass Laura und Alex ihn nach Athen begleiten. Wo allmählich nicht nur seine Erinnerung an jene Nacht erwacht - sondern auch Constantines Wunsch, in zärtlichen Stunden die Liebe in Lauras sturmumwölkten Augen erneut heraufzubeschwören …

HOCHZEIT AUF GRIECHISCH

Gut aussehend, elegant und sehr entschlossen steht der mächtige Unternehmer Leon Aristides vor Helen. Unglaubliches verlangt er von ihr: Sie soll ihn sofort nach Athen begleiten und dort heiraten. Nur so kann er das Sorgerecht für seinen kleinen Neffen Nicholas erhalten, um den Helen sich wie um einen eigenen Sohn kümmert. Schweren Herzens sagt sie Ja: Ein Leben ohne Liebe scheint sie in Griechenland zu erwarten. Doch in der Hochzeitsnacht in Leons luxuriösem Schlafzimmer erlebt sie eine Überraschung: Mit glühenden Umarmungen bringt er sie zum Olymp der Leidenschaft ...

EIN VERFÜHRERISCHES ANGEBOT

Die Ehe zwischen Victoria und dem vermögenden griechischen Reeder Alexei besteht nur noch auf dem Papier: Sie lebt seit Jahren in London, er in Griechenland. Bis Victoria sich scheiden lassen will. Plötzlich verlangt Alexei, sie wiederzusehen. In Athen verspürt Victoria überraschend für immer verloren geglaubte Gefühle. So stark ist die erotische Anziehungskraft zwischen ihnen, dass Alexei ihr ein Angebot macht: Sie bekommt eine großzügige Abfindung, wenn sie für eine Woche seine Geliebte ist. Pure Erpressung oder eine prickelnde zweite Chance für die Liebe?

IM BANN DES STOLZEN GRIECHEN

Was für ein Mann! Unwillkürlich hält Gabi den Atem an, als sie Andreas Simonides in seinem luxuriösen Büro gegenübersteht. Eine Aura von Macht und Reichtum umgibt den attraktiven Geschäftsmann. Nur um ihn zu sehen, ist sie vom idyllischen Kreta ins heiße, staubige Athen gereist. Seine Ähnlichkeit mit den Zwillingen ihrer verstorbenen Schwester ist verblüffend. Obwohl Andreas sich offenbar nicht erinnern kann - für Gabi gibt es keine Zweifel. Sie glaubt, den Vater ihrer kleinen Neffen gefunden zu haben. Und verliert ihr Herz an einen Mann, der unerreichbar für sie ist …


  • Erscheinungstag 27.10.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774684
  • Seitenanzahl 608
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sharon Kendrick, Jacqueline Baird, Rebecca Winters

Traummänner & Traumziele: Athen

Sharon Kendrick

Beim Blick in deine Augen …

IMPRESSUM

JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2009 by Sharon Kendrick
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1905 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Katharina Kramp-Löcherbach

Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-444-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

Alles in Laura spannte sich an, als im Radio sein Name fiel. Normalerweise hörte sie nur mit einem Ohr zu, wenn die Morgennachrichten im Radio liefen. Und Meldungen über die internationale Wirtschaft interessierten sie überhaupt nicht.

Aber Karantinos war ein ungewöhnlicher Name. Einer, den sie niemals überhören würde.

Sie war gerade damit beschäftigt, Brot zu backen – gab eine Handvoll Körner in den Teig, bevor sie den letzten Laib in den Ofen schob. Doch jetzt hielt sie mit zitternden Händen inne und lauschte – wie ein kleines Tier, das sich plötzlich allein und verängstigt mitten in feindlichem Territorium wiederfand.

„Der griechische Milliardär Constantine Karantinos hat für seine Schifffahrtslinien Gewinne in Rekordhöhe vermeldet“, verkündete die trockene Stimme des Nachrichtensprechers. „Der als Playboy bekannte Karantinos hält sich derzeit in London auf. Im Granchester Hotel, wo ihm zu Ehren heute Abend eine Party stattfindet, wird er Gerüchten zufolge seine Verlobung mit dem schwedischen Topmodel Ingrid Johansson bekannt geben.“

Laura schwankte und musste sich an der Arbeitsplatte festhalten, um nicht umzukippen. Sie war kaum in der Lage zu begreifen, was sie gerade gehört hatte, und ihr Herz schlug mit einer überraschend schmerzhaften Heftigkeit. Weil sie den Constantine von damals einfach nicht vergessen konnte. Wenn sie an ihn dachte, schien es, als wäre die Zeit stehengeblieben – eine bittersüße Erinnerung an den Mann, nach dem sie sich noch immer sehnte. Aber die Zeit stand niemals still – sie wusste das besser als jeder andere.

Was hatte sie denn auch erwartet? Dass ein Mann wie Constantine für immer allein blieb? Dass er mit seinem lässigen Charme und seinem scharfen Intellekt, mit diesem kraftvollen Körper und diesem Gesicht eines gefallenen Engels keine Partnerin finden würde? Sie war nur überrascht, dass es nicht schon früher passiert war.

Mit immer noch klopfendem Herzen erledigte sie ihre morgendliche Routine und räumte die Küche auf, bevor sie nach oben ging, um ihren Sohn zu wecken. Oft sagte sie sich, wie viel Glück sie hatte, direkt über dem Geschäft zu wohnen. Obwohl es nicht ihr Lebenstraum gewesen war, eine kleine Bäckerei zu führen, sicherte es ihr zumindest ein bescheidenes Einkommen, das sie gelegentlich durch Aushilfsjobs als Kellnerin aufbesserte. Aber vor allem sorgte es dafür, dass sie ein Dach über dem Kopf hatten – was Alex Sicherheit gab. Und das war in Lauras Augen mehr wert als alles andere.

Ihre Schwester Sarah war schon auf und gähnte, als sie aus einem der drei winzigen Schlafzimmer kam und sich mit den Fingern durch ihre dichte dunkle Mähne fuhr, die in einem krassen Gegensatz zu Lauras feinerem, hellerem Haar stand.

„Morgen, Laura“, murmelte Sarah und blinzelte dann, als sie das Gesicht ihrer älteren Schwester sah. „Was zur Hölle ist passiert? Sag nicht, der Ofen ist schon wieder kaputt!“

Stumm schüttelte Laura den Kopf und nickte dann zum Zimmer ihres Sohnes hinüber. „Ist er schon wach?“, flüsterte sie.

Sarah schüttelte den Kopf. „Noch nicht.“

Laura blickte zur Uhr an der Wand hinüber, die ihr hektisches Leben bestimmte, und sah, dass ihr noch zehn Minuten blieben, bevor sie Alex für die Schule fertig machen musste. Sie zog Sarah in das kleine Wohnzimmer, machte die Tür zu und drehte sich dann, am ganzen Körper zitternd, zu ihrer Schwester um.

„Constantine Karantinos ist in London“, flüsterte sie heiser.

Ihre Schwester starrte sie an. „Und?“

Laura unterdrückte das Zittern ihrer Hände. „Er gibt eine Party.“ Sie schluckte. „Und sie sagen, dass er sich verloben wird. Mit einem schwedischen Topmodel.“

Sarah zuckte mit den Schultern. „Was soll ich dazu sagen? Dass ich überrascht bin?“

„Nein … Aber ich …“

„Aber was, Laura?“, meinte Sarah ungeduldig. „Du scheinst nicht akzeptieren zu können, dass dieser nichtsnutzige Bastard, mit dem du geschlafen hast, nicht einen Funken Anstand besitzt. Dass er nie wieder einen Gedanken an dich verschwendet hat.“

„Er …“

„Was? Er hat sich geweigert, dich zu empfangen. Du konntest nicht einen einzigen Termin bei diesem wichtigen Herrn bekommen, oder, Laura? Ganz egal, wie oft du es versucht hast. Er hat deine Anrufe nie entgegengenommen. Du warst ihm gut genug fürs Bett – aber nicht gut genug, um dich als Mutter seines Kindes anzuerkennen!“

Laura warf einen gequälten Blick auf die geschlossene Tür und lauschte angestrengt, während sie sich fragte, ob Alex wirklich noch schlief. Aber siebenjährige Jungen kamen morgens alle schwer aus dem Bett, oder? Und sie wurden immer neugieriger, je älter sie wurden … stellten Fragen, auf die sie keine Antworten wusste …

„Leise. Ich will nicht, dass Alex uns hört!“

„Warum nicht? Warum darf er nicht wissen, dass sein Vater einer der reichsten Männer auf dem Planeten ist – während seine Mutter in einer Bäckerei schuftet, um ihn durchzubringen?“

„Ich will nicht, dass …“ Aber Laura beendete ihren Satz nicht. Was wollte sie nicht? Sie wollte ihren geliebten Sohn nicht verletzen, weil es die Pflicht jeder Mutter war, ihr Kind zu beschützen? Es fiel ihr immer schwerer, das zu tun. Erst letzten Monat war Alex mit einem hässlichen blauen Fleck auf der Wange nach Hause gekommen, und als sie ihn fragte, was passiert war, hatte er etwas vor sich hin gemurmelt und sich in sein Zimmer zurückgezogen. Erst später hatte sie erfahren, dass er offenbar in einen Streit auf dem Schulhof verwickelt gewesen war. Und noch später fand sie auch den Grund heraus, als sie mit blassem Gesicht und zitternd mit der Rektorin sprach.

Offenbar wurde Alex von den anderen Kindern gehänselt, weil er „anders“ aussah. Wegen seiner olivfarbenen Haut, seinen schwarzen Augen und seiner Größe, die ihn älter und stärker aussehen ließ als die anderen Jungen in seiner Klasse. Und weil die kleinen Mädchen in seiner Klasse – selbst im zarten Alter von sechs oder sieben Jahren – dem dunkeläugigen Alex wie anhängliche kleine Welpen folgten. Wie der Vater, so der Sohn. Der Gedanke hatte ihr einen scharfen Stich versetzt.

Lauras Gefühle waren in Aufruhr gewesen, als sie an jenem Tag nach Hause ging. Sie war kurz davor gewesen, ihren Sohn von der Schule zu nehmen und irgendwo anders hinzuschicken, um ihm weiteres Leid zu ersparen – aber das konnte sie sich nicht leisten. Die nächste staatliche Schule befand sich im Nachbarort, und da sie kein Auto besaß und die Busse extrem unzuverlässig fuhren, war das keine Alternative.

In letzter Zeit fragte Alex sie immer öfter, warum er anders aussah. Er war ein intelligenter kleiner Junge, und früher oder später würde er sie nicht mehr mit ein paar vagen, schwammigen Informationen über einen Vater davonkommen lassen, den er niemals gesehen hatte. Wenn Constantine doch nur mit ihr reden würde, dachte sie verzweifelt. Wenn er seinen Sohn anerkennen und ein bisschen Zeit mit ihm verbringen würde – das war alles, was sie wollte. Dass ihr geliebter Sohn ein wenig über seine Herkunft erfuhr.

Geistesabwesend machte sie Alex sein Frühstück und brachte ihn den kurzen Weg zur Schule. Obwohl die Sommerferien kurz bevorstanden, war das Wetter in letzter Zeit schrecklich, und an diesem Morgen schien der Dauerregen jeden Zentimeter ihres Körpers zu durchdringen. Sie zitterte leicht und gab sich Mühe, fröhlich zu wirken, aber sie hatte das Gefühl, als läge ihr ein schweres Gewicht auf der Brust.

Alex blickte sie mit seinen dunklen Augen an und runzelte die Stirn. „Stimmt etwas nicht, Mum?“, fragte er.

Dein Vater wird bald eine andere Frau heiraten und wahrscheinlich eine Familie mit ihr gründen. Sie sagte sich, dass der glühende Stich der Eifersucht, der sie durchfuhr, unter den gegebenen Umständen völlig unangemessen war, und drückte ihren Sohn an sich, als sie sich verabschiedeten.

„Nein, es ist alles in Ordnung, Schatz.“ Sie lächelte strahlend, sah Alex nach, während er über den Schulhof rannte, und betete, dass die Standpauke der Rektorin bei den kleinen Wilden angekommen war, die ihm so zugesetzt hatten.

Gedankenverloren lief sie zurück zur Bäckerei. Sie hängte ihren feuchten Mantel an die Garderobe im hinteren Teil des Ladens und zog eine Grimasse, als sie ihr blasses Gesicht in dem kleinen Spiegel sah, der hinter der Tür hing. Ihre grauen Augen blickten sorgenvoll, und ihr feines Haar klebte wie ein besonders unattraktives Tuch an ihrem Kopf. Vorsichtig kämmte sie sich, dann entschied sie sich, wie sie oft, zu einer bequemen Hochsteckfrisur.

Sie zog ihren Overall an und war immer noch tief in Gedanken versunken, als sie in den Verkaufsraum ging, wo ihre Schwester gerade das Licht anmachte. Noch fünf Minuten, dann öffneten sie, und der erste Ansturm des Tages würde beginnen – von Dorfleuten, die frisches Brot und Brötchen kaufen wollten. Laura wusste, wie glücklich sie sich schätzen konnte, ihr Leben so leben zu können – was für ein Glück es war, dass ihre Schwester Alex so sehr liebte wie sie selbst.

Die beiden Mädchen waren früh Waisen geworden. Als Sarah noch zur Schule ging, verstarb ihre verwitwete Mutter plötzlich im Schlaf, und eine entsetzte Laura musste ihre Pläne, die Welt zu bereisen, auf Eis legen und versuchen, ihrer Schwester den Schulabschluss zu ermöglichen – nur um bald darauf zu entdecken, dass sie selbst mit Alex schwanger war.

Das Geld war knapp, doch ihnen blieben die kleine Bäckerei und die Wohnung darüber. Sie modernisierten den Laden, und Sarah studierte nur halbtags, um bei Alex’ Betreuung zu helfen. Bis jetzt war ihr Plan perfekt aufgegangen. Und auch wenn sie keine großen Gewinne erwirtschafteten, gelang es ihnen doch, sich über Wasser zu halten.

Aber in letzter Zeit sprach Sarah oft sehnsüchtig davon, auf die Kunstakademie in London zu gehen, und Laura wurde entsetzt klar, dass sie ein Hemmschuh für ihre Schwester war. Sie konnte sie nicht länger halbtags als Babysitter einsetzen, ganz egal, wie sehr Sarah ihren Neffen liebte. Aber wie um alles in der Welt sollte Laura das Geschäft führen und trotzdem für Alex da sein? Für Alex, der sich immer mehr für seine Herkunft zu interessieren begann.

Sarah wischte gerade die Theke noch einmal ab und blickte auf, als Laura in den Laden kam. „Du siehst immer noch deprimiert aus.“

Laura starrte auf die Kekse und das hausgemachte Toffee in der Glasvitrine. „Ich bin nicht deprimiert“, sagte sie langsam. „Mir ist nur klar geworden, dass ich den Kopf nicht länger in den Sand stecken darf.“

„Wovon sprichst du?“, fragte Sarah irritiert.

Laura schluckte. Sag es, dachte sie. Na los – sag es. Sprich die Worte laut aus – dann werden sie real, und du musst es tun. Hör auf, dich von den Bewachern abwimmeln zu lassen, die den Vater deines Sohnes umgeben. Geh da raus und kämpfe für Alex. „Davon, dass ich zu Constantine gehen und ihm sagen muss, dass er einen Sohn hat.“

Sarahs Augen wurden schmal. „Woher der neue Eifer, Laura?“, fragte sie trocken. „Liegt es daran, dass Constantine endlich sesshaft werden will? Glaubst du, er wirft einen Blick auf dich und beschließt, das schwedische Topmodel zu verlassen und mit dir in den Sonnenuntergang zu entschwinden?“

Laura wurde rot. Sarahs brutale Offenheit schmerzte – aber ihre kleine Schwester hatte recht. Sie durfte sich keinerlei romantischen Träumen hingeben, wenn es um den griechischen Milliardär ging. Er würde sie jetzt nicht mehr begehren. Denn war durch die harte Arbeit und die fehlende Zeit für sich selbst ihr jugendliches Strahlen nicht schneller verblasst als bei anderen? Obwohl sie erst kürzlich ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte, fühlte sie sich manchmal zehn Jahre älter – und sah oft auch so aus. Deshalb war es besser, jegliches Feuer, das in ihrem Herzen noch für den Vater ihres Sohnes brannte, sofort zu ersticken.

„Natürlich nicht“, sagte sie bitter. „Aber ich schulde es Alex. Constantine muss erfahren, dass er einen Sohn hat.“

„Da stimme ich dir zu. Aber vergisst du nicht etwas?“, fragte Sarah geduldig. „Bei deinem letzten Versuch, Kontakt mit ihm aufzunehmen, hast du nichts erreichen können – was ist jetzt anders?“

Was war anders? Laura ging langsam zur Ladentür hinüber. Sie war nicht sicher – vielleicht war ihr nur klar geworden, dass die Zeit knapp wurde – dass dies vielleicht ihre letzte Chance war. Und dass sie nicht länger bereit war, sich von dem undurchdringlichen Kreis abschrecken zu lassen, der den respekteinflößenden Griechen umgab. Sie war eine Mutter, und sie schuldete es ihrem Sohn.

„Was anders ist?“ Langsam wiederholte Laura Sarahs Frage. „Ich schätze, ich bin anders. Und diesmal werde ich mit ihm sprechen. Ich werde ihm in die Augen sehen und ihm sagen, dass er einen Sohn hat.“

„Oh, Laura, es wird genau das Gleiche passieren wie vorher!“, rief Sarah. „Du wirst nicht mal an ihn herankommen.“

Es entstand eine Pause. Laura konnte das Ticken ihrer Armbanduhr hören, die mit ihrem Herzen um die Wette schlug. „Nur, wenn ich es auf dem üblichen Weg versuche.“

Sarahs Augen wurden schmal. „Wie meinst du das?“

Erst in diesem Moment wurde Laura klar, was sie tun musste. Die Lösung war so unglaublich einfach, dass sie kaum glauben konnte, nicht schon früher darauf gekommen zu sein.

„Im Radio hieß es, er würde eine große Party in London geben“, sagte sie und versuchte, Ordnung in ihre durcheinanderwirbelnden Gedanken zu bringen. „In einem Hotel.“

„Und?“

Laura schluckte. „Beim Catering werden ständig Leute gebraucht. Denk doch mal darüber nach, Sarah. Sie … benötigen bestimmt jede Menge zusätzliches Personal für diesen Abend, oder nicht? Aushilfen.“

„Moment mal …“ Sarahs Augen weiteten sich. „Du willst damit doch nicht sagen, dass du vorhast …“

Laura nickte, und ihr Herz schlug schneller. „Ich arbeite schon seit Jahren als Aushilfe in den hiesigen Hotels. Bestimmt sind die Organisatoren froh, noch so kurzfristig eine Kellnerin zu bekommen.“

„Okay, mal angenommen, du kannst dich da irgendwie reinschmuggeln oder sogar noch einen Job bekommen“, wollte Sarah wissen. „Was dann? Willst du auf dieser schicken Feier einfach zu Constantine marschieren und vor der ganzen Welt und, nicht zu vergessen, vor seiner zukünftigen Frau verkünden, dass er einen siebenjährigen Sohn hat?“

Laura schüttelte den Kopf und versuchte, sich nicht von der Kühnheit ihres eigenen Plans entmutigen zu lassen. „Ich werde versuchen, etwas subtiler zu sein“, meinte sie. „Aber ich werde erst gehen, wenn ich es ihm gesagt habe.“

Sie drehte das Schild am Ladenfenster von „Geschlossen“ auf „Geöffnet“. Einige Kunden warteten draußen bereits und füllten rasch den Laden.

Laura setzte ein freundliches Lächeln auf, während sie hinter der Theke stand und die ersten Bestellungen entgegennahm, aber die Ironie ihres Plans war ihr durchaus bewusst. Schließlich hatte sie auch gekellnert, als sie Constantine Karantinos das erste Mal begegnet und mit beschämend wenig Zurückhaltung in seine Arme gesunken war.

Sie hatte sich später oft gewundert, wie sie sich so verhalten konnte. Denn das passte überhaupt nicht zu ihr. Doch in jenen goldenen, sorgenfreien Sommermonaten, bevor ihre Mutter starb, hatte sie noch geglaubt, die Welt stünde ihr offen. Sie war in jeder Hinsicht unschuldig gewesen – aber nach ein paar Monaten als Kellnerin in der belebten kleinen Hafenstadt wusste sie sehr wohl, wie sie mit den gut betuchten Gästen umgehen musste, die regelmäßig auf ihren Jachten angesegelt kamen.

Constantine war einer davon gewesen, und doch anders als alle anderen – denn er schien die Regeln zu brechen. Er überragte alle anderen Männer – und ließ alle anderen neben ihm verblassen. An den Tag, als sie ihn zum ersten Mal sah, würde sie sich für immer erinnern; er hatte wie ein griechischer Gott ausgesehen – sein muskulöser Körper zeichnete sich vor der untergehenden Sonne ab, und seine dunkelgoldene Schönheit sprach von Kraft und Gefahr.

Sie erinnerte sich daran, wie breit seine Schultern gewesen waren und wie weich seine olivfarbene Haut, die harte Muskeln unter sich barg. Und sie erinnerte sich auch an seine Augen – so schwarz wie Ebenholz und doch so strahlend wie die Morgensonne auf dem Meer. Wie hätte sie einem Mann widerstehen sollen, in dem alle ihre jugendlichen Fantasien zum Leben erwacht schienen – einem Mann, der ihr zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben das Gefühl gab, eine Frau zu sein?

Sie erinnerte sich, wie sie am nächsten Morgen in seinen Armen aufgewacht war, und er sie angesehen hatte. Sie hatte zu ihm aufgeblickt und in seinem Gesicht nach einem Hinweis darauf gesucht, was er dachte. Über sie. Über ihre Nacht. Über ihre Zukunft.

Aber in den Tiefen dieser Augen war … nichts zu sehen gewesen.

Laura schluckte.

Überhaupt nichts.

2. KAPITEL

„Ja, Vasili?“, fragte Constantine ungeduldig, während er einen seiner Berater ansah, der unruhig in der Tür stand und hin und her wippte, wie er es immer tat, wenn er seinem Boss eine Nachricht überbringen musste, die ihm wahrscheinlich nicht gefallen würde.

„Es geht um die Party, kyrios“, sagte Vasili.

Constantines Mund verzog sich zu einer schmalen Linie. Warum habe ich überhaupt zugestimmt, diese verfluchte Party auszurichten?, fragte er sich. Obwohl er es tief in seinem Herzen sehr wohl wusste. Weil es schon länger hieß, dass die Londoner Gesellschaft in den Genuss des legendären Reichtums der Karantinos’ kommen wollte. Die Leute suchten immer seine Nähe und glaubten, ein solches Fest biete ihnen die Gelegenheit dazu. Und es war immer interessant, die eigenen Freunde und Feinde im gleichen Raum zu sehen – vereint von diesen verwandten Gefühlen von Liebe und Hass, deren Grenzen so oft verschwammen.

„Worum geht es?“, fuhr er seinen Berater an. „Und belästige mich nicht mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten, Vasili – ich bezahle eine Menge Leute dafür, sich darum zu kümmern.“

Vasili sah gequält aus, so als sei allein die Vorstellung, er könnte seinen Arbeitgeber wegen einer Nebensächlichkeit stören, eine Beleidigung für ihn. „Das ist mir bewusst, kyrios. Aber ich habe gerade eine Nachricht von Miss Johansson erhalten.“

Bei der Erwähnung von Ingrid lehnte sich Constantine in seinem Stuhl zurück und presste seine Finger in einer nachdenklichen Geste gegeneinander. Er wusste, was in der Presse stand.

Das, was dort immer behauptet wurde, wenn er mehr als einmal mit einer Frau fotografiert wurde. Dass er kurz davor stand zu heiraten, wie es die meisten anderen in seinem Alter bereits getan hatten.

„Und?“, fragte er. „Was hat Miss Johansson gesagt?“

„Sie bat mich, Ihnen auszurichten, dass Sie erst später kommen wird.“

„Hat sie gesagt, warum?“

„Irgendetwas wegen eines Fotoshootings, das noch nicht beendet ist.“

„Oh, tatsächlich?“, meinte Constantine leise, und in seine schwarzen Augen trat ein Ausdruck, bei dem Vasili instinktiv wachsam wurde.

Constantine löste seine Finger voneinander und legte sie flach auf den großen Schreibtisch. Das leise Trommeln von zwei Fingern auf der glatten Fläche war das einzige äußere Zeichen des Ärgers, der in ihm aufstieg.

Ingrids Kühle war eine jener Eigenschaften, die sein Interesse geweckt hatten – das und natürlich ihre Schönheit. Sie war promovierte Politologin, sprach fünf Sprachen fließend – und mit ihrer Größe von etwas mehr als ein Meter achtzig war sie eine der wenigen Frauen, die ihm in die Augen sehen konnten. Als sie sich kennenlernten, war ihr ausweichendes Verhalten, wenn es um das Arrangieren von Verabredungen ging, faszinierend für ihn gewesen – wahrscheinlich, weil er das nicht kannte. Die meisten Frauen verfolgten ihn mit der Leidenschaft von Jägern, die eine verheißungsvolle Beute im Visier hatten.

Aber während der vergangenen Monate war Constantine klar geworden, dass Ingrids ausweichendes Verhalten Teil eines Spiels war – eines Gesamtkonzepts, mit dem sie ihn einfangen wollte. Bis jetzt hatte Constantine mitgespielt. Weil er tief in seinem Innern wusste, dass es höchste Zeit wurde, zu heiraten. Und sicher war doch eine Ehefrau, die kaum emotionale Ansprüche stellte, genau die richtige für einen Mann wie ihn?

Er wollte keine Frau, die wie eine Klette an ihm hing und glaubte, die Welt drehe sich nur um ihn. Nein, Ingrid entsprach fast allen seiner anspruchsvollen Kriterien. Sie war bis jetzt mit Bravour durch jeden Ring gesprungen, den er ihr hinhielt. Sogar seinem Vater gefiel sie. Und obwohl das Verhältnis der beiden Männer nie eng gewesen war, hatte Constantine ihm diesmal zugehört.

„Warum zum Teufel heiratest du sie nicht?“, hatte er seinen Sohn angekrächzt, wo er ihn früher – bevor er alt und krank wurde – angeschrien hätte. „Und sorgst dafür, dass ich einen Enkel bekomme?“

Gute Frage – wenn man von den närrischen Ansichten seines Vaters über die Liebe absah. Kam nicht irgendwann eine Zeit, in der jeder Mann sesshaft werden und eine eigene Familie gründen musste? Und brauchte er nicht tatsächlich einen Erben für das Karantinos-Vermögen? Constantine runzelte die Stirn. Die Umstände schienen ihn vor sich herzutreiben wie ein ruderloses Boot – und doch zögerte er aus irgendeinem unerfindlichen Grund, die vernünftige Entscheidung zu treffen, die blonde Schwedin zu heiraten.

Wie lange war es her, seit sie sich gesehen hatten? Constantine dachte zurück an die nervenaufreibenden und hektischen letzten Wochen, in denen er vor allem von dem aktuellen Geschäftsabschluss in Atem gehalten worden war. Es war eine Ewigkeit her, seit Ingrid und er zusammen im Bett gewesen waren, stellte er fest. Sie beide reisten im Moment kreuz und quer über den Atlantik, während ihre Karrieren immer steiler bergan stiegen.

„Wann wird sie denn kommen?“

„Sie hofft, vor Mitternacht“, antwortete Vasili.

„Dann hoffen wir, dass es stimmt“, bemerkte Constantine, während erneut ein Anflug von Ärger in ihm aufstieg. Er wandte sich wieder einem Stapel Papiere zu, mit dem er gerade beschäftigt war. Und wie immer bot ihm die Arbeit eine Zuflucht vor den viel komplizierteren zwischenmenschlichen Beziehungen. Denn Constantine hatte seine Lektion früher als andere gelernt – dass sie nichts brachten außer Schmerz und Komplikationen.

Er verließ sein Büro gegen sechs und fuhr ins Granchester, wo er stets die größte Penthouse-Suite bewohnte, wenn er in der Stadt war. Er liebte die herrliche Lage mit dem Blick über die üppigen grünen Parkanlagen, liebte den unauffälligen Luxus und die Diskretion des Personals. Und er mochte London – genauso wie er New York mochte –, selbst wenn sie zu weit weg vom Meer lagen, um ihm zu gestatten, sich wirklich zu entspannen …

Zu den Klängen einer Oper, die er laut auf der Musikanlage spielte, nahm er eine ausgiebige kalte Dusche, bevor er sich so kleidete, wie es dem förmlichen Anlass entsprach. Seine Augen funkelten, als er sich prüfend im Spiegel betrachtete.

Er legte noch ein paar schwere goldene Manschettenknöpfe an, dann ging er nach unten, und seine Augen wanderten automatisch hinüber zu seinen Leuten, die sich diskret im Foyer verteilt hatten. Er wusste, dass sein Sicherheitschef die Paparazzi nicht davon abhalten konnte, draußen vor dem Eingang herumzulungern. Aber keinesfalls würde es einem von ihnen gelingen, das Gebäude zu betreten, um die Reichen und Mächtigen zu begaffen.

Er ignorierte die Blicke der Frauen, die ihm folgten, während er in den Ballsaal ging und sich umsah. Das Granchester war immer ein Synonym für Luxus gewesen – aber heute Abend hatte das Hotel sich selbst übertroffen. Der Ballsaal war mit duftenden Blumen angefüllt, und Lüster verbreiteten ihr funkelndes Licht …

Eine sanfte Stimme brach in seine Gedanken ein.

„Darf … darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Sir?“

Für einen kurzen Augenblick weckte die Stimme eine entfernte Erinnerung in ihm, so leise wie ein Atem an einem stillen Sommerabend. Langsam drehte Constantine sich um. Eine Kellnerin stand vor ihm. Sie starrte ihn an – und kaute auf ihrer Unterlippe, als hätte sie Hunger. Er musterte sie. Mit ihrem schmalen, verhärmten Gesicht und ihrem zierlichen Körperbau sah sie aus, als hätte sie tatsächlich seit einer Ewigkeit nichts gegessen. Etwas in ihrer Körpersprache ließ ihn jedoch innehalten. Etwas Widersprüchliches. Er runzelte die Stirn.

„Ja. Bringen Sie mir ein Glas Wasser, bitte.“

„Sofort, Sir.“ Wie durch ein Wunder gelang es Laura, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl der abfällige Ausdruck in seinen schwarzen Augen sie tief verletzte. Sie hatte versucht, seinen Blick so lange, wie es unter diesen Umständen möglich war, festzuhalten und gehofft, dass plötzliches Wiedererkennen darin erschien. Aber stattdessen war das passiert, was ihr Verstand ihr vorhergesagt hatte. Der Vater ihres Sohnes erkannte sie nicht einmal mehr!

Doch war sie wirklich so naiv gewesen zu glauben, dass er das tun würde? Dass er ihr in die Augen schauen und ihr sagen würde, dass sie wie Sturmwolken über seiner griechischen Insel aussahen? Er hatte das gesagt, als er sie damals verführen wollte, und zweifellos gab es in seinem Repertoire etwas Passendes für jede Frau. Etwas, durch das sich jede besonders fühlte, einzigartig und wunderbar. Etwas, dass sie ihm ihre Unschuld schenken ließ, als wäre es ohne jede Bedeutung.

Es war ihre Chance gewesen, ihm zu sagen, dass er einen wunderbaren kleinen Sohn hatte – denn von dem Topmodel, von dem die Zeitungen schrieben, war nichts zu sehen. Aber der Schock, ihn wiederzusehen, gepaart mit dem Schmerz der Erkenntnis, dass sie nicht einmal eine Erinnerung wert war, nahmen ihr die Kraft. Und man konnte doch auch nicht einfach zu einem Mann gehen, der eigentlich ein völlig Fremder war, und eine solche Bombe platzen lassen, oder?

Laura versteckte ihre zitternden Finger in ihrer weißen Schürze, während sie sich hastig abwandte. Der emotionale Effekt des Wiedersehens mit Constantine schlug ihr auf den Magen und ließ ihr Herz so wild klopfen, dass sie für einen Moment glaubte, sie müsse sich übergeben. Aber das konnte sie sich nicht leisten. Sie musste wachsam sein – einen Augenblick abpassen, in dem sie ihm mitteilen konnte, was für ihn eine folgenschwere Neuigkeit sein würde. Eine Anstellung als Aushilfskraft für die Karantinos-Party zu bekommen, war der leichte Teil ihres Plans gewesen – der schwere stand ihr noch bevor.

„Was zur Hölle tun Sie denn da?“, wollte eine überkorrekt angezogene Frau mittleren Alters von Laura wissen, als sie zurück zur Bar ging und bestellte.

Laura lächelte die Catering-Managerin nervös an, die sie und alle anderen Aushilfskräfte noch vor einer halben Stunde eindringlich an die hohen Erwartungen erinnert hatte, die jeder Gast im Granchester an den Service stellen durfte. „Ich habe dem Gentleman nur etwas zu trinken angeboten …“

„Gentleman? Gentleman? Wissen Sie denn nicht, wer das ist?“, zischte die Frau. „Er ist der Mann, der diese Party veranstaltet, der Ihren Lohn zahlt! Er ist ein weltberühmter griechischer Reeder – und wenn ihm jemand etwas zu trinken anbietet, bin ich das. Haben Sie verstanden? Ich übernehme das ab jetzt. Was wollte er haben?“

„Nur … nur Wasser.“

„Stilles Wasser oder Mineralwasser?“

„Das … hat er nicht gesagt.“

Die Augen der Managerin bohrten sich in ihre. „Sie meinen, Sie haben nicht gefragt?“

„Ich … ich … Nein, tut mir leid, ich fürchte, das habe ich nicht.“ Innerlich wand sich Laura unter dem wütenden Gesichtsausdruck ihrer Vorgesetzten, und sie befürchtete, auf der Stelle entlassen zu werden. Aber in diesem Moment entstand am anderen Ende des Ballsaals ein Tumult, als der Harfenspieler ankam und lauthals Forderungen stellte. Die Managerin warf Laura einen letzten bösen Blick zu.

„Tun Sie einfach, wozu Sie bezahlt werden, und danach machen Sie sich unsichtbar – das sollte Ihnen doch nicht allzu schwerfallen!“, fuhr sie Laura an, bevor sie zu der Musikerin eilte.

Laura versuchte, die gehässigen Worte der Frau zu ignorieren, während sie ihr Tablett zu Constantine hinübertrug. Aber innerlich zitterte sie – vor allem vor Erstaunen, dass es ihr gelungen war, ihm so nah zu kommen. Und in ihre komplexen Gefühle mischte sich auch die unverkennbare Reaktion ihres Körpers auf den biologischen Vater ihres Sohnes. Diesen machtvollen Effekt des Wiedererkennens hatte sie dummerweise nicht bedacht – dieses Gefühl der Vertrautheit, obwohl dieser Mann wenig mehr als ein Fremder für sie war.

Weil hier der erwachsene Alex stand, wie ihr zitternd bewusst wurde – oder eher die Version, zu der Alex werden könnte.

Stark, mächtig, reich. Wünschte sich das nicht jede Mutter für ihren Sohn?

Allerdings war der Alex, den sie zu Hause in der Obhut ihrer Schwester zurückgelassen hatte, auf einem ganz anderen Weg. Er wurde in der Schule gehänselt, und seine Mutter musste jeden Cent zweimal umdrehen – wie sollte er da jemals sein volles Potenzial erreichen? Was für eine Zukunft konnte sie ihm bieten?

Bei diesem Gedanken verschwanden ihre letzten Zweifel, ob ihr Plan nicht viel zu verrückt war. Es spielte keine Rolle, ob ihr Stolz verletzt oder ihre letzten dummen, romantischen Erinnerungen an ihre Zeit mit Constantine für immer zerstört wurden – sie schuldete ihrem Sohn einfach, es wenigstens zu versuchen.

Aber als Laura sich Constantine erneut näherte, fiel es ihr schwer, nicht auf ihn zu reagieren. Er war schon damals ein sehr beeindruckender Mann gewesen, aber die vergangenen Jahre schienen sein machtvolles Charisma noch verstärkt zu haben. Sein harter, muskulöser Körper war nicht weich geworden – und auch seine Haut strahlte noch genauso golden. An seinen Schläfen mochte sich vielleicht das erste silberne Grau zeigen, doch sein welliges dunkles Haar war noch genauso dicht wie früher. Mit den Jahren schien er jedoch eine bestimmte kühle Distanz erworben zu haben, die vorher nicht dagewesen war. Ihn umgab die unverkennbare Aura eines Magnaten – eines Mannes, der Macht ausstrahlte.

Laura spürte das unstete Schlagen ihres Herzens. Seine Augen waren immer noch die dunkelsten, die sie jemals gesehen hatte, und seine Lippen waren anbetungswürdig sinnlich. Sie spürte wie damals, dass hier im wahrsten Sinne des Wortes ein Mann stand – bei dem eine elementare Leidenschaft unter seiner weltgewandten Fassade lauerte.

„Ihr Wasser, Sir“, sagte sie und versuchte, freundlich zu lächeln. Hatte er ihr nicht einmal gesagt, ihr Lächeln sei wie ein Sonnenaufgang? Würde das nicht eine Erinnerung in ihm wecken? Und hieß es nicht, dass man eine Stimme stets wiedererkannte – dass Menschen sich veränderten, aber ihre Stimmen nicht?

Sie sprach den längsten Satz, der unter den gegebenen Umständen möglich war. „Ich … ich war nicht sicher, ob Sie stilles Wasser oder Mineralwasser wollten, Sir – deshalb habe ich beides gebracht. Sie kommen beide aus … aus den Cotswolds!“, fügte sie nach einem Blick auf das Etikett hastig hinzu. Eine Information aus einem frühmorgendlichen Radiobericht über Landwirtschaft fiel ihr wieder ein. „Es wird … ähm … durch den Kalkstein der Cotswold Hills gefiltert, und Sie werden nirgendwo ein reineres Wasser finden!“

„Wie faszinierend“, murmelte Constantine sarkastisch und nahm eines der Gläser vom Tablett. Er fragte sich, warum sie klang, als mache sie Werbung für die Marke. Sie sah nicht aus wie eine arbeitslose Schauspielerin, die als Kellnerin jobbte, aber man konnte nie wissen. „Danke.“

Er nickte ihr kurz zu und wandte sich dann ohne ein weiteres Wort ab. Laura starrte ihm ängstlich und frustriert nach. Nein, das Lächeln hatte nicht funktioniert, und auch die Stimme nicht. Seine dunklen Augen waren nicht groß geworden vor Erstaunen, und er hatte den Kopf mit dem rabenschwarzen Haar nicht geschüttelt und in einem ungläubigen und bewundernden Tonfall gesagt: „Bist du nicht die englische Jungfrau, mit der ich vor all diesen Jahren unglaublichen Sex hatte! Weißt du, dass kein Tag vergeht, an dem ich nicht an dich denke?“

Laura kaute auf ihrer Unterlippe. Träume wurden niemals Wirklichkeit, oder? Und Träume waren gefährlich. Sie durfte sich darin nicht verlieren, nur weil sie ihre gemeinsame Liebesnacht nicht vergessen konnte. Sie musste einfach den richtigen Moment abpassen – weil sie dieses Gebäude nicht verlassen würde, bevor Constantine Karantinos wusste, dass er einen Sohn hatte.

Der Abend verlief hektisch – aber zumindest war sie zu beschäftigt, um sich über das, was noch vor ihr lag, zu viele Sorgen zu machen.

Es hatte ein aufwendiges Dinner für dreihundert Leute stattgefunden, und nachdem der Harfenspieler durch eine Band ersetzt worden war, fingen die Gäste jetzt an zu tanzen. Aber die Minuten verstrichen, ohne dass Laura erneut in Constantines Nähe gelangen konnte. Die Leute schwirrten um ihn herum wie die Fliegen, und es war schon beinahe Mitternacht. Bald war die Party zuende und man würde sie nach Hause schicken – und was dann?

Plötzlich stoppten die Unterhaltungen und die Paare hörten auf zu tanzen und machten einer Frau Platz, die langsam und mit der Selbstsicherheit von jemandem, der es gewohnt war, von anderen angesehen zu werden, in den Saal trat. Ihr platinblondes Haar garantierte ihr sofortige Aufmerksamkeit, genauso wie ihre eisblauen Augen und ihre schlanken Beine, die ihre kühle und unerreichbare Schönheit auszumachen schienen.

Sie trug eine umwerfende weiße Pelzstola über einem silbernen Kleid, und mit über ein Meter achtzig dominierte sie den Raum wie eine große rote Mohnblume ein Feld. Und es gab wirklich nur eine Person im Raum, die neben ihrer beeindruckenden Größe bestehen konnte – der Mann, auf den sie zuhielt wie ein Komet auf Kollisionskurs zur Erde.

„Das ist Ingrid Johansson“, hörte Laura jemanden raunen, und dann: „Ist sie nicht umwerfend?“

Laura schluckte und spürte, wie ihre Finger sich in ihre Schürze krallten, während sie beobachtete, wie die blonde Göttin sich zu Constantine setzte und besitzergreifend die Hand auf seinen Unterarm legte, bevor sie sich zu ihm hinüberbeugte und ihn auf beide Wangen küsste.

Constantine wusste, dass alle sie beobachteten, während Ingrid ihn küsste. „Was für ein Auftritt“, murmelte er, aber in seinem Innern regten sich die ersten Funken der Verachtung.

„Tatsächlich?“ Ingrid blickte ihm mit einem Ausdruck von gespielter Unschuld in die Augen. „Müssen wir hierbleiben, Darling? Ich bin so müde.“

„Nein“, sagte Constantine gleichmütig. „Wir müssen hier überhaupt nicht bleiben – wir können in meine Suite gehen.“

Zu Lauras Entsetzen sah sie, wie das Paar aufstand und sich auf die Tür zubewegte, und sie spürte, wie auf ihrer Stirn kalter Schweiß ausbrach.

Was jetzt?

Sie sah, wie einige der stämmigen Sicherheitsleute ihnen folgten, und hörte das leicht enttäuschte Murmeln von den übrigen Gästen, als ihnen klar wurde, dass die Hauptattraktionen gerade gingen. Bald würde Constantine wieder hinter jenem Schutzwall verschwinden, der sie damals nicht hatte zu ihm vordringen lassen.

Und dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke – ein dunkler Gedanke, der sie aus dem Nichts ansprang. Was, wenn es nicht seine Sicherheitsleute gewesen waren, die sie vor all diesen Jahren aufgehalten hatte? Was, wenn er gewusst hatte, dass sie versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen? Wenn er ihren Brief gelesen und ignoriert hatte, in dem sie ihm von Alex schrieb?

Was, wenn er einfach beschlossen hatte, nichts mit seinem eigenen Sohn zu tun haben zu wollen?

Der entsetzliche Gedanke ließ erneut Übelkeit in ihr Aufsteigen, und ihre Handflächen fühlten sich kalt und feucht an. Aber Laura wusste, dass es eine Chance war, die sie nicht verstreichen lassen durfte. Wenn es so gewesen war, dann würde sie es jetzt herausfinden. Und wenn er seinen Sohn wieder verleugnete … nun, dann wollte sie ihm dabei ins Gesicht sehen.

Sie ging hinüber zur Bar und bestellte eine Flasche des teuersten Champagners und zwei Gläser.

„Schreiben Sie es auf das Zimmer von Mr. Karantinos“, sagte sie leichthin und nahm das Tablett mit, bevor der Barkeeper nachfragen konnte, wieso die Bestellung nicht über den Zimmerservice gekommen war.

Ihre flachen Schuhe machten kein Geräusch, als sie durch das mit Marmor verkleidete Foyer huschte und in den Lift stieg. Aber in den verspiegelten Wänden des Fahrstuhls wurde sie gnadenlos mit ihrem Aussehen konfrontiert. Sie schauderte. Ihr Haar war zu einem strengen Knoten zusammengefasst, und darauf saß eine lächerliche kleine Rüschenhaube. Ein schlichtes schwarzes Kleid ging ihr unschön bis über die Knie, und darüber trug sie eine weiße Schürze mit Rüschenrand.

Sie sah aus wie eine Erscheinung aus einer anderen Zeit, als die Leute im Dienstleistungsgewerbe tatsächlich noch Dienstboten waren. Und der blasse und gehetzte Ausdruck auf ihrem Gesicht machte es nicht besser, vor allem, wenn man bedachte, dass sie jetzt gleich einer der am meisten beachteten Schönheiten der Welt gegenübertreten musste, die das Bett mit dem Mann teilte, dessen Kind Laura geboren hatte.

Der Fahrstuhl glitt aufwärts und hielt sanft und leise vor der Penthouse-Suite. Die Türen öffneten sich und enthüllten Lauras schlimmste Befürchtungen. Zwei dunkelhaarige und stämmig aussehende Männer bewachten die Tür. Und was jetzt? Sie setzte ein selbstsicheres Lächeln auf, das in einem krassen Gegensatz zu der Nervosität stand, die ihren Magen wie eine Würgeschlange zusammenschnürte.

Einer der Wachmänner hob die Augenbrauen, als Laura auf die Tür zuging.

„Sie können hier nicht rein.“

Sein deutlich hörbarer griechischer Akzent machte es ihr noch schwerer, ihre nervöse Anspannung zu kontrollieren. Sie lächelte, obwohl ihr ein Schweißtropfen langsam den Nacken herunterlief.

„Champagner für Mr. Karantinos.“

„Er hat gesagt, dass er nicht gestört werden will.“

Weil so viel für sie auf dem Spiel stand, lauschte Laura tief in sich hinein und fand Mut, wo sie Angst erwartet hatte. Ihr Lächeln wurde verschwörerisch, und es gelang ihr sogar, ihm zuzublinzeln. „Ich glaube, er will auf seine Verlobung anstoßen“, flüsterte sie.

Der andere Wachmann zuckte mit den Schultern und nickte in Richtung Tür. „Dann gehen Sie rein.“

Laura hörte ein gedämpftes ärgerliches Rufen, als sie laut an die Tür klopfte – aber sie wusste, dass sie jetzt nicht mehr zurück konnte. Sie musste es hinter sich bringen – denn wenn sie noch länger wartete, dann waren sie vielleicht schon dabei … dann lagen sie vielleicht schon …

Hastig verdrängte Laura den unerträglichen Gedanken daran, wie sich Constantine und das Topmodell im Bett wälzten, und schob die Tür auf. Die Szene, die sich ihr bot, brannte sich ihr ein wie ein bizarres Bühnenbild.

Da stand Constantine und starrte das Topmodel wütend an.

Und da stand Ingrid, den Blick ebenfalls starr auf ihn gerichtet, mit einem ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht. Sie hatte ihre Pelzstola abgelegt, und ihr Kleid floss silbern um ihren Körper, so eng, dass ihre Brustspitzen zu sehen waren.

Beiden drehten sich zu ihr um, als sie eintrat.

„Was zur Hölle tun Sie hier?“ Constantine runzelte die Stirn, als er das Tablett sah, das Laura trug. „Ich habe keinen Champagner bestellt.“

Nicht einmal er war so kaltherzig, die Tatsache zu feiern, dass er gerade mit seiner Freundin Schluss gemacht hatte – obwohl Ingrid immer noch dastand und ihn ansah, als könne sie es nicht recht glauben.

Laura stellte das Tablett auf einem Tisch ab, bevor sie es fallen ließ, und sah ihn an. Ihre leise Stimme zitterte. „Ich muss mit Ihnen reden.“ Sie blickte zu dem Model hinüber, das sie anstarrte. „Unter vier Augen, wenn das in Ordnung ist.“

„Wer zum Teufel ist das?“, fuhr Ingrid ihn an.

Constantine hatte keine Ahnung, und für einen Moment fragte er sich, ob die unscheinbare kleine Kellnerin eine Art Falle war. Würden ihre männlichen Komplizen gleich mit Kameras hereinstürmen? Oder versteckte sie irgendeine Waffe unter ihrer Schürze? Waren in der Vergangenheit nicht immer wieder Entführungsdrohungen eingegangen?

Aber er erinnerte sich noch an ihre Begegnung im Ballsaal – ihr verhärmtes, schmales Gesicht und ihre unpassenden Bemerkungen über die Herkunft des Wassers. Sie sah nicht aus wie eine Frau, die zu einer so raffinierten List imstande war. Und der Ausdruck auf ihrem Gesicht war bemerkenswert; so etwas hatte er bei einer Frau noch nie gesehen – und veranlasste ihn, sie genauer zu betrachten.

Ihre Wangen waren blass, aber ihre grauen Augen wirkten riesig, und sie sah aus, als ringe sie um jeden Atemzug. Ihre festen Brüste hoben und senkten sich wie bei jemandem, der gerade kurz vor dem Ertrinken aus dem Wasser gezogen worden war.

„Wer sind Sie?“, fragte er wütend. „Und was wollen Sie?“

„Ich sagte es doch schon“, antwortete Laura leise. „Ich muss mit Ihnen sprechen. Unter vier Augen, wenn das möglich ist.“

Constantines Augen wurden schmal, als ein Urinstinkt ihm sagte, dass er sich anhören sollte, was diese Frau ihm mitzuteilen hatte – allein. Er wandte sich an die Schwedin und betete, dass Ingrid jetzt nicht die Art von Szene machen würde, wie manche Frauen es taten, wenn ein Mann die Beziehung beendete.

„Ich glaube, du gehst jetzt besser“, sagte er sanft. „Ich schicke nach meinem Wagen. Er bringt dich, wohin du willst.“

Einen Moment lang schlug Lauras Gewissen, und sie schämte sich, als sie das verletzte Gesicht des Topmodels sah. Welche Frau hätte nicht den schrecklichen Kampf nachfühlen können, der jetzt in der attraktiven Blondine stattfinden musste? Man konnte sehen, dass sie bleiben wollte, aber an Constantines hartem und kaltem Gesichtsausdruck war genauso abzulesen, dass er wollte, dass sie ging.

Verlegen wippte Laura von einem Fuß auf den anderen. „Ich könnte auch … später wiederkommen.“

Sie bleiben, wo sie sind“, fuhr Constantine sie an und warf ihr einen harten Blick zu. „Ingrid wollte gerade gehen.“

Bei dieser Bemerkung wurde Ingrids Mund zu einer schmalen Linie. „Du Bastard“, zischte sie und verließ die Suite ohne ein weiteres Wort.

Für einen Moment herrschte Schweigen, und Lauras Herz schlug von Angst und Ungläubigkeit. Entschuldigend hob sie die Hand. „Es tut mir leid …“

„Halten Sie den Mund“, herrschte Constantine sie an, die Hände neben seinen muskulösen Oberschenkeln zu Fäusten geballt, während eine kalte Wut in seinem Innern aufstieg. „Und verschonen Sie mich mit Ihrem unangebrachten Mitgefühl. Glauben Sie, Sie können hier einfach hereinplatzen und geheimnisvolle Andeutungen machen, und sich dann wie eine besorgte und verantwortungsbewusste Bürgerin aufführen, die den Schaden bedauert, den sie angerichtet hat? Ja?“

Nervös kaute Laura auf ihrer Unterlippe. Wahrscheinlich verdiente sie das – und ihr blieb nichts anderes übrig, als hier zu stehen und es zu ertragen. Vielleicht sollte sie einfach abwarten, bis seine Wut verraucht war, damit sie sich hinsetzen und vernünftig miteinander sprechen konnten.

Seine schwarzen Augen bohrten sich in ihre wie glühend heiße schwarze Laserstrahlen. „Also – wer sind Sie?“, fuhr er zornig fort. „Und warum sind Sie wirklich hier?“

Laura schob den Schmerz darüber beiseite, dass er sie immer noch nicht erkannte, und versuchte es erneut. „Ich …“ Es klang so bizarr, es jetzt, wo der Moment gekommen war, tatsächlich auszusprechen. Aber dann dachte sie an Alex, und plötzlich war es ganz einfach.

Sie holte tief Luft. „Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfährst, aber ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, dass ich vor sieben Jahren ein Baby bekommen habe. Dein Baby.“ Ihre Stimme zitterte, als sie fortfuhr: „Du hast einen Sohn, Constantine, und ich bin seine Mutter.“

3. KAPITEL

Constantine starrte die zitternde Kellnerin an, die vor ihm stand und die gerade etwas absolut Unsinniges behauptet hatte. Dass sie die Mutter seines Sohnes war. Er hätte darüber gelacht, wenn es nicht so unerhört gewesen wäre.

„Wie können Sie so etwas Absurdes und Unwahres behaupten?“, fuhr er sie an. „Wo ich Sie doch noch nicht einmal kenne.“

Laura hatte das Gefühl, als bohre sich ein Stilett in ihr Herz, aber sie betete, dass man es ihr nicht ansah. „Warum rufst du dann nicht deine Wachleute und lässt mich wegbringen?“

„Weil ich neugierig bin.“

„Oder weil du tief in deinem Herzen weißt, dass ich die Wahrheit sagen könnte?“

„Nicht in diesem Fall.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln. „Ich gehe nämlich nicht mit Kellnerinnen ins Bett.“

Es tat weh. Oh, es tat weh – aber wahrscheinlich war das seine Absicht. Laura zwang sich, nicht auf die Beleidigung einzugehen, und wand sich unter seinem wütenden Blick. „Vielleicht jetzt nicht mehr – aber ich kann dir versichern, dass es einmal anders war.“

Etwas in ihrer ruhigen Sicherheit – in der Art, wie sie dastand und ihn trotzig ansah – ließ Constantine über die bizarre Möglichkeit nachdenken, dass sie die Wahrheit sagte. Dass es vielleicht stimmte. Er blickte ihr tief in die Augen und suchte nach einem Hinweis darauf, worum es hier eigentlich ging. Doch er sah nur drängende Qual in den grauen Tiefen, und plötzlich spürte er einen schmerzhaften Stich. Augen wie Sturmwolken.

Sturmwolken.

Noch eine Erinnerung tauchte in seinen Gedanken auf. „Lass mich dein Haar sehen“, befahl er ihr leise.

„Aber …“

„Löse den Knoten.“

Beeindruckt von dem sanften Befehlston in seiner Stimme und geschwächt von dem Spott in seinen Augen, griff Laura mit ihrer Hand nach oben. Zuerst nahm sie die Rüschenhaube ab, die sie auf den Boden fallen ließ – die würde sie ganz sicher nicht mehr brauchen. Dann begann sie mit zitternden Fingern, die Nadeln aus ihrer Frisur zu ziehen.

Erleichtert, den strengen Knoten endlich los zu sein, schüttelte sie ihr Haar bis es ihr lose über die Schultern fiel. Nur vage nahm sie wahr, wie Constantine scharf einatmete.

Er beobachtete, wie Locke nach Locke herunterfiel – eine seidige Strähne nach der anderen. Feines Haar, aber Massen davon. Haar, das wie ein langweiliger, unscheinbarer Helm ausgesehen hatte, jetzt jedoch wie Honig und Sand schimmerte. Ihr Gesicht war immer noch blass – und ihre dunkelgrauen Augen sahen riesig aus.

Sturmwolken, dachte er erneut, als noch mehr Erinnerungen vor seinem geistigen Auge auftauchten, wie ein Bild, das langsam klarer wurde.

Eine kleine englische Hafenstadt. Ein unbelastet verbrachter Sommer ohne den Druck der Verantwortung für das Familienunternehmen. Das Verlangen, aus Griechenland zu fliehen, weil sich der Todestag seiner Mutter jährte – eine Zeit, zu der sein Vater unerträglich rührselig wurde, obwohl ihr Tod schon viele Jahre zurücklag.

Sein Vater hatte ihm versprochen, ihm mehr Verantwortung im Schiffsimperium der Karantinos’ zu übertragen, und in diesem Sommer war Constantine klar geworden, dass er bald keine Zeit mehr haben würde, den jährlichen vierwöchigen Segeltörn zu unternehmen, den er so liebte. Dass dies seine letzte Chance war, seine Freiheit auszuleben. Und er hatte recht behalten. Später in diesem Sommer war er nach Griechenland zurückgekehrt und hatte zum ersten Mal Zugang zu den Firmenkonten bekommen – nur um mit wachsendem Unglauben festzustellen, wie schlimm es um die Finanzen der Familie stand. Und wie sehr sein Vater in seiner Trauer um seine verstorbene Frau das Geschäft vernachlässigt hatte.

In diesem Urlaub war er zum letzten Mal wirklich jung gewesen. Er hatte den Alltag hinter sich gelassen, war in seine ältesten Jeans geschlüpft und ziellos durchs Mittelmeer gekreuzt, hatte in der Sonne gelegen und gespürt, wie das Gefühl der Anspannung langsam nachließ. Er war nicht auf der Suche nach Frauen gewesen – es gab immer eine Frau, wenn ihm danach war. Aber er wollte nur Ruhe. Also las er Bücher. Schlief. Schwamm. Ging angeln.

Während die Tage vergingen, war seine olivbraune Haut dunkler geworden. Sein schwarzes Haar wurde länger, wellte sich in seinem Nacken, sodass er ausgesehen hatte wie ein Freibeuter aus längst vergangener Zeit. Er war um England herumgesegelt, um das Land zu erkunden – etwas, dass er schon tun wollte, nachdem ihm eine Englischlehrerin Geschichten über ihr Land vorgelesen und in ihm den Wunsch geweckt hatte, diese unvorstellbare Welt voller Schlösser und grüner Felder zum Leben erwachen zu sehen.

Und schließlich war er in dem kleinen Hafen von Milmouth vor Anker gegangen und hatte ein Hotel entdeckt, das aussah, als stamme es direkt aus einem historischen Film. Kleine alte Damen saßen an Tischen auf einer wunderschönen smaragdgrünen Wiese und aßen Buttercremetorte, während er in ausgebleichten Jeans und einem T-Shirt darüber lief. Mehrere der alten Damen starrten ihn an, als er sich an einen leeren Tisch setzte und seine Beine lang von sich streckte. Buttercremetorte, die auf dem Weg zum Mund gewesen war, erreichte niemals ihr Ziel und wurde wieder abgelegt – aber diesen Effekt hatte er oft auf Frauen, egal welchen Alters.

Und dann kam eine Kellnerin über den Rasen auf ihn zu, und Constantines Augen waren schmal geworden. Da war nichts Besonderes an ihr gewesen – und doch hatte sie mit ihrer reinen Haut und dem jugendlichen Elan ihrer Schritte seine Aufmerksamkeit erregt und sein Verlangen geweckt. Ihre Augen waren unergründlich grau – eine Farbe wie Zinn, die er sonst nur in aufgewühlter See oder Sturmwolken sah. Es war Wochen her, seit er mit einer Frau geschlafen hatte. Und plötzlich wollte er sie. Sofort.

„Es tut mir leid, aber Sie können hier nicht sitzen“, sagte sie sanft, als ihr Schatten über ihn fiel.

„Nein?“ Er blickte auf und blinzelte gegen die Sonne. „Warum nicht?“

„Weil … weil die Geschäftsleitung keine Gäste in Jeans wünscht.“

„Aber ich habe Hunger“, murmelte er. „Sehr großen Hunger.“ Er schenkte ihr ein entspanntes Lächeln, während er den Blick über sie gleiten ließ. „Was schlagen Sie also vor?“

Sein unbekümmertes Lächeln verfehlte nicht seine Wirkung, denn danach war das Mädchen Wachs in seinen Händen. Sie schlug vor, ihm auf der anderen Seite des Hotels in einem wunderschönen kleinen Wäldchen den Tee zu servieren. Kichernd schmuggelte sie Sandwiches und Scones mit Marmelade und Clotted Cream zu ihm nach draußen. Und als sie mit der Arbeit fertig war, nahm sie seine Einladung zum Abendessen an. Ihr Name war Laura, und sie war unglaublich süß – und es war lange her, dass er eine Frau im Arm gehalten hatte.

Das Ergebnis des Abends war vorhersehbar – ihre Reaktion allerdings nicht. Anders als die reichen, weltgewandten Frauen, mit denen er sich sonst amüsierte, spielte sie keine Spiele mit ihm. Sie schämte sich nicht, ihre Verletzlichkeit zu zeigen.

Constantine machte jedoch einen riesengroßen Bogen um Verletzlichkeit – selbst wenn ihr alabasterfarbener Körper und ihre grauen Augen ihn sirenenhaft in ihre Arme lockten.

Am Morgen wollte sie ihn nicht gehen lassen – aber natürlich musste er sie verlassen. Er war Constantine Karantinos, Erbe einer der mächtigsten Reedereien in ganz Griechenland, und es war ihm sicher nicht bestimmt, bei einer Kleinstadt-Kellnerin zu bleiben.

Wie willkürlich das Schicksal sein kann, dachte Constantine verbittert, als die Bilder langsam verblassten und er sich in einer luxuriösen Londoner Penthouse-Suite wiederfand, wo dieselbe Kellnerin mit zitternden Lippen vor ihm stand und ihm sagte, dass sie in dieser Nacht ein Kind gezeugt hatten.

Er ging hinüber zur Hausbar und goss sich ein Glas Wasser ein – mehr Verzögerungstaktik als alles andere. „Möchtest du etwas?“, fragte er, immer noch mit dem Rücken zu ihr.

Laura wusste, dass sie ohnehin nichts hinunterbringen würde. „Nein.“

Er trank das Wasser, dann wandte er sich zu ihr um. Ihr Gesicht sah kalkweiß aus, und etwas drängte ihn, ihr einen Stuhl anzubieten – aber seine Wut und sein Ärger waren stärker als sein Verlangen, sich um eine Frau zu kümmern, die gerade mit einer solchen Behauptung in sein Leben geplatzt war.

Ein Sohn …

„Ich habe in dieser Nacht ein Kondom benutzt“, erklärte er kalt.

Laura zuckte zusammen. Wie klinisch das klang. Aber es brachte nichts, sich zu wünschen, er hätte anders reagiert. Sie wusste, dass Träume nicht wahr wurden. Versuch dich in seine Lage zu versetzen, drängte sie sich selbst. Eine Frau, die er kaum kannte, kam mit der folgenschwersten und wahrscheinlich unwillkommensten Nachricht von allen zurück in sein Leben.

„Offensichtlich hat es seinen Zweck nicht erfüllt“, sagte sie so ruhig, wie es ihr möglich war.

„Und dieses Kind ist … wie alt?“

„Er ist sieben.“

Constantine spürte einen Stich im Herzen. Hastig wandte er sich ab und starrte aus der großen Fensterfront, von der aus man über den jetzt im Dunkeln liegenden Park blickte, bevor die ungewollten Emotionen sich auf seinem Gesicht spiegelten. Ein Sohn! Über den schattenhaften Umrissen der Bäume konnte er die Sterne entfernt schimmern sehen, und für einen Moment dachte er an die Sterne zuhause, die so hell leuchteten wie Laternen. Und dann wandte er sich genauso abrupt wieder um und ließ seinen gleichmütigen Blick über ihr blasses Gesicht gleiten, suchte im rauchigen Glanz ihrer Augen nach der Wahrheit.

„Und warum erzählst du mir das erst jetzt?“, wollte er wissen. „Warum hast du sieben Jahre gewartet? Warum jetzt?“

Laura öffnete den Mund, um ihm von ihren vielen vergeblichen Versuchen zu erzählen, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber bevor sie ihm antworten konnte, sah sie, wie ein zynischer Ausdruck in seine schwarzen Augen trat.

„Ah, ja, natürlich“, sagte er leise. „Es war der perfekte Moment, nicht wahr?“

Laura runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, was du damit …“

Aber ihre Ansichten zu diesem Thema waren offensichtlich nicht wichtig, denn er unterbrach sie schneidend. „Du hast so lange gewartet, um dafür zu sorgen, dass ich keinen Einfluss mehr auf ihn habe – selbst wenn das Kind von mir sein sollte.“ Er ging einen Schritt auf sie zu, und seine Haltung war so drohend wie der Tonfall seiner seidigen Stimme. „Also, was ist passiert? Hast du gehört, dass die Karantinos-Aktien gestiegen sind, und gedacht, dass es der richtige Zeitpunkt ist zuzuschlagen? Dass es dir eine gute Verhandlungsposition verschafft, wenn du mit dieser Information gerade jetzt herausrückst?“

„Verhandlungsposition?“, wiederholte Laura ungläubig. Er hätte genauso gut über ein Grundstück reden können … wo es doch ihr Sohn war, über den sie hier sprachen.

Seine Stimme war so kalt wie seine Augen. „Ich weiß nicht, was diese gespielte Entrüstung soll“, meinte er barsch. „Ich nehme an, du willst Geld?“

Automatisch streckte Laura die Hand aus und suchte Halt an einem der riesigen Sofas – weil sie befürchtete, ihre zitternden Knie könnten nachgeben.

„Wie kannst du es wagen, mir so etwas zu unterstellen?“, flüsterte sie.

„Nun, du bist doch mit Sicherheit gekommen, um dir etwas abzuholen.“

„Ich werde nicht hier stehen und mir deine Beleidigungen anhören.“

„Oh, aber ich fürchte, das wirst du müssen. Du gehst nirgendwo hin“, sagte er mit leiser, bedrohlicher Stimme, während er ihr einen abweisenden Blick zuwarf. „Bis wir diese Sache geklärt haben.“

Bei dieser Sache handelt es sich um unseren Sohn, dachte Laura – doch dann wurde ihr mit einem schmerzhaften Stich klar, dass die wütenden Worte des Griechen vielleicht berechtigt waren. Weil Alex ihr Sohn war, nicht seiner. Constantine hatte an seinem Leben niemals teilgehabt. Und vielleicht würde er das auch nie. Für einen Moment überkam sie ein schlechtes Gewissen, während Constantines schwarze Augen sich in ihre bohrten.

„Durch deine Behauptung hast du mich in diese Sache hineingezogen – ob es dir gefällt oder nicht“, fuhr er unbarmherzig fort. „War dir nicht klar, dass jede Handlung Konsequenzen hat?“

„Glaubst du, dass ich das nicht besser wüsste als jeder andere?“, gab sie verletzt zurück.

Etwas an ihrer Antwort versetzte Constantine erneut einen schmerzhaften Stich. Seine Augen wurden schmal, und er suchte nach irgendeinem Fehler in ihrer Argumentation, so wie er es bei der Arbeit gelernt hatte – eine Fähigkeit, durch die er zu einer respekteinflößenden Legende in der Welt der internationalen Schifffahrt geworden war. „Also, warum hast du es mir nicht früher gesagt – zum Beispiel vor sieben Jahren?“

Der Wunsch, einfach wegzulaufen, war immer noch übermächtig in Laura, aber sie bezweifelte, dass ihre Füße dem Befehl ihres Gehirns, sich in Bewegung zu setzen, folgen würden, von rennen ganz zu schweigen.

„Ich habe es versucht …“ Sie sah die Verachtung auf seinem Gesicht. „Ja, ich habe es versucht. Ich habe versucht, dich zu finden – aber das war in deinem Fall nicht gerade einfach.“

„Weil es nur ein Abenteuer für mich war und ich nicht die Absicht hatte, mehr daraus werden zu lassen!“

„Dann erzähl du mir nichts über Konsequenzen“, flüsterte sie.

Es entstand ein Schweigen, und er sah, wie schwer es ihr fiel, ruhig zu atmen, und dass ihre grauen Augen beinahe schwarz waren vor Schmerz. „Was ist damals passiert?“

Laura holte zitternd Luft. „Es gelang mir, die Adresse und Telefonnummer deines Firmenhauptsitzes in Athen ausfindig zu machen.“ Sie war völlig fassungslos gewesen, als sie erfuhr, dass ihr etwas eigenwilliger griechischer Liebhaber mit den zerschlissenen Jeans ein so wichtiger Mann in irgendeiner großen Reederei war. „Ich habe versucht, dich anzurufen, aber niemand hat mich durchgestellt. Auch einen Brief habe ich dir geschrieben, der dich jedoch offensichtlich nie erreicht hat. Und danach habe ich es noch mehrfach versucht.“

Normalerweise immer um Alex’ Geburtstag herum, wenn ihr Sohn anfing, Fragen zu stellen, und sie sich danach sehnte, dem kleinen Jungen seinen größten Wunsch erfüllen zu können.

„Das Ergebnis war immer das Gleiche“, sagte sie verbittert. „Es spielte keine Rolle, wie ich es formulierte oder auf welche Weise ich es versuchte – ich bin nie zu dir durchgekommen.“

Constantine schwieg einen Moment, während er über ihre Worte nachdachte. Denn jetzt konnte er sich genau vorstellen, was passiert war. Ein unbekanntes englisches Mädchen, das anrief und bat, zu kyrios Constantine durchgestellt zu werden – und das man abgewehrt hatte wie eine lästige Fliege. Mit den Briefen war es genauso gewesen. Sie waren geöffnet und gelesen worden. Wer hatte die Entscheidung getroffen, sie ihm nicht zu zeigen?, fragte er sich und seufzte dann, weil es etwas war, das er tatsächlich glauben konnte.

Die Phalanx, eine uralte griechische Schlachtformation, bei der eine Gruppe verteidigungsbereit dicht zusammen stand, existierte auch im modernen Griechenland. Constantine verzog den Mund zu einem schalen Lächeln. Es stand seinen Mitarbeitern nicht zu, ihn derart abzuschirmen, aber er konnte verstehen, was sie dazu veranlasst hatte. Frauen verfolgten ihn ständig – woher sollte sein Stab wissen, dass ausgerechnet diese Frau tatsächlich die Wahrheit sagte. Vielleicht die Wahrheit sagte, erinnerte er sich. Nur vielleicht.

„Hast du ein Foto?“, wollte er wissen. „Von dem Kind?“

Laura nickte und schluckte erleichtert. Endlich! Es war doch sicher ein gutes Zeichen, dass er ein Foto von Alex sehen wollte? Würde er nicht einen Blick auf seinen wundervollen schwarzäugigen Sohn werfen und sofort wissen, dass nur er der Vater sein konnte? „Es ist … es ist in meiner Handtasche – unten im Umkleideraum für die Angestellten. Soll ich es holen?“

Constantine verspürte einen merkwürdigen Widerwillen, sie aus den Augen zu lassen. Als würde sie dann auf Nimmerwiedersehen in die Nacht verschwinden. Aber wäre das nicht die ideale Lösung? Die Frage kam aus dem Nichts, doch Constantine verdrängte sie hastig. Er starrte in diese tiefen grauen Augen, und sein Mund wurde plötzlich trocken. „Ich komme mit.“

„Aber ich …“

Schwarze Augenbrauen hoben sich. „Aber was?“

Laura hatte sagen wollen, dass man sie feuern würde, wenn sie mit einem der Gäste durch das Hotel lief – aber dann fiel ihr wieder ein, dass sie hier ja auch nicht wieder arbeiten wollte. „Die Leute werden reden“, sagte sie. „Wenn man dich sieht, wie du eine Kellnerin in den Umkleideraum für die Angestellten begleitest.“

„Sollen sie reden“, gab er zurück. „Ich glaube, nach deinem dramatischen Auftritt in meiner Suite ist es ein bisschen spät, sich darüber Sorgen zu machen!“ Er zog die Tür auf, ging hinaus und überließ es Laura, ihm zu folgen, während er in schnellem Griechisch etwas zu den beiden Wachleuten sagte.

Sie fuhren mit dem Penthouse-Lift nach unten, der kleiner geworden zu sein schien, seit sie zuletzt damit gefahren war. Laura war sich Constantines Nähe und der Art, wie sein muskulöser Körper den kleinen Raum dominierte, schmerzhaft bewusst. Sie stand dicht genug bei ihm, um den seidigen Glanz seiner Haut zu sehen und den berauschenden männlichen Duft wahrzunehmen, der ihn umgab. Dicht genug, dass sie ihn hätte berühren können …

Und Constantine wusste, dass er diese Wirkung auf sie hatte; er spürte, wie ihr Atem flacher wurde – wie ihr Herz wild unter der dünnen Haut an ihren Schläfen schlug. Begehrte sie ihn, wie Frauen es immer taten, und war es Wut, die seinen Körper darauf reagieren ließ? Die für dieses plötzliche Ziehen in seinen Lenden verantwortlich war? Für das wilde Verlangen, ihre Beine zu öffnen und sie an sich zu pressen, damit er tief in ihren Körper stoßen und seinen Zorn damit lindern konnte? Was hatte dieses unscheinbare kleine Ding nur an sich, dass er plötzlich von einer Welle des Begehrens überspült wurde?

Er schluckte, weil seine Kehle sich plötzlich unerträglich trocken anfühlte, während der Lift anhielt und die Türen sich auf einer der unterirdischen Etagen des Hotels öffneten, von denen er nicht gewusst hatte, dass sie existierten. Laura ging voraus durch einen Irrgarten von Fluren, bis sie den Umkleideraum erreichte.

„Warte hier“, sagte sie atemlos.

Aber er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn mit der Fingerspitze an. Er spürte, wie sie zitterte, während er unerbittlich in ihre sorgenvollen Augen sah.

„Lauf nicht weg, hörst du?“, murmelte er leise drohend.

Laura stand ganz still. Angesichts der gemeinen Anschuldigungen, die Constantine ihr entgegengeschleudert hatte, sollte seine Berührung sie eigentlich abstoßen – aber das tat sie nicht. Zu ihrem Entsetzen erinnerte es sie daran, wie es war, von einem Mann berührt zu werden, an die harten, verlangenden Berührungen dieses besonderen Mannes.

Mit Mühe gelang es ihr, sich von ihm abzuwenden. „Das hatte ich nicht vor.“

„Beeil dich“, befahl er, denn die Hitze in seinen Lenden war stärker geworden – als er sah, wie sich ihre Augen plötzlich verdunkelten, und er spürte, dass ihr Körper ihn instinktiv begehrte. Das war nichts Neues für ihn – Frauen begehrten ihn immer. Verwirrend war nur, mit welcher Macht er darauf reagierte.

Laura nickte. „Ich … ich kann die Kellnerinnen-Sachen nicht anbehalten. Ich ziehe mich lieber um, wenn ich schon mal hier bin – also dauert es vielleicht ein paar Minuten.“

„Ich werde warten“, sagte er heiser. Ihre Worte lösten eine ungewollte Reihe von irritierend starken Erinnerungen in ihm aus, während sich die Tür schloss. An eine junge Frau, die ihre Kleider ohne jede Verlegenheit auszog, ihren herrlichen Körper an seinen schmiegte und sich ihm rückhaltlos hingab. Hatte diese Frau in jener Nacht sein Kind empfangen?, fragte er sich, und die Frage ging ihm wieder und wieder durch den Kopf, während er an die schäbige Wand der Personaletage starrte.

Laura schlüpfte aus Rock und Schürze und zog sich hastig ihre Jeans, das T-Shirt und den dünnen Pullover wieder an. Dann nahm sie ihre Handtasche und ihre Regenjacke und ging wieder nach draußen, wo Constantine wie eine angsteinflößende dunkle Statue genau an der gleichen Stelle stand.

In dem grellen Licht der Neonlampen suchte sie in ihrer Handtasche nach dem Foto von Alex, das vor ein paar Monaten in der Schule aufgenommen worden war, und gab es ihm.

Constantine starrte einen langen Moment schweigend darauf. Das Kind hatte schwarze Augen und einen leicht olivfarbenen Teint. Sein dunkles, lockiges Haar sah aus, als hätte jemand vergeblich versucht, es für das Foto zu bändigen. Er erinnerte sich, dass sein eigenes Haar in dem Alter genauso störrisch gewesen war.

Er studierte das Foto genauer. Der Junge lächelte, ja, aber in diesem Lächeln lag auch Vorsicht, und Constantine verspürte den starken Wunsch, ihn zu beschützen – zusammen mit einem instinktiven Gefühl der Weigerung. Als würde sich die logische Seite seines Gehirns weigern zu akzeptieren, dass dieser Abend mit einer glamourösen Party beginnen und mit der völlig unvermittelt aufgetauchten Behauptung enden konnte, er wäre Vater. Unwillig schüttelte er den Kopf.

„Er sieht genauso aus wie du!“, platzte Laura heraus, weil sie wollte, dass er etwas sagte – irgendetwas – um ihre Anspannung und dieses schreckliche Schweigen zu durchbrechen.

Constantine war plötzlich eiskalt. Er hatte sich noch nie so hilflos gefühlt wie jetzt – nicht seit seine Mutter gestorben war und er zusehen musste, wie sein Vater vor seinen Augen zusammenbrach. Und er auf der Stelle beschlossen hatte, dass die Liebe gefährliche Sachen mit einem Mann anstellte. „Tut er das?“

„Oh, ja.“

„Das beweist gar nichts“, knurrte er und drückte ihr das Foto wieder in die Hand. „Woher soll ich wissen, dass das nicht alles nur ein sehr überzeugender Schwindel ist?“

Laura schwankte und konnte nicht glauben, dass er sie für so berechnend und manipulativ hielt. Hatte er vergessen, dass sie unschuldig in seine Arme gekommen war, unfähig, der machtvollen sexuellen Anziehungskraft zu widerstehen, die von ihm ausging?

„Aber du wusstest doch, dass ich in dieser Nacht Jungfrau war“, erinnerte sie ihn verlegen.

Er schaute gelangweilt, als bedeuteten ihre Worte nichts – dabei war die Vorstellung von der Reinheit einer Frau für einen so traditionsbewussten Mann wie Constantine unglaublich wichtig. Er erinnerte sich an seine Ungläubigkeit, dass eine junge Frau ihre Unschuld so leichtfertig einem Mann schenkte, von dem sie wusste, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Oder war er naiv gewesen? Was, wenn sie ihre vermeintliche Unkenntnis über seinen Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung nur vorgetäuscht hatte? Mal angenommen, sie hatte seine Jacht gesehen und sich über ihn erkundigt, während sie ihm den Tee servierte und mit ihm zu Abend aß? Machte dass ihre Bereitwilligkeit, ihre Unschuld einem Mann zu schenken, der eigentlich ein Fremder war, nicht ein bisschen verständlicher?

Constantine war sein ganzes Leben von Leuten umgeben gewesen, die etwas von ihm wollten – vielleicht war diese Frau nicht anders.

„Du hast mir gesagt, dass du Jungfrau wärst, aber das muss nicht der Wahrheit entsprochen haben. Und, ja, ich weiß, dass du aufgekeucht hast, als ich in dich eindrang“, sagte er brutal und hielt kurz inne, um zum endgültigen Schlag auszuholen. „Aber das tun die Frauen immer – vielleicht hat es etwas mit meiner Technik zu tun.“ Er zuckte mit den Schultern, als sie die Fingerspitzen an die Lippen legte, und verschloss sein Herz vor ihrer offensichtlichen Qual. „Vielleicht dachtest du, dass eine vorgetäuschte Jungfräulichkeit dir eine Zukunft mit einem Mann sichert, wie du sonst sicher keinem mehr begegnet wärst. Dass ich dann besser über dich denken und dich nicht für eine Frau halten würde, die sofort mit einem Mann ins Bett geht, den sie gerade erst kennengelernt hat.“

Laura wurde übel. Es war, als wenn er ihre Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht unter seinen Schuhsohlen zu Staub zertreten hätte. „Nun, wenn du das glaubst“, sagte sie und steckte mit zitternden Fingern das Foto zurück in ihre Tasche, „dann gibt es wohl nichts mehr zu sagen, oder?“

Aber Constantine kam näher, so nah, dass sie seine Körperwärme spüren konnte. Sein Kopf bewegte sich auf sie zu, und seine schwarzfunkelnden Augen sahen sie mit einem so intensiven Blick an, dass sie sich nicht bewegen konnte. Er wollte sie doch sicher nicht …

Doch, das wollte er.

Er zog sie an sich, presste ihre zierliche Gestalt gegen seine muskulöse Brust und schloss seine kräftigen Arme um sie. Laura konnte die Hitze seines Körpers fühlen, wo er sie berührte, und wusste, dass sie protestierend aufschreien sollte – aber sie hätte es genauso wenig aufhalten können wie die Erde von ihrer Umlaufbahn um die Sonne.

Seine Lippen legten sich auf ihre, und obwohl Laura schrecklich unerfahren war, was Männer anging, konnte sie die unterschwellige Wut spüren, die in diesem Kuss lag. Dies war ein Kuss, der mehr mit Zorn als mit Verlangen zu tun hatte. Aber das hielt sie nicht davon ab, darauf zu reagieren – hielt ihren Körper nicht davon ab, vor Begehren in Flammen zu stehen, als habe er eine versteckte Zündschnur entfacht. Er hasst mich, war ihr letzter zusammenhängender Gedanke, als sich ihre Lippen willig unter seinem erfahrenen Mund öffneten.

Die Zeit schien stillzustehen, während sie engumschlungen dastanden, und erst als Laura einen ungläubigen Laut ausstieß – weil sie einfach nicht glauben konnte, dass sie mit so heißer Leidenschaft auf einen Mann reagierte, der nur Verachtung für sie übrig hatte – ließ Constantine sie so plötzlich wieder los, dass sie sich an der Wand abstützen musste.

„W…was war denn das?“, stammelte sie.

Ja, was war das gewesen? Constantine atmete schwer und starrte sie kopfschüttelnd an, als wolle er die Intensität ihres Kusses leugnen. Es war nur Begehren gewesen, versicherte er sich hastig – ein heftiges Begehren, das keine Rücksicht auf die Umstände oder ihre gesellschaftliche Stellung nahm. Aber es war seltsam, dass diese kleine, verbrauchte Kellnerin eine solche Lust in ihm wecken konnte. Und es war auch unpassend – denn es würde seine Position in der Auseinandersetzung um ihre lächerliche Behauptung ganz sicher schwächen, wenn er dieser Lust nachgab.

Er blickte auf sie hinunter. Sein Herz schlug so heftig in seiner Brust und er spürte ein derartiges Verlangen, dass er einen Moment lang nicht klar denken konnte.

„Du wirst so schnell wie möglich einen DNA-Test machen lassen“, sagte er heiser.

Lauras Augen weiteten sich entsetzt. „Aber … Aber …“

„Aber was?“, unterbrach er sie verächtlich und lachte kurz auf, während die Wirkung des Kusses nachließ und die Wirklichkeit wie ein scharfes Messer in seinen Kopf drang. „Hast du gedacht, dass ich den Jungen als Karantinos-Erben anerkenne – und ihm Zugang zu einem der größten Vermögen der Welt gebe –, nur weil du behauptest, dass er mein Sohn ist, und der Junge eine entfernte Ähnlichkeit mit mir hat?“

„Aber du hast doch …“

„Ja, er sieht wie ein Grieche aus“, unterbrach er sie mit einem vernichtenden Blick. „Nur gehörst du vielleicht zu den Frauen, die auf griechische Männer stehen.“ Er sah auf ihre von ihrem Kuss geschwollenen Lippen. „Ich glaube, das hast du gerade eindrucksvoll bewiesen.“

Laura ließ sich gegen die Wand sinken und starrte ihn an. Hatte er sie deswegen geküsst – um sie wie ein leichtes Mädchen aussehen zu lassen? Nur um danach einen DNA-Test als Beweis dafür zu verlangen, dass Alex sein Kind war? „Du … du Bastard!“, keuchte sie.

Constantine dachte, dass Frauen überraschend einfallslos waren, wenn es um Beleidigungen ging. Aber innerlich verspürte er einen Schmerz, den er sich nicht erklären konnte – ein Zustand, der bei ihm so selten vorkam, dass er ihr ebenfalls wehtun wollte.

„Ich wäre vorsichtig mit solchen Beleidigungen, wenn ich du wäre, Laura“, informierte er sie kalt. „Es ist nicht meine Elternschaft, die in Zweifel gezogen werden wird. Wenn die Tests beweisen, dass der Junge mein Sohn ist, dann werde ich die Verantwortung übernehmen – aber zuerst musst du es beweisen.“

4. KAPITEL

„Wie meinst du das, er verlangt einen DNA-Test?“

Laura starrte ihre Schwester an und versuchte, die schreckliche Müdigkeit abzuschütteln, die sich wie eine dunkle Wolke auf sie gelegt zu haben schien, seit sie nach einer ruhelosen Nacht in einem billigen Londoner Hotel heute Morgen nach Milmouth zurückgekehrt war. Zum Glück hatte Sarah gewartet, bis der erste Kundenansturm in der Bäckerei vorbei war. Aber jetzt standen sie allein im Laden, und Laura musste sich ihren wütenden Fragen stellen. Kraftlos zuckte sie mit den Schultern.

„Das ist doch ziemlich offensichtlich, oder nicht? Er will einen Beweis, dass Alex sein Sohn ist.“

„Hast du ihm das Foto gezeigt?“

„Natürlich habe ich das.“

„Und?“

Es entstand ein Schweigen, während Laura darüber nachdachte, wie sie es ausdrücken sollte. Sie verspürte einen seltsamen Widerwillen, Constantines kränkende Worte zu wiederholen. „Er hat gesagt, dass Alex zwar griechisch aussieht, er aber dennoch auf keinen Fall riskieren kann, einen Erben eines solch großen Vermögens ohne Beweise anzuerkennen.“

„Der Bastard!“

Und obwohl sie ihm genau das gleiche Wort gestern Abend an den Kopf geworfen hatte, sah sich Laura nun in der bizarren Position, den gegensätzlichen Standpunkt vertreten zu müssen. Einen, über den sie während der Zugfahrt heute Morgen lange nachgedacht hatte. „Ich kann ihn verstehen“, erklärte sie vorsichtig. „Ich meine, er weiß doch nicht, dass nur er als Vater infrage kommt, oder?“

„Hast du ihm das nicht gesagt?“

„Nein.“ Seine Wut war zu greifbar gewesen; die Stimmung zwischen ihnen zu explosiv. Er hatte ihr doch sogar vorgeworfen, ihre Jungfräulichkeit als Druckmittel eingesetzt zu haben. „Und selbst wenn, hätte er mir wahrscheinlich nicht geglaubt. Warum sollte er auch?“

Sarah runzelte die Stirn. „Laura – ich kann es nicht glauben! Verteidigst du ihn etwa?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Laura steif.

Aber die Wahrheit war sehr viel komplizierter. Sie konnte Constantines Haltung tatsächlich verstehen – obwohl es sie zutiefst schmerzte, dass er sie für fähig hielt, mit wechselnden Partnern zu schlafen, um die Vaterschaft dann dem reichsten Kandidaten anzuhängen. Ihr Verhalten an dem Tag, an dem sie ihn kennenlernte, war untypisch gewesen, und sie hatte das nie wieder getan – doch das konnte Constantine nicht wissen, oder?

„Aber aus seiner Sicht könnte ich doch eine ganze Reihe von griechischen Liebhabern in meinem Leben gehabt haben“, erklärte sie ihrer Schwester hitzig und versuchte verzweifelt, die Tränen fortzublinzeln, die ihr in den Augen brannten.

„Ach ja? Und alle sind mit ihrer Jacht nach Milmouth gesegelt?“, erwiderte Sarah sarkastisch. „Mir war gar nicht bewusst, dass unsere Stadt partnerschaftliche Beziehungen zu Athen unterhält!“

„Sehr witzig“, meinte Laura.

Sarahs bittere Kommentare halfen ihr jedoch, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. In der Mittagspause setzte sie sich in die vollgestellte kleine Ecke des Wohnzimmers, wo ihr Computer stand, und recherchierte im Internet über DNA-Tests. Sie studierte die entsprechenden Webseiten so lange, bis sie die Fakten kannte – und wurde aufgeschreckt, als plötzlich ihr Handy klingelte.

Die Nummer im Display war ihr unbekannt, aber die Stimme erkannte sie. Sofort.

„Laura?“

Für einen Moment schloss sie die Augen. Solange sie dem harten Blick seiner dunklen Augen nicht ausgesetzt war, fiel es ihr viel zu leicht, sich von Constantines weicher, tiefer Stimme, in der ein Hauch von Akzent zu hören war, verzaubern zu lassen. Sie strich über ihre plötzlich sensibilisierte Haut und wurde daran erinnert, wie leidenschaftlich ihre Sinne unter seinen Lippen und Händen erwacht waren.

Entsetzt über die unangebrachte Richtung ihrer Gedanken – schließlich zwang er Alex dazu, sich der Demütigung eines DNA-Tests auszusetzen – setzte Laura sich auf, öffnete die Augen und starrte wütend auf den Computerbildschirm. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich selbst.

„Hallo, Constantine.“

„Ah, du hast meine Stimme erkannt“, bemerkte er spöttisch.

„Schon komisch, nicht? Doch ob du es glaubst oder nicht, die Anzahl der griechischen Männer, die ich pro Tag am Telefon habe, ist überraschend klein.“

Constantine runzelte die Stirn. Wagte sie tatsächlich, sarkastisch zu sein – ihm gegenüber? Und auch noch unter diesen Umständen?

„Du weißt, warum ich anrufe?“

„Ja.“

„Du stimmst dem DNA-Test zu?“

Laura umklammerte das Telefon. Welche Wahl blieb ihr?

„Ich schätze ja.“

„Gut.“ Constantine lehnte sich in das weiche Leder seines Schreibtischstuhls zurück und blickte über die glitzernde Londoner Skyline. „Ich habe mich erkundigt. Du könntest es entweder bei meinem Anwalt hier in London durchführen lassen – oder er nennt dir eine Praxis bei dir in der Nähe, wenn dir das lieber ist.“

Laura hörte einen unerwartet sanften, überredenden Unterton in seiner Stimme, und plötzlich war sie froh über ihre Recherche, froh darüber, nicht akzeptieren zu müssen, was der mächtige und selbstherrliche Grieche ihr vorschrieb. Was aus seiner Sicht am vorteilhaftesten für ihn war.

„Die Anwaltspraxis fällt aus“, erklärte sie ruhig.

Es entstand ein ungläubiges Schweigen. „Warum nicht?“

„Weil das alle möglichen rechtlichen Konsequenzen hätte“, sagte sie. „Dieser Test wird durchgeführt, um auf deinen Wunsch hin die Vaterschaft zu klären; es gibt keine Vaterschaftsklage. Also mache ich den Test zu Hause.“

Wieder Schweigen, diesmal länger. Constantine war nicht davon ausgegangen, dass sie seine Wünsche infrage stellen würde – um ehrlich zu sein hatte er erwartet, dass sie seinen Vorschlag einfach akzeptierte. Weil die Leute sich normalerweise immer seinem Willen beugten. Was dachte sich diese unscheinbare kleine Kellnerin eigentlich dabei, sich gegen ihn aufzulehnen? Er senkte seine Stimme. „Und wenn ich das nicht erlaube?“

„Ich brauche deine Erlaubnis nicht!“, erklärte sie und weigerte sich, von seiner drohenden Stimme beeindruckt zu sein. „Du bist es, der auf diesem verdammten Test besteht – der mich dazu zwingt, einen Abstrich im Mund meines siebenjährigen Sohnes zu machen. Hast du mal darüber nachgedacht, was ich ihm sagen soll? Wie ich das einem Siebenjährigen erklären soll?“

„Und darüber hast du nicht nachgedacht, bevor du zu mir gekommen bist?“, gab er zurück.

Nein, habe ich nicht, dachte Laura verzweifelt. Da war nur dieses überwältigende Gefühl der Ungerechtigkeit in ihr gewesen – weil Constantine vielleicht dabei war, eine andere Frau zu heiraten und mit ihr eine Familie zu gründen, ohne zu wissen, dass er noch einen Sohn hatte, der nichts als Not kannte und sein Leben lang ein Schattendasein führen würde. Sie war außerdem davon ausgegangen, dass er sie erkennen und sich mit wenigstens ein bisschen Zärtlichkeit an ihre gemeinsame Nacht erinnern würde. Und dann war da noch die – wohl wirklich märchenhafte – Hoffnung gewesen, dass der Grieche vielleicht auch ein bisschen stolz darauf sein könnte, einen Sohn zu haben.

Und es ging auch um dich, oder nicht?, meldete sich die unangenehme Stimme ihres Gewissens. Vergisst du das nicht bei deiner Aufzählung? Du warst unglaublich eifersüchtig auf die Frau, von der du dachtest, er würde sein Leben mit ihr teilen – obwohl du kein Recht dazu hattest.

„Oder hast du geglaubt, ich würde dir brav einen dicken Scheck ausstellen?“, wollte er wissen.

Sie wollte gerade zugeben, dass sie überstützt gehandelt hatte, aber seine hasserfüllte Bemerkung ließ sie schweigen. Was für ein unglaublich grausamer Mann er sein konnte! „Ich organisiere den Test“, sagte sie unsicher.

Constantine hörte das leichte Zittern in ihrer Stimme, und runzelte unwillig die Stirn. Er erinnerte sich an das Foto des kleinen Jungen mit den störrischen Locken – an die Skepsis in seinen schwarzen Augen. Konnte er dem Kind wirklich die Belastung eines solchen Tests zumuten? Hatte Laura nicht inzwischen bewiesen, dass sie die Wahrheit sagte? Denn sicher hätte sie nicht so lange an einer Lüge festgehalten, wenn alles nur ein Bluff gewesen wäre.

Und dann trat ihm die Tatsache, die er bis jetzt verdrängt hatte, überdeutlich vor Augen – dass dieser kleine Junge sein kleiner Junge war.

„Vergiss den Test“, erklärte er deshalb abrupt.

Erstarrt blickte Laura auf die Hauptstraße von Milmouth, wo das Sonnenlicht, das plötzlich auf das Kopfsteinpflaster fiel, sich über ihre düstere Stimmung lustig zu machen schien. „Vergessen?“, fragte sie ungläubig. „Warum?“

„Ich habe einfach meine Meinung geändert!“

Laura schluckte. Constantine erklärte ihr großmütig, dass der Test nicht nötig sei, wo es doch seine Idee gewesen war, ihn überhaupt durchzuführen – wie ein Lehrer an der Schule, der sie aus einem überhastet angeordneten Nachsitzen entließ? Er hält alle Fäden in der Hand, realisierte sie mit einem Gefühl der Bitterkeit. Und ihr war immer noch nicht klar, was seine Motive für diesen plötzlichen Sinneswandel sein mochten.

„Aber du hast gesagt, du willst einen Beweis.“

„Den brauche ich nicht mehr. Ich glaube dir“, sagte er unerwartet.

„Du glaubst mir, dass er dein Sohn ist?“

„Ja.“ Es entstand eine lange Pause, während Constantine klar wurde, dass dieses eine zustimmende Wort sein ganzes Leben verändern würde – ob es ihm passte oder nicht. „Ja, ich glaube, dass er mein Sohn ist“, erklärte er mit ernster Stimme, als würde das vollständige Eingeständnis diese Tatsache noch einmal bekräftigen. Es war ihm schon in dem Augenblick klar gewesen, als er diese störrischen Locken gesehen hatte – und in seinem Unterbewusstsein sogar schon davor. Weil irgendein Instinkt es ihm sagte – ein Instinkt, den er zu dem Zeitpunkt nicht verstanden hatte und den er vielleicht niemals verstehen würde.

„Aber … warum?“ Ihre verwirrten Worte rissen ihn aus dem Chaos seiner Gedanken. „Warum jetzt, nach allem, was du gesagt hast? Nach allem, was du mir vorgeworfen hast?“

Constantine ballte seine Hand zu einer Faust und starrte darauf. Alles, was er gesagt hatte, war der Versuch gewesen, es zu leugnen; er war nicht bereit gewesen, die enorme Tragweite der möglichen Konsequenzen zu akzeptieren, falls sie die Wahrheit sagte. Aber plötzlich gestattete er sich die Einsicht, dass diese Neuigkeit auch durchaus positive Auswirkungen haben konnte – und vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt in seinem Leben kam. Eine Lösung begann sich in seinem Kopf zu formen – so perfekt, wie die Umstände es erlaubten. Er musste Laura nur noch davon überzeugen mitzuspielen.

Die Entschlossenheit, mit der es ihm gelungen war, eines der mächtigsten Unternehmen in seiner Heimat Griechenland neu aufzubauen, trat jetzt in anderer Form zutage. Einer Form, die er dazu benutzen würde, ein Privatleben zu ordnen, das plötzlich kompliziert geworden war.

Constantines Lippen wurden zu einer harten Linie, und er spürte ein Ziehen in seinen Lenden, als er sich daran erinnerte, wie Laura in jenem schäbigen Hotelflur seinen Kuss erwidert hatte. Natürlich würde sie sich seinen Wünschen beugen! Sie war sicher nicht die Art von Frau, die eine solche Chance ausschlug, wenn sie ihr in den Schoß fiel.

Einen Moment lang war er versucht, ihr seinen Vorschlag sofort zu unterbreiten – bis ihm ihre trotzige Reaktion wieder einfiel. Besser er zwang sie, ihm zuzuhören, und sagte es ihr von Angesicht zu Angesicht. Besser er gab seinen Lippen und seinem Körper die Möglichkeit, sie zu überreden, falls seine Worte es nicht vermochten.

„Deine Bereitschaft, den Test durchzuführen, hat mich davon überzeugt, dass du die Wahrheit sagst“, erklärte er geduldig. „Eine Frau wie du würde sich sonst nicht mit jemandem wie mir anlegen.“

Die unerwartete Atempause ließ Laura blinzeln. „Danke“, sagte sie, nachdem sie sich wieder gefasst hatte – obwohl sie erst im Nachhinein merkte, dass ihr die beleidigende Bedeutung seiner Worte völlig entgangen war.

„Wir müssen uns darüber unterhalten, wie es jetzt weitergehen soll“, erklärte Constantine mit ruhiger Stimme. „Denn wenn ich der Vater des Kindes bin, dann gibt es jede Menge Möglichkeiten, unsere Zukunft zu gestalten.“

Laura fühlte eine verwirrende Mischung aus Angst und Hoffnung. Sie mochte ihn nicht fragen, was er damit meinte, denn sie wollte nicht habgierig wirken – aber sie blieb wachsam. Sein plötzlicher Sinneswandel von Wut und Anklage zu honigsüßer Vernunft war beunruhigend – sie fühlte sich wie ein ausgehungerter Hund, der nach einem appetitlich aussehenden Knochen schnappt, nur um dann festzustellen, dass es sich um einen schäbigen alten Stock handelt. Was wollte er von ihr?

„Und die wären?“

„Ich glaube nicht, dass wir diese Diskussion am Telefon führen sollten, oder, Mikros minera?“ Seine Stimme wurde tiefer. „Warum treffen wir uns nicht irgendwo und sprechen wie zwei erwachsene Menschen darüber?“

Es schien keine Rolle zu spielen, wie oft sie schluckte – Laura wurde die Trockenheit, die ihre Kehle eng machte, einfach nicht los. Warum hatte sie das Gefühl, in eine Falle zu tappen – als würde Constantine Karantinos sie auf einen unbekannten Weg locken, der in eine für sie wenig angenehme Richtung führte? Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Ihre Mittagspause war seit mehr als zehn Minuten vorbei, und Sarah würde wütend werden, wenn sie nicht bald in die Bäckerei zurückkehrte.

„Okay“, sagte sie vorsichtig. „Ich treffe mich mit dir. Wo und wann?“

„So bald wie möglich“, erwiderte er. „Sagen wir Morgen Abend. Ich kann zu dir kommen …“

„Nein!“ Das Wort war ausgesprochen, bevor sie ihre Stimme kontrollieren konnte. „Nicht hier. Noch nicht. Die Leute werden reden.“

„Warum werden sie reden?“, gab er verwundert zurück. Er war es gewohnt, dass sich Frauen gerne mit ihm an ihrer Seite zeigten.

Laura starrte aus dem Fenster und konnte in der Ferne das Meer sehen. Hatte er denn keine Ahnung, was es in einer Kleinstadt wie dieser bedeutete, dass das Rätsel um Alex’ Vaterschaft noch nicht gelüftet war? Niemand wusste von ihrer Nacht mit dem attraktiven Griechen, und ihre Schwangerschaft hatte die Leute schockiert. Aber Alex war so süß gewesen und Laura so verschwiegen, dass die Leute es aufgegeben hatten zu fragen, wer der Vater war – selbst wenn sie immer noch darüber nachdachten.

Aber was, wenn jetzt ein so selbstsicherer und attraktiver Mann wie Constantine in Milmouth auftauchte! Sein schwarzes Haar und seine goldene Haut glichen den körperlichen Attributen ihres Sohnes. Dann konnte sie ja gleich eine Anzeige auf der ersten Seite der Milmouth Gazette schalten! Die Leute würden reden, und es kam Alex vielleicht zu Ohren – und was immer Alex erfuhr, musste vorher gründlich durchdacht sein. Oh, was sollte sie ihrem geliebten Sohn nur sagen?

„Weil die Leute immer reden“, sagte sie tonlos. „Und ich will nicht, dass mein Sohn irgendwelche Gerüchte zu Ohren kommen.“

Constantine runzelte die Stirn. „Wo dann? In London?“

„London ist für mich nicht einfach zu erreichen.“

„Ich kann dir einen Wagen schicken lassen.“

Wie einfach praktische Probleme gelöst werden konnten, wenn man genug Geld hatte, dachte Laura. Aber die Limousine eines griechischen Millionärs war genauso auffällig wie ihr Besitzer. „Nein, das ist wirklich nicht nötig. Wir können uns in Colinwood treffen, das ist hier die nächst größere Stadt. Es gibt dort ein Hotel namens Grapevine. Ich treffe dich dort um neun Uhr in der Bar.“

„Meinetwegen“, sagte Constantine leise und legte auf – ein wenig überrascht darüber, dass sie sich seinen Wünschen nicht sofort gebeugt hatte. Wie Frauen es immer taten.

Laura saß einen Moment schweigend da, nachdem die Verbindung unterbrochen war, und rannte dann hinunter in den leeren Laden, um ihrer Schwester die Neuigkeit zu überbringen.

„Ich treffe ihn Morgen Abend. Er hat seine Meinung geändert und verlangt jetzt doch keinen DNA-Test mehr.“

Sarah, die gerade Zuckergussreste von der Theke wischte, hielt inne. „Warum?“

Laura schüttelte den Kopf, und eine schreckliche Kombination aus Angst und Aufregung jagte einen Schauer über ihre Haut. „Ich weiß es nicht“, flüsterte sie. „Ich weiß es wirklich nicht.“

5. KAPITEL

Laura versuchte dem Treffen gelassen entgegenzusehen, doch innerlich wurde sie erfüllt von Nervosität, Angst – und einer schrecklichen Vorfreude. Wie sehr sie ihr aufgeregtes Herzklopfen hasste, wenn sie daran dachte, dass sie ihn bald wiedersehen würde … dass sie ihn wiedersehen wollte.

Selbst die Frage, was sie zu ihrer Verabredung anziehen sollte, bereitete ihr Kopfzerbrechen – sie ging nicht oft aus und hatte keine Ahnung, was für eine solche Gelegenheit angemessen war. Aber das ist keine Verabredung, erinnerte sie sich selbst – es ist sogar alles andere als das. Sie wusste, dass es falsch wäre, sich besonders zurechtzumachen – das würde so wirken, als erwarte sie etwas, nicht wahr? Aber bisher hatte Constantine sie nur in ihrer Kellnerinnen-Uniform gesehen – oder nackt –, und sie hatte ihren Stolz. Sie wollte nicht, dass er sie ansah und darüber nachdachte, was er je an ihr gefunden haben konnte. Also brachte sie am folgenden Abend Alex ins Bett, duschte und zog sich um. Es war ein heißer, drückender Abend, und ein leichtes geblümtes Kleid – kombiniert mit hochhackigen Sandaletten – war das Einzige, was ihr passend erschien. Dann ging sie ins Wohnzimmer, um sich von ihrer Schwester begutachten zu lassen.

„Kein Make-up?“, fragte Sarah kritisch, während sie sie von oben bis unten betrachtete.

„Ich trage ein bisschen Make-up.“

„So wirst du ihn nicht besonders beeindrucken.“

„Das war auch nie meine Absicht“, erklärte Laura und griff nach ihrer Handtasche. „Bis später dann. Und danke, dass du auf Alex aufpasst.“

„Jederzeit. Ruf mich an, wenn du gerettet werden willst.“

„Und wie willst du mich retten?“ Lauras Mund verzog sich zu einem trocken Lächeln. „Indem du mir die Kavallerie schickst?“

Sie nahm den Bus nach Colinwood – eine angenehme Fahrt, bei der man eine Weile die malerische Küste entlangfuhr, bevor es über mit dichtem Grün bewachsene Straßen ins Landesinnere ging. Normalerweise hätte sie es genossen, einfach nur dazusitzen und die Landschaft zu genießen, aber dafür klopfte ihr Herz zu angsterfüllt. Am Himmel hingen schwere gelbgraue Wolken, die einen Sturm ankündigten, und als Laura am Marktplatz ausstieg, war die Luft still und drückend.

Sie sah Constantine sofort – irgendwie war es ihm gelungen, den besten Tisch in einer ruhigen Ecke zu bekommen, von dem aus man in den wunderschönen Garten blickte. Eine Kellnerin war bei ihm und lächelte besonders strahlend, während sie einen kleinen Teller mit Oliven vor ihn hinstellte und mit ihrer manikürten Hand über ihre schlanke Hüfte fuhr, so als wolle sie seine Aufmerksamkeit darauf lenken.

Bitte, lass mich ihm gewachsen sein, flehte Laura innerlich, während sie sich durch den Raum den Weg zu ihm bahnte und versuchte, ihrem Gesicht einen neutralen Ausdruck zu geben. Aber was für eine Art Gesicht machte man unter diesen Umständen?

Constantine sah sie auf sich zukommen und staunte über den ganz anderen Eindruck, den sie ohne ihre Kellnerinnen-Uniform machte. Heute Abend fiel ihr langes, feines Haar offen über ihre Schultern – er konnte sehen, wie hell es war. Und sie trug ein dünnes kurzes Sommerkleid, das ihren schlanken Körper und ihre zierliche Gestalt betonte. Ihre Schuhe waren hoch und lenkten die Aufmerksamkeit auf ihre Beine. Beeindruckende Beine, dachte er plötzlich, als sei ihm wieder eingefallen, warum er sich damals so zu ihr hingezogen gefühlt hatte – und bereute es sofort, als sie an seinem Tisch ankam.

„Hallo, Constantine.“

Er hätte sich erheben müssen, um sie zu begrüßen, aber seine Hose spannte derart über seiner Männlichkeit, dass er nicht wagte, sich zu bewegen. Das war kein Benehmen aus dem Lehrbuch – aber er erinnerte sich daran, dass dies auch keine Situation aus dem Lehrbuch war. Sie hatten kein unverfängliches Date, bei dem man sich näher kennenlernte; sie waren hier, um über die Zukunft eines kleinen Kindes zu entscheiden. Und wieder zog ein unbekanntes Gefühl sein Herz zusammen.

„Setz dich“, sagte er.

„Danke.“ Laura ließ sich auf die Kante der eleganten Lederbank nieder. Ihre Haut fühlte sich klamm an, und ihr Herz schlug heftig vor Nervosität. Es war so heiß hier drin! Als er ihr ein Glas Wein reichte, nahm sie es automatisch mit kraftlosen Fingern entgegen, obwohl sie auf dem Weg hierher beschlossen hatte, dass Alkohol keine gute Idee war. Sie trank einen Schluck.

„Wartest … wartest du schon lange?“

Es entstand eine kurzes Schweigen. Constantine lehnte sich zurück und nahm sich die Zeit, sie zu betrachten. Er bemerkte die Art, wie sie die Knie dicht zusammenpresste und wie angespannt ihre Schultern waren. Ihre Körpersprache zeigte überdeutlich ihre Anspannung – und ihm wurde klar, dass es nicht einfach werden würde.

„Nein, ich bin auch gerade erst gekommen“, erwiderte er, und seine Augen glitzerten im schwindenden Licht. „So … damit hätten wir die Nettigkeiten hinter uns. Hast du dem Jungen schon irgendetwas gesagt?“

Laura schüttelte den Kopf. Sie wünschte, er würde aufhören, sie so anzusehen. Als würde er sie mit seinen schwarzen Augen ausziehen. „Nein.“

Er beugte sich ein Stück zu ihr hinüber. „Ist dir bewusst“, sagte er leise, „dass ich nicht einmal seinen Namen kenne?“

Es klang wie ein Vorwurf, und vielleicht war es das – obwohl es tatsächlich das erste Mal war, dass er danach fragte. Sie sog scharf die Luft ein, verwirrt von seiner Nähe. Was, wenn er den Namen hasst, den ich ausgewählt habe?, dachte sie – auf diese unerklärliche Weise, in der Menschen oft Namen ablehnten, weil sie sie zu sehr an jemanden oder etwas in ihrer Vergangenheit erinnerten.

„Er heißt Alex“, sagte sie vorsichtig. „Das ist eine Abkürzung für Alexander.“ Wieder entstand ein kurzes Schweigen, bevor Constantine lange und tief ausatmete. Der Name bedeutete Krieger. Ein stolzer Name, der dem Gewicht und der Ehre seines Erbes gerecht wurde. „Ein griechischer Name“, bemerkte er.

„Ja. Es erschien mir irgendwie passend.“

Er spürte, wie ihn ein Gefühl überkam, das sich wie Hilflosigkeit anfühlte. Denn machte es das Kind nicht viel realer, wenn es einen Namen hatte, als wenn man es nur auf einem Foto sah? Eine Person begann aus den wenigen Informationen zu entstehen, die er inzwischen kannte. Eine Person, über die er absolut nichts wusste. „Und was hast du sonst noch für passend gehalten?“, fuhr er sie an.

Laura zuckte zusammen, als sie seine Wut bemerkte, und stellte das Weinglas auf den Tisch, bevor es ihr aus den Fingern glitt. „Wir können uns nicht ständig Vorwürfe machen!“, sagte sie mit leiser Stimme. „Was passiert ist, ist passiert. Wir können es nicht ändern – wir müssen mit der Situation leben, so wie sie ist.“

„Und wie ist die Situation?“, gab er zurück. „Eine Frau, die offensichtlich von der Hand in den Mund lebt, hat das alleinige Sorgerecht für meinen Sohn und Erben? Denkst du nicht, dass ich langsam auch eine Rolle in seinem Leben spielen sollte, Laura?“

„Na…Natürlich denke ich das. Deswegen bin ich hier.“ Sie starrte ihn an und knetete nervös die Finger in ihrem Schoß. „Wir könnten ein erstes Treffen vereinbaren, wenn du willst.“

Er lachte kurz auf. „Du willst mich in seinen Wochenplan einbauen wie einen Termin beim Zahnarzt, meinst du? Du willst, dass ich Sonntagsnachmittags ein Kind auf einen Hamburger einlade, das nur widerwillig mitkommt und die Minuten zählt, bis endlich wieder nach Hause darf?“

Laura biss sich auf die Lippe. „So habe ich das nicht gemeint.“

„Nein? Und was genau hast du gemeint?“ Seine schwarzen Augen brannten sich in ihre. „Welche Art von Zukunft hattest du denn im Sinn, als du den Kontakt zu mir wieder aufgenommen hast?“

Seine Dominanz war beeindruckend, und Laura fühlte sich überwältigt von der Kraft, die er ausstrahlte. „Ich weiß es nicht“, gestand sie verzweifelt.

Constantines Mund verzog sich zu einer harten Linie. „Nun, ich schon. Ich habe lange nachgedacht und alle Möglichkeiten abgewogen.“ Er hatte auch mit seinen Anwälten gesprochen – aber vielleicht war jetzt nicht der Zeitpunkt, ihr das zu sagen. Er senkte seine Stimme, so wie er es im Berufsleben tat, wenn er dabei war, ein Geschäft abzuschließen. „Und es gibt eine Zukunft, von der alle Parteien profitieren. Deshalb will ich, dass du mich auf meine Heimatinsel in Griechenland begleitest, Laura, und dabei die einzige Position einnimmst, die angemessen ist.“ Er hielt inne, und seine Augen glänzten wie kalte, schwarze Steine, während er sie ansah. „Die meiner Frau.“

6. KAPITEL

Laura starrte Constantine mit klopfendem Herzen an. „Deine Frau?“, wiederholte sie ungläubig. „Warum um alles auf der Welt sollte ich dich heiraten wollen?“

„Mit wollen hat das nichts zu tun“, erwiderte er kalt, entrüstet über ihre schockierte und uncharmante Reaktion. „Ich würde es eher als eine Notwendigkeit bezeichnen. Schließlich brauchst du Geld.“

„Ich habe nie gesagt …“

„Du bist eine Kellnerin, die zusätzlich in einer verdammten Bäckerei arbeitet!“, fiel er ihr ins Wort.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Woher weißt du das?“

Seine Lippen verzogen sich. Wie naiv sie war. „Das war nicht schwer. Ich habe jemanden beauftragt, es für mich herauszufinden.

Laura schluckte. „Du meinst, du hast mich ausspionieren lassen?“

Mit einer arroganten Handbewegung wischte er ihre Frage beiseite. Wenn es nur so einfach wäre, die Erinnerung an die Fotos wegzuwischen, die der Privatdetektiv ihm auf den Tisch gelegt hatte: Laura, die den Jungen in Klamotten zur Schule brachte, die ihm eindeutig zu klein waren. Ganz zu schweigen von den im Bild festgehaltenen Beweisen, dass sein Sohn in irgendeinem schäbigen Apartment über einem heruntergekommenen Laden aufwuchs.

Aber es war mehr als das. Ihm war plötzlich klar geworden, dass diese zitternde kleine Kellnerin – arm und verzweifelt – vielleicht genau die richtige Heiratskandidatin war. Würde sie nicht schrecklich beeindruckt sein von seiner Macht und seinem Reichtum, sodass sie gefügig wurde, und er aus ihr die perfekte Ehefrau formen konnte? Und natürlich war da auch noch die unerklärliche Tatsache, dass er nicht aufhören konnte, an den Kuss zu denken, den er ihr in jenem dunklen Untergeschoss des Hotels gestohlen hatte … Allein sich jetzt daran zu erinnern, ließ den Wunsch in ihm aufsteigen, es wieder zu tun. Das war verrückt. Und unerklärlich. Aber es war ein verdammt starkes Gefühl.

Er blickte finster vor sich hin und zwang sich, wieder an ihre lächerliche Anschuldigung zu denken, dass er sie ausspioniert hatte. „Sei nicht hysterisch, Laura“, fuhr er sie an. „Wenn eine Frau zu einem Mann in meiner Position kommt und eine Behauptung von so enormer Tragweite äußert, dann ist es zwingend nötig, etwas über ihren Hintergrund herauszufinden. Woher sollte ich schließlich wissen, ob du nicht einen männlichen Partner zu Hause hast, der nach dieser Chance giert – und deinen Exgeliebten als Geldquelle sieht?“

„Du … du … Zyniker!“

„Vielleicht eher ein Realist?“, entgegnete er. „Oh, komm schon – du kannst dir deine Entrüstung sparen, agape mou. Weißt du, ich kenne die korrumpierende Macht des Geldes. Und ich habe gesehen, was Menschen tun, um es zu bekommen.“

Laura starrte ihn an. Seine Frau? Hatte er sie wirklich gerade gebeten, seine Frau zu werden? „Aber ich dachte, du heiratest diese andere Frau …“

„Welche andere Frau?“

Sie sah, wie seine Augen gefährlich schmal wurden, und wünschte, sie hätte nicht davon angefangen. „Das schwedische Topmodel“, erklärte sie zögernd.

„Wer hat dir das gesagt?“

„Ich habe es im Radio gehört“, gab sie zu, und als sie den Ausdruck plötzlichen Verstehens über sein Gesicht huschen sah, wurde ihr bewusst, dass sie lieber geschwiegen hätte. Weil es nun so wirkte, als habe sie ihn schon seit einer Weile genau beobachtet.

„Du solltest nicht alles glauben, was die Medien behaupten“, meinte er scharf. „Aber zumindest erklärt das, warum du so plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht bist.“ Er fixierte sie mit kalter Herausforderung. „Die Presse versucht schon seit Jahren, mich zu verheiraten – aber ich werde entscheiden, wen und wann ich heirate, nicht die Journalisten.“

Sie starrte ihn voller Verwirrung an. „Ich verstehe das immer noch nicht … nach allem, was du gesagt hast – warum willst du ausgerechnet mich heiraten?“

„Das verstehst du nicht? Denk doch mal nach. Die Ehe war immer ein Punkt, den ich erledigen wollte, wann es mir passt – aber ich hatte es nicht eilig damit. Bis jetzt.“ Seine schwarzen Augen glitzerten. „Ich besitze ein sehr großes Vermögen, Laura“, erklärte er leise, „und mein Vater ist alt und krank. Sein größter Wunsch ist es, dass ich ihm einen Erben schenke. Auf diese Weise könnte ich beides recht einfach erreichen.“

Laura schüttelte den Kopf. „Aber das ist so … kaltblütig!“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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