Traummänner & Traumziele: Australien

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BLEIBT DEIN HERZ IN AUSTRALIEN? von MICHELLE DOUGLAS
Die Einladung in ihr idyllisches Strandhaus kommt der hübschen Australierin Kate spontan über die Lippen, als sie den faszinierenden Engländer Simon kennenlernt. Gemeinsam unternehmen die beiden eine romantische Bootstour vor der atemberaubend schönen australischen Küste. Und während die Delfine hoch aus dem Wasser springen, schlägt auch Kates Herz höher. So zärtlich zieht Simon sie in seine Arme, dass sie sich sehnlich wünscht, er möge sie nie mehr loslassen. Doch sie weiß: Er ist ein englischer Lord, den die Pflicht bald für immer nach Hause zurückruft …

HEISS WIE DIE SONNE AUSTRALIENS von LINDSAY ARMSTRONG
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LEIDENSCHAFTLICHES WIEDERSEHEN IN SYDNEY von MELANIE MILBURNE
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LIEBESSTERN ÜBER AUSTRALIEN von MELISSA JAMES
Der Geländewagen ist gepackt, die Schlafsäcke sind verstaut – los geht es für die junge Tierärztin Danni und ihren Freund und Kollegen Jim Haskell! Eine abenteuerliche Fahrt quer durch Australien beginnt! Danni weiß, was Jim am Ende der Reise zu finden hofft: die Wahrheit über seine leiblichen Eltern. Und dann wird sie bei ihm sein, so wie er auch immer für sie da war! Sie ahnt nicht, was sie selbst in romantischen Nächten am lodernden Lagerfeuer entdecken wird: Sie braucht Jims Liebe. Nicht nur während der Reise, sondern viel länger: ein Leben lang!

CHAMPAGNERKÜSSE IN SYDNEY von SANDRA HYATT
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  • Erscheinungstag 01.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520669
  • Seitenanzahl 628
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

ROMANA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG ,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

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Redaktionsleitung:

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Vertrieb:

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Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2009 by Michelle Douglas

Originaltitel: „The Aristocrat And The Single Mom“

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

in der Reihe: ROMANCE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: ROMANA

Band 1858 (19/2) 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Fotos: Corbis

Veröffentlicht im ePub Format im 09 /2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3- 86295-073-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

ROMANA -Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

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Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

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Michelle Douglas

Bleibt dein Herz in Australien?

1. KAPITEL

Kate blätterte weiter zum letzten Beleg im Ordner, schloss die Augen, schlug den Ordner zu und zählte bis zehn. Dann öffnete sie die Lider wieder, klappte den Ordner auf und fing noch einmal von vorn an.

Das Klingeln an der Tür kündete an, dass jemand das Büro betreten hatte, doch sie blieb hocken. Zwischen all den Kartons fiel es ihr ohnehin schwer aufzustehen.

„Hallo?“

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie sich beim Klang einer solchen tiefen Männerstimme mit einem faszinierenden britischen Akzent sofort umgedreht. In diese Gegend kamen viele Touristen aus der ganzen Welt, und sie liebte die verschiedenen Akzente. Früher einmal hatte sie an jene Orte reisen und die unterschiedlichen Kulturkreise kennenlernen wollen, aber dann war sie mit Jesse schwanger geworden.

„Komme sofort!“, rief sie.

Da sie hinter dem Tresen hockte, konnte der Mann sie vermutlich nicht sehen.

Und obwohl sie sich sonst immer sofort ihren Kunden widmete, atmete sie nun tief durch und blätterte den Ordner noch einmal langsam durch.

Wo hatte sie den Beleg nur hingetan? Der Buchhalter hatte bereits in der Vorwoche danach gefragt, und sie hatte ihm versprochen, ihn ihm heute zu geben. Stöhnend ließ sie den Blick über die Kartons schweifen.

„Ist irgendetwas?“

„Entschuldigen Sie.“ Kate drehte sich um. „Ich …“

Sie verstummte und blinzelte. Wer konnte noch an Belege für Bootsreparaturen denken, wenn ein Mann wie dieser vor einem stand?

Vergeblich versuchte sie, ruhig zu atmen. Je länger sie den Fremden betrachtete, desto schwindeliger wurde ihr. Und da sie nicht vor ihm umfallen wollte, stützte sie vorsichtig die Knie auf den Boden. So konnte sie besser das Gleichgewicht halten. Hätte sie bloß nicht das Frühstück ausfallen lassen! Der niedrige Blutzuckerspiegel tat ein Übriges.

Der geheimnisvolle Fremde hatte nicht nur einen faszinierenden Akzent, sondern auch ein überwältigend attraktives Gesicht und einen tollen Körper. Ein derart perfektes Beispiel für männliche Schönheit hatte sie schon so lange nicht mehr gesehen, dass sie unwillkürlich seufzte. Soweit sie es beurteilen konnte, beeinträchtigte nur sein etwas zu kurzes Haar seine perfekte Erscheinung. Doch es war dunkel und schimmerte verführerisch, und sie stellte sich vor, wie es wäre, die Hände hindurchgleiten zu lassen …

Kate riss sich zusammen. „Hallo.“ Ihre Stimme klang ganz normal. Sie schaffte es sogar zu lächeln.

„Hallo“, sagte er wieder, diesmal leicht erstaunt. Dann lächelte er ebenfalls. Er hatte feste, aber sinnliche Lippen.

Plötzlich war ihr nicht mehr schwindelig, und es kam ihr vor, als hätte der Blitz sie getroffen. Es erschien ihr richtig und falsch zugleich. Es ergab einfach keinen Sinn, und sie fragte sich, ob der Fremde genauso empfand.

Eine verzehrende Sehnsucht, die sie nicht unterdrücken konnte, flammte in ihr auf. Kate zwang sich aufzustehen. „Tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen.“

Sie blickte auf die Uhr an der Wand hinter ihr. Es war erst elf, also hatte sie noch genug Zeit, alle Belege zusammenzusuchen und zu ihrem Buchhalter zu fahren.

„Ist alles in Ordnung?“, hakte der Fremde nach.

Jetzt schon , hätte sie beinah gesagt, beherrschte sich allerdings gerade noch rechtzeitig.

Sie war alleinerziehende Mutter mit einem Kind. Sie gab sich keinen verrückten Fantasien mehr hin.

Jetzt nicht mehr.

Der Tourist hatte dunkle Augen, die nun einen besorgten Ausdruck angenommen hatten.

„Ja, es geht mir gut. Entschuldigung. Ich war nur mit meinen Gedanken woanders.“ Bei ihm. Aber das durfte er nicht wissen.

Kate pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und riss sich erneut zusammen. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie sich zu lange in ihrer Arbeit vergraben hatte und wieder mehr unter Menschen gehen musste. „Ich habe nur einen schlechten Tag, wissen Sie?“

„Ja.“ Er nickte kurz. „Das kann ich gut nachvollziehen – besonders heute.“

Als ihre Blicke sich trafen, herrschte einen Moment lang stillschweigendes Einverständnis zwischen ihnen. In ihrem schwach erleuchteten Büro konnte sie nicht ausmachen, ob seine Augen braun oder dunkelgrau waren. Jedenfalls wirkten sie ehrlich und machten ihn ihr sympathisch.

Plötzlich hellte ihre Stimmung sich auf. „Was kann ich für Sie tun?“ Kate zog das Reservierungsbuch auf dem Tresen zu sich heran.

Als er wieder lächelte, bekam sie weiche Knie. Bestimmt sah sie scheußlich aus! Trotzdem widerstand sie dem Drang, sich durchs Haar zu fahren und ihren Rock glatt zu streichen.

Der Fremde hingegen trug einen perfekt sitzenden anthrazitfarbenen Anzug und teure Schuhe.

„Ich möchte Ihre Chefin Kate Petherbridge sprechen.“

Erneut blinzelte sie.

„Ich war um neun schon einmal hier.“ Er deutete auf die Glastür, auf der noch die alten Öffnungszeiten des Vorbesitzers standen. Bisher war sie noch nicht dazu gekommen, diese zu ändern. „Aber es war niemand da – ziemlich unprofessionell.“

Da sie dieses Büro erst vor zwei Tagen bezogen hatte, wartete noch eine Menge Arbeit auf sie. Unwillkürlich ließ sie die Schultern sinken. Als der Fremde lächelte, bekam sie wieder weiche Knie.

„Aber wenn Sie einen schlechten Tag haben …“, er zuckte die Schultern, „… kann man nichts machen.“

Dann betrachtete er die Gegenstände, die sie auf dem Schreibtisch ausgebreitet hatte. Der Riemen ihrer besten Umhängetasche war gerissen, als sie auf Archie zulief, um ihm die Passagierliste zu überreichen, und nur durch ihre schnelle Reaktion hatte sie verhindert, dass die Tasche samt Inhalt auf den Meeresboden sank. Die beiden Scheckkarten, ihr Führerschein und die Krankenkassenkarte hatte sie nur abtrocknen müssen, doch ihr Adressbuch, die Geldscheine und die Fotos mussten noch trocknen. Der Schnappschuss von Danny und Felice, bevor diese in die Flitterwochen aufgebrochen waren, war völlig aufgeweicht.

„Meine Tasche ist ins Wasser gefallen.“

Wider Erwarten lachte der Fremde nicht, sondern nickte nur verständnisvoll.

„Davor hatte ich Moby, den Goldfisch, beerdigt.“ So hatte der Tag angefangen.

„Tut mir leid.“

„Danke.“

Der Mann hob die Hand. „Und ich habe heute Morgen mit meinem Mietwagen ein Känguru angefahren.“

Obwohl seine Worte sie zusammenzucken ließen, kam Kate zu dem Ergebnis, dass dieser Fremde nur Gutes bringen konnte. „Wie schnell sind Sie denn gefahren?“

„Achtzig.“

Wieder zuckte sie zusammen. Das arme Tier hatte den Zusammenprall sicher nicht überlebt.

Dann beugte er sich unvermittelt vor und streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Simon Morton-Blake.“

Lächelnd schüttelten sie sich die Hand. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich heiße …“ Erst dann begriff Kate und wurde sofort ernst. „Wie war noch Ihr Name?“

„Morton-Blake. Simon.“ Argwöhnisch kniff er die Augen zusammen. „Warum? Kennen Sie ihn?“

Natürlich tat sie das, doch Felice hatte nie von ihrer Familie gesprochen.

„Offiziell heiße ich Simon Morton-Blake, der siebte Lord Holm.“ Selbstverächtlich verzog er die Lippen. „Aber das sagt Ihnen sicher nichts.“

Entgeistert betrachtete Kate ihn. „Sie sind ein echter Lord?“

„Ja. Beeindruckt Sie das?“ Ironisch zog er eine Braue hoch. „Ich glaube, in Australien macht ein Titel nicht viel her.“

„Nein, eher nicht, aber … haben Sie auch ein eigenes Schloss?“ Sie konnte sich ihn gut als Schlossherrn vorstellen. In einem Kilt.

Sei nicht albern, ermahnte sie sich dann. Er ist Engländer, kein Schotte.

„Zu meinem Anwesen gehören ein Herrenhaus aus dem fünfzehnten Jahrhundert und eine Schafherde, aber kein Schloss.“ Simon verzog das Gesicht. „Und, bin ich jetzt in Ihrem Ansehen gesunken?“

Kate lachte. Obwohl er Morton-Blake hieß und mit Felice verwandt sein musste. Obwohl Felice nie von ihrer Familie gesprochen, geschweige denn erwähnt hatte, dass sie adlige Verwandte hatte.

Er musste ein entfernter Cousin oder so etwas Ähnliches sein. Vielleicht hatte Felice ihm eine Postkarte geschickt und von der Schönheit von Port Stephens und ihrem Job bei ihr geschwärmt.

Aber warum hatte Felice Danny und sie in dem Glauben gelassen, dass sie keine Familie hatte?

„Und Sie sind?“

Seine Worte rissen Kate aus ihren Gedanken. „Oh, entschuldigen Sie.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin Kate Petherbridge.“

Prompt verfinsterte sich seine Miene, während er die Hände auf den Tresen stützte und sich zu ihr herüberbeugte. Nun sah Kate, dass seine Augen dunkelgrau waren.

„Dann können Sie mir vielleicht sagen, wo meine Schwester steckt?“

Langsam sank sie auf den Stuhl. „Felice … ist Ihre Schwester?“

„Allerdings!“, rief Simon. „Und ich möchte wissen, ob es ihr gut geht.“

„Natürlich tut es das“, erwiderte sie betont geschäftsmäßig. „Es geht ihr sogar großartig.“

Daraufhin schloss er die Augen, strich sich übers Gesicht und sank auf den Hocker vor dem Tresen. „Gott sei Dank!“

Er ließ die breiten Schultern sinken, und erst in diesem Moment wurde ihr klar, wie sehr er sich die ganze Zeit zusammengerissen hatte. Sie wusste, wie es war, wenn man sich um Geschwister sorgte.

„Dass Felice Familie hat, ist mir neu.“ Tatsächlich hatte Felice sie in dem Glauben gelassen, überhaupt keine Verwandten zu haben. Wenn Simon ein Lord war, welchen Titel trug sie dann?

Und wusste Danny davon?

Simon kniff die Augen zusammen. „Das Spielchen spielt sie also. Trotzdem bin ich ihr Bruder. Zweifeln Sie etwa an meiner Glaubwürdigkeit?“

Am liebsten hätte sie die Lider geschlossen und sich dem Klang seiner Stimme hingegeben. Doch sie riss sich zusammen und straffte sich. „Haben Sie denn Beweise?“

Erneut beugte er sich zu ihr herüber. „Sie glauben mir also nicht?“

„Die Sicherheit meiner Angestellten liegt mir sehr am Herzen, Mr. Blake.“ Allerdings gehörte Felice jetzt nicht mehr zu ihrer Belegschaft, sondern zur Familie. „Ich kenne Sie überhaupt nicht und habe nur Ihr Wort. Vielleicht sind Sie ein Stalker.“

Nun lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme. „Und wenn ja? Was würden Sie dann machen?“

„Ich habe einen schwarzen Gürtel in Judo.“ Das entsprach den Tatsachen. „Und eine Harpune in der Schublade.“ Das war gelogen. „Also sehen Sie sich vor!“

Die Schreibtischschublade!

Schnell riss Kate sie auf. Da lag der Ordner mit all den Belegen, die ihr Buchhalter brauchte, damit sie keinen Ärger mit dem Finanzamt bekam. Sie konnte sich nicht entsinnen, ihn dort hineingetan zu haben. Erleichtert nahm sie ihn heraus und küsste ihn.

Simon hatte sich zurückgezogen, als würde sie tatsächlich eine Harpune zücken. Nun zuckten seine Mundwinkel.

„Mein Tag sieht jetzt viel besser aus“, gestand sie.

„Das freut mich.“

Als er seine Brieftasche aus dem Jackett nahm und darin zu suchen begann, nutzte Kate die Gelegenheit, um ihn zu betrachten. Simon Morton-Blake mochte ein Lord sein, aber er sah nicht so aus, als würde er die meiste Zeit am Schreibtisch verbringen. Er war zwar nicht gebräunt – schließlich wurde es in seiner Heimat gerade erst Frühling –, doch er wirkte wie jemand, der viel Zeit in der Natur verbrachte.

Außerdem hatte er gesagt, er würde Schafe besitzen.

Nun hielt er ihr eine Karte hin. „Hier, mein Führerschein.“

Sein Name war darauf gedruckt.

„Und das ist ein Foto von mir und meiner Schwester.“

Kate nahm es entgegen. Es zeigte ihn, ein älteres Ehepaar und Felice, die sie kaum wiedererkannte, weil sie so steif wirkte. Sie und Simon ähnelten einander nicht, aber dem älteren Paar – ihren Eltern?

„Das sind unsere Eltern“, erklärte er, als hätte er ihre Gedanken erahnt. „Und nein, sie leben nicht mehr.“

Wenigstens in dem Punkt hatte Felice also nicht gelogen.

Kate gab ihm beides zurück. „Das tut mir leid.“ Als er schwieg, fügte sie hinzu: „Haben Sie noch mehr Geschwister?“

„Nein.“

Somit war Felice seine einzige nahe Verwandte. Das erklärte seine Besorgnis.

„Darf ich Simon zu Ihnen sagen?“

Wieder lächelte er. „Gern.“

Noch immer hatte sie weiche Knie, obwohl sie saß. „Warum haben Sie sich solche Sorgen um Felice gemacht, Simon?“

„Weil ich seit zwei Monaten nichts mehr von ihr gehört habe.“ Er strich sich durchs Haar. „Und ihr Handy funktioniert nicht.“

„Es ist auch ins Wasser gefallen“, sagte sie vorsichtig. „Berufsrisiko, schätze ich.“ Betont lässig zuckte sie die Schultern, doch ihre Gedanken überschlugen sich. Warum hatte Felice sich nicht bei ihm gemeldet? Warum hatte sie ihm nicht von ihrer Heirat mit Danny erzählt?

Und was soll ich jetzt tun?

Bisher wusste sie zwar als Einzige von der Heirat, weil die beiden erst ihre Flitterwochen verleben wollten, ehe sie darüber sprachen, aber Felice hätte wenigstens ihren Bruder darüber informieren können.

„Wenn … wenn Sie wussten, dass Ihre Schwester für mich arbeitet, warum haben Sie mich dann nicht angerufen oder mir eine E-Mail geschickt?“

Simon hob das Kinn. Seine grauen Augen funkelten. „Ich wollte mich selbst vergewissern, dass es ihr gut geht und sie nicht in Schwierigkeiten steckt.“

In Schwierigkeiten? Felice war zweiundzwanzig – alt genug, um selbst über ihr Leben zu bestimmen.

„Sie steckt nicht in Schwierigkeiten.“

Er ging nicht darauf ein. „Wann kann ich sie sehen?“

Plötzlich hatte Kate das Gefühl, dass ihr Büro immer kleiner wurde. Unwillkürlich betrachtete sie seine Lippen. Obwohl er sie zusammengepresst hatte, stellte sie sich vor, wie es wäre, sie auf ihren zu spüren und …

Sie brauchte unbedingt frische Luft und etwas zu essen. „Kommen Sie.“ Schnell stand sie auf und ging zur Tür.

Simon folgte ihr, verließ ebenfalls das Büro und beobachtete, wie sie abschloss. „Bringen Sie mich jetzt zu ihr?“

„Wir trinken jetzt erst einen Kaffee.“

„Ich will keinen Kaffee!“

Nun, da er neben ihr stand, stieg ihr der würzige Duft seines Aftershaves in die Nase, der sie an Wälder, Moos und Wiesen erinnerte. „Ich aber.“

Nachdem er sie einige Sekunden lang angefunkelt hatte, lächelte er. „Sie kennen mich doch überhaupt nicht.“

Fassungslos über seinen plötzlichen Stimmungswechsel, musste sie sein Lächeln erwidern. „Stimmt.“

Und trotzdem schien es ihr, als würde sie ihn schon ewig kennen, was natürlich Unsinn war und nichts Gutes verhieß. Allerdings schreckte es sie nicht ab.

Ihr Büro lag in einer kleinen Einkaufspassage, und sie führte Simon an den kleinen Geschäften vorbei nach draußen in die strahlende Februarsonne und nach rechts zu Kellys Café.

„Was möchten Sie? Einen Flat White, Cappuccino oder Espresso?“, erkundigte sie sich.

„Egal.“

Als sie sah, wie er den Blick über die Bucht schweifen ließ, musste sie ein Lächeln unterdrücken. An einem Tag wie diesem, an dem das Wasser in der Sonne glitzerte, die Segel der Jachten im Wind flatterten und der goldgelbe Sand einen reizvollen Kontrast zum strahlend blauen Himmel bildeten, wirkte die Bucht einfach atemberaubend. Das Kreischen der Möwen und der leichte Salzgeruch des Meeres taten ein Übriges, um die Touristen und Einheimischen zu verzaubern.

Und den siebten Lord Holm.

„Möchten Sie etwas essen? Einen Muffin vielleicht?“ Bei der Vorstellung an Kellys Schokoladenmuffins merkte Kate, wie hungrig sie war.

„Nein, danke.“ Noch immer blickte er aufs Meer.

Wenn er nichts aß, verzichtete sie lieber auch. Mit schokoladenverschmiertem Mund würde sie nicht den Eindruck erwecken, den sie anstrebte.

„Zwei Flat White bitte“, bestellte sie den typisch australischen Cappuccino bei Kelly, die in der Nähe wartete.

„Und, hast du dich in deinem Büro schon eingerichtet, Schätzchen?“

„Es ist ein heilloses Durcheinander.“ In ihrer Rocktasche suchte Kate nach Kleingeld. „Ich glaube nicht, dass ich da etwas wiederfinde.“

„Und wenn sie es tut“, mischte Simon sich ein, während er zum Tresen ging, um Kelly einen Zwanzigdollarschein zu geben, „dann küsst sie es vor Dankbarkeit.“ Er zwinkerte Kate zu. „So ein Verhalten kann eine seltsame Wirkung auf einen Mann ausüben. Sie muss besser aufpassen.“

Als Kelly lachte, stimmte Kate ein. „Hätte ich gewusst, dass die Sonne sich so positiv auf Ihre Stimmung auswirkt, hätte ich Sie schon vor zehn Minuten hierher gebracht.“ Als sie sich dann vorstellte, wie es wäre, Simon zu küssen – und zwar viel leidenschaftlicher als den Ordner –, wurde ihr heiß.

„Das ist Felices Bruder Simon“, stellte sie ihn schnell Kelly vor.

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Neugierig betrachtete diese ihn. „Felice war diesen Sommer die Attraktion hier.“ Dann zwinkerte sie Kate zu. „Lässt du ihn auch auf deinem Boot arbeiten?“

Kate legte den Kopf zur Seite und tat so, als würde sie überlegen. „Na ja, er hat ziemlich kräftige Arme. Bestimmt kann er ein Boot ruhig halten.“

„Sicher kann er noch mehr als das, Schätzchen.“

Simon lachte wieder.

Nun ging ihre Fantasie noch mehr mit ihr durch. Wie sollte sie sich bloß aus der Affäre ziehen?

Kelly erbarmte sich ihrer. „Sucht euch einen Tisch. Ich bringe euch gleich den Kaffee.“

„Danke, Kelly.“

Kate suchte einen Tisch draußen im Schatten aus, von dem man einen fantastischen Blick über die Bucht hatte, doch ihr war immer noch heiß. Angestrengt versuchte sie, sich an ihr letztes Rendezvous zu erinnern.

Allerdings war das hier kein Rendezvous.

„Stehen Felice und Sie sich sehr nahe?“

Simon wurde ernst. „Ja, natürlich.“

Doch sie hatte sein Zögern bemerkt. Forschend betrachtete sie ihn. „Möchten Sie darüber reden?“

Sofort versteinerte seine Miene. „Da gibt es nichts zu erzählen.“

„Verstehen Sie mich nicht falsch, aber … Felice ist zweiundzwanzig. Sie hingegen sehen nicht so aus …“

Die Andeutung eines Lächelns trat in seine grauen Augen. „Ich bin zehn Jahre älter.“

Als Kelly ihnen dann den Kaffee brachte, bedankte Kate sich und beobachtete, wie er sie anlächelte. Offenbar war er ein netter Mensch.

„Das ist ein großer Altersunterschied“, meinte sie.

„Stimmt.“

Gedankenverloren trank er einen Schluck und danach noch einen, und sie fragte sich, ob er den Geschmack überhaupt wahrnahm. Kelly kochte den besten Kaffee in der ganzen Bucht, doch er war offenbar nicht in der Stimmung, diesen zu würdigen.

„Felice war schon immer leichtsinnig und verantwortungslos.“ Nun betrachtete er Kate forschend. „Was hat Kelly gemeint, als sie sagte, Felice wäre diesen Sommer die Attraktion hier gewesen?“

„Dass sie bei allen sehr beliebt war.“

Grimmig verzog er die Lippen. „Genau das hatte ich befürchtet.“

Am liebsten hätte sie ihn nach dem Grund dafür gefragt, doch sie beherrschte sich. Unter dem Tisch wählte sie auf ihrem Handy Felices Mobilnummer und hielt es dann ans Ohr. „Als sie für mich gearbeitet hat, war ich sehr zufrieden mit ihr.“ Sie schlug die Beine übereinander und wartete.

Beinah hätte er seinen Becher fallen lassen. „Sie rufen Felice an?“

„Hallo, ich bin’s“, sagte Kate, sobald Felice sich meldete.

„Hallo. Was gibt’s?“

„Tut mir leid, dass ich dich in …“ Kate warf Simon einen Blick zu. „Im Urlaub störe, aber du kommst nie darauf, wer hier ist. Der siebte Lord Holm sitzt mir gerade gegenüber.“

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung verstärkte ihr Unbehagen. „Felice?“

„Simon? Simon ist bei dir?“

„Ja.“

„Was hast du ihm erzählt?“

Felices Stimme klang so schrill, dass Kate überlegte, ob Simon es wohl hörte. Da er sich nun vorbeugte, als wollte er ihr das Telefon entreißen, rückte sie ein Stück von ihm ab. „Nichts. Warum?“

„Das verstehst du nicht!“

„Offensichtlich nicht.“

Verblüfft blickte er sie an, als könnte er nicht fassen, dass sie tatsächlich mit seiner kleinen Schwester telefonierte. Als hätte er sie vor Dankbarkeit am liebsten in den Arm genommen und geküsst. Hatte er denn geglaubt, sie würde ihn im Ungewissen lassen?

„Er wird alles kaputtmachen!“

Aus irgendeinem Grund konnte sie das nicht glauben.

„Bitte, bitte, bitte, Kate. Versprich mir, ihm nicht zu sagen, wo ich bin.“

„Das kann ich wohl kaum.“

„Du darfst ihm nicht sagen, dass ich Danny geheiratet habe!“

Kate biss sich auf die Lippe. Als sie Simon anblickte und das Verlangen bemerkte, das in seinen Augen aufflammte, wurde sie von Hitzewellen durchflutet und sah die erotischsten Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchen.

Hör auf damit, ermahnte sie sich. Er war ein Tourist, und sie ließ sich grundsätzlich nicht mit Touristen ein.

„Kate, versprich mir, ihm nicht zu sagen, dass ich verheiratet bin!“

„Ich … hatte gehofft, du tust es.“ Schließlich wollte sie nicht diejenige sein, die Simon eröffnete, dass seine Schwester mit einem Mann durchgebrannt war.

„Das werde ich auch. Ich schwöre es. Sobald wir zurückkommen.“

In vierzehn Tagen!

„Ich sehe ihn vor mir“, fuhr Felice spöttisch fort. „Mit missbilligender Miene sitzt er da, trommelt mit den Fingern auf den Tisch und wartet nur darauf, zu erfahren, dass ich eine Dummheit gemacht habe.“

Unbehaglich fragte Kate. „Hast du das denn?“

„Da hast du es!“, rief Felice schrill. „Er hat dich schon bearbeitet.“

Kate schlug einen autoritären Tonfall an. „Beantworte ganz einfach meine Frage, Felice.“

„Verdammt! Ihr beide passt gut zusammen, weißt du das?“

Kate lächelte Simon an, aber er blieb ernst. „Sie hat gerade gesagt, wir beide würden gut zusammenpassen.“

Daraufhin lächelte er doch.

„Er ist wirklich bei dir, stimmt’s?“, hakte Felice nach.

„Ja.“

„Ich habe keinen Fehler gemacht, Kate.“

Kate blinzelte und wandte den Blick von Simon ab, weil dieser sie zu sehr aus der Fassung brachte.

„Ich liebe Danny“, fuhr Felice ernst fort. „Ihn zu heiraten war das Beste, was ich je getan habe.“

„Schon gut“, beschwichtigte Kate sie. „Aber kannst du mir wenigstens einen Gefallen tun? Rede mit ihm, und sag ihm, dass es dir gut geht, ja?“

„Ich will nicht mit ihm sprechen.“

Noch nie hatte Felice so stur geklungen. „Bitte, Felice.“ Unwillkürlich hielt Kate den Atem an.

„Er bringt mich bestimmt dazu, einfach aufzulegen.“

Langsam atmete Kate aus. „Trotzdem …“

„Versprichst du mir, mich noch einmal anzurufen, wenn du allein bist?“

Kate unterdrückte ein Seufzen. „Abgemacht.“ Dann reichte sie Simon das Telefon. „Seien Sie nett zu ihr.“

Er hielt es sich ans Ohr.

„Felice? Gott sei Dank! Geht es dir gut?“ Nachdem er einen Moment zugehört hatte, verfinsterte sich seine Miene. „Worauf willst du hinaus, verdammt? Ich …“

Er verstummte und hielt das Telefon vom Ohr weg. Am liebsten hätte Kate ihn darauf hingewiesen, dass er sich keine besonders große Mühe gab, nett zu sein.

Schließlich setzte er das Gespräch fort. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!“ Einen Moment lang presste er die Lippen zusammen. „Also, raus mit der Sprache. Was hast du diesmal angestellt?“

Plötzlich tat Felice ihr leid – Felice, die so lebenslustig war … und so viel Liebe geben konnte.

„Was soll das heißen, es geht mich nichts an?“

Kate trank einen Schluck Kaffee und beobachtete Simon dabei. Er übertrieb wirklich in seiner Rolle als großer Bruder, der seine kleine Schwester beschützte. Habe ich Danny auch so mit meiner Fürsorge erstickt? Fragte sie sich unwillkürlich.

Allerdings betrug der Altersunterschied zwischen ihnen nur fünf Jahre. Zehn Jahre waren viel.

Nun ballte Simon die freie Hand zur Faust. „Natürlich geht es mich etwas an. Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können.“ Er hieb auf den Tisch. „Das ist Unsinn, und das weißt du auch. Ich …“

Er nahm das Telefon vom Ohr weg, um es zu betrachten. Dann hielt er es sich wieder ans Ohr. „Hallo?“ Er drehte sich zu Kate um. „Sie hat aufgelegt.“

„Kein Wunder!“ Sie nahm es ihm ab. „Hatte ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen nett zu ihr sein?“

Resigniert lehnte er sich zurück. „Wo ist sie? Ich reise erst ab, wenn ich sie wenigstens einmal gesehen habe.“

„Sie können mir nicht weismachen, dass Sie sie nur einmal aus der Ferne sehen wollen. Sie wollen ihr für irgendein vermeintliches Fehlverhalten die Leviten lesen. Meine Güte, sie ist zweiundzwanzig – alt genug, um selbst über ihr Leben zu bestimmen!“

„Sie kennen sie doch gar nicht.“ In einem Zug leerte er seinen Becher.

„O doch. Sie hat die letzten drei Monate unter meinem Dach gewohnt und für mich gearbeitet.“

Simon runzelte die Stirn. „Aber Sie kennen sie nicht so gut wie ich.“

„Nein. Doch Sie müssen aufhören, sie wie eine Zwölfjährige zu behandeln, sonst stellt sie eines Tages wirklich noch etwas an.“

Abrupt sah er auf. „Was denn zum Beispiel?“

„Ach, was weiß ich? Vielleicht gerät sie in falsche Kreise und nimmt Drogen – nur um Ihnen zu beweisen, dass sie erwachsen ist.“ Als sie den Ausdruck von Panik bemerkte, der über sein Gesicht huschte, fuhr sie schnell fort: „Keine Angst. Bisher hat sie in meiner Gegenwart höchstens ein Glas Wein getrunken. Wenn Sie sie allerdings unter Druck setzen, zieht sie sich womöglich zurück. Und wenn sie Sie dann eines Tages tatsächlich brauchen sollte, wendet sie sich bestimmt nicht an Sie.“

Müde strich er sich übers Gesicht. „Sie sprechen aus Erfahrung, stimmt’s?“

Kate strich mit dem Finger über den Rand ihres Bechers. „Mein Vater ist vor acht Jahren gestorben. Ich war damals zwanzig, mein Bruder Danny fünfzehn.“

„Und Ihre Mutter?“

„Sie hat uns verlassen, als ich sechs war.“

„Dann haben Sie Ihren Bruder großgezogen.“

„Danny und ich haben uns immer gut verstanden, aber er ist nur fünf Jahre jünger als ich. Vielleicht ist es mir leichter gefallen, zu akzeptieren, dass er erwachsen und für sich selbst verantwortlich ist.“

„Außerdem ist er ein Mann, und Männer können gut auf sich selbst aufpassen.“

„Ah, da spricht der Macho!“

Simon zuckte die Schultern und beugte sich dann vor. „Wissen Sie, wie viel Felice wert ist? Wie viel sie erbt, wenn sie fünfundzwanzig wird?“

Er nannte ihr eine Summe, die sie schlucken ließ. „Was?“

Erneut lehnte er sich zurück. „Jetzt verstehen Sie vielleicht, warum ich mir Sorgen um sie mache.“ Grimmig presste er die Lippen zusammen. „Ich werde nicht zulassen, dass sie einen Mann heiratet, der es nur auf ihr Geld abgesehen hat.“

Plötzlich begriff sie, warum Felice ihnen nicht von ihrer Familie erzählt hatte. Hoffentlich wusste Felice, dass Danny und sie sie um ihrer selbst willen liebten!

Gleichzeitig kam ihr ein anderer Gedanke. Wie würde Simon reagieren, wenn er von Felices Heirat mit Danny erfuhr?

Fast hätte Kate laut gestöhnt, doch sie riss sich zusammen, denn er betrachtete sie forschend.

„Wo ist sie?“

Bevor sie antwortete, nahm sie ihren Becher und trank ihn ebenfalls aus. „Ich weiß es nicht.“ Sie stellte ihn wieder auf den Tisch.

„Ich glaube Ihnen nicht.“

„Das lässt sich nicht ändern. Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen.“

Erneut presste er kurz die Lippen zusammen. „Das wär’s dann also, stimmt’s?“

„Ich fürchte ja. Tut mir leid, Simon, aber Ihre Schwester ist volljährig und kann selbst über ihr Leben bestimmen.“

Daraufhin verschränkte er die Arme und machte ein finsteres Gesicht.

Sie hatte den charmanten Fremden mit dem verführerischen Akzent gemocht und für den großen Bruder mit den grauen Augen, der sich um seine Schwester sorgte, Mitgefühl empfunden … Dieser abweisende Mann weckte jedoch Unbehagen in ihr. Sie fragte sich, welches Gesicht er Felice normalerweise zeigte.

Als sie sich deren panischen Tonfall ins Gedächtnis rief, kannte sie die Antwort.

Im nächsten Moment wurde ihr allerdings klar, dass er damit nur seine Angst überspielte. Ganz offensichtlich hatte er sich in den vergangenen Monaten große Sorgen um seine Schwester gemacht. Und statt ihr zu sagen, dass er sie liebte und froh sei, dass es ihr gut ging, hatte er ihr nur Vorwürfe gemacht …

Als hätte er damit gerechnet, zurückgewiesen zu werden.

Was mochte zwischen den beiden vorgefallen sein?

„Und was jetzt?“, erkundigte Simon sich schließlich. „Was macht sie überhaupt?“

„Sie reist mit dem Rucksack durch die Weltgeschichte. In vierzehn Tagen ist sie wieder zu Hause.“

„Zu Hause?“, wiederholte er scharf. „Ihr Zuhause ist in England!“

„In vierzehn Tagen ist sie wieder da.“

Sie mochte Felice sehr und hatte ihr versprochen, Simon nichts zu erzählen. Dennoch fühlte sie mit ihm, denn sie wusste, wie es war, wenn man sich Sorgen um jüngere Geschwister machte. Oder um ein Kind.

Und er hielt seine Schwester offenbar für ein Kind.

„Was soll ich bis dahin machen?“, hakte er nach.

„Sie könnten nach England zurückkehren“, schlug Kate vor. „Ich sage Felice, dass Sie sich gleich bei Ihnen melden soll, wenn sie kommt.“

Entschlossen schüttelte er den Kopf. „Ich reise erst ab, wenn ich sie gesehen habe.“

Gut. Instinktiv wusste sie, dass er bleiben musste, wenn er sich mit Felice versöhnen wollte.

„Na, dann …“ Kate machte eine weitschweifende Geste. „Sie befinden sich mitten in einem Touristenmekka.“ Immerhin war er in Nelson Bay, einem der größten Orte von Port Stevens, drei Autostunden nördlich von Sydney und für sie einer der schönsten Orte der Welt. „Wenn Sie hier bleiben wollen, machen Sie doch einfach Urlaub.“

„Urlaub? Für so etwas habe ich keine Zeit!“ Seine Haltung verriet seine enorme Anspannung.

„Und warum nicht?“ Ihrer Meinung nach brauchte Simon ganz dringend eine Auszeit.

„Ich muss mich um mein Anwesen kümmern. Ich …“

„Ist das etwa wichtiger, als hier auf Felice zu warten?“

„Nein.“

Das war die richtige Antwort. Und er hatte nicht einmal gezögert! Als Kate lächelte, kniff er argwöhnisch die Augen zusammen, doch sie ignorierte es. „Können Sie überhaupt nicht mehr abschalten? Ich wette, Ihr Leben besteht nur aus Arbeiten und Schlafen.“

Und aus der Sorge um Felice. Sie kannte Männer wie ihn. Auch ihr Vater hatte sich in Arbeit vergraben. Hätte er nur genauso viel Energie darauf verwandt, ihre Mutter, seine große Liebe, zurückzugewinnen, wäre er vielleicht glücklich gewesen.

„Ich …“
 „Sie müssen unbedingt mal die Seele baumeln lassen, Simon. Bleiben Sie stehen, und nehmen Sie den Duft der Rosen wahr. Haben Sie welche in Ihrem Garten? Nelson Bay ist nicht für Rosen berühmt, aber für Salz. Und Kokosöl.“

Simon sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Ich soll stehen bleiben und den Duft von … Kokosöl einatmen?“

„Genau. Jeder sollte das tun.“

Vielleicht war sie tatsächlich verrückt geworden, doch sie wollte Simon zum Lachen bringen – genauso wie Jesse, wenn er traurig aus der Schule kam.

„Na los, kommen Sie!“ Sie stand auf. „Sie müssen den Sand zwischen den Zehen spüren.“

2. KAPITEL

„Was soll ich?“

Simon stand ebenfalls auf, wirkte allerdings etwas unentschlossen. Doch wenn er wieder ein gutes Verhältnis zu Felice aufbauen wollte, musste er unbedingt lockerer werden.

Kate zwinkerte ihm zu. „Zuerst sollten Sie den Anzug loswerden.“ Als er sie entgeistert ansah, beschleunigte sich ihr Puls. Schnell hakte sie sich bei ihm unter, um ihn zu einem Geschäft zu führen. Er war viel zu höflich – oder zu verblüfft –, um sich zu widersetzen.

„Oh, Schlussverkauf, wir haben Glück.“ Sie nahm eine Badeshorts von dem Kleiderständer vor der Boutique und hielt sie hoch. „Die müsste Ihnen passen.“

„So etwas ziehe ich nicht an!“

Die Hose war weiß und pinkfarben gestreift. „Schade.“ Kate hängte sie weg und nahm eine andere, rotgelb gemusterte. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, schüttelte sie den Kopf. „Also nicht.“ Dann entdeckte sie das passende Modell. „Hier! Die ist perfekt!“ Triumphierend zeigte sie sie ihm.

„Das ist der Union Jack“, meinte er ausdruckslos.

„Stimmt. Genau das Richtige für einen englischen Lord.“

Daraufhin umfasste er ihre Schultern und funkelte sie an. Die ungezügelte Kraft, die sein Griff verriet, übertrug sich auf sie, und einen Augenblick lang glaubte Kate, Simon würde sie küssen.

Falls er es tat, würde sie ihm bestimmt nicht widerstehen können.

Das war kein gutes Omen.

„Können Sie den Lord einfach vergessen und mich Simon nennen?“, stieß er hervor.

Sie schluckte und nickte dann. „Ja.“

Er nickte, als hätte er nicht damit gerechnet, dass sie sich so schnell geschlagen geben würde. Aus irgendeinem Grund fand sie das sehr traurig. „Tut mir leid. Hätte ich geahnt, dass Sie so dazu stehen, hätte ich Sie nicht damit aufgezogen.“

Einen Moment lang wirkte er richtig verloren, und sie hätte ihn am liebsten umarmt.

„Schon gut“, sagte er heiser.

Dann ließ er den Blick zu ihrem Mund schweifen. Seine Augen wirkten plötzlich viel dunkler.

Während er seinen Griff lockerte, betrachtete er unverwandt ihre Lippen, die nun zu prickeln begannen. Am liebsten hätte sie sie geöffnet.

Kate konnte sich nicht entsinnen, wann ein Mann sie das letzte Mal mit derart unverhohlenem Verlangen angesehen oder dasselbe Verlangen in ihr geweckt hatte. Sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie sich das letzte Mal hatte fallen lassen.

Sie durfte sich nicht fallen lassen.

Andererseits …

Aber Simon würde bald wieder aus ihrem Leben verschwinden.

„Simon?“, sagte sie im selben Moment, als er sie losließ und einen Schritt zurückwich. Dann hielt sie die Badeshorts hoch. „Das ist also ein Nein, oder?“

Er räusperte sich. „Ein ganz energisches sogar.“

„Und?“ Sie deutete auf den Kleiderständer.

Flüchtig ließ er den Blick darüber schweifen und griff schließlich zu einem blauen Modell. „Das ist gut.“ Dann erschrak er.

Kate lachte, als sie den aufgedruckten Strand mit den Palmen und Hulamädchen bemerkte. „Nur Mut!“

Herausfordernd funkelte Simon sie an, während er sich durch das zu kurze Haar strich. „Ich schätze, Sie wollen auf etwas Bestimmtes hinaus?“

„Richtig.“

„Würden Sie mich bitte aufklären?“

„Das hängt davon ab, wie sehr Sie sich engagieren.“

„Wofür?“

„Wenn Sie die Frage heute Abend beantworten können, kläre ich Sie ganz bestimmt auf.“

Verblüfft blickte er sie an, woraufhin sie die Hände in die Hüften stemmte.

„Haben Sie heute schon etwas vor, Simon?“

„Nein, aber …“

„Dann lassen Sie sich einfach treiben.“

„Treiben?“

Schnell ging sie zum nächsten Kleiderständer, an dem T-Shirts hingen. „Bevorzugen Sie bestimmte Farben?“, fragte sie über die Schulter. „Und tragen Sie lieber enge oder weite T-Shirts?“

Erneut betrachtete er sie, als hätte sie den Verstand verloren.

Kate neigte den Kopf zur Seite und tat so, als würde sie Simon betrachten. „Enge T-Shirts stehen Ihnen bestimmt gut, aber weite sind natürlich bequemer.“

Und schließlich lächelte er.

Am liebsten hätte sie vor Freude geschrien, doch sie erwiderte sein Lächeln nur.

„Sind Sie eigentlich immer so?“

„Wie denn?“ Kurzerhand reichte sie ihm ein blaugraues Modell, das zu seiner Augenfarbe passte.

„Unverbesserlich.“

„Wer, ich?“, konterte sie gespielt überrascht, bevor sie ihn in das Geschäft schob. „Die Umkleidekabinen sind dahinten. Wenn die Sachen passen, behalten Sie sie gleich an. Der Verkäufer kann Ihren Anzug in eine Tüte tun.“

„Ich …“

„Und Sie brauchen noch Flipflops.“

Entsetzt blickte er sie an. Schnell deutete sie auf eine Reihe mit Badelatschen, bevor sie sich abwandte und das Geschäft verließ. Dann nahm sie ihr Handy aus der Tasche, um Felices Nummer zu wählen.

„Du meine Güte! Ist er weg?“, kam ihre Schwägerin gleich zur Sache.

„Die nächsten zehn Minuten wird er wohl beschäftigt sein.“

„Sag mir bitte, dass du ihn überredet hast, nach England zurückzukehren.“

„Du machst Witze, oder?“ Kate blickte sich zu dem Geschäft um. „Ich versuche es nicht einmal. Er will erst abreisen, wenn er dich gesehen hat.“

Felice stöhnte. „Keine Angst, er bleibt nicht zwei Wochen in Australien, nur um mein Gesicht zu sehen.“

Ihre Worte machten deutlich, wie verletzt Felice sein musste. Kate biss sich auf die Lippe. „Möchtest du darüber reden?“

„Da gibt es nichts zu erzählen, außer dass Simon ein echter Tyrann und ein Spießer ist.“

Kate dachte einen Moment darüber nach. „Weißt du was? Im Moment solltest du einfach nur deine Flitterwochen genießen. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um Simon.“

„Bist du sicher?“

„Ja.“

„Danke, Kate.“

Nachdem Felice aufgelegt hatte, wartete Kate auf Simon.

Als er zehn Minuten später aus dem Geschäft kam, hätte sie am liebsten bewundernd gepfiffen – wenn sie es gekonnt hätte. „Ich wollte schon die ganze Zeit Ihre Knie sehen“, neckte sie ihn. Er hatte muskulöse, wenn auch ein wenig blasse Beine, doch in vierzehn Tagen würden sie gebräunt sein.

„Ich komme mir wie ein Idiot vor“, erklärte er unwirsch.

„Sie sehen wie ein ganz normaler Tourist aus.“

Das tat er allerdings nicht, denn er wirkte immer noch angespannt und verkrampft.

„Darin kann ich überhaupt nicht gehen.“ Er hob einen Fuß.

„Das lernen Sie schon. Kommen Sie.“

Sie führte ihn über die Straße und dann durch den Park hinunter zum Strand. Dort streifte sie ihre Leinenschuhe ab und schloss genüsslich die Lider, sobald sie den sonnenwarmen Sand unter den Füßen spürte. Einfach himmlisch!

Als sie ein Auge öffnete, stellte sie fest, dass Simon sie fasziniert betrachtete. Er trug noch immer die Badelatschen und hatte zwei große Plastiktüten in den Händen. Sie öffnete das andere Auge auch und schüttelte den Kopf. „Wann haben Sie das letzte Mal Urlaub gemacht, Simon?“

„Urlaub?“

Das sagte alles. Vorsichtig nahm sie ihm die Tüten ab und stellte sie neben ihre Schuhe. „Die Badelatschen dorthin“, wies sie ihn an.

Er gehorchte.

„Und? Fühlt es sich nicht fantastisch an?“

„Hm … ja.“

Fragend blickte er sie an, als versuchte er herauszufinden, welche Reaktion sie erwartete. Am liebsten hätte sie ihm zugerufen, dass er einfach machen solle, was ihm guttat.

„Sie leben in Europa, stimmt’s?“

„Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, gehörte England noch zu Europa, ja.“

„Haha, Sie sind ja ein richtiger Komiker!“

Als er schief lächelte, lächelte sie ebenfalls. „Na ja, Spanien ist doch ganz in der Nähe, stimmt’s? Machen Sie nicht jedes Jahr Urlaub auf … Aruba?“ Irgendwo hatte sie diesen Namen schon mal gehört.

„Aruba liegt in der Karibik, Kate.“

Sein Akzent war einfach unwiderstehlich, vor allem wenn Simon ihren Namen aussprach! Wieder überlief sie ein heißes Prickeln.

„Ach, unter Freunden nimmt man so etwas nicht so genau“, konterte sie mit einer lässigen Geste.

Zufrieden beobachtete sie, wie er ungezwungen lachte. Und wie ein sehnsüchtiger Ausdruck in seine Augen trat, als er danach auf die Bucht blickte. „Warum gehen Sie nicht schwimmen?“

„Ich habe kein Handtuch dabei.“

Kate zuckte die Schultern. „Dann kaufen Sie sich eins. Oder trocknen Sie sich einfach mit Ihrem T-Shirt ab.“

„Und was ist mit Ihnen?“

„Ich habe meinen Badeanzug nicht dabei.“ Sehnsüchtig blickte sie aufs Wasser. „Außerdem muss ich in ein paar Stunden weiterarbeiten. Ich habe heute einen Termin bei meinem Buchhalter.“ Und das ist gut so, sagte sie sich.

Als ihr dann der Duft von Pommes frites in die Nase stieg, vergaß sie alles andere.

Auf ihr Seufzen hin drehte Simon sich zu ihr um. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“

„Ich bin so hungrig! Warten Sie hier. Bin gleich wieder da.“

Wenige Minuten später kehrte sie mit drei Portionen vom Kiosk zurück und reichte Simon eine.

Lächelnd betrachtete er die Tüten in ihrer Hand. „Anscheinend sind Sie wirklich hungrig.“

„Eine für Sie, eine für mich und eine für die Möwen.“

„Wie bitte?“

Statt zu antworten, warf sie ein Kartoffelstäbchen in die Luft, auf das sich prompt mehrere Vögel stürzten. „Jetzt sind Sie dran.“ Sie hielt ihm die Tüte hin, und er machte es ihr nach. Lachend beobachteten sie, wie noch mehr Möwen kreischend herbeiflogen.

Als die Tüte leer war, warf Kate sie in einen Abfalleimer. „Kommen Sie, waten wir durchs Wasser“, wandte sie sich an Simon. „Oder machen englische Lords sich nicht die Füße nass?“

„Doch“, stimmte er in ihr Geplänkel ein. „Mir machen vielmehr die Koloniebewohner Angst, die mit den Fingern essen.“

Sie lachte. „Na ja, Ihr Tafelsilber haben Sie ja auch nicht dabei.“

Seine grauen Augen funkelten amüsiert. „Dafür bräuchte ich einen Tisch. Von einem Butler ganz zu schweigen.“

Dass er Humor hatte, hatte sie gewusst. Schließlich war er Felices Bruder.

Einvernehmlich wateten sie durchs Wasser und aßen dabei ihre Pommes frites. Kate beobachtete, wie die Anspannung allmählich von Simon abfiel und er das Gesicht in die Sonne hielt.

„Wann haben Sie das letzte Mal so etwas mit Felice unternommen?“ Sie bemühte sich um einen unverfänglichen Tonfall.

Sofort ging er wieder in Abwehrhaltung und funkelte sie an.

„Es war ja nur eine Frage“, beschwichtigte sie ihn. „Ich habe das Gefühl, dass Felice und Sie sich etwas entfremdet haben.“

Trotz der Freizeitkleidung wirkte er plötzlich so furchteinflößend, als würde er eine Rüstung tragen. „Über meine Beziehung zu Felice rede ich nicht mit …“

„Einer Fremden?“, beendete sie den Satz für ihn. „Das müssen Sie auch nicht. Ich kann Ihnen auch so sagen, was los ist.“

„Ich …“

„Da Sie zehn Jahre älter sind als Felice“, fuhr sie einfach fort, „haben Sie sich wahrscheinlich immer für sie verantwortlich gefühlt. Und sie hat sich bestimmt oft gegen Ihre … Autorität aufgelehnt.“

Als sie ihn ansah, schwieg er, doch in seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck.

„Sie ist flügge geworden, und das hat Ihnen wahrscheinlich große Angst gemacht, weil Sie sie nicht mehr im Auge behalten konnten.“ Nun blickte Simon starr nach vorn. „Das geht ja auch nicht. Also versuchen Sie, sie zu bevormunden, und sie wehrt sich dagegen, sodass Sie sich nur noch streiten.“

Offenbar hatte sie ins Schwarze getroffen, denn er blieb unvermittelt stehen. „Sie kennen mich doch überhaupt nicht. Das alles ist reine Spekulation.“

„Aber ich kenne Felice. Ja, ich weiß“, fügte sie hinzu, als er sie erneut anfunkelte. „Ich bin nur eine neugierige Koloniebewohnerin.“ Doch ihr Bruder hatte in Simons Familie eingeheiratet, und sie wollte nur das Beste für Felice und ihn.

Genau wie für Simon.

„Und offenbar haben Felice und Sie zumindest so viel gemeinsam, dass sie sich es nicht gefallen lässt, wenn Sie sie bevormunden. Wenn man zu weit geht, ergreift sie die Flucht.“

Plötzlich wurde Simon aschfahl, sodass sie ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. „Aber sie ist ein liebes Mädchen“, fuhr sie fort und tat so, als hätte sie es nicht gemerkt. „Sollte es je so weit kommen, wäre eine Entschuldigung sicher der richtige Weg für eine Versöhnung. Und das Versprechen, sich in Zukunft aus ihren Angelegenheiten herauszuhalten.“ Auch sie hob nun das Gesicht in die Sonne. „Schließlich ist sie eine sehr patente junge Frau, die gut selbst auf sich aufpassen kann.“

Während sie weitergingen, bekam sein Gesicht wieder Farbe. „Felice hat es hier also gefallen?“, fragte Simon nach einer Weile.

Kate machte eine ausholende Geste. „Was denken Sie denn?“

Er blickte sich um, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich glaube schon.“

„Bingo.“

Es gefiel ihr, mit ihm so am Strand entlangzuschlendern. Tief atmete sie die klare, salzige Seeluft ein, in die sich auch sein maskuliner Duft mischte.

„Lebt Ihr Bruder – Danny – auch in Nelson Bay?“

„Ja. Wir machen die Touren zur Delfinbeobachtung zusammen.“ Lächelnd blickte sie zu ihm auf. „Mein Vater hat die Firma vor über zwanzig Jahren gegründet.“

„Und? Macht es Ihnen Spaß?“

„Meistens schon.“ Sie krauste die Stirn. „Außer an den Tagen, an denen ein Mitarbeiter sich krankmeldet – so wie heute Morgen – und ich ganz schnell Ersatz finden muss.“

Seine Mundwinkel zuckten. „War das vor oder nach der Goldfischbestattung?“

„Währenddessen.“

Simon schwieg einen Moment. „Und was unternehmen Sie und Danny, wenn Sie Spaß haben wollen?“, erkundigte er sich dann.

Prompt stolperte sie vor Schreck, schaffte es allerdings, das Gleichgewicht zu wahren. „Wir sind beide leidenschaftliche Surfer und sehen uns gern Horrorfilme an. Und was ist mit Felice und Ihnen?“

Als er nichts sagte, stupste sie ihn an. „Kommen Sie, es muss doch irgendwelche schönen Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse geben!“

Von oben herab blickte er sie an. „Viele sogar.“

Er konnte wirklich sehr überheblich wirken! „Und wann haben Sie sie das letzte Mal zum Lachen gebracht?“

Nachdem er einen Moment nachgedacht hatte, hellte seine Miene sich auf. „Als ich ihr beigebracht habe, auf den Händen zu laufen.“

„Und wo war das?“

„Auf dem Rasen hinter unserem Anwesen.“

Also an keinem exotischen Ort. „Und wann?“

Nun lächelte er richtig. „Vor fünf Jahren ungefähr.“

„Was?“ Spontan umfasste Kate seinen Arm, damit er stehen blieb. „Sie können auf den Händen laufen? Los, zeigen Sie es mir. Ich habe es schon so oft versucht.“

Zu ihrer Überraschung ließ Simon sich nicht lange bitten. Er stellte sich auf die Hände und lief los. Fasziniert betrachtete sie das Spiel seiner Armmuskeln und schluckte nervös, als sein T-Shirt hochrutschte und seinen durchtrainierten, flachen Bauch freigab. Nachdem er ein paar Meter zurückgelegt hatte, sprang er wieder auf die Füße und deutete eine Verbeugung an. „Tata!“

Verblüfft betrachtete sie ihn. Als ihr bewusst wurde, dass es wohl nicht besonders cool wirkte, so dazustehen, schlug sie ein Rad.

Er quittierte es mit einem Nicken. „Nicht schlecht.“

„Ich bringe Ihnen das Radschlagen bei, wenn Sie mir zeigen, wie man auf den Händen läuft.“

„Ich sage es nur ungern, Kate, aber Radschlagen ist etwas für Frauen.“

„Turner machen es aber auch.“

„Trotzdem.“

„Wie wäre es dann mit einem Salto rückwärts?“

Sie machte einen Salto rückwärts.

Simon folgte ihrem Beispiel.

Und dann machten sie weiter und versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen, bis sie nach einem weiteren missglückten Versuch von Kate, auf den Händen zu laufen, lachend zusammen in den Sand fielen.

Kate legte sich zurück und rang ein wenig nach Luft, während sie in den strahlend blauen Himmel blickte. Schließlich wandte sie leicht den Kopf, um Simons Profil zu betrachten. Daraufhin drehte er sich auf die Seite und stützte den Kopf in die Hand. Sein Blick verriet, dass Simon sich auch zu ihr hingezogen fühlte, und plötzlich hatte sie Schmetterlinge im Bauch.

Schnell verdrängte sie diese Empfindungen wieder. Simon war ein Tourist. Sie durfte sich nicht mit ihm einlassen.

„Was würde Ihr Buchhalter wohl dazu sagen, wenn Sie ein wenig … nass zu dem Termin erscheinen würden?“, fragte er verführerisch lächelnd.

Sie tat so, als würde sie darüber nachdenken. „An einem Tag wie diesem geht er sicher auch schwimmen.“

Ehe sie sich’s versah, hob er sie hoch und lief mit ihr zum Wasser, um sie hineinzuwerfen. Als sie prustend wieder auftauchte, stand er fast trocken vor ihr. Blitzschnell packte sie ihn, um ihn mit einem Fußhebel zu Fall zu bringen.

Kaum war er wieder aufgetaucht, fasste er sie bei der Taille und küsste sie verlangend. Dann zog er sich ein wenig zurück, allerdings ohne sie loszulassen, und sie wusste, dass sie vom ersten Moment an auf das hier gewartet hatte.

Einen Augenblick lang verharrte er so regungslos, als wollte er ihr die Gelegenheit geben, vor ihm zu fliehen.

Aber das wollte sie nicht, obwohl es sicher das Klügste gewesen wäre.

Schließlich umfasste er mit einer Hand ihre Wange, bevor er wieder den Kopf neigte und ihre Lippen sich fanden. Hingebungsvoll erwiderte Kate das lockende Spiel seiner Zunge, während Simon sie an sich drückte.

Heißes Verlangen flammte in ihr auf, und während sie ihm die Arme um den Nacken legte, ließ er die Hände über ihren Rücken gleiten, um sie noch enger an sich zu ziehen. Selbst die sanften Wellen schienen sie ihm immer näher zu bringen.

In seinen Armen erschien ihr plötzlich alles möglich.

Als er nach einer Weile den Kopf hob, wusste sie nicht, ob nur einige Sekunden oder Minuten vergangen waren.

„Ich …“ Langsam blinzelte er, als würde er aus einem Traum erwachen.

„Wow!“, flüsterte sie.

Dann löste sie sich ein wenig von ihm, um einen klaren Gedanken fassen zu können.

„Das wollte ich nicht“, erklärte er, während er sie forschend betrachtete.

„Ich weiß.“

„Und? Alles in Ordnung mit dir?“ Simon trat auch ein Stück zurück, sodass sie sich nun nicht mehr berührten.

„Ja.“ Kate wrang sich das Haar aus. Natürlich ging es ihr gut. Sie stand zwar in Flammen, und ihre Lippen prickelten, doch die Sonne schien immer noch, die Möwen schrien, und von irgendwo drang Kinderlachen an ihr Ohr …

Alles erschien ihr plötzlich anders, und sie wusste nicht, warum.

„Und du?“, fragte sie. „Alles in Ordnung mit dir?“

„Ja“, erwiderte er, allerdings zögernd, worüber sie erleichtert war.

„Ich finde, wir sollten … uns jetzt einen schattigen Platz suchen.“ Nachdem sie auf den Grünstreifen gedeutet hatte, der den Strand säumte, ging sie entschlossen darauf zu und setzte sich unter einen Baum.

Simon setzte sich neben sie, und sie spürte, wie er sie betrachtete. „Soll ich mich bei dir entschuldigen?“, erkundigte er sich vorsichtig.

„Was?“ Sie wirbelte zu ihm herum. „Natürlich nicht.“ Ob er auch das Gefühl hatte, dass seine Welt Kopf stand? „Ich meine, das eben war …“

„Stimmt“, bestätigte er.

„Es ist nur …“ Kate strich sich das nasse Haar hinter die Ohren. „Das war so ziemlich der schönste Kuss meines Lebens.“

Wieder schenkte Simon ihr sein verführerisches Lächeln. „Du kannst noch mehr haben.“

Erneut hatte sie Schmetterlinge im Bauch. Er war schon in Urlaubsstimmung, und das gefiel ihr – sehr sogar! „Wäre es denn nicht leichtsinnig und verantwortungslos?“ Ganz bewusst benutzte sie die Worte, die er für Felice verwendet hatte.

Nun wurde seine Miene nachdenklich. „Ja.“

„Ich bin nicht leichtsinnig und verantwortungslos.“

„Ich auch nicht.“

Je länger sie ihn betrachtete, desto mehr wuchs ihr Verlangen. Sie war schon lange nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen und legte großen Wert darauf, sich nicht mit Touristen einzulassen. Konnte sie bei Simon eine Ausnahme machen?

Ein Kuss wie dieser läutete allerdings keinen Urlaubsflirt ein, sondern die ganz große Liebe.

Reiß dich zusammen, ermahnte Kate sich schnell. Simon lebte auf der anderen Seite der Welt, und sie kannte ihn erst wenige Stunden. Ein vernünftiger Mensch schmiedete keine Zukunftspläne mit einer flüchtigen Bekanntschaft. Offenbar hatte sie zu viel Sonne abbekommen.

„Ich weiß, was du denkst.“

Hoffentlich nicht! Plötzlich brannten ihr die Wangen. „Und das wäre?“, brachte sie hervor.

„Dass du mich kaum kennst.“

„Bingo!“ Sie spürte, wie ihr das Blut wieder aus dem Gesicht wich.

Nun nahm Simon ihre Hand und umschloss sie mit seinen Händen. „Es kommt mir aber nicht so vor.“

Ja, sie wusste, was er meinte. „Aber … du lebst Millionen von Meilen weit weg.“

„Richtig. Jedenfalls zehntausend Meilen. Doch unter Freunden nimmt man das nicht so genau, stimmt’s?“

Kate rang sich ein Lächeln ab.

„Die nächsten vierzehn Tage bin ich allerdings hier.“ Simon verstärkte seinen Griff. „Und ich möchte dich gern besser kennenlernen.“

Sofort begann ihr Herz schneller zu pochen. „Was hat das für einen Sinn, Simon? Ich meine …“

Daraufhin legte er ihr einen Finger auf die Lippen. „Es muss nicht immer alles einen Sinn haben, Kate.“

Als er sich zurücklehnte und sie anlächelte, musste sie sein Lächeln erwidern.

Vorsichtig entzog sie ihm ihre Hand. „Du willst also auf Felice warten?“

„Ja.“

„Ihr Zimmer ist momentan frei“, sagte sie, ohne zu überlegen. „Wenn du möchtest, kannst du solange darin wohnen.“

Überrascht blickte er sie an. „In deinem Haus?“

Du meine Güte, was mache ich nur, fragte sie sich. Sie schluckte. „Also, das sollte keine Einladung sein, mich wieder …“

Simon berührte ihr Knie. „Du meinst, ich soll im Gästezimmer bleiben, stimmt’s?“

Da ihr die Kehle wie zugeschnürt war, konnte Kate nur nicken. Als er die Hand wieder zurückzog, hätte sie beinah geseufzt – ob vor Erleichterung oder Enttäuschung, wusste sie allerdings nicht.

„Ich nehme deine Gastfreundschaft gern an.“ Als er sie ansah, wirkten seine Augen plötzlich viel heller. „Und ich verspreche dir, mich wie ein Gentleman zu benehmen. Du kannst mir vertrauen.“

Konnte sie das? Vermutlich schon. Aber konnte sie auch sich selbst trauen?

„Vielleicht darf ich dich mal zum Essen einladen – als Dankeschön für deine Gastfreundschaft und auch, weil ich dich sehr mag.“

Sie deutete auf die Stelle, an der sie sich geküsst hatten. „Das darf nicht wieder passieren.“

Ruhig erwiderte er ihren Blick. „Es ist nur eine Einladung zum Essen, Kate.“

„Einverstanden“, antwortete sie, obwohl sie eigentlich hatte ablehnen wollen.

„Und der Abend endet, wenn du deine Haustür öffnest“, fügte er leise hinzu.

Nun musste sie lächeln. Simon wollte Grenzen setzen, damit sie sich sicher fühlte. Allerdings würden sie diese mit einem Kuss sofort überschreiten. Diese Vorstellung machte ihr jedoch keine Angst, sondern weckte ein erregendes Prickeln in ihr.

„Hast du morgen Abend Zeit?“, hakte Simon nach.

Der nächste Tag war ein Samstag. Widerstrebend schüttelte Kate den Kopf. „Am Wochenende herrscht Hochbetrieb auf der Merry Dolphin.

„Auf der was?“

„Auf meinem Boot – der Merry Dolphin. Sieh mal …“ Sie deutete in die Ferne. „Dahinten fährt sie gerade.“

Sie beobachtete, wie das Boot in den Jachthafen einlief, bevor sie sich wieder zu Simon umwandte.

„Das ist dein Boot?“, erkundigte er sich verblüfft.

„Ja“, erwiderte sie stolz. „Schön, nicht?“

„Allerdings.“

Aber er betrachtete sie, nicht das Boot. Verlegen strich sie sich eine Strähne hinters Ohr. „Wenn du Lust hast, kannst du mich morgen begleiten.“

„Gern. Und Sonntag?“

„Diesen Sonntag muss ich bis zum frühen Nachmittag arbeiten. Am Abend habe ich frei.“

Als er sie erneut anlächelte, stand sie schnell auf. „Und jetzt muss ich zu meinem Buchhalter fahren.“ Sie brauchte unbedingt etwas Abstand, um wieder zur Vernunft zu kommen.

Nachdem sie abgemacht hatten, sich wenige Stunden später in ihrem Büro zu treffen, verließ sie Simon und stellte fest, dass es ihr nicht leichtfiel.

3. KAPITEL

Während er sich ihrem Büro näherte, kam Kate heraus und schloss die Tür ab.

Verlangen flammte in ihm auf, als Simon stehen blieb und sie betrachtete. Sie war umwerfend – blond und blauäugig, schlank und durchtrainiert. Allerdings fühlte er sich nicht nur wegen ihres Äußeren zu ihr hingezogen. Das Funkeln in ihren Augen, die Selbstvergessenheit, mit der sie Pommes frites an Möwen verfütterte oder Rad schlug … Noch nie war er einer Frau wie ihr begegnet. Noch nie hatte jemand ihn so leicht zum Lachen gebracht oder ihm das Gefühl vermittelt, dass er ihn um seiner selbst und nicht um seines Titels willen akzeptierte. Noch nie hatte er sich so lebendig gefühlt.

Bei ihr zu wohnen und sie zum Essen einzuladen war vermutlich verrückt.

Natürlich war es das.

In diesem Moment drehte Kate sich zu ihm um, und sobald sie ihn bemerkte, hellte ihre Miene sich auf. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen, um sie wieder zu küssen.

„Wie war der Termin mit deinem Buchhalter?“, erkundigte er sich stattdessen und verfluchte sich gleich darauf für seine Einfallslosigkeit.

„Ja, danke“, erwiderte sie lächelnd.

Dann blickten sie sich eine Weile nur an, bis Kate den Kopf schüttelte, ihn lachend unterhakte und in die Richtung führte, aus der er gekommen war.

„Es ist nicht weit von hier. Wo steht dein Wagen?“ Obwohl ihre Nähe ihn aus der Fassung brachte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, Kate noch enger an sich zu ziehen.

„Zu Hause in der Garage.“ Ihre Augen funkelten. „Ich gehe immer zu Fuß zur Arbeit.“

„Gut.“ Das bedeutete, dass er sie noch nicht loslassen musste.

„Oh, tolles Auto!“, bemerkte sie, als er sie zu der Limousine führte, die er gemietet hatte.

Nachdem er ihr die Beifahrertür geöffnet hatte, beobachtete er, wie sie einstieg und über den Ledersitz strich. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie es wäre, wenn sie ihn streichelte, oder wie sie nackt aussehen mochte …

„Jesse wird begeistert sein!“

Unvermittelt kehrte Simon auf den Boden der Tatsachen zurück. „Jesse?“

Strahlend sah sie zu ihm auf. „Mein Sohn.“

Heftiger als beabsichtigt knallte er die Tür zu.

Sie hatte ein Kind!

Benommen ging er um den Wagen herum und blieb dann stehen. Diese attraktive Frau mit dem strahlenden Lächeln und den Pferdeschwanz, der beim Gehen wippte, hatte ein Kind? Einen Sohn?

Nein! Er musste sich verhört haben.

Simon zwang sich, weiterzugehen und einzusteigen. Hoffentlich verriet seine Miene ihn nicht! „Du sagtest, du hättest einen Sohn?“

„Richtig. Er ist sieben und wie alle Jungs in dem Alter ein Fan von technischen Dingen.“ Kate verdrehte die Augen und zeigte auf das Navigationssystem. „Hat Felice dir nicht von ihm erzählt?“

„Nein.“

Nun drehte sie sich zu ihm um und krauste die Stirn. „Was hat Felice dir überhaupt erzählt?“

Offenbar nicht viel. „Ihre Nachrichten waren … kurz.“ Über seine Schwester zu sprechen fiel ihm in diesem Moment wesentlich leichter als darüber, dass Kate einen Sohn hatte.

„Wann bist du nach Australien gekommen, Simon?“

„Heute Morgen!“

Erstaunt blickte sie ihn an. „Wie bitte? Dann bist du sicher völlig übernächtigt.“

Damit lag sie richtig.

„Dann fahr los.“ Sie klatschte in die Hände. „Du brauchst eine Dusche, damit du dich wieder wie ein Mensch fühlst.“

Ihr Elan war so ansteckend, dass Simon lächeln musste. Er konnte sich ihrem Charme einfach nicht entziehen.

Sie hatte ein Kind. Bei der Vorstellung wurde er sofort wieder ernst.

„Warte nur, bis du meinen Garten siehst. Die Aussicht ist einfach fantastisch!“, schwärmte sie, während er den Motor anließ. „Dort am Kreisel musst du rechts abbiegen.“

Er befolgte ihre Anweisung.

„Eine Dusche und dann ein Bier im Garten … Na, wie klingt das?“

„Gut.“

Aber wie passte ihr Sohn ins Bild? Simon versuchte sich einzureden, dass es keine Rolle spielte, doch er wusste, dass er sich etwas vormachte.

„Jetzt links und dann gleich wieder rechts“, informierte Kate ihn, als sie eine Abzweigung erreichten. „So, da sind wir. Hier wohne ich.“

Sie zeigte nach rechts. Baufällig war das erste Wort, das ihm in den Sinn kam. Er bog in die Auffahrt ein und hielt unter einem Carport, der an die Doppelgarage angebaut war. Sie stiegen aus. Aus der Nähe sah er, dass das Haus nicht heruntergekommen war, sondern einen gewissen Charme besaß, denn es war mit weißem Holz verschalt und ohne erkennbares architektonisches Konzept gebaut.

Auf den beiden Nachbargrundstücken standen zwei Architektenhäuser – zweistöckige, verputzte Ungetüme, eins in Apricottönen und das andere in Blau- und Grautönen getüncht und beide offenbar klimatisiert, weil sämtliche Fenster verschlossen waren. In Kates Haus hingegen standen alle Fenster offen. Wäre es windig gewesen, hätten die weißen Gardinen sich vermutlich gebläht.

Kate lächelte ihn an, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Der Delfinanhänger an ihrer Halskette funkelte im Licht der Nachmittagssonne, und Simon hätte ihn am liebsten berührt. „Als mein Vater es gekauft hat, war es ein kleines Wochenendhaus mit zwei Zimmern und einer Veranda. Im Laufe der Jahre hat er ständig angebaut.“

„Es sieht … interessant aus.“

„Komm, ich möchte dir etwas zeigen, das dich umhaut.“

Umhauen, ja diese Wirkung übte sie auf ihn aus. Und plötzlich wehrte er sich dagegen. Sie hatte ein Kind.

Bevor sie die Haustür erreichte, umfasste er ihren Arm. „Bist du verheiratet? Hat dein … Sohn einen Vater?“

Nachdem sie seinen Blick einen Moment lang erwidert hatte, lächelte sie wieder. „Natürlich hat er das. Es war keine unbefleckte Empfängnis, Simon. Aber ich bin nicht verheiratet, sondern Single.“ Sie krauste die Stirn. „Glaubst du wirklich, ich hätte dich geküsst, wenn ich liiert wäre? Oder dass ich deine Einladung angenommen hätte? Mir ist klar, dass du in ganz anderen Kreisen verkehrst als ich, aber so etwas lasse ich mir nicht gern unterstellen.“

Bei ihrem demonstrativen Blick auf seine Hand ließ er sie schnell los. „Nein, natürlich nicht.“ Als sie sich den Arm rieb, fragte er sich, ob sein Griff zu fest gewesen war. „Tut mir leid.“ Sie war den ganzen Tag nur nett zu ihm gewesen und hatte so etwas nicht verdient. „Ich bin nur …“

„In Panik geraten?“

Er dachte darüber nach und nickte dann. „Ja.“

„Verrückt“, meinte Kate lächelnd.

Der ganze Tag war verrückt gewesen. Aber sie hatten noch zwei Wochen. Und wenn Kate wollte … Schließlich musste ihr Sohn irgendwann ins Bett.

Müde strich Simon sich übers Gesicht. Er würde sich am nächsten Morgen den Kopf darüber zerbrechen, wenn er ausgeschlafen war. Momentan konnte er überhaupt keinen klaren Gedanken fassen.

Kate führte ihn den Flur entlang durchs Haus und dann durch eine Glasschiebetür in den hinteren Garten. „Na, wie findest du das?“

Simon zwang sich, den Blick von ihren verführerischen Kurven abzuwenden und sich auf die Aussicht zu konzentrieren.

Er blinzelte und atmete tief ein. Als er wieder ausatmete, spürte er, wie eine tiefe innere Ruhe ihn erfüllte.

„Toll, nicht?“, flüsterte Kate.

„Allerdings“, erwiderte er leise, um die Stille nicht zu durchbrechen. Er konnte sich nicht entsinnen, wann er sich das letzte Mal so gefühlt hatte.

„Als Felice es zum ersten Mal gesehen hat, war sie sprachlos – und so habe ich sie bisher nur selten erlebt.“

Das konnte er gut nachvollziehen. Die Sonne stand schon tief am Himmel und tauchte die Bucht in sanftes orangefarbenes und goldenes Licht. Man konnte bis zum Horizont blicken. Unter ihnen erstreckte sich ein grüner Streifen, ein von Eukalyptus- und Gummibäumen gesäumter Park – und dahinter zur rechten Seite weißer Strand.

„Und was war das zweite Mal?“

„Welches zweite Mal?“

Kate drehte sich nicht zu ihm um, sondern genoss weiter die Aussicht, als würde sie dadurch nach einem langen Tag wieder Energie schöpfen. Plötzlich wünschte er, er hätte sie in Ruhe gelassen.

„Als es Felice die Sprache verschlagen hat.“

„Das muss sie dir selbst erzählen.“

„Mum!“

Als Simon sich umdrehte, sah er einen blonden Jungen aus dem Nachbargarten auf sie beide zulaufen. Kate strahlte daraufhin so, dass es ihm den Atem verschlug.

Stürmisch umarmte der Junge sie. „Ich hab eine sechs, Mum!“

„He, das ist ja toll!“

Fasziniert beobachtete Simon, wie die beiden einen Freudentanz aufführten.

Während sie weitertanzten, zwinkerte Kate Simon über Jesses Kopf hinweg zu. Zu seiner Erleichterung merkte sie nicht, wie bestürzt er war.

„Jesse ist verrückt nach Kricket“, erklärte sie.

Dann winkte sie einer Frau zu, die auf der Veranda des Nachbargrundstücks stand. „Danke, Flora. Ich hoffe, er ist dir nicht auf die Nerven gegangen.“

„Überhaupt nicht. Nick und er beschäftigen sich gegenseitig.“

O nein, dachte Simon. Hat sie etwa noch mehr Kinder? Als er den Jungen sah, wusste er allerdings sofort, dass er nicht Kates Sohn sein konnte.

Nachdem Flora ihnen zugewinkt hatte, ging sie mit Nick ins Haus.

„Flora passt an den meisten Nachmittagen auf Jesse auf“, erzählte Kate, während sie ihren Sohn knuddelte. „Das hier ist übrigens Jesse.“

Simon verspürte einen schmerzhaften Stich. Warum erwarteten Mütter eigentlich immer, dass andere ihre Kinder auch toll fanden?

„Jesse, das ist Felices Bruder …“

Erwartungsvoll blickte Kate ihn an, woraufhin Simon sich unbehaglich über die Stirn fuhr. Die meisten seiner Freunde hielten ihre Kinder vor ihm versteckt, was ihm nur recht war.

„Soll er Simon oder lieber Mr. Morton-Blake zu dir sagen?“, fuhr sie fort. Dann funkelten ihre blauen Augen schalkhaft. „Oder Lord …“

„Simon ist okay“, unterbrach er sie schnell.

Nachdem Jesse und er sich einen Moment lang angeblickt hatten, ging Simon auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Freut mich, dich kennenzulernen.“

Jesse schmiegte sich an seine Mutter, reichte ihm jedoch die Hand, als Kate ihn anstupste.

Simon drückte sie kurz und ließ sie gleich wieder los. Kinder waren so klein und verletzlich oder so laut und voller Zerstörungswut. Und er wollte mit diesem Jungen hier nichts zu tun haben.

„Ich … Könnte ich jetzt duschen?“

„Natürlich.“

Als Kate ihn anstrahlte, verstärkte sich das Engegefühl in seiner Brust.

„Ich zeige dir dein Zimmer.“

„Du hast ein eigenes Bad“, informierte Jesse ihn, während er ihnen folgte.

Unbehaglich warf Simon ihm einen Blick über die Schulter zu. „Toll“, brachte er hervor.

Im Flur öffnete Kate eine Tür. „Das ist es.“ Sie trat beiseite, um ihn vorgehen zu lassen.

„Danke.“

„Wir sind dahinten in der Küche.“ Mit einem Nicken deutete sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

„Okay.“

„Ich hole dir noch ein Handtuch.“

Dann verschwand sie im Flur. Jesse folgte ihr, und Simon hörte ihn fragen: „Ist er wirklich Felices Bruder?“

„Sicher.“

„Cool!“

Kurz darauf kehrte der Junge mit einem flauschigen weißen Badetuch zurück, das er ihm ein wenig schüchtern überreichte. „Hier.“

„Danke.“

„Spielst du Kricket?“

„Ja“, erwiderte Simon. Und da er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, machte er Jesse die Tür vor der Nase zu.

Simon duschte so heiß, wie er es aushielt, um sich zum Schluss eiskalt abzubrausen. Für ihn war es eine Art Buße, nur wusste er nicht, wofür er sich bestrafte. Er rubbelte sich das Haar trocken, bis seine Kopfhaut prickelte. Er brauchte unbedingt Schlaf, dann würde es ihm am nächsten Morgen besser gehen.

Nachdem er sich angezogen hatte, ging er in die Küche , wo Kate gerade einen Salat zubereitete.

„Und, hat die Dusche dir gutgetan?“ Sie blickte zu ihm auf.

„Und ob.“ Ihr Anblick weckte in ihm das dringende Bedürfnis, sie zum Lächeln zu bringen.

„Simon spielt Kricket“, verkündete Jesse, woraufhin sie das Messer weglegte und Simon ansah.

„Aber die Frage ist, ob er besser spielt als Felice.“

„Ja.“ Der Kleine nickte. „Ich wette, du spielst für England. Oder, Simon?“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Na los, raus mit der Sprache, Simon. Spielst du für Krone und Vaterland?“

„Hm … nein.“ Unbehaglich schob Simon die Hände in die Hosentaschen.

„Für wen dann?“

Jesse hielt den Blick unverwandt auf ihn gerichtet, seit er den Raum betreten hatte. Allerdings gab Simon sich große Mühe, es zu ignorieren.

„Quetsch den Armen nicht so aus, Jesse.“ Kate tat den klein geschnittenen Salat und die Gurke in eine Salatschüssel, bevor sie einen Beutel Tomaten zu sich heranzog. „Du solltest mal seinen Mietwagen sehen. Der ist toll – mit Navi und so.“

„Wow!“ Hoffnungsvoll sah Jesse ihn an.

Auf keinen Fall würde er ihm den Wagen zeigen. Kinder machten alles kaputt. Bestimmt würde der Junge mit der Gangschaltung spielen oder sich den Finger in der Tür klemmen.

Simon schwieg beharrlich. Er würde nicht mit Jesse zum Auto gehen.

Kate warf ihm einen irritierten Blick zu. „Hattest du nicht etwas von einem Bier im Garten gesagt?“

Nun lachte sie und deutete auf den Kühlschrank. „Bier ist im Kühlschrank. Bedien dich. Ich brauche hier noch eine halbe Stunde und komme dann nach.“

„Ich warte.“ Er hatte keine Lust, allein draußen zu sitzen … oder, noch schlimmer, mit dem Jungen.

Das Lächeln, das sie ihm schenkte, elektrisierte ihn. Sie hatte wunderschöne Lippen, weich und sinnlich, und er sehnte sich danach, sie wieder zu küssen.

Und wieder. Und immer wieder.

„Simon!“

Abrupt kehrte er in die Wirklichkeit zurück. „Ja?“

Kate schluckte. Als er die Röte sah, die ihre Wangen überzog, musste er lächeln. „Ich war mit meinen Gedanken woanders.“

Offenbar wusste sie genau, wo, wie der Ausdruck in ihren Augen bewies. Dann blickte sie zu ihrem Sohn. Wieder überfiel ihn ein unbehagliches Gefühl. Am liebsten hätte er gefragt, wann Jesse normalerweise ins Bett ging.

„Ich habe gesagt, dass du Kricket spielst“, wiederholte sie langsam.

„Stimmt.“

„Und Jesse spielt auch Kricket …“

„Hm.“

„Vielleicht habt ihr Lust, an den Strand zu gehen und eine Partie zu spielen, während ich das Essen mache?“

Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. „Nein!“

Wenn Jesse etwas passierte, während er in seiner Obhut war, würde er es sich niemals verzeihen.

Kate würde es ihm niemals verzeihen.

Nachdem sie ihn einen Moment lang fassungslos angesehen hatte, legte sie langsam das Messer weg. Gequält verfolgte er, welche Gefühle sich in ihren Augen spiegelten – Besorgnis, Entsetzen, Enttäuschung und schließlich … Wut.

Dann wandte sie sich ab.

„Ach Jesse, mir fällt gerade ein, dass du keine Zeit mehr hast. Nicht wenn du heute Nacht mit Nick im Zelt schlafen willst.“

Sofort hellte seine Miene sich auf, und Jesse umarmte sie stürmisch. „O ja, Mum, dürfen wir?“

Kate umarmte ihn liebevoll. „Na klar.“

Bitterkeit stieg in Simon hoch. Die beiden zeigten ihm deutlich, dass er nicht dazugehörte. Und obwohl er wusste, dass er es verdient hatte und es so besser war, hinterließ es eine große Leere in ihm.

Kate drückte Jesse, um ihn zu trösten, weil Simon ihn so jäh zurückgewiesen hatte. „Lauf doch schnell rüber und frag Nicks Mum, ob sie damit einverstanden ist.“

Nachdem ihr Sohn die Küche freudestrahlend durch die Hintertür verlassen hatte, wandte sie sich an Simon. „Was sollte das?“, fragte sie, die Hände wütend in die Hüften gestemmt.

Am liebsten hätte sie ihn geschlagen. Gleichzeitig sehnte sie sich danach, ihn zu küssen, was sie allerdings zu verdrängen versuchte. Wie hatte er Jesse nur so kränken können? Jesse war ein toller Junge. Das hatte er nicht verdient.

Unsicher zuckte Simon die Achseln. In dem dunkelgrünen Poloshirt und den sandfarbenen Shorts kamen seine breiten Schultern und seine langen, muskulösen Beine hervorragend zur Geltung … Schnell konzentrierte sie sich auf ihren Zorn.

„Und?“, hakte sie nach.

Erneut zuckte er die Schultern. „Ich kann mit Kindern nun mal nichts anfangen, das ist alles.“

„Wie bitte?“

„Es ist doch nichts Schlimmes.“

Nichts Schlimmes?

Das ist alles?

Mit diesen wenigen Worten zerstörte er alle Luftschlösser, die sie seit seinem Kuss gebaut hatte. Sie hatte es auch nicht anders verdient. Wie hatte sie nur so naiv sein können?

Sie und ihre Freundinnen hatten sich von jeher gegenseitig gewarnt, sich nicht mit Touristen einzulassen. Und nun hatte sie einen Flirt mit einem von der schlimmsten Sorte begonnen. Männer wie er brachten Frauen mit ihren Küssen um den Verstand, bis sie sich bis über beide Ohren in sie verliebten, und reisten dann einfach ab, ohne je wieder von sich hören zu lassen. Nein, sie würde sich in niemanden verlieben. Nicht in dieser Woche.

Erstens war Liebe auf den ersten Blick ein Mythos.

Zweitens ließen heißblütige Küsse nicht unbedingt auf einen guten Charakter schließen.

Und drittens lag ihr Jesses Glück mehr als alles andere am Herzen. Natürlich würde sie das niemals vergessen, aber es schadete auch nicht, es sich ins Gedächtnis zu rufen.

Und viertens ließ sie sich grundsätzlich nicht mit Touristen ein.

Simon wirkte unbehaglich. „Und das ist für dich nicht okay, stimmt’s?“

Starr blickte Kate ihn an, während sie die Hände zu Fäusten ballte und zu zittern begann. „Du ahnst ja gar nicht, wie sehr. Und deshalb kannst du unseren Restaurantbesuch am Sonntag vergessen.“

Nun verspannte er sich. „Aber ich habe schon einen Tisch reserviert …“

„Das interessiert mich nicht!“

„Nur weil ich mit Kindern nichts anfangen kann?“

„Genau.“ Sie nickte kühl.

„Aber wir beide … Können wir das nicht voneinander trennen?“

Aufgebracht ging sie auf ihn zu. „Du verstehst wirklich gar nichts, oder?“ Schnell wich sie wieder zurück, bevor sie womöglich noch zu weinen anfing.

„Aber …“

„Sieh den Tatsachen ins Auge“, fuhr sie fort. „Du kannst mit Kindern nichts anfangen, und ich habe einen Sohn. Das ist ein ziemlich großes Problem, findest du nicht?“ Sie nahm eine Tomate und musste sich beherrschen, um sie nicht zu zerquetschen. „Jesse und mich gibt es nur im Doppelpack. Ende der Geschichte.“

Jetzt wich auch Simon einen Schritt zurück.

„Genau!“ Dann nahm sie das Messer wieder in die Hand und begann, vorsichtig die Tomate zu zerkleinern. Als er die Küche verließ, wollte sie keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden.

Nachdem Kate mit den Vorbereitungen für das Abendessen fertig war, baute sie zusammen mit den Jungen das Zelt auf.

Als Simon irgendwann aus seinem Zimmer kam und sich an den Tisch auf der Terrasse setzte, brachte sie ihm ein Bier. Er bedankte sich leise, bot aber nicht an, ihnen zu helfen.

Auch beim Essen gab sie sich locker und plauderte vor allem mit den Kindern. Gelegentlich machte sie Simon gegenüber eine Bemerkung, stellte dabei allerdings jedes Mal fest, dass er mit den Gedanken ganz woanders war. Deshalb gab sie es schließlich auf.

Vermutlich hatte er mit dem Jetlag zu kämpfen. Wenn sie erst am Morgen in Sydney gelandet, danach drei Stunden mit dem Wagen gefahren und danach noch eine Weile am Strand geturnt hätte, wäre sie völlig erschöpft gewesen.

Er hatte mit ihr Radschlagen und Salto rückwärts gemacht, wollte jedoch nicht einmal eine halbe Stunde mit ihrem Sohn Kricket spielen? Was war er nur für ein seltsamer Mensch?

Und wie dumm war sie eigentlich? Was hatte sie veranlasst, ihm Felices Zimmer zu überlassen? Am liebsten hätte sie ihr Angebot zurückgezogen und ihn aufgefordert, sich in einem Hotel einzuquartieren. Dass er ihr das Gefühl vermittelt hatte, sie wäre der Mittelpunkt seiner Welt, schön und begehrenswert, hätte sie am liebsten verdrängt. Allerdings fiel es ihr schwer, wenn er ihr gegenübersaß.

Ihr Verstand sagte ihr, dass sie überreagierte, wenn sie Simon hinauswarf. Er und Felice mussten sich aussprechen und wieder zueinanderfinden. Instinktiv wusste sie, dass es wichtig für ihre Schwägerin war – und somit auch für Danny und für sie.

Außerdem hätte sie damit zugegeben, dass sie seinem Kuss zu viel Bedeutung beimaß.

Und das war nicht der Fall – jetzt jedenfalls nicht mehr.

Als sie ihn jedoch ansah, konnte sie sich nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal jemanden derart missverstanden hatte.

„Willst du die beiden wirklich die ganze Nacht allein im Zelt schlafen lassen?“, fragte Simon, nachdem Jesse und Nick, bewaffnet mit ihren Spielkonsolen, Taschenlampen und Popcorn, ins Zelt gekrochen waren.

„Länger als bis halb zehn halten sie es sowieso nicht aus. Sie machen sich immer gegenseitig mit irgendwelchen Gruselgeschichten Angst und ziehen dann mit ihren Schlafsäcken ins Wohnzimmer um. Warum? Hast du ein Problem damit, wenn Kinder im Zelt übernachten?“

Er zuckte die Schultern. „Ich dachte nur, es wäre vielleicht gefährlich.“

Die Sonne war mittlerweile untergegangen. Da das Licht, das aus dem Haus fiel, Schatten auf sein Gesicht warf, konnte Kate seine Miene nicht deuten. „Inwiefern?“

„Keine Ahnung. Ein Baum könnte auf das Zelt stürzen, sie könnten von einer giftigen Spinne gebissen oder von jemandem entführt werden.“

„All das könnte auch tagsüber passieren“, erklärte sie.

Nun schob er seinen Stuhl zurück und sprang auf. „Ich gehe schlafen.“

Als er ins Haus ging, wünschte sie ihm keine gute Nacht. Sie hatte sich ihm viel zu früh und zu schnell geöffnet und musste jetzt unbedingt auf Distanz zu ihm gehen.

Und den Mund zu halten war ein guter Anfang.

4. KAPITEL

Der Samstag versprach ein genauso herrlicher Tag zu werden wie der Freitag. Als Simon am Morgen die Augen öffnete, fiel das Sonnenlicht durch das offene Fenster auf sein Bett.

In diesem Moment wurde ihm schlagartig klar, dass er sich nicht mit Kate Petherbridge einlassen durfte, weder für einen Urlaubsflirt noch für eine langfristige Beziehung.

Abrupt setzte er sich auf und strich sich erst übers Gesicht und dann durchs Haar. Vor allem nicht für eine langfristige Beziehung!

Nachdem er die Decke zurückgeschlagen hatte, setzte er sich auf die Bettkante und stützte den Kopf in die Hände. Mit alleinerziehenden Müttern fing er grundsätzlich nichts an.

Die seltsame Magie, die er am Vortag am Strand verspürt hatte … Er durfte nicht daran denken. Vermutlich hatte es an seiner Erleichterung darüber gelegen, dass er endlich von Felice gehört hatte, und an der unerwarteten Begegnung in einer ganz anderen Welt mit einer lebenslustigen Frau, die sich nicht um seinen Titel scherte.

Das alles musste ihm zu Kopf gestiegen sein.

Nun, da er ausgeschlafen war, sah er es viel nüchterner. Als er jedoch aufstand, um ins Bad zu gehen, konnte er sich nicht entsinnen, wann er seinen Körper das letzte Mal so intensiv gespürt und sich so lebendig gefühlt hatte. Nelson Bay schien tatsächlich ein magischer Ort zu sein.

Schnell verdrängte Simon diesen Gedanken wieder. Er glaubte nicht an Märchen.

Und er ließ sich nicht mit alleinerziehenden Müttern ein.

Diesen Grundsatz rief er sich ins Gedächtnis, als er eine Viertelstunde später in die Küche ging. Und prompt vergaß er ihn wieder.

Kate und Jesse saßen am Küchentisch, und die Morgensonne, die durch alle Fenster fiel, ließ ihr goldblondes Haar aufleuchten. Tatsächlich schien dieser Raum nur aus Fenstern zu bestehen. Simon blinzelte, doch die beiden waren so viel Sonne offenbar gewohnt und unterhielten sich angeregt miteinander. Noch nie hatte er sich so danach gesehnt, sich an einem Gespräch zu beteiligen wie in diesem Moment.

Als hätten sie seine Anwesenheit gespürt, verstummten nun beide und drehten sich zu ihm um, um ihn argwöhnisch zu betrachten. Simon fiel auf, wie übernächtigt Kate wirkte.

„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn, ohne zu lächeln.

„Guten Morgen“, folgte Jesse ihrem Beispiel.

Der Kleine war offenbar ein liebes Kind – ein Grund mehr, sich von ihm fernzuhalten. „Guten Morgen“, erwiderte Simon zögernd.

Kate deutete auf den Tresen, auf dem mehrere Packungen mit Müsli standen. „Bedien dich“, ermunterte sie ihn. „Toast findest du im Brotkasten, und der Kaffee ist in der Kanne.“

„Danke.“

Dann wandte sie sich wieder an Jesse und sprach weiter, ohne ihn zu beachten. Simon krampfte sich der Magen zusammen. Am Vortag hatte er in der Gegenwart dieser Frau so etwas wie Glück empfunden. Wahrscheinlich war es nur eine Illusion gewesen, die Folge des Jetlags und seiner Erleichterung … und eines leidenschaftlichen Kusses.

Simon lockerte die Schultern, während er den Blick zu Jesse schweifen ließ. Er musste den Kuss vergessen!

Nachdem er sich Kaffee eingeschenkt hatte, blieb er zögernd am anderen Ende des Tisches stehen. Als die Unterhaltung der beiden daraufhin erneut ins Stocken geriet und Kate sich verspannte, zwang er sich, auf die Terrasse zu gehen.

Aus irgendeinem Grund musste er beim Anblick des alten runden Tisches und den bunt zusammengewürfelten Stühlen lächeln. Inzwischen hatte er hier genügend Räume gesehen, um zu wissen, dass Kate nicht auf sein Anwesen passen würde. Vermutlich wären die kostbaren Antiquitäten ihr viel zu unpraktisch und die Sitzmöbel zu unbequem gewesen. Ihr Haus war eines, in dem gelebt wurde.

Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er auch gut auf Antiquitäten verzichten konnte.

Im nächsten Moment steckte Kate den Kopf zur Tür heraus. „Wenn du heute immer noch mit rausfahren möchtest …“

„Ja“, antwortete Simon sofort. Er durfte sich nicht mit ihr einlassen, aber er konnte wenigstens auf ihrem Boot mitfahren.

„In einer halben Stunde geht’s los.“

„Ich bin dann fertig“, versprach er.

Sie ließ den Blick zu seinem Becher schweifen, forderte ihn allerdings nicht auf, doch etwas zu essen. Als sie wieder verschwand, hatte sie nicht einmal gelächelt.

„Bist du fertig?“

Unvermittelt sprang Simon auf. „Ja.“ Er folgte Kate und Jesse über den abschüssigen Rasen nach unten zu einigen Holzstufen, die ihm vorher gar nicht aufgefallen waren. Diese führten durch den angrenzenden Park, in dem Flammen- und Jakarandabäume standen, zum Strand.

Unwillkürlich ging er langsamer, als er die wunderschöne geschützte Bucht sah. „Toll!“, entfuhr es ihm.

„Da ist Dutchman’s Beach“, erklärte Kate kühl und führte ihn weiter den Weg entlang, während Jesse zum Strand rannte. „Hinter der Landzunge dort ist der Jachthafen, wo wir jetzt hingehen. Weiter hinten liegen Nelson Bay und Little Beach, wo wir …“

Angespannt wartete er darauf, dass sie sagte: Wo wir uns geküsst haben. Und sofort glaubte er sie wieder zu spüren, ihre weiche Haut und die Süße ihrer Lippen …

„Wo wir gestern waren.“

Das Beben ihrer Stimme bewies ihm, dass Kate auch an den Kuss dachte. Als er sich jedoch ins Gedächtnis rief, was sie danach zu ihm gesagt hatte, hatte er das Gefühl, dass ein zentnerschweres Gewicht auf seinen Schultern lastete.

„Die Bucht ist weitgehend Naturschutzgebiet“, sprach sie nun mit fester Stimme weiter. „Im Jachthafen und am Strand in Nelson Bay ist Angeln zum Beispiel verboten, genauso wie hier das Sammeln von Muscheln und Seetang.“

Genauso wie es für ihn verboten war, sie zu küssen.

Sie setzte ihren Vortrag fort, doch er konzentrierte sich darauf, die Hände bei sich zu behalten und an den richtigen Stellen beifällige Laute von sich zu geben.

„Pass auf, wohin du trittst!“, rief sie ihm schließlich zu, als sie an Bord der Merry Dolphin gingen.

Vermutlich war Kate genauso erleichtert wie er, dass sie ihr Ziel endlich erreicht hatten. Er folgte ihr eine steile Treppe hinunter und dann einen kurzen Gang entlang auf das großzügig bemessene Unterdeck.

„Weißt du was, Mum?“ Jesse saß bereits am Tresen einer kleinen Bar. „Onkel Archie hat gestern so einen großen Schnapper gefangen.“ Er breitete die Arme aus.

Dem Ausdruck in seinen Augen nach zu urteilen, angelte der Junge genauso gern, wie er Kricket spielte.

„Wahnsinn!“, bemerkte Kate.

Hinter dem Tresen stand ein grauhaariger Mann.

„Archie, das ist Simon, Felices Bruder.“

Simon schüttelte ihm die Hand.

„Archie ist mein Geschäftspartner“, fuhr sie an Simon gewandt fort, ohne ihn dabei anzusehen. „Damals hat er die Firma mit meinem Vater zusammen gegründet.“

„Hast du deine neue Angel benutzt?“, erkundigte sich Jesse. „Und hast du ein Foto gemacht?“

„Klar habe ich ein Foto geschossen. Es ist oben. Möchtest du es sehen?“

Als Jesse nickte, hob Archie ihn vom Hocker. Nachdem er Simon zugezwinkert hatte, verschwand er mit ihm in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Sofort ging Kate hinter den Tresen und begann, den Kühlschrank aufzufüllen.

Mit finsterer Miene blickte Simon Archie nach. Anders als er hatte dieser offenbar ein Händchen für Kinder.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Simon?“

Als er zu ihr herumfuhr, betrachtete sie ihn starr.

„Ja.“ Er setzte seine gewohnt höfliche Maske auf. „Schönes Boot.“ Erst jetzt fiel ihm auf, wie groß es war. „Du meine Güte, wie lang ist es eigentlich?“

„19,8 Meter.“ Zum ersten Mal an diesem Tag umspielte ein Lächeln ihre Lippen.

Schnell wandte er den Blick von ihrem Mund ab und ließ ihn durch das Unterdeck schweifen.

Gegenüber von der Bar zu seiner Linken befand sich auf der rechten Seite eine Nische mit einem Wasserkocher und einer Kaffeemaschine. Im Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, schimmerten die Messingteile und die polierten Holzoberflächen, die mit dem dunkelbraunen Teppich harmonierten. Zwischen zwei Reihen Tischen gelangte man zu einer kleinen Leiter und von dort zu einer Glasschiebetür, die aufs Vordeck führte.

Simon trat an eines der Fenster, öffnete es und blickte hinaus. Das Wasser war so klar, dass er den Sand und die Steine auf dem Grund erkennen konnte. „Wow!“ Er drehte sich zu Kate um. „Ich kann mir vorstellen, wie schön Felice es hier findet.“

Nun lächelte sie. „Ja, es gefällt ihr sehr.“

Obwohl er wusste, dass ihr Lächeln seiner Schwester galt, ging es ihm durch und durch. Noch mehr setzte ihm allerdings der argwöhnische Ausdruck zu, der ihr dann in die Augen trat.

„Hallo, Kate.“

Sie wirbelte zu dem Mann herum, der gerade an Bord gekommen war. „Hallo, Pete. Pete ist heute unser drittes Crewmitglied“, fuhr sie an Simon gewandt fort. „Pete, das ist Simon, Felices Bruder.“

„Hallo, Simon“, begrüßte Pete ihn freundlich lächelnd. „Ist Jesse oben?“

„Ja.“

Nachdem er ihnen zugenickt hatte, verschwand er ebenfalls nach oben.

Simon räusperte sich nervös. „Du brauchst also drei Leute an Bord?“

„In der Woche reichen auch zwei, aber in den Schulferien und an den Wochenenden brauche ich noch jemanden, der mir mit den Kindern hilft.“

Es schien ihm, als hätte sie das ganz bewusst gesagt. Auf jeden Fall kostete sie ihre Worte aus.

„Jemand muss sie im Auge behalten, wenn sie in den Netzen sind.“

„In den Netzen?“

Kate bedeutete ihm, nach draußen zu folgen. Dort deutete sie auf mehrere, von Metallrahmen gehaltene Netze, die am hinteren Teil an der Bordwand befestigt waren. „Darin werden die Kinder durchs Wasser gezogen.“

„Ist das nicht gefährlich?“, fragte er, ohne den vorwurfsvollen Unterton verhindern zu können.

Entnervt verdrehte sie die Augen. „Du bist eine richtige Spaßbremse!“

Simon schob die Hände in die Taschen. Seiner Ansicht nach gab es Schlimmeres.

„Die Kinder finden es jedenfalls toll.“

Darauf wettete er. Er nahm sich vor, sich vom Heck fernzuhalten, wenn die Netze im Wasser waren – und von den Kindern.

„Hattest du nicht gesagt, Danny würde mit dir zusammenarbeiten?“

„Das tut er auch.“ Ohne ihn anzusehen, ging sie wieder unter Deck.

„Aber heute ist er nicht hier?“ Er wusste selbst nicht, warum er so beharrlich nachfragte.

„Nein, er hat Urlaub.“

Simon lehnte sich an die Bar und beobachtete, wie Kate den Kühlschrank, in den ohnehin kaum noch etwas passte, weiter auffüllte.

„In den Schulferien arbeitet er immer voll und nimmt danach zwei Wochen frei, um mit seinen Freunden zum Surfen zu fahren.“ Nun stand sie auf und wischte sich die Hände an ihren Shorts ab. „Er ist Mittwoch gefahren. Vielleicht siehst du ihn vor deiner Abreise noch.“

Noch immer blickte sie ihn nicht an. Plötzlich wurde ihm kalt. Felice war ebenfalls verreist …

„Und wann ist Felice gefahren?“

Trotzig hob Kate das Kinn. „Auch am Mittwoch.“

Sein Puls beschleunigte sich. „Sind Danny und Felice …?“

Daraufhin verschränkte sie die Arme und zog eine Braue hoch. „Ob sie ein Paar sind? Allerdings.“

Am liebsten hätte Simon sie geschüttelt. „Und du hast es gestern nicht für nötig befunden, mir das zu erzählen?“

„Genauso wenig wie du es für nötig befunden hast, mir zu sagen, dass du nichts mit Kindern anfangen kannst“, konterte sie. „Und warum? Weil es dir gestern am Strand nicht wichtig erschien, stimmt’s?“

Sie hatte recht. „Wie alt ist Danny?“

„Dreiundzwanzig.“

Erleichterung überkam ihn. Beide waren Anfang zwanzig. Wahrscheinlich handelte es sich nur um einen harmlosen Urlaubsflirt.

Im nächsten Moment kamen Jesse, Archie und Pete die Treppe herunter.

„Es wird Zeit“, meinte Archie.

„Oh!“ Nachdem Kate auf ihre Armbanduhr geblickt hatte, nahm sie ein Klemmbrett aus einem Fach unter dem Tresen. „Wir müssen die Teilnehmer zählen“, erklärte sie Simon. „Möchtest du zuerst ans Steuer?“, rief sie dann Archie zu.

„Nein, geh du. Ich übernehme die erste Schicht an der Bar.“ Er sah Simon an. „Vielleicht spanne ich Felices Bruder auch ein.“

„Kannst du Kaffee und Tee kochen?“, erkundigte sie sich skeptisch.

„Sicher.“ Ob sie ihm endlich ein Lächeln schenken würde, wenn er den ganzen Tag Tee und Kaffee machte?

„Gut. Für unsere erste Tour sind rund vierzig Teilnehmer angemeldet. Du wirst also alle Hände voll zu tun haben.“

Simon folgte ihr nach draußen, wo sie auf die Treppe deutete. „Wenn du willst, kannst du jetzt auf dem Oberdeck nach dem Rechten sehen.“

Dann sprang sie auf den Anlegesteg und überließ ihn sich selbst.

Vom Oberdeck aus konnte man in alle Richtungen blicken. Ein Dach aus Fiberglas spendete Schatten, und man konnte entweder auf den gepolsterten Bänken an der Bordwand Platz nehmen oder sich an einer der hohen Stangen festhalten. Er trat neben das Steuer und stellte sich Kate dort vor.

Als er zum Anlegesteg blickte, sah er, wie Kate dort lächelnd die Fahrgäste begrüßte. Nachdem er sie eine Weile fasziniert betrachtet hatte, ging er zu Archie an die Bar.

Am Ende der ersten Tour sprangen Kate und Jesse auf den Anlegesteg. Simon wäre ihnen am liebsten gefolgt, doch ihre Haltung verriet, dass Kate es nicht wollte.

So hatte sie ihn den ganzen Vormittag auf Abstand gehalten. Verdammt, fluchte er im Stillen. Konnte sie ihn nicht wenigstens einmal anlächeln, wenn er sie schon nicht küssen durfte? Auch wenn er nicht mit Kindern umgehen konnte, war er doch noch immer derselbe Mann, mit dem sie am Vortag herumgealbert hatte.

Er konnte den Blick einfach nicht von ihr abwenden. Im gleißenden Licht der Mittagssonne schimmerte sie gold- und marinefarben. Marinefarben waren ihr Poloshirt mit dem aufgestickten Emblem der Merry Dolphin und ihre Shorts, golden ihr Haar, ihr Teint und … ihr Lächeln.

Nur leider galt es nicht ihm, wie er erschrocken feststellte, sondern einem blonden, muskulösen Surfertypen, der ihr ebenfalls lächelnd zuwinkte, als sie auf ihn zuging. Zorn wallte in ihm auf.

Als Jesse auf den Mann zurannte, hob dieser ihn hoch und wirbelte ihn herum.

War er sein Vater?

Als der Mann dann den Kopf neigte, um Kate auf die Wange zu küssen und sie mit dem freien Arm zu drücken, ballte Simon unwillkürlich die Hände zu Fäusten und unterdrückte den Drang, den blonden, muskulösen Surfertypen, der so … perfekt zu ihr passte, zusammenzuschlagen.

„Das ist Paul“, informierte Archie ihn mit einem Blick auf seine Hände.

Schnell schob Simon sie in die Taschen.

„Er ist Jesses Dad. Netter Kerl.“

Simon nickte nur. Es stand ihm nicht zu, eifersüchtig zu sein, doch er konnte sich nicht dagegen wehren.

„Kate und er sind immer noch gute Freunde.“ Forschend betrachtete Archie ihn mit seinen hellblauen Augen. „Rein platonische, versteht sich.“

„Das geht mich nichts an“, erwiderte Simon angespannt.

„Tatsächlich?“ Der ältere Mann lachte wissend. „Ich habe den Eindruck, dass du wünschst, es wäre nicht so.“

Wie gebannt betrachtete Simon die drei auf dem Anlegesteg. Welches Wort hatte Kate noch am Vortag benutzt?

Bingo?

Die zweite Tour hatte begonnen. Simon versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Wie viel Tee und Kaffee musste er noch kochen, um sich wenigstens ein Lächeln zu verdienen? Allerdings hatte er sich während der ersten Tour unter Deck aufgehalten, ihren Ausführungen über Lautsprecher gelauscht und sich dem Klang ihrer Stimme hingegeben.

Nun hatten sie die Hälfte der zweiten Tour hinter sich, und Kate und Archie hatten die Plätze getauscht. Sie stand direkt neben ihm hinter der Bar und würdigte ihn keines Blickes. Dabei hatte sie momentan nicht einmal zu tun, denn die Teilnehmer sahen alle aus dem Fenster und bewunderten die Delfine.

„Du lässt einen Mann am ausgestreckten Arm verhungern, wenn du sauer auf ihn bist, stimmt’s?“

Die Worte waren ihm einfach herausgerutscht, und als Kate ihn entgeistert anblickte, verspürte Simon eine gewisse Genugtuung.

Wütend verschränkte sie die Arme und funkelte ihn an. „Ich bin nicht sauer.“

„Na, dann möchte ich dich mal erleben, wenn du richtig außer dir bist.“

Nun deutete sie auf die Lautsprecher. „Ich dachte, du möchtest Archies Erklärungen hören.“

„Warum sollte ich das? Ich habe doch schon deine gehört. Ich weiß, dass wir jetzt in die Shoal Bay einlaufen und Hawkes Nest und Tea Garden dahinten liegen. Ich weiß, dass Delfine eine Lebenserwartung von vierzig bis fünfundvierzig Jahren haben und jeden Tag sechs bis acht Kilo Fisch fressen.“

Kate blinzelte.

Am liebsten hätte er mit der Faust auf den Tresen gehauen. Hätte er am Vortag mit Jesse Kricket gespielt, hätte sie jetzt mit ihm gescherzt und gelacht. Vielleicht hätte sie sich sogar zu einem zweiten Kuss hinreißen lassen.

Hätte er Jesse bloß keine Abfuhr erteilt!

Erneut überlief es ihn eiskalt. Nein, er hätte nicht mit Jesse spielen können – jedenfalls nicht am Strand und auch nicht allein.

Schnell verdrängte Simon den Gedanken wieder. Dass Kate sich von ihm zurückzog, konnte er verstehen.

„Entschuldigen Sie, aber Sie wissen nicht zufällig den aktuellen Testscore, oder?“

Ein älterer Passagier hatte sich von seiner Frau weggeschlichen und ihm die Frage zugeraunt.

„Ihn dürfen Sie nicht fragen“, mischte Kate sich sarkastisch ein. „Er hat keine Ahnung. Er mag Kricket nicht einmal.“

Ja, das stimmte. Aber nur, weil …

Sie klappte ihr Handy auf und blickte aufs Display. „Die Aussies liegen in Führung.“ Dann klappte sie es wieder zu. „Sieht so aus, als …“

„Vielen Dank!“ Der Mann lächelte sie an und hielt dabei den Daumen hoch, bevor er sich zu seiner Frau zurückschlich.

„Das war nicht fair!“, beschwerte sich Simon.

„Nein?“ Gespielt zerknirscht zog Kate die Brauen hoch. „Entschuldige.“

Demonstrativ wandte sie sich ab. Als er verzweifelt die Augen schloss und tief durchatmete, stieg ihm ihr Duft in die Nase. Vermischt mit dem Geruch des Meeres und dem Kokosduft der Sonnencreme, übte er eine seltsam erotisierende Wirkung auf ihn aus. Heißes Verlangen flammte in ihm auf, und sein Mund wurde ganz trocken.

Simon zwang sich, die Lider wieder zu öffnen. Er musste sich zusammenreißen. „Hör zu“, begann er. „Es tut mir leid, dass ich gestern nicht mit Jesse Kricket gespielt habe. Aber ich musste einige Anrufe tätigen und E-Mails schreiben. Schließlich leite ich ein Gut und muss einiges … organisieren.“

„Und das hätte nicht eine halbe Stunde warten können?“, erkundigte Kate sich scharf, ohne sich zu ihm umzudrehen.

„Außerdem hat mir der Jetlag zu schaffen gemacht.“ Ihm war klar, dass es keinen Sinn hatte, sich herauszureden.

Nun wirbelte sie zu ihm herum, die Hände in die Hüften gestemmt. „Na gut. Aber Jesse hat es nicht so gesehen.“

Ärgerlich straffte er sich. Wie, zum Teufel, sollte er ahnen, was in einem Kind vorging? Sie sah aus, als würde sie gleich auf ihn losgehen. Sie sah toll aus. Er wurde schwach. „Und wie hat er es gesehen?“

„Er hängt sehr an Felice. Die beiden spielen ständig Kricket und Fußball am Strand. Er wollte einfach nur Spaß mit ihrem Bruder haben.“

Resigniert schob er die Hände in die Hosentaschen. Er konnte sich überhaupt nicht in Kinder hineinversetzen, und dieser Vorfall bewies erneut, dass er sich am besten von ihnen fernhielt.

„Aber es geht gar nicht darum, dass du nicht mit ihm spielen wolltest, sondern um die Art, wie du ihn zurückgewiesen hast.“

Kate hatte einen Schritt auf ihn zu gemacht und tippte ihm nun auf die Brust. Doch sobald sie ihn berührte, erstarrte sie. Simon erstarrte auch. Unter ihrem Blick krampfte sich alles in ihm zusammen.

„Kate!“

Schnell ließ sie die Hand sinken und wich so weit zurück, wie es auf dem engen Raum möglich war. Als er dann ihrem Blick begegnete, verspannte er sich noch mehr. Sie wollte ihn immer noch. Trotz allem. Und sie litt genauso wie er.

Nein, es durfte nicht sein.

Diese Frau und er passten einfach nicht zusammen.

Außerdem hatte sie einen Sohn. Jesse.

Als Kate blinzelte, wurde Simon bewusst, dass er dessen Namen laut ausgesprochen hatte. „Es lag also an der Art, wie ich ihn zurückgewiesen habe?“, wiederholte er schroff.

„Genau.“ Wieder funkelte sie ihn wütend an. Offenbar ließ sie irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck innehalten. „Du erinnerst dich nicht einmal daran, stimmt’s?“

Angestrengt versuchte er sich zu erinnern. Er wusste nur noch, dass nackte Panik ihn überkommen hatte.

„Du hast ihn entsetzt angesehen und ihm dann ein Nein vor den Latz geknallt. Wenn das einem Kind keine Angst macht …“

Sie hatte recht. Er erinnerte sich wirklich nicht mehr daran. Allerdings konnte er sich jetzt nicht mehr mit seinem Jetlag herausreden.

„Wie wäre dir denn zumute gewesen, wenn ich so auf deine Einladung zum Essen reagiert hätte?“

Er wusste noch genau, wie er sich gefühlt hatte, als sie ihm gesagt hatte, er könnte den Restaurantbesuch vergessen.

„Es wäre unverzeihlich gewesen. Findest du nicht, dass Kinder wenigstens etwas Höflichkeit verdient haben?“

Ihre Ausführungen schockierten ihn. War er wirklich so taktlos gewesen? „Es tut mir wirklich leid. Ich wollte Jesse nicht kränken oder ihm Angst machen. Ich …“ Er konnte und wollte es einfach nicht erklären. „Ich werde mich bei ihm entschuldigen.“ Es war das Mindeste, was er tun konnte.

„Nein, das wirst du nicht. Halte dich von ihm fern. Er ist erst sieben und kann es nicht gebrauchen, wenn Leute wie du ihn durcheinanderbringen.“

Auch in diesem Punkt musste er ihr recht geben.

„Na gut.“ Simon nickte. „Ich möchte niemanden durcheinanderbringen und auch niemandem wehtun.“

Kate hatte sich allerdings schon abgewandt, und er bezweifelte, dass sie überhaupt zugehört hatte.

Auch das konnte er ihr nicht verdenken, denn was man wollte und was man tat, war nicht immer dasselbe.

Inzwischen befanden sie sich auf der dritten Tour. Kate hatte Kopfschmerzen, als sie schließlich das Mikrofon abschaltete. Simons Nähe verwirrte sie, und sie fragte sich, ob dieser Tag überhaupt enden würde.

Eigentlich war sie froh darüber, dass Jesse einige Tage bei seinem Vater verbringen würde – zumindest redete sie es sich ein. So wäre er nicht zu Hause und würde auch die angespannte Atmosphäre zwischen Simon und ihr nicht bemerken. Und sie würde nicht krampfhaft versuchen müssen, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Außerdem würde Simon ihn nicht wieder so rüde zurückweisen können.

Sie rief sich seinen Gesichtsausdruck ins Gedächtnis, als sie Simon zur Rede gestellt hatte. Offenbar war ihm überhaupt nicht klar gewesen, dass er Jesse verletzt hatte. Und als es ihm bewusst geworden war …

Nein, daran wollte sie nicht denken. Und sie wollte auch nicht mehr auf ihren Instinkt hören, weil dieser sie getrogen hatte.

Wenn Jesse einige Tage bei Paul verbrachte, wäre sie allerdings mit Simon allein.

Kate schluckte, während sie die Merry Dolphin in die Mitte der Bucht steuerte. Sie würde nicht in Panik geraten. Sie durfte nur nicht vergessen, dass Simon ein Lord war, der keine Kinder mochte, und sie eine alleinerziehende Mutter, die ihren Sohn über alles liebte.

Als sie merkte, dass sie eine finstere Miene machte, setzte sie schnell ein Lächeln auf. Dann hielt sie noch einmal nach Delfinen Ausschau. In zehn Minuten würde sie zum Jachthafen zurückkehren können.

Kate blickte sich unter den Gästen um. Leider übertrug sich deren Urlaubsstimmung nicht auf sie. Und auch Mr. Kennedy wirkte nicht besonders entspannt. Er sah aus, als wäre er seekrank.

Nachdem sie das Tempo ein wenig gedrosselt hatte, betrachtete sie ihn wieder. An diesem Tag war es fast windstill, und das Boot lag ruhig am Wasser. Aber manche Leute wurden sogar in der Badewanne seekrank, wie ihr Vater zu sagen gepflegt hatte.

Mrs. Kennedy merkte offenbar nichts von alldem. Als Kate beobachtete, wie er aschfahl wurde, und er in ihre Richtung sah, deutete sie auf die Papiertüten, die sie für alle Fälle immer dabeihatte. Er schüttelte den Kopf.

„Wir legen in weniger als zehn Minuten an“, beruhigte sie ihn. „Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie das Gesicht in den Fahrtwind halten.“ Dann deutete sie auf die freien Reservesitze am Heck.

Mr. Kennedy nickte und stand auf. Doch in dem Moment wurde er kreidebleich. Stöhnend fasste er sich an die Brust und taumelte nach vorn.

Geistesgegenwärtig stürzte sie auf ihn zu und fing ihn auf, um ihn dann vorsichtig aufs Deck zu legen, was sich wegen seiner Leibesfülle als schwierig gestaltete. Mrs. Kennedy, die auch herbeigeeilt war, kniete sich neben sie und rief seinen Namen, während sie ihn schüttelte.

„Archie, ich brauche dich hier“, rief Kate ihren Mitarbeiter über Mikrofon und kümmerte sich wieder um Mr. Kennedy, nachdem sie den Motor in den Leerlauf geschaltet hatte.

Er hatte einen Herzinfarkt!

Ihr wurde eiskalt, und ihre Arme und Beine schienen ihr plötzlich nicht mehr zu gehorchen. Aber sie musste sich zusammenreißen. „Bitte treten Sie zurück, und setzen Sie sich wieder!“, wies sie die Fahrgäste an, die sich um das Ehepaar versammelt hatten.

Im nächsten Moment kam Archie angelaufen. Er stellte sich sofort ans Steuer und fuhr weiter. „Ich rufe den Notarzt.“

Kate nickte, bevor sie Mr. Kennedy den Puls fühlte. Dieser war schwach, doch der alte Mann atmete noch. „Bitte kehren Sie auf Ihre Plätze zurück“, forderte sie die Umstehenden erneut auf. Ihre Stimme bebte verdächtig, und sie merkte, wie sie die Kontrolle über die Situation zu verlieren drohte.

Dann erschien Simon an ihrer Seite, um die Schaulustigen zurückzuscheuchen. Nun konnte sie Mr. Kennedy in die stabile Seitenlage bringen.

„Was ist mit ihm?“, fragte seine Frau hysterisch, während sie ihren Arm umklammerte. „Wird er wieder gesund? Was machen Sie da?“

Nun kümmerte sich Simon um die alte Dame, sodass Kate dem Sanitäter am Telefon die Symptome schildern konnte. Sie schloss die Augen und betete, dass Mr. Kennedy es bis zum Anlegesteg schaffte, wo der Notarzt auf ihn warten würde. Zwar besuchte sie alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs, aber bisher hatte sie ihre Kenntnisse noch nie anwenden müssen.

„Kate?“

Sofort öffnete sie die Lider.

„Ist es in Ordnung, wenn seine Frau ihm die Hand hält?“, erkundigte Simon sich sanft.

Ängstlich blickte die alte Dame sie an, doch äußerlich wirkte sie gefasst. Kate hatte keine Ahnung, wie er das geschafft hatte, doch sie hätte ihn am liebsten dafür umarmt.

Sie nickte, bevor sie ein Stück wegrückte, damit Mrs. Kennedy ihren Platz einnehmen und die Hand ihres Mannes nehmen konnte. „Kann er mich hören?“ Die alte Dame berührte sie am Arm, während sie sie flehend ansah.

„Ich weiß es nicht“, gestand Kate. „Bisher hatte ich nur einmal einen Schwächeanfall. Aber ich habe alles mitbekommen, obwohl ich mich nicht bewegen konnte.“

„Sagen Sie ihm doch, dass alles gut wird“, ermunterte Simon sie. „Dass im Hafen ein Rettungswagen auf ihn wartet und Sie ihn ins Krankenhaus begleiten.“

Genau das tat die alte Dame dann auch, während sie ihrem Mann das Haar aus der Stirn strich. Wieder hätte Kate Simon am liebsten umarmt. Über Mrs. Kennedys Kopf hinweg sah sie ihn an. Seine Gegenwart bewirkte, dass ihre Panik allmählich nachließ.

„Soll ich noch etwas machen, Kate? Ich habe einen Ersthelferschein.“

„Er hat einen Herzinfarkt“, flüsterte sie ihm zu, damit er wusste, worum es ging.

„Kate“, meldete sich Archie im nächsten Moment zu Wort, „wir sind gleich da. Ich fahre ziemlich schnell.“

„Kommst du hier klar?“, wandte sie sich daraufhin an Simon.

„Ja.“

Die Ruhe, die er ausstrahlte, verlieh ihr die nötige Kraft. Sie sprang auf und trat ans Mikrofon. „Okay, Leute, wir haben hier auf dem Oberdeck einen Notfall. Halten Sie sich gleich fest, denn wir laufen mit höherer Fahrtgeschwindigkeit als sonst in den Hafen ein. Bleiben Sie bitte auf Ihren Plätzen, bis die Sanitäter das Boot mit dem Fahrgast wieder verlassen haben.“

Sobald Archie die Merry Dolphin vertäut hatte, übergaben sie das Ehepaar Kennedy an das Rettungsteam. Dankbar umarmte die alte Dame Kate. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Sie haben so schnell reagiert.“ Dann verschwand sie.

Kate atmete tief durch, bevor sie sich wieder an Simon wandte. „Ich möchte mich bei dir bedanken. Was du getan hast …“

Lässig zuckte er die Schultern. „Ich habe nur die Schaulustigen in Schach gehalten.“

„Du hast mir sehr geholfen.“ Simon und sie hatten Hand in Hand gearbeitet. Allerdings änderte es nichts zwischen ihnen, wie sie sich einzureden versuchte.

„Du hast getan, was du konntest, und warst dabei sehr souverän, Kate.“

Sie bezweifelte, dass sie die Situation so gut im Griff gehabt hätte, wenn er nicht da gewesen wäre.

„Aber es freut mich, dass ich dir helfen konnte.“ Er wandte sich ab, um wieder an Bord zu springen.

Nach kurzem Zögern folgte sie ihm.

Die vierte Tour. Inzwischen hatte sie richtige Migräne. Simon und sie arbeiteten Seite an Seite an der Bar und redeten nur das Nötigste miteinander. Doch obwohl jeder von ihnen sich der Nähe des anderen überdeutlich bewusst war, hatte die Atmosphäre sich merklich entspannt. Und das verhieß nichts Gutes, wie Kate fand.

5. KAPITEL

Als Simon die Küche betrat, krampfte ihr Magen sich zusammen, doch Kate drehte sich nicht um.

„Kaffee?“, fragte sie ruhig. „Oder lieber ein Bier?“

Er hatte sich beides verdient. Auch heute hatte er darauf bestanden, sie auf der Merry Dolphin zu begleiten, und wie sie bis zum frühen Nachmittag gearbeitet. Um sich für ihre Gastfreundschaft zu revanchieren, wie er gesagt hatte.

Allerdings war es diesmal viel entspannter gewesen. Statt jeden ihrer Schritte zu verfolgen, hatte er mit den Fahrgästen geplaudert und gescherzt, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

Das hatte sie ins Zweifeln gebracht.

Den Kindern war er jedoch immer noch aus dem Weg gegangen.

„Ein Bier wäre toll. Ich nehme mir eins“, meinte er, als sie zum Kühlschrank gehen wollte. „Du brauchst mich nicht zu bedienen.“

Angelegentlich betrachtete sie ihre Füße, während er die Küche durchquerte. Dann warf sie ihm einen verstohlenen Blick zu.

Du meine Güte! Ihr wurde so heiß, dass sie sich Luft zufächeln musste. Er hatte wirklich einen knackigen Hintern!

„Möchtest du auch eins?“

Ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen, und sie fühlte sich ertappt. Sie schüttelte den Kopf und deutete auf die Kaffeemaschine, durch die gerade das Wasser lief. Vergeblich versuchte sie, sich der Wirkung zu entziehen, die er auf sie ausübte. Er hatte gerade geduscht und sich umgezogen. Sein feuchtes Haar und sein nach zwei Tagen in der Sonne schon dunklerer Teint ließen ihn frisch und vital wirken. Schnell sah sie weg, als Simon zum Tisch schlenderte und sich dagegenlehnte.

Sein maskuliner Duft belebte sie.

Heute hatte er die Kinder nicht mit finsterer Miene betrachtet.

Nein, sie durfte sich keine falschen Hoffnungen machen. Das Ganze war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Was hätte sich in zwei Wochen auch zwischen ihnen entwickeln sollen?

Kate straffte sich. „Mrs. Kennedy hat gerade angerufen. Ihr Mann wird wieder gesund. Es war nur ein leichter Anfall – ein Warnschuss, wie sie es ausgedrückt hat.“

„Sicher ist sie sehr erleichtert.“

„Stimmt.“ Es fiel ihr schwer, ihn nicht anzublicken. „Sie lässt dir noch einmal ihren Dank ausrichten.“

„Keine Ursache.“

„Das habe ich ihr auch gesagt.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

„Kate?“

Sie zuckte zusammen, als er seine Bierdose öffnete. „Ja?“

„Ich habe den Tisch für heute Abend nicht abbestellt.“

Es dauerte einen Moment, bis sie den Blick von seinen Lippen abwenden konnte. Sobald ihr die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde, beschleunigte sich ihr Puls. Betont lässig sah sie auf die Wanduhr – es war kurz nach sechs.

„Es ist noch genug Zeit. Du kannst das Telefon im Flur benutzen.“

„Du hast also noch anderthalb Stunden, um dich fertigzumachen“, fuhr Simon unbeirrt fort.

Als er den Kopf nach hinten legte, um einen Schluck Bier zu trinken, fiel ihr Blick auf seinen gebräunten Hals. Sie stieß sich von der Arbeitsplatte ab und nahm die Milch aus dem Kühlschrank. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht mitkomme. Ich …“

„Ich soll mir die Gelegenheit entgehen lassen, im Fletchers zu essen?“

Prompt verschüttete sie Milch auf der Arbeitsplatte. Nachdem sie die Tüte abgestellt hatte, wirbelte sie zu ihm herum. „Du hast einen Tisch im Fletchers reserviert?“ Sie musste sich verhört haben. Zu dieser Jahreszeit war das Restaurant über Monate ausgebucht.

„Richtig. Im Fletchers. Und nun soll ich absagen?“

Sie hatte also richtig gehört. Er musste verrückt sein. Eine Reservierung im Fletchers stornierte man nicht.

Autor

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