Traummänner & Traumziele: Malerische Küsten

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

LINDSAY ARMSTRONG - WEISSE YACHTEN VOR DER GOLDKÜSTE
Cathy hat sich so auf die Zeit an der australischen Goldküste gefreut, auf die Ausflüge mit der weißen Yacht, die Fahrten zu den einsamen Inseln. Die Woche in Queensland soll ganz ihrer Liebe zu Tom gehören, doch dann geschieht etwas, das sie an ihrem großen Glück zweifeln lässt...

ANNE WEALE - COSTA BLANCA, KÜSTE DER LIEBE
Ein Blick aus Nicholas’ tiefblauen Augen genügt, um Rosies Herz höher schlagen zu lassen. Dabei will die PR-Agentin mit ihm in seiner Villa an der Costa Blanca nur eine Werbestrategie für sein neues Buch entwickeln. Doch nicht nur Nicholas' Augen lassen sie alles Geschäftliche vergessen …

NIKKI LOGAN - LIEBE MIT MEERBLICK
Seine Augen sind stürmisch wie das Meer, um seinen Mund spielt ein spöttisches Lächeln: Kates Herz sinkt! Wie soll sie sich bloß mit dem Rechtsanwalt Grant McMurtrie einigen? Er besitzt Land, das sie für ihre Schützlinge - bedrohte Seehunde - braucht. Schwierig, da Grant ihren Traum von heiler Natur nicht teilt! Soll Kate aufgeben oder heimlich hoffen? Denn manchmal schaut Grant sie zärtlich an. Fast, als ob er ihre Leidenschaft bewundert. Fast, als ob er sich eine gemeinsame Zukunft wünscht. Fast, als ob die große Liebe keine bedrohte Art ist …

STEFANIE LONDON - EINE LIEBE, SO UNENDLICH WIE DAS MEER
Oh ja, sie erinnert sich an die Gefühle, die Brodie schon vor Jahren in ihr weckte. Und an seine Augen, kristallgrün wie der Pazifik. Auch jetzt reicht ein Blick von ihm und Chantal vergisst die ganze Welt. Stopp! Sie hat schon genug Fehler gemacht, sich in den besten Freund ihres Freundes zu verlieben war einer davon. Außerdem muss sie sich dringend um ihre Karriere als Tänzerin kümmern. Aber als Brodie sie auf seine Jacht einlädt, kann Chantal nicht Nein sagen … ebenso wenig wie zu seinem verboten süßen Kuss. Ist ihre Liebe zu Brodie vielleicht doch so unendlich wie das Meer?

ANNETTE BROADRICK - AM HEISSEN STRAND VON MEXIKO
Im Bett mit der Tochter des Senators! Als Jared aufwacht, liegt er halbnackt neben Lindsey. Wie ist er hier hergekommen? Er hat keine Erinnerung an ihre gemeinsame Nacht, und auch Lindsey weiß von nichts. Haben sie etwa miteinander geschlafen?


  • Erscheinungstag 14.07.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515108
  • Seitenanzahl 140
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lindsay Armstrong, Anne Weale, Nikki Logan, Stefanie London, Annette Broadrick

Traummänner & Traumziele: Malerische Küsten

IMPRESSUM

TITEL erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 1991 by Lindsay Armstrong
Originaltitel: „The Director’s Wife“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 882 - 1992 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Dr. Barbara Slawig

Umschlagsmotive: UberImages / GettyImages, vicuschka

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733778712

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Catherine West unterbrach ihre Vorbereitungen für das Mittagessen und sah aus dem Küchenfenster. Hinter dem Garten und den Pferdekoppeln, deren Gras die australische Sommerhitze gelblich verfärbt hatte, erhob sich Mount Macedon. Cathys Blick wurde sehnsüchtig. Der strahlend blaue Himmel über Südaustralien, die Hitze, der würzige Duft von Weideland und Holzfeuer ließen sie vergessen, dass sie zwei Gäste zum Mittagessen erwarteten. Am liebsten hätte sie Toms Arbeitszimmer betreten – was gegen alle Regeln verstoßen hätte – und ihn gebeten, das Essen abzusagen und mit ihr am Hanging Rock zu picknicken.

Sie schloss die tiefblauen Augen und dachte an den Tag, als sie zum ersten Mal mit ihm dort gewesen war, kurz nach ihrer Hochzeit. Cathy konnte es noch nicht recht glauben, dass Tom West, der berühmte Drehbuchautor und Regisseur, der wegen seiner Arroganz, Reizbarkeit, Kälte und seiner Frauengeschichten berüchtigt war, sie wirklich geheiratet hatte. Selbst heute verblüffte es sie manchmal noch. Tom hatte sie in dieses schöne alte Steinhaus mit dem steilen Dach und den hohen Schornsteinen gebracht. Es lag inmitten eines riesigen Gartens, und von den Fenstern aus sah man Mount Macedon, den Hanging Rock, um den sich so viele Legenden rankten.

Cathy hatte erwartet, dass den Berg eine finstere, bedrohliche Atmosphäre umgeben würde. Stattdessen war es dort sehr friedlich. Die Sonne schien, und die Luft war erfüllt vom Summen der Insekten und dem Zwitschern der Vögel. In einer versteckten kleinen Talmulde hatte Tom sie geliebt. Der Fels schien nichts dagegen gehabt zu haben.

Sie öffnete die Augen und kehrte dem Fenster den Rücken zu. Was für ein verrückter Einfall! Was kümmerte es Mount Macedon, wer sich an seinem Fuß liebte! Hatte sie wirklich einen Moment gedacht, der Berg hätte missbilligt, was sie getan hatten, und aus Rache einen Fluch auf ihre Ehe mit Tom gelegt?

Es war ein wundervolles Erlebnis gewesen. Als Tom es mit funkelnden Augen vorgeschlagen hatte, war Cathy vor Schreck rot geworden. Daraufhin hatte er leise gelacht, und um ihm zu beweisen, dass sie gar nicht so scheu und gehemmt war, wie er glaubte, hatte sie sich die Bluse aufzuknöpfen begonnen. Sogleich war Toms Lachen verstummt. Er hatte Cathy in die Arme genommen und sie lange und leidenschaftlich geküsst: auf die Lippen, den Hals, bis sie vor Verlangen so benommen gewesen war, dass sie ihre Umgebung vergessen hatte …

„Cathy?“

Die Stimme ihres Mannes ließ sie in die Gegenwart zurückkehren. Er stand an der Küchentür und betrachtete Cathy, die Stirn leicht gerunzelt.

Langsam kam er auf sie zu. „Du hast richtig entrückt ausgesehen. Erzählst du mir, wovon du geträumt hast?“

Sie wurde rot und wandte sich hastig wieder ihrem Salat zu. „Von gar nichts. Ich … ich habe nur nachgedacht.“

Jetzt lehnte sich Tom mit der Schulter gegen die Wand neben dem Tisch und sah zu, wie Cathy Öl, Essig und eine Messerspitze Senf in eine Kristallflasche füllte, die Flasche verkorkte und schüttelte, um die Zutaten zu mischen. „Und woran hast du gedacht? Es muss dich traurig gemacht haben.“

„Ach nein.“ Sie versuchte, unbeschwert zu lächeln.

„Komm, Cathy“, befahl er leise und streckte die Arme aus.

„Bitte, Tom … Ich muss mich beeilen. Unsere Gäste werden gleich hier sein, ich bin noch nicht umgezogen, und …“

„Hast du über dem Träumen die Zeit vergessen?“, fragte er neckend.

„Ich habe nur zu spät angefangen.“

Tom richtete sich auf und zog sie an sich, bevor sie ihm ausweichen konnte.

„Bitte, Tom …“

„Ich habe gar nicht vor, dich zu verführen“, behauptete er leicht belustigt und sah sie aus hellbraunen Augen forschend an, als könnte er ihre geheimsten Gedanken lesen. „Ich möchte dich nur umarmen. Du hast ausgesehen, als könntest du Trost brauchen.“

Cathy zuckte zusammen.

Sofort wurde sein Blick noch durchdringender. „Sag mir, was nicht in Ordnung ist, Cathy“, verlangte er.

„Es ist nichts. Gar nichts.“ Trotzig presste sie die Lippen zusammen.

„Sei nicht kindisch, Cathy.“ Er zog sie ungeduldig noch dichter an sich.

Sie musste an eine Bemerkung denken, die sie einmal über ihren Mann gehört hatte: „Er setzt seinen Willen immer durch, mit Sanftmut oder mit Gewalt.“ Das sagten die Leute über Tom West, den achtunddreißigjährigen Regisseur mit dem stets zerzausten dunkelblonden Haar und dem draufgängerischen Wesen, das nicht nur die einundzwanzigjährige Cathy, sondern Dutzende anderer Frauen unwiderstehlich fanden.

Das Essen war ruhig und zufrieden stellend verlaufen. Schließlich räumte Cathy das Geschirr zusammen und stellte die Kaffeetassen aus hauchdünnem Wedgwood-Porzellan auf den Tisch. Tom schenkte den beiden Besuchern Portwein ein. Erst jetzt wandte man sich den Fragen zu, die bei diesem Essen geklärt werden sollten.

Es ging um den nächsten Film, bei dem Tom Regie führen wollte. Duncan Haines war der Leiter der Filmgesellschaft, die das Projekt finanzierte. Er war ein großer, sanfter, meist schläfrig dreinblickender Mann Mitte vierzig, der viel Erfahrung, Geschäftssinn und künstlerischen Sachverstand hatte. Tom hatte großes Vertrauen zu seinem Urteil. Die beiden waren seit vielen Jahren befreundet und hatten schon oft zusammengearbeitet.

Der zweite Gast war das genaue Gegenteil von Duncan. Peter Partridge war jung, schlank, dunkelhaarig und leidenschaftlich. Er war der Autor des Bestsellers, den Tom verfilmen wollte, und arbeitete mit ihm zusammen am Drehbuch. Cathy konnte sich gut vorstellen, dass die beiden es manchmal schwer miteinander hatten.

Während sie im Zimmer aufräumte, hörte sie der Unterhaltung zu.

„Uns fehlt immer noch eine Chloe“, sagte Peter gerade. „Die anderen Rollen sind gut besetzt. Es ist großartig, dass Brenda Bishop die weibliche Hauptrolle übernehmen wird. Sie hat dafür die richtige Ausstrahlung, außerdem ist sie eine erfahrene Schauspielerin.“

„Sie kann auch ziemlich schwierig sein“, erwiderte Duncan.

„Lass dich von ihren großen dunklen Augen und der zierlichen Figur nicht täuschen.“

Peter dachte eine Weile nach. Dann zuckte er die Schultern, als würde er das unwichtig finden. „Mit Chloe ist es viel schwieriger. Keine einzige Schauspielerin scheint die richtige Mischung aus … aus Schönheit, Rätselhaftigkeit und Verwundbarkeit zu besitzen. Es muss eine Frau sein, die man nie mehr vergisst, wenn man sie einmal gesehen hat.“

Tom und Duncan blickten sich an, während Peter Zucker in seinen Kaffee tat und heftig umrührte.

„Wir werden schon eine Chloe für dich finden, Peter“, meinte Duncan beruhigend. Er wusste aus langjähriger Erfahrung, wie man mit leicht erregbaren Autoren umging.

„Aber sie ist wirklich wichtig für die Geschichte, Duncan, auch wenn man es nicht sofort merkt.“ Peter gestikulierte lebhaft. „Chloe mag keine große Rolle haben, aber sie verkörpert den Geist des Buchs. Sie taucht immer wieder unvermutet in Roberts Leben auf, ohne dass er sie jemals fassen kann. Und sie ist jedes Mal anders: fröhlich, verletzlich, sinnlich, traurig … Ihr Einfluss auf Robert ist ein Angelpunkt der Geschichte.“

„Das wissen wir doch, Peter“, erwiderte Tom ruhig. Sein Blick fiel auf das Fenster. „Cathy, dein bester Freund möchte dich besuchen.“

Cathy, die vor der Anrichte stand und Silber einräumte, sah über die Schulter. „Der beste vielleicht nicht“, widersprach sie belustigt, „aber bestimmt der hartnäckigste.“

„Lass ihn herein und füttere ihn.“

„Das klingt, als sei er ein Hund!“, entgegnete sie empört und ging zum Fenster.

„Manchmal benimmt er sich auch so. Hallo, William.“ Cathy hatte dem kleinen Jungen geholfen, über das Fensterbrett hereinzuklettern. „Komm her, damit ich dich vorstellen kann. Das, meine Herren, ist William Casey. Er wohnt im Nachbarhaus bei seinen Großeltern und verbringt seine Tage damit, ihnen aus dem Weg zu gehen. Setz dich doch, William. Wir haben bestimmt noch etwas zu essen für dich. Ich weiß gar nicht, warum wir dich nicht auch eingeladen haben.“

„Danke, Mr. West.“ William, ein siebenjähriger, schmächtiger Junge, setzte sich unbefangen zu ihnen. „Ich habe schon gegessen. Und mir die Hände gewaschen. Sehen Sie?“ Er streckte beide Hände aus.

„Wunderbar. Du machst Fortschritte. Aber wenn du schon gegessen hast …“

„Kein Nachtisch“, erklärte William kurz angebunden. „Oma hält nichts davon. Sie gibt mir höchstens mal einen Apfel. Und Cathy macht spitzenmäßigen Nachtisch.“

„Das stimmt“, bestätigte Duncan ernsthaft. „Cathy kocht überhaupt fantastisch.“ Als sie eine Schüssel Eis mit Früchten vor William auf den Tisch stellte, legte Duncan Cathy eine Hand auf den Arm. „Danke für das wunderbare Essen, meine Liebe. Wollen Sie sich jetzt nicht zu uns setzen und sich ein wenig mit uns unterhalten? Nach all der Arbeit haben Sie eine Pause verdient. Lassen Sie doch Tom abwaschen!“, fügte er boshaft hinzu.

„Ich …“

„Setz dich sofort hin, Cathy“, befahl Tom spöttisch. „Sonst heißt es gleich, dass ich meine Frau schamlos ausnutze. Möchtest du auch ein Glas Portwein? Ich habe vergessen, dir eines anzubieten.“

„Nein, danke.“

Cathy zog sich einen Stuhl heran, setzte sich neben William und erklärte ernst: „Diesmal machen wir eine Ausnahme, William. Deine Oma hat nämlich Recht: Zu viel Nachtisch schadet dir nur.“

„Mit anderen Worten: Wir wollen dich nicht verderben, sondern nur … verwöhnen“, mischte Tom sich ein.

Duncan und Peter grinsten.

Cathy dagegen sah ihren Mann vorwurfsvoll an. „Ich glaube, er versteht dich oft gar nicht, Tom. Zum Glück.“

„Glaubst du?“ Tom betrachtete sie eine Weile schweigend: das lange blonde, lockige Haar, die etwas dunkleren Augenbrauen, die leuchtenden dunkelblauen Augen, den weichen Mund, das leichte, ärmellose Kleid mit Gürtel, das sie in letzter Sekunde noch angezogen hatte, und die glatte, leicht gebräunte Haut ihrer Arme. „Wollen wir wetten? – William, ich schlage vor, dass wir uns heute Nachmittag um vier Uhr im Interesse der Körpertüchtigkeit gemeinsam diesem alten barbarischen Ritual unterziehen, das an einer ebenso barbarischen Schule erfunden worden ist. Was hältst du davon?“

„Mann, Klasse! Ich wollte auch schon fragen, ob wir heute Rugby spielen können.“

Die anderen lachten. Tom warf Cathy einen Blick zu, als wollte er sagen: „Siehst du wohl?“

„Das war einfach“, behauptete sie. „Du spielst fast jeden Tag Rugby mit ihm.“

„Ich glaube, ihr zwei braucht endlich eigene Kinder.“ Duncan lächelte sie an. „Worauf wartet ihr noch?“

Über Cathys Gesicht huschte ein Schatten. Sie sah ihrem Mann in die Augen und gleich wieder fort.

Nach kurzem, ungemütlichem Schweigen antwortete Tom: „Dafür haben wir immer noch Zeit, Duncan.“

In diesem Moment fuhr Peter Partridge, der Cathy seit einigen Minuten wie gebannt angeschaut hatte, so heftig zusammen, dass er seine Kaffeetasse umstieß. Ohne darauf zu achten, sprang er mit offenem Mund auf und stieß hervor: „Das ist sie! Wie konnte ich nur so blind sein? Chloe!“

Cathy kam gar nicht auf den Gedanken, dass er sie meinen könnte. Hastig stand sie auf und holte eine Serviette, um den verschütteten Kaffee aufzuwischen.

„Nein.“ Toms Stimme klang hart und entschieden.

„Aber … aber …“ Vor Aufregung fing Peter an zu stottern. „Sie ist vollkommen! Genauso, wie ich euch Chloe beschrieben habe! Schaut sie euch doch mal richtig an. Wie verletzlich, geheimnisvoll …“

„Peter“, unterbrach Duncan ihn warnend.

Cathy vergaß den verschütteten Kaffee, richtete sich auf und sah erst ihre beiden Gäste und danach Tom an. „Was … meint er etwa mich?“

„Wen sonst?“, antwortete Tom kurz.

„Aber …“

„Haben Sie nicht sogar Bühnenerfahrung, Cathy?“ Peter war nicht zu bremsen. Seine dunklen Augen leuchteten. „Habt ihr beide euch nicht bei einer Probe kennen gelernt? Tom!“ Er sah seinen Gastgeber eindringlich an.

„Setz dich, Peter“, Tom wirkte wieder völlig gelassen. „Ja, das stimmt. Es war eine geradezu klassische Begegnung zwischen Regisseur und Schauspielerin.“ Fast unhörbar setzte er hinzu: „Was ich mir bis heute nicht verzeihen kann.“ Cathy wurde rot. „Aber das war bei einer Theaterprobe. Cathy hat noch nie gefilmt …“

„Doch.“ Alle, selbst William, sahen sie an.

„Schön. Du hast einen Werbespot fürs Fernsehen gedreht.“

„Das ist auch Filmarbeit.“

„Nur weil du einmal für Shampoo geworben hast, heißt das noch lange nicht, dass du Peters geheimnisvolle Fremde spielen könntest.“ Toms Blick wurde drohend. „Und bevor wir weiter darüber sprechen: Es bringt fast immer Ärger, wenn Mann und Frau einen Film zusammen drehen.“

„Damit käme ich schon zurecht“, behauptete sie ruhig. „Ich könnte eine neue Aufgabe gebrauchen. Aber ihr redet besser ohne mich weiter. Komm, William. Du kannst mir beim Abwaschen helfen. Als Gegenleistung für den Nachtisch.“

Zwei Stunden später beobachtete Cathy vom Schlafzimmerfenster aus, wie Duncan und Peter abfuhren, ohne sich von ihr verabschiedet zu haben. Sie war nach dem Abwaschen mit William spazieren gegangen, und vielleicht hatten ihre Gäste gedacht, sie sei noch nicht wieder zurück. Oder war es ihnen aus irgendeinem Grund peinlich, ihr zu begegnen?

Cathy seufzte und spielte geistesabwesend mit dem langen blauen Samtvorhang. Das Schlafzimmer war ganz im altenglischen Stil eingerichtet: mit schweren Vorhängen, geschmackvollen Möbeln aus Mahagoni, blau-weiß gemusterter Tapete, samtbezogenen Mahagonistühlen vor dem Kamin und einem breiten Himmelbett. In der ersten Nacht, die sie hier verbracht hatten, hatte Tom gesagt: „Man könnte glauben, dass der Raum extra für dich eingerichtet worden ist. Er hat die Farben deiner Augen …“

Sie dachte an den Tag zurück, an dem Tom sie das erste Mal wirklich bemerkt hatte. An diesem Auftritt, den er sich bis heute nicht vergeben hatte. Warum? Weil er sie damit in Verlegenheit gebracht hatte? Oder tat es ihm Leid, dass es überhaupt geschehen war?

Mit neunzehn hatte Cathy Kerris sich um einen Platz in der Schauspielschule einer berühmten Kunstakademie beworben und ihn zu ihrer Überraschung auch erhalten, weil sie angeblich für komische Rollen begabt war. An dieser Schule hielt Tom West, der bekannte Regisseur, ein Seminar, in dem er die Studenten unter seiner Leitung ein Stück einstudieren ließ. Seine Schüler waren ausnahmslos begeistert. Insgeheim hoffte wohl jeder, von dem berühmten Mann „entdeckt“ zu werden.

Cathy musste eine Liebesszene spielen, in der sie und der Hauptdarsteller sich leidenschaftlich küssten. Doch sie war der Aufgabe trotz gutem Aussehen und Begabung nicht gewachsen.

„Halt!“ Tom West kam quer über die Bühne auf sie zu. „Sind Sie denn noch nie geküsst worden?“ Er betrachtete zuerst ihr Gesicht, dann ihre Figur.

„Nicht … richtig“, brachte sie verlegen hervor. Die anderen lachten.

„Kaum zu glauben. Allein diese Augen … Wo haben Sie sich die ganzen Jahre versteckt?“

Sie gab keine Antwort, sondern blickte ihn nur wie gebannt an.

Schließlich zuckte er ungeduldig die Schultern und bemerkte trocken: „Nun, im Interesse Ihrer Karriere sollten Sie sich beeilen, etwas Erfahrung zu sammeln.“ Er lächelte spöttisch. „So wird’s gemacht.“

Es war ein Kuss, von dem an der Akademie noch lange gesprochen wurde. Alle Studenten auf der Bühne und im Zuschauerraum sahen atemlos zu, während Tom Cathy in die Arme zog, sie an sich presste und küsste, bis sie willig die Lippen unter seinem Mund öffnete. Mit einer Hand strich er ihr den Nacken hinauf und zerwühlte ihr das Haar.

Später fragte sich Cathy oft, wie dieser Kuss sie trotz ihrer Verlegenheit und Verwirrung so erregen konnte. Sie hatte sich gleich zu Beginn des Seminars zu diesem hoch gewachsenen, weltgewandten Mann hingezogen gefühlt. Doch weil Welten sie trennten, hatte sie das nicht einmal sich selbst eingestanden. Als er sich auf der Bühne löste und sie auf Armeslänge von sich schob, blickte sie betäubt, erstaunt und überwältigt zu ihm auf.

Und alle merkten es. Tom runzelte leicht die Stirn, während die Studenten verlegen zur Seite blickten und von einem Fuß auf den anderen traten. Im nächsten Moment ließ Tom sie los und beendete schlagartig die Probe. Cathy, die nur langsam wieder zu sich kam, verließ stolpernd die Bühne. Sie fragte sich, wie sie jemals den Mut aufbringen sollte, ihm und den anderen Studenten noch einmal gegenüberzutreten.

Zum Glück ließen die anderen sie allein. Sie packte ihre Sachen zusammen und verließ das Gebäude. Es war ein dunkler, regnerischer Winternachmittag.

Als sie den Bürgersteig entlangeilte, hielt ein eleganter grüner Wagen neben ihr. Der Fahrer lehnte sich über den Beifahrersitz und stieß die Tür auf. Es war Tom West.

„Cathy? Steigen Sie ein.“

Sie bückte sich, um sein Gesicht zu erkennen, und suchte vergeblich nach einer passenden Antwort.

„Ich möchte Sie zu einem Kaffee oder etwas anderem einladen und mich bei Ihnen entschuldigen.“

Tom führte Cathy in eine warme, dämmrige Bar. Cathy legte ihren Mantel und den langen Schal ab, ließ sich zu einem Brandy mit Soda überreden und betrachtete Tom mit klopfendem Herzen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollte. Toms Haar war feucht und zerzaust, und auf seinem Tweedjackett lagen noch einzelne Regentropfen. Er hatte die langen Beine neben dem Tischchen ausgestreckt, den Blick gesenkt und spielte gedankenverloren mit seinem Glas.

Es hat alles keinen Sinn, dachte sie niedergeschlagen. Schließlich lagen Welten zwischen ihnen. Er hatte sie aus reiner Freundlichkeit eingeladen, nicht weil er sich für sie interessierte.

Tom hob den Kopf und bemerkte, dass sie ihn beobachtete. „Ich wüsste zu gern, was in Ihrem hübschen Köpfchen gerade vorgeht, kleine Cathy. Es tut mir Leid, dass ich Sie vorhin so überrumpelt habe. Hoffentlich finden Sie es nicht zu peinlich, weiterhin am Seminar teilzunehmen. Bei der nächsten Probe wird niemand mehr daran denken.“

Einen Moment sah er sie prüfend an. „Möglich. Jedenfalls noch nicht. Wie kommt es …“ Sein Blick wurde noch durchdringender. „Sie sind anders als die meisten Schauspielschülerinnen.“

„In komischen Szenen bin ich besser. Ich wollte versuchen, meine Fähigkeiten zu erweitern. Vielleicht war das falsch. Ich finde es schwierig …“ Verlegen verstummte sie.

„Es fällt Ihnen schwer, einen Fremden auf Befehl leidenschaftlich zu küssen?“ Es klang belustigt. „Das könnte an Ihrer Erziehung liegen. Wie sind Sie aufgewachsen?“

Eine halbe Stunde später hatte Cathy ihm ihre ganze Lebensgeschichte erzählt: vom Tod ihrer Eltern, als sie gerade vier Jahre alt war, von der Großmutter, einer befehlsgewohnten Dame Mitte sechzig, die sie bei sich aufgenommen hatte und die inzwischen auch gestorben war, und von dem teuren Internat.

„Mich wundert, dass Sie es überhaupt bis zur Schauspielschule geschafft haben“, bemerkte Tom West dazu.

„Mein Vater soll ein sehr hartnäckiger Mann gewesen sein. Vielleicht gerate ich ihm nach.“

„Aber warum haben Sie sich fürs Theater entschieden? Wollten Sie endlich den beengenden Verhältnissen entkommen?“

„Dann glauben Sie also nicht, dass ich begabt bin?“

„Das wollte ich damit nicht sagen. Schließlich haben Sie eben erst angefangen. Und wenn Sie gar kein Talent hätten, wären Sie niemals auf der Akademie angenommen worden.“ Er lehnte sich zurück, neigte den Kopf zur Seite und musterte sie neugierig. „Was machen Sie noch, außer zur Schauspielschule zu gehen?“

„Ach, alles Mögliche“, erwiderte Cathy unbestimmt.

„Leben Sie allein?“

„Ja. Ich habe etwas Geld geerbt, so dass ich mir eine eigene Wohnung leisten kann.“

„Fühlen Sie sich nie einsam?“

Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. „Manchmal. Aber daran gewöhnt man sich. Und ich unternehme wirklich viel. Ich mache bei einem Kochkurs mit, arbeite für die Kirchengemeinde oder treffe mich mit Freundinnen. Sie brauchen kein Mitleid mit mir zu haben“, erklärte sie würdevoll.

„Ich verstehe.“ Doch es klang nachdenklich. Kurz danach fuhr er sie nach Hause. Unterwegs sagte er: „Hoffentlich haben Sie mir vergeben. Sie sollten die Rolle mit jemand tauschen.“

Sie versteifte sich.

„Bitte, Cathy“, fuhr er ruhig fort. „Ich werde es so einrichten, dass es für Sie nicht peinlich ist. Nicht noch peinlicher“, fügte er seltsam grimmig hinzu. „Es ist wirklich besser so. Besonders für Sie.“

„Also gut.“

2. KAPITEL

Tom hielt Wort. Die Umbesetzung klappte reibungslos. Cathy musste jetzt eine alte Frau spielen, was ihr viel besser lag. Tom West behandelte sie bei den Proben genau wie zuvor, als hätte es jenen Kuss nie gegeben. Keiner der anderen Studenten sprach sie jemals darauf an.

Etwa zwei Wochen später begegneten sie sich zufällig in einer belebten Einkaufsstraße. Es war nach Feierabend, und auf dem Bürgersteig drängten sich Menschen, die es eilig hatten. Tom West stieß so heftig mit Cathy zusammen, dass sie fast hinfiel und einen Moment keine Luft mehr bekam. Der Inhalt ihrer Handtasche wurde über den ganzen Bürgersteig verstreut. Tom bestand darauf, Cathy dafür zu entschädigen. Er ging mit ihr in dieselbe Bar wie beim ersten Mal. Cathy entdeckte, dass sie auch diesmal ganz freimütig mit Tom reden konnte. Er erzählte ihr, dass der Film seine eigentliche Leidenschaft sei und er nur gelegentlich am Theater arbeitete, um nicht aus der Übung zu kommen. Kurz darauf bekam Cathy eine Erkältung, so dass sie eine Probe verpasste. Bei der nächsten sah sie noch immer recht blass und mitgenommen aus. Als sie hinterher das Gebäude verließ, wartete Tom in seinem Wagen auf sie. Er behauptete, sie schaue aus, als könne sie eine gute Mahlzeit vertragen, und schlug ihr vor, essen zu gehen.

Er führte sie in ein elegantes Restaurant mit ausgezeichneter Küche und einer ruhigen Atmosphäre. Nach dem Essen betrachtete er ihr Gesicht, das jetzt tatsächlich etwas mehr Farbe bekommen hatte. „Ich hatte Recht. Haben Sie denn niemand, der sich um Sie kümmert?“

„Nicht einmal eine böse Stiefmutter wie Aschenputtel“, erwiderte sie lächelnd. „Aber Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen.“

„Aus irgendeinem Grund tue ich es trotzdem.“ Unvermittelt wechselte er das Thema und fuhr sie bald darauf zu ihrer Wohnung.

Diesmal nahm Cathy all ihren Mut zusammen und lud ihn ein, noch eine Tasse Kaffee bei ihr zu trinken. Zu ihrer Überraschung nahm er an. Ihre Wohnung, die sie mit den gut erhaltenen Möbeln, Bildern und Teppichen ihrer Großmutter eingerichtet hatte, schien ihn zu beeindrucken. Später fragte Cathy sich manchmal, ob er sie wegen dieser Wohnung für reifer gehalten hatte, als sie war.

Jedenfalls sahen sie sich nach diesem Abend öfter. Von Zeit zu Zeit rief Tom bei ihr an und lud sie zum Essen, ins Kino oder zu einem Konzert ein. Er hörte damit auch nicht auf, nachdem die Studenten das Stück aufgeführt hatten und sein Seminar an der Schauspielschule beendet war. Doch es dauerte vier Monate, bis er Cathy zum zweiten Mal küsste.

Cathy hatte ihn zum Abendessen eingeladen. Sie wusste inzwischen, dass sie ihn liebte, wollte es ihm jedoch nicht zeigen, weil sie sicher war, dass er dann ihre Beziehung umgehend beenden würde. Als sie nach der Mahlzeit aufstand, um den Kaffee aus der Küche zu holen, stolperte sie und wäre fast gestürzt. Tom sprang auf und fing sie auf.

Einen Augenblick lang schien die Welt stillzustehen, während Cathy schnell atmend und mit leicht geöffnetem Mund zu ihm aufsah. Ihr Entschluss, ihm ihre Gefühle nicht zu zeigen, war vergessen.

Tom erwiderte ihren leidenschaftlichen Blick. Dann schloss er kurz die Augen, sagte leise: „Oh verdammt!“, zog sie eng an sich und küsste sie.

Anschließend schob er sie energisch von sich. „Das dürfen wir nicht noch einmal tun, Cathy.“

„Nein“, flüsterte sie. „Ich weiß.“

„Was weißt du?“

„Dass … Es bedeutet dir nicht das Gleiche wie mir.“

Er hob die Augenbrauen. „Ich finde es sehr angenehm, dich zu küssen.“

„Nur, weil … es macht dir einfach Spaß, mir etwas beizubringen. Es geht dir dabei nicht wirklich um mich. Verstehst du, was ich meine?“

„Ich glaube schon. Ich kenne keinen Mann, der dir nicht gern etwas beibringen würde, Cathy. Aber es fällt mir schwer, dabei nur an dein hübsches Äußeres zu denken.“

Cathys dunkelblaue Augen begannen hoffnungsvoll zu leuchten.

Tom bemerkte es sofort. „Nein, Cathy“, erklärte er rau. „Du musst mich vergessen. Ich bin nicht der richtige Mann für dich. Meine Beziehungen zu Frauen sind … das ist nichts für dich.“

Sie wandte sich ab. „Das weiß ich. Ich kann gut verstehen, dass du jetzt fort willst. Wirklich.“

Leise sagte er irgendetwas, was sie nicht verstand. Sanft fasste er sie bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. „Es tut mir Leid, Cathy.“

„Warum? Es war nicht deine Schuld.“

„Doch“, erwiderte er grimmig. „Ich hätte nie …“ Er sprach den Satz nicht zu Ende. „Und du verstehst, warum ich jetzt gehen muss?“

Sie nickte.

Tom betrachtete ihr blasses Gesicht mit den tiefblauen Augen und das lange, weiche blonde Haar. „Leb wohl, Cathy. Versprichst du mir, gut auf dich aufzupassen?“

„Ja.“

Zwei Wochen später stand Tom unangemeldet vor Cathys Wohnungstür. Sie öffnete, erschrak und sah ihn schweigend an.

„Willst du mich heiraten, Cathy?“

Später, als er auf ihrer Couch saß und Cathy fest in den Armen hielt, fragte sie: „Warum bist du zurückgekommen?“

„Aus einem ganz einfachen Grund.“ Er strich den Kragen ihrer Bluse glatt. „Ich konnte dich einfach nicht vergessen. Mein Leben kam mir so … sinnlos vor.“

„Und du willst mich wirklich heiraten?“ Forschend blickte sie ihm in die Augen.

„Ja, Cathy. Ich möchte sicher sein, dass dir niemand anders etwas beibringt.“ Er erwiderte ihren Blick ohne eine Spur von Spott, Belustigung oder Mitleid. „Ich will dich, Cathy. Und nicht nur für kurze Zeit.“

„Hoffentlich enttäusche ich dich nicht.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich bin so unerfahren im Vergleich zu dir.“

„Cathy?“, fragte er scheinbar zusammenhangslos. „Wie ist es dir in den letzten zwei Wochen ergangen?“

Sie sah kurz zu ihm auf und barg dann das Gesicht an seiner Schulter. „Ich bin einsam und traurig gewesen“, gestand sie.

„So habe ich auch empfunden.“ Sanft berührte er ihre Wange und strich mit dem Daumen über die weiche Haut. „Und was die Erfahrung angeht … Es scheint dir in meinen Armen doch gut zu gefallen.“

Sie hob den Kopf und wurde rot.

Tom lächelte flüchtig. „Das ist ein gutes Zeichen, Cathy. Ich glaube nicht, dass wir auf diesem Gebiet Schwierigkeiten bekommen werden.“

Er sollte Recht behalten. Nach ihrer Hochzeit, die sehr schnell erfolgte, hatte er sie so sanft und rücksichtsvoll behandelt, dass nicht nur ihre Liebe zu ihm, sondern auch ihre Leidenschaft immer stärker geworden war. Mit der Zeit hatte sie gelernt, seinem Verlangen nicht nur nachzugeben, sondern bewusst darauf einzugehen.

Was war dann mit ihrer Ehe schief gelaufen? Nachdenklich blickte Cathy aus dem Fenster ihres Schlafzimmers zum fernen Mount Macedon. Hätte sie darauf bestehen sollen, weiter an der Schauspielschule zu bleiben? Hätte sie die Angebote für zwei weitere Werbefilme annehmen sollen? Doch sie hatte gewusst, dass Tom das nicht recht gewesen wäre. Es war ihr auch gar nicht schwer gefallen, ihren Beruf aufzugeben. Sie hatte das Gefühl gehabt, endlich eine Heimat gefunden zu haben.

Oder hätte sie vor der Hochzeit einmal ernsthaft darüber nachdenken sollen, warum Tom sie eigentlich heiraten wollte: weil er sie liebte oder weil er eine Frau brauchte?

In diesem Moment wurde die Tür geöffnet. Tom blieb einen Moment im Rahmen stehen, trat dann ein, schloss sie hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und sah Cathy aus seinen hellbraunen Augen nachdenklich an. Ohne Einleitung sagte er: „Warum willst du die Chloe spielen, Cathy?“

Weil ich dir beweisen will, dass ich eine erwachsene Frau bin, hätte sie am liebsten gesagt. Ich bin weder ein verwaistes Kind, das du beschützen musst, noch eine hirnlose, hübsche Puppe.

Doch sie hatte nicht den Mut, so offen mit ihm zu sprechen. Im entscheidenden Moment würden ihr doch die richtigen Worte fehlen, und er konnte manchmal fast grausam spöttisch sein.

„Kitty?“ So nannte er sie nur, wenn sie allein waren.

Sie blickte ihn abwartend an.

„Ich dachte, du seist glücklich hier. In letzter Zeit wirkst du allerdings oft … seltsam traurig.“

„Ich bin sehr gern hier, Tom. Wirklich. Du weißt, ich wollte eigentlich immer gern Schauspielerin werden. Du gehst zum Beispiel auch fort, wenn es für deine Arbeit notwendig ist, obwohl es dir hier gefällt.“

„Bist du verärgert, weil ich jetzt noch keine Kinder haben möchte?“

Sie wandte sich ab und spielte wieder mit dem Vorhang. „Nein. Ich finde auch, dass wir uns damit noch Zeit lassen sollten.“

„Hast du deine Meinung geändert?“, fragte er sanft. „Früher konntest du es doch kaum abwarten. Wenn es dir wirklich so wichtig ist …“ Er trat auf sie zu.

„Nein!“ Mit blitzenden Augen drehte sie sich zu ihm um. „Nicht, wenn du es nicht auch willst.“

Tom blieb mitten im Zimmer stehen. „Hör zu, Cathy“, sagte er verärgert. „Aus irgendeinem Grund scheint dir unser Zusammenleben nicht mehr zu gefallen, und du willst offensichtlich etwas ändern. Ich glaube jedoch nicht, dass es uns gut bekommen wird, wenn du die Rolle der Chloe übernimmst. Darum bin ich bereit, dir deinen anderen Herzenswunsch zu erfüllen. Verstehst du? Leider fangen wir in drei Wochen mit den Dreharbeiten an. Es bleibt uns also nicht mehr viel Zeit. Sollen wir gleich beginnen?“ Er warf einen Blick aufs Bett, ehe er Cathy herausfordernd von oben bis unten anschaute.

Sein Spott machte sie so wütend, dass sie ihre Angst vergaß. „Soll ich dir sagen, was mir an unserer Ehe missfällt? Dass du mich nicht an deinem Leben teilhaben lässt! Ich sitze hier und warte auf dich, während du deiner Arbeit nachgehst. Ich weiß nicht einmal, ob du nur zum Arbeiten wegfährst! Wenn deine Freunde dich hier besuchen, was nicht gerade oft vorkommt, redet ihr dauernd von Partys und Happenings …“

„Auf diesen Partys“, unterbrach Tom sie, „fallen oft die wichtigsten Entscheidungen. Das ist der Grund, warum ich sie besuche, Cathy. Meist ist es schrecklich öde dort. Ich glaube nicht, dass es dir gefallen würde.“

„Aber du …“

„Die Partys gehören zu meinem Beruf.“ Sein Blick wurde drohend. „Wirfst du mir etwa vor, dir untreu zu sein? Was glaubst du denn, weswegen ich von hier wegfahre?“

In der nun folgenden Stille hörte man draußen jemand Ball spielen. Cathy war blass geworden. Sie öffnete mehrmals den Mund, um zu antworten, bevor sie schließlich gequält hervorbrachte: „Ich weiß es nicht, Tom. Du bist so oft fort. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.“

„Und ich hatte gehofft …“

„Dass du mich zu Hause einsperren kannst wie Aschenputtel? Hast du mich deswegen geheiratet? Wolltest du eine Frau, die jung, dankbar und verliebt genug ist, sich mit einem kleinen Teil deines Lebens abspeisen zu lassen? Die dein Haus für dich versorgt, während du ein freies Leben führst?“

Tom war ebenfalls blass geworden. „Glaubst du das wirklich von mir?“

„Ich weiß es nicht“, wiederholte sie leise. „Warum … warum willst du keine Kinder? Hast du Angst, sie könnten dich zu fest an mich binden?“

„Ich bin schon unwiderruflich an dich gebunden“, erwiderte er rau. „Verstehst du nicht, dass Kinder unser ganzes Leben verändern werden? Und dass ich damit noch etwas warten will?“

„Du kannst dich nicht gegen Veränderungen sträuben, Tom.“

Eine Weile sahen sie sich schweigend an. Schließlich sagte Cathy leise: „Unser Pflegesohn ist da.“

Tom fluchte, warf ihr einen letzten wütenden Blick zu, ging wortlos hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.

Tom kam nicht wie gewohnt gegen acht Uhr zurück. Vermutlich war er nach dem Rugby noch in die Dorfkneipe gegangen. Es war das erste Mal seit ihrer Hochzeit, dass er sie nicht mitgenommen hatte. Cathy verzehrte ohne großen Appetit ihr Abendessen, stellte für Tom eine leichte Mahlzeit aus kaltem Braten und Salat auf den Tisch, bevor sie in den Garten hinausging. Es wurde bereits dunkel. Toms Großmutter hatte ihn angelegt. Die Luft war erfüllt vom Duft der Blumen, das Gras feucht vom Tau.

Als Cathy ins Haus zurückkehrte, saß Tom am Küchentisch und aß. Sie blieb an der Tür stehen und strich sich nervös über das Haar.

„Da bist du ja wieder.“

„Wo hast du gesteckt?“

„Im Garten. Es war ein wundervoller Tag. Wer weiß, wie oft wir noch so schönes Wetter haben.“

„Das kann man hier in Südaustralien wirklich nie wissen. Hast du schon gegessen?“

„Ja. Möchtest du eine Tasse Tee?“

„Gern.“ Schweigend aß er weiter, bis Cathy den Tee aufgebrüht hatte und Tassen und Untertassen auf den Tisch stellte. Jetzt sagte er: „Setz dich zu mir, Cathy. Ich muss morgen früh wegen meiner zweifelhaften Geschäfte wegfahren. Wir haben also nicht mehr viel Zeit, eine Frage zu klären. Möchtest du wirklich Chloe spielen?“

Sie rührte in ihrer Tasse, hob den Kopf und blickte Tom trotzig an. „Ja. Du traust es mir wohl nicht zu?“

„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.“ Er lehnte sich zurück und musterte sie mit ausdruckslosem Gesicht. „Dein Aussehen entspricht der Rolle. Du bist schön genug. Aber hübsche Mädchen gibt es wie Sand am Meer. Ob du das, was Peter sich unter Chloe vorstellt, vor der Kamera darstellen kannst, weiß ich nicht. Ich bin aus einem ganz anderen Grund dagegen. Es wird dir schwer fallen, unter meiner Anleitung zu arbeiten, Cathy. Besonders, wenn du mir nicht vertraust, was ja offensichtlich der Fall ist. Und alle anderen würden auf jede noch so kleine Spannung zwischen uns reagieren.“

„Ich habe nie gesagt, dass ich dir nicht vertraue …“

Er zuckte nur die Schultern.

Cathy schluckte und versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten.

Nach einer Weile erklärte er: „Die Zeit mit dir war für mich etwas ganz Besonderes, Cathy. Meinen Beruf – meine Kunst, wenn dir das nicht zu hochgestochen klingt – kann ich mit niemand teilen. Damit wirst du dich abfinden müssen. Aber die wundervolle, stille Zeit, die wir miteinander verbracht haben …“

„Du hast selbst gesagt, dass sich unser Leben ändern muss.“

„Aber doch nicht von Grund auf! Wir können doch immer noch hier leben und …“

„Hätte ich doch nur nichts gesagt!“ Sie sprang so heftig auf, dass sie ihren Stuhl umstieß, und lief aus der Küche.

Tom folgte ihr ins Schlafzimmer und schloss die Tür.

„Geh weg!“, flüsterte sie wild. „Du versuchst ja nicht einmal, mich zu verstehen! Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter, wo die Frauen das Eigentum des Mannes waren!“

„Sei nicht albern, Cathy.“ Spöttisch blickte er sie an. „Und du könntest wenigstens zugeben, dass du mir manchmal sehr gern gehörst.“ Er streckte die Hand nach ihr aus.

Hastig wich sie zurück. „Nein, Tom. Glaubst du wirklich, du könntest alle Probleme lösen, indem du mit mir schläfst?“

Er ließ die Hand sinken, und sein Blick wurde kühl. „Also gut“, erwiderte er. „Du sollst deinen Willen haben. Spiel die Rolle.“

„Erst will ich Probeaufnahmen machen. Die Leute sollen nicht sagen, dass du mir die Rolle verschafft hast und ich eigentlich ungeeignet bin. Duncan muss auch einverstanden sein.“

Tom und Cathy sahen sich schweigend an.

„Und wenn die Probeaufnahmen nichts taugen?“, fragte er schließlich.

„Dann … werde ich mir eine andere Aufgabe suchen.“

„Bist du sicher, dass du weiter bei mir bleiben willst?“

„Das hängt von dir ab“, erklärte sie kaum hörbar. Doch sie erwiderte seinen Blick voller Trotz.

„Ich verstehe. Du erklärst mir also den Krieg.“ Seine Miene war völlig ausdruckslos. „Wie du willst.“ Er ging zur Tür.

„Tom …“

Er drehte sich um und hob die Augenbrauen.

„Bitte geh nicht einfach fort.“

Er sah sie lange schweigend an: die langen, zerzausten blonden Locken, das blasse Gesicht, das blau-weiße Kleid und die blauen Schuhe mit den hohen Absätzen. Endlich meinte er sanft: „Die Entscheidung hast du getroffen. Du willst nicht mit mir schlafen, du willst kein Kind von mir, sondern du willst Chloe spielen. Belassen wir es dabei.“ Damit ging er hinaus und schloss hinter sich die Tür.

Cathy blieb eine Minute bewegungslos stehen. Dann sank sie aufs Bett, barg das Gesicht im Kopfkissen und weinte.

Als sie am nächsten Morgen erwachte, war Tom bereits fort. Auf dem Tisch in der Halle fand sie eine Nachricht von ihm: Er wollte am nächsten Nachmittag zurückkommen.

Unter dem Blatt Papier lag ein Exemplar des Drehbuchs.

„Was meint ihr?“ In dem kleinen, dämmrigen Vorführraum sah Tom erst Duncan, dann Peter fragend an.

„Ich habe dir ja gleich gesagt …“, begann Peter.

Duncan drehte sich zu Cathy um. „Er hatte Recht, meine Liebe. Die Probeaufnahmen hinterlassen einen Eindruck, der einen nicht mehr loslässt. Der Gegensatz zwischen Ihnen und Brendas Darstellung der starken, erdverbundenen Portia könnte nicht deutlicher sein. Was meinst du, Tom?“

„Ich stimme dir zu“, erwiderte dieser kurz. „Damit ist alles geklärt. Seid ihr einverstanden, dass wir wie geplant mit den Dreharbeiten anfangen? Sind dir wirklich keine Änderungsvorschläge mehr eingefallen, Peter? Irgendwelche Umbesetzungen zum Beispiel?“

„Ich will doch nur, dass alles stimmt!“, rief Peter gekränkt.

„Natürlich. Wie käme ich dazu, etwas anderes zu behaupten! Also auf nach Queensland!“

„Queensland?“, wiederholte Cathy verblüfft.

„Ach, habe ich dir das nicht erzählt?“, antwortete Tom lässig. „Wir haben dort oben Filmstudios gemietet. In der Gegend zwischen Brisbane und der Goldküste. Wir werden die Außenaufnahmen im Tal des Coomera machen, die Stadtszenen in Brisbane und die Bilder von einsamen tropischen Inseln, auf die Peter so großen Wert legt, auf den Inseln vor der dortigen Küste. Du siehst überrascht aus, Cathy.“

„Wo werden wir wohnen?“

„In einem kleinen Ort namens Sanctuary Cove. Wir fliegen nächste Woche ab. Habt ihr sonst noch Fragen?“

Seit dem Tag, an dem Cathy ihm erklärt hatte, was ihr an ihrer Ehe nicht gefiel, konnte sie mit Tom nicht mehr offen reden. Sein Verhalten hatte sie verletzt und verwirrt. Sie fragte sich immer wieder, wieso ihr ein Mann, den sie liebte und mit dem sie seit zwei Jahren zusammenlebte, plötzlich so fremd werden konnte.

Auch Duncan schien bei dem anschließenden Mittagessen etwas auf dem Herzen zu haben, das er nicht aussprach. Nur Peter war so begeistert, dass er von den Spannungen nichts merkte.

Während der Rückfahrt von Melbourne schwiegen Cathy und Tom. Sie hätte viel darum gegeben, wenn er ihr irgendwie gezeigt hätte, dass alles wieder in Ordnung sei. Sie wäre schon froh gewesen, wenn er nur über den Film geredet hätte. Doch wann immer sie ihm einen Blick zuwarf, hatte sein Gesicht den gleichen verschlossenen Ausdruck. Sie wagte nicht, von sich aus das Schweigen zu brechen.

Es musste doch einen Weg geben, ihn zu verstehen, Zugang zu seinem Herzen zu finden! Je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass sie im Grunde nur wenig von ihm wusste. Vielleicht lag der Schlüssel zu seinem Verhalten in einem früheren Erlebnis.

Als Tom und Cathy nach der langen Fahrt endlich vor der Haustür anhielten, fühlte sie sich steif und verkrampft.

„Nimm doch ein Bad“, schlug Tom vor. „Ich mache uns Abendessen.“

„Ich habe kaum Hunger.“

„Du musst etwas essen.“ Er redete mit ihr genau wie mit William! Einen Moment funkelte sie ihn wütend an, bevor sie ihm wortlos den Rücken zudrehte.

Nach dem Baden fühlte sie sich etwas entspannter.

Das Wetter war umgeschlagen. Jetzt war es kalt und windig. Cathy zog einen rotgepunkteten weißen Pyjama und ihren Morgenrock aus rotem Samt an. Tom hatte im Kamin Feuer gemacht und den Tisch davor gedeckt. Es gab Spargelcremesuppe und Sandwiches mit Huhn.

Beim Essen fragte er: „Warst du schon einmal in Queensland?“

„Nein. Es könnte interessant werden.“

„Du scheinst nicht viel Gutes darüber gehört zu haben“, bemerkte er belustigt.

„Wie kommst du darauf?“

„Du siehst so wachsam aus.“

„Na ja …“ Sie zuckte die Schultern. „Es heißt, dass die Leute dort nichts tun als Bananen verbiegen.“

„Du meinst, sie nehmen das Leben nicht so ernst?“

„Genau.“

„Und gefällt dir das nicht?“

„Oh doch. In Maßen schon.“

„Ach so.“

„Jetzt siehst du wieder so wachsam wie eben aus.“

Kühl schaute sie ihn an. „Ich frage mich einfach, ob es eine gute Idee von dir war, dort zu drehen. Das ist alles.“

„Ich denke schon.“ Er stellte seinen Teller ab und lehnte sich in dem leinenbezogenen Sessel zurück.

Cathy stellte ihren Teller auch beiseite und stand auf, um ihnen Kaffee einzugießen. Als sie sich bückte, glänzte ihr Haar im flackernden Licht des Feuers. Der Großteil des gemütlichen Zimmers mit den hübschen Porzellanlampen und Vasen, dem Tisch aus Eichenholz und den Bücherregalen lag im Dunkel.

„Cathy?“

Sie richtete sich auf.

Tom sah ihr tief in die Augen. „Was soll aus uns werden, Cathy?“

„Ich habe dir gesagt, was ich mir wünsche. Seitdem behandelst du mich wie eine Fremde. Du schläfst sogar im anderen Zimmer.“ Bitter setzte sie hinzu: „Das finde ich sehr kindisch von dir.“

„Fehle ich dir etwa?“, fragte er leise.

„Ich möchte endlich wie eine Erwachsene behandelt werden. Warum benimmst du dich so? Ich verstehe dich nicht.“

Nach einer langen, spannungsgeladenen Pause entgegnete er: „Meine Antwort wird dir nicht gefallen, Cathy. Aber du bestehst ja darauf, wie ein vernünftiger Mensch behandelt zu werden. Und da du fest entschlossen bist, Chloe zu spielen, wirst du es ohnehin erfahren müssen. Setz dich.“

Irgendetwas an seinen ruhigen Worten ließ sie frösteln.

„Du hast mich einmal gefragt, warum ich dich geheiratet habe. Ich hatte mehrere Gründe. Einen habe ich dir damals erklärt, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen – das hat sich übrigens auch nicht geändert“, ergänzte er trocken. „Aber vor allem dachte ich, dass du das genaue Gegenteil der einzigen anderen Frau bist, die ich jemals heiraten wollte.“

Cathy blickte ihn einen Moment hilflos an. Dann fragte sie mit einer ihr selbst fremd klingenden Stimme: „Hat sie dich abgewiesen?“

„Ja, das hat sie getan.“

„Warum? Hat sie dich nicht geliebt?“

„Was heißt schon Liebe? Vielleicht hatten wir zu unterschiedliche Vorstellungen davon. Jedenfalls war sie damit einverstanden, mit mir zusammenzuleben. Nur heiraten wollte sie mich nicht.“

Cathy runzelte verwirrt die Stirn. „Aber sie muss doch einen Grund gehabt haben!“

„Einen Grund?“ Tom blickte nachdenklich ins Feuer. „Sie hatte einen Grund. Und zwar ihren Beruf, den sie leidenschaftlich liebte und den sie nicht durch eine Ehe belasten wollte.“

„Was für einen Beruf?“

Er hob den Kopf und sah Cathy bitter in die Augen. „Sie ist Schauspielerin, meine Liebe. Genau, was du auch werden möchtest. Ist das nicht ein seltsamer Zufall?“

„Wer …“ Dann kam ihr ein schrecklicher Verdacht. „Doch nicht etwa …“

„Doch. Brenda Bishop.“

3. KAPITEL

Cathy schloss die Augen. Sofort sah sie Bilder von Brenda Bishop vor sich. Sie kannte sie aus vielen Filmen, auch wenn sie ihr nie persönlich begegnet war. Brenda Bishop war eine bekannte Schauspielerin mit großen dunklen Augen, einer gertenschlanken Figur und einer unwiderstehlichen weiblichen Ausstrahlung. Sie musste jetzt Anfang dreißig sein, ein paar Jahre jünger als Tom.

Hatte Duncan deswegen so besorgt ausgesehen? Weil er über Brenda und Tom Bescheid wusste?

„Liebst du sie noch?“, wollte Cathy wissen, obwohl sie Angst hatte vor der Antwort. Was würde sie machen, wenn Tom mit einem klaren Ja antworten würde?

Tom ließ sich mit der Antwort viel Zeit. „Keine Ahnung, Cathy“, sagte er schließlich. „Ich weiß nur, dass ich sie manchmal hasse, sie verachte und ihr sogar Schlechtes wünsche. Auf jeden Fall hatte ich beschlossen, die Beziehung zu ihr abzubrechen und sie zu vergessen.“ Fest schaute er Cathy an. „Und daran habe ich mich auch gehalten. Seit unserer Hochzeit bin ich dir nicht ein einziges Mal untreu gewesen, weder mit ihr noch mit einer anderen Frau.“

Einen Augenblick lang wünschte Cathy sich, Tom hätte ihr nichts erzählt. Doch das war feige. Jetzt musste sie beweisen, dass sie wirklich erwachsen war. Sie holte tief Luft. „Warum drehst du dann einen Film mit ihr?“

Er lächelte freudlos. „Es war nicht meine Idee. Aber ich wusste, dass es früher oder später so kommen würde, wenn wir beide weiter in Australien arbeiten wollten.“ Ihre Blicke begegneten sich. „Bitte glaub mir, Cathy, ich gehöre zu dir. Das wird sich nicht ändern. Und ich werde dich nicht betrügen, egal was geschieht.“

Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. „Dafür sollte ich dir wohl dankbar sein. Und dafür, dass du so offen zu mir warst. Aber kannst du dir vorstellen, wie ich mich jetzt fühle?“

„Ja. Bitte sag es mir trotzdem.“

Doch sie fand keine Worte, sondern konnte ihn nur traurig, enttäuscht und hilflos anschauen.

„Oh verdammt!“ Tom sprang auf, zog sie aus ihrem Sessel und umarmte sie. Er wollte sie doch nur beschützen, so wie er es von Anfang an gewollt hatte.

Sie war zu verwirrt und betäubt, um zu protestieren. Und so merkwürdig es nach allem, was er ihr gesagt hatte, auch war: Seine vertraute Umarmung und die Berührung seiner Lippen auf ihrem Mund erweckten in ihr das alte Gefühl, geborgen und in Sicherheit zu sein.

Tom hob sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Dort zog er ihr den Morgenmantel und den Pyjama aus, legte Cathy aufs Bett und deckte sie zu wie ein Kind. Gleich darauf glitt er neben sie, nahm sie wieder in die Arme und begann die weiche, empfindsame Haut unter ihren Armen, auf ihren Hüften, ihrem Rücken und Nacken zu streicheln.

Allmählich entspannte sich Cathy. Sie genoss die sanfte Berührung auf ihrer Haut und die Erregung, die langsam von ihr Besitz ergriff und sich steigerte.

Sie schmiegte sich an ihn, um seinen schlanken, kräftigen Körper zu spüren. Doch zugleich mit dem Verlangen war ein anderes Gefühl in ihr erwacht, das ebenfalls immer stärker wurde: Ärger darüber, dass er sie so zärtlich streicheln konnte, obwohl er eine andere Frau liebte. Sie wünschte sich plötzlich, sie könnte aus seiner Erinnerung das Bild der anderen vertreiben, ihn zwingen, allein ihr zu gehören. Er sollte wenigstens einmal so verrückt nach ihr sein wie sie nach ihm.

„Cathy“, flüsterte er.

Sie schaute zu ihm auf, und ihr Blick schien ihm zu zeigen, was sie wollte. Einen Moment sah er sie forschend an, ehe er auf sie glitt und sie liebte.

Jetzt dachte Cathy nicht mehr nach. Sie folgte Toms Bewegungen, krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken und presste ihre Brüste gegen seinen Körper. Tom barg das Gesicht an ihrem Hals und hielt sie fest, als verstünde er genau, was in ihr vorging. Dabei drang er tiefer in sie ein und bewegte sich immer schneller. Sie spürte, wie die Muskeln auf seinem Rücken sich unter ihren Händen spannten, hörte seinen stoßweisen Atem und fühlte sein Herz heftig schlagen, während er sie unablässig näher auf die Erfüllung zutrieb, die allein die schreckliche Spannung in ihrem Körper und ihrem Herzen lösen konnte.

Als der Höhepunkt kam, hatte sie das Gefühl, in einen tiefen Abgrund zu stürzen. Es war eine überwältigende Mischung aus Lust und Schmerz, die sie atemlos und bebend zurückließ. Noch nie hatte sie etwas Ähnliches erlebt.

Langsam beruhigte sich ihr Atem, und sie konnte wieder klar denken. Sofort fragte sie sich, wie es für Tom gewesen sein mochte. Sie öffnete die Augen und versuchte, sein Gesicht durch einen Schleier von Tränen zu erkennen. Erst jetzt merkte sie, dass sie geweint hatte. „Tom?“

Er blickte ernst auf sie herab und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. „Sprich jetzt nichts.“

„Aber …“

„Nein, Cathy. Entspann dich. Es wird dir bald besser gehen.“ Er rollte sich vorsichtig von ihr herab und nahm sie sofort wieder in die Arme. „Morgen wirst du dich allerdings etwas wund fühlen. Schlaf jetzt.“

„Wieso tut mein Kopf so weh?“

„Das gibt sich.“

„Ich möchte dir etwas sagen, Tom.“

„Das ist nicht nötig. Ich verstehe, was in dir vorgeht, Cathy. Es tut mir Leid.“

„Nein, hör mir zu.“ Sie entwand sich seiner Umarmung, setzte sich auf und zog die Decke bis über ihre Brüste. „Ich muss einfach wissen, ob … fandest du das eben schön oder schrecklich?“

„Schrecklich bestimmt nicht.“

Doch sie hatte das kurze Zögern vor seiner Antwort bemerkt. „Warum habe ich dann das Gefühl, du müsstest mich jetzt verachten?“, sagte sie mehr zu sich selbst.

„Das ist Unsinn“, erwiderte er sanft, aber bestimmt. „Das ist wirklich Unsinn.“

Sie sah ihn an. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und wirkte genau wie immer. Sein Atem ging jetzt wieder gleichmäßig. Den Ausdruck in seinen Augen konnte sie nicht deuten. Plötzlich erschien er ihr so meilenweit entfernt, als lägen noch immer Welten zwischen ihnen, genau wie bei ihrer ersten Begegnung.

Müde schloss sie die Augen. Tom streckte eine Hand nach ihr aus, fasste sie am Handgelenk, zog sie sanft zu sich herab und umarmte sie.

Sie war so erschöpft, dass sie still in seinen Armen liegen blieb. Bald danach schlief sie ein.

Am nächsten Morgen erwachte Cathy und stellte fest, dass sie allein war. Ihre Kopfschmerzen waren verschwunden, und ihr Körper fühlte sich warm und träge an. Draußen war es düster und regnerisch. Sie beschloss, nicht sofort aufzustehen, sondern im Bett zu bleiben und nachzudenken.

Doch dazu kam sie nicht. Tom stieß die Tür auf und kam mit einem Tablett ins Zimmer. Als Cathy seinem Blick begegnete, wurde sie rot und senkte den Kopf.

„Kein Grund, verlegen zu sein“, erklärte er belustigt. „Es ist doch ein gutes Zeichen, dass wir uns nach zwei Jahren Ehe immer noch gegenseitig überraschen können.“

Ihre Verlegenheit verschwand schlagartig. „Hat dich unsere Ehe so gelangweilt?“, fragte sie bissig. „Das tut mir Leid. Vielleicht liegt es daran, dass du nie mit dem Herzen bei der Sache warst?“

„So habe ich es nicht gemeint, Cathy. Und jetzt setz dich erst einmal auf und frühstücke, statt wie ein wütendes Kätzchen über mich herzufallen.“

„Ich habe allen Grund, auf dich wütend zu sein!“

„Das stimmt“, erwiderte er kurz. Dann streckte er eine Hand aus und zog ihr die Bettdecke weg.

Cathy schnappte nach Luft und setzte sich hastig auf. Tom hatte sie zu Beginn ihrer Ehe manchmal seine „kleine Klosterschülerin“ genannt. In den letzten beiden Jahren hatte sie zwar viele Hemmungen verloren, doch dass er sie in diesem Moment nackt sehen wollte, empfand sie als Beleidigung. „Gib her!“, rief sie hitzig und griff nach der Bettdecke.

Tom fasste sie an den Handgelenken und hielt sie mühelos fest, während er ihren Oberkörper mit den Blicken nach Spuren der letzten Nacht absuchte. Er betrachtete gelassen ihre samtweichen Brüste mit den blassrosa Knospen und ihren schlanken Hals. Als er mit einem Finger eine wunde Stelle berührte, zuckte sie zusammen. Erst jetzt merkte sie, dass ihre Brüste sich empfindlich und wund anfühlten.

Tom fasste sie unters Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich herum. „Woran denkst du?“

Sie versuchte gar nicht, ihre Missstimmung zu verbergen. „Kann ich meinen Morgenmantel haben?“

Er zögerte einen Moment, ehe er ihn ihr reichte. Cathy zog ihn über, schüttelte ihr Kissen auf und lehnte sich dagegen. Tom legte ihr sein Kopfkissen auf die Knie und stellte das Tablett darauf mit dem Orangensaft, Toast und einem gekochten Ei.

Cathy betrachtete die Sachen voller Widerwillen. Sie hatte keinen Appetit.

Tom drückte ihr das Glas Orangensaft in die Hand. „Hier, Cathy, trink. Wie geht es deinem Kopf?“

„Gut“, erwiderte sie kühl. Warum musste er sie denn wieder daran erinnern! Einen Moment lang verspürte sie den kindischen Wunsch, ihm den Orangensaft ins Gesicht zu schütten. Stattdessen trank sie gehorsam einen Schluck. Danach fragte sie: „Kannst du mir erklären, warum ich gestern solche Kopfschmerzen hatte? Du mit deiner großen Erfahrung müsstest das eigentlich wissen.“

Er lächelte flüchtig. „Eine medizinische Erklärung kann ich dir auch nicht geben. Wahrscheinlich lag es daran, dass wir … uns mit solcher Hingabe liebten.“

„Dir hat es offenbar nicht geschadet.“ Sie leerte das Glas und stellte es aufs Tablett zurück.

„Ich bin wohl doch etwas zäher als du.“ Er reichte ihr den Eierlöffel.

Cathy verpasste dem Ei einen kräftigen Schlag mit dem Löffel. Daraufhin warf sie ihn beiseite und hielt sich die Hand vor die Augen. „Bitte geh weg, Tom“, flüsterte sie. „Und nimm das Frühstück wieder mit. Ich weiß nicht, ob ich nur weinen oder lieber gleich sterben möchte, aber ganz bestimmt möchte ich allein sein.“

„Nein, Cathy. Du musst jetzt etwas essen. Anschließend können wir über alles reden.“ Bevor sie widersprechen konnte, fuhr er fort: „Gestern Abend hast du verlangt, dass ich dich wie eine Erwachsene behandeln soll. Also benimm dich jetzt entsprechend. Ich hole dir Kaffee.“ Er stand auf und ging hinaus.

Sie sah ihm nach und zwang sich dann, das Ei und den Toast aufzuessen. Anschließend schob sie das Tablett schnell zur Seite und wartete.

Tom kam wieder ins Zimmer. Wortlos nahm er Cathy das Tablett ab, stellte es auf einen Tisch, reichte ihr eine Tasse Kaffee und zog sich einen Stuhl ans Bett. Obwohl es ein sehr kühler Morgen war, trug er nur seine Schlafanzughose und einen alten Bademantel, der halb offen war. Cathy hatte schon oft bemerkt, dass ihm schlechtes Wetter nichts anhaben konnte.

Verstohlen beobachtete sie ihn jetzt über den Rand ihrer Tasse hinweg. Ihr Mut sank. Wie sollte sie es jemals schaffen, ihn zu erreichen! Sie trank den Kaffee aus, seufzte und ließ sich niedergeschlagen tiefer in die Kissen sinken.

Tom nahm ihr die Tasse ab. „Cathy?“

„Ja, Tom? Kannst du mir erklären, wie wir dieses Durcheinander jemals aufräumen sollen?“

„Sag mir zunächst, ob du irgendeinen Entschluss gefasst hast.“

Sie lachte leise und traurig. „Nein.“

„Du möchtest mich nicht zum Beispiel verlassen?“

„Das klingt, als sei es der abwegigste Gedanke der Welt.“

„Wo würdest du denn hingehen?“

Sie zuckte die Schultern. „Vielleicht zurück nach Melbourne. Ich habe auch vor unserer Hochzeit allein gelebt. Warum soll ich das nicht wieder können?“

„Möchtest du es?“

Sie dachte an die Zeit zurück, in der sie Tom noch nicht gekannt hatte. „Nein. Noch nicht.“ Unvermittelt setzte sie sich auf. „Warum redest du mit mir, als sei ich an allem schuld?“

Er strich sich nachdenklich über die unrasierte Wange. „Du irrst dich. Nur hätte ich diese Probleme gern von dir fern gehalten. Es ist unfair, dass du unter meinen Fehlern leiden sollst. Bitte glaub mir, Cathy, zwischen mir und Brenda ist alles vorbei. Ich habe gar nicht den Wunsch, mich wieder mit ihr einzulassen.“

Cathy wollte etwas einwerfen.

„Nein, warte noch. Ich weiß, was du sagen möchtest. Für dich ist es natürlich trotzdem schwer, mit dem Wissen, was zwischen ihr und mir war, zu leben. Aber zumindest musst du keine Angst haben, dass sie sich zwischen uns drängen könnte. Meine Gefühle für dich haben nichts mit dem zu tun, was ich für Brenda empfunden habe.“

„Dann … denkst du nicht an sie, wenn du mit mir schläfst?“

„Nein!“ Er sah Cathy mitfühlend an. „Hast du das wirklich von mir geglaubt?“

„Ich weiß nicht“, flüsterte sie. „Kann man denn eine Frau, die man einmal geliebt hat, einfach vergessen?“

Tom sah Cathy lange an. „Das kann ich dir nicht beantworten. Natürlich hat Brenda Einfluss auf mein Verhältnis zu dir. Die Trennung von ihr hat mich misstrauisch und verschlossen gemacht. Allerdings war sie nicht allein schuld, dass unsere Beziehung gescheitert ist.“

Tom schwieg kurz, ehe er fortfuhr: „Ich bin schon immer ein Einzelgänger gewesen. Brenda hat mir einmal vorgeworfen, dass ich von ihr völlige Hingabe verlange, aber nicht bereit sei, ebenso viel zu geben. Wenn das wahr ist, dann lag die Schuld vor allem bei mir. Leider hilft mir diese Erkenntnis nicht weiter. Aber wenn du dir vorstellen kannst, mit einem Mann wie mir zusammenzuleben. – trotz allem, was du jetzt über mich weißt –, könnten wir versuchen, noch einmal neu anzufangen.“

Cathy spielte schweigend mit der Bettdecke. Endlich hob sie den Kopf, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und sagte mit belegter Stimme: „Du bist sehr ehrlich zu mir gewesen, Tom, und darum möchte ich es auch zu dir sein. Ich weiß nicht, wie dieses neue Leben aussehen soll.“

„Nun, ich gebe zu, dass ich jetzt nicht von dir verlangen kann, wie vorher weiterzumachen. Wenn du gern als Schauspielerin arbeiten willst, werde ich dir dabei helfen. Mit der Rolle der Chloe könntest du dabei einen großen Schritt vorwärts tun.“ Er stand auf und ging zur Kommode, um Cathy ein Taschentuch zu holen.

„Ich hätte mir keinen unpassenderen Anfang aussuchen können, nicht wahr?“ Sie putzte sich die Nase. „Ist es jetzt zu spät, noch auszusteigen?“

Tom setzte sich wieder. „Nein. Aber du hast gesagt, du könntest eine neue Aufgabe gebrauchen. Vielleicht täte die Herausforderung uns beiden gut.“

„Zumindest wirst du reichlich Gelegenheit haben, mich mit Brenda zu vergleichen.“

„Das habe ich nicht vor.“

Sie lehnte den Kopf gegen die Kissen. „Ich fühle mich so hilflos.“

„Mir geht es nicht anders.“

Cathy sah ihn verblüfft an.

„Ich habe mich immer schuldig gefühlt, weil ich dich dazu verleitet habe, dich in mich zu verlieben und mich zu heiraten. Darum war es mein größter Wunsch, dir niemals weh zu tun. Und jetzt stellt sich heraus, dass es dich vermutlich weniger verletzt hätte, wenn ich von Anfang an offen zu dir gewesen wäre … Aber wie dem auch sei, ich wäre sehr froh, wenn du weiterhin bei mir bleibst, Cathy. Denn du bedeutest mir mehr als jeder andere Mensch. Um das zu beweisen, bin ich auch bereit, dich aus deiner Aschenputtelrolle zu entlassen.“

Nach einer Pause fuhr er fort: „Trotzdem wird es uns nicht leicht fallen, einen Film zusammen zu drehen. Das wäre selbst dann schwierig, wenn alles zwischen uns in Ordnung wäre.“

Ihre Antwort überraschte sie selbst. „Das macht mir keine Sorgen. Ich wünschte, ich wäre genauso zuversichtlich, was unsere Ehe betrifft.“ Leise setzte sie hinzu: „Aber letzten Endes ist es ja nicht deine Schuld, dass ich dich mehr liebe als du mich. Ich glaube, ich … ich brauche einfach etwas Zeit zum Nachdenken, bevor ich wirklich weiß, was ich will.“

„Wenn wir den Film zusammen machen wollen, bleibt uns nicht viel Zeit“, erinnerte er sie ruhig. „Du kannst dich schließlich nicht von mir trennen und trotzdem Chloe spielen. Übrigens, was letzte Nacht betrifft …“

Cathy verbarg das Gesicht in den Händen. „Bitte lass uns nicht davon sprechen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist!“

„Ich glaube, du warst einfach wütend auf mich, weil ich dich so verletzt hatte, und hast es mir auf diese Art gezeigt.“

„Nein … na ja, vielleicht auch. Vor allem wollte ich wohl Brendas Gespenst vertreiben.“

„Mich hat daran nur gestört, dass ich dich in meine Kämpfe mit mir selbst hineingezogen habe.“ Er ergriff ihre Hand. „Wirst du mir erlauben, etwas davon wieder gutzumachen, Cathy?“

Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. „Muss ich das jetzt entscheiden?“

„Du … verdammt.“ Er versuchte, sie zu umarmen, doch sie versteifte sich.

„Nein, Tom. Bitte lass mir Zeit, mich an die neue Lage zu gewöhnen. Wenn du wirklich willst, dass wir weiterhin zusammenbleiben, bin ich einverstanden. Ich wüsste ohnehin nicht, was ich sonst tun soll. Allerdings werde ich bestimmt manchmal verletzt und wütend sein und meinen Entschluss, bei dir zu bleiben, bereuen. Ich will versuchen, die Dreharbeiten dadurch nicht zu belasten. Aber ich … ich kann mich jetzt nicht von dir lieben lassen!“

Tom betrachtete lange Zeit ihr Gesicht, das ihren Schmerz widerspiegelte. Jetzt strich er ihr sanft mit einem Finger über die Lippen. „Das kann ich verstehen. Ich hatte auch gar nicht vor, dich zu lieben. Ich wollte dich ganz einfach trösten. Vielleicht wäre es am besten, wenn wir uns eine Weile wieder wie ein ganz normales Ehepaar benehmen würden.“

„Wünschst du dir das wirklich?“, fragte sie rasch. „Eine normale, alltägliche Ehe ohne Höhen und Tiefen?“

Diesmal zog er sie auf seinen Schoß, ohne auf ihren Protest zu achten. Und während sie vor Kummer und Enttäuschung weinte, wunderte sie sich zugleich darüber, dass sie sich ausgerechnet von ihm trösten ließ.

Endlich behauptete Cathy mit unsicherer Stimme: „Jetzt geht es mir wieder gut.“ Das war gelogen, und Toms Gesichtsausdruck bewies, dass er es wusste. Doch mehr konnte er jetzt nicht für sie tun. Sie versuchte zu lächeln. „Es wird Zeit, praktisch zu denken. Ich weiß noch gar nichts über unsere Reise nach Queensland. Bestimmt musst du noch tausend Sachen erledigen. Ich womöglich auch!“ Sie richtete sich stirnrunzelnd auf.

Tom zog sie noch einmal an sich, küsste sie zärtlich auf den Mund und drückte sie dann wieder sanft aufs Bett. „Da hast du Recht. Etwa acht Wochen bleiben wir weg. Heute Vormittag kommt die Schneiderin, um in Windeseile für deine Kostüme Maß zu nehmen. Sie wird jedoch erst in zwei Stunden hier sein. Also ruh dich noch ein wenig aus.“

Cathy lehnte sich gehorsam zurück und sah zu, wie Tom seinen Morgenmantel auszog und im Badezimmer verschwand, um zu duschen. Kurz darauf hörte sie nebenan Wasser rauschen. Sie fühlte sich eigenartig leer.

Tom kam nackt zurück, ließ das Handtuch, mit dem er sich die Haare trockengerieben hatte, auf den Teppich fallen und ging zur Kommode. Cathy betrachtete gedankenverloren seinen schlanken, hoch gewachsenen Körper mit den schmalen Hüften und breiten Schultern. Am linken Oberschenkel hatte er eine kleine, halbmondförmige Narbe: eine Erinnerung an ein Rugbyspiel während seiner Schulzeit. Plötzlich, als sie seinen Rücken genauer anschaute, fuhr sie zusammen und schrie leise auf.

Er drehte sich zu ihr um. „Was ist los?“

„Dein Rücken!“, flüsterte sie.

„Ach, das.“ Er lächelte. „Mach dir deswegen keine Gedanken.“

„Aber …“

„Alle jungen Katzen schärfen sich gern die Krallen. Warum sollte mein Kätzchen anders sein?“ Seine Augen funkelten belustigt.

„Tom …“

„Nein, Cathy.“ Seine Stimme klang ernst, doch er sah sie neckend an. „Es ist wirklich nicht schlimm. Ich habe dir übrigens ein Bad eingelassen.“ Er wandte sich wieder ab und zog sich schnell an.

Und Cathy stellte fest, dass sie sich plötzlich ganz schwach vor Liebe fühlte, einfach nur, weil Tom sie geneckt hatte. Wie war sie nur in diese unmögliche, absurde Lage geraten?

Während der letzten Tage vor ihrer Abreise nach Queensland dachte Cathy immer wieder über ihr Leben nach. Sie und Tom waren sehr beschäftigt, und äußerlich herrschte Frieden und Eintracht zwischen ihnen. Doch tatsächlich waren Cathys Gefühle in Aufruhr, und sie wunderte sich oft, dass sie so ruhig bleiben konnte. Sie fragte sich, warum sie überhaupt versuchte, den Schein zu wahren, und was sie dazu getrieben hatte, sich auf dieses Unternehmen, das vor ihnen lag, einzulassen.

Am meisten beschäftigte sie jedoch ein Problem. Tom hatte über Brenda Bishop gesprochen, als sei sie jetzt bedeutungslos für ihn. In den Vordergrund hatte er seine eigenen Schwierigkeiten gestellt, die durch die gescheiterte Beziehung bloßgelegt worden waren. Doch Cathy konnte nicht glauben, dass eine Frau, mit der man zusammengelebt und geschlafen hatte und die man hatte heiraten wollen, so unwichtig geworden war.

Die Wahrheit ist, dass ich jetzt schon eifersüchtig auf sie bin, gestand Cathy sich ein. Dabei habe ich sie noch nicht einmal kennen gelernt. Wie soll ich es nur schaffen, mit ihr zusammenzuarbeiten?

Dazu kam, dass Tom zwar wieder im selben Bett mit Cathy schlief, aber nach ihrer letzten Weigerung nicht noch einmal versucht hatte, sie zu lieben. Jede Nacht fürchtete sie sich von neuem davor, dass er es probieren könnte, und jedes Mal, wenn er es nicht tat, fühlte sie sich seltsam verlassen. Zugleich kam sie sich schwach und feige vor, weil sie sich trotz allem nach ihm sehnte.

Als eines Tages ihre Gefühle doch zum Ausbruch kamen, stellte sie fest, dass Tom genau wusste, was in ihr vorging.

Sie saß in der Küche am Tisch, warf ab und zu einen Blick auf den Herd, auf dem das Abendessen vor sich hinkochte, und studierte das Drehbuch. Tom trat herein, bemerkte ihren verzauberten Gesichtsausdruck und hob die Augenbrauen.

„Ich versuche, mich so gut wie möglich vorzubereiten“, erklärte sie etwas steif auf seinen fragenden Blick hin. „Eigentlich dachte ich, dass Filmregisseure immer lange Zeit mit den Darstellern arbeiten, bevor sie überhaupt zu drehen anfangen.“

„Das ist verschieden. Ich mache es bei jedem Schauspieler anders. Dich werde ich ohne lange Vorbereitung spielen lassen.“ Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Dose Bier heraus. „Möchtest du auch etwas trinken?“

„Nein, danke.“

„Das Essen duftet übrigens sehr gut.“

„Und wie machst du es mit Brenda Bishop?“

Er stand noch immer mit dem Rücken zu Cathy. Jetzt trank er einen kräftigen Schluck Bier, drehte sich um und stellte die Dose auf den Tisch. „Ich habe keine langen Sitzungen mit ihr abgehalten, falls es das ist, was du wissen willst. Ich werde sie ebenfalls spielen lassen, wie sie will – mehr oder weniger jedenfalls. Außerdem war es gar nicht möglich, mit ihr die Rolle zu üben.“

Cathy sah ihn zweifelnd an.

„Sei nicht so argwöhnisch. Ich habe Brenda überhaupt noch nicht gesprochen. Sie kommt erst morgen nach Australien zurück.“

„Aber …“ Vor Überraschung fehlten Cathy die Worte.

„Du weißt doch, dass wir die Rolle der Portia erst jemand anders angeboten haben. Julia Whitefield hatte den Vertrag schon unterschrieben, als sie sich ein Bein gebrochen hat. Peter war überglücklich, denn er wollte von Anfang an Brenda für die Rolle gewinnen. Sie hat jedoch bis vor kurzem in Amerika gefilmt.“ Fest blickte Tom Cathy in die Augen. „Ich habe sie in den letzten zwei Jahren nur manchmal flüchtig gesehen und nie mit ihr gesprochen.“

„Ach so.“ Doch Cathys Blick blieb misstrauisch.

„Möchtest du sonst noch etwas wissen?“, fragte er mit einem Anflug von Spott.

„Ja. Hast du wirklich gedacht, ich würde mich nicht fragen, ob du und … verdammt.“ Sie biss sich auf die Unterlippe.

„Ich weiß, es ist nicht leicht für dich. Aber bitte versuch, mir zu glauben, dass zwischen Brenda und mir alles vorbei ist. Wenn es dir nicht gelingt, die ganze Sache zu vergessen, sehe ich schwarz.“

„Ich kann es mir ja hundert Mal am Tag vorsagen. Oder es hundert Mal aufschreiben. Vielleicht hilft das.“

„Es war deine Entscheidung, bei dem Film mitzuspielen. Du hast gesagt, deine Arbeit würde nicht darunter leiden, dass …“

Cathy sprang auf und knallte das Drehbuch zu. „Wir sind noch nicht im Studio.“ Sie ging ans Fenster und blickte wütend nach draußen zum Mount Macedon.

Tom betrachtete ihren schmalen Rücken und trat dann leise hinter sie. „Cathy“, flüsterte er kaum hörbar.

Sie zuckte zusammen.

Behutsam legte er ihr die Hände auf die Schultern. Zunächst blieb sie unbeweglich stehen. Dann ließ sie die Schultern sinken. Tom zog Cathy an sich und schlang die Arme um sie. So verharrten sie lange Zeit, ohne sich zu rühren. Schließlich drehte er sie zu sich herum und wischte ihr die Tränen fort. Sogleich kamen neue. Er umarmte sie wieder.

Cathy barg das Gesicht an seiner Schulter. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, flüsterte sie.

„Ich glaube, ich weiß es.“ Er hob sie hoch und trug sie zum Schlafzimmer.

„Unser Essen“, protestierte sie schwach.

„Kann warten. Dies ist wichtiger.“ Er stieß mit der Schulter die Tür auf, legte Cathy aufs Bett, setzte sich neben sie und sah lange schweigend auf sie herab. „Ich habe Erinnerungen an dich, an uns, die ich mein Leben lang behalten werde. Es sind wunderbare Erinnerungen. Bedeutet dir das gar nichts?“

Er hob eine Hand, legte sie ihr an die Wange und ließ seine Finger dann ihren Hals hinabgleiten. „Erinnerungen wie diese.“ Er strich ihr durch das Haar, das ihr über die Schulter gefallen war. „Es tut mir unendlich Leid, dass ich dich so verletzt habe. Lange bemerkte ich nicht einmal, was in dir vorging. Erst als du anfingst, so traurig auszusehen, machte ich mir Gedanken.“ Müde hob er die Schultern. „Doch möglicherweise kann ich dich auch wieder heilen. Wirst du mir erlauben, es zu versuchen?“

„So wie … jetzt?“

„Ja.“

Nach einer Weile erwiderte sie: „Also gut.“

Sie blieb reglos mit geschlossenen Augen und abgewandtem Gesicht liegen, während Tom ihr leichtes grünes Sommerkleid aufknöpfte, den Verschluss am Nacken löste, es ihr auszog und beiseite legte. Darunter trug sie nur ein Bikinihöschen. Er streckte sich neben ihr aus und begann, sie sanft zu streicheln.

Endlich öffnete sie leise seufzend die Augen und knöpfte ihm das Hemd auf. Sie hatte schon bald gemerkt, dass es ihr ebenso viel Freude bereitete, ihn zu berühren, wie von ihm berührt zu werden. Es erregte sie, ihn anzufassen, zu streicheln und sich mit Mund, Brüsten und Armen an ihm zu reiben. Und Tom genoss es ebenfalls. Manchmal verlängerte sie dieses sinnliche, lustvolle Spiel, bis er sie stöhnend nahm, weil er die Spannung nicht mehr ertrug. Doch diesmal liebkoste sie ihn nicht mit dem Wunsch, ihn noch mehr zu reizen, und auch nicht mit der wilden Leidenschaft, die sie beim letzten Mal empfunden hatte, sondern mit dem Gefühl, sich einem unausweichlichen Schicksal zu ergeben. Sie wusste jetzt, dass sie ihn liebte, dass sich das niemals ändern würde und dass er der Mittelpunkt ihres Lebens war.

Er schien zu erraten, was in ihren Gedanken und in ihrem Herzen vorging, denn er erwiderte ihre sanfte, hingebungsvolle Zärtlichkeit, bis sie sich ihm entgegenbog, die Hände sinken ließ und den Kopf weit zurücklehnte. Als er dann endlich in sie eindrang, genügte die erste Berührung, um sie in Wellen der Lust versinken zu lassen und ihn mit sich zu reißen. Diesmal empfand sie tiefes Glück, das sie noch stärker an ihn band. Sie atmeten im gleichen Rhythmus und hielten sich fest in den Armen, bis die Leidenschaft abgeklungen war.

Als Cathy schließlich in die Küche zurückkehrte, war das Abendessen hoffnungslos verbrannt. Also ging Tom mit ihr in die Dorfkneipe essen. Doch dafür waren sie sich in den letzten Tagen, die sie am Mount Macedon verbracht hatten, näher und vertrauter als je zuvor.

4. KAPITEL

Am Tag vor der Abreise nach Queensland fuhren Tom und Cathy mit William und seinen Großeltern zum Picknick am Fuß des „Hanging Rock“. Das sollte William darüber hinwegtrösten, dass er sie nun wochenlang nicht mehr sehen würde. Nach der Mahlzeit streckte sich Cathy auf der Decke aus, riss einen Grashalm ab, um damit die Fliegen zu verscheuchen, und sah nachdenklich zum Fels hinauf. William und seine Großeltern waren spazieren gegangen, und Tom packte die Reste des Picknicks zusammen.

Cathy ließ ihre Gedanken ziellos umherwandern, bis sie von selbst zu dem Problem zurückkamen, das sie am meisten beschäftigte. Sie hatte seit einigen Tagen das Gefühl, dass sie längst entschieden hatte, wie es mit ihrer Ehe weitergehen sollte: Sie wollte die Dinge annehmen, wie sie im Augenblick waren, und darauf hoffen, dass sie eines Tages Brenda ganz aus Toms Herz verdrängen konnte.

Doch wie sollte sie sich verhalten, um das zu erreichen? Cathy dachte daran, wie viele Frauen schon in einer ähnlichen Lage gewesen waren und sich genau wie sie entschieden hatten, wenn ihnen überhaupt eine Wahl geblieben war. Sie alle hatten versuchen müssen, ihre Wut und ihre Eifersucht im Keim zu ersticken. Natürlich hatte sie, Cathy, die Wahl, Tom zu verlassen. Doch allein der Gedanke … Sie seufzte, rollte sich auf den Bauch und verbarg das Gesicht in den Armen.

„Cathy?“, sagte Tom dicht über ihr.

Sie drehte sich widerstrebend um.

„Ist alles in Ordnung?“, wollte er wissen.

Er hockte neben ihr auf der Erde. Jetzt nahm er ihr den Grashalm aus der Hand und lächelte sie an, so dass die feinen Linien um die Augen und an den Mundwinkeln sich vertieften. Die Sonnenstrahlen verfingen sich in seinem Haar und ließen es für einen kurzen Moment aufschimmern.

Cathy atmete tief ein und lächelte zurück. „Ja.“

„Als wir das letzte Mal hier waren …“

„Ich weiß.“

„Schade, dass wir nicht allein sind.“ Es klang scherzhaft, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache.

Rasch warf Cathy einen Blick auf den Felsen über ihnen. „Es ist besser so.“

Als er fragend die Augenbrauen hob, setzte sie sich auf, küsste ihn und sagte ernst: „Wir werden noch oft Gelegenheit dazu haben.“

„Ein Glück! Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen.“

„Wie wäre es mit heute Abend? Wir müssen schließlich von unserem Bett und dem Schlafzimmer Abschied nehmen. Was hältst du davon?“

Er sah ihr tief in die Augen. „Es wird mir schwer fallen, so lange zu warten. Aber ich glaube, es wird sich lohnen.“ Er fasste sie unters Kinn und küsste sie. Offensichtlich hatte er erraten, dass sie sich entschieden hatte, bei ihm zu bleiben.

Vierundzwanzig Stunden später saßen Tom und Cathy im Flugzeug nach Queensland. Cathy sah aus dem Fenster. Ein Teppich aus flauschigen weißen Wolken breitete sich unter den Tragflächen aus. Sie hatten eben zu Mittag gegessen und sollten in einer halben Stunde in Coolangatta landen. Der Gedanke beunruhigte sie.

Tom legte eine Hand über ihre und sagte: „Dies sind wahrscheinlich unsere letzten ruhigen Momente. Alle anderen werden schon auf uns warten, und ich hoffe, dass sie darauf brennen, anzufangen.“

Cathy streichelte ihm mit dem Daumen die Hand und drehte sich zu ihm um. „Erzähl mir von ihnen.“

Er streckte die langen Beine so weit wie möglich aus. „Mit den meisten Technikern habe ich schon gearbeitet. Die Kameraleute und der Toningenieur haben mit mir Der letzte Freitag gedreht.“ Für diesen Film war er für einen Oscar vorgeschlagen worden. „Mit dem Cutter, Jason White, komme ich nicht so gut zurecht. Er ist ziemlich verrückt, hat aber Anflüge von Genialität und genauso viel Fantasie wie Peter. Die beiden werden sich gut verstehen.“ Das klang spöttisch. „Und ich fürchte, Charles Westfield wird sich ihnen anschließen.“

„Als ich … oh, etwa zwölf Jahre alt war, habe ich schrecklich von ihm geschwärmt“, gestand Cathy lächelnd.

Charles Westfield war ein amerikanischer Schauspieler, der als Junge die Hauptrolle in einer Fernsehserie gespielt hatte. Bis jetzt war ihm der große Durchbruch beim Film noch nicht gelungen. Er sollte bei der Verfilmung von Peters Bestseller Zu spät in Adelaide die männliche Hauptperson spielen. Cathy wusste, dass viele Filmleute dagegen waren, amerikanischen Schauspielern wichtige Rollen in australischen Produktionen zu geben.

Aber Tom und Duncan fanden beide, dass Charles Westfield die Rolle auf den Leib geschrieben war. Er sollte einen gut aussehenden, etwas überdrehten Australier darstellen, der nicht nur mit seinen Beziehungen zu Portia und Chloe, sondern auch mit Geheimagenten der verschiedensten Nationalitäten zu kämpfen hatte, weil er mit einem Spion verwechselt wurde.

Tom lächelte Cathy an. „Du hast für ihn geschwärmt?“

„Ja. Aber ich habe seit Ewigkeiten keinen Film mit ihm mehr gesehen. Wie alt ist er überhaupt?“

„Sechsundzwanzig. Und berühmt für sein Glück bei den Frauen. Ich habe das Gefühl, dass er und Portia sich nicht vertragen werden.“

„Warum? Weil er Amerikaner ist? Oder …“ Sie verstummte.

Nach kurzem Schweigen antwortete Tom: „Ich glaube, dass Brenda genau weiß, wo ihre Grenzen liegen. Aber diese Rolle dürfte ihr schwer fallen. Sie muss eine jüngere Frau spielen, die einen Mann leidenschaftlich liebt, und dieser Mann … Ich fürchte, sie wird Charles Westfield für einen hübschen Jüngling ohne jedes Talent halten.“

„Vielleicht zeigt er ihr, dass sie sich geirrt hat. Du musst doch überzeugt sein, dass er spielen kann.“

„Das bin ich auch. Aber ich habe auch nicht Brendas Vorurteile gegenüber Männern.“

Cathy, die bis dahin Toms Hand betrachtet hatte, hob jetzt den Kopf und sah ihm forschend in die Augen. „Bestimmt hat sie einen Grund für ihre Vorurteile.“

„Sicher“, erwiderte er trocken. Dann lächelte er und drückte ihr die Hand. „Zum Glück ist das nicht dein Problem. Und mich betrifft es auch nur noch in künstlerischer Hinsicht … Wenn du mich so anschaust, weiß ich, dass du der Chloe gewachsen bist, Cathy.“

„Danke, Tom. Bitte sag mir nur noch eins: Wissen viele Leute über dich und Brenda Bescheid?“

Sein Blick wurde traurig. „Leider ja. Darum habe ich dir auch alles erzählt. Damit du es nicht zuerst von einem Fremden erfährst.“

Als sie nach der Landung durch die Ankunftshalle des Flughafens gingen, stolperte Cathy. Tom legte ihr einen Arm um die Schultern, um sie fest zu halten, und ließ sie nicht wieder los. Ein Blitzlicht flammte auf, und gleich danach drängte sich Duncan durch die wartende Menschenmenge, um Tom und Cathy zu begrüßen und den Reportern vorzustellen.

Cathy vergaß, sich das Foto am nächsten Tag in den Zeitungen anzusehen. Doch zwei der vielen Zeitungsleser, die es zu Gesicht bekamen, schauten es sich mit ungewöhnlich starkem Interesse an.

Charles Westfield, der mit einem früheren Flugzeug angekommen war und dessen Foto neben dem von Cathy und Tom prangte, betrachtete sich selbst voller Genugtuung, bevor er einen flüchtigen Blick auf das andere Bild warf. Cathys Anblick nahm ihn sofort gefangen. Er schürzte die Lippen und pfiff leise und anerkennend vor sich hin. Danach las er die Bildunterschrift. „Die Frau des Regisseurs?“, wiederholte er ungläubig. „Davon hat mir niemand etwas gesagt! Verdammt …“ Er runzelte bedauernd die Stirn und zuckte ergeben die Schultern. Doch die Aussicht, in diesem fremden Land, viele tausend Kilometer von seiner Heimat entfernt, einen Film zu drehen, gefiel ihm plötzlich sehr viel besser.

Brenda Bishop gönnte Charles’ hübschem Gesicht auf dem Foto nur einen flüchtigen Blick, bevor sie sich dem Bild von Tom und Cathy zuwandte. Brenda sah sich genau an, wie Tom den Arm um die Schultern seiner Frau gelegt hatte, mit welchem Gesichtsausdruck er sie anschaute und wie jung Cathy war. Danach schloss Brenda gequält die Augen.

„Ich freue mich, dass wir endlich alle hier sind.“ Tom sprach ruhig und gelassen. „Bevor wir anfangen zu drehen, möchte ich ein paar allgemeine Dinge klären. Der Stil eines Spielfilms hängt von der Form und der Gesamtgestaltung ab, wie es so schön heißt. Es ist meine Aufgabe, Peters Geschichte und die Atmosphäre des Buches so einzufangen, dass sie auf der Leinwand zum Leben erwachen. Dazu brauche ich die Hilfe von euch allen: nicht nur von den Schauspielern, sondern auch den Kameraleuten, Toningenieuren, Cuttern und so weiter.“

Tom machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr: „Ich habe nicht vor, einen großartigen Film zu drehen oder irgendeine Botschaft an den Zuschauer zu vermitteln. Aber ich will die gleiche Spannung und Originalität erreichen, die Peters Leser gefangen genommen haben. Ich werde mir jeden Vorschlag von euch gern anhören. Was ich jedoch nicht dulde, sind Unpünktlichkeit und Desinteresse. Das schadet nicht nur dem Film, sondern stört alle Beteiligten, kostet Zeit und damit auch Geld. Habt ihr irgendwelche Fragen?“

Bei seinen Worten spürte Cathy einen Schauer der Erregung. Zum ersten Mal gehörte sie einem professionell arbeitenden Filmteam an. Der Gedanke beflügelte sie. Selbst die Tatsache, dass Brenda Bishop nur wenige Meter von ihr entfernt saß, konnte daran nichts ändern.

Nachdem Tom eine Reihe von Fragen beantwortet hatte, fuhr er fort: „Da es regnet, können wir nicht wie geplant mit den Außenaufnahmen anfangen. Stattdessen werden wir uns Chloe vornehmen. Ihr kennt das Drehbuch und wisst, dass Chloe immer wieder unvermutet in Roberts Leben auftaucht und ebenso schnell wieder verschwindet. Er fühlt sich stark zu ihr hingezogen und kann sie doch nie erreichen.“

Tom schaute von einem zum anderen, ehe er weitersprach: „Die erste dieser Begegnungen findet auf einer Party statt. Es ist eine klassische Szene: ein zauberhafter Abend, Blickwechsel quer durch den Raum und so weiter. Scheinbar durch Zufall sind alle wichtigen Personen der Geschichte auch auf der Party und versuchen dauernd, mit Robert allein zu sein, nicht um ihn von Chloe fern zu halten, sondern aus ganz anderen Gründen, von denen Robert nichts ahnt. Das Ergebnis ist eine komische Szene mit düsterem Hintergrund. Die Kulissen sind schon aufgebaut. Ich möchte das Ganze heute Vormittag einmal proben und wenn möglich dann am Nachmittag drehen. Fangen wir nun an.“

Um neun Uhr abends rief Tom endlich: „Schnitt! Die Szene steht.“

Die Mitwirkenden jubelten.

„Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, Leute“, sagte Tom grinsend. „Wir mussten uns eben erst aneinander gewöhnen. Die nächsten Szenen werden uns allen leichter fallen.“ Er erklärte noch kurz, was er für den nächsten Vormittag geplant hatte.

Cathy saß auf einer Couch und hörte ihm zu. Wegen der Hitze hatte sie das lange, schulterfreie Abendkleid aus gelbem Brokat bis zu den Knien hochgeschoben. Sie hatte das Gefühl, sich vor Müdigkeit nicht mehr rühren zu können. Schließlich riss sie sich jedoch zusammen, stand auf und drängte sich zwischen ihren Kollegen hindurch zur Tür ihrer kleinen Garderobe. Sie hätte gern mit Tom gesprochen, doch er war von einer Gruppe Menschen umringt.

Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank sie auf den einzigen Stuhl, stützte die Ellbogen auf den Schminktisch und das Kinn in die Hände. Müde betrachtete sie ihr Spiegelbild. Sie hatte das verwirrende Gefühl, aus zwei verschiedenen Personen zu bestehen: aus Toms Frau, die nur in Erscheinung treten durfte, wenn sie mit ihm allein war, und aus einer jungen Schauspielerin, die er wie jede andere behandelte, die er unbeteiligt ansah und über die er ebenso unbeteiligt reden konnte …

Cathy schloss die Augen und ermahnte sich, vernünftig zu sein. Schließlich hatte sie gewusst, was auf sie zukam. Tom hatte ihr erklärt, dass das der einzige Weg sei, um überhaupt zusammenarbeiten zu können.

Trotzdem beunruhigte es sie. Sie öffnete die Augen und sagte leise zu ihrem Spiegelbild: „Es fällt ihm so leicht, zu vergessen, wer ich bin. Ich fühle mich verwirrt und erschöpft, und ihm macht die Situation gar nichts aus. Merkt er denn nicht, wie die anderen ihn, Brenda und mich beobachten? Man kann förmlich spüren, worüber sie sich die Köpfe zerbrechen. Und Brenda scheint das alles auch nicht zu stören. Liegt es einfach daran, dass sie und Tom Profis sind und ich blutige Anfängerin? Oder …“

Es klopfte. „Darf ich hereinkommen, Cathy?“, rief Brenda durch die Tür.

„Ja … herein!“, antwortete Cathy unsicher.

Brenda war bereits fertig abgeschminkt und trug jetzt Jeans und eine Bluse. In den Händen hielt sie zwei Becher mit Kaffee. „Sie haben vorhin ausgesehen, als könnten Sie eine Aufmunterung gebrauchen.“ Brenda warf Cathy kurz einen prüfenden Blick zu. „Sie waren großartig. Aber die Arbeit ist anstrengend, besonders am Anfang.“ Sie stieß die Tür mit dem Fuß zu, reichte Cathy einen der Becher und lehnte sich gegen die Wand.

Cathy trank einen Schluck. „Danke. Ich fühle mich wirklich wie erschlagen. Sie haben übrigens auch sehr gut gespielt. Viel lockerer als ich.“

„Das ist Übungssache. Wie gefällt es Ihnen in Sanctuary Cove?“

Cathy dachte an die Luxusvilla direkt am Hafen, die sie und Tom allein bewohnten, an die einladende Einkaufspassage, den Yachthafen, die Fischerboote, den Golfplatz und die Sportplätze. „Ich bin immer noch überwältigt. Wir sind ja gerade erst angekommen. Schade, dass es dauernd regnet.“

Brenda lachte. „Stimmt! Ist es nicht verblüffend, wie wenig der Regen den Einheimischen auszumachen scheint? Heute Morgen habe ich eine Horde Kinder im strömenden Regen mit dem Fahrrad zur Schule fahren sehen, ohne Regenmäntel!“

„Wahrscheinlich wissen sie, dass die Kleidung sofort wieder trocknet. Bei der Hitze!“ Sie lachten beide, wurden wieder ernst und schauten sich an.

„Ich hoffe“, begann Brenda zögernd, „dass wir zusammenarbeiten können, ohne …“ Sie verstummte unsicher.

Cathy holte tief Luft. „Ich glaube schon“, erwiderte sie ruhig. „Tom hat mir von Ihnen erzählt. Ich finde es besser … Es ist doch albern, so zu tun, als wüssten wir von nichts. Sie haben sich bestimmt schon gefragt, ob ich Bescheid weiß. Und ich wette, dass alle anderen das auch tun. Ich frage mich immer wieder, wie es Ihnen geht, wenn …“ Forschend sah sie Brenda an.

Diese blieb ruhig stehen. Nur ihr Blick wurde plötzlich traurig. „Zwischen mir und Tom ist alles aus, Cathy. Sie … Sie sind sehr schön und viel jünger …“

„Das ist sie wirklich.“

Sie drehten sich erschrocken um. An der jetzt offenen Garderobentür stand Tom. „Hallo, Brenda.“

Sie richtete sich auf. „Gerade wollte ich gehen, Tom. Ich habe Cathy gesagt, dass sie hervorragend gespielt hat. Wir sehen uns morgen.“ Sie schaute Tom fest an, bis er beiseite trat und sie vorbeiließ.

Er schloss hinter ihr die Tür. „Sonst hat sie nichts gesagt?“

„Doch. Anscheinend haben wir beide gemerkt, dass es so wie heute nicht weitergeht. Wir können nicht so tun, als seien wir uns völlig fremd. Ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass ich über euch beide Bescheid weiß. Und sie …“ Cathy zögerte und schaute zu ihm auf. Er wirkte sehr verschlossen. „Sie hat mir gesagt, dass zwischen euch alles vorbei ist.“

„Glaubst du ihr?“

Cathy wusste es nicht. Doch es hatte keinen Sinn, jetzt darüber zu sprechen. „Zumindest können wir jetzt gelassener zusammenarbeiten. Morgen bin ich bestimmt schon lockerer.“

Sie drehte sich um und begegnete Toms Blick im Spiegel.

Nach langem Schweigen meinte er: „Du warst sehr gut.“

Sie zuckte die Schultern, nahm eine Dose Gesichtscreme vom Tisch und fing an, sich abzuschminken. „Du brauchst mich nicht zu loben, wenn das gegen die Berufsregeln verstößt.“

„Du hast ein Lob verdient. Außerdem hört uns ja niemand.“ Er trat hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern und fing an, ihr mit den Daumen die Nackenmuskeln zu massieren.

Cathy wischte die letzten Reste der Schminke ab und betrachtete sich im Spiegel. Dann schloss sie die Augen und entspannte sich etwas. „Ich bin so müde!“, flüsterte sie.

„Ich weiß. Bald wirst du dich an die Arbeit gewöhnen. Jetzt lass uns nach Hause fahren und schlafen gehen.“ Er nahm die Hände von Cathys Schultern und sammelte ihre Kleidungsstücke ein. Als sie aufstand, öffnete er ihr den Reißverschluss und half ihr, das gelbe Abendkleid auszuziehen. Darunter trug sie einen hautfarbenen, trägerlosen BH und einen passenden Slip. Tom sah sie bewundernd an. „Hat es dir gefallen, Königin des Abends zu sein?“

„War ich das?“

Er reichte ihr die cremefarbene Bluse. „Wenn mich nicht alles täuscht, war nicht nur ich dieser Meinung.“

„Oh.“ Cathy knöpfte sich die Bluse zu und nahm ihm den Leinenrock ab. „Na, das gehört schließlich zu meiner Rolle. Portia musste in Stewardessenuniform auftreten.“

Tom knöpfte Cathy den Rock zu. Jetzt drehte er sie zu sich um, zupfte den Blusenkragen zurecht, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fuhr ihr mit den Fingern durch die dichten, seidenweichen Locken. „Gut, dass wir dein Haar gelassen haben, wie es war.“ Abschätzend betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. „Jetzt bist du wieder du selbst. Lass uns gehen, bevor du im Stehen einschläfst.“

Die Villa, in der Tom und Cathy wohnten, war das genaue Gegenstück zu ihrem Haus am Mount Macedon. Sie hatte kühle Steinfußböden und war mit modernen, eckigen Möbeln in Pastellfarben eingerichtet. Tom bestand darauf, dass Cathy vor dem Schlafengehen noch etwas aß, und goss ihr auch ein Glas Weißwein ein. Cathy protestierte schwach.

„Ich kenne dich, Cathy“, behauptete er. „Du gehörst zu den Leuten, die keinen Hunger haben, wenn sie aufgeregt sind. Aber das tut dir nicht gut. Es hat keinen Sinn, ins Bett zu gehen, solange du noch überdreht bist. Also versuch, die Augen noch ein wenig länger offen zu halten.“

Das Essen und der Wein halfen ihr wirklich, sich zu entspannen. Sie wurde sogar wieder etwas munterer. Nach der Mahlzeit setzte Tom sich neben sie auf die Couch, legte ihr den Arm um die Schultern und stützte die Füße auf den niedrigen Tisch. Danach fing er zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit von sich aus an, über seine Arbeit zu sprechen.

„Was Charlie, Jason und Peter betrifft, hatte ich Recht. Wir müssen scharf auf sie aufpassen, sonst gründen sie noch einen Geheimbund.“

Cathy lachte leise. „Wegen Charlie und Brenda hast du dich auch nicht geirrt. Wann immer die Kamera nicht läuft, beäugen sie sich äußerst misstrauisch. Hast du es bemerkt?“

„Ja. Mir ist auch aufgefallen …“ Tom zögerte, warf einen Blick auf die ahnungslose Cathy und wechselte unmerklich das Thema. „Die Freundschaft zwischen Peter und Charlie könnte auch ihr Gutes haben. Vielleicht gelingt es Peter, Charlie beizubringen, was seine Aufgabe bei diesem Film ist.“

Cathy war Toms veränderter Tonfall nicht entgangen. Fragend sah sie zu Tom auf.

Er verzog das Gesicht. „Ich meine, letzten Endes liebt Robert Portia, auch wenn er von Chloe bezaubert ist.“

Cathy lachte leise und lehnte den Kopf wieder an seine Schulter. „Peter kann sehr überzeugend sein. Weißt du eigentlich, dass ich die einzige Schauspielerin bin, die schon einmal mit dir gearbeitet hat? Es ist lange her, seit du behauptet hast, dass ich so aufregend wie ein tiefgefrorener Hering aussehe.“

Er schmunzelte. „So habe ich das nicht gesagt.“

„Oh doch. Ich erinnere mich noch genau. Bin ich froh, dass mir das diesmal erspart bleibt.“

„Du meinst, dass du niemand leidenschaftlich küssen musst? Das freut mich auch.“

Sie setzte sich auf. „Würde es dir denn etwas ausmachen, Tom?“

Nachdenklich betrachtete er ihr ernstes Gesicht. „Warum nicht?“

Sie zögerte kurz, ehe sie antwortete: „Auch wenn du genau wüsstest, dass es zu meiner Rolle gehört und sonst nichts zu bedeuten hat?“

„Es würde mir trotzdem nicht gefallen.“

„Und …“ Plötzlich platzte sie heraus: „Wie würdest du es finden, wenn Brenda und Charlie … Entschuldige. Das ist mir bloß so herausgerutscht.“

Tom blieb ruhig. „Mein größtes Problem wird sein, ihnen eine überzeugende Darbietung abzuringen.“

„Wie schaffst du es nur, das alles beiseite zu schieben? Du scheinst bei der Arbeit an nichts als an deinen Film zu denken. Ich hätte ebenso gut Mickymaus sein können. Nicht, dass ich mich beschweren will, aber …“

„Wirklich nicht?“ Er strich ihr mit dem Zeigefinger über die Wange.

„Na ja … zumindest weiß ich, dass es nicht anders geht.“ Das kam der Wahrheit schon näher. Warum schaffe ich das nicht auch? Wenn ich wirklich jemand küssen müsste …“

„Vielleicht kommt es daher, dass dich außer mir nie ein Mann geküsst hat. Jedenfalls nicht richtig. Möchtest du es gern ausprobieren?“

„Nein! Ich habe dir doch eben erklärt …“

„Du scheinst aber zu glauben, dass wir früher oder später damit rechnen müssen“, neckte Tom sie. „Ich bringe dir gern die richtige Technik für einen Filmkuss bei. Am besten fängt man mit einem schönen, ausdrucksvollen Blick an. So.“ Er legte ihr die Hände auf die Schultern und sah ihr ohne eine Spur von Belustigung so tief in die Augen, dass sie unwillkürlich den Atem anhielt.

„Du machst dich über mich lustig, Tom“, flüsterte Cathy.

„Aber nein. Jetzt musst du den Kopf leicht nach hinten neigen.“ Sie gehorchte. „Die klassische Tradition erfordert, dass ich einen Moment zögere und … damit ist die erste Lektion beendet.“

Er ließ sie los, ergriff ihre Hand und lehnte sich zurück. „Ich habe wirklich nur Spaß gemacht. Du musst mir entweder vergeben oder mich ohrfeigen.“ Tom küsste ihr die Hand und legte sie ihr wieder in den Schoß, ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden.

Nach einer Weile fragte Cathy nachdenklich: „Macht es dir etwas aus, mit mir über den Film zu sprechen? Eigentlich ist es ja gegen die Spielregeln. Ich möchte nicht zudringlich sein.“

„Falls du dabei an mein Verhältnis zu Brenda denkst: Da gibt es nichts, was ich vor dir verbergen müsste. Ich hoffe, es …“ Tom verstummte plötzlich. Cathy wartete schweigend, bis er endlich fortfuhr: „Es könnte alles ganz einfach werden. Entschuldige, dass ich solchen Unsinn rede. Ich bin einfach hundemüde. Du scheinst dich ja glänzend erholt zu haben. Bringst du mich ins Bett?“

Sie sah ihn entrüstet an. „Das ist der fadenscheinigste Vorwand, der dir jemals eingefallen ist, Tom West. Aber komm.“ Sie reichte ihm die Hand.

Er ergriff sie und zog Cathy in die Arme. „Es gibt so viel, was ich an dir mag, Cathy. Kannst du mir das glauben?“

Sie seufzte leise. Hinter vorgehaltener Hand gähnte sie. „Ich denke schon, Tom. Trotzdem weiß ich gar nicht, wie ich es noch bis ins Bett schaffen soll.“

Er lachte. „Ich helfe dir. Und obwohl ich gerade das Gegenteil behauptet habe, muss ich noch arbeiten.“

„Ich wusste es doch. Aber bitte bring mich erst ins Bett.“

Cathy schlief ein, kaum dass sie dort lag. Tom blieb eine Weile still neben ihr stehen, den Blick auf ihr entspanntes Gesicht gerichtet. Dann ging er wieder nach unten. Doch statt zu arbeiten, goss er sich ein Glas Wein ein, trat hinaus auf die Terrasse und sah auf das dunkle Wasser des Hafens hinaus, in dem sich die Lichter von Sanctuary Cove spiegelten.

5. KAPITEL

Am nächsten Morgen fühlte sich Cathy erstaunlich frisch. Sie stand auf, ohne Tom zu wecken, räumte im Haus auf, wusch ab und machte Frühstück. Bei der Arbeit dachte sie über ihr gestriges Gespräch nach. Sie war sicher, dass es zwischen Brenda und Tom Dinge gab, von denen sie, Cathy, nichts wusste, auch wenn Tom das abgestritten hatte. Sogleich rief sie sich energisch ins Gedächtnis, was sie sich bei ihrem letzten Picknick vorgenommen hatte. Sie täte gut daran, manche Gedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Als sie Tom das Frühstück ins Schlafzimmer brachte, schlief er immer noch. Statt ihn sofort aufzuwecken, blieb sie einen Moment neben ihm stehen.

Tom hatte sich mitten ins Bett gerollt. Er lag auf der Seite, hatte sich die dünne Decke um Beine und Bauch gewickelt und Cathys Kopfkissen mit den Armen umschlungen.

Sie lächelte leicht. Wenn er schlief, sah er ganz anders aus als sonst: verletzlich und jünger. Nur dann hatte sie manchmal das Gefühl, ihm überlegen zu sein. Sonst war sie im Vergleich zu ihm stets die Junge, Unerfahrene.

In Augenblicken wie diesem erinnerte sie sich daran, dass auch Tom seine Schwächen hatte. Er konnte einfach keine Ordnung halten, vergaß immer wieder, wichtige Rechnungen, zum Beispiel für Strom und Telefon, zu bezahlen, brauchte oft ewig lange, um seine Autoschlüssel zu finden, vernachlässigte seine Kleidung, ging aus Versehen oft ohne Geld und ohne Kreditkarte aus dem Haus, kam zu spät zu Verabredungen, wenn er sie nicht völlig vergaß, und verwechselte die Tage, an denen er Gäste erwartete.

Cathy sagte sich manchmal, wie er es vor ihrer Ehe geschafft hatte, nicht zu verhungern. Außerdem konnte er unerwartet grob zu Personen sein. Und wenn er dann merkte, dass sie verletzt waren, war er jedes Mal völlig überrascht.

„Tom?“, sagte Cathy leise.

Langsam öffnete er die Augen, blinzelte und rollte sich stöhnend auf den Rücken. „Wie spät ist es?“

„Neun. Ich habe dir Frühstück gemacht.“

„Neun!“ Sofort setzte er sich auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

„Wir fangen doch erst um zehn wieder an. Du hast noch reichlich Zeit.“ Cathy stellte das Tablett neben ihm aufs Bett.

„Ihr fangt um zehn an. Ich wollte schon viel früher im Studio sein, um mir die Aufnahmen von gestern anzusehen, bevor wir weitermachen.“

„Oh!“ Sie lächelte ihn an. „Das hättest du mir sagen sollen.“

Statt etwas zu erwidern, strich Tom sich über das unrasierte Kinn und schaute zu ihr auf. Ihr glänzendes Haar, die weißen Shorts und das blaue T-Shirt verliehen ihr etwas unberührt Frisches. Mit einer plötzlichen Bewegung zog er sie zu sich aufs Bett, umarmte sie und legte sich auf sie.

„Tom!“

„Ja, Cathy? Ich verspüre den eigenartigen Drang, dich auszuziehen und zu zerzausen. Ich glaube nicht, dass ich ihm widerstehen kann. Was sagst du dazu?“

Sie streichelte seine Wange. „Du wirst dich noch mehr verspäten.“

„Das glaube ich nicht. Außerdem habe ich schon meine Meinung geändert. Es ist mir egal, ob die andern auf uns warten müssen und ob ich noch Zeit für die Aufnahmen finde, liebe Cathy.“

„Du meinst es ja ernst!“ Sie entwand sich seiner Umarmung und setzte sich auf. Tom griff sofort wieder nach ihr.

„Und wie.“

„Also …“

„Also was?“, fragte er neckend.

„Ich … ich habe mich heute Morgen viel ruhiger gefühlt, musste mich nicht hetzen und …“

„Daran will ich auch gar nichts ändern. Im Gegenteil. Ich könnte sogar dazu beitragen, dass sich dieses Gefühl noch verstärkt. Oft verleiht dir die Art, wie ich dich liebe, eine wundervolle Gelassenheit.“

Streng sah Cathy ihn an. „Tom West! Manchmal bist du einfach unmöglich eingebildet.“

„Habe ich denn Unrecht?“

„Also …“

Weiter kam sie nicht mehr, denn er hatte seine Lippen schon auf ihre gepresst. Als er endlich ihren Mund wieder freigab, machte sie keinen Versuch mehr, Tom abzuwehren.

Zwei Minuten vor zehn erschienen sie im Studio. Bevor sie aus dem Auto stiegen, legte Tom Cathy kurz die Hand auf den Arm. „Verzeihst du mir?“

Unschuldig hob sie die Augenbrauen. „Was denn?“

„Dass du dich doch noch beeilen musstest.“

Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. „Warten wir ab, wie die heutigen Aufnahmen werden.“

Tom lächelte. „Warten wir ab.“

Erst als sie vor der laufenden Kamera stand, machte sie sich klar, dass sie heute eine ruhige, gelassene Chloe zu spielen hatte. Im Gegensatz zur ersten Szene wusste diese inzwischen, dass um sie herum die merkwürdigsten Dinge geschahen. Aber sie hatte beschlossen, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.

Die Zeit eilte dahin: Stunden, Tage, Wochen vergingen, ehe Cathy sich dessen wirklich bewusst wurde. Es überraschte sie, wie glatt alles lief. Natürlich gab es auch in dieser ersten Zeit bereits Schwierigkeiten, doch nichts im Vergleich zu dem, was dem Filmteam noch bevorstand, auch wenn sie alle nichts davon ahnten.

Es war zum Großteil Tom zu verdanken, dass sie mit der Arbeit so gut vorankamen. Er hatte Geduld mit Brenda, der die Darstellung der Portia tatsächlich nicht leicht fiel, und brachte es fertig, die anderen für ihre Rollen zu begeistern und ihnen genau klarzumachen, was er von ihnen wollte. Stets schien er zu wissen, wann offene Kritik angebracht war, wann ein Darsteller Ermutigung brauchte und wann der einzige Weg, sie aufzurütteln, darin bestand, das Drehbuch auf den Boden zu knallen und sie allesamt lautstark herunterzuputzen.

Obwohl Duncan oft nach Melbourne fahren musste, trug seine Anwesenheit ebenfalls zum guten Gelingen der Arbeit bei. Er strahlte Ruhe und Freundlichkeit aus und machte sich mehr als einmal als Schiedsrichter nützlich.

Cathys Freizeit war ebenfalls ausgefüllt. Manchmal luden sie und Tom die anderen in ihre Villa ein. Diese Treffen gefielen ihr besonders gut. Sie sorgte dabei für Speisen und Getränke und lauschte voller Interesse den langen Gesprächen über Schauspielerei und Filmen. Dazu kamen Bootsfahrten, Ausflüge im Auto, Empfänge und Pressekonferenzen. Es war wirklich kein Wunder, dass die Zeit so schnell verging.

Cathys anfängliche Schwierigkeiten hatten sich allesamt aufgelöst. Es machte ihr nichts mehr aus, dass Tom sie bei der Arbeit genau wie jeden anderen Schauspieler behandelte. Tom und Brenda schienen ebenfalls gut miteinander auszukommen, nur zwischen Brenda und Charlie gab es immer wieder Spannungen.

Manchmal fand Cathy, dass Brenda recht geistesabwesend wirkte, aber das konnte an den Problemen liegen, die sie mit ihrer Rolle hatte. Sie verbrachte auch viel weniger Zeit in der Villa in Sanctuary Cove als alle anderen Kollegen. Stattdessen sah Cathy sie oft mit Duncan, der offensichtlich ein alter Freund von ihr war, auch wenn er damals eine böse Bemerkung über sie gemacht hatte. Und natürlich konnte man von Brenda und Tom nicht verlangen, dass sie sich wie alte Kumpels benahmen!

Im Grunde war Cathy sogar froh, dass Brenda sie nicht öfter besuchte. Es hätte sie befangen gemacht, wenn Tom sie in Brendas Gegenwart umarmt hätte. Und am Ende jedes Abends müsste Brenda sich von ihnen verabschieden und zusehen, wie Tom mit ihr, Cathy, allein bliebe …

Später sollte Cathy klar werden, wie viel ihr in diesen ersten Wochen entgangen war. Zum Beispiel dachte sie nie darüber nach, wie wenig sie und Tom ihre Zuneigung vor anderen zeigten. Wenn sie Gäste hatten, kam sie sich manchmal fast wie Toms Schatten vor, ein Anhängsel, das den Imbiss herumreicht. Doch immer wieder bewies er allen Anwesenden mit einem Wort oder einer Geste, dass Cathy zu ihm gehörte. Dann fühlte sie sich jedes Mal zufrieden und sicher. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass sie sehr einfach zufrieden zu stellen war …

Jedenfalls war sie entweder zu beschäftigt oder zu naiv, um die Felsen und Untiefen unter der glatten Oberfläche zu ahnen, bevor sie mit voller Wucht dagegen prallte. Und bestimmt wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, dass einer dieser Felsen Charlie Westfield hieß.

Cathy mochte Charlie, der ein guter Schauspieler war. Er brachte sie zum Lachen. Allerdings erschien ihr seine Vorliebe für schöne Frauen nicht ganz echt, obwohl er ständig von einem Schwarm junger, freizügiger Mädchen mit tiefroten Lippen und ebensolchen Fingernägeln umgeben war.

Tatsächlich gab es nur zwei Menschen, die nicht merkten, dass Charlie sich Tag für Tag mehr in Cathy verliebte: Cathy und Charlie. Es hätte seinen Stolz zutiefst verletzt, wenn er gewusst hätte, wie schlecht er seine neuen, ungewohnten Gefühle vor den anderen verbarg. Als er eines Tages von diesen Empfindungen überwältigt wurde, überraschte das niemand außer ihn selbst. Seine Kollegen hatten längst erkannt, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte.

Bei den Dreharbeiten zur Ballonszene fingen die Verwicklungen an. Chloe sollte wieder einmal vor Robert fliehen. Diesmal wurde sie in einem Fesselballon entführt, weil die Bösewichte der Geschichte inzwischen gemerkt hatten, dass Robert alles tat, was sie wollten, wenn sie Chloe als Lockvogel benutzten.

An einem klaren, sonnigen Sonntagmorgen starteten drei Fesselballons von einer großen Weide. Im ersten stand Cathy mit dem Gauner, der sie entführen sollte und der in Wirklichkeit ein verkleideter Ballonflieger war. Den zweiten Ballon bediente Charlie, anscheinend ohne Hilfe: Robert versuchte, Chloe einzuholen. In den dritten hatten sich Tom und ein Kameramann samt Ausrüstung gezwängt.

Peter hatte sich schon viele verrückte Szenen einfallen lassen, doch diese hatte Cathy von Anfang an leicht beunruhigt. Sie hatte nichts davon gesagt, weil sie nicht als zimperliche Anfängerin dastehen wollte. Doch sobald der Ballon den Boden verließ und langsam höher stieg, bekam sie Angst. Der Gestank und das Dröhnen des Gasbrenners erschreckte sie, und von dem Schwanken des Korbs wurde ihr übel. Dann warf sie auch noch einen Blick nach unten. Gleich darauf sank sie auf dem Boden des Korbs zusammen.

Von dem Durcheinander, das nun folgte, merkte sie das meiste gar nicht. Sie war vollauf damit beschäftigt, auf die Ratschläge ihres erschrockenen Ballonfliegers zu hören und zu versuchen, wieder auf die Füße zu kommen. Außerdem dachte sie daran, welches Bild sie den Kameras eigentlich bieten sollte: eine Frau mit einem herzzerreißenden Abschiedsblick, während sie in den blauen Himmel entschwebte.

Als sie es für kurze Zeit tatsächlich schaffte, sich aufzurichten, hörte sie Toms Stimme, der ihr über Megafon etwas Unverständliches zurief. Charlie schrie ebenfalls. Er hatte einen Ballonflieger, der sich eigentlich nicht blicken lassen sollte, auf die Füße gezerrt und befahl ihm, sofort etwas zu unternehmen, was Cathy helfen sollte.

Wie durch ein Wunder landeten sie kurz nacheinander, aber weit voneinander entfernt auf einer Weide. Charlie rannte zu Cathys Landeplatz, half ihr aus dem Korb, bevor der Ballon richtig festgemacht war, umarmte sie und hielt sie fest. Ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen.

In diesem Moment kam Tom dazu. Ohne Cathy loszulassen, brüllte Charlie ihn an, was zum Teufel ihm einfiele, ihr so etwas zuzumuten.

Toms Antwort fiel derartig scharf aus und sein Tonfall war so drohend, dass Charlie ihn verblüfft ansah. Tom benutzte die Gelegenheit, ihm Cathy zu entreißen, sie zu umarmen und zugleich kalt und wütend anzufahren: „Du verdammte Närrin! Warum hast du nichts gesagt?“

Einige Stunden später stellte Tom die gleiche Frage noch einmal, diesmal jedoch in völlig anderem Tonfall. Er, Charlie und Cathy hatten lange in angespanntem Schweigen warten müssen, bis der Begleitwagen endlich ihren Landeplatz gefunden hatte. Tom hatte Cathy die ganze Zeit im Arm gehalten, und sie hatte sich zu jämmerlich gefühlt, um ihm seine Grobheit vorzuwerfen.

Jetzt war sie wieder zu Hause und mit ihm allein. Sie hatte sich auf einer Couch zusammengekuschelt. Auf dem Tischchen neben ihr stand eine Tasse Tee.

„Warum hast du mir nichts von deinen Befürchtungen gesagt, Cathy?“

Sie spielte mit einem Kerzenständer auf dem Tisch. Schließlich hob sie den Kopf. „Ich wusste es selbst nicht!“

„Wirklich nicht? Hattest du keine böse Vorahnung?“

„Ich … die Vorstellung hat mich schon beunruhigt“, gestand sie leise.

„Das hättest du mir mitteilen müssen.“

„Ich wusste nicht … ich hätte nie gedacht, dass es so …“ Sie schauderte. „Es macht mir nichts aus, in Flugzeugen oder Hubschraubern zu fliegen. Außerdem wollte ich nicht die ganze Arbeitsplanung über den Haufen werfen. Und ich dachte, wenn ich dir sage, dass ich Angst habe …“ Sie zuckte die Schultern.

„Da hast du Recht“, erwiderte er lächelnd. „Ich hätte die Szene geändert. Aber das hätte ich auch für jede andere Schauspielerin getan. Ich würde niemand zu so etwas zwingen. Am allerwenigsten dich.“

„Ach ja?“ Sie blickte ihn eine Spur verärgert an. „Und warum hast du mich dann eine verdammte Närrin genannt?“

Um seinen Mund zuckte es verräterisch, doch als Tom antwortete, klang seine Stimme ernst. „Das tut mir Leid, Cathy. Es war einfach ein ungeschickter Versuch, meine Sorge um dich auszudrücken.“

Darüber dachte sie einen Moment nach. „Außerdem warst du schrecklich grob zu Charlie.“

Toms Blick wurde plötzlich seltsam prüfend. „Er wird es überleben. Wie geht es dir jetzt?“

Cathy lehnte den Kopf zurück. „Gut. Ich komme mir nur albern vor. Jetzt muss ich das Ganze wohl noch einmal machen?“ Sie setzte sich auf. „Könntest du dich nicht in meinem Ballon verstecken? Wenn du bei mir wärst, fiele es mir bestimmt leichter.“

Tom betrachtete ihr Gesicht. „Nein“, erwiderte er sanft. „Du musst es nicht noch einmal versuchen. Wir werden uns etwas anderes ausdenken.“

Später am Tag rief Jason an und redete aufgeregt auf Tom ein. Anschließend wandte Tom sich zu Cathy um und erklärte: „Alles in Ordnung. Die Aufnahmen sind hervorragend. Du siehst ungemein gequält aus, Charlie scheint wie von Sinnen, und die ganze Szene hat eine greifbare Spannung an sich. Wie habt ihr das nur geschafft?“ Tom grinste. „Was hältst du davon, wenn wir zum Essen ausgehen? Wir könnten an den Geschäften im Dorf vorbeibummeln und dann in irgendeinem Restaurant einkehren.“

Nicht alle Folgen der Ballonszene waren so erfreulich. Charlie Westfield brütete die nächste Zeit still vor sich hin, ohne dass jemand es bemerkte. Dann, einige Tage später, traf er Cathy allein in einer verlassenen Ecke hinter den Kulissen, wo ihr ein ausgestopfter Tiger den Fluchtweg versperrte. Plötzlich konnte Charlie seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. „Cathy!“ Er sah sie aus dunklen Augen von Kopf bis Fuß an. In dem einfachen, aber hervorragend geschnittenen dunkelrosa Kleid sah sie ganz anders aus als die Frauen, mit denen er sonst zusammen war.

„Hallo Charlie! Das ist ja ein richtiger Zoo hier. Was glaubst du …“

„Cathy!“, unterbrach er sie eindringlich, ohne den Blick von der glatten, leicht gebräunten Haut ihrer Arme abzuwenden. „Ich liebe dich. An nichts anderes kann ich mehr denken, ich …“

Cathy zuckte vor Schreck leicht zusammen. Sekundenlang sahen sie sich über den Tiger hinweg schweigend an.

Cathy räusperte sich. „Das kann nicht dein Ernst sein, Charlie. Du …“

„Verdammt noch mal, ich …“

„Ich bin verheiratet!“

„Verlass ihn! Er behandelt dich ohnehin mehr wie seinen Schoßhund als wie seine Frau. Und die anderen gehen mit dir auch nicht besser um. Weißt du, warum? Weil sie eifersüchtig sind.“

„Eifersüchtig?“, wiederholte Cathy ungläubig.

„Brenda, diese eingebildete Hexe, ist es bestimmt.“ Verächtlich wedelte Charlie mit der Hand durch die Luft. „Du stiehlst ihr nämlich die Show! Wirklich, du bist unglaublich talentiert für den Film. Das hat jeder hier schon bemerkt. Neben dir sieht Brenda wie eine alte Vogelscheuche aus, und das weiß sie auch. Kein Wunder, dass sie neidisch ist. Du stellst sie nicht nur beim Filmen in den Schatten, sondern hast ihr auch noch Tom abspenstig gemacht.“

„So ein Unsinn! Sie …“

Charlie winkte ab. „Lass nur. Und er ist auch eifersüchtig. Was immer man von unserem großen Regisseur halten mag, dumm ist er jedenfalls nicht. Er weiß, wie gut du bist, ja dass du für den Film geboren bist. Hat er dir das jemals gesagt?“ Charlie wartete, während Cathy den Mund öffnete, ohne ein Wort herauszubringen. „Natürlich nicht. Tom West hat nicht vor, sich von irgendjemand in den Schatten stellen zu lassen. Schon gar nicht von seiner Frau, die er so gut erzogen hat, dass sie sich wie sein …“

„Sei still! Was fällt dir ein?“

„Ich bin verrückt nach dir, Cathy.“ Charlies Gesicht wurde plötzlich dunkelrot. „Und ich würde dich nicht wie ein Anhängsel behandeln. Ich will, dass du frei bist.“ Seine Stimme wurde ruhiger und tiefer. „Bist du überhaupt schon einmal frei gewesen, Cathy? Hast du es jemals gewagt, den goldenen Käfig zu verlassen, Dinge zu tun, einfach nur weil sie Spaß machen? Ich könnte dir dabei helfen! Und ich würde schon aufpassen, dass dir nichts zustößt. Weil ich dich liebe.“

Es war klar, dass er es ernst meinte. Cathy versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und ihm eine passende Antwort zu geben.

Doch er wartete nicht auf ihre Erwiderung. Elegant schwang er sich über den mottenzerfressenen Tiger, umarmte sie und versuchte, sie zu küssen.

„Es ist leider nicht sehr originell“, sagte jemand in trockenem Ton hinter ihnen, „aber würden Sie bitte meine Frau loslassen, mein Herr?“

Charlie ließ sie los und wirbelte herum. Sein Gesicht war blass.

Einen Moment blickte er ihn schweigend an und wandte sich dann Cathy zu. Er stand lässig gegen einen Eisenträger gelehnt, als hätte er ihnen schon längere Zeit zugehört. Unter seinem ruhigen, nachdenklichen Blick kam sich Cathy wie ein Schulmädchen vor, das man mit dem ersten Freund erwischt hat.

Charlie erging es offenbar nicht anders, denn er platzte heraus: „Auch wenn sie hundert Mal Ihre Frau ist, Sie verdienen sie gar nicht! Sie behandeln sie wie …“

„Das genügt, Westfield.“ Toms Stimme wurde drohend. „Ihnen mag es egal sein, was aus unserem Film wird. Mir nicht. Sie müssten längst vor der Kamera stehen.“ Sein Blick wurde spöttisch. „Falls Sie es vergessen haben sollten: Sie müssen heute eine leidenschaftliche Liebesszene mit Brenda spielen.“

Charlie sank in sich zusammen und machte mehrere Ansätze zu sprechen, bevor er begann: „Brenda …“

„Ich weiß, dass ihr beide euch nicht leiden könnt. Aber das ist mir egal. Sind Sie Schauspieler oder nicht? Vergessen Sie nicht, dass Sie unter Vertrag stehen.“

Charlie riss sich sichtlich zusammen. „Das stimmt“, erwiderte er kalt. „Ich bin Schauspieler und werde meine Rolle bis zum Ende durchhalten. Das heißt aber nicht, dass ich keine Augen im Kopf habe. Sie wissen genau, dass es hier um etwas ganz anderes geht. Wen wollen Sie denn täuschen: sich selbst oder Cathy?“ Damit drehte Charlie sich um, kletterte wieder über den Tiger und verschwand.

Tom gönnte Charlie keinen weiteren Blick. Er beobachtete, wie Cathy sich mit der Zunge über die trockenen Lippen fuhr, Charlies Abgang mit dem Blick verfolgte und sich dann unvermittelt wieder ihm zuwandte. „Ich hatte ja keine Ahnung!“, erklärte sie.

„Nein?“

„Natürlich nicht! Glaubst du etwa …“

„Ich bin sicher, dass du ihn nicht dazu ermuntert hast. Wenn man davon absieht, dass du dich hinter dem Tiger hast einfangen lassen.“ Tom richtete sich auf. „Was sagst du zu seinen anderen Behauptungen?“

„Ich komme mir nicht wie dein Schoßhund vor“, antwortete sie zögernd. „Aber ich kann verstehen, dass manche Leute mich so sehen. Es ist meine Schuld, ich …“ Sie verstummte.

„Sprich nur weiter.“

„Sollen wir nicht lieber später darüber reden? Dies ist nicht der beste Ort für …“

„Ich möchte deine Antwort hören, bevor du lange darüber nachdenkst. Was wolltest du sagen?“

„Ich glaube nicht, dass Brenda oder du oder sonst jemand eifersüchtig auf mich ist, weil ich ihnen die Show stehle. Das ist blanker Unsinn“, behauptete Cathy fest.

„Glaubst du, dass Charlie dich wirklich liebt?“ Bei der Frage blickte Tom ihr tief in die Augen.

Sie wurde rot. „Er scheint davon überzeugt zu sein. Gott weiß, warum. Ich bin ganz anders als die Mädchen, mit denen er sich sonst abgibt. Oder etwa nicht?“

Statt darauf einzugehen, fragte Tom: „Was ist mit der ‚Freiheit‘, die er dir angeboten hat?“

Sie holte tief Luft, brachte jedoch kein Wort hervor. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht behaupten, dass diese Worte auch Unsinn gewesen seien oder keinen Reiz für sie hätten. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Tom sie ausfragte, als wäre sie eine Angeklagte im Kreuzverhör. Sie hatte keinen Grund, sich schuldig zu fühlen! „Du machst eine Mücke zum Elefanten, Tom“, erklärte sie ruhig, aber fest.

„Findest du? Kommt es dir wirklich so unwichtig vor, dass Charlie dich leidenschaftlich liebt, Brenda verabscheut und mich nicht ausstehen kann?“

„Nun, natürlich macht das die ganze Sache etwas schwierig …“

„Etwas?

„Also schön, sehr schwierig. Aber es ist doch nicht meine Schuld!“

„Wenn du nicht darauf bestanden hättest, die Chloe zu spielen, wäre all das nicht geschehen“, widersprach Tom rau.

Es verschlug ihr den Atem. „Das … du warst einverstanden … das ist ungerecht!“

„Hier geht es nicht um Gerechtigkeit. Es ist einfach eine Tatsache.“

„Charlie hätte Brenda in jedem Fall verabscheut. Und er hätte sich auch in jede andere Darstellerin der Chloe verlieben können.“

„Das stimmt. Der gute Charlie verliebt sich bestimmt oft und gern. Aber es wäre dabei nicht um meine Frau gegangen. Verstehst du jetzt, Cathy?“

Sie sah ihn ungläubig an. Im nächsten Moment schob sie sich hinter dem Tiger hervor und rannte an Tom vorbei in ihre Garderobe.

Bis sie spät am Abend wieder Gelegenheit hatten, über alles zu sprechen, hatte Cathys Zorn sich etwas gelegt. Sie hatte das Studio im Laufe des Nachmittags verlassen und sich mit Hausarbeit beschäftigt, was sie immer beruhigte.

Doch als Tom gegen zehn Uhr nach Hause kam, blickte sie ihm kalt und entschlossen entgegen. Sie saß im Wohnzimmer, wo sie zuvor gelesen hatte.

„Möchtest du mit mir reden oder nicht?“, fragte er.

„Habe ich eine Wahl?“

Er lächelte schwach und ließ sich auf die Couch ihr gegenüber sinken. „Das habe ich wohl verdient. Aber es täte dir bestimmt gut, dich auszusprechen, Cathy.“

„Das glaube ich nicht“, erwiderte sie scharf. „Es würde nichts an der Tatsache ändern, dass du mir die Schuld an allem gibst. Wir müssen einfach zusehen, dass wir die Filmarbeiten trotz der Probleme gut hinbekommen.“

„Das ist keine Frage. Wenn ich nicht so müde und zerschlagen wäre, könnten wir heute Abend alles klären. Aber ich schaffe es nicht mehr, dich noch gegen deinen Willen zum Sprechen zu bringen. Bitte mach mir nicht auch daraus noch einen Vorwurf, Cathy. Morgen früh fällt mir bestimmt etwas Besseres ein.“

Sie wollte schon wütend auffahren, als sie bemerkte, dass er tatsächlich so erschöpft aussah, als könnte er kaum noch die Augen offen halten. „Wirst du etwa krank?“, fragte sie unsicher.

„Das will ich nicht hoffen.“

„Du hast schrecklich viel gearbeitet, aber das tust du doch immer, und es schien dir nichts auszumachen.“ Sie runzelte die Stirn und fuhr entschlossen fort: „Schön. Am besten gehst du sofort ins Bett.“

„Kommst du mit, oder ist das zu viel verlangt?“

Cathy fiel ein, dass sie ihn einmal kindisch genannt hatte, weil er im Gästezimmer geschlafen hatte. „Ich komme nach“, antwortete sie kalt. „Sobald ich müde bin.“

Er verzog das Gesicht, stand jedoch nur wortlos auf und ging nach oben.

„Ich hoffe, dich drückt nur dein Gewissen“, sagte Cathy so leise, dass Tom sie nicht hören konnte.

6. KAPITEL

Am nächsten Morgen sollte Cathy erfahren, was Tom so sehr bedrückte. Er hatte sich lange unruhig im Bett herumgewälzt, so dass sie anfing, sich ernsthaft Sorgen um ihn zu machen. Sie selbst konnte erst in den frühen Morgenstunden einschlafen.

Als sie erwachte, schien die Sonne aufs Bett, und Tom war fort. Cathy blieb noch eine Zeit lang im Bett liegen und dachte nach. Heute Morgen sah sie manches anders. Sie glaubte noch immer nicht, dass Brenda oder Tom eifersüchtig auf sie waren, weil sie ihnen die Show stahl. Die Erinnerung an Toms gestriges Verhalten machte Cathy gleich wütend.

Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Brenda. Sie war unglücklich, und das lag nicht nur an den Spannungen zwischen ihr und Charlie, sondern ging tiefer. Brenda tat ihr Bestes, ihre Gefühle zu verbergen. Aber manchmal, wenn sie aus irgendeinem Grund nicht an ihren Kummer dachte, war sie wie verwandelt: lebensbejahend, spritzig, geistreich und voller Humor. Dann merkte man, wie unglücklich sie die meiste Zeit sein musste.

Warum? Weil sie erst jetzt erkannt hatte, wie viel Tom ihr bedeutete? Cathy wusste sofort, dass nur das der Grund sein konnte. Sie musste blind gewesen sein, es nicht schon früher gemerkt zu haben. Hatte sie während der ganzen letzten Wochen einfach den Kopf in den Sand gesteckt? Erst Charlie hatte sie wachgerüttelt. Er hatte gesehen, dass Brenda unglücklich war, auch wenn sie verzweifelt versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

Es muss schlimm für sie sein, dass ein kleiner Schoßhund sie verdrängt hat, dachte Cathy plötzlich. Gegen ihren Willen fiel ihr wieder ein, was Charlie noch zu ihr gesagt hatte. Angenommen, sie wäre in einen jüngeren Mann verliebt, jemand wie Charlie: Würde sie sich dann freier fühlen? Saß sie wirklich in einem Käfig, während Tom lebte, wie es ihm gefiel?

Seufzend schob Cathy die Bettdecke fort, stand auf und sah auf die Uhr. Im Haus war alles still. War Tom schon ins Studio gefahren?

Im weißen Nachthemd und mit nackten Füßen ging sie nach unten. An der Frühstücksbar sah sie ihn sitzen, umgeben von Papieren und den Kopf in die Hände gestützt. Er trug nur seine Jeans. Die Sonne von Queensland hatte seine Haut goldbraun getönt und sein Haar gebleicht.

Cathy blieb am Fuß der Treppe stehen. „Oh.“

Er hob langsam den Kopf, bis ihre Blicke sich trafen.

Cathy schaute Tom kurz an, ehe sie sich abwandte und in die Küche ging. „Ich dachte, du seist schon fort.“ Sie öffnete den Kühlschrank und nahm den Orangensaft heraus. „Fühlst du dich nicht gut?“

Tom beobachtete jede ihrer Bewegungen. Als sie sich streckte, um ein Glas aus dem Regal über sich zu nehmen, spannte sich der dünne Stoff des Nachthemds über ihren Brüsten. Ihr Haar war zerzaust und ihre Wangen vom Schlaf leicht gerötet.

Nach langem Schweigen antwortete er. „Ich fühle mich grauenhaft. Aber nicht, weil ich krank bin.“

Cathy goss sich Orangensaft ein und trank einen Schluck. „Dich plagt doch nicht etwa dein Gewissen?“

Er lächelte unerwartet. „So könnte man es auch nennen. Tatsache ist, dass dieser verdammte Film dabei ist, sich selbstständig zu machen. Dein junger, heißblütiger Liebhaber würde vermutlich …“

„Er ist nicht mein Liebhaber! Manchmal hasse ich dich direkt, Tom.“

„Das tut mir Leid. Ich weiß, du bist so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Allerdings frage ich mich, wie lange noch. Nun gut, lassen wir das. Wir haben uns doch darauf geeinigt, die Arbeit über unsere persönlichen Probleme zu stellen, Cathy. Ich möchte mit dir über den Film sprechen.“

Plötzlich hasste sie ihn wirklich, wie sie noch nie jemand gehasst hatte. „Schön“, erwiderte sie kurz. „Wenn du einen Rat willst, hör zu. Dass die Dreharbeiten nicht richtig laufen, hat einen ganz einfachen Grund. Es liegt nicht nur daran, dass Charlie und Brenda sich nicht leiden können und es ihnen darum schwer fällt, ein Liebespaar zu spielen. Nein, Brenda ist verzweifelt, unglücklich. Im Moment würde sie selbst ein Krippenspiel überfordern. Ich habe sie oft genug auf der Leinwand gesehen, um zu wissen, dass sie ganz anders spielen kann: viel strahlender und schwungvoller. Normalerweise wärst du bestimmt in der Lage, einen solchen Block bei einer Schauspielerin zu überwinden. Leider bist du jedoch selbst der Grund, warum sie unglücklich ist. Dein größter Fehler war nicht, mich die Chloe spielen zu lassen, sondern mit Brenda einen Film zu drehen. Dabei ist es ganz egal, ob ich mit dabei bin oder nicht. Du magst noch so oft sagen, dass zwischen euch alles aus ist. Ich sehe doch, dass das nicht stimmt! Zumindest nicht für Brenda.“

Cathy schwieg kurz, trank ihr Glas leer und fuhr ruhiger fort: „Übrigens, da wir gerade beim Thema sind, mit dem Film stimmt noch etwas anderes nicht. Du willst Brenda dazu bringen, eine geistlose Schönheit zu spielen. Aber die Portia im Buch ist anders. Sie ist nicht einfach nur wie besessen von Robert, sondern sie weiß außerdem genau, dass Robert sie nie so lieben wird wie sie ihn, und diese Gewissheit quält sie. Auch die Tatsache, dass er zum Schluss zu ihr zurückkehrt, kann daran nichts ändern. Sie liebt und hasst ihn zugleich. So, wie du die Rolle siehst, ergibt ihr Verhalten keinen Sinn.“

Tom hatte Cathy aufmerksam zugehört. Jetzt sagte er spöttisch: „Du willst mir also beibringen, wie man Filme macht?“

Gleichmütig zuckte sie die Schultern. „Du hast mich nach meiner Meinung gefragt.“

„Das ist richtig. Aber die Grundstimmung des ganzen Films ist …“

„Ich weiß. Es soll ein unterhaltsames Märchen werden. Ich finde, ein Schuss Realismus könnte nicht schaden.“

„Aha.“ Tom wirkte plötzlich angespannt und verärgert. „Du bist also doch mehr als ein braver Schoßhund. Kannst du mir vielleicht noch verraten, wie ich Brenda dazu bringen soll, auch noch realistisch zu wirken?“

Cathy sah ihn einen Moment schweigend an, ehe sie gepresst erwiderte: „Sag ihr einfach, sie soll bei jeder Liebesszene an dich denken, Tom. Das hilft bestimmt.“ Cathy schleuderte das leere Glas nach ihm und rannte zur Treppe.

Tom fing das Glas blitzschnell auf, sprang mit einem Satz auf und lief Cathy nach.

„Fass mich nicht an!“, rief sie zornig. „Der Schoßhund hat genug von dir.“

Obwohl Tom eine Stufe unter ihr stand, überragte er Cathy immer noch. „Und wenn schon. Schoßhunde sind folgsam.“

„Glaub das ja nicht! Mir ist nach Beißen, Kratzen und Brüllen zu Mute. Lass mich in Ruhe!“ Sie drehte sich um, eilte die Treppe hinauf und ins Schlafzimmer. Doch bevor sie die Tür zuschlagen und verriegeln konnte, hatte Tom sich auch ins Zimmer gedrängt.

Cathy zog sich so weit wie möglich vor ihm zurück. Ihre Augen waren dunkel vor Zorn, ihre Wangen gerötet, und ihre Hände zitterten. „Wage es nicht …“

„Bitte, Cathy.“ Tom schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. „Beruhige dich. Ich habe nicht vor, dich anzufassen. Wovor hast du eigentlich Angst?“

„Wovor?“ Ihre Lippen bebten. „Davor, dass du mit mir schlafen willst! Das ist doch dein Heilmittel bei allen Problemen, oder? Aber so einfach lasse ich mich nicht wieder zum Schoßhund machen. Dafür ist es jetzt zu spät!“

Nach einem Moment angespannten Schweigens erwiderte Tom leise: „Also hast du ihm doch geglaubt.“

„Ja! Warum auch nicht. Du hast mich vorhin selbst so genannt!“

„Es war nicht ernst gemeint, Cathy. Ich war nur wütend.“

Sie setzte sich aufs Bett und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Zuerst behandelst du mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Dabei habe ich nichts getan, dessen ich mich schämen müsste. Und jetzt sagst du auch noch, dass du wütend auf mich warst!“

Tom verschränkte die Arme, als hätte er Mühe, sich zu beherrschen. „Wir reden aneinander vorbei, Cathy. Ich war nicht wegen Charlie wütend, sondern wegen der Dinge, die du über den Film gesagt hast. Und zwar, weil du Recht hattest.“

„Ich hatte Recht?“

„Ja. Ich habe wirklich versucht, Portia als geistlose Schönheit darzustellen, und das war falsch. Ich denke schon seit Tagen darüber nach, wo der Fehler liegt, aber darauf wäre ich nie gekommen. Peter hat es auch nicht gemerkt. Du musst zugeben, dass sich Portia auch dem Drehbuch nach manchmal ziemlich albern benimmt.“

„Nur, wenn sie sich unsicher fühlt“, erwiderte Cathy müde. „Na ja, vielleicht ist der Unterschied nicht sehr groß. Wieso hat Peter es nicht gemerkt?“ Sie hob den Kopf und sah Tom fragend an. Ihre Wut war verraucht.

„Es ist Peters erster Film. Er weiß noch nicht genau, worauf es ankommt. Außerdem ist er vollauf damit beschäftigt, alles mit einem Mal zu lernen.“ Tom lächelte flüchtig.

Bei der Erinnerung, wie eifrig und unermüdlich Peter die Dreharbeiten verfolgt hatte und wie oft er den anderen dabei im Wege war, musste Cathy ebenfalls lächeln.

Nach langem Schweigen, währenddessen Tom sie unverwandt beobachtet hatte, fragte er: „Verzeihst du mir?“

Sie strich sich wieder das Haar zurück. Plötzlich hätte sie am liebsten geweint. „Nein.“

„Darf ich mich wenigstens zu dir aufs Bett setzen?“

Flüchtig blickte sie zu ihm auf. „Bitte nicht, Tom.“

„Ich werde dich nicht anfassen und auch sonst nichts tun, was du nicht möchtest.“

Hilflos hob sie die Schultern.

Kurz darauf trat Tom zu ihr, ließ sich neben ihr nieder und sagte, ohne sie anzuschauen: „Nie habe ich dich als Schoßhund betrachtet, Cathy. Wenn ich auf dich den Eindruck gemacht habe, so tut es mir ehrlich Leid. Und sollten andere Leute auch diesen Eindruck gewonnen haben, werde ich mein Bestes tun, das zu ändern.“ Zögernd fuhr er fort: „Allerdings bist du …“

„Ich weiß, was du meinst“, unterbrach sie ihn. „Das habe ich gestern auch schon sagen wollen. Charlie versteht nicht, dass ich derart zurückhaltend bin. Ich … ich hatte wohl nie die Gelegenheit, anders zu sein.“

Tom schwieg so lange, dass sie ihn schließlich fragend ansah. „Willst du damit andeuten, dass du gern deinen Käfig verlassen und frei sein möchtest, wie Charlie es ausgedrückt hat?“ Tom hatte den Blick auf seine Hände gerichtet, doch bei den letzten Worten hob er den Kopf und blickte sie ernst an.

Cathy erschauerte. „Ich weiß es nicht!“, antwortete sie gequält. „Bisher habe ich nie darüber nachgedacht.“

„Jetzt denkst du daran.“ Er forschte in ihren Zügen.

Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. Einen Augenblick lang hätte sie sich am liebsten an ihn geklammert und ihn angefleht, sie zu lieben, um diesem schrecklichen Durcheinander ein Ende zu machen. Sie sehnte sich nach der Zeit zurück, als ihre Liebe zu ihm ihr ganzes Leben bestimmt hatte. Damals war alles noch einfach gewesen. „Findest du das schlimm?“

Tom ergriff ihre Hand. „Nein. Ich bin nur nicht sicher, ob Charlie Westfield der Richtige dafür ist.“

„Das habe ich nicht gemeint!“

„Was dann?“

Nachdenklich beobachtete sie seine langen, kräftigen Finger, die ihre Hand umschlossen hielten. „Das weiß ich nicht. Wie soll es jetzt weitergehen?“

„Meinst du den Film oder uns?“, fragte er rau.

„Beides.“ Sie dachte daran, dass sie über das eigentliche Problem – Brenda – noch gar nicht gesprochen hatten. Gleich darauf fiel Cathy ein, was für einen gemeinen Vorschlag sie Tom in ihrer Wut gemacht hatte.

Sie drückte seine Hand und sagte verlegen: „Was ich vorhin über Brenda gesagt habe, tut mir Leid. Ich war auch ziemlich wütend. Es ist wohl am besten, wenn wir wie bisher weitermachen. Wir haben gar keine Wahl.“

„Das ist der richtige Kampfgeist. Wie wirst du Charlie behandeln?“

„Nett, aber entschieden“, erklärte sie fest. „Du musst mir dabei helfen. Es hat keinen Sinn, wenn du bissig und unfreundlich zu ihm bist. Am besten tun wir so, als wäre nichts geschehen, und zeigen, dass wir zusammengehören.“

Autor

Lindsay Armstrong
Lindsay Armstrong wurde in Südafrika geboren, und bis heute fasziniert sie der Kontinent sehr. Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später machen wollte: Sie war entschlossen, Schriftstellerin zu werden, viel zu reisen und als Wildhüterin zu arbeiten. Letzteres ist ihr zwar nicht gelungen, aber noch immer ist sie...
Mehr erfahren
Anne Weale
Jay Blakeney alias Anne Weale wurde am 20. Juni 1929 geboren. Ihr Urgroßvater war als Verfasser theologischer Schriften bekannt. Vielleicht hat sie das Autorengen von ihm geerbt? Lange bevor sie lesen konnte, erzählte sie sich selbst Geschichten. Als sie noch zur Schule ging, verkaufte sie ihre ersten Kurzgeschichten an ein...
Mehr erfahren
Nikki Logan
Nikki Logan lebt mit ihrem Partner in einem Naturschutzgebiet an der Westküste Australiens. Sie ist eine große Tierfreundin. In ihrer Menagerie tummeln sich zahlreiche gefiederte und pelzige Freunde. Nach ihrem Studium der Film- und Theaterwissenschaften war Nikki zunächst in der Werbung tätig. Doch dann widmete sie sich ihrem Hauptinteresse: dem...
Mehr erfahren
Stefanie London
<p>Stefanie London stammt ursprünglich aus Australien. Mittlerweile lebt sie allerdings mit ihrem ganz eigenen Helden in Toronto und liebt es, die Welt zu bereisen. Bei jeder Gelegenheit frönt sie ihrer Leidenschaft für Lippenstift, guten Kaffee, Bücher, und alles was mit Zombies zu tun hat.</p>
Mehr erfahren
Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
Mehr erfahren