Tröste mich, verführe mich

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Verblüfft starrt Mitch Kate an, die sich verführerisch auf seinem Bett rekelt. Früher hat er oft mit der kleinen Katie gespielt, sie sogar oft getröstet. Jetzt ist sie erwachsen - und leider mit einem Schuft verlobt. Sucht sie auch diesmal bei Mitch nur Trost - oder mehr?


  • Erscheinungstag 10.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728069
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Kate Manning zuckte zusammen und blickte zum Abendhimmel hinauf, wo Feuerwerkskörper explodierten und zum Entzücken der Zuschauer als glitzernder Funkenregen in Rot, Blau und Silber niedergingen. Die traditionelle Feier zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am vierten Juli ging dem Ende zu. Bald würden die Freunde und auch Nachbarn die Manning-Ranch nach den dreitägigen Festlichkeiten verlassen. Sie konnte es kaum erwarten.

Eigentlich hätte sie in besserer Stimmung sein müssen, genauer gesagt, überglücklich. Schließlich hatte sie sich gerade verlobt und würde in sechs Monaten heiraten. Das Brautkleid war längst ausgesucht, und mit den Planungen für die Feier hatte sie auch schon begonnen. Sie würde im Januar heiraten, weil es im Sommer einfach zu heiß war.

Ihre College-Freundinnen waren da, hatten Tausende Kilometer zurückgelegt, um ihre Verlobung mit ihr zu feiern. Sie hatte sie angerufen und sie praktisch angefleht, nach Texas zu kommen. Einen Tag später war sie plötzlich trübselig und erwog, die Einladung rückgängig zu machen. Doch das hatte sie nicht getan, und nun fragte sie sich, ob sie sich vielleicht wünschte, dass ihre Freundinnen ihr die Heirat ausredeten.

Wieder erleuchtete roter und blauer Funkenregen den Himmel, und Kate blickte zu den Gästen hinüber. Sie suchte mit den Augen die Stelle ab, wo sie Dennis zuletzt im Gespräch mit Clyde Thompson gesehen hatte, dem Besitzer der Red Rock Ranch. Ihr Verlobter hatte es raus, sich bei den Reichen und Mächtigen anzubiedern.

Fast das ganze Wochenende hatte Dennis auf dem Fest durch Abwesenheit geglänzt. Dabei wusste er, wie wichtig es ihr war, dass er ihre Freundinnen kennenlernte. Am Tag zuvor war er weder beim Grillen noch beim Tanzen dabei gewesen, und das Rodeo am Mittag und das anschließende Picknick hatte er auch ausgelassen. Erst vor einer Stunde war er endlich aufgekreuzt. Seitdem arbeitete er sich wie ein gewiefter Politiker durch die Schar der Gäste. Sie fragte sich voller Unbehagen, ob es das war, das ihren Reiz ausmachte – ihr Name und ihr gesellschaftlicher Status.

Nein, das war ungerecht. Es lag nur an ihrer Erschöpfung, dass sie wütend auf Dennis war. Über hundertfünfzig Menschen waren dieses Wochenende auf die Ranch gekommen, was unzählige Vorbereitungen bedeutet hatte. Sobald alles aufgeräumt war und sie ausreichend Schlaf gehabt hatte, würde sie wieder in ihrem Normalzustand sein, glücklich, dass sie solch einen guten Mann heiraten würde. Einen Mann, auf den sie sich immer verlassen konnte. Einen Mann, der sie verstand und liebte. Sie könnte sich wieder voll auf die Hochzeitsplanung konzentrieren, was ihre Stimmung mit Sicherheit heben würde.

Da ihr ein wenig übel war, schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. Sie musste Dennis suchen gehen. Bis jetzt hatte er nur Jessica kennengelernt, aber noch nicht ihre anderen beiden Freundinnen. Die waren mit ihren Brüdern irgendwohin verschwunden. Das war etwas, was sie nicht kommen gesehen hatte.

Eine atemberaubende Kaskade goldener Funken erglühte am Himmel, gefolgt von Raketen in leuchtenden Farben. Die Show steigerte sich zum Finale. Die Menge war begeistert, und Kate lächelte, froh, dass das Wochenende ein Erfolg geworden war. Sie überlegte, ob sie für diejenigen, die schnell aufbrechen wollten, die Beleuchtung der Auffahrt anstellen sollte, oder ob es dafür noch etwas zu früh war.

Sie schaute zu den geparkten Fahrzeugen hinüber und bemerkte die Silhouette eines Mannes, der die Auffahrt heraufschlenderte. Merkwürdig, dass jetzt noch jemand kam. Sie blinzelte in die Dunkelheit und wartete auf die nächsten Lichtgarben, um besser sehen zu können. Plötzlich stockte ihr der Atem.

Nein, das konnte nicht sein. Das konnte unmöglich Mitch Colter sein. Zwar hatte er so breite Schultern wie Mitch, er war genauso groß und schlank, und er hatte sogar diesen leicht schwingenden Gang, aber Mitch war in Florida. In Appleton war er schon acht Jahre nicht mehr gesehen worden.

Acht Jahre, zwei Monate, eine Woche.

Während der Mann näher kam, wurde sie immer nervöser.

Sie stand in der Nähe der Küchentür. Fast hätte er sie nicht wiedererkannt. Sie war größer, als er sie in Erinnerung hatte. Und kurviger. Doch das rotbraune Haar verriet sie. Diese Farbe hatte er noch nie bei einer anderen Frau gesehen. Allerdings hatte sie es auf Schulterlänge kürzen lassen. Zu schade. Lang und wild hatte er es lieber gemocht.

Als er auf das Haus zuging, merkte er, dass sie ihn entdeckt hatte, deshalb änderte er seinen Entschluss, sich unter die Menge zu mischen, und steuerte direkt auf Kate zu. Er bemerkte, wie sie sich plötzlich kerzengerade machte. Ihre Haltung wirkte fast abwehrend. Das verstand er nicht. Vielleicht erkannte sie ihn nicht. Keiner wusste, dass er kommen würde. Bis vor zwei Tagen hatte er es selbst nicht gewusst.

Das Feuerwerk war fast vorbei. Er hatte den Unabhängigkeitstag so oft bei den Mannings gefeiert, dass er wusste, das große Finale würde jeden Moment kommen. Er fragte sich, wieso Kate ganz allein abseits stand.

Sie kam die Stufen herunter.

„Hallo, Mitch.“ Sie runzelte leicht die Stirn. „Weiß jemand, dass du kommen wolltest?“

„Nein. Es war ein spontaner Entschluss.“ Er breitete die Arme aus. „Werde ich gar nicht gedrückt?“

Ein unsicherer Ausdruck huschte über ihr Gesicht, dann lächelte sie und bewegte sich auf ihn zu.

„Es ist schön, dich zu sehen“, sagte sie und zögerte kurz, bevor sie ihn ungelenk umarmte.

Er schlang die Arme um sie, hob sie hoch und schwang sie im Kreis herum. Das war ein Fehler, er wusste es in dem Moment, als ihre Körper sich berührten.

Klein-Katie hatte jetzt Brüste. Feste, runde Brüste, die sich viel zu gut anfühlten. Schnell stellte er sie wieder auf den Boden. Zu schnell, wie ihr verwirrter Ausdruck verriet. Dann machte er alles noch schlimmer, indem er ihren Rücken hinabstrich, bis er auf einmal ihren Po umfasste. Um nicht noch eine unbedachte Bewegung zu machen, legte er die Hände lose um ihre schmale Taille, trat einen Schritt zurück, betrachtete sie und schenkte ihr ein brüderliches Lächeln.

„Du siehst toll aus“, sagte er, wobei er lässig die Arme senkte. „Ich wette, du bist größer als damals, als ich dich das letzte Mal sah.“

Sie zog ihre Schultern hoch. „Ich hatte noch einen überraschenden Wachstumsschub.“

Kates Bewegung bewirkte, dass ihre blaue Bluse über ihrer Brust leicht auseinanderklaffte, sodass er genau dorthin starrte. Abrupt hob er den Blick. Reiß dich zusammen, Colter! Dies ist schließlich Katie, Joes und Clints kleine Schwester. „Wie lange ist es her, Katie, sechs Jahre?“

„Acht“, sagte sie merklich verärgert. „Und Katie sagt keiner mehr zu mir.“

„Aha.“ Sein Lächeln wurde breiter, als sie aufmüpfig ihr Kinn hob. Diese Gewohnheit hatte er immer ulkig gefunden, weil sie eigentlich schüchtern gewesen war.

„Was ist?“

„Ich werde mich bemühen, mir das zu merken, Kate.

Sie betrachtete ihn einen Moment und blickte dann zur Menschenmenge hinüber. „Deine Eltern sind nicht da, oder?“

„Nein. Sie sind noch immer bei meiner Schwester und ihrer Familie in Little Rock.“

Kate seufzte. „Es tut mir so leid, was mit eurem Vieh passiert ist. Tom Jenkins und die Reynolds wurden auch heimgesucht. Die Reynolds-Ranch ist noch in Betrieb, aber sie haben es schwer.“

Er nickte. Es tat weh, das zu hören, obwohl er es schon wusste. Die Rancherfamilien in dieser Gegend lebten seit Generationen hier, und er kannte sie alle.

„Und warum bist du hier?“, fragte sie.

„Um Geschäfte für die Ranch meiner Leute zu erledigen.“ Der Gedanke an den Grund für seine Rückkehr trübte seine Freude über das Wiedersehen mit Kate.

Ranch. Was für ein Witz. Von der Ranch war nur ein unbewohntes Haus übrig und Land, das seit über hundert Jahren im Besitz der Colters war. Die kleine Rinderherde, die den Lebensunterhalt der Familie gesichert hatte, war fort. Den Behörden schien das egal zu sein.

„Ich vermisse deine Eltern“, bemerkte Kate, „obwohl ich nur noch in den Sommerferien und zu den Feiertagen herkomme.“

„Du bist Lehrerin, richtig?“

Sie nickte. „Ja, in Vernal. Ich habe dort eine Wohnung, weil die Fahrt von der Ranch mich zweieinhalb Stunden von meiner freien Zeit kosten würde.“

„Highschool?“

„Um Himmels willen, nein. Mit den jüngeren ist es schon schwer genug.“

„Das kann ich mir denken.“ Er zwang sich, nicht auf ihre Brüste zu starren. Schlimm genug, dass er sie Körper an Körper gefühlt hatte. „Und wie viele deiner Schüler sind in dich verliebt?“

„Also wirklich!“ Ihre Wangen färbten sich rosa, ihre grünen Augen funkelten ihn an. Mit einem ärgerlichen Laut schob sie sich eine Locke hinters Ohr.

An ihrer Hand glitzerte etwas. Verblüfft starrte Mitch auf den Diamanten. „Ich sehe, dass eine Gratulation fällig ist.“

„Wie bitte?“ Sie zwinkerte und warf dann einen flüchtigen Blick auf den Ring, bevor sie ihre Hand hinter dem Rücken versteckte. „Ach so, ja.“

„Wann ist denn die Hochzeit?“

Sie zögerte. „Ende Januar. Tja also, ich weiß nicht, wo Clint steckt. Joe ist oben, aber ich glaube, er ist irgendwie beschäftigt.“ Sie blickte zum Himmel und dann zu den Gästen. „Ich muss wohl rübergehen und mich von den Leuten verabschieden.“

„Entschuldige, ich wollte dich nicht aufhalten.“

„Das hast du nicht getan. Ich finde es schön, dass du mal wieder hier bist.“ Sie befeuchtete ihre Lippen und trat einen Schritt zurück. „Und ich freue mich darauf, mich weiter mit dir zu unterhalten“, sagte sie, während sie sich weiter rückwärts bewegte. „Falls ich Clint sehe, sag ich ihm, dass du hier bist.“

Mitch blickte ihr nach, als sie zum Festzelt eilte. Kate würde also heiraten. Warum war er so überrascht? Sie war sechs Jahre jünger als er, musste also jetzt circa siebenundzwanzig sein. Als Teenager war sie burschikos gewesen, hatte ihren Brüdern nachgeeifert, statt sich für Mode und Make-up zu interessieren. Inzwischen hatte sie sich in einen richtigen Hingucker verwandelt, und da sie stets helle und zuverlässig gewesen war, würde sie eine großartige Rancherfrau abgeben.

Nein, keine Spur mehr von Jungenhaftigkeit, dachte er, während er auf ihren Hüftschwung starrte. Er war von ihrer wohlgeformten Kehrseite äußerst fasziniert und musste sich daran erinnern, dass diese Frau Kate war, die kleine Schwester seiner Freunde, und dass sie außerdem bald heiraten würde. Er war nicht scharf darauf, von Joe oder Clint verprügelt zu werden.

Kate stürmte zu der Getränkebude, wo sie Dennis vermutete. Die Leute sahen sie an, als befürchteten sie, sie sei zu einem Brand unterwegs. Ironischerweise verhielt es sich gerade andersherum. Sie war es, in der ein Brand zu wüten schien.

Mitch war hier. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Er hatte sie in den Arm genommen und sie an seine breite Brust gedrückt, bis ihr schwindelig wurde. Der körperliche Kontakt hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber es war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen. Unterschiedlichste Empfindungen, auf die sie nicht gefasst gewesen war, verunsicherten sie.

Sicher, sie war in Mitch verknallt gewesen, bis er aufs College ging, aber das war lange her.

Nachdem er sein Studium geschmissen hatte, war er von einem Job zum nächsten gedriftet und nur selten nach Hause gekommen. Und als sie an die Uni von Atlanta gegangen war, hatten sie sich fast gar nicht mehr gesehen.

Er hatte sich verändert. Ihre Verliebtheit hatte einem Jungen gegolten, und nun war Mitch Colter ein Mann. Ein verdammt gut aussehender Mann, der sie allein durch sein unerwartetes Auftauchen aus der Spur geworfen hatte. War dieses Grübchen in seinem Kinn schon immer so tief gewesen? War seine Stimme schon immer so weich und sexy?

Ihre Beine fühlten sich wie Gummi an, und sie ahnte, dass sie sich lächerlich machen würde, wenn sie sich nicht bald hinsetzte.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Chica?“, ertönte hinter ihr Marias Stimme.

Kate fuhr herum und erblickte die mollige Mittfünfzigerin mit einem ihrer Enkelkinder an der Hand. „Ja, ich suche nur Dennis.“ Sie lächelte das Kind an. „Hallo, Hilda, hast du Spaß?“

Das kleine Mädchen nickte. Während Kate Hildas Wange streichelte, spürte sie Marias prüfenden Blick auf sich. Da sie seit über fünfundzwanzig Jahren als Haushälterin für ihre Familie arbeitete, entging der Frau rein gar nichts. Maria war für sie da gewesen, als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Sie hatte sie in den Armen gewiegt, als sie stundenlang haltlos weinte.

„Habt ihr Dennis gesehen?“

Maria schüttelte den Kopf. Sie mochte Dennis nicht, das wusste Kate. Auch ihre Brüder mochten ihn nicht, obwohl sie genau wie Maria nie ein kritisches Wort ihr gegenüber geäußert hatten. Sie wusste, dass Joe und Clint sich über Dennis’ spätes Erscheinen auf dem Fest geärgert hatten. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie vorhin so böse auf ihn gewesen waren. Sein unhöfliches Benehmen war für ihre Brüder ein Beweis mehr, dass er nicht der Richtige für sie war. Sie hatte den beiden so oft all die wundervollen Eigenschaften aufgezählt, deretwegen sie mit Dennis ihr Leben teilen wollte, aber im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass ihre Brüder sie für ein Kind hielten und dass kein Mann ihnen je recht sein würde.

„Seht zu, dass ihr den Rest des Feuerwerks noch mitbekommt. Es ist gleich vorbei.“ Um Marias wissenden Blicken zu entkommen, tauchte Kate in der Menge unter und hielt nach Dennis Ausschau. Welche Farbe hatte sein Hemd noch mal? Braun? Das half nicht sehr, da die meisten Männer dunkle Farben trugen. Dennis war nicht annähernd so groß wie Mitch, und nicht so kräftig, dass er sie mit Leichtigkeit in die Luft heben konnte. Sein Haar war nicht dicht und dunkel, seine Augen nicht schiefergrau. Dennis’ Augen wurden auch nicht je nach seiner Stimmung dunkler oder heller. Und Mitchs markante Kieferbögen waren nicht zu vergleichen mit …

Kate biss die Zähne zusammen. Sie musste aufhören, Dennis und Mitch zu vergleichen. Ihre plötzliche Skepsis war nicht nur unfair gegenüber Dennis, sondern sie machte sich auch selbst damit verrückt. Jesses, sie brauchte eine Margarita oder ein Bier. Irgendwas mit Alkohol, egal was. Tequila. Ein kleiner Schnaps würde ihre Nerven beruhigen. Zum Teufel, ein Schnaps würde sie wahrscheinlich umhauen. Sie trank gelegentlich ein Glas Wein, und sie liebte eine gute Margarita zu mexikanischem Essen, aber das war so ziemlich alles.

Es scherte sie nicht. Ihre Nerven schienen wie zornige Bienen zu summen, und sie brauchte das Gefühl gnädiger Taubheit. Entschlossen marschierte sie zur Getränkebude, huschte hinter den Tresen und fand den Tequila. Nachdem sie einen Schuss in einen Pappbecher gegossen hatte, bemerkte sie, dass Sylvia Crabtree sie neugierig musterte. Die Frau hatte ein Herz aus Gold, sie war aber auch überaus geschwätzig. Kate widerstand dem Drang, den Tequila hinunterzukippen. Sie lächelte Sylvia zu und ging dann ohne den Drink fort. Lächerlich, dachte sie. Warum sollte es dich kümmern, was die Leute von dir denken? Es war ihr aber wichtig, und das konnte sie leider nicht ändern.

Sie schlenderte über den Rasen und setzte ihre Suche nach Dennis fort. Die meisten Gäste saßen noch auf ihren Picknick-Decken und verfolgten das farbenprächtige Schauspiel am Himmel. Bei den Cowboys, die sich mit einem Bier in der Hand in der Nähe des Festzelts aufhielten, war er nicht. Sie bezweifelte, dass Dennis seine Zeit je mit Geplauder mit den Hilfskräften vergeuden würde.

Verdammt! Sie musste diese hässlichen Gedanken unbedingt stoppen. Ja, sie war wütend, aber ihr Zorn auf Dennis hatte wahrscheinlich eher mit ihren Schuldgefühlen wegen ihrer Reaktion auf Mitch zu tun als mit seinem Verhalten.

Der Bereich bei der Schlafbaracke schien menschenleer zu sein – der ideale Ort, um sich vor dem Abschiedsritual etwas zu sammeln. Ein großer Teil der Gäste würde in Kürze gehen, dann würde sie ihren Verlobten finden.

Sie lehnte sich gegen die Wand des Holzhauses und schloss die Augen, um die Stille zu genießen. Im selben Moment hörte sie die Stimme eines Mannes.

Dennis’ Stimme.

Kate riss die Augen auf. Sie lauschte und wartete und sagte sich, dass sie sich getäuscht hatte. Einen Moment später vernahm sie aus derselben Richtung das Lachen einer Frau.

Sie löste sich von der Wand und stand vollkommen still da. Wieder sagte sie sich, dass sie sich wahrscheinlich nur eingebildet hatte, Dennis zu hören. Was sollte er dort neben der Schlafhütte tun? Es ergab keinen Sinn. Wieder drangen gedämpfte Laute zu ihr. Stimmen und leises Lachen.

Kate zwang sich, einige Schritte in die Richtung der Geräusche zu machen. Lautlos bewegte sie sich zur Hausecke und verharrte dort. Sie holte tief Luft und schlich dann geduckt weiter. Neben der Seitenwand war es stockdunkel, außerdem blockierte eine riesige alte Eiche die Sicht. Andererseits war sie so ebenfalls nicht zu sehen. Sie wartete noch einen Moment und horchte angespannt. Nichts. Anscheinend hatte sie sich das Ganze eingebildet.

„Ich muss zurück“, sagte ein Mann. Es war eindeutig Dennis. „Das Feuerwerk geht dem Ende zu.“

„Geh noch nicht“, säuselte die Frau verführerisch.

„Verdammt, du machst es mir schwer.“

Die Frau lachte. „Das ist der Sinn der Sache.“

Kates Herz verkrampfte sich. Es war offensichtlich, was da hinter dem Baum vor sich ging. Ich werde einfach verschwinden, dachte sie. Warum sollte sie sich erniedrigen, indem sie die beiden wissen ließ, dass sie hier war? Doch sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte kaum atmen.

Zum Teufel mit dem Schuft. Sie dachte nicht daran, es ihm durch ihr Verschwinden leicht zu machen. Kate hob ihr Kinn. So leise wie möglich ging sie zu dem Baum.

Die Frau stand mit dem Rücken zu ihr. Kate registrierte blondes gebauschtes Haar, üppige Kurven und einen unanständig kurzen Jeansrock. Dennis war eng an sie gepresst, küsste sie und tat mit seinen Händen wer weiß was. Obwohl ein Schatten sein Gesicht verdunkelte, erkannte Kate genau, wann er sie bemerkte.

Er richtete sich auf und machte einen Satz rückwärts. „Jesses!“

„Du Mistkerl!“ Kates Worte kamen im Flüsterton heraus. Sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn schlagen wollte. Stattdessen drehte sie sich um und ging fort.

„Warte!“ Dennis hastete hinter ihr her. „Kate, bitte. Dies ist nicht das, wonach es aussieht.“

Sie wollte nichts als weg, doch sie blieb stehen und fragte ruhig: „Was ist es dann?“

Sein Gesicht war jetzt deutlich zu erkennen, die Blässe, die Angst in seinem Blick. Wortlos starrte er sie an, dann hob er eine Hand, um sie zu berühren. Sie wich zurück, weil sie ihren zivilisierten Manieren nicht ganz traute.

„Geh! Jetzt sofort.“

„Wir müssen miteinander reden, Kate.“

Sie drehte sich um und steuerte auf das Haus zu. Dabei betete sie, dass ihre Beine sie den ganzen langen Weg tragen würden.

2. KAPITEL

Mitch zog sich weiter in den Schatten zurück, die Hände in ohnmächtiger Wut zu Fäusten geballt. Er wartete, bis Kate und der Mann – offensichtlich ihr Verlobter – vorbeigeeilt waren, dann entspannte er seine Hände. Die Blondine, die mit dem Dreckskerl geknutscht hatte, zog in die entgegengesetzte Richtung ab. Sie war ihm egal. Wer wusste, was der doppelzüngige Bastard ihr erzählt hatte.

Natürlich hatte er nicht das Recht, seine Nase in Kates Angelegenheiten zu stecken. Sie wäre entsetzt, wenn sie wüsste, dass jemand ihren Verlobten bei seinem Tun beobachtet hatte, aber er reagierte nicht anders, als Joe und Clint es getan hätten. Die hätten dem Schuft allerdings längst eine verpasst. Dass er sich beherrscht hatte, war ein kleines Wunder – ein Zeugnis seiner Verwandlung vom wilden Hitzkopf in einen einigermaßen besonnenen Mann.

Das Feuerwerk war inzwischen vorbei. Die Gäste trotteten zu den Wagen, die in einer vierhundert Meter langen Reihe auf der privaten Zufahrtsstraße standen. Mitch folgte Kate mit dem Blick, doch dann verlor er sie in der Menschenmenge aus den Augen. Er vermutete, dass sie die Sicherheit des Hauses ansteuerte. Armes Mädchen. Hoffentlich wurde sie nicht von allzu vielen Leuten aufgehalten.

Er verließ sein Versteck, schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und schlenderte ebenfalls in Richtung Haus. Den beleuchteten Bereichen blieb er fern, denn er war nicht scharf darauf, erkannt zu werden. Er hätte allerdings nichts dagegen, Joe oder Clint in die Arme zu laufen, obwohl er kein Wort über die Szene bei der Schlafbaracke verlieren würde. Das war Kates Angelegenheit, und sie allein musste entscheiden, ob sie dem Kerl eine zweite Chance gab oder mit ihm Schluss machte.

Wieder ballte Mitch die Hände und hoffte, sie würde das Richtige tun. Ach was, sagte er sich dann, er brauchte sich nicht zu sorgen. Kate war zu stolz und zu klug, um diesen Mistkerl zurückzunehmen. Sie würde sich von ihm trennen, aber das war der leichte Teil. Davor kamen die Tage des Grübelns und der Selbstzweifel. Um diese Phase beneidete er sie nicht. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie qualvoll das Stadium vor einer endgültigen Entscheidung war.

Er rieb seine Nackenmuskeln, die sich zusehends verspannten und wünschte, er wäre nicht zu der Schlafbaracke gegangen. Er musste sich auf seine Probleme konzentrieren, doch jetzt konnte er nur daran denken, diesem elenden Schuft eine Abreibung zu verpassen.

Nachdem sie von einigen Gästen angesprochen worden war, hastete Kate ins Haus und nach oben in ihr Schlafzimmer. Zweifellos würden noch mehr Leute nach ihr suchen, um sich zu bedanken und Goodbye zu sagen, doch das war ihr egal. Sie hielt es für besser, unauffindbar zu sein, statt vor Nachbarn und Freunden womöglich zusammenzuklappen.

Sie schloss die Schlafzimmertür ab, lehnte sich dagegen und ließ sich langsam zu Boden gleiten. Wie hatte Dennis nur so kaltschnäuzig sein können? Es war schlimm genug, dass er sie verraten hatte, aber auf ihrem eigenen Grund und Boden? Das Pochen in ihren Schläfen verstärkte sich, bis der Schmerz ihr die Sicht trübte. Sie kniff die Augen zusammen, um nicht loszuheulen. Die Tränen brannten hinter ihren Lidern.

Das verschwommene Bild der Blondine tauchte in ihrem Kopf auf. Sie hatte das Gesicht der Frau nicht gut sehen können und konnte nicht sagen, ob sie die Person kannte oder nicht, aber sie erinnerte sich genau an den superkurzen Rock und an das gebleichte, toupierte Haar. Es war die Sorte Frau, die die Cowboys in der örtlichen Bar auflasen und für eine Nacht mitnahmen.

Sie erschauerte. Ironischerweise war das eines der Probleme, die sie schon immer mit Dennis hatte. Er war steif und zugeknöpft. Extrem konservativ und sogar für einen Schulleiter zu korrekt. Sein Ziel war, Schulrat zu werden. Kate verstand, dass er sein Image wahren musste, aber wie oft hatte sie ihn aufzulockern versucht, wenn sie allein waren, und dann setzte er alles aufs Spiel, indem er neben der Schlafstätte der Cowboys mit einer Frau herumknutschte.

Kate zog die Beine an und schlang ihre Arme darum. Sie fühlte sich leer und kam sich entsetzlich dumm vor. Wie war es möglich, dass sie diesen Mann so schlecht kannte? Sie war fast zwei Jahre mit Dennis zusammen gewesen, und selbst wenn sie keine Zeit hatten, um etwas zu unternehmen, sahen sie sich jeden Tag in der Schule.

Dort würden sie auch weiterhin miteinander zu tun haben. „Oh Gott.“ Sie stöhnte. Wie sollte sie in dieser Situation noch ihren Job schaffen, in ihrem Klassenraum stehen und unterrichten, während er in seinem Büro am Ende des Flurs saß. Und dann das Getuschel und die mitleidigen Blicke der Kollegen …

Bis zum Beginn des neuen Schuljahrs sind es ja noch sechs Wochen, rief sie sich beruhigend in Erinnerung, doch es nützte nichts.

Was für ein heuchlerischer Miesling! Wie oft hatte er ihr gesagt, wie perfekt sie für ihn sei und wie gut sie zusammenpassten? Oh ja, sie war perfekt für ihn gewesen. Perfekt für seine Karriere. Das hatte er gemeint.

Ihre Eltern hatten ihr und ihren Brüdern eine riesige profitable Ranch hinterlassen. In den dreizehn Jahren seit ihrem Tod war die „Sugarloaf“ die zweitgrößte Ranch im Bezirk geworden. Obwohl keiner in der Familie politisch aktiv war, hatte der Name Manning Gewicht in der Gemeinde. Genug Gewicht, um Dennis zu helfen, Schulrat zu werden.

Heiße Wut verdrängte Kates Verletztheit. Langsam rappelte sie sich vom Fußboden auf. Gut, dass sie den Druckauftrag für die Hochzeitseinladungen hinausgezögert hatte. Ihre Begründung war gewesen, dass sie die Feier zum Unabhängigkeitstag vorbereiten musste, aber in Wahrheit hatte sie das alles in den vergangenen zehn Jahren mühelos organisiert. Vielleicht hatte ihr Zögern daran gelegen, dass sie Dennis’ niedere Motive instinktiv gespürt hatte. Tatsache war, dass sie in letzter Zeit von Zweifeln geplagt worden war, die sie allerdings auf vorhochzeitliche Nervosität geschoben hatte.

Das Läuten des Telefons ließ sie zusammenschrecken. Das war er. Kate wusste es, ging aber trotzdem zum Nachttisch und blickte auf das Display des Telefons. Sie starrte auf die vertraute Handynummer, und ihr Ärger wuchs mit jedem Läuten. Blöder Kerl. Dachte er wirklich, dass sie jetzt mit ihm sprechen würde oder irgendwann später?

Endlich hörte das Klingeln auf, und sie atmete langsam aus. Ihr Blick fiel auf die hübsche pinkfarbene Tasche vor dem Kleiderschrank, und wieder fegte eine Welle des Schmerzes und des Zorns über sie hinweg. Wutentbrannt ergriff sie die Tasche mit den sexy Dessous, die sie vor einer Woche aus einem Impuls heraus gekauft hatte. Die verführerische Unterwäsche war für die Flitterwochen gedacht gewesen, denn sie hatte inständig gewünscht, in Dennis ein Feuer zu entzünden. Der langweilige, prüde Dennis, der es immer vorzog, den Nachrichtensender zu sehen statt mit ihr zu schmusen.

Die Tasche in der Hand, riss sie die Kommodenschubladen auf. Weshalb, wusste sie nicht, denn sie bezweifelte, zwischen ihren T-Shirts, Slips und BHs eine Schere zu finden. In der Küche war eine, aber bis dort war es weit, und sie wollte jetzt sofort den Body aus schwarzer Spitze zerschneiden.

Wie oft hatte sie sich gesagt, dass Dennis eben nicht der leidenschaftliche Typ war. Seine Küsse waren zahm, sein sexueller Appetit grenzte an null, aber die Blondine hatte er geküsst und betatscht, als wäre er total ausgehungert, offensichtlich entsprach sie mehr seinem Geschmack.

Sie drängte einen Schluchzer zurück. Zum Teufel mit dem Mistkerl. Er war keine einzige Träne wert.

Das Telefon läutete wieder. Ohne einen Blick auf das Display nahm Kate den Hörer ab und legte wieder auf. Wenig später klingelte es von Neuem. War der Mann verrückt? Hatte er vor, die ganze Nacht anzurufen? Sie nahm ab, knallte auf und legte den Hörer neben das Telefon. Jetzt würde sie ihre Ruhe haben. Ruhe? Nein, sie würde stundenlang herumhocken und grübeln. Sie musste hier weg. Keiner würde sie vermissen.

Die rosa Tasche an die Brust gedrückt, blickte sie zur Kommode. Wo waren ihre Autoschlüssel? Hatte sie sie nicht dorthin gelegt? Nein, sie waren in ihrer Handtasche. Kate langte nach dem braunen Lederriemen und schwang sich die Tasche über die Schulter. Die Hand schon am Türknauf, zögerte sie. Wohin sollte sie fahren?

Mitch! Er würde während seines Aufenthalts in seinem Elternhaus wohnen. Sie schluckte. Konnte sie das tun, einfach bei ihm aufkreuzen? Ihr Blick glitt in die Tasche, in der die Winzigkeit aus schwarzer Spitze lag, und plötzlich dachte sie an Mitchs Begrüßung, dachte daran, wie gut seine Umarmung sich angefühlt hatte, wie ihr Herz gehämmert hatte.

Nein, das wollte sie im Moment nicht. Außerdem hatte Mitch sie immer nur als kleine nervtötende Schwester betrachtet, und das Letzte, was ihr angeschlagenes Ego brauchte, war eine weitere Zurückweisung.

Allerdings war Mitch alles andere als reserviert gewesen.

Die Art, wie er ihren Rücken streichelte, hatte nichts Brüderliches gehabt. Seine Hände waren schon fast um ihren Po geschmiegt gewesen, bevor er sie abrupt wegnahm. Mitch hatte körperlich auf sie reagiert, auf sie als Frau und nicht als Klein-Katie. Die Erkenntnis war von einer verblüffenden Klarheit. Vorhin hatte sie wegen ihrer Schuldgefühle gegenüber Dennis nicht erfasst, was gelaufen war. Nun aber wusste sie es, und sie irrte sich ganz bestimmt nicht.

Oder?

Bevor sie die Nerven verlor, öffnete sie die Tür, vergewisserte sich, dass die Luft rein war, und huschte den Flur hinunter. Wenn sie sich beeilte, würde sie vor ihm bei seinem Haus ankommen.

Mitch lächelte, als er an seinen Plausch mit Clint dachte. Es hatte gutgetan, seinen alten Freund wiederzusehen. Gemächlich fuhr er die Zufahrt hoch und parkte den Pick-up nahe der Haustür des alten Ranchhauses. Die Verandatreppe musste repariert werden, und die gesamte Vorderfront brauchte einen neuen Anstrich, doch wenn man das Alter des Hauses bedachte, war es in einem recht guten Zustand, was nicht ihm zu verdanken war.

Autor

Debbi Rawlins
Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...
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