Um Mitternacht mit dir im Bett

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Auf einer Party erwischt Millionär Michael Wolff eine Fremde in seinem Bett, die sich ihm als Sarah vorstellt. Angetörnt von ihrer Schönheit, beschließt er, sie zu verführen. Prickelnden Küssen folgt heißer Sex. Aber Michael bleibt misstrauisch: Führt Sarah etwas im Schilde?


  • Erscheinungstag 17.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759803
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sarah Hewitt war noch nie uneingeladen auf einer Party erschienen. Und sie hatte auch noch nie einen Safe aufgebrochen. Aber für alles gab es ein erstes Mal, und heute Abend würde es gleich zwei Premieren geben.

Der Schnee knirschte unter ihren Schritten, als sie sich vorsichtig der Wolff-Villa näherte. Das Licht, das aus den hohen Fenstern des schlossähnlichen Gebäudes fiel, überzog den verschneiten Hang mit einem blassrosa Schimmer, doch ein paar riesige Fichten warfen auf das offen stehende schmiedeeiserne Tor einen Schatten, sodass sie unbemerkt hindurchschlüpfen konnte.

Ihr Auto hatte sie eine halbe Meile entfernt unten am Berg abgestellt und war zu Fuß den langen Weg heraufgekommen. Ihr Atem ging stoßweise, aber mehr vor gespannter Erwartung der kommenden Ereignisse als von der Anstrengung des steilen Aufstiegs.

Wenn sie hinter sich schaute, konnte sie von hier oben die winzigen Lichter des Zentrums von Denver sehen, das zwanzig Meilen östlich lag. Dort wohnte sie mit ihrem Großvater, der annahm, dass sie jetzt den Silvesterabend mit ihren Freunden feierte.

Stattdessen folgte sie ihm auf seinen kriminellen Pfaden!

Sich im Schatten der Villa haltend, lief sie nun auf den Eingang zu, wobei sie den Strom der ankommenden und abfahrenden Limousinen auf der kreisförmigen Zufahrt aufmerksam verfolgte. Vor dem imposanten Portal, das von zwei Marmorsäulen flankiert wurde, hielten die Wagen nur kurz an, um die kostümierten Gäste aussteigen zu lassen.

Der jährliche Maskenball bei den Wolffs stellte einen Höhepunkt in Denvers gesellschaftlichem Leben dar. Das hatte Sarah zumindest gehört. Sie kümmerte sich nicht sonderlich um das Treiben der Reichen und Prominenten. Schließlich hatte sie genug damit zu tun, das nötige Geld für ihr Soziologiestudium zu verdienen. Momentan ging sie zwei Jobs nach – tagsüber hinter einem Banktresen und an den Wochenenden als Bedienung in einer Bar.

Als Sarah die Einladung zum Wolffschen Maskenball auf dem Schreibtisch des Bankdirektors erspäht hatte, war ihr das als ein Wink des Schicksals erschienen. So eine günstige Gelegenheit, den schwerwiegenden Fehler ihres Großvaters wieder gutzumachen, konnte einfach kein Zufall sein.

Am Portal angekommen, verbarg sie sich hinter einer der dicken Marmorsäulen am Fuße der Treppe und beobachtete eine Weile den Türsteher, der die eintreffenden Gäste begrüßte. Ein Windstoß kam auf, und sie zog sie sich die Kapuze ihres langen roten Capes tiefer in die Stirn, froh über die wärmende Kostümierung.

Sie hatte sich als Rotkäppchen verkleidet, und die langen roten Handschuhe sowie die schwarzen Lederstiefel waren genau das Richtige für die Winterwanderung gewesen. Außerdem würde sie mit den Handschuhen keine Fingerabdrücke hinterlassen.

Während sie so durch die Augenschlitze ihrer roten Maske in die Eingangshalle spähte, nahm sie eine plötzliche Unruhe wahr. Eine Frau, die als Las-Vegas-Showgirl kostümiert war, hatte sich mit einer langen Feder ihres Kopfputzes in einem der tief hängenden Kronleuchter verfangen. In dem Moment, wo der Türsteher sich um das Showgirl bemühte, rannte Sarah die Stufen hinauf, trat durch die Tür und steuerte zielsicher auf den Ballsaal zu. Die laute Musik der Band hätte ihr ohnehin den Weg gewiesen, aber sie hatte am Abend zuvor den Grundriss der Villa gründlich studiert.

Mit klopfendem Herzen durchquerte sie die Eingangshalle, befürchtete sie doch, jemand könnte Alarm schlagen und sie abfangen, bevor sie in der Menge der Kostümierten untertauchte. Aber niemand hielt sie an, und so fand sie sich kurz darauf unter dem Rundbogen der Tür zum Ballsaal wieder.

Erleichtert schaute sie sich um, wohl wissend, dass der schwierigste Teil noch vor ihr lag. Voll Bewunderung betrachtete sie den glänzenden Marmorboden, die Kristalllüster, die fantasievoll verkleideten Gäste. Auf der Einladung hatte gestanden, dass um Mitternacht die Demaskierung stattfinden sollte.

Und zu dem Zeitpunkt würde Sarah in Aktion treten.

Sie schaute zu der großen antiken Standuhr und stellte beruhigt fest, dass sie genügend Zeit hatte. In der nächsten Stunde brauchte sie sich nur unter die Gäste zu mischen und so zu tun, als gehörte sie dazu. Doch sie wünschte, der Abend wäre schon vorüber und sie könnte zu ihrem normalen Leben zurückkehren.

Falls sie nicht vorher hinter Gittern landete.

Bei der Vorstellung musste sie schlucken. Wie Halt suchend griff sie nach dem Henkel des kleinen Picknickkorbs, den sie am Arm trug. Dabei hatte sie keineswegs die Absicht, hier zu stehlen. Ganz im Gegenteil: Sie wollte das Brillanthalsband, das in ihrem Korb lag, in den Safe im zweiten Stock der Wolff-Villa zurückzulegen, wo es rechtmäßig hingehörte. Und das musste ihr gelingen, bevor überhaupt jemand merkte, dass es fehlte und man ihren Großvater Bertram Hewitt des Diebstahls anklagen konnte. Zum zweiten Mal.

Tatsache war, dass ihr Großvater sich schuldig gemacht hatte, obgleich er sich selbst im Recht wähnte. Vor über fünfzig Jahren hatten Bertram Hewitt und Seamus Wolff zusammen ein Geschäft gegründet, das Haushaltsauflösungen vornahm. Es geschah nicht selten, dass sich unter dem meist wertlosen Krempel auch kostbare Stücke befanden, die sie dann mit hohem Gewinn veräußerten. Nach zwei erfolgreichen Jahren hatte Seamus ihrem Großvater jedoch unerwartet die Partnerschaft aufgekündigt und verlangt, den verbliebenen Rest unter sich aufzuteilen.

Bis zum heutigen Tag behauptete Bertram, Seamus habe von dem kostbaren Halsband in dem alten Koffer gewusst, den er für sich beanspruchte. Inzwischen war er Multimillionär geworden, denn er hatte das Halsband wiederholt beliehen und dieses Geld als Startkapital für verschiedene äußerst lukrative Unternehmungen verwendet. Bertram indessen lebte mehr schlecht als recht von einer Pfandleihe.

Also hatte er das Schmuckstück kürzlich von Seamus zurückgeholt, und zwar in der löblichen Absicht, Sarah zu ihrem Erbe zu verhelfen. Allerdings würde die Polizei das anders sehen. Wie schon einmal vor achtzehn Jahren, als Bertram das Band zum ersten Mal entwendete, um seine todkranke Frau ärztlich behandeln zu lassen.

Im Gefängnis war er nur noch verbitterter geworden. Er hatte sich geschworen, das Halsband wieder an sich zu bringen. Und vor zwei Wochen dann war es ihm gelungen, indem er sich unter einen Trupp Anstreicher schmuggelte, die das Haus renovierten, während die Wolffs Weihnachten auf Jamaika verbrachten. Zum Glück hatten sie das Fehlen des Halsbandes noch nicht bemerkt, sonst hätte die Polizei einmal mehr vor Hewitts Tür gestanden.

„Hast du etwas Gutes für mich in deinem Korb?“, hörte sie plötzlich eine tiefe Stimme hinter sich.

Sie fuhr herum und sah sie sich einem mannshohen Wolf gegenüber. Hemd und Hose seines Kostüms bestanden aus dichtem schwarzen Fell.

„Nichts für Wölfe“, entgegnete sie schnippisch. „Versuch es lieber am Büfett.“ Seine Stimme hatte sie zwar nicht erkannt, jedoch die grauen blitzenden Augen hinter der schwarzen Seidenmaske. Sie gehörten Michael Wolff, dem skrupellosen Geschäftsmann und stadtbekannten Playboy. Seamus Wolffs Enkel und Erbfeind der Hewitts.

Ob er wusste, wer sie war? Sie arbeitete zwar bei der Consolidated Bank, die in seinem Geschäftsgebäude untergebracht war, hatte ihn jedoch noch nie bedient. Außerdem verhüllte ihr Kostüm sie von Kopf bis Fuß. Aber er hatte sie auf den Korb angesprochen. Auf einmal lastete er ihr schwer an ihrem Arm, und sie war fast sicher, dass er wusste, was sie darin verbarg.

Sarah warf einen sehnsüchtigen Blick zur Tür. Ob sie einfach weglaufen sollte? Sie war ungefähr einen Meter siebzig groß und eine gute Läuferin, doch Michael überragte sie um mindestens zwanzig Zentimeter und besaß einen kräftigen, durchtrainierten Körper. Das wusste sie genau, denn sie hatte ihm oft nachgeschaut, wenn er den Schalterraum auf dem Weg zu seinem Privatlift durchquerte. Alle Frauen sahen ihm dann nach. Er schien sich allerdings nicht um die begehrlichen Blicke zu kümmern und hatte Sarah wohl nie wahrgenommen.

Bis jetzt. Er stand mit gespreizten Beinen da, der lange Wolfsschwanz schleifte fast am Boden. Das Kostüm saß so perfekt, als wäre es maßgeschneidert, was es vermutlich auch war. Nein, wegzulaufen wäre keine gute Idee. Er würde sie einholen, bevor sie die Tür erreicht hätte.

Er setzte ein teuflisches Grinsen auf und entblößte seine makellosen weißen Zähne. „Dieser Wald hier ist gefährlich für so appetitliche Happen wie dich. Hast du dich auf dem Weg zur Großmutter verlaufen, mein Kind?“

Sarah atmete tief durch. Zum Glück hatte er sie nicht erkannt. Er spielte nur den großen bösen Wolf, und sie sollte lieber mitspielen, damit er nicht misstrauisch wurde. „Ich wollte hier nur ein wenig verweilen, lieber Wolf“, erwiderte sie gespielt schüchtern, hielt aber seinem intensiven Blick stand. „Obwohl der Wald heute ziemlich überlaufen scheint.“

Er schaute sich im Saal um. „Sehr richtig. Dennoch sehe ich niemanden, der so zum Anbeißen wäre wie du.“

Beim Klang seiner rauchigen Stimme wurden ihr die Hände in den Handschuhen feucht. Flirtete dieser Mann tatsächlich mit ihr? Ungeachtet ihres Plans, den Safe zu knacken, hatte sie nicht viel für Abenteuer übrig. Doch irgendetwas an ihm zog sie wie magisch an. Sie hätte nicht sagen können, ob es der dunkle Bartschatten an seinem kantigen Kinn oder das verwegene Glitzern in seinen Augen war. „Ich wette, das erzählst du allen kleinen Mädchen, die sich in deinem Wald verirren.“

Er machte einen Schritt auf sie zu. „Wie gesagt, im Wald kann es gefährlich sein.“

„Ich bin nicht ängstlich.“

„Aber ich bin ein sehr hungriger Wolf.“ Er kam ihr noch näher. „Ich kann mich gar nicht an dir sattsehen.“

Da war er wieder – der raue Unterton, der ihr verriet, dass sein Interesse an ihr über ein beiläufiges Maß hinausging. Es war lange her, dass ein Mann so unmissverständlich um sie geworben hatte, und sie fand das Gefühl berauschend wie den Champagner, der in den Gläsern der Gäste perlte. Aber sie kannte Michaels Ruf als Frauenheld. „Vorsicht, lieber Wolf, ich könnte dir auf den Magen schlagen oder dir Herzschmerzen verursachen.“

„Unmöglich“, sagte er mit einem Lächeln, das eher ihr auf den Magen schlug. „Ich habe kein Herz.“

Davon hatte sie ebenfalls gehört, aber das Geständnis schien ihm nicht auszumachen. Zweifellos hatte er bisher eine Reihe von Herzen gebrochen. War er in der Liebe ebenso kaltblütig wie im Geschäftsleben? Seine Erfolge als Konzernleiter wurden regelmäßig in den Medien gerühmt. Die neusten Zeitungsartikel hatten unter Sarahs Kollegen die Runde gemacht, nachdem er kürzlich die Dachgesellschaft der Consolidated Bank gekauft hatte.

„Du dagegen“, fuhr er fort und beugte den Kopf zu ihr herunter, „hast wahrscheinlich viel zu viel Herz. Willst du deine Großmutter heute nicht einmal vergessen und dir ein wenig Spaß gönnen?“

Damit traf er ihren wunden Punkt. Ihre Familie ging ihr über alles. Deshalb war sie auch heute hier und setzte ihre Zukunft aufs Spiel, anstatt mit ihren Freunden Silvester zu feiern. Sie hatte sogar schon gute Vorsätze fürs neue Jahr gefasst: spontaner sein, mehr wagen, sich endlich einen Freund suchen.

Letzteres war schwierig, solange sie studierte und zwei Jobs hatte. Doch ihre Reaktion auf Michaels harmlosen Flirt bewies, dass sie endlich wieder mit einem Mann ausgehen musste. Ihre Wangen brannten, als sein bewundernder Blick an ihr hinabglitt, und sie fragte sich, wie sich seine Bartstoppeln auf ihrer Haut anfühlen mochten. Oder seine große Hand auf ihrem Körper.

Wirklich, sie lebte schon viel zu lange enthaltsam. Sie sollte auf Distanz gehen, bevor sie sich noch zu etwas Unbesonnenem hinreißen ließ. „Tut mir leid, Großmutter wartet auf mich.“ Sie wandte sich zum Büfett. „Am besten packe ich ein paar Leckereien für sie in meinen Korb und mach mich auf den Weg.“

Im nächsten Moment hätte Sarah sich am liebsten geohrfeigt. Warum musste sie bloß den Korb erwähnen, den Michael sich jetzt neugierig besah? Wenn er den Deckel aufklappte, würde er sofort das blaue Samtetui sehen … und wieder erkennen. Und dann wäre die Hölle los.

Er nahm jedoch zwei Gläser mit Champagner vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners und reichte ihr eins. „Erst musst du mit mir anstoßen. Auf das kommende neue Jahr.“

Michael Wolff hatte ihr klares Denken bereits beeinträchtigt, Alkohol wäre ihr Untergang. „Danke, nein“, sagte sie. „Ich mag keinen Champagner.“

„Was für ein braves Mädchen“, murmelte er und stellte ihr Glas auf einem Tisch ab. Dann setzte er seins an die Lippen.

Sie wollte ihm widersprechen, aber er hatte ja recht. Brav war sie in der Tat. Wenn man in einer Familie mit einer kranken Großmutter und einem wenig gesetzestreuen Großvater aufwuchs, lernte man, seinen Angehörigen keine Probleme zu machen. Als ihre Eltern im letzten Jahr nach Kalifornien zogen, war sie dann auch bei ihrem Großvater geblieben, um sich um ihn zu kümmern. Was gar nicht so einfach war, nachdem er sein Diebeshandwerk wieder aufgenommen hatte.

Fasziniert betrachtete sie Michaels Kehlkopf, der beim Trinken auf und ab hüpfte, bis er das Glas absetzte und sie wieder mit diesem Glitzern in den Augen ansah. „Wir haben den Champagner aus Frankreich einfliegen lassen. Du weißt gar nicht, was dir entgeht.“

Wie gern hätte sie der Versuchung nachgegeben, aber sie durfte nichts riskieren. „Ich glaube, doch“, entgegnete sie und wandte sich erneut zum Büfett. „Viel Spaß noch, lieber Wolf.“

Er packte sie am Ellbogen, und beim sanften Druck seiner Finger schoss ihr eine Hitzewelle durch den Körper. „Tanz mit mir, Rotkäppchen.“

Als sie zögerte, neigte er den Kopf und raunte ihr zu: „Da kommt Oscar Henley, und wenn du nicht mit mir tanzt, muss ich mir noch einmal die elend lange Geschichte von der Steuerprüfung anhören. Er ist ein solcher Langweiler, dass ich versucht bin, mich auf die Seite des Finanzamts zu schlagen.“

Sie lächelte. „Er hört sich eben gern reden.“

Überrascht zog er eine Augenbraue hoch. „Du kennst Oscar?“

Sarah erschrak. Oscar saß im Aufsichtsrat der Consolidated Bank. Und sie hatte anonym bleiben wollen! Sie beschloss zu bluffen. „Den kennt doch jeder, oder?“

Er lachte. „Ja, ob man will oder nicht.“ Er zog sie an sich. „Also musst du mich retten.“

„Rotkäppchen rettet den Wolf.“ Die Vernunft sagte ihr, dass dies der helle Wahnsinn war, doch ihre Neugier siegte. „Eine originelle Version.“

Die Musik wechselte in diesem Moment zu einem langsamen, verführerischen Stück. Michael drängte sie zur Tanzfläche, wo er dann versuchte, sie dichter an sich zu ziehen, aber der Picknickkorb war im Weg. Er nahm ihn ihr einfach ab, stellte ihn auf das Podium der Band und wandte sich ihr wieder zu.

Um Himmels willen, sie durfte den Korb nicht aus den Augen lassen, durfte gar nicht erst mit Michael tanzen. Eigentlich hatte sie sich vollkommen im Hintergrund halten wollen, bis sie sich kurz vor Mitternacht in die oberen Stockwerke schleichen konnte. Doch schon legte Michael die Arme um sie, und unwillkürlich schmiegte sie ihre Wange an seine breite, pelzige Schulter. Sie schloss die Augen, ließ sich führen und stellte fest, dass er für einen Wolf äußerst angenehm roch. Würzig und männlich.

Sarah hatte keineswegs beabsichtigt, die Aufmerksamkeit des großen bösen Michael Wolff auf sich zu lenken. Doch die romantische Musik hüllte sie ein, und sie entspannte sich immer mehr. Was konnte ein einziger Tanz schon anrichten? Seit zwei Jahren beobachtete sie Michael Wolff, wenn er sich in der Consolidated Bank aufhielt. Sie hatte sogar ein bisschen für ihn geschwärmt. Okay, sehr geschwärmt. Warum sollte sie die Gelegenheit nicht nutzen und eine ihrer Fantasien wahr werden lassen?

Sie würde ja anonym bleiben. Michael würde nie erfahren, wer das Rotkäppchen war, denn bei der Demaskierung um Mitternacht wäre sie bereits verschwunden.

Er umarmte sie fester, und sein warmer Atem strich an ihrem Ohr entlang. Sie empfand ein angenehmes Prickeln am ganzen Körper. „Du tanzt gut, Rotkäppchen.“

„Überrascht es dich?“

Sein Lachen kam tief aus dem Brustkorb. „Ich konnte mich nie so recht für Maskenbälle begeistern, ich mag keine Spielchen. Besonders, wenn man so leicht erraten kann, wer sich hinter der Maske verbirgt.“ Er lehnte sich etwas zurück und sah ihr in die Augen. „Außer bei dir, Rotkäppchen. Ich gestehe, ich bin verwirrt.“

Und so sollte es auch bleiben. Wenn Michael ihre wahre Identität erführe, würde er sie auf der Stelle vor die Tür setzen. Die Wolffs und die Hewitts waren erbitterte Feinde, zumindest behauptete das ihr Großvater. „Lass uns einfach nur genießen und ein wenig unsere Fantasie spielen lassen. Keine Namen, keine Fragen, keine Versprechungen. Nur zwei Fremde, die in der Nacht zusammen tanzen.“

In seinen Augen glitzerte es wieder. „In meiner Fantasie tun wir aber mehr als nur tanzen.“

Oje! Niemals hätte sie heute Abend hierher kommen dürfen. „Wirklich?“

Er strich ihr sacht mit dem Finger über die Wange, dann über die Unterlippe. „Ich kann es nicht oft genug sagen – in diesem Wald ist es gefährlich.“

„Ich habe keine Angst.“

„Du lügst“, flüsterte er rau und umfing ihre Wange mit seiner breiten Hand. „Aber bei mir bist du sicher. Du musst nur mit mir in meine Höhle kommen.“

Sie holte tief Luft. Ihr Herz schlug heftig, aber nicht vor Angst. „Was hast du doch für ein großes Ego, lieber Wolf.“

Er grinste anzüglich. „Und nicht nur das.“

Jetzt musste sie lachen. „Danke für die Einladung, aber ich denke, hier im Wald ist es weitaus sicherer.“

„Falsch gedacht, Rotkäppchen.“

Und dann küsste er sie.

2. KAPITEL

So süß.

Das war das erste Wort, das Michael in den Sinn kam, als er Rotkäppchen küsste. Er schmeckte die weichen rosa Lippen, die ihn schon vom ersten Augenblick an reizten.

So unschuldig.

Er hatte ihren erschrockenen leisen Schrei mit seinem Mund erstickt. In ihren grünen Augen erkannte er Verunsicherung. Und auch Begehren, das sein eigenes noch anfachte. Ihm schien, als stünde sein Körper in Flammen.

So perfekt.

Vielleicht lag es am französischen Champagner oder am ungeheuren Stress der vergangenen Wochen. Vielleicht hatte er bloß zu lange keine Frau mehr in den Armen gehalten. Wie auch immer, Michael konnte sich an keinen so perfekten, so wunderbaren Kuss erinnern.

Als er den Kuss vertiefte, krallte sie die Finger in sein Fellkostüm, doch einen Moment später gaben ihre Lippen nach, öffneten sich ihm bereitwillig. So süß, so unschuldig, so gut.

Er war schier unersättlich, er wollte mehr, viel mehr. Doch das Gläserklirren und die gedämpften Stimmen um ihn herum drangen ihm plötzlich ins Bewusstsein. Dies war weder Ort noch Zeit, um seine Fantasien auszuleben.

Michael ließ sie los und versuchte, seinen Atem zu regulieren. Das Wolfskostüm hatte er schon den ganzen Abend lang als lästig empfunden, und jetzt umso mehr, da ihm durch den Kuss noch heißer geworden war. Sein Rotkäppchen sah mit großen Augen zu ihm hoch, die Lippen jetzt so rot wie ihr Cape. Verstohlen schaute er sich im Saal um und bemerkte hier und da ein anzügliches Lächeln, heimliches Getuschel. Er war zwar abgehärtet gegen Klatsch, aber er legte keinen Wert auf Gerede.

Was zum Teufel war über ihn gekommen? Rotkäppchen war nicht einmal sein Typ. Er mochte aufreizende, raffinierte Frauen, groß und temperamentvoll. Dieses Mädchen reichte ihm kaum bis zur Schulter. Er hätte sie gar nicht angesprochen, wenn sie nicht so verloren im Ballsaal gestanden hätte. Trotzdem begehrte er sie. Und das so heftig, dass er einen Schritt zurücktreten musste, um sie nicht erneut an sich zu ziehen.

Sie räusperte sich und wurde auf entzückende Weise rot. „Die Musik ist vorbei.“

Die Musik wohl, nicht aber seine Fantasien. Jetzt wollte er mehr, als mit ihr tanzen, mehr, als sie küssen. Nur nicht vor den Augen von hundert Gästen. Er wollte Rotkäppchen für sich allein haben. Jemand rief seinen Namen, und Michael sah Oscar Henley wieder auf sich zukommen. Er biss die Zähne zusammen. Dieses Mal gab es kein Entrinnen.

Sie bemerkte Oscar ebenfalls und lächelte. „Die Pflicht ruft.“

Ja, die Pflicht. Sie war Michaels tägliches Brot. Als alleiniger Erbe der Wolff-Dynastie war es seine Pflicht, das Familienunternehmen erfolgreich zu führen, das Vermögen zu erhalten und womöglich noch zu vermehren.

Ein Vermögen, das durch die hübsche junge Frau seines Großvaters unter Umständen gefährdet war. Darauf sollte er sich heute Abend konzentrieren, anstatt wegen einer geheimnisvollen Lady in Rot den Kopf zu verlieren.

Dennoch wollte er sich noch nicht von ihr trennen. Keine Namen, keine Fragen, keine Versprechungen, hatte sie verlangt. Und das hatte er akzeptiert. Das war allerdings vor dem Kuss gewesen. Jetzt wollte er ihren Namen wissen. Am besten alles von ihr.

Ihm war klar, dass sie ihn kennen musste. Es war Tradition, dass der Gastgeber des Wolff-Maskenballs sich als Wolf verkleidete. Eigentlich wäre das die Aufgabe seines Großvaters gewesen. Doch Seamus lag mit einer gebrochenen Hüfte im Krankenhaus.

Und das hatte er seiner hübschen jungen Frau zu verdanken.

Augenblicklich verspannte sich Michael, doch er konnte jetzt nicht an die Wolffschen Familienprobleme denken. Dazu war die Lady in Rot ihm zu nah – ihr leichter Duft nach Vanille benebelte seine Sinne. Er schloss die Augen, hin und her gerissen zwischen Pflicht und Verlangen.

Oscar rief noch einmal seinen Namen, und Michael öffnete die Augen, nur um zu sehen, wie der untersetzte Mann sich quer durch den Saal einen Weg zu ihm bahnte. Er unterdrückte einen Fluch. „Scheint, als müsste ich für eine Weile den netten Gastgeber spielen.“

Sie nickte. „Danke für den Tanz.“

Das klang ihm zu sehr nach Abschied. Er nahm ihre Hände in seine und strich mit den Daumen über ihre Handschuhe. „Wir treffen uns um Mitternacht, ja? Genau hier vor dem Podium.“ Er wollte dabei sein, wenn sie ihre Maske abnahm. Er wollte ihr Gesicht sehen. Sie biss sich nachdenklich auf die Lippe, und ihr Zögern ließ befürchten, dass sie ablehnen würde. Das durfte sie nicht. „Keine Namen“, versicherte er ihr schnell, obwohl er ihre Zurückhaltung nicht ganz verstand. „Keine Fragen.“

„Keine Versprechungen“, ergänzte sie.

„Um Mitternacht“, wiederholte er, indem er sanft ihre Hände drückte. Dann wandte er sich ab und sah Oscar mit erzwungenem Lächeln entgegen.

Wie sehr sehnte er Mitternacht herbei.

Noch zehn Minuten bis Mitternacht.

Sarah war völlig durcheinander. Sie hatte den nächtlichen Ausflug zur Wolff-Villa bis in die letzte Einzelheit geplant gehabt, sich jeden Raum, jede Treppe, jeden der vielen Flure eingeprägt. Nur eins hatte sie vergessen – Michael Wolff.

Als sie seinen Blick im Rücken spürte, hatte sie ihren ursprünglichen Plan spontan geändert und den Weg durch die Waschräume gewählt, anstatt die Haupttreppe zum ersten Stock zu nehmen. Von dort aus kam man über eine Hintertreppe auch nach oben. Vom Lageplan her wusste sie, dass sie dann durch eine Bibliothek, Büroräume und eine lange Galerie mit kostbaren Kunstwerken gehen musste, um wieder zur Haupttreppe zu gelangen, die in die oberen Privaträume führte.

Doch dieser Teil der Treppe war wegen Renovierung gesperrt. Sarah stand im dunklen Flur und versuchte, nicht in Panik zu geraten. Wenn doch nur der Kuss sie nicht so verwirrt hätte! Sie nicht so … erregt hätte. Sie berührte ihre Lippen, die noch leicht brannten.

Wir treffen uns um Mitternacht.

Seine Worte klangen ihr in den Ohren nach, und sie musste sich an die Wand lehnen, um sich zu beruhigen. Wenn sie nun nicht unter falschen Vorspiegelungen hier wäre, sondern als geladener Gast? Wenn sie tatsächlich nur zwei Fremde wären, die in der Nacht miteinander tanzten? Wenn sie ihn um Mitternacht wieder träfe?

Sarah wies diese Gedanken jedoch schnell von sich. Sie durfte sich solchen Fantasien nicht hingeben, auch wenn sie noch so verlockend waren. Sie musste ihren Großvater retten. Sie umklammerte ihren Picknickkorb fester und versuchte noch einmal, sich in der Dunkelheit zu orientieren. Schließlich wandte sie sich um und ging wieder zurück. Irgendwo hier in der Nähe, das wusste sie, verbarg sich hinter einer Tür die Dienstbotentreppe, die alle Stockwerke miteinander verband.

Doch je länger sie danach suchte, desto nervöser wurde sie. Als sie schließlich meinte, sie gefunden zu haben, befand sie sich in einer Wäschekammer.

„Okay, tief durchatmen“, befahl sie sich. Der Duft frisch gestärkter Laken und Wäsche hing in der Luft. Sie schloss die Augen und rief sich die Grundrisse aller Stockwerke ins Gedächtnis. Wenn sie sich in der Wäschekammer der ersten Etage befand, musste sie an der nächsten Ecke nach rechts, dann nach links.

Während sie den Flur entlangeilte, fragte sie sich, was Michael tun würde, wenn sie ihn versetzte. Ob er wütend wäre? Enttäuscht? Aber er würde gewiss nicht lange brauchen, um eine andere Frau als Ersatz für sie zu finden.

Autor

Kristin Gabriel
Mehr erfahren