Unsere zweite Chance für das Glück?

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Was für ein Mann! Die junge Parfümeurin Holly kann Drago di Navarras Verführungskünsten einfach nicht widerstehen. Eine Dummheit, die sie teuer zu stehen kommt. Denn der Chef des millionenschweren Kosmetikkonzerns glaubt, dass sie nur mit ihm geschlafen hat, um ihre Karriere voranzutreiben … Ohne Holly eine Chance zur Verteidigung zu geben, setzt er sie vor die Tür. Doch als sie sich ein Jahr später überraschend wiedersehen, entflammt das Verlangen erneut. Aber dieses Mal ist es Holly, die die Regeln aufstellt! Denn ihr Herz schlägt nicht mehr nur allein für Drago …


  • Erscheinungstag 03.02.2015
  • Bandnummer 2165
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701390
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie da, aufstehen!“

Holly Craig blickte zu dem Mann hoch, der so groß und imposant vor ihr stand. Ihr Herz setzte angesichts seiner männlichen Attraktivität einen Schlag aus. Er hatte dunkles Haar, durchdringende graue Augen und ein Kinn, das wie aus Carrara Marmor gemeißelt zu sein schien. Seine Nase war schmal und elegant, und für seine Wangenknochen hätte so manches Männermodel alles gegeben.

„Nun kommen Sie schon, ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.“ Er klang freundlich, wenn auch kurz angebunden. Offenbar stammte er aus Italien. Das verriet ihr sein Akzent, obwohl er nicht sehr stark ausgeprägt war. Eher weich und elegant. So wie guter Wein. Oder ein besonderes Parfum.

Holly presste ihren Aktenkoffer – gebraucht und nicht einmal aus echtem Leder – an ihre Brust und verlagerte unbehaglich ihr Gewicht auf der Couch. „Ich … ich bin nicht sicher, dass ich die Richtige …“

„Sie sind hier, um mich zu treffen, oder nicht?“

Sie schluckte. „Sie sind Mr di Navarra?“

Er wirkte irritiert. „Allerdings.“

Holly sprang auf. Ihr Herz hämmerte wie verrückt, und sie spürte, wie ihr vor Verlegenheit das Blut in die Wangen schoss. Sie hätte wissen müssen, dass sie den mächtigen Leiter von Navarra Cosmetics vor sich hatte. Er war immerhin der Mann, der ihr Schicksal in seinen Händen hielt. Natürlich kannte sie ihn von Fotos her. Jeder hätte Drago di Navarra sofort erkannt.

Jeder, abgesehen von ihr.

Dieses Treffen war so unglaublich wichtig. Und nun hatten sie kaum ein paar Worte miteinander gewechselt, und schon hatte er sie auf dem falschen Fuß erwischt. Ruhig, ma belle, hätte ihre Großmutter jetzt gesagt. Du kriegst das schon hin.

Holly streckte die Hand aus. „Mr di Navarra, natürlich! Ich bin Holly …“

Mit einer knappen Geste brachte er sie zum Schweigen. „Wer Sie sind, ist nicht wichtig.“ Er kniff die Augen zusammen und ließ langsam seinen Blick über sie gleiten. Zwar trug sie heute ihr bestes Kostüm, aber selbst das war schon mindestens fünf Jahre aus der Mode, immerhin aber schwarz und zweckdienlich. Und etwas anderes besaß sie nicht. Sie hob das Kinn, verwirrt über den merkwürdigen Verlauf, den dieses Treffen nahm. Sie wusste, eigentlich sollte sie ihn wegen seiner Unhöflichkeit zurechtweisen. Gleichzeitig war sie nicht bereit, deswegen alles aufs Spiel zu setzen.

„Drehen Sie sich herum“, wies er sie an.

Hollys Wangen brannten, doch sie tat, was er verlangte, und drehte sich einmal im Kreis.

„Ja“, sagte er zu einer Assistentin, die etwas abseits auf neue Anweisungen wartete. „Ich denke, mit ihr wird es gehen. Sagen Sie Bescheid, dass wir uns auf den Weg machen.“

„Sofort, Sir“, erwiderte die Frau, die eine Aura von kühler Effizienz ausstrahlte, und verschwand wieder in dem Büro, aus dem sie beide vorhin gekommen waren.

„Los geht’s“, sagte Drago.

Holly konnte nur dastehen und ihm fassungslos nachstarren, unfähig, sich zu rühren.

Offenbar bemerkte er, dass sie ihm nicht folgte, denn er blieb stehen und wandte sich um. Er wirkte eher ungeduldig als ärgerlich, wobei sie befürchtete, dass sich das jeden Augenblick ändern konnte.

„Kommen Sie jetzt oder nicht?“

Holly hatte die Wahl. Sie konnte Nein sagen. Konnte ihm sagen, wie schrecklich unhöflich er sich ihr gegenüber verhielt. Und dass sie wegen eines Termins hergekommen war und nicht, um sich von oben herab behandeln, inspizieren und herumkommandieren zu lassen.

Oder sie konnte mit ihm gehen, herausfinden, was sein seltsames Verhalten zu bedeuten hatte, und die Gelegenheit nutzen, um ihm ihre Ideen schmackhaft zu machen. Die Tasche, die sie in den Händen hielt, fühlte sich warm an und verströmte den angenehmen Duft der Proben, die sie darin verstaut hatte. Es erinnerte sie an zu Hause, an ihre Großmutter und die vielen gemeinsamen Stunden, in denen sie davon geträumt hatten, mit ihren Parfums berühmt zu werden, anstatt ihre individuell hergestellten Düfte weiterhin nur an Freunde und Nachbarn zu verkaufen.

Sie hatte einen weiten Weg auf sich genommen, um diesen Mann zu treffen. All ihre Ersparnisse waren dafür draufgegangen, und sie besaß gerade noch genug, um das Hotel und die Heimfahrt zu bezahlen. Wenn sie diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließ, verlor sie sehr viel mehr als nur Geld. Sie verlor ihren Traum. Grans Traum. Sie würde nach Hause zurückkehren und noch einmal ganz von vorn anfangen müssen.

Denn Gran war tot, und Holly konnte es sich nicht leisten, das Haus noch länger zu behalten. Außer es gelang ihr, Drago di Navarra davon zu überzeugen, dass sie etwas besaß, in das es sich zu investieren lohnte. Etwas, das es wert war, ein Risiko einzugehen.

Und sie würde alles tun, um diese Chance zu ergreifen.

„Ja“, sagte sie und straffte die Schultern. „Ich komme.“

Drago konnte ihre forschenden Blicke deutlich spüren. Er war daran gewöhnt, denn er wurde andauernd von Frauen angestarrt. Und es störte ihn nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Es war sogar von Vorteil – vor allem in seinem Geschäft.

In einer Branche, in der es darum ging, Menschen zu verschönern, schadete es nicht, selbst ein attraktives Äußeres zu besitzen. Und schließlich konnte man ihm seine guten Gene kaum vorwerfen.

Er benutzte natürlich trotzdem Navarra-Produkte – Seife, Duftwasser, Hautpflege, Shampoo –, und versicherte stets jedem, der es hören wollte, dass sie ihm im hohen Maße zugutekamen.

Nun saß er mit einem Stapel Unterlagen in seiner Limousine und studierte die Zielgruppen-Analysen für die neueste Produktlinie, die NC diesen Herbst herausbringen würde. Er war zufrieden mit dem, was er sah.

Ausgesprochen zufrieden.

Ganz anders als mit der Modelagentur, die ihm dieses Mädchen geschickt hatte. Sie war das vierte Model, das er sich an diesem Vormittag angesehen hatte. Und obwohl es ihnen letztlich doch gelungen war, die richtige Kombination aus Unschuld und Sexappeal zu finden, die er sich für seine Werbekampagne vorgestellt hatte, ärgerte es ihn einfach, dass bis dahin vier Anläufe nötig gewesen waren.

Mit seinen Produkten verkaufte er das Versprechen von Frische und Jugendlichkeit. Etwas, das die meisten Models, mit denen er zu tun hatte, nicht mehr besaßen.

Die hier allerdings …

Er blickte auf und musterte sie abschätzend. Als sie errötend die Augen niederschlug, durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Einen kurzen Moment lang fühlte er sich wie betäubt. Ihr Anblick löste etwas tief in seinem Inneren aus, und er spürte ein Ziehen in den Lenden, wie er es schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt hatte.

Oh, er hatte Sex – und zwar nicht zu knapp. Aber irgendwie war es im Laufe der Zeit mehr und mehr zu etwas geworden, das man einfach tat. Doch es half ihm schon lange nicht mehr dabei, zu entspannen, oder den Alltag eine Weile hinter sich zu lassen.

Seine eigene Reaktion auf sie machte ihn neugierig. Erneut betrachtete er sie eindringlich. Ihr Kostüm war billig, stand ihr allerdings recht gut. Sie trug High Heels aus pinkfarbenem Wildleder. Brandneu, wie er feststellte, als sie die Beine verlagerte und er einen Blick unter die Sohle eines der Schuhe erhaschte. Das Preisschild klebte noch daran.

Überrascht neigte er seinen Kopf zur Seite.

$49.99.

Offensichtlich keine Jimmy Choos oder Manolo Blahniks. Gut, er hatte auch nicht erwartet, dass sie sündhaft teure Designerschuhe tragen würde. Trotzdem erstaunte es ihn, dass sie nicht ein wenig … herausgeputzter war.

Wobei er genau das im Grunde ja nicht wollte.

Dennoch. Sie arbeitete als Model für eine hoch angesehene New Yorker Agentur, da hatte er einfach angenommen, dass sie ein bisschen besser vorbereitet sein würde. Anderseits – vielleicht kam sie geradewegs vom Lande, und man hatte sie aus reiner Verzweiflung gleich zu ihm geschickt.

„Wie viele Jobs hatten Sie bisher eigentlich schon?“, fragte er.

Sie schaute wieder zu ihm auf und blinzelte irritiert. Ihre Augen waren von einem strahlenden Blau, und ihr Haar besaß die außergewöhnlichste Schattierung von Rotblond, die er je gesehen hatte. Einige versprengte Sommersprossen zierten ihre helle Haut. Er musste daran denken, dem Fotografen zu sagen, dass er sie nicht wegretuschieren sollte. Sie trugen einiges zu ihrem frischen Look bei.

„Jobs?“

Drago unterdrückte einen Anflug von Ungeduld. „Modeljobs, cara.“

Sie blinzelte erneut. „Oh, ich, äh …“

„Keine Sorge, ich werde Sie schon nicht wegschicken, bloß weil es Ihr erstes Mal ist“, schnappte er. „Solange Sie vor der Kamera gut rüberkommen, ist mir alles andere vollkommen egal – und wenn Sie die sprichwörtliche Unschuld vom Lande wären.“

Wieder errötete sie – dieses Mal jedoch reckte sie das Kinn, und ihre Augen schleuderten Blitze. Faszinierend, fand er. All die widersprüchlichen Emotionen, die sich in ihrer Miene widerspiegelten. Es schien fast so, als trüge sie einen Kampf mit sich selbst aus.

„Es gibt keinen Grund, unhöflich zu sein“, schoss sie zurück. „Manieren schaden nie, egal ob man nun einen Dollar besitzt oder eine Million.“

Drago fühlte den schier übermächtigen Drang, laut aufzulachen. Es war, als hätte ein harmloses Kätzchen plötzlich die Krallen ausgefahren. Und seltsamerweise bewirkte es, dass sich ein Teil der Anspannung, die er zuvor verspürt hatte, in Luft auflöste.

„Dann entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit“, entgegnete er amüsiert.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich, ernst dreinzublicken. „Nun ja, dann … vielen Dank.“

Er legte seine Papiere auf dem Platz neben sich ab. „Sind Sie zum ersten Mal in New York?“

Sie befeuchtete ihre Unterlippe mit der Zunge, und es durchzuckte ihn wie ein Blitz. „Ja”, antwortete sie.

„Und wo kommen Sie her?”

„Louisiana.”

Er beugte sich zu ihr vor. Auf einmal war er sich ziemlich sicher, dass er die Aufnahmen, die er wollte, nur bekommen würde, wenn es ihm gelang, dass sie sich wohlfühlte. „Sie werden das schon machen“, sagte er. „Seien Sie einfach Sie selbst, wenn Sie vor der Kamera stehen. Versuchen Sie nicht, glamourös zu wirken.“

Sie blickte zur Seite. Ihre Finger spielten unruhig mit dem Saum ihrer Jacke. „Mr di Navarra …“

„Drago“, entgegnete er.

Sie schaute wieder zu ihm auf. Besorgnis schimmerte in ihren blauen Augen. Mit einem Mal verspürte er das heftige Verlangen, sie zu küssen und ihre Besorgnis in etwas anderes zu verwandeln. Er schüttelte den Kopf. Wie absolut untypisch für ihn. Nicht, dass er nicht mit Models ausging – das tat er nämlich durchaus. Aber dieses hier entsprach absolut nicht seinem üblichen Beuteschema. Er bevorzugte einen vollkommen anderen Typ Frau – hochgewachsenen, elegant, kalt wie Eis.

Der Typ Frau, der ihn nicht an weltfremde Idealisten denken ließ, die blind irgendwelchen Träumen hinterherjagten – selbst dann noch, wenn diese Jagd begann, selbstzerstörerische Züge anzunehmen.

Frauen wie diese hier waren leicht zu beeinflussen, wenn sie in falsche Gesellschaft gerieten. Sein Beschützerinstinkt erwachte, und ein Teil von ihm wollte sie am liebsten zurück nach Louisiana schicken, noch ehe sie überhaupt vor die Kamera getreten war.

Sie sollte nach Hause gehen und aufhören, dem New Yorker Traum von Ruhm und Reichtum nachzujagen. Dieser konnte für sie nur in einer Enttäuschung enden. Es war lediglich eine Frage der Zeit, bis sie mit Drogen und Alkohol in Berührung kam und eine Essstörung entwickelte, weil irgendein idiotischer Modemensch ihr einredete, sie sei zu dick.

Aber bevor er irgendetwas von dem, was ihm durch den Kopf ging, in Worte fassen konnte, hielt der Wagen auch schon an. Augenblicklich wurde die Tür aufgerissen.

„Sir, Gott sei Dank!“, sagte der Aufnahmeleiter. „Das Model ist nicht da und …“

„Sie ist hier bei mir“, entgegnete Drago.

Der andere Mann verrenkte sich den Hals, bis sein Blick auf die Kleine fiel – Holly, richtig? Drago wünschte, er wäre bei ihrer ersten Begegnung vor seinem Büro etwas aufmerksamer gewesen.

„Ausgezeichnet.“ Der Aufnahmeleiter winkte sie zu sich heran. „Na, dann kommen Sie mal mit. Wir bringen Sie in die Maske.“

Sie wirkte erschrocken. Drago schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Gehen Sie, Holly“, sagte er, ziemlich sicher, dass der Name stimmte. Ihm entging nicht, wie ihre Augen sich vor Überraschung eine Spur weiteten – er hatte also recht gehabt. Offensichtlich war sie nicht davon ausgegangen, dass er sich gemerkt hatte, wie sie hieß. „Wir sehen uns, wenn das alles vorbei ist.“

Sie wirkte fast ein wenig erleichtert, als sie zwischen ihm und dem Aufnahmeleiter hin und her blickte. „Werd… werden wir?“

Mit einem Mal erschien sie ihm sehr einsam. Und ein innerer Impuls ließ ihn die Frage stellen, von der er wusste, dass er sie nicht stellen sollte. „Haben Sie heute Abend schon etwas vor?“

Sie schüttelte den Kopf.

Drago lächelte. Ihm war klar, dass er einen schweren Fehler beging, doch das war ihm egal. „Nun, dann hat sich das soeben geändert.“

Holly war in ihrem Leben noch nie in einem schicken Restaurant gewesen – bis heute. Und nun befand sie sich noch dazu in einem Separee und saß dem vermutlich bestaussehenden Mann gegenüber, der ihr jemals über den Weg gelaufen war. Mit jeder Minute, die sie sich länger in der Gesellschaft von Drago di Navarra aufhielt, faszinierte er sie mehr.

Sie hatten keinen besonders guten Start gehabt, so viel stand fest – aber je besser sie ihn kennenlernte, umso mehr stieg er in ihrem Ansehen. Inzwischen schien er ihr … ja, tatsächlich nett zu sein.

Es gab da nur ein Problem. Holly runzelte die Stirn, während sie ihn über die Fotoaufnahmen früher am Tag reden hörte. Sie war kein Model, aber sie hatte im Central Park gestanden und zugelassen, dass man ein riesiges Aufheben um sie machte. Sie war in ein fließendes, lilafarbenes Abendkleid gehüllt, geschminkt und frisiert worden – und dann förmlich erstarrt, als sie vor die Kamera trat.

Wie konntest du es nur so weit kommen lassen?

Alles, was sie wollte, war eine Chance, Drago di Navarra von ihren Parfums zu überzeugen. Als sie erkannte, wohin sie unterwegs waren und was von ihr erwartet wurde, war es längst zu spät gewesen. Und dann hatte sie befürchtet, dass er wütend auf sie sein würde, wenn sie ihm gestand, wer sie war und was sie von ihm wollte.

Einen Augenblick lang fühlte sie sich wie zurückversetzt zum heutigen Nachmittag, als sie wie angewurzelt dagestanden hatte, in vollem Bewusstsein, dass nun alles vorbei war. Aus der Traum – sie würde all diesen Menschen sagen müssen, dass sie überhaupt nicht wusste, was sie hier eigentlich tat.

Aber dann tauchte plötzlich Drago auf und schenkte ihr ein Lächeln. Sie lächelte zurück, und auf einmal wirkte der Fotograf erfreut. Zwar fühlte sie sich noch immer ziemlich linkisch und fehl am Platze, aber alle schienen ganz entzückt von ihr zu sein. Mehrmals wurden ihre Kleidung, ihre Frisur und ihr Make-up gewechselt. Und während sie vor der Kamera stand, dachte sie die ganze Zeit an Parfums und fragte sich, wie um Himmels willen sie Drago das alles erklären sollte.

Nachdem sie fertig waren, hatte er sie schließlich zum Dinner entführt, und während sie ihm jetzt gegenübersaß, fühlte sie sich schüchtern wie ein verängstigtes Schulmädchen. Sie trug noch immer das letzte Kleid, das sie beim Fotoshooting bekommen hatte – ein hübsches Etuikleid aus auberginefarbener Seide, dazu goldfarbene Christian Louboutins. Diese ganze Angelegenheit erschien ihr in mehr als einer Hinsicht wie ein wahr gewordener Traum. Sie war in New York City, wurde von einem der begehrtesten Junggesellen der Welt ausgeführt und wollte jeden einzelnen Moment davon im Gedächtnis behalten.

Und dennoch lief einfach alles schief. Immerhin war sie eigentlich hergekommen, um ihre Parfums vorzustellen, und nicht, um für Navarra Cosmetics zu modeln. Wie sollte sie ihm das alles bloß erklären? Wie den perfekten Moment finden, um zu sagen: „Oh, Drago, vielen Dank für das Abendessen, aber eigentlich wollte ich doch mit Ihnen über mein Parfum sprechen.“

Keine Frage, sie musste es tun. Bald. Aber immer, wenn sie Anstalten machte, etwas zu sagen, wurde sie durch irgendetwas abgelenkt. Und als er dann über den Tisch griff und ihre Hand nahm, verabschiedete sich auch der letzte Rest von gesundem Menschenverstand, der ihr noch verblieben war.

„Sie waren heute wirklich wunderbar, Holly.“ Er hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper, vibrierte zwischen ihren Schenkeln und löste ein Sehnen in ihr aus, wie sie es noch nie zuvor verspürt hatte.

Sie war nicht gänzlich unerfahren, hatte schon einen Freund gehabt, doch mehr als Küssen war zwischen Colin und ihr nicht passiert. Sie wäre wohl auch weiter gegangen – doch irgendwie hatte sich einfach nie der richtige Moment dazu ergeben. Dann hatte er ihr den Laufpass gegeben, um etwas mit dieser Zicke Lisa Tate anzufangen.

Es tat immer noch weh.

„Du bist zu egoistisch, Holly“, hatte er zu ihr gesagt. „Dir bedeutet dieses dämliche Parfum einfach zu viel.“

Ja, sie war tatsächlich fixiert. Holly zwang sich selbst in die Gegenwart zurück und versuchte mit aller Macht, ihren rasenden Puls und das Pochen tief in ihrem Inneren zu ignorieren. Ihr war klar, womit sie es zu tun hatte. Sie mochte noch keinen Sex gehabt haben, aber sie war nicht dumm. Mit Colin hatte sie Verlangen erlebt – sie war einfach nur nie an den Punkt gelangt, an dem sie auch die letzte Grenze überschritten hätte.

Mit ihm konnte sie es sich vorstellen. Ihr Herz stockte, als sie in Drago di Navarras rauchgraue Augen schaute. Sag es ihm, Holly. Sag es ihm jetzt …

„Danke“, sagte sie, und die schiere Intensität seines Blickes brachte ihren Puls zum Rasen.

„Sie sind ein ziemliches Naturtalent. Ich sage Ihnen eine große Karriere voraus – sofern Sie nicht zulassen, dass das Business Sie verdirbt.“

Sie wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment ertönte der Klingelton seines Handys. Er schaute aufs Display und stieß etwas auf Italienisch aus, das wie ein Fluch klang.

„Sie müssen mich entschuldigen“, sagte er und hob das Telefon ans Ohr. „Das hier ist wichtig.“

„Natürlich“, entgegnete sie, aber da hatte er das Gespräch schon entgegengenommen. Sie saß da, die Hände in den Schoß gelegt, und wartete darauf, dass er das Gespräch beendete.

Holly betrachtete die Seidentapeten und die vergoldeten Lampen und fühlte sich, als wäre sie in eine vollkommen andere Welt katapultiert worden. Was machte sie eigentlich hier? Sie war zusammen mit einem Millionär beim Dinner, so als wäre es das Normalste auf der Welt. Wie war es bloß so weit gekommen?

Es fiel ihr schwer, die Orientierung zu behalten. Alles an ihrem New-York-Trip verlief vollkommen anders als erwartet. Warum brachte sie einfach nicht über die Lippen, was sie sagen musste? Sie würde sich besser fühlen, wenn sie ihre Duftproben dabeihätte. Mit ihnen könnte sie ihren Weg durch dieses fremde Terrain erkunden. Aber die Fläschchen mit den Proben befanden sich in ihrem Aktenkoffer, und der wiederum lag in Dragos Wagen.

Wenn sie nur ihre Tasche bei sich hätte, könnte sie sie aufmachen, die Flakons hervorholen und ihm ihr Konzept vorstellen. Ihm die Schönheit von Colette nahebringen, dem letzten Parfum, das sie zusammen mit ihrer Großmutter geschaffen hatte. Es war bislang ihr bestes – doch sie sprühte geradezu vor Ideen für weitere Kreationen. Ein aufgeregtes Kribbeln machte sich in ihr breit, wenn sie an die Komposition feinster Essenzen und von Wasser und Alkohol dachte, die das fertige Produkt ausmachte.

Drago beendete sein Telefonat. „Verzeihen Sie mir, bella mia“, sagte er. „Wichtige Geschäfte …“

„Schon in Ordnung“, entgegnete sie lächelnd. Ihr Herz klopfte gleich wieder schneller, doch immerhin hatte sie endlich einen Plan für ihr weiteres Vorgehen gefasst. Sobald sie ihren Koffer zurückhatte, würde sie Drago sagen, warum sie wirklich hier war. Wenn sie ihm erst einmal einen Hauch von Colette präsentierte, würde er kaum mehr Nein sagen können.

Das Essen wurde serviert, und Holly fing an, sich in Dragos Gegenwart langsam zu entspannen. Er war unglaublich charmant und aufmerksam. Die meisten seiner Anrufe leitete er sofort an seine Mailbox weiter, und er schien wirklich daran interessiert zu sein, was sie zu sagen hatte.

Sie erzählte ihm von Louisiana und von ihrer Großmutter – ohne die Parfums zu erwähnen, denn bevor sie das Thema zur Sprache brachte, brauchte sie ihre Duftproben –, und von der Busfahrt nach New York.

Er blinzelte überrascht. „Sie sind die ganze Strecke mit dem Bus gefahren?“

Hollys Wangen brannten, und sie senkte den Blick. „Einen Flug konnte ich mir nicht leisten“, sagte sie. Fast alles, was sie besaß, war für die Finanzierung dieses kurzen Trips draufgegangen. Und sie hatte das Ganze nur auf sich genommen, um mit diesem Mann zu sprechen.

Nun, genau das tat sie jetzt – aber nicht so, wie es eigentlich vorgesehen gewesen war. Noch nicht. Sie nahm einen Schluck von ihrem Weißwein und ließ ihn über ihre Zunge rollen, während sie die einzelnen Geschmackskomponenten identifizierte. Holzig mit einer leicht rauchigen Note und einem blumigen Bouquet. Köstlich. Ihr Geruchssinn war noch sehr viel ausgeprägter als ihr Geschmackssinn, aber sie konnte verschiedene Geschmäcker ziemlich gut auseinanderhalten.

„Sie kommen wirklich frisch vom Land“, sagte er. Doch es klang nicht beleidigend – dieses Mal nicht. Er schien eher ehrlich verwundert.

„Ich nehme an, das stimmt wohl“, antwortete sie.

„Mit großen Träumen für New York.“ Er klang jetzt ein bisschen weniger freundlich, aber das machte ihr nichts aus. Vielleicht war es aber auch nur der Wein, der sie unbekümmert sein ließ.

Sie zuckte die Schultern. „Hat nicht jeder Träume?“

Sein Blick glitt über ihr Gesicht, und sie spürte, wie sengende Hitze durch ihren ganzen Körper pulsierte. Sie wünschte sich, dass diese Nacht niemals enden würde. Sie wollte Champagner im Sternenglanz trinken, in Dragos Armen liegen und mit ihm bis zum Sonnenaufgang tanzen.

Er legte seine Hand auf ihre, und ein Schauer rieselte ihren Rücken hinunter. Ein köstlicher Schauer. Ihr Körper schien ihm entgegenzustreben, so wie eine Blume, die sich der Sonne zuwandte. Seine Finger strichen über ihren Arm und hinterließen eine Spur aus Feuer, die Holly den Atem stocken ließ.

„Ich habe einen Traum“, sagte er sanft. Er war ihr auf einmal so nah, sein verführerischer Mund so dicht vor ihr, dass sie ihn erreichen konnte, wenn sie sich nur ein Stückchen vorbeugte. Als er seine Finger hauchzart über ihre Wange gleiten ließ, glaubte sie, dahinschmelzen zu müssen. Sie hatte nur noch den einen Wunsch: von ihm geküsst zu werden, ganz gleich, was das Morgen auch bringen mochte.

Seine Lippen schwebten über ihren, und sie schloss die Augen. Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie sicher war, er müsse es hören. Aber das war ihr gleichgültig. Sie war wie verzaubert von der Magie dieses vollkommenen Abends. Sie fühlte sich wie in einem Märchen, und sie war die Prinzessin, die nun endlich ihren Prinz gefunden hatte.

Sein Lachen klang sanft und tief. Es brachte ihren Körper zum Vibrieren und ließ sie vor Verlangen erbeben.

Und dann – endlich – verschloss sein Mund den ihren mit einem zärtlichen Kuss, der ihr den Atem raubte. Es war so wunderbar, so perfekt …

Aber sie wollte noch mehr.

Sie drängte sich an ihn, und er lachte kehlig auf, bevor sich seine Lippen öffneten und seine Zunge ihren Mund eroberte. Holly konnte ein heiseres Stöhnen nicht unterdrücken.

Der Kuss veränderte sich plötzlich, wurde fordernder, drängender. Es war anders als alles, was sie zuvor erlebt hatte. Ihre Zungen berührten sich, spielten miteinander, und sie konnte fühlen, wie ihr ganzer Körper sich vor Verlangen anspannte. Ihre Brustwarzen richteten sich auf, und zwischen ihren Schenkeln pulsierte es rhythmisch.

Sie wollte ihn noch näher spüren. Musste ihn näher spüren. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, klammerte sich an ihn und verlor sich in seinem Kuss, verlor sich in diesem Augenblick.

Schließlich machte Drago sich von ihr los und unterbrach den Kuss, doch die Erinnerung daran ließ ihre Lippen noch immer prickeln. Wie gebannt starrte sie auf seinen Mund, und unterdrückte ein Seufzen.

„Mein Traum ist“, sagte er mit einer Stimme, die tief und rauchig klang, „dass du mich heute Nacht in mein Apartment begleitest.“

Holly konnte ihn nur fassungslos anstarren, als er aufstand und ihr die Hand reichte. Mit jeder Faser sehnte sie sich danach, bei ihm zu sein. Sie war nicht bereit, diesen Abend jetzt enden zu lassen, ganz gleich, was die leise Stimme ihrer Vernunft ihr auch zuflüsterte. Sie wollte mehr von dieser Erregung, diesem Rausch.

Mehr von Drago.

Sie ergriff seine Hand, und die Berührung sandte eine Welle der Erregung durch ihren Körper. Tief in ihrem Inneren spürte sie, dass es richtig war, was sie tat.

„Ja“, sagte sie schüchtern. „Das wünsche ich mir auch.“

2. KAPITEL

Ein Jahr später …

„Ich verstehe dich einfach nicht, Holly! Warum marschierst du nicht einfach in sein Büro und machst ihm klar, dass er dir helfen muss?“

Seufzend fuhr Holly sich durchs Haar. Es war nicht das erste Mal, dass ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Gabriella und sie über dieses Thema diskutierten. Und sie konnte es Gabi auch nicht wirklich verdenken. Es war weiß Gott keine Selbstverständlichkeit, dass sie trotz allem immer für sie da war.

Autor

Lynn Raye Harris

Lynn Raye Harris las ihren ersten Harlequin Mills & Boon Roman als ihre Großmutter mit einer Kiste Bücher vom Flohmarkt zurück kam. Sie wusste damals noch nicht, dass sie eines Tages selber Schriftstellerin werden wollte. Aber sie wusste definitiv, dass sie einen Scheich oder einen Prinzen heiraten und ein so...

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