Unwiderstehlich prickelndes Wiedersehen

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Renee ist zurück in Magnolia Lake! Ohne die Zahnspange und die dicke Brille hätte Cole Abbott seine ehemalige Highschool-Freundin fast nicht wiedererkannt. Doch während er sich sofort unwiderstehlich zu ihr hingezogen fühlt, scheint Renee fest entschlossen, das erotische Knistern zwischen ihnen zu ignorieren. Wird sie ihm jemals verzeihen, dass er sie einst verletzt hat? Wie kann er sie nur überzeugen, dass sein Ruf als unverbesserlicher Junggeselle und Playboy ab jetzt der Vergangenheit angehört?


  • Erscheinungstag 26.04.2022
  • Bandnummer 2235
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509008
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cole Abbott stieg aus dem viertürigen Pick-up, der alle anderen Fahrzeuge auf dem Parkplatz des kleinen Magnolia Lake Supermarkts beinahe wie Spielzeugautos wirken ließ, und betrat das Geschäft.

Er scrollte durch eine Nachricht seiner Mutter Iris, bevor er nach einem Einkaufswagen griff und begann, die letzten Dinge für das wöchentliche Familiendinner am Sonntagabend zusammenzusuchen.

Nachdem er einige Packungen Vanilleeiscreme in den Wagen gelegt hatte, machte er sich auf die Suche nach Sprühsahne. Als er sie schließlich gefunden hatte, nahm er zwei Dosen, zögerte kurz und fügte noch eine dritte hinzu.

„Eigentlich möchte ich gar nicht wissen, was du damit vorhast“, erklang plötzlich eine warme, sinnliche Stimme hinter ihm, und überrascht drehte Cole sich um. Diese Stimme hatte ihn schon immer verunsichert, da er niemals wusste, ob die Frau, der sie gehörte, ihn tadelte oder sich einen Scherz mit ihm erlaubte. Ungläubig blinzelte er, als er erkannte, dass er sich nicht getäuscht hatte.

„Renee? Was machst du denn …? Ich meine … äh … wow! Du siehst fantastisch aus. Wie schön, dich zu sehen!“, stammelte er und umarmte sie etwas verlegen. Sie erwiderte die Umarmung, befreite sich aber auch gleich wieder daraus.

Renee Lockwood war nicht nur ein Geist aus der Vergangenheit, nein, gegenwärtig bot sie auch einen überaus bezaubernden Anblick. Schon immer hatte er sie gemocht. Sehr sogar. Trotzdem hatte er sie nie nach einem Date gefragt. Auf der Highschool war sie nicht nur seine Mitschülerin im Abschlussjahrgang, sondern auch seine Mathematiktutorin und darüber hinaus die Enkelin seines Mentors gewesen. Sie hatten sich angefreundet, doch letztendlich war er ihr kein besonders guter Freund gewesen – eine Tatsache, die ihn bis heute beschäftigte.

„Danke.“ Lächelnd fuhr sich Renee durch das glänzende dunkle Haar, das ihr über die Schultern fiel. „Ich finde es auch schön, dich wiederzusehen.“

Hätte sie ihn nicht angesprochen, wäre Cole vermutlich an ihr vorbeigegangen, ohne das schüchterne und unscheinbare Mädchen wiederzuerkennen, in das er einst so vernarrt gewesen war. Um ehrlich zu sein, erinnerte diese selbstbewusste Schönheit hier überhaupt nicht mehr an seine gute Freundin und Nachhilfelehrerin von damals.

Die dicken Brillengläser und die Zahnspange gehörten der Vergangenheit an, und ihr gebräunter Teint schimmerte sanft. Auch von Renees einst knabenhafter Figur war nichts mehr zu sehen. Stattdessen bezauberte sie mit sinnlichen Rundungen und einer aufrechten Körperhaltung, die in keinster Weise an das zurückhaltende Mädchen erinnerten, das sie einmal gewesen war. Doch noch immer wich sie seinem Blick aus, dabei war Cole schon damals fasziniert von diesen mandelförmigen Augen unter dunklen, dicht geschwungenen Wimpern gewesen.

In der Schule hatte sie es stets vermieden, ihre Begeisterung für Mathematik und Naturwissenschaften zu zeigen, um nicht als Streberin zu gelten. Doch am Küchentisch ihrer Großeltern war sie beim Sprechen über Hypotenusen, Integrale und das Periodensystem ins Schwärmen geraten. In jenem Jahr hatte Cole ihr zum Geburtstag ein T-Shirt mit dem Aufdruck Ich trage dieses Shirt in periodischen Abständen, wenn ich in meinem Element bin geschenkt. Ren, wie sie auch genannt wurde, hatte das Kleidungsstück geliebt und mit Begeisterung getragen.

Seitdem er ihr dieses T-Shirt geschenkt hatte, hatte er selbst eine Leidenschaft für Shirts mit witzigen Sprüchen entwickelt, so wie das, das er heute unter seinem Button-down-Hemd trug.

„Familiendinner“, stieß er hervor, um Renees Bemerkung bezüglich der Sprühsahne – wenn auch etwas verspätet – zu beantworten. Doch seit er ihr gegenüberstand, waren ihm noch einige andere Ideen in den Sinn gekommen, was man mit dem Inhalt dieser Dosen anfangen könnte. Als Renee ihn ungläubig ansah, hielt er ihr zum Beweis sein Handy entgegen, auf dessen Display der Einkaufszettel zu sehen war. „Meine Mom hat mich gebeten, für sie einzukaufen.“

„Hm.“ Zögernd lächelte sie, genauso wie damals, wenn er versucht hatte, sie mit einem Scherz von ihrer Aufgabe abzulenken, ihm bei seinem Abschluss zu helfen. „Deine Mom hat aber nur zwei Dosen Sprühsahne aufgeschrieben.“ Sie hielt zwei Finger hoch. „Das macht immer noch eine zu viel.“

Shit, sie hatte ihn erwischt. Er hatte tatsächlich vorgehabt, eine für sich mitzunehmen, um … Also, man konnte ja schließlich nie wissen, wann man dringend etwas Süßes benötigte, das sich gut ablecken ließ …

Wie, um alles in der Welt, gelang es Renee bloß, ihn nach sechzehn Jahren mit der gleichen Mühelosigkeit zu durchschauen wie einst ihre geliebten algebraischen Gleichungen?

„Entspann dich, Cole. Das war nur ein Scherz“, gestand sie lächelnd und beugte sich zu ihm herüber. „Nein, natürlich nicht“, sagte sie leise in sein Ohr.

Das war schon früher ein Running Gag zwischen ihnen gewesen, wenn Cole nicht der Versuchung hatte widerstehen können, wider jede Vernunft mit ihr zu flirten. Jetzt mussten sie beide lachen, und die Anspannung zwischen ihnen löste sich ein wenig.

„Ich habe neulich deinen Großvater gesehen“, erklärte Cole. „Er hat gar nicht erwähnt, dass du in der Stadt bist.“

Plötzlich sah sie zu Boden. „Ich bin gestern spontan hergekommen“, erklärte sie.

Die Renee Lockwood, die er kannte, hatte niemals etwas getan, ohne es zuvor sorgfältig zu planen: ihren Tag, ihre Karriere und ihr ganzes Leben.

Unwillkürlich fiel sein Blick auf den ringlosen Finger ihrer rechten Hand. „Es tut mir leid, dass die Sache zwischen dir und …“

„Dennis“, ergänzte sie verbittert. „Es ist schon eine Weile her. Vor einem Jahr haben wir uns offiziell scheiden lassen. War für alle das Beste.“

„Okay.“ Cole war dem Mann nie begegnet, doch nach allem, was er von Renees Großvater Milo gehört hatte, war Renees Ex ein Sonnyboy gewesen, der einzige Erbe einer sehr wohlhabenden Familie, die ihr Vermögen in der Pharmabranche gemacht hatte. Als Renee und Dennis geheiratet hatten, hatte Milo ihn nicht sonderlich gut leiden können, jetzt aber verachtete er ihn zutiefst.

Gerade wollte er sie der Höflichkeit halber nach ihrem Kind fragen, doch Renee wechselte abrupt das Thema.

„Deine Familie trifft sich also immer noch sonntagabends zum Dinner, ja?“ Ihr Lächeln wirkte traurig, was Cole betroffen machte. „Es ist total süß, dass ihr euch einmal die Woche Zeit füreinander nehmt. Leben deine Geschwister noch hier in Magnolia Lake?“

„Ja, Blake ist verheiratet und hat zwei Kinder. Parker ist mit Kayleigh Parkinson verlobt.“

„Echt? Ich dachte, die beiden können sich nicht ausstehen.“

„Das war auch so“, erwiderte er lachend.

„Was ist mit Max und Zora?“

„Max ist es wohl ziemlich ernst mit Quinn“, entgegnete er.

Einst waren er und Quinn sehr gut miteinander befreundet gewesen, und er hatte gehofft, dass aus ihnen vielleicht mal ein Paar werden würde. Schließlich hatte er nicht gewusst, dass sein Bruder und Quinn in dem Sommer, in dem Max als Praktikant auf der Obstplantage von Quinns Großvater gearbeitet hatte, liiert gewesen waren. Nach dreizehn Jahren hatten sie schließlich wieder zueinandergefunden, und seit Cole wusste, wie wahnsinnig verliebt Max und Quinn waren, freute er sich für sie.

„Quinn Bazmore … wie die Obstplantagen?“, erkundigte sich Renee.

„Dixons Enkelin“, bestätigte Cole. „Und was meine kleine Schwester Zora betrifft … Sie hat vor ein paar Monaten ihren besten Freund Dallas Hamilton in Las Vegas geheiratet. Das ist unser erstes Familiendinner, seitdem die beiden aus Island zurückgekehrt sind. Da haben sie für vier Monate gelebt, weil Dallas dort einen Job hatte.“

„Fantastisch“, sagte Renee, wirkte jedoch etwas bedrückt. Zwar schien sie sich für seine Geschwister zu freuen, insgeheim jedoch zu bedauern, wie wenig Glück sie mit ihrer eigenen Ehe gehabt hatte. „Lass mich raten: Du bist immer noch der unverbesserliche Junggeselle der Familie Abbott.“

Zum großen Verdruss seiner Mutter und seiner Schwester traf das tatsächlich zu, und Cole war auch ziemlich stolz darauf. Doch etwas in Renees Tonfall versetzte ihm einen Stich, obwohl er nicht wusste, warum.

„Na klar“, gab er lässig zurück. „Irgendjemand muss die Liebe ja in der Welt verbreiten.“

„Wie selbstlos von dir.“ Renee verdrehte die Augen.

„Du kennst mich doch“, erwiderte er schulterzuckend.

„Ja, das tue ich.“ Sie neigte den Kopf zur Seite und betrachtete ihn aufmerksam. Mit anderen Worten, dachte Cole, sie hat nicht vergessen, was für ein Mistkerl ich damals gewesen bin.

Er schluckte hart und öffnete den Mund. Am liebsten hätte er Renee gesagt, wie leid es ihm tat und weshalb er damals so gehandelt hatte. Doch es wollten ihm einfach keine passenden Worte einfallen, weswegen er einfach schwieg.

„Du kannst es wahrscheinlich gar nicht erwarten, Zora und ihren Mann endlich wiederzusehen. Ich will dich auch nicht länger aufhalten.“ Ren schob ihre Handtasche auf die andere Schulter. „Wir sehen uns bestimmt noch mal.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging.

Noch im letzten Moment konnte Cole sich davon abhalten, sie ebenfalls zu dem Dinner einzuladen. Zwar hätte er wahnsinnig gern mehr darüber erfahren, wie es ihr ging, aber er wollte nicht, dass seine Familie einen falschen Eindruck bekam.

Er vermisste Renee und bedauerte, dass ihre Freundschaft damals auf diese Weise geendet hatte. Doch auf keinen Fall wollte er sich auf eine ernsthafte Beziehung einlassen. Mit niemandem. Und ganz besonders nicht mit einer Frau wie Renee, die auf eine gescheiterte Ehe zurückblickte und allein mit einem Kind dastand.

Nein, vielen Dank.

Sollten seine Geschwister sich ruhig alle von diesem Liebesvirus infizieren lassen, Cole hingegen war völlig zufrieden mit seinem Leben, wie es war. Und daran würde auch Renee Lockwood nichts ändern.

Seufzend biss er sich auf die Lippe. Obwohl er es hasste, Renee gehen zu sehen, konnte er nicht umhin, dabei ihren sinnlichen Hüftschwung und ihre langen Beine zu bewundern, die in dem kurzen Rock besonders gut zur Geltung kamen.

2. KAPITEL

Renee stand in der Wartschlange vor der Kasse des kleinen Supermarkts und wartete darauf, dass sie an die Reihe kam. Trotzdem konnte sie nicht umhin, Cole dabei zu beobachten, wie er auf dem Parkplatz den überdimensionierten Pick-up mit seinen Einkäufen belud.

Jungs und ihre Spielzeuge.

Ihr Ex hatte eine ganze Sammlung von Oldtimern besessen, die er selbst restauriert und heiß und innig geliebt hatte. Für Menschen hingegen hatte er kein so gutes Händchen gehabt, denn er war ziemlich gefühlskalt und auch im Bett alles andere als ein einfühlsamer Liebhaber gewesen. Vermutlich hatte er diese Schwäche mit seiner ausgeprägten Sammelleidenschaft wettmachen wollen. Unwillkürlich fragte sie sich, weshalb Cole wohl so einen riesigen Truck fuhr. Obwohl das natürlich überhaupt keine Rolle spielte, denn Cole Abbott und seine Probleme gingen sie nichts an.

Ein sanftes Zupfen an ihrem Rock riss sie aus ihren Gedanken, und sie sah zu ihrem vierjährigen Sohn Mercer hinunter, der ganz plötzlich aufgetaucht war. „Was gibt’s denn, Sweetheart?“

Mercer deutete aus dem Fenster auf den großen schwarzen Pick-up, in den Cole gerade einstieg. „Brumm“, sagte er begeistert.

Renee hob ihren Sohn hoch, damit er besser sehen konnte, wie Cole mit dem Wagen vom Parkplatz fuhr. „Truck“, erklärte sie. „Der große Truck macht Brumm.“

Der kleine Junge nickte und schmiegte seine Wange an ihre. Bevor sie ihn wieder auf den Boden stellte, küsste Renee seine Schläfe.

„Sorry, Renee. Er ist mir ausgerissen, als er dich gesehen hat“, erklärte ihre Großmutter atemlos.

„Schon okay, Grandma. Ich hätte dich warnen sollen, dass der kleine Mann schneller ist als der Blitz. Wenn du ihn einmal loslässt, ist er auf und davon.“

Mit einem entschuldigenden Lächeln sah Mercer zu seiner Urgroßmutter und streckte ihr die Hand entgegen.

Renee versuchte, nicht zu lächeln, als sie Mercer ihrer Großmutter reichte, um ihre Einkäufe zu bezahlen. Ihr Sohn war Autist und sprach kaum. Trotzdem verstand er es auf zauberhafte Weise, mit anderen zu kommunizieren und ihnen klarzumachen, was in ihm vorging.

„Das ist der Truck von Cole Abbott“, sagte ihre Großmutter und sah auf den Wagen, der gerade aus der Parklücke gesteuert wurde.

„Ich weiß.“ Renee dankte der Kassiererin und nahm ihre Einkaufstaschen. „Ich habe ihn eben im Laden getroffen. Er hat noch ein paar Einkäufe für das Familiendinner erledigt.“

„Wie nett von ihm“, meinte ihre Großmutter, als sie zu Rens silbergrauem Tesla gingen. „Findest du nicht auch, dass wir Cole einladen sollten zu unserem …“

„Nein, Gran“, unterbrach Renee sie sofort.

„Nein?“, wiederholte ihre Großmutter stirnrunzelnd.

„Natürlich kann ich euch nicht vorschreiben, wen ihr einladen sollt, das steht mir gar nicht zu. Schließlich ist es ja euer Haus“, lenkte Renee ein. „Aber bitte versucht nicht, mich mit Cole oder irgendjemand anderem zu verkuppeln“, bat sie. „Deswegen bin ich nicht hier. Ich möchte mich voll und ganz Mercer widmen und herausfinden, was das Beste für ihn ist.“

„Der Junge braucht einen Vater“, erklärte ihre Großmutter.

„Er hat einen Vater“, widersprach Renee. „Auch wenn er ein Mistkerl ist“, fügte sie so leise hinzu, dass niemand außer ihr selbst es hörte, bevor sie die Einkäufe im Auto verstaute und Mercer im Kindersitz festschnallte.

„Ich meine einen richtigen Vater“, bemerkte ihre Großmutter, als sie sich neben Renee in den Tesla setzte und darauf achtete, dass Mercer nichts von ihrem Gespräch mitbekam. „Und du brauchst einen richtigen Mann, der dich auf Händen trägt, für dich da ist. Der gemeinsam mit dir für Mercer sorgt.“

Betroffen dachte Renee daran, dass nichts davon auf ihren Ex zutraf. Wenn man behauptete, sie hätte bei der Wahl ihres Ehepartners ein schlechtes Händchen gehabt, wäre das immer noch die größte Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Inzwischen hatte sie ein Jahr Zeit gehabt, über ihren Fehler nachzudenken, und war in die kleine Stadt, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte, zurückgekehrt, um diesen bedauernswerten Abschnitt ihrer Vergangenheit zu vergessen.

„Gran, ich weiß wirklich zu schätzen, was du für uns tust“, sagte sie und legte beschwichtigend die Hand auf den Arm ihrer Großmutter. „Aber ich brauche jetzt ganz sicher keine Ablenkung, schon gar nicht in Form von Cole Abbott, der ganz bestimmt nicht der Richtige für eine feste Beziehung ist.“

„Noch nicht“, widersprach ihre Großmutter und hob einen Finger. „Bis er auf die Richtige trifft. Du wirst schon sehen.“ Leise lachte sie. „Falls du also Interesse an ihm haben solltest …“

„Habe ich nicht“, erklärte Renee rasch. „Früher habe ich mir was aus ihm gemacht, aber das ist ewig her, Gran. Inzwischen sind wir beide völlig andere Menschen.“ Sie lehnte sich in dem Sitz aus veganem Leder zurück. „Ich zumindest“, verbesserte sie sich. „Ich bin verantwortungsbewusst und verfolge ehrgeizige Ziele. Cole hingegen ist noch genauso sorglos und unbeschwert wie früher. Und es gefällt ihm.“

„Das ist nicht fair, Sweetheart.“ Ihre Großmutter schnallte sich an. „Er mag zwar seine Fehler haben, aber er ist ein guter und freundlicher Mann. Das ist er schon immer gewesen. Und ambitioniert. Er hätte ja auch einfach den Familienbetrieb übernehmen können. Doch anstatt die Destillerie der Familie Abbott zu leiten, hat er eine eigene Baufirma gegründet.“

Während ihrer siebenjährigen Ehe war Renee nicht oft nach Tennessee gekommen, weil ihr Mann ihre Familie nicht sonderlich gern gemocht hatte. Und Renee hatte ihre Verwandten nicht häufig besucht, weil sie verbergen wollte, wie unglücklich sie in ihrer Ehe war. Doch das gehörte jetzt der Vergangenheit an, und sie war dort, wohin sie gehörte, um gemeinsam mit Mercer in ein neues Leben zu starten.

„Wir fahren jetzt nach Hause, mein Großer“, sagte sie zu ihrem Sohn und sah im Rückspiegel, dass er bereits an seinem Daumen nuckelte. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er bereit war loszufahren.

Er lächelte und strampelte vergnügt mit den Füßen, während Renee zum Haus ihrer Großeltern zurückfuhr. Dort würde sie ein schönes Abendessen für alle zubereiten, anschließend ihren Sohn ins Bett bringen und den restlichen Abend darauf verwenden, ihre Großeltern davon zu überzeugen, sie die Familienfarm übernehmen zu lassen.

Renee hatte ihre gesamte wissenschaftliche Karriere der Erforschung von Alzheimer gewidmet und verschiedene Therapien entwickelt, doch als man bei Mercer im Alter von zwei Jahren Autismus diagnostiziert hatte, hatte sie andere Prioritäten gesetzt.

Da sie ihrem Sohn eine gute Zukunft ermöglichen wollte, hatte sie ehrgeizige Pläne für die große Farm geschmiedet, die sich schon seit Generationen im Besitz der Lockwoods befand. Allerdings würde es ein anspruchsvolles Unterfangen sein, den landwirtschaftlichen Betrieb wieder profitabel zu machen, zumal sie bloß von ein paar Hilfskräften unterstützt werden würde.

Mit Mercer und der Farm würde Renee so ausgelastet sein, dass einfach keine Zeit für Romantik blieb. Deswegen versuchte sie, Cole aus ihrem Gedächtnis zu verbannen, gleichgültig, wie sexy er vorhin in dieser engen Jeans ausgesehen hatte.

Sie war hier, um ein neues Leben für sich und ihren Sohn zu beginnen, nicht um alte Wunden aufzureißen oder sich neue zufügen zu lassen. Cole war ein Teil ihrer Vergangenheit, und so sollte es auch bleiben.

3. KAPITEL

„Hallo, Kleine.“ Lächelnd breitete Cole die Arme aus, um seine Schwester zu begrüßen.

„Cole!“ Zora umarmte ihn stürmisch. „Ich habe dich total vermisst.“ Sie grinste. „Wie bist du bloß ohne mich zurechtgekommen? Wir wissen doch beide, dass du ohne mich völlig aufgeschmissen bist.“

Gutmütig lachte er.

Seine kleine Schwester wachte wie eine Glucke über Cole und seine Brüder und machte sich mehr Sorgen um sie als ihre Eltern.

„Und was ist mit den anderen?“, fragte er und deutete auf seine Brüder, die sich bereits in dem Raum befanden, den er und Zora jetzt betraten. Blake saß, seine kleine Tochter Remi auf dem Schoß, auf einem Schaukelstuhl, während sein Sohn Davis neben ihm auf dem Boden mit Autos spielte. Max und Parker diskutierten auf dem Sofa gerade über etwas, das mit der Destillerie im Zusammenhang zu stehen schien. Ihr Großvater Joe hatte es sich auf dem zweiten Schaukelstuhl gemütlich gemacht, und ihr Vater Duke saß in seinem Lieblingssessel. „Weshalb machst du dir ihretwegen keine Sorgen?“

Statt zu antworten, stemmte Zora die Hände in die Hüften und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, woraufhin sie beide schließlich gemeinsam zu lachen begannen. Ihre älteren Brüder waren noch nie besonders verwegen gewesen, doch seit sie sich in festen Händen befanden, war ihr Leben noch bodenständiger geworden.

„Punkt für dich“, gab Cole zu.

„Okay, und was steht heute auf deinem T-Shirt?“, wollte Zora wissen.

Cole öffnete das Hemd gerade weit genug, damit seine Schwester lesen konnte, was auf dem Shirt darunter gedruckt war.

Wenn du meine Familie kennen würdest, würdest du mich verstehen.

Lachend wedelte Zora mit der Hand. „Kommt überhaupt nicht infrage, dass du uns für deinen Quatsch verantwortlich machst.“

„Hey, Babe. Deine Mom braucht Hilfe in der Küche.“ Dallas trat auf sie zu und legte von hinten den Arm um Zoras Taille, um ihren Nacken zu küssen. „Wie geht’s dir, Cole?“ Zur Begrüßung streckte er Cole freundschaftlich die Faust entgegen, und Cole erwiderte den Gruß. Inzwischen verstand er sich wieder gut mit seinem Schwager, doch als Zora, plötzlich verheiratet mit ihrem langjährigen besten Freund, aus Vegas nach Hause zurückgekehrt war, waren Cole und seine Brüder zunächst ziemlich aufgebracht gewesen.

„Alles wie immer“, erwiderte Cole.

„Das wird sich bestimmt noch ändern, Cole“, versprach seine Schwester. „Du wirst schon sehen.“ Ihr Lächeln wirkte beinahe mitleidig. „Ich gehe mal schauen, was Mom möchte.“

Cole erwiderte nichts auf ihre Bemerkung. Seine Geschwister hatten es sich offenbar zum Ziel gesetzt, mit ihren Kindern die Bevölkerungsdichte der Stadt zu erhöhen. Wenn ihnen so viel daran lag, dann sollten sie es ruhig tun. Er würde der Stadt auf seine Weise zu mehr Wachstum verhelfen, nämlich mit einem ehrgeizigen Bauprojekt.

Wenn sich die Dinge weiter so entwickelten, wie er es plante, würde er in Magnolia Lake ein weitaus größeres Erbe hinterlassen.

Cole half seiner Mutter und Kayleigh dabei, das Geschirr abzuräumen, während Quinn und Blakes Frau Savannah zwei Schalen mit dem überbackenen Pfirsichdessert, Kuchenteller und die Sprühsahne brachten.

„Ist alles in Ordnung, Sohn?“, fragte seine Mutter Iris, als sie die Teller vorspülte und Cole reichte, damit er sie in die Spülmaschine einräumen konnte.

„Ja, alles bestens.“ Weswegen gelang es den Frauen in seinem Leben immer so leicht, seine Gedanken zu lesen?

„Aber dich beschäftigt doch etwas.“ Seine Mutter ließ nicht locker.

„Ich bin heute im Supermarkt Renee Lockwood begegnet.“ Er stellte einen weiteren Teller in die Maschine.

„Ach, ich wusste gar nicht, dass sie wieder in der Stadt ist“, meinte Iris. „Sie ist ein tolles Mädchen. Es hat mir total leidgetan, als ich hörte, wie schlecht es mit ihrem Mann gelaufen ist. Ich bin wirklich froh, dass sie wieder hier ist und bei Milo und Janice wohnt. Sie können ihre Gesellschaft gut gebrauchen.“ Sie drehte den Wasserhahn zu und sah Cole prüfend an. „Das letzte Mal hast du sie doch bestimmt vor siebzehn oder achtzehn Jahren gesehen, oder? Geht es dir gut, wenn sie wieder da ist?“

„Wieso sollte es mir nicht gut gehen?“ Cole griff nach einem weiteren Teller.

„In der Highschool hast du ziemlich viel von ihr gehalten. Ich dachte nur, wenn du sie wiedersiehst, dann … könntest du wieder was für sie empfinden.“

„Wir sind Freunde gewesen, mehr nicht“, entgegnete Cole schärfer als beabsichtigt. „Außerdem hast du immer gesagt, ich wäre nicht der Richtige für sie.“

„Das habe ich nie gesagt“, widersprach seine Mutter vehement. „Ich habe dir nur geraten, nicht mit ihren Gefühlen zu spielen. Renee war damals total verliebt in dich. Aber sie ist so intelligent und …“

„Und ich nicht …“ Es schmerzte Cole, das zu sagen.

Noch immer schmerzte es ihn, daran zu denken, welche Schwierigkeiten er in der Schule gehabt und wie er deswegen immer wieder mit seinen Eltern gestritten hatte. Damals war er die Enttäuschung der Familie gewesen. Als jüngster Sohn hatte er eindeutig nicht den Erwartungen entsprochen, die seine intellektuellen Brüder bei seinen Eltern geweckt hatten.

Dabei machte es ihm nichts aus, dass seine Brüder Überflieger gewesen waren, aber er war verbittert gewesen, dass niemand gesehen hatte, wie sehr er sich bemüht hatte – und trotzdem gescheitert war. Alle schienen geglaubt zu haben, dass man sich nur anstrengen musste, um in der Schule Erfolg zu haben.

Letztendlich hatte er sich in die Rolle des Taugenichts eingefügt, denn es war ihm leichter gefallen, so zu tun, als würde ihm das nichts ausmachen, als einzugestehen, wie sehr er Hilfe gebraucht hätte. Eigentlich hatte er sich nur bereit erklärt, sich von Renee helfen zu lassen, weil Milo ihm versichert hatte, sie hätte seine Hilfe mindestens genauso nötig wie er ihre. Ein Nachhilfejob in ihrem Lebenslauf würde sich schließlich super machen.

„Wir haben dich damals immer so angetrieben, weil wir wussten, wie intelligent du bist“, verteidigte sich seine Mutter traurig. „Wir wollten dir nur helfen, dein Potenzial zu entfalten.“

„Nein, ihr wolltet bloß, dass ich eure Erwartungen erfülle.“ Cole hasste es, seine Mutter traurig zu machen. Doch er wusste, dass es keinen Sinn hatte, seine Gefühle von damals zu verbergen. Das hatte er lange genug getan, was schließlich beinahe zu einem Bruch zwischen ihm und seinem Vater geführt hatte. Auf keinen Fall wollte er, dass sich das wiederholte.

„Du hast recht, mein Schatz.“ Iris nickte. „Du warst einfach für anderes bestimmt, und wir sind sehr stolz auf das, was du erreicht hast.“ Sie hielt ihm einen Teller hin. „Und damit das klar ist, ich habe nie gedacht, dass du nicht gut genug für Renee bist. Aber ihr wart beide noch so jung, und sie war eine brillante junge Frau, die eine glänzende Karriere vor sich hatte. Ich wollte nur verhindern, dass sie ihre Karriereziele aus den Augen verliert.“

Die ganze Stadt hatte ihre Hoffnungen auf Renee gesetzt, die eine Eliteuniversität besuchen sollte, und sie auf jede erdenkliche Weise unterstützt. Dieses Gemeinschaftsgefühl war letztendlich auch der ausschlaggebende Grund für Cole gewesen, Magnolia Lake immer noch seine Heimat zu nennen, auch wenn er inzwischen die ganze Welt bereist hatte.

„Hat Renee gesagt, wie lange sie bleibt?“

„Ich habe sie nicht gefragt.“ Eigentlich hätte er es aber gern getan. Er schloss die Tür des Geschirrspülers.

„Denk aber bitte daran, mein Sohn, dass Renee eine ziemlich harte Scheidung hinter sich hat. Außerdem ist sie alleinerziehende Mutter und passt nicht in dein übliches Beuteschema.“

Bevor er in Verlegenheit kam, sein Sexleben mit seiner Mutter diskutieren zu müssen, rief Zora nach ihnen.

„Wo bleibt ihr denn? Wir warten auf euch!“

„Wenn du uns geholfen hättest, wären wir schon längst fertig“, entgegnete Iris schlagfertig und brachte Zora damit zum Schweigen.

Autor

Reese Ryan
Reese Ryan schreibt Liebesgeschichten, die nicht nur sexy und gefühlvoll sind, sondern in denen sie auch von kleineren Familiendramen erzählt. Reese ist im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen, ihre Familie hat aber auch Wurzeln in Tennessee.
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