Unzähmbare Cowboys - unzähmbare Leidenschaft

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DIESEN COWBOY MUSS ICH KÜSSEN

Dana hat es nicht leicht. Erst die Scheidung, dann die Sorge um ihre Tochter Callie, die wegen ihrer Taubheit in verschiedenen Internaten untergebracht werden musste. Doch jetzt will Dana der Kleinen einen Herzenswunsch erfüllen: Sie meldet Callie zum Reitunterricht an, und es ist eine glückliche Fügung, dass ausgerechnet Cowboy Will Baker die Gebärdensprache beherrscht. Ganz selbstverständlich beginnen Dana, Callie und Will immer mehr Zeit miteinander zu verbringen. Doch erst Danas leidenschaftlicher kuss löst in dem zurückhaltenden Cowboy den Wunsch aus, dass sie alle zusammen für immer eine kleine Familie werden...

IN DEN ARMEN DES FREMDEN

Sturm über Texas, na wunderbar! Während des ungeplanten Aufenthalts begegnet Kitty Biedermann einem sexy Cowboy, der sie mit heißen Küssen verführt und ihr die Nacht versüßt … Nie hätte Kitty damit gerechnet, ihm Monate später in New York plötzlich wieder gegenüberzustehen! Und erst recht nicht damit, dass Ford Langley keineswegs Cowboy, sondern ein millionenschwerer Unternehmer ist - der es auf ihre Firma abgesehen hat! Wütend sieht Kitty ihn an. Nie und nimmer wird sie verkaufen, und wenn er noch so viel Charme einsetzt! Doch der Millionär lässt nichts unversucht …

LIEBE OHNE TABU

Pure Begierde sieht Elizabeth in Jakes Augen. Und sie, die sonst immer so beherrschte Mathematiklehrerin, kann an nichts anderes mehr denken als an heißen Sex und alle Zeit der Welt, um diese verrückte Liebe zu genießen. Aber dann zwingt sie sich, wieder ihren Verstand einzusetzen. Sie kennt diesen muskulösen Cowboy kaum. Könnte sie als Großstädterin hier im tiefsten Texas je mit ihm glücklich werden? Entschlossen bucht sie ihren Rückflug nach Hause. Doch so einfach entflieht sie Jakes überwältigender Anziehungskraft nicht...

STILLE MEINE SEHNSUCHT

Dani hatte gehofft, zusammen mit ihren Schwestern die geerbte Ranch bewirtschaften zu können. Doch in Texas angekommen, stellt sie fest, sie den heruntergekommenen Besitz nur mit fremder Hilfe in Schwung bringen werden. Genau diese Meinung vertritt auch der Cowboy Jack Burke, der ihr tatkräftig unter die Arme greift. Aber nicht nur bei der Arbeit beginnt Dani seine zupackende Art zu schätzen -auch seine wilden Küsse genießt sie. Heiße Sehnsucht, von diesem starken Mann geliebt zu werden, erwacht in ihr. Soll sie ihm zeigen, dass sie sich nur zu gern von ihm verführen lassen möchte?

HEIßE KÜSSE IN AMARILLO

Wildromantisch ist der Dinnerabend, zu dem der fantasievolle Cowboy Cooper die zierliche Faith auf seiner verfallenen Ranch in Amarillo einlädt: Ein Pappkarton dient als Tisch, ein paar Kerzen sorgen für Licht... Eigentlich wollte Faith gleich wieder abreisen, als sie die renovierungsbedürftige Ruine sah. Doch Cooper hat sie mit seinem Charme total verzaubert. Können seine Küsse sie dazu verführen, für immer bei ihm zu bleiben?

WIE EIN WOLF IN DER NACHT

Es ist dunkel in dem kleinen Zelt - Lexie kann kaum Cashs Gesicht erkennen. Nur seine strahlend blauen Augen leuchten verführerisch in der Finsternis. Jetzt ist die Gelegenheit für Lexie, ihre sinnlichen Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Seit sie auf Cashs Ferienranch Urlaub macht, kann sie an nichts anderes mehr denken: dieser unglaublich athletisch gebaute Cowboy soll sie lieben. Doch Cash rührt sich überhaupt nicht. Worauf wartet er denn noch? Lexies Gedanken überschlagen sich - soll etwa sie die Initiative ergreifen? Noch nie in ihrem Leben hat sie einen Mann verführt - wie macht man das eigentlich?


  • Erscheinungstag 19.08.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733772758
  • Seitenanzahl 864
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Kristi Gold, Emily Mckay, Kristine Rolofson, Ruth Jean Dale, Kathie Denosky, Jennifer Greene

Unzähmbare Cowboys - unzähmbare Leidenschaft

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Kristi Gold

Diesen Cowboy muss ich küssen

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Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

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ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

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1. KAPITEL

Als Dana Landry ihre eigensinnige Tochter Callie im Reitstall endlich eingeholt hatte, war ihre erste Reaktion Erleichterung. Doch ihre nächste Reaktion war Irritation - eine höchst weibliche Irritation, hervorgerufen von dem Mann, der vor ihrer achtjährigen Tochter hockte und sich lebhaft mit ihr unterhielt.

Callie hatte einen Cowboy entdeckt - und was für einen!

Seine breiten Schultern und das markante Profil verrieten Stärke und Energie; die hautengen abgetragenen Jeans unterstrichen seine männliche Ausstrahlung.

An sich hätte es Dana beruhigen müssen, dass es Callie gut ging. Stattdessen schlug ihr Herz wie verrückt, und das nur wegen dieses Mannes. Nicht etwa, weil er gefährlich aussah. Auch nicht deshalb, weil Callie normalerweise niemals mit Fremden sprach, da sie fast nie eine Antwort erhielt. Dieser typisch texanische Cowboy schien sich sogar gern mit ihr zu unterhalten. Ein Lächeln erhellte seine Züge, ein aufrichtiges Lächeln, kein mitleidiges wie sonst immer. Und Callie hing an jedem seiner Worte oder genauer gesagt, an jeder seiner Gesten.

Denn Callie war taub.

Der Mann sprach mit seinen großen Händen in flüssigen, rhythmischen Bewegungen.

Callie schien vollkommen hingerissen von ihm zu sein. Ein strahlendes Lächeln lag auf ihrem pausbäckigen Gesicht, und ihre blauen Augen leuchteten, während sie sich auf das lautlose Gespräch konzentrierte.

Eine Weile stand Dana wie gebannt da, bevor sie zu den beiden ging. Sie legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich herum. “Callie Renee Landry, du hättest nicht ohne mich hier hineingehen sollen.”

Der Cowboy richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die ebenso beachtlich war wie alles andere an ihm.

“He, ist schon okay”, meinte er. “Ich hab sie gefunden, als sie auf den Bretterverschlag geklettert ist. Sie wollte nur einen Blick auf Pete hier drinnen werfen. Ist ja nichts passiert.”

Der Klang seiner vollen Stimme verblüffte Dana. Sie hatte angenommen, er sei ebenfalls gehörgeschädigt. “Bitte verzeihen Sie”, erwiderte sie lächelnd. “In ihrer Begeisterung bringt meine Tochter sich öfter mal in Schwierigkeiten.”

Sie blickte nach unten, da Callie ihr unaufhörlich auf die Hüfte tippte. Heftig die Hände bewegend, sah ihre Tochter sie stirnrunzelnd an.

Dana sprach ganz deutlich, sodass Callie die Worte von ihren Lippen ablesen konnte. “Du sollst nicht ohne mich loslaufen.”

Der Mann lächelte Callie zu und fuhr ihr durch die roten Haare. “Deine Mom hat recht. Du willst doch nicht, dass sie sich in ihren Reithosen verheddert, nur weil du plötzlich verschwunden bist, oder?”

Er vollführte dabei so flink die entsprechenden Gebärden, dass Dana ihm nicht hätte folgen können, wenn sie ihn nicht zugleich sprechen gehört hätte. Denn sie konnte die Zeichensprache nicht, die er vollkommen zu beherrschen schien.

Callie fand seinen Scherz offenbar sehr komisch und lachte unhörbar. Dana hingegen fand die Situation überhaupt nicht lustig, was jedoch mehr mit ihrer so ungemein weiblichen Reaktion auf diesen Cowboy zu tun hatte als damit, dass Callie weggelaufen war.

Callie machte einige Gebärden und deutete dann auf den Mann.

“Tut mir leid, Süße”, sagte Dana. “Aber du musst ein bisschen langsamer sprechen, damit ich dich verstehen kann.”

Der Cowboy nahm den Hut ab und reichte Dana die Hand. “Ich habe meine guten Manieren vergessen und mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Will Baker.”

Bei seinem Lächeln zeigten sich zwei tiefe Grübchen in den Wangen, und seine weißen Zähne leuchteten in dem gebräunten Gesicht. Das zusammen mit dem sonnengebleichten Haar verlieh ihm einen jungenhaften Charme, aber die dunklen Augen hatten eine Anziehungskraft, die absolut die eines erwachsenen Mannes war.

Dana blinzelte unwillkürlich. “Oh Will …” Es hörte sich seltsam vertraut an, als würde sie ihn bereits kennen. Ein wenig verlegen schaute sie zur Seite, bevor sie ihn anlächelte und seine Hand nahm. “Ich bin Dana Landry.”

“Freut mich, Sie kennenzulernen, Dana.”

Sein Lächeln wurde eine Spur breiter, und auch wenn Dana es nicht wahrhaben wollte, etwas in seinem Blick ließ ihr Herz noch schneller schlagen, und bei der Berührung mit ihm prickelte ihre Haut.

Nachdem er ihre Hand losgelassen hatte, kniete Will sich erneut hin, um mit Callie zu reden. “Willst du mal irgendwann auf dem alten Pete reiten?”

Sofort machte Callie das Zeichen für Ja, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Ihr glücklicher Gesichtsausdruck sagte alles.

“Gut. Dann lass dich bald mal von deiner Mom herbringen. Möchtest du Pete Auf Wiedersehen sagen?”

Energisch nickte Callie mit dem Kopf. Will richtete sich auf und setzte seinen Hut wieder auf, holte einen grünen Eimer, stellte ihn umgekehrt auf den Boden vor der Pferdebox und hob Callie darauf.

Er drehte sich wieder zu Dana. “Nimmt sie hier Reitstunden?”

“Ich wollte sie gerade anmelden, als sie verschwunden ist.”

“Oh. Ich dachte, wegen ihrer Reitkleidung hätte sie schon einige Stunden hinter sich.”

“Sie ist ein wenig geritten. Die Kleidung ist von mir. Callie will sie unbedingt tragen.”

Will hob die Brauen. “Sie reiten also auch?”

“Ich hatte mal Reitunterricht, als ich ungefähr in Callies Alter war. Aber das ist schon mehr als zwanzig Jahre her, und ich habe alles längst vergessen.”

Er musterte sie rasch und lächelte. “Das bezweifle ich.”

Dana verschränkte die Arme und unterdrückte damit das Bedürfnis, den Saum ihres engen dunkelblauen Rocks herunterzuziehen. Obwohl sie ein schlichtes Kostüm trug, fühlte sie sich unter Wills sinnlichem Blick wie nackt, und ihre Haut glühte, als hätte er sie berührt.

Augenzwinkernd meinte er: “Das nächste Mal sollten Sie sich vielleicht etwas Bequemeres anziehen. Es wäre doch schade, wenn Sie hier Ihre schönen Sachen ruinieren.”

Sie überspielte ihre Befangenheit und hob Callies Reitkappe und die Peitsche auf. “Ich werde versuchen, daran zu denken.”

Immer noch spürte sie seinen Blick. Als sie aufschaute, lehnte er lässig an der Box und hatte die Arme gekreuzt, sodass man gut seine muskulösen Unterarme und die goldblonden Härchen darauf sehen konnte.

“An welchen Tagen wird Callie zum Reiten kommen?”, fragte er.

Dana zupfte etwas Heu von der schwarzen Samtkappe. “Donnerstags, falls es klappt.”

“Wieso sollte es das nicht?”

Sie sah ihn an. “Callie hat an einem Reitlehrgang in der Schule teilgenommen. Einer der Lehrer hat ihr empfohlen, jetzt im Sommer noch mehr Stunden zu nehmen, weil sie sich wirklich dafür begeistert. Sie ist so … lebhaft, und es scheint sie zu beruhigen. Aber hier gibt es kein Programm für behinderte Kinder, deshalb wird sie den anderen gegenüber im Nachteil sein.”

Will sah zu Callie, die das Maul des kastanienbraunen Pferdes streichelte, das seinen Kopf ein Stück durch die Eisenstangen schob. “Sie kommt bestimmt gut klar”, erwiderte er. “Und wenn sie lebhaft ist, ist daran doch nichts verkehrt.”

“Ich möchte, dass sie die Grundlagen des klassischen englischen Reitstils erlernt. Schritt und Trab. Unterrichten Sie auch?”

“Nein, Ma’am. Ich habe nur einen Teil des Geländes gepachtet, um Pferde für Rodeos zu trainieren.”

Ein Pferdetrainer. Dana war etwas enttäuscht. Mit einem Reitlehrer, der in der Lage war, sich mit ihr zu verständigen, hätte Callie sofort einen großen Vorteil gehabt. “Arbeiten Sie ausschließlich als Trainer?”

“Außerdem nehme ich noch an Rodeos teil, Lassowerfen im Team.”

Auf ihre verständnislose Miene hin erklärte er: “Zwei Cowboys zu Pferd, die einen Stier jagen. Einer wirft ihm das Seil um die Hörner, der andere um die Beine. Dann legt man das Tier flach. Das schnellste Team gewinnt.”

Dana hätte am liebsten gefragt, weshalb man einem armen Tier so etwas überhaupt antat, sagte dann aber nur: “Klingt interessant.”

“Eigentlich ist es für die Zuschauer ziemlich langweilig.” Will stieß sich vom Zaun ab, hob Callie vom Eimer und stellte sie neben Dana auf die Füße. “Jetzt geh mal mit deiner Mom, damit ihr dich zum Reiten anmelden könnt.” Er zwickte ihr sanft in die Nase. “Und lauf nicht wieder weg.”

Dana setzte Callie die Kappe auf und gab ihr die Peitsche zurück. “Vielen Dank, dass Sie auf sie aufgepasst haben, Mr. Baker.”

“Kein Problem. Und nennen Sie mich doch bitte Will.” Mit der Fingerspitze tippte er sich an den Hutrand. “Bis dann, Mrs. Landry.”

“Nur Dana bitte.”

Callie winkte Will zum Abschied und zog sie zum Ausgang.

Doch Dana wandte sich noch einmal zu ihm um. “Woher können Sie die Gebärdensprache?”

In Wills dunklen Augen flackerte etwas auf. War es Schmerz oder Traurigkeit? Jedenfalls verschwand sein Lächeln.

“Von meiner Familie”, erwiderte er, drehte sich um und ging davon.

Während Callie sie zum Reitplatz zog, kreisten Danas Gedanken um Will Baker und seine knappe Antwort auf ihre Frage. Vielleicht hatte er auch ein gehörgeschädigtes Kind oder seine Frau war taub. Allerdings trug er keinen Ring. Doch das musste ja nichts heißen.

Als sie sich für die Anmeldung zum Reiten anstellten und unter dem Zeltdach warteten, blickte Dana sich um und sah Will nun an der Stalltür lehnen. Die Daumen in die Gürtelschlaufen gehängt, ein Seil über der Schulter, hatte er ein Bein angewinkelt und stützte sich mit dem Stiefel an der Holztür hinter ihm ab. Er bot das Bild eines typischen Cowboys aus dem legendären Wilden Westen. Eines fantastisch aussehenden Cowboys, der ganz und gar nicht ihr Typ war.

Trotzdem stieg eine plötzliche Hitze in Dana auf, die nichts mit der glühend heißen Junisonne zu tun hatte.

“Ihr Scheck bitte. Ma’am?”, sagte die Frau an der Anmeldung.

“Entschuldigen Sie”, murmelte Dana und riss den Blick von Will los. Sie reichte der Frau den Scheck und behielt Callie im Auge, während sie die Formulare unterzeichnete.

Callie stand ein paar Meter entfernt bei einem Jungen von etwa neun Jahren.

Besorgt beobachtete Dana die beiden.

“Wie heißt du?”, fragte der Junge.

Callie zögerte kurz und buchstabierte dann mit den Fingern ihren Namen.

“Ich habe gefragt, wie du heißt”, wiederholte der Junge.

Dana ging hinüber zu ihrer Tochter und legte ihr eine Hand auf die Schulter. “Sie heißt Callie.”

Der Junge zog seine Stupsnase kraus. “Warum hat sie’s mir dann nicht gesagt? Ist sie blöd oder was?”

Danas erster Impuls war es, ihn wegen seiner Unwissenheit zu schelten. Da er es vermutlich jedoch nicht besser wusste, sagte sie nur: “Sie kann dich verstehen, wenn du langsam sprichst.”

“Oh.” Der Junge zuckte die Achseln und lief davon.

Callies niedergeschlagene Miene schnitt Dana ins Herz. Was mochte ihrer Tochter durch den Kopf gehen, wenn sie so unaufmerksamen Menschen begegnete, die es nicht einmal versuchten, sie zu verstehen? Litt sie sehr darunter? Lebte ihre Tochter vielleicht zu abgeschirmt von den Härten der Realität, seitdem sie im Internat war?

Alles, was Dana bisher getan hatte, hatte sie für Callie getan. Nun, da sie eine neue Arbeitsstelle hatte, konnte sie endlich eine größere finanzielle Unabhängigkeit von Rob erlangen. Sobald sie sich an den Ausbildungskosten für Callie beteiligte, würde sie dabei auch mehr zu sagen haben. Aber am meisten wünschte sie sich, mit ihrer Tochter wirklich kommunizieren zu können.

Nicht dass sie es nicht versucht hätte. Aber gleichgültig, welche Form der Kommunikation sie vorgeschlagen hatte, Rob war nicht damit zufrieden gewesen. Er mochte es nicht, wenn Callie die Gebärdensprache verwendete, weil das in der Öffentlichkeit zu sehr auffiele, wie er meinte. Doch das lautsprachliche Konzept lehnte er ebenfalls ab, weil Callies Sprechen sich seltsam anhörte. Im Grunde wollte er nichts anderes als ein normales Kind.

Dennoch hatte Callie die Zeichensprache gelernt, um die anderen Kinder im Internat zu verstehen. Und sie hatte sie so rasch gelernt, dass Dana in der begrenzten Zeit, die sie miteinander verbrachten, nicht mehr mit ihr hatte Schritt halten können.

In diesem Moment lächelte Callie sie liebevoll an. Dann hob sie die Hand, knickte Ring- und Mittelfinger ein und formte das Zeichen, das sie jeden Abend vor dem Schlafengehen gemeinsam machten: “Mom, ich hab dich lieb.”

Zärtlich erwiderte Dana das Lächeln und formte mit den Lippen lautlos die Worte: “Ich hab dich auch lieb.”

Daraufhin drückte Callie sie ganz fest, so als hätte ihre Mutter den Mond für sie vom Himmel geholt.

Dana wurden die Augen feucht. Sie würde alles für ihre Tochter tun, die ihr so viel Liebe und Freude schenkte, und sie nahm sich vor, ab Montag ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um mehr mit Callie zusammen sein zu können, solange sie jetzt in den Sommerferien zu Hause war. Und mehr denn je war sie entschlossen, Unterricht in der Zeichensprache zu nehmen.

Sie nahm Callie in die Arme und wirbelte sie herum. Auf einmal fühlte sie sich heiter und beschwingt, bereit, es mit jedem aufzunehmen, der sich dem Glück ihrer Tochter in den Weg stellte. Rob eingeschlossen. Sie wollte Callie ein erfüllteres Leben bereiten. Heute war erst der Anfang. Und vielleicht würde sie ja auch Will Baker davon überzeugen können, ihr dabei zu helfen.

Will musste grinsen, als er Dana am Donnerstagabend aus ihrem schicken Wagen steigen sah. Offenbar entsprach ihre Vorstellung von Freizeitkleidung nicht ganz dem, woran er gedacht hatte. Ein ärmelloses Seidentop und eine schwarze Seidenhose waren für knietiefen Dreck nicht sonderlich geeignet. Nicht dass sie nicht gut ausgesehen hätte, im Gegenteil. Vermutlich würde sie sogar in einem Futtersack gut aussehen.

Will spürte ein vertrautes Ziehen in den Lenden.

Vergiss es, sagte er sich. Diese Frau spielt nicht in deiner Liga. Ihre Welt sind Derbys und Partys. Eine Frau, die es geschafft hatte. Wahrscheinlich führte sie ein perfektes Leben.

In diesem Augenblick kam Callie den Hügel hinuntergerannt, was Will ein Lächeln entlockte. Nein, die kleine Callie würde sich mit ein wenig Schritt und Trab sicher nicht zufrieden geben. Wenn dieses Mädchen seine Tochter wäre, würde er dafür sorgen, dass sie mit dem Lasso umgehen lernte und nicht wie ein Püppchen im Sattel posierte.

Aber im Grunde ging sie ihn ja nichts an.

Callie stürmte an dem Reitplatz vorbei, wo sich die übrigen Schüler schon versammelt hatten, und auf Will zu, wobei ihre Hände sich ebenso schnell bewegten wie ihre Füße. Vor ihm kam sie abrupt zum Stehen und warf die Arme um seine Hüften.

“Wow!” Er schob sie etwas von sich. “Wohin denn so eilig?”

Aufgeregt machte sie die Gebärde für Pferd.

Mit missbilligender Miene kam Dana den Hügel heruntermarschiert und deutete auf Callie. “Wenn du noch einmal wegläufst, ist das das Ende deiner Karriere als Reiterin.”

Callie nickte, doch ihre gerunzelte Stirn zeigte, dass es ihr keineswegs gefiel, auf diese Weise eingeengt zu werden. Will konnte es ihr nicht verdenken. Er hatte auch manchmal das Bedürfnis wegzulaufen. So wie jetzt zum Beispiel.

“Callie scheint Sie ins Herz geschlossen zu haben”, sagte sie mit einer Stimme, die so sanft war wie ihr Lächeln und bei der ihm noch heißer wurde.

Kein Zweifel, diese Frau war attraktiv, mehr als das, sie war sexy. Und sie hatte Klasse. Wahrscheinlich jemand für eine dauerhafte Beziehung. Der Typ Frau, dem er bisher immer aus dem Weg gegangen war. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass es leichter gesagt als getan war, Dana Landry zu ignorieren.

Anstatt die Flucht zu ergreifen, solange es noch ging, erklärte er: “Da ich für heute fertig bin, werde ich Sie der Lady vorstellen, die Callie unterrichten wird.”

Auf dem Weg zum Reitplatz schob Callie ihre kleine Hand in seine. Ohne sich seine Verblüffung anmerken zu lassen, lächelte er sie an. Das offensichtliche Vertrauen des Kindes bereitete ihm etwas Unbehagen, ähnlich wie ihre viel zu attraktive Mutter.

Er warf einen raschen Seitenblick auf Dana. Sie hatte keine Sommersprossen auf der Nase wie Callie, aber ihre Augen waren von dem gleichen tiefen Blau. Das kastanienbraune Haar hatte sie wie beim letzten Mal zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden, und er fragte sich, wie sie wohl aussähe, wenn sie es offen tragen würde, und ob es nach einer langen Liebesnacht wild und zerzaust wäre.

Nein, diese Frau hatte nichts Wildes an sich, und er hatte bei ihr etwa genauso viel Chancen, wie den Mond mit dem Seil einzufangen.

Außerdem lebte er seit zwölf Jahren allein, und so sollte es auch bleiben. Keine festen Bindungen, keine dauerhaften Verpflichtungen. Ebenso wenig hatte er die Absicht, sich irgendwo niederzulassen, obgleich er sich gelegentlich danach sehnte. Aber er konnte es nicht. Noch nicht. Und vielleicht würde er das sogar niemals können.

Sie näherten sich Marge Golden, die neben dem Reitplatz stand und einer Mutter zuhörte, die die Talente ihres kleinen Phillip mit einer Stimme pries, die Tote hätte wecken können. Will fing Marges Blick auf und grinste, weil sie nun so tat, als müsste sie husten, sich abwandte und dabei die Augen verdrehte.

Nachdem die Frau ihre Rede beendet hatte, brachte er Callie und Dana zu Marge. “Madam, das ist die Schülerin, von der ich dir schon erzählt habe.” Er ließ Callies Hand los, um Zeichen in die Luft zu malen. “Callie, das ist die Chefin hier, aber du kannst Marge zu ihr sagen.”

Marge wandte sich an Dana und erklärte in ihrer rauchigen Stimme: “Will ist der Einzige, der mich Madam nennt. Klingt, als würde ich ein Bordell führen.” Sie lächelte Callie an. “Will, Sag Miss Callie, dass ich mich freue, sie kennenzulernen.”

“Callie kann von den Lippen ablesen”, warf Dana ein.

“Na wunderbar.” Marge drehte sich wieder zu dem Mädchen. “Freut mich, dich kennenzulernen, Callie. Wir können gleich anfangen.”

Dana verkrampfte die Hände. Will nahm an, dass sie nicht wusste, was sie von Marge halten sollte, mit ihrem langen, graubraunen Zopf, der ihr bis zur Taille hing; dem fadenscheinigen Flanellhemd und den verwaschenen Jeans, die aussahen, als würde selbst die Heilsarmee sie nicht mehr annehmen. Aber Marge war die beste Reitlehrerin für Kinder, die er sich vorstellen konnte.

Als Marge Callie nun bei der Hand nahm und sie durchs Tor führte, machte Dana unwillkürlich einen Schritt vorwärts. Will legte ihr die Hand auf den Arm, wobei ihn bei der Berührung mit ihrer bloßen Haut ein eigenartiges Gefühl durchzuckte.

Er räusperte sich. “Kommen Sie mit rüber an den Zaun. Da können Sie zusehen.”

Schweigend folgte Dana ihm. Sobald sie den weißen Zaun erreicht hatten, umklammerte sie das oberste Brett und fragte: “Wohin gehen sie?”

Will zeigte ans andere Ende des Platzes, wo mehrere Pferde angebunden waren. “Dort kriegen sie ihre erste Lektion - das Aufsatteln. Sie sind gleich wieder da.”

Dana war immer noch besorgt. “Ich hoffe, die Lehrerin passt auf sie auf. Callie ist sehr klein für ihr Alter. Ich hätte Marge sagen sollen, dass sie sie im Auge behalten soll, falls …”

“Entspannen Sie sich. Marge weiß, was sie tut. Außerdem reitet Callie eine fünfundzwanzig Jahre alte Stute, die kaum größer ist als ein Pony.”

Nach etwa zehn Minuten kamen zwei andere Schüler auf ihren Pferden auf den Platz geritten, ein Junge und ein Mädchen, schick gekleidet in englischem Reitdress und auf englischem Sattel. Will fand, dass sie in Jeanshemden und Jeans sehr viel besser aussehen würden. Und diese verdammten englischen Sättel hielt er ohnehin für nutzlos. Dann lieber gleich auf dem bloßen Pferderücken sitzen, dachte er.

“Da ist sie”, rief Dana leise.

Callie saß im Sattel auf der grauen Stute, die Füße in den Steigbügeln, die Zügel in beiden Händen.

“Sie sieht gut aus”, erwiderte Will. “Callie wird das schon schaffen.”

“Hoffentlich.” Doch Dana klang wenig überzeugt.

Callie passte konzentriert auf, bis sie näher an den Zaun herangekommen war, dort, wo Dana und Will standen. Sie nahm die Zügel zwischen die Zähne, um ihnen mit den Händen zu sagen: ‘Schaut mich an.’

Das Pferd begann sich wegen der verwirrenden Signale zu drehen. Dana schnappte entsetzt nach Luft, und Will entschied, dass er wohl besser eingreifen sollte.

Er stieg ein paar Latten auf den Zaun, um gut sichtbar zu sein, und erklärte in Gebärdensprache: “Nimm die Zügel aus dem Mund und halt deine Hände ruhig, Callie.”

Callie nickte und nahm wieder die korrekte Haltung ein.

Sobald Will wieder herabgestiegen war, meinte Dana aufgeregt: “Vielleicht müssen wir ihr die Zügel um die Hände binden. Sie liebt die Gebärdensprache so.”

Will lehnte sich mit der Hüfte an den Zaun und sah Dana an. “Warum sprechen Sie nicht in der Gebärdensprache mit ihr?”

“Das tue ich”, entgegnete sie scharf, “jedenfalls etwas. Seit zwei Jahren ist sie in einem Internat für Gehörgeschädigte, und davor hatten wir sie für kurze Zeit in einer Gehörlosenschule, wo sie gelernt hat, von den Lippen abzulesen.”

“Hat sie jemals Sprechen gelernt?”

“Nicht viel. Und inzwischen versucht sie’s gar nicht mehr. Jetzt, da sie die Gebärdensprache kann, scheint sie glücklich zu sein.”

“Kann ihr Vater die Gebärdensprache?”

“Nein. Rob benutzt die Gebärdensprache überhaupt nicht.” Danas Tonfall verriet Missbilligung.

“Und wenn Sie alle zu Hause sind, wie verständigt er sich dann mit ihr?”

“Er lebt nicht bei uns.”

“Sie sind also geschieden?”

“Ja.”

Danas Gesicht wirkte wie versteinert, woraus Will schloss, dass sie die Trennung noch nicht überwunden hatte. Vermutlich trauert sie dem Kerl noch immer nach, dachte er.

“Er erwartet von ihr, dass sie von seinen Lippen abliest”, fuhr Dana fort.

“Und wie soll sie antworten?”

“Indem sie es aufschreibt, durch Zeigen, wie auch immer. Sie stehen sich nicht sehr nah.”

Wills Meinung nach war dies die Untertreibung des Jahres. Wie konnte jemand seinem Kind nahestehen, wenn er nicht mit ihm sprechen konnte? “Und in wieweit beherrschen Sie die Gebärdensprache?”

Dana senkte den Blick. “Nicht besonders gut. Callie ist sehr geduldig mit mir, und ich bemühe mich. Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Aber das wissen Sie ja wohl selbst.” Sie sah ihn an. “Wie lange haben Sie gebraucht, um es zu lernen?”

Wegen seiner Eltern war Will seit seiner Geburt mit der Gebärdensprache aufgewachsen. Ihm war gar nichts anderes übrig geblieben, als sie zu erlernen. Doch das war etwas, was er lieber für sich behielt. Nicht weil er sich dessen schämte, sondern weil er das Mitleid und die Entschuldigungen hasste, mit denen die meisten Leute darauf reagierten.

“Ich hatte viel Übung. Ich finde es am einfachsten, mit dem Mund und den Händen gleichzeitig zu sprechen, wenn Sie so wollen, und beide Welten zusammenzubringen. Es braucht nur etwas Zeit und Übung.”

“Ich weiß, und ich will ja auch versuchen, Unterricht zu nehmen. Allerdings habe ich meinen neuen Job gerade erst angetreten, und deshalb bleibt mir nur wenig Zeit.”

“Hört sich nach einem harten Job an”, meinte er.

Dana lächelte. “Das könnte man so ausdrücken.”

“Was machen Sie denn genau?”

“Ich bin Wirtschaftsprüferin.”

Verdammt, fluchte Will innerlich. Sie verdient wahrscheinlich einen Haufen mehr Geld, als ich je gehabt habe. Noch ein Grund, weshalb sie garantiert nicht an einem Cowboy interessiert ist. Umso besser. So eine Frau kann ich sowieso nicht gebrauchen. Ich kann gar keine Frau gebrauchen.

“Verstehe”, sagte er.

Sie war erstaunt “Was denn?”

“Ihre Kleidung, das Auto. Es passt alles zusammen.”

Dana schien über seinen Kommentar erstaunlicherweise ungehalten zu sein. Dabei verkörperte sie doch genau das Bild der erfolgreichen Karrierefrau.

Ein plötzlicher Windstoß wirbelte Staub und Sägespäne auf. Will rieb sich die Augen und konnte gerade noch rechtzeitig seinen Hut festhalten.

“Oh, mein Gott!” Dana stürzte an ihm vorbei.

Will fuhr herum. Er hörte die erschreckten Schreie der Kinder, dann sah er die graue Stute vorbeitraben. Und in der Mitte des Reitplatzes lag eine kleine Gestalt auf dem Boden.

Callie.

Eltern eilten an den Zaun. Pferde wieherten und tänzelten auf der Stelle. Die meisten Kinder starrten auf Callie, und der kleine Phillip fing an zu weinen. Dana versuchte vergeblich, das Tor zu entriegeln. Doch ehe Will Callie zu Hilfe kommen konnte, hatte Marge ihr bereits aufgeholfen, während ein Mitarbeiter die Stute einfing.

“Sie ist okay”, rief Marge. “Es ist nichts passiert. Die Stute hat sich bloß erschreckt, als eins der Ponys in sie hineingelaufen ist.”

Dana war wie erstarrt. “Ich bringe sie nach Hause.”

“Lassen Sie sie wieder aufsitzen”, erklärte Will.

“Nein! Auf gar keinen Fall!”

“Jeder, der mit Pferden zu tun hat, weiß, dass man nach einem Sturz am besten sofort wieder aufsteigt.”

Sie schaute weg. “Das habe ich nie getan.”

“Sie sind runtergefallen und nie wieder aufgestiegen?”

“Meine Mutter hat es nicht zugelassen.”

“Machen Sie bei Callie bloß nicht den gleichen Fehler. Lassen Sie sie wieder aufs Pferd.”

Unterdessen war Callie schon längst von sich aus wieder in den Sattel gestiegen.

“Ich gehe da hinein”, presste Dana zwischen den Zähnen hervor.

“Wenn Sie das tun, wird sie unglaublich wütend auf Sie sein.”

“Marge ist mir egal.”

“Ich spreche von Callie.”

Callie sah keineswegs entmutigt aus. Tatsächlich lächelte sie sogar, als sei das Ganze lediglich ein großes Abenteuer gewesen.

Tolles Mädchen, dachte Will. Die Kleine gefiel ihm immer besser, und so ungern er es sich eingestand, auch ihre Mutter gefiel ihm weit mehr, als gut für ihn war.

Staunend blickte Dana zu ihrer Tochter. “Wie kann sie nur ruhig sein? Sie hätte sich sonst was brechen können. Oder noch schlimmer.”

“Ich bin schon mehr als einmal vom Pferd gefallen und hab mir noch nie was dabei gebrochen.” Aufgeschürfte Knie und geprellte Rippen, die hatte er häufig gehabt, aber das sagte er Dana nicht.

“Aber Sie wissen, was Sie tun.”

“Mit der Zeit wird Callie das auch wissen.”

“Falls sie mitkommt.” Dana zeigte auf Callie, die gerade versuchte, sich Marge verständlich zu machen. “Marge sieht nicht so aus, als ob sie sie versteht.”

Will musste zugeben, dass sowohl Callie als auch Marge ein wenig verwirrt wirkten.

Mit ihren großen blauen Augen sah Dana ihn fest an. “Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?”

“Fragen kostet nichts”, antwortete er, obwohl er ein ungutes Gefühl dabei hatte.

“Könnten Sie vielleicht mitreiten und helfen? Nur für heute.”

Verflixt, dachte Will. Er hatte einer hübschen Frau noch nie etwas abschlagen können, und Dana Landry war hübscher als die meisten.

“Okay”, brummte er und ging mit langen Schritten zum Stall. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er sich darauf einließ, denn er ahnte, dass dies erst der Anfang war, falls Dana noch öfter hier auftauchte.

2. KAPITEL

Angespannt schaute Dana zu, als Will durch das gegenüberliegende Tor auf Pete hereinritt, ein langes Nylonseil über der Schulter. Nach einem kurzen Wortwechsel mit Marge band er seine Zügel an seinen Sattelknauf, nahm das Seil und befestigte es an den Zügeln der grauen Stute.

Dann ritt er neben Callie her, wobei er seinen Wallach lediglich mit den Beinen lenkte. Dana vermutete, dass er das häufiger tat und deshalb so muskulöse Oberschenkel besaß, die sich deutlich unter den abgetragenen Jeans abzeichneten.

Er blieb einen Moment lang stehen, um Callie etwas mitzuteilen, streifte nun sein verwaschenes Arbeitshemd ab und warf es an den Rand des Reitplatzes. Dana, deren Blick zwischen ihm und ihrer Tochter hin- und herwanderte, beobachtete aufmerksam, wie er mit dem Seil die Stute kontrollierte.

Als er sich abwandte, blieb Danas Blick unwillkürlich an dem weißen T-Shirt hängen, das Will als Unterhemd trug und das sich straff über seinen Rücken spannte, sodass jeder Wirbel und die durchtrainierten Muskeln zu sehen waren. Durch und durch ein Mann, dachte Dana. Aber in seinen dunkelbraunen Augen hatte vorhin eine Sanftheit gelegen, die die raue Fassade Lügen strafte.

Will lächelte Callie zu und schaute dann grinsend zu ihr hinüber, als wollte er sagen: Sehen Sie, sie kann’s.

Wieder einmal hatte Callie ihrer Mutter bewiesen, dass diese im Unrecht gewesen war, und am Ende der dreißigminütigen Reitstunde ihrer Tochter unter der Anleitung von Will Baker hatte auch Dana sich beruhigt. Als sie jedoch sah, wie kraftvoll und mit welcher Geschmeidigkeit Will sich vom Pferd schwang, begann ihr Puls erneut zu rasen.

Nachdem Will Callie vom Pferd heruntergeholfen hatte, überließ er Pete und die Stute einem der Stalljungen. Gemeinsam mit Callie kam er zu Dana herüber. Die beiden schwatzten wie alte Freunde miteinander, und Callie strahlte ihn an, als sei er ein Held. Noch nie hatte Dana gesehen, dass Callie in dieser Weise zu ihrem Vater aufblickte.

Rasch schob Callie den Riegel hoch, an dem Dana zuvor gescheitert war, und stürmte durchs Tor. Sie schlang beide Arme um ihre Mutter, ließ sie wieder los, legte dann die Fingerspitzen an die Lippen und warf ihr eine Kusshand zu.

“Bitte sehr, gern geschehen”, erwiderte sie.

Dana wünschte, sie könnte das Entzücken ihrer Tochter über ihre erste Reitstunde teilen, aber die Furcht um sie war größer. Marge war nicht in der Lage, mit Callie zu sprechen. Durfte sie ihr also wirklich die Sicherheit ihres Kindes anvertrauen?

Will hingegen konnte sich mit Callie gut verständigen.

“Entschuldigen Sie, Will”, begann Dana vorsichtig.

Er schob seinen Hut nach hinten. “Ja, Ma’am?”

“Wären Sie eventuell bereit, Callie zu unterrichten?”

Mit finsterer Miene trat er einen Schritt zurück. “Auf gar keinen Fall. Es hat mich nicht gestört, heute auszuhelfen, aber ich mag den englischen Reitstil nicht.”

“Aber Sie wissen, wie’s geht.”

Die Hände in den Gesäßtaschen vergraben, hielt er den Blick zu Boden gerichtet. “Ja, schon.”

Sein offensichtliches Unbehagen belustigte Dana, was sie sich jedoch nicht anmerken ließ. “Und ich bin sicher, Sie beherrschen ihn auch.”

Er bohrte eine Stiefelspitze in die Erde. “Ja, aber ich habe ziemlich viel zu tun, mit dem Rodeo und meinen Stammkunden und all dem.”

“Ach so. Nun, ich kann verstehen, wenn Sie nicht noch mehr Zeit von Ihrer Familie getrennt sein wollen”, meinte Dana, in der Absicht, etwas mehr über ihn zu erfahren.

Mit düsterem Ausdruck schaute er auf. “Ich habe hier keine Familie. Ich lebe allein.”

“Oh. Sie sind also nicht verheiratet?”

“Nein.”

“Keine Kinder?”

“Nein.”

Also hatte er weder eine gehörgeschädigte Frau noch ein solches Kind. Vielleicht einen Elternteil?

Callie, die ihre Mutter intensiv beobachtet hatte, zog an Wills Hand. Sobald er sie ansah, vollführte sie mit der Hand einen Kreis entgegen dem Uhrzeigersinn um ihr Herz und buchstabierte dann seinen Namen.

“Du hast ja richtig gute Manieren”, antwortete er und tippte ihr auf die Nasenspitze. “Aber Süße, du kannst den ganzen Tag lang Bitte sagen, und ich werde trotzdem kein so guter Lehrer sein wie Marge.”

“Ich würde Sie auch bezahlen”, fügte Dana hinzu. “Nennen Sie mir Ihren Preis.”

Will warf ihr einen strengen Blick zu. “Ich brauche Ihr Geld nicht.”

Anscheinend hatte sie ihn damit in seinem Stolz gekränkt. “Was müsste ich denn tun, um Sie dazu zu bringen, Ja zu sagen?” Ihre unschuldig gemeinte Frage hörte sich irgendwie zweideutig an, und Dana wurde rot.

“Können Sie kochen?”

“Das ist eins meiner Hobbys.”

“Welche anderen Hobbys haben Sie denn noch?”

Bei dem sinnlichen Unterton in seiner Stimme lief ihr ein Schauer über die Haut, aber achselzuckend antwortete sie nur: “Ich habe nicht viel Zeit für Hobbys.”

Will strich sich mit der Hand übers Kinn. “Ein gutes, selbst gekochtes Essen klingt für mich sehr verlockend. Gegen eine solche Bezahlung hätte ich nichts einzuwenden.”

Und sie fand sein Lächeln sehr verlockend. “Darüber ließe sich reden. Aber ich würde Sie trotzdem gern bezahlen.”

Wieder zerrte Callie an Wills Hand und sprach dann mit eifrigen Gebärden auf ihn ein.

Er lächelte Callie zu. “Also schön, Cowgirl, wenn du unbedingt willst. Aber ich muss zuerst Marge fragen.”

“Und wenn Marge einverstanden ist, dann machen Sie’s?”, fragte Dana erfreut.

“Ich schätze, ja.”

“Und ich zahle Ihnen dasselbe, was ich Marge sonst zahlen würde.”

Er runzelte die Stirn. “Wenn Sie darauf bestehen.”

“Gut.” Sie reichte ihm die Hand, um die Abmachung zu besiegeln.

Will nahm sie, ohne zu zögern. Doch anstatt sie zu schütteln, hob er ihre Hand an die Lippen und streifte sie mit einem leichten Kuss. Augenzwinkernd erklärte er: “Will Baker zu Ihren Diensten, Ma’am.”

Dana war gleichzeitig erleichtert und aufgeregt. Sie versuchte, so gut es ging, das Prickeln zu ignorieren, das sie dort spürte, wo seine Lippen sie berührt hatten. Als sie merkte, dass Will noch immer ihre Hand festhielt, entzog sie sie ihm sanft. “Also, dann nächsten Donnerstag?”

“Freitag. Da können wir den Platz ganz für uns haben. Und kommen Sie um halb sechs.” Mit gespielt ernster Miene wandte er sich an Callie. “Und du, kleine Lady, bring ein Paar Knie- und Ellbogenschützer mit, falls du beschließt, noch mal abzutauchen.”

“Oh nein!”, stöhnte Dana.

Er grinste jungenhaft, was ihr Herz sofort schneller schlagen ließ. “Ich habe Sie doch nur aufgezogen, Mama Bär.”

Da stieß Callie, die in den letzten paar Jahren kaum einen Laut von sich gegeben hatte, ein Lachen aus. Ein Lachen, das seltsam, aber wunderbar klang. Es war beinahe ebenso wunderbar wie damals, als Dana ihre neugeborene Tochter zum ersten Mal hatte schreien hören, ohne zu wissen, wie schwer der Weg sein würde, der vor ihnen lag.

Voller Staunen schaute sie Callie an, schluckte und blickte dann zu Will. “Sie hat schon lange nicht mehr so gelacht.”

Sein Blick war warm und wissend. “Vielleicht müssen wir einfach dafür sorgen, dass sie etwas zu lachen hat.”

Als Dana am Freitag vor dem Reitstall in Willowbrook hielt, verfluchte sie die Laufmasche in ihrer Strumpfhose und den Kaffeefleck auf ihrem Kragen. Andererseits, weshalb sollte es ihr etwas ausmachen, was Will Baker von ihrer Aufmachung dachte? Doch es machte ihr etwas aus, obwohl er sie vermutlich in verblichenen Jeans und einem ebenso verblichenen Arbeitshemd empfing.

Noch bevor Dana ausgestiegen war, war Callie bereits aus dem Wagen gesprungen. Als Dana die Hügelkuppe erreicht hatte, die zum Reitplatz hinunterführte, erblickte sie Will. Aber anstatt eines Arbeitshemdes trug er heute ein ärmelloses schwarzes T-Shirt, das seinen ausgeprägten Bizeps zur Geltung brachte. Er trug keinen Hut, sodass sie einen guten Blick auf sein sonnengebleichtes Haar hatte. Der nach frisch gemähtem Gras duftende Sommerwind wehte ihm eine Locke in die Stirn. Abwesend strich er sie zurück.

Als Will sich nun umdrehte und ihr zuwinkte, durchströmte sie ein Schauer. Wie albern, dachte Dana und wurde rot. Sie richtete den Blick auf den Boden und ging vorsichtig durchs Gras, blieb mit ihren hohen Absätzen aber dauernd in der feuchten, gerade gesprengten Erde stecken, sodass sie nur langsam vorankam.

Als sie endlich bei Callie und Will ankam, schmunzelte Will und meinte: “In der Aufmachung würde es Ihnen sicher verdammt schwer fallen, in den Sattel zu steigen.”

Sie zupfte an dem schmalen schwarzen Rock herum, konnte jedoch nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. “Keine Sorge. Das habe ich auch nicht vor.”

Er betrachtete sie nachdenklich. “Nur heute nicht oder nie?”

“Nie.”

“Das werden wir ja sehen.” Will schien überhaupt nicht daran zu zweifeln, dass er sie eines Tages dazu bringen würde, auf ein Pferd zu steigen.

Nur über meine Leiche, dachte Dana.

Callie fing nun an, Will an ihr vorbei und zum Reitplatz zu ziehen. Dana bemühte sich, nicht zu bemerken, dass seine Jeans sich hauteng um die Hüften schmiegten und damit seine männlichen Attribute betonten oder dass sich bei jedem seiner langen Schritte sein knackiger Po unter dem Stoff abzeichnete.

Das heutige Pferd war nicht die graue Stute vom letzten Mal, sondern Pete. Wie sollte Callie den klassischen Reitstil auf einem Mammutross lernen, das normalerweise Rinder zusammentrieb?

Durch die knöcheltiefe lockere Erde stapfte Dana zu Will hinüber. “Warum reitet Callie nicht wieder auf der Stute?”, fragte sie, während sie sich den Schmutz von den Pumps schüttelte.

Ungerührt fuhr Will fort, den Sattelgurt zu befestigen. “Weil ich jetzt für Sie arbeite. Also muss ich nehmen, was ich habe, und Pete ist der Einzige, der für Kinder geeignet ist.”

“Das heißt, es sind schon Kinder auf ihm geritten?”

Er ließ die Steigbügel herunter und klopfte dem Wallach mit der flachen Hand auf die Flanke. “Der alte Pete war früher mal eins von den feinen Pferden. Aber immer nur im Kreis rumlaufen, hat ihn schnell gelangweilt. Deshalb habe ich ihn zu einem wendigeren Pferd gemacht und ihn bei Rodeos geritten. Er ist ein vielseitiger Bursche.”

“Und er ist auch klassisch geritten worden?”

“Klassisch im Westernstil, und er ist sogar ein paarmal gesprungen.”

Die Vorstellung, dass Pete womöglich auf die Idee kommen würde, mit ihrer Tochter auf dem Rücken über den Zaun zu springen, behagte Dana ganz und gar nicht. “Können Sie mir garantieren, dass er wirklich sicher ist?”

“Absolut. Er hat überhaupt keine wilde Ader.” Will sah sie an. “Anders als sein Besitzer.”

Darauf wäre Dana jede Wette eingegangen. Will Baker war vermutlich so wild wie ein Texastornado und mit seinem Cowboycharme der absolute Champion weit und breit, besonders bei den Frauen. Seltsamerweise versetzte dieser Gedanke ihr einen Stich der Eifersucht. Halt dich von ihm fern, sagte sie sich, wenn du weißt, was gut für dich ist.

Will zeigte Callie, wie sie aufsteigen sollte, und sobald sie im Sattel saß, machte er ein langes Nylonseil am Zügel des Wallachs fest und schickte sie los.

“Moment mal”, meinte Dana. “Werden Sie nicht neben ihr herreiten wie letzten Donnerstag?”

Er ließ Callie nicht aus den Augen. “Nein. Sie hat mein Pferd.”

“Haben Sie kein anderes?”

Grinsend warf er ihr einen Blick zu. “Ich hätte zwei nicht eingerittene Zweijährige. Ich könnte sie ja auf einen von denen setzen.”

“Oh nein. Ist schon okay.”

“Vertrauen Sie mir. Ich habe sie unter Kontrolle. Außerdem ist Callie ein Naturtalent. Schauen Sie sie an.”

Er hatte recht. Callie strahlte über das ganze Gesicht.

Nach ein paar Runden bedeutete Will ihr, in die Mitte des Platzes zu kommen. “Steig ab.”

Er verlängerte die Riemen der Steigbügel so weit wie möglich, entfernte das Seil und zog sich dann in den englischen Sattel, der viel zu klein war für ihn. Callie schlug die Hand vor den Mund; in ihren Augen stand ein ausgelassenes Lachen. Dana hätte selbst fast losgelacht.

“Ich warne euch”, sagte Will.

“Was haben Sie vor?”, fragte Dana.

“Ich zeige ihr, wie ihre Haltung im Sattel sein soll. Und wenn ich auch nur das kleinste Kichern höre, komme ich sofort runter und gehe nach Hause.” Doch obwohl er einen strengen Ton anschlug, funkelten seine Augen voller Belustigung. Ehe Will losritt, wies er Callie an, ganz genau zu beobachten, was er tat. Dann begann er, um den Platz zu reiten.

Dana sah zu ihrer Tochter. Callie hatte ihren Blick unverwandt auf Will gerichtet, die feinen Augenbrauen vor lauter Konzentration zusammengezogen. Nach einigen Runden stieg er wieder ab und hob Callie erneut in den Sattel. Verblüfft sah Dana, dass ihre Tochter sich genau an Wills Beispiel hielt.

“Gut”, bedeutete er ihr, als sie zu ihm herüberschaute. “Ganz recht, lass ihn weiterlaufen, und setz dich ruhig hin.”

Um Callie nicht unnötig nervös zu machen, verließ Dana den Platz und schaute vom Zaun aus zu, bis die Stunde zu Ende war. Danach zeigte Will Callie, wie man ein Pferd absattelte und wies sie an, Pete an die Waschstelle zu führen, um ihn abzuspritzen. Dana folgte ihnen. Will drehte den Wasserhahn auf, gab Callie den Schlauch in die Hand und überließ Pete dann ihr.

Er trat zu Dana und blickte sie eindringlich an. “Haben Sie gesehen, wie gut sie reiten kann?”

Der Stolz in seiner Stimme entging ihr nicht. “Ja. Sie mussten es ihr nur ein einziges Mal vormachen. Callie ist schon immer so gewesen, wenn es um etwas geht, was sie wirklich will.”

“Prima, dass sie eine so rasche Auffassungsgabe hat. Ihre Augen ersetzen das Gehör.” Er drehte den Wasserhahn ab und strich Callie über die Wange. “Was ich ihr nicht sagen kann, zeige ich ihr eben.”

Schweigend gingen sie zum Stall, wobei Callie Pete hinter sich herzog. Als Dana verkündete, dass es Zeit sei zu gehen, betrachtete Callie den Wallach so sehnsüchtig, als hätte man von ihr verlangt, ihren besten Freund zu verlassen. Dana musste sie zweimal antippen, ehe Callie sich von Pete losriss. Zu Will gewandt machte Callie einige Zeichen, die Dana nicht verstand, und Will antwortete mit Ja.

Dana nahm Callie bei der Hand und sah ihn an. “Vielen Dank für heute. Ich finde, sie hat große Fortschritte gemacht.”

“Also wann ist das Abendessen?”, fragte er.

“Wie bitte?”

Will wirkte leicht verwirrt. “Callie hat gesagt, dass Sie gesagt hätten …” Er schaute zu Callie, die sich wieder Pete zugewandt hatte. “Ich schätze, ich bin einem vorlauten kleinen Rotschopf auf den Leim gegangen.”

“Schon gut. Ich habe Ihnen ja ein Essen versprochen.”

Mit einem kleinen Lächeln musterte er sie. “Ich könnte um sieben dort sein. Ich muss nur schnell duschen.”

“Wollen Sie denn wirklich, dass ich für Sie koche?”

Er rieb sich übers Gesicht. “Sagen sie jetzt nicht, dass Sie mich wegen Ihrer Kochkünste angeschwindelt haben und dass ich eine Pizza mitbringen muss.”

“Nein, nein, ich habe nicht geschwindelt.”

“Also dann, wie viel Uhr?”

Nervös warf Dana einen Blick auf ihre Armbanduhr. “Ich müsste noch etwas einkaufen. Das wird noch ein bisschen dauern.”

Will nahm seinen Hut von einem Haken an der Stalltür. “Ich hab’s nicht eilig. Wir können auch acht Uhr sagen.”

“Bitte, Mom”, malte Callie in die Luft.

Dana hatte nicht bemerkt, dass Callie das Gespräch verfolgt hatte. Sie blickte von Will zu ihrer Tochter, die sie beide erwartungsvoll ansahen. Überstimmt. “Gut, dann um acht.”

Callie hüpfte am Arm ihrer Mutter fröhlich auf und ab.

“Wir gehen jetzt lieber”, meinte Dana zu Will, “sonst wird es zu spät.”

Als sie losgehen wollte, hielt Will sie zurück. “Ich weiß nicht, wo Sie wohnen.”

“Nördlich von Dallas.”

“Das ist eine etwas vage Beschreibung. Nördlich von Dallas ist ein ziemlich großer Bereich.”

Dana kramte einen Zettel aus ihrer Handtasche und kritzelte ihre Adresse darauf. “Es ist eine recht ländliche Gegend. Ich schreibe Ihnen auch meine Telefonnummer auf, falls Sie sich verirren sollten.”

Will betrachtete den Zettel einen Moment lang, schaute dann auf und hielt ihren Blick fest. Sie war wie gebannt, seine dunklen Augen schienen bis auf den Grund ihrer Seele zu sehen.

Um sich der fast magischen Anziehungskraft zu entziehen, die er auf sie ausübte, wandte Dana sich ab, hörte Will aber noch sagen: “Keine Angst, ich werde Sie finden.”

Unterwegs fragte sie sich, ob das Essen mit Will tatsächlich eine so gute Idee war. Seit ihrer Trennung von Rob hatte sie außer von Verwandten keinen Besuch mehr von einem Mann gehabt. Sie war gern allein. Und sie wollte, dass es so blieb. Zumindest war das bisher der Fall - bevor sie Will Baker getroffen hatte.

Will fuhr ein zweites Mal durch die gleiche Straße und murmelte dabei einen unterdrückten Fluch. Nicht weil er das Haus nicht finden konnte - er hatte das unübersehbare Herrenhaus auf dem Hügel natürlich sofort bemerkt -, sondern weil er sich keineswegs sicher war, weshalb er eigentlich gekommen war.

Ein gutes Essen konnte er jederzeit entweder bei Marge oder im Café am Ort bekommen. Nein, ums Essen ging es hier nicht. Es ging um Dana Landry. Irgendetwas an ihr zog ihn an, nicht nur ihre gute Figur. War es ihr Verhalten ihm gegenüber? Dass er sie nicht total kalt ließ, hatte er bemerkt, aber er hatte den Eindruck, dass sie ihm nicht wirklich traute, was aus irgendeinem Grund an ihm nagte.

Dana Landry war eine Herausforderung, und zwar in einer anderen Weise, als er es in Bezug auf Frauen sonst gewohnt war.

Schließlich bog er in die Einfahrt ein, hielt an und stieg aus seinem Pick-up, ehe er es sich womöglich noch anders überlegen würde. Callie riss die Tür auf, bevor er überhaupt die Hand an der Klingel hatte. In Jeans-Shorts und T-Shirt, das rote Haar auf und ab wippend, sah sie wie ein ganz normales Kind aus und nicht wie eine kleine Primadonna.

Will betrat die Eingangshalle und stieß einen lautlosen Pfiff aus. Er betrachtete die geschwungene Treppe mit dem kunstvoll geschnitzten Eichengeländer und den gefliesten Boden, der vor Sauberkeit blitzte, und schüttelte den Kopf. Eine völlig andere Welt, dachte er.

“Das ist ein großes Haus, Callie. Wie viele Leute wohnen hier?”

Kichernd berührte sie mit dem Daumen ihr Kinn und wackelte mit den Fingern.

“Bloß deine Mom und du?”

Callie nickte lächelnd.

Er packte sie um die Taille, hob sie hoch und wirbelte sie durch die Luft. “He, Kleine, ist das Essen fertig? Ich bin so hungrig wie der alte Pete.” Da hörte er Schritte, und auf einmal waren alle seine Sinne angespannt.

Dana kam durch die riesige Halle auf ihn zu, und er ließ Callie langsam wieder herunter.

Der Pferdeschwanz war fort. Stattdessen fiel Dana das lange Haar, dessen warmer, dunkler Rotton ihn an Mahagoni und Kastanien erinnerte, lose um die Schultern. Der weiße, ärmellose Stehkragenpullover betonte ihre vollen Brüste. Dazu trug sie eine weite Hose, die ihre schlanken Beine umspielte.

Sie legte Callie eine Hand auf die Schulter und fragte ihn: “Haben Sie das Haus gut gefunden?”

Er räusperte sich. “War kein Problem.”

Sie drehte sich um und warf ihr Haar zurück. “Kommen Sie.”

Dana führte ihn ins Wohnzimmer und erklärte, dass er es sich gemütlich machen sollte. Nachdem sie wieder hinausgegangen war, ließ Callie sich auf ein weißes Ledersofa fallen und bedeutete Will, sich zu ihr zu setzen.

Will schaute sich um. Nirgendwo lagen verknitterte Zeitungen oder schmutzige Socken auf dem dicken Teppich, auf dem polierten Couchtisch gab es keine Feuchtigkeitsringe, und erst recht standen keine alten Stiefel neben dem riesigen gemauerten Kamin. In einer Ecke jedoch lag etwas Spielzeug herum, ein Zeichen, dass Dana es lediglich ihrer Tochter gestattete, ihre Ordnung zu stören.

Der Duft von Knoblauch zog aus der Küche herein, woraufhin Will sich auf den Bauch klopfte und Callie lächelnd antippte. “Da drinnen ist ein Bär.”

Callie legte ihm die Hand auf den Bauch. “Ein großer Bär!”

Wills Lächeln schwand, als er plötzlich ihre Stimme hörte. Er verstand die Worte ohne Schwierigkeiten. Einem ungeübten Ohr wäre Callies Stimme merkwürdig erschienen, doch ihm war der Klang so vertraut, als sei er in die Vergangenheit versetzt worden oder wieder nach Hause zurückgekehrt. Seine Verblüffung war ihm wohl anzusehen, denn Callie senkte den Kopf, als sei sie beschämt über das, was sie getan hatte.

Er hob ihr Kinn, damit sie ihn ansah. “Weiß deine Mom, dass du sprechen kannst?”

Callie schüttelte den Kopf. “Sag es ihr nicht”, bat sie durch Zeichen.

“Dann sag du es ihr”, antwortete er stirnrunzelnd und mit energischen Gebärden. “Heute Abend.”

“Nein.” Diesmal sprach sie es aus, und mit Nachdruck.

“Warum nicht?”

Der Ausdruck von tiefem Schmerz, der jetzt in Callies Augen trat, schnitt ihm ins Herz.

Weil es komisch klingt. Sie brauchte es nicht auszusprechen, er wusste genau, was in ihr vorging. Die Erinnerungen waren ihm noch frisch im Gedächtnis. Er schwieg.

Im nächsten Moment kam Dana mit einer Platte Käsecracker herein. Sie schien etwas zu spüren, denn beunruhigt sah sie von einem zum andern. Nachdem sie die Platte auf den Tisch gestellt hatte, fragte sie: “Was ist denn los mit euch beiden?”

Callie warf ihm einen flehenden Blick zu.

“Callie ist müde”, sagte er.

Dana schaute ihre Tochter an. “Dann gehst du heute bald ins Bett.”

Callie nickte und kauerte sich auf dem Sofa zusammen, als erwarte sie ein Donnerwetter. Will nahm ihre Hand in seine. Es war nicht seine Aufgabe, es wäre sogar sehr unaufmerksam, Dana Callies Geheimnis zu erzählen. Aber er wollte einen Weg finden, das Mädchen davon zu überzeugen, dass sie es von sich aus tat.

3. KAPITEL

Dana hatte alles nur Callies Lieblingsgerichte gekocht - Hühnchen mit Parmesankruste, dazu Vermicelli und zum Nachtisch Schokoladenpudding. Dennoch stocherte Callie lustlos mit der Gabel in ihren Nudeln herum und hatte den Blick gesenkt.

Will dagegen aß mit großem Appetit, obgleich er ungewohnt still war. Schließlich legte er die Serviette beiseite und schob seinen Stuhl etwas zurück. “Das war wirklich gut, Ma’am.”

Dana lächelte. “Danke. Freut mich, dass es Ihnen geschmeckt hat.” Sie berührte Callie an der Hand, um sie auf sich aufmerksam zu machen. “Bist du fertig?”

Callie nickte, nahm ihren noch halb vollen Teller und trug ihn in die Küche.

Sobald sie den Raum verlassen hatte, fragte Dana: “Wissen Sie, was mit ihr los ist?”

Wills Miene war ernst. “Ich sag’s Ihnen später, wenn sie im Bett ist.”

Der Gedanke, mit ihm allein zu sein, nachdem Callie schlafen gegangen war, beunruhigte Dana etwas, und sie bestand darauf, dass Will ihr nicht beim Aufräumen half, sondern mit Callie ins Wohnzimmer ging. Bald hörte man von dort den Fernseher. Nachdem sie die Küche wieder in Ordnung gebracht hatte, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und war erstaunt, dort nur Will vorzufinden. Den Hut hatte er vor dem Essen abgenommen. Aber in dem weißblau gestreiften Hemd und den Jeans, auch wenn diese etwas weniger abgetragen waren, war er immer noch ganz der Cowboy.

“Wo ist Callie?”, fragte sie.

Rasch stand Will auf, den Hut in der Hand. “Sie ist schon nach oben gegangen. Sie möchte, dass Sie ihr nachher noch gute Nacht sagen.”

“Setzen Sie sich doch wieder.”

Er hockte sich auf die Sofakante und knetete seine Hutkrempe. “Dies ist ein sehr schönes Haus.”

“Danke, aber ich habe nicht vor, hier noch lange wohnen zu bleiben. Es ist viel zu groß für Callie und mich.” Als Rob und sie sich dieses Haus gebaut hatten, hatten sie noch mehr Kinder haben wollen. Doch dieser Traum war vorbei. Außerdem konnte sie sich ein Haus von dieser Größe nicht mehr lange leisten.

Sie ließ sich neben Will aufs Sofa fallen, allerdings mit einigem Abstand zwischen ihnen. “Also, was ist los mit Callie?”

“Eigentlich nichts.”

“Das nehme ich Ihnen nicht ab. Dazu kenne ich meine Tochter zu gut.”

Ernst sah er sie an. “Tatsächlich?”

Sie sprang auf. “Wie können Sie es wagen?”

Will stand ebenfalls wieder auf, wobei er seinen Hut beiseite warf. “Es geht mich ja wahrscheinlich nichts an …”

“Ganz recht.”

“Aber ich werde Ihnen trotzdem meine Meinung sagen, um Callies willen.” Er trat einen Schritt auf sie zu. “Ich weiß, es ist manchmal schwierig, mit ihr umzugehen. Und ich weiß, wie weh es tut, dass Sie nicht mit ihr sprechen können. Aber vielleicht, wenn Sie sich ein bisschen mehr anstrengen …”

“Sie haben ja keine Ahnung, wie sehr ich mich schon anstrenge. Als sie ein Baby war, war alles, was sie brauchte, meine Liebe. Jetzt braucht sie so viel mehr, und ich kann es ihr nicht geben. Aber das heißt nicht, dass ich mich nicht bemüht hätte. Wahrscheinlich mehr, als Sie je ahnen würden.” Dana seufzte und lächelte schwach. “Tut mir leid. Ich wollte nicht so rührselig klingen.”

Will erwiderte ruhig: “Manchmal tut einem ein bisschen Selbstmitleid ganz gut. Aber das ist nicht Ihr Problem in Bezug auf Callie.” Er strich sich übers Kinn. “So wie ich die Sache sehe, sollten Sie Callie gegenüber etwas lockerer und fröhlicher sein. Sie weiß, dass Sie sie lieben. Aber sie muss auch wissen, dass Sie sie verstehen.”

“Manchmal gelingt mir das nicht.”

“Weil Sie sie als taubes Kind betrachten und vielleicht zu sehr behüten wollen. Versuchen Sie, sie als Kind zu sehen. Lassen Sie es zu, dass sie ihre Schwingen ausprobiert.”

Dana wurde ärgerlich. “Sie können ja gar nicht wissen, wie man sich als Elternteil fühlt. Vor allem als Elternteil eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen.”

Ein Schatten huschte über Wills Gesicht. “Da haben Sie recht.”

“Callie ist mein Leben. Ich bin für sie verantwortlich.”

“Und Sie würden alles tun, um sie zu beschützen.”

“Weil ich Angst habe, dass sie verletzt werden könnte.”

“Sie wird innerlich viel mehr verletzt sein, wenn Sie sie nicht sie selbst sein lassen.”

“Wieso glauben sie, dass Sie hier der Experte sind, Will?”

Nach einem Moment antwortete er: “Mir ist meine Freiheit immer sehr wichtig gewesen. Und ich vermute, dass sie für Callie ebenso wichtig ist.”

“Was ist Ihnen denn außerdem noch wichtig?”

Will lächelte, doch erneut lag ein Anflug von Trauer in seinen Augen. “Ein gutes Essen. Sie können mich jederzeit gern wieder einladen.”

Danas Ärger schwand. Sie trat an das Regal neben der Stereoanlage und strich mit den Fingerspitzen den Rahmen einer Fotografie entlang. Zärtlich betrachtete sie das kleine Wesen darauf, mit dem zahnlosen Lächeln und den abstehenden rotblonden Haaren. Ihr süßes Baby.

“Das war Callie mit sechs Monaten - bevor sie so krank wurde.” Sie sprach mit dem Rücken zu Will. “Als sie etwas über ein Jahr alt war, bekam sie eine Hirnhautentzündung. Wochenlang lag sie im Krankenhaus und hat um ihr Leben gekämpft.” Mühsam holte Dana Atem und fuhr dann fort: “Als ich sie endlich wieder nach Hause holen durfte, dachte ich, das Schlimmste sei vorbei. Doch wie sich herausstellte, war es erst der Anfang gewesen. Die Ärzte sagten uns, welche Folgen die Krankheit haben könnte, und als sie zwei wurde, merkten wir, dass sie ihr Gehör verloren hatte. Ich habe sie nur einige wenige Male Mom sagen hören. Und das ist schon so lange her.”

Will trat hinter sie, doch da sie befürchtete, bei seinem Mitgefühl ihre Selbstbeherrschung zu verlieren und zu weinen, hielt sie ihren Blick weiterhin auf das Regal gerichtet. “Nach der Scheidung haben wir sie in das Internat geschickt. Es hat eine wirklich gute Gehörlosenschule. Callie ist gerne dort. Rob zahlt die Schulgebühr. Davor hatten wir unsere eigene Methode, uns zu verständigen. Seitdem versuche ich, die Gebärdensprache zu erlernen. Callie ist sehr geduldig mit mir, aber ich habe einfach nicht genug Übung, weil sie zu selten hier ist. Und in den vergangenen anderthalb Jahren hat sie so viel gelernt.”

Will drehte Dana zu sich herum und zeichnete mit raschen, aber deutlichen Bewegungen etwas in die Luft.

“Ich verstehe nicht”, meinte sie.

Er lächelte. “Sehen Sie, wie viel Ihnen dadurch entgeht? Denken Sie nur an all das, was Callie Ihnen schon erzählt hat und was Sie nicht verstanden haben. Aber Sie könnten das ändern.”

Dana wusste, dass er recht hatte, aber die Aufgabe schien ihr beinahe unlösbar. “Die Gebärdensprache gut zu erlernen, kann Jahre dauern.”

“Kommt auf den Lehrer an.”

Hoffnung regte sich in ihr. “Wollen Sie damit ausdrücken, dass Sie bereit wären, es mir beizubringen?”

“Sind Sie bereit, es zu lernen?”

“Ich nehme an, Sie könnten mir noch zusätzlich etwas berechnen, falls ich Ihr Angebot annehme.”

“Ich habe nicht vor, Ihnen etwas dafür zu berechnen. Alles, was Sie tun müssen, ist, genau zu beobachten, als müssten Ihre Augen Ihr Gehör ersetzen.”

“Nun, probieren könnte ich’s.” Doch sie hatte Angst zu versagen und damit nicht nur Callie, sondern auch Will zu enttäuschen.

“Denken Sie drüber nach”, meinte Will. “Und noch etwas. Vieles, was Sie brauchen, steht in keinem Buch. Diese Sachen werde ich Ihnen auch gern beibringen.” Er grinste jungenhaft, und wie schon einmal machte ihr Herz sofort einen Satz.

Will nahm nun seinen Hut und sagte freundlich: “Ich denke, ich gehe jetzt besser.” An der Tür blickte er noch einmal durch die riesige Halle. Dann sah er Dana an. “Warum kommen Sie und Callie morgen nicht einfach vorbei, und wir reiten nur zum Vergnügen?”

“Das geht nicht. Callie ist an diesem Wochenende bei ihrem Vater.”

“Dann kommen Sie doch.”

Den Samstag mit Will zusammen zu verbringen, erschien Dana sehr verlockend - allerdings auch äußerst unklug. “Normalerweise versuche ich immer etwas Arbeit zu erledigen, wenn Callie weg ist”, antwortete sie ausweichend.

“Am Samstag zu arbeiten ist doch nur was für verstaubte Bürohengste”, gab Will zurück, “Meistens jedenfalls. Manchmal mache ich samstags auch ein paar Hufschmiedearbeiten.”

Verblüfft starrte sie ihn an. “Sie können Pferde beschlagen?”

“Ich habe ein paar Kunden. Das Geld kann ich ganz gut gebrauchen. Aber morgen bin ich frei wie ein Vogel.”

“Sie sind ein Mann mit vielen Talenten.”

“Ja, mit ein paar.” Sein umwerfendes Lächeln könnte bedeuten, dass er in gewissen Dingen ein wahrer Meister war. “Sie kommen also? Dann hätten Sie auch Gelegenheit, ein paar Zeichen zu lernen. Wir können es ja langsam angehen.”

Ihr Verstand sagte Dana, der Versuchung aus dem Weg zu gehen. Doch ihr Herz sagte ihr, dass sie das Risiko eingehen sollte. Sie trat einen Schritt zurück und lehnte sich an die Wand. “Aber ich verspreche nicht, dass ich auf ein Pferd steige.”

“Versprechen Sie nur, dass Sie kommen werden.”

“Okay. Wann?”

Will lächelte erneut. “Nach dem Mittagessen. Und noch etwas …”, er stützte eine Hand neben ihrem Kopf an die Wand und beugte sich zu ihr, “… ziehen Sie Jeans an.”

Sie stieß die Luft aus, die sie unwillkürlich angehalten hatte. “Das wird sich machen lassen. Bei der Gebärdensprache bin ich mir da nicht so sicher.”

“Hier ist Ihre erste Lektion.” Er zeigte auf sie, legte dann die Fingerspitzen an sein Kinn und öffnete die Hand, während er entgegen dem Uhrzeigersinn einen Kreis um sein Gesicht beschrieb. Sein Blick glitt langsam zwischen ihren Augen und ihrem Mund hin und her, was ihr einen sehr angenehmen Schauer über die Haut sandte.

“Was haben Sie gesagt?”, fragte sie atemlos.

Er neigte sich dicht zu ihrem Ohr, sodass sie seinen warmen Atem an ihrem Hals spürte und den herben Duft seines Rasierwassers wahrnahm.

“Morgen”, flüsterte Will. “Morgen werde ich es Ihnen sagen.”

Am nächsten Vormittag um elf klingelte es an der Tür. Wie immer war Rob fast eine Stunde zu spät dran. Dana hingegen, die nicht sehr gut geschlafen hatte, war schon sehr früh wach gewesen. Sie war mit Callie frühstücken gegangen, und danach hatten sie einen kurzen Abstecher ins Einkaufszentrum gemacht, um für sie beide Jeans zu kaufen. Dana hatte sich ihrer Tochter so nah gefühlt, wie schon lange nicht mehr.

Wieder klingelte es.

Dana eilte hinunter, erstaunt, dass Callie ihr nicht folgte. Vielmehr blieb sie oben am Geländer stehen, die Tasche zu ihren Füßen, und warf ihrer Mutter einen niedergeschlagenen Blick zu.

Nur zwei Tage, Schätzchen, hätte Dana sie am liebsten getröstet.

Sie blickte durch den Spion. Robert Barrett Landry III. stand auf der Schwelle, jedes einzelne braune Haar an Ort und Stelle, ein künstliches Lächeln, das seine sündhaft teuren Jacketkronen in seinem Gesicht aufblitzen ließ, dessen Bräune vom regelmäßigen Tennisspielen im Freien herrührte. Und neben ihm stand Gloria, seine neue Frau, den Arm bei ihm eingehakt.

Barbie und Ken - das ideale Paar, dachte Dana, wie es in fast allen Werbeanzeigen für Gartenmöbel präsentiert wird. Oh, wie schön. Sie riss die Haustür auf. “Etwas spät, nicht wahr?”

“Fang nicht schon wieder damit an, Dana.” In Kakihose und hellrosa Polohemd betrat Rob selbstsicher die Eingangshalle, von Kopf bis Fuß der erfolgreiche Architekt.

Die perfekte Gattin trat hinter ihm ein. “Hallo, kleine Maus”, brüllte Gloria. “Wir haben heute was Schönes mit dir vor.”

Dana hatte bereits mehrfach versucht, ihrer Nachfolgerin begreiflich zu machen, dass Callie nichts hörte, gleichgültig wie laut sie redete. Doch Gloria ließ sich nicht beirren. Vermutlich hat das Wasserstoffsuperoxid schon ihre Gehirnzellen zerstört, dachte Dana. Wenn sie überhaupt jemals welche besessen hat.

“Wie geht es dir, Gloria?”, fragte sie und war bemüht, ihre Feindseligkeit zu unterdrücken.

Gloria klopfte sich auf den runden Bauch und verzog die perfekt geschminkten Lippen zu einem Lächeln. “Ausgezeichnet, danke. Das Baby strampelt ganz schön in letzter Zeit.”

Neid regte sich in Dana. Nicht weil Gloria ein Kind von Rob erwartete, sondern sie beneidete sie um die Schwangerschaft als solche. Sie schaute zu Callie, die wiederum Rob ansah, der ihr nun den Kopf tätschelte, wie man seinen Lieblingshund tätscheln würde.

“Hallo, Mäuschen.”

Nach einem flüchtigen Gruß ließ Callie die Hände sinken.

Rob wandte sich an Dana. “Gloria fährt sie am Montag zur Tagesstätte. Auf diese Weise kann sie zweimal bei uns übernachten.”

Ärger schoss in Dana hoch. “Ich dachte, wir hätten ausgemacht, dass du sie Sonntagabend zurückbringst.”

“Wir haben Karten fürs Ballett.” Er blickte zu Callie hinunter. “Du magst doch Ballett, Mäuschen, oder?”

Callie zuckte die Achseln und griff dann mit einem hörbaren Seufzer nach ihrer Tasche.

Dana kniete sich vor sie, sodass sie mit ihrer Tochter auf gleicher Augenhöhe war. “Ich werde dich vermissen, mein Schatz.”

Stirnrunzelnd buchstabierte Callie Wills Namen.

Dana gab ihr einen Kuss auf die Wange. “Ich bestelle ihm Grüße, und Pete drücke ich ganz fest von dir.”

Mit einem trostlosen Lächeln wandte Callie sich ab und nahm zögernd die Hand ihres Vaters.

Dana richtete sich auf und bemerkte Robs missbilligenden Blick.

“Wer ist Pete?”, wollte er wissen.

“Ein Pferd. Callie nimmt Reitstunden. Und ich gehe heute reiten.”

Rob maß sie von oben bis unten, als betrachte er eine fehlerhafte Blaupause. “Oh. Das ist also der Grund für deinen neuen Look.” Seine vor Sarkasmus triefende Stimme zeigte ihr, dass sie genauso gut einen Pappkarton anhaben könnte.

“Ist ja nur für heute”, erklärte sie, obwohl sie gar nicht wusste, weshalb. Schließlich war sie ihm keinerlei Erklärungen schuldig.

“Es ist mir egal, wie du dich kleidest, Dana. Aber Callie wird sich anständig anziehen. Du hast ihr doch ein paar von ihren schönen Sachen eingepackt, oder?”

“Das tue ich immer.”

An Gloria gewandt, meinte er: “Wir fahren erst nach Hause. Da kann sie sich umziehen. Mutter erwartet uns nicht vor zwei Uhr.”

Arme Callie. Ein Tag in Gegenwart von Lady Landry, Barrakuda und Gesellschaftskönigin.

Als sie Rob und Gloria und ihrem Kind hinterherblickte, verspürte Dana den kaum zu bezähmenden Drang, Callie wieder ins Haus zurückzuziehen und den beiden ins Gesicht zu sagen, dass sie die Gesellschaft ihrer Tochter überhaupt nicht verdient hätten. Doch stattdessen schloss sie die Tür und dachte an Will, in der Hoffnung, dass dort nicht noch mehr Schwierigkeiten auf sie warteten.

Junge, Junge. Will schob seine Baseballkappe mit dem Pro-Rodeo-Logo nach hinten, um sich zu vergewissern, dass er keine Gespenster sah. Nein, es war Dana, zweifellos. Nur dass sie heute Jeans trug und ein kurzes Top in Knallpink mit einem Reißverschluss vorn, das sowohl bauchfrei war als auch oben tiefe Einblicke gewährte.

Wow, dieser Reißverschluss verhieß eine Menge Spaß.

Reiß dich zusammen, Mann, sagte er sich, doch es war nicht leicht. Dana schien geradewegs seinen erotischsten Fantasien entstiegen zu sein. Aber das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Immerhin hatte er ihr ja nahegelegt, Jeans zu tragen. Und wie sie die nun trug - hauteng umschlossen sie ihre schlanken Beine.

Mit einem strahlenden Lächeln kam sie auf ihn zu und wies zur Sonne. “Ein herrlicher Tag.”

“Ja. Perfekt.” Aber nicht so perfekt wie sie.

Schweigend standen sie einen Moment voreinander.

“Sieht aus, als seien Sie bereit für einen Ausritt”, sagte er.

“Ich mache mit, wenn Sie mitmachen.”

Er lächelte zufrieden. “Also kriege ich Sie doch noch auf ein Pferd.”

“Aber vergessen Sie nicht, es ist schon sehr lange her. Sie müssen Geduld mit mir haben.”

Geduld? Ihm gelang es kaum, den Blick von ihrem wohlgeformten Körper loszureißen. “Folgen Sie mir.” Er wies zum Stall und versuchte, die erotischen Bilder abzuschütteln, bei denen ihm so heiß geworden war, als hätte er sich an einem Brandeisen verbrannt. “Sie können auf Pete reiten. Ich nehme einen meiner älteren Zöglinge.”

Als er ihr zum Stall voranging, fragte Dana: “Auf welchen Reitplatz gehen wir?”

Er trat zu Pete und schnallte den Sattelgurt enger. “Wir reiten aus. Marge hat ungefähr zwanzig Morgen Land. Das wird den Pferden gut tun.” Jede Menge Platz und weit und breit keine Zivilisation. Niemand, der sie stören könnte. Ein höchst reizvoller Gedanke.

Sobald er den Wallach für Dana startklar gemacht hatte, reichte er ihr die Zügel. “Wir führen die Pferde erst raus und steigen dann draußen auf.”

Vorsichtig nahm sie die Zügel entgegen und beäugte Pete misstrauisch. “Er läuft doch nicht einfach mit mir los, oder?”

Er warf einen Blick auf ihre Turnschuhe. “Falls Sie keine Spikes an ihren Schuhen haben, dürfte das wohl kaum passieren.”

Sie errötete leicht. “Passendere Schuhe habe ich nicht.”

Er sattelte sein Pferd. “Schon gut. Wir reiten nur Schritt, ganz langsam.”

Erleichtert fasste sie sich an die Kehle. “Gut, ich mag es langsam.”

Im Allgemeinen war er keiner von der langsamen Sorte, aber bei Dana würde er eine Ausnahme machen. Er zog Tina, die dreijährige Stute, die er als Rodeopferd ausbildete, am Zügel und führte sie hinaus in die Sonne. Dana folgte Will, schaute jedoch immer wieder argwöhnisch zu Pete zurück, der den Kopf gesenkt hatte und mit der Nase die Grasbüschel untersuchte, die auf der kiesbestreuten Auffahrt wuchsen.

“Ziehen Sie seinen Kopf hoch und halten Sie ihn in Bewegung”, meinte Will, als Pete schließlich die Oberhand gewann. “Zeigen Sie ihm, wer der Boss ist.”

Dana zerrte an den Zügeln, jedoch ohne Erfolg. “Er ist viel größer als ich. Deshalb ist er der Boss.”

Pete reagierte zwar, ließ sich dabei aber viel Zeit.

Will schmunzelte. “Er ist harmlos. Und normalerweise mag er Frauen. Er ist bestrebt zu gefallen, wenn man ihn erst mal kennengelernt hat.”

“So wie sein Besitzer?”, fragte Dana lächelnd.

“Was er weiß, hat er von mir.”

“Darauf wette ich.”

An der Weide legte Will die Zügel der Stute über das Tor, nahm Dana Petes Zügel aus der Hand und wickelte sie um den Sattelknopf. “Soll ich Ihnen beim Aufsteigen behilflich sein?”

Danas Blick ging vom Pferderücken zum Steigbügel. “Es ist ziemlich weit bis da oben. Ich schätze, ich könnte etwas Hilfe gebrauchen.”

“Stecken Sie Ihren Fuß so weit wie möglich in den Steigbügel, packen Sie den Sattelknopf, und dann gebe ich Ihnen noch einen kleinen Schubs.” Will trat hinter sie. “Aber ohrfeigen Sie mich nicht, wenn ich das tue.”

Dana griff nach dem Sattelknopf und warf Will einen Blick über die Schulter zu. “Wieso sollte ich?”

Will spürte, dass ihm das Blut in die Wangen stieg. “Ich muss dabei meine Hand an Ihren Po legen. Ich wollte Sie bloß gewarnt haben.”

“Oh, danke.”

Da auch der Steigbügel für Dana ziemlich hoch hing, half Will ihr mit dem Turnschuh hineinzukommen. Danach umfasste er ihren Po und hob sie empor.

“Das war gar nicht so schlimm”, erklärte Dana.

Für sie nicht, nein. Doch er war ein wenig benommen von der Berührung ihres Pos, die er so bald nicht vergessen würde. Selbst durch den Jeansstoff hatte er gespürt, wie warm ihr Körper war. Nachdem er Danas Steigbügel gerichtet hatte, öffnete er das Tor und saß ebenfalls auf. Er lenkte die Stute voran, und Pete folgte ihr lammfromm.

In leichtem Schritt ging es über die Weide, vorbei an hohem Gras und mehreren Zedern, zu dem kleinen Bach, an dem er gern saß, um nachzudenken. Nicht dass er in letzter Zeit allzu viel zum Nachdenken gehabt hätte, abgesehen von seinen Finanzen und der Frage, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er sich sein eigenes Stück Land kaufen konnte, und seit neuestem - Dana Landry.

Der kleine Wohnwagen, den er von Marge gemietet hatte, war in einiger Entfernung zu sehen, und Will fragte sich, was Dana denken würde, wenn sie wüsste, dass er dort wohnte. Ein zwei Meter breiter Wagen mit abgetragenem Teppich und einem einzigen Schlafraum. Kein schicker Kamin oder eine Gourmetküche. Aber ihm genügte es, und es gefiel ihm auch so. So ein kleiner Wohnwagen machte es einfacher, weiterzuziehen, wenn die Zeit gekommen war.

Will ließ die Stute langsamer gehen, damit Dana ihn einholen konnte. Denn Pete hatte es wieder einmal nicht sonderlich eilig.

“Wie läuft’s?”, fragte er, als sie ihn erreicht hatte.

“Ganz gut. Das hier ist gar nicht so übel.”

Er warf ihr einen Seitenblick zu. “Sehen Sie. Und was sagt Ihre Mutter dazu, dass Callie reiten lernt?”

Dana schaute weg. “Meine Mutter hat Callie nicht mehr kennengelernt, und mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben.”

“Das tut mir leid.” Er konnte sich nicht vorstellen, keine Eltern mehr zu haben, auch wenn er seine nicht oft sah.

Nach einem Moment sagte Dana: “Ich habe das Gefühl, dass ich morgen früh einen ordentlichen Muskelkater haben werde.”

“Das ist nur die ersten paar Male so. Nach einer Weile gewöhnt man sich dran.”

“Und wie kommen Sie darauf, Mr. Baker, dass ich regelmäßig reiten werde?”, fragte sie mit einem herausfordernden kleinen Lächeln.

Er erwiderte ihr Lächeln. “Wegen Callie. Wenn Sie lernen, mit ihr zu reiten, werden Sie etwas Besonderes mit ihr gemeinsam haben. Etwas, wofür man keine Sprachbarriere überwinden muss.”

Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht, und er fühlte sich wie ein mieser Kerl. Weshalb muss ich sie ständig daran erinnern, dass sie mit ihrem Kind nicht in der Zeichensprache kommunizieren kann? Als ob sie das nicht von alleine wüsste, sagte er sich. Da fiel ihm wieder ein, dass er Dana ja versprochen hatte, ihr die Zeichensprache beizubringen. Er brachte die Stute zum Stehen, und Dana folgte seinem Beispiel.

“Was machen wir jetzt?”, fragte sie.

Er wickelte die Zügel um den Sattelknopf, zeigte auf eine Eiche und machte bewusst langsam einige Zeichen.

Dana zog die Nase kraus, was ihn an Callie erinnerte. “Was heißt das?”

“Haben Sie einen Teil davon verstanden?”

Sie schüttelte den Kopf.

“Ich habe gesagt, der Baum …”, er stützte den rechten Ellbogen in die linke Hand, wobei er mit den nach oben gerichteten Fingern wackelte, “… ist groß.” Um die Größe zu zeigen, spreizte er bei jeder Hand Daumen und Zeigefinger, so weit es ging, und bewegte die Hände auseinander. “Jetzt sind Sie dran.”

Dana runzelte die Stirn. “Bei Baum bin ich mir nicht sicher.”

“Sie müssen sich nur vorstellen, dass Ihr Unterarm der Stamm ist, und das Wackeln mit den Fingern zeigt die Blätter.”

“Das werde ich nie behalten. Es gibt einfach zu viele Wörter.”

“Klar werden Sie. Callie und ich können Ihnen helfen. Und im Handumdrehen werden Sie uns überflügeln.”

Will erschrak über sich selbst. Das klang fatal nach einer längerfristigen Verpflichtung. Als ob er die Absicht hätte, sehr viel Zeit mit Dana und Callie zu verbringen, was keineswegs der Fall war. Zum Herbst hin wollte er weiterziehen. Unter keinen Umständen durfte er daher zulassen, dass die beiden abhängig von ihm wurden.

“Jedenfalls”, fuhr er fort und vermied es, Dana anzusehen, “wird es bald völlig natürlich für Sie sein, sich mit Callie zu unterhalten!”

Dana seufzte. “Ich fürchte, ich bin eher ein Zahlenmensch.”

“Vielleicht”, antwortete Will und lachte leise. “Aber eigentlich macht jeder Mensch in erster Linie Gebärden.”

Während sie weiterritten, machte Will in komisch übertriebener Weise Zeichen und verband bestimmte Satzteile zu lustigen kleinen Reimen. Dana lachte ebenso viel, wie sie lernte. Tatsächlich hatte sie seit einer Ewigkeit nicht mehr so gelacht.

Aber sie spürte, dass hinter Wills unbeschwerter Fassade eine Melancholie lag, die sie nicht näher ergründen konnte. Sie wollte mehr von ihm wissen. Sie wollte wissen, wer dieser Cowboy war, der so stark und energiegeladen wirkte. Sie wollte den Mann dahinter kennenlernen. Doch sie war keineswegs sicher, ob Will ihr jemals so viel von sich preisgeben würde.

4. KAPITEL

Als sie schließlich wieder am Stall ankamen, rang Dana vor Lachen nach Luft, und alles tat ihr weh. Beinahe zwei Stunden waren Will und sie geritten und hatten nur einmal angehalten, um die Pferde am Bach zu tränken.

Dana stieg diesmal ohne Hilfe ab. Langsam wandte sie sich um und begegnete einem Blick aus Wills schokoladenbraunen Augen.

“Tut Ihnen vielleicht irgendetwas weh, Miss Dana?”, neckte er sie.

“Och, nur ein ganz kleines bisschen, vor allem meine Rückseite.” Die Zügel in der einen Hand, rieb sie sich mit der anderen den Po.

Will folgte ihrer Bewegung, und als sich ihre Blicke erneut trafen, leuchteten seine Augen. “Ein schönes heißes Bad dürfte das schnell kurieren.” Damit führte er die beiden Pferde in den Stall.

Dana sah Will beim Absatteln zu. Seine Bewegungen waren sicher und kraftvoll, die Arbeit schien ihm völlig mühelos von der Hand zu gehen, und sein geschmeidiges Muskelspiel war einfach faszinierend. Ihre Muskeln hingegen protestierten gegen die ungewohnte Anstrengung des Reitens, die sie ihnen heute zugemutet hatte, und waren total verspannt. Schließlich versuchte sie, ihren steifen Nacken zu massieren.

Will ließ die Pferde in ihre Boxen, hängte das Sattelzeug auf und wandte sich wieder zu Dana. “Ist es so schlimm?”, fragte er aufmerksam.

Sie ließ die Arme sinken. “Nein, schon in Ordnung. Wirklich. Mir geht’s gut.” Er muss mich ja für einen Jammerlappen halten, dachte sie.

In zwei langen Schritten war er bei ihr. “Drehen Sie sich um und stützen Sie sich an der Wand ab.”

“Was?” Ihre Stimme zitterte plötzlich.

Lachend strich er ihr über die Nase. “Schauen Sie doch nicht so besorgt drein. Ich werde Sie nicht überfallen und ausrauben. Ich will Ihnen bloß helfen.”

“Wie denn?”

“Drehen Sie sich um und gehen Sie einmal im Leben ein Risiko ein.”

Ihr Herz klopfte auf einmal wie verrückt. Sie hatte keine Ahnung, was Will von ihr wollte, aber sie fürchtete, es würde ihr nicht gefallen - oder zu sehr gefallen. “Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich darauf einlassen soll.”

Freundlich grinste er sie an. “Vertrauen Sie mir, Dana.”

Aus irgendeinem Grund tat sie das sogar, und nachdem sie tief Luft geholt hatte, drehte sie sich langsam um und drückte die Hände gegen die raue Holzwand.

“Machen Sie Ihre Haare auf und nehmen Sie sie zur Seite”, sagte Will leise an ihrem Ohr.

Zögernd löste sie ihren Pferdeschwanz und schob das Haar beiseite, und Will legte seine Hände um ihren Nacken und massierte geschickt ihre verkrampften Muskeln. Mit ihrem ganzen Gewicht stützte sie sich an die Wand, und allmählich fiel die Anspannung von ihr ab. Nach einer Weile wanderte Will mit den Händen über ihren Rücken und fuhr dabei mit den Daumen an ihrer Wirbelsäule entlang, hinauf und hinunter, sanft, aber bestimmt.

“Wo haben Sie das gelernt?” Sie ließ den Kopf nach vorn sinken, damit er ihre Schultern besser erreichen konnte.

“Reine Übungssache.”

Aber als Pferdetrainer konnte er da doch nicht viel Übung haben. “Haben Sie schon immer Pferde trainiert?”, fragte sie vorsichtig.

“Nein”, antwortete er. “Zuerst bin ich auf Rodeos geritten. Als Trainer habe ich erst später gearbeitet.”

“Ich dachte, Sie machen beides.”

Er ließ die Hände zu ihrer Taille hinabgleiten und erhöhte den Druck, während er die Muskeln ihres unteren Rückenbereichs massierte. “Nicht so wie früher, als ich bei jedem Rodeo dabei war. Jetzt bin ich schon dreißig und zu alt, um mehr als eine Sache auf einmal zu machen.”

Sie erschauerte, als er seine Hände über ihren Rücken wieder nach oben gleiten ließ und seine Fingerspitzen dabei ihre Brüste streiften. “Ich wette, Sie können mit Pferden und Frauen problemlos gleichzeitig fertig werden.”

“Nur in den seltenen Momenten, wenn die Situation es erforderlich macht”, erwiderte er leise lachend und massierte sie weiter, und sie stellte sich vor, wie er diversen Cowgirls Massagen verabreichte und dabei aussah wie eine nordische Gottheit.

Bei dem Gedanken, dass Will mit anderen Frauen zusammen war, regte sich wie schon einmal heftige Eifersucht in ihr. Sie richtete sich auf und drehte sich um. “Danke. Ich fühle mich schon viel besser.”

Er zwinkerte ihr zu und meinte: “Kann ich vielleicht noch etwas für Sie tun?”

Und da hatte sie vorhin gedacht, weiche Knie zu haben. Jetzt fühlte sie sich plötzlich dermaßen schwach, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. “Ich glaube, ich muss ins Bett.” Was für ein Unsinn, es war gerade mal vier Uhr nachmittags. Sie rieb ihren Nasenrücken und schloss die Augen. “Ich bin ziemlich erschöpft. Es war eine harte Arbeitswoche.”

“Haben Sie Kopfschmerzen?”

Noch bevor sie geantwortet hatte, legte Will behutsam die Hände um ihren Kopf und begann, sanft ihre Schläfen zu massieren.

Dana wollte protestieren, aber ihr fehlte die Kraft dazu. “Mein Kopf ist eigentlich okay”, murmelte sie. Entgegen jeglicher Vernunft schloss sie erneut die Augen. “Hmm, das fühlt sich gut an.”

Auf einmal spürte sie Wills warmen Atem an der Stirn und nahm die herbe Note seines Aftershaves wahr, die sich mit seinem ganz eigenen männlichen Duft mischte. Ich sollte mich lieber von ihm zurückziehen, dachte Dana. Doch stattdessen schaute sie zu ihm empor.

Von ihren Schläfen aus ließ Will die Finger durch ihr Haar gleiten und legte die Hand um ihr Kinn. Sanft streichelte er ihr mit den Daumen ihre Wangen und hob ihr Kinn an. “Wollen Sie wissen, was ich gestern gesagt habe?”, fragte er, und seine Stimme klang heiser.

“Hm.” Sie fühlte sich wie berauscht.

Will wiederholte das Zeichen, wobei er dieses Mal ihr Gesicht zart mit den Fingerspitzen berührte, während er einen Kreis darum beschrieb. “Ich habe gesagt, Sie sind schön.” Er strich ihr eine Strähne von der Wange. “Und, Lady, das sind Sie wirklich.”

Der Kuss traf sie völlig unvorbereitet. Dennoch teilten sich sofort ihre Lippen, und Will drang so leidenschaftlich mit seiner Zunge in ihren Mund vor, dass sich ein Gefühl glühender Hitze in ihr ausbreitete.

Empfindungen durchströmten sie, die stärker waren als jede Vernunft und sie alle Hemmungen vergessen ließen. Nichts zählte außer Wills Lippen und seinen Händen, die ihren Rücken streichelten und sich dann um ihren Po legten. Sein Kuss wurde noch intensiver, wilder und fordernder, während er sie fest an sich zog. Ihre Brüste, deren Spitzen sich aufgerichtet hatten, pressten sich an seinen Oberkörper und ihre Hüften drängten sich an seine kraftvollen Schenkel, sodass sie die Stärke seines Begehrens spürte.

Wie Feuer schoss es durch ihren Schoß, und sie wurde von tiefem Verlangen erfasst. Noch nie hatte ein Mann sie so schnell so stark erregt. Aber es war ja auch schon lange her, dass sie so geküsst worden war - wenn überhaupt jemals.

Sie wollte, dass es niemals aufhörte, sie wollte mehr. Aber Will löste sich plötzlich von ihr und trat einen Schritt zurück.

Offenbar verlegen rieb er sich das Kinn. “Sorry. Das hatte ich eigentlich nicht vor.”

Vorsichtig berührte sie ihre Oberlippe. Sie war wund. Das hatte sie schon seit der Highschool nicht mehr gehabt. “Schon gut. Ich … Es ist halt passiert. Kein Grund, sich darüber Gedanken zu machen.” Abgesehen davon, dass sie mehr wollte. Alles, was er zu geben bereit war.

Den Blick auf den Boden geheftet, nahm Will seine Baseballkappe ab. “Hören Sie, Dana, ich denke, Sie sind eine der hübschesten Ladys, die ich seit Langem getroffen habe. Sie sind nett und haben Klasse, und Sie haben ein tolles Kind.” Er blickte auf. “Ich gebe zu, Sie zu küssen, kam mir schon an dem Tag in den Sinn, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben. Aber was immer zwischen uns passiert, nun ja, ich möchte bloß, dass Sie wissen, dass ich nicht der Typ bin, der sich auf Dauer festlegt. Eher einer, der von Tag zu Tag lebt.”

Dana spürte, dass ihr die Röte in die Wangen stieg. Das ist ja albern, dachte sie ärgerlich und verschränkte die Arme vor der Brust. “Glauben Sie etwa, ich könnte versuchen, Sie zu mehr zu drängen? Dass ich eine verzweifelte geschiedene Frau bin, die Sie sofort vereinnahmt, weil Sie in der Lage sind, mit meiner Tochter zu sprechen?” Sie verdrehte die Augen. “Ich bitte Sie.”

“Das soll es ganz und gar nicht heißen. Ich glaube, Sie sind alles andere als verzweifelt. Sie haben gar keinen Grund dazu. Jeder Mann könnte sich glücklich schätzen, Sie zu bekommen.”

“Nur Sie nicht.”

“Nein. Ich nicht, nicht im Moment. Ich möchte Ihnen gleich offen sagen, dass wir Spaß miteinander haben können, aber weiter verspreche ich nichts.”

Du lieber Himmel, dachte Dana. Er hat mich einmal geküsst, und schon glaubt er, ich wäre scharf auf eine Ehe mit ihm. Ich will doch auch nichts von ihm. “Will, ich mag Sie. Mit Ihnen hat man viel Spaß, und ich bin die Erste, die zugibt, dass es für Sie spricht, dass Sie sich gut mit meiner Tochter verstehen. Aber wie ich die Sache sehe, sollten wir uns amüsieren und uns über schwerwiegendere Dinge nicht den Kopf zerbrechen, okay?”

Er setzte die Kappe wieder auf. “Einverstanden.” Dabei lächelte er so sexy, dass sie sich fast noch einmal vergessen hätte.

“Ich denke, ich fahr jetzt nach Hause”, meinte sie, obwohl dort nur Arbeit auf sie wartete.

Schweigend gingen sie nebeneinander zu ihrem Wagen.

“Dann bis Freitag, Will.”

Will steckte die Hände in die Gesäßtaschen. “Was machen Sie morgen Abend?”

“Ich weiß es noch nicht. Wieso?”

“Es gibt hier in der Nähe ein Lokal, wo sie ein verdammt gutes Barbecue machen.” Er grinste. “Na ja, eigentlich ist es nur eine kleine Bierbude. Daneben ist ein Rodeoplatz, wo ein paar von uns sich öfter zum Lassowerfen treffen. Es geht dabei mehr um den Spaß als um den Wettkampf. Ich dachte, dass vielleicht Sie und Callie …”

“Callie bleibt eine zusätzliche Nacht bei ihrem Dad.”

“Oh, na ja, Sie müssen ja nicht …”

“Ich würde sehr gern mitkommen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass Sie mich im Schlepptau haben.”

“Das tut es nicht, sonst hätte ich Sie nicht gefragt.”

“Und wann?”

Er hielt fünf Finger in die Höhe.

Sie lächelte. “Fünf Uhr. Sehen Sie, ich habe ja doch was gelernt.”

Er lachte sinnlich und meinte nur: “Ich hole Sie ab.”

Das klang für ihren Geschmack ein bisschen zu sehr nach einer Verabredung. “Können wir uns nicht dort treffen?”

“Sie würden es nie im Leben finden. Und außerdem, so hübsch Sie auch sind, wenn Sie vor einem Haufen Cowboys mit diesem Auto aufkreuzen, möchte ich lieber nicht daran denken, was dann passiert.”

Da hatte er wohl recht. “Gut, dann morgen um fünf.”

Will öffnete ihr die Fahrertür. “Kommen Sie gut nach Hause.”

Sie setzte sich seitlich auf den Fahrersitz, sodass ihre Beine noch draußen waren. “Was soll ich anziehen?”

“Was Sie anhaben, ist genau richtig. Dort geht’s ziemlich locker zu.”

“Okay.”

Will nahm ihre Hand, die auf dem Oberschenkel lag, und fuhr mit dem Daumen über die Fingerknöchel, dass sie erschauerte.

“Wir sehen uns morgen Abend”, sagte er.

Sie schwang die Beine ins Auto und ließ den Motor an, nachdem Will die Tür zugeschlagen hatte. Im Fahren schaute sie mehrmals im Rückspiegel zu ihm, bis er außer Sichtweite war.

Noch nie war ihr jemand wie Will Baker begegnet. Und auch wenn sie ihn kaum kannte, fühlte sie sich unwiderstehlich von ihm angezogen - von seiner Freiheitsliebe und seiner wilden Sinnlichkeit. Doch diese verwegene Haltung konnte sehr wohl ihr Untergang sein. Denn so sicher wie der nächste Tag vergehen würde, würde dieser Mann irgendwann aus ihrem Leben wieder verschwinden - und falls sie nicht aufpasste, ihr Herz gleich mitnehmen. Das aber durfte sie nicht zulassen.

Am nächsten Abend saß Dana nachdenklich an einem verwitterten Picknicktisch neben dem Rodeoplatz. Nachdem Will das Essen, das er sich am Longhorn Bar & Grill geholt hatte, mit ihr geteilt hatte, war er zum Rodeoplatz gegangen.

Dana bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken. Sie legte die Hände um das Bierglas, dessen kaltes Kondenswasser wenig ausrichtete gegen den Staub und die Hitze, die noch in der Luft hingen, obwohl es schon längst dunkel geworden war.

Will hatte recht gehabt. Das Lassowerfen im Team war nicht gerade aufregend, außer natürlich, wenn Will an der Reihe war. Dann wandte sie ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu. Im Augenblick saß er gerade auf Pete und legte sich geschickt das Lasso zurecht für seinen nächsten Auftritt.

Er sieht königlich aus im Sattel, dachte Dana, ein Cowboyritter, dessen Rüstung aus einem braunen Westernhemd und karamellfarbenem Lederschutz bestand, der Beine und Schenkel bedeckte. Bisher hatte Dana nur selten einen Gedanken an Cowboys verschwendet. Aber das war, bevor sie Will getroffen hatte.

Soweit sie es beurteilen konnte, hatten er und sein Partner, ein schlaksiger Junge namens Boyd, gut abgeschnitten. Jetzt in der Endrunde, so hatte Will ihr erklärt, mussten Boyd und er das andere Team in der Zeit unterbieten, um den Wettkampf zu gewinnen.

Auf ein Zeichen hin stürmte nun ein schwarzbunter Stier auf den Platz. Will trieb Pete mit den Fersen aus dem Tor, in dem er gestanden hatte, und blieb etwas zurück, bis es Boyd gelungen war, sein Lasso um die Hörner des Stiers zu werfen. Danach fing Will die Hinterbeine des Tiers ein, warf es damit zu Boden und hielt den Stier in dieser Lage. Schließlich senkte der Schiedsrichter seine Fahne.

Will wartete, bis der Stier losgebunden war und ihre Zeit verkündet wurde, und ritt dann breit grinsend und den Arm in Siegerpose erhoben durchs Tor. Kaum war er vom Pferd herunter, scharte sich die Menge um ihn. Dana musste sich fast den Hals verrenken, ehe sie ihn endlich wieder in der Nähe des Platzes erspähte. Eine Gruppe von Cowgirls umschwärmte ihn wie Bienen den Honig.

Wie konnte sie mit diesen jungen Girls in hautengen Jeans und bauchfreien Tops konkurrieren? Gar nicht, sagte Dana sich, du passt überhaupt nicht hierher. Und sie fragte sich, ob Will es nicht schon bereute, sie mitgenommen zu haben, anstatt sich ausführlich um die Frau mit den blonden Locken zu kümmern, die an seinem Arm hing und jedes seiner Worte aufnahm, als wäre es die große Offenbarung.

Will neigte den Kopf und sagte etwas zu der Blondine, woraufhin sie den Kopf hängen ließ. Dann warf sie einen Blick zu den Picknicktischen und ging achselzuckend davon.

Dana setzte sich wieder hin und gab vor, sich umzuschauen, bis sie einen dumpfen Schlag auf dem Tisch vernahm und der herbe Geruch des Seils ihr in die Nase stieg. Sie blickte zu Will auf, dessen Gesicht und Hut von einem dünnen Staubfilm bedeckt waren. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der den ganzen Tag im Dreck gespielt hatte, was ja nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war.

“Ich schätze, Sie können es gar nicht abwarten, von hier wegzukommen”, meinte er.

“Nein, es war interessant … und unterhaltsam.”

Er berührte ihre Wange. “Sie brauchen nicht zu lügen. Ich habe doch gesehen, dass Sie ein paarmal ein Gähnen unterdrückt haben.”

Sie lächelte. “Ich bin nur ein bisschen müde, das ist alles. Aber Sie waren großartig. Gewinnen Sie immer?”

Will grinste. “Nicht immer, aber oft.” Mit dem Daumen wies er über die Schulter auf Boyd, zu dem sich die Blondine gesellt hatte, die er eben verschmäht hatte. “Ich habe einen guten Partner, und das ist das Wichtigste beim Lassowerfen im Team.”

Dana stützte das Kinn in die Hand und schaute ihn an, hingerissen von dem Leuchten in seinen dunklen Augen, das von den Lampen über ihnen noch verstärkt wurde. “Sie sind zu bescheiden.”

“Nein. Ich sage bloß die Wahrheit. Gute Teamarbeit macht wieder wett, was einem möglicherweise an echtem Talent fehlt.” Er reichte ihr die Hand. “Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause, bevor Sie mir hier noch umfallen. Ich nehme an, Sie müssen morgen schon früh bei der Arbeit sein.”

“Ja, das stimmt.” Doch sie war ein bisschen enttäuscht, dass sie nicht noch eine Weile zusammen sitzen blieben und die nächtliche Atmosphäre genossen und die gedämpfte Musik, die von der Bar herüberklang.

Cowboys und Cowgirls strebten eng umschlungen zu intimeren Plätzen, die mehr im Dunkeln lagen. Beim Anblick der Pärchen, die sich gefunden hatten, stieg Sehnsucht in Dana auf, die sie nicht unterdrücken konnte, obwohl sie es versuchte.

Sie gestattete Will, ihr aufzuhelfen, und war überrascht, dass er sie nicht losließ, während sie zum Wagen gingen. Noch mehr überraschte es sie, wie sehr ihr die besitzergreifende Art gefiel, mit der er ihre Hand festhielt. Und sie mochte es sogar, dass die Leute, und besonders die Frauen, ihr nachschauten, als hätte sie das große Los gezogen.

Vielleicht hatte sie das ja auch.

Sie sprachen nicht viel auf der Fahrt; nur das Klappern des Pferdeanhängers war zu hören, wenn er über einige Steine holperte. Doch Will blickte mehrmals zu Dana, und jedes Mal, wenn dann gerade das Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Wagens über ihr Gesicht glitt, war er von Neuem von ihrem schönen Profil hingerissen.

Die letzten Kilometer fuhr Will langsamer, weil er nicht wollte, dass der Abend schon zu Ende war. Er wollte sich noch nicht von Dana verabschieden.

Als er schließlich vor ihrem Haus anhielt, stellte er den Motor ab. “Tut mir leid, dass es Ihnen heute Abend nicht viel Spaß gemacht hat.”

“Es hat mir Spaß gemacht, und ich habe viel gelernt.”

“Eine Lektion in Geduld?”

“Im Ernst, Will.” Sie sah ihn lächelnd an. “Ich habe mich sogar an das Zeichen für Kuh erinnert. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung für mich.”

Gebannt blickte er in ihre blauen Augen, die wie Kristall glitzerten, und stellte sich vor, wie sie ganz dunkel wurden, wenn er Dana küsste, bis sie vor Verlangen glühte. Und er stellte sich ihr kastanienbraunes Haar vor, das nach einer langen Nacht mit ihm total zerwühlt sein würde; am Morgen, wenn sie in seinen Armen aufwachte. Er wollte sie so sehr - viel zu sehr.

Um noch ein wenig Zeit zu gewinnen, drehte er das Radio an. Als die Klänge einer sehr romantischen Ballade den Wagen erfüllten, erwartete er halb und halb, dass Dana protestieren und eine Bemerkung über seinen Musikgeschmack machen würde. Doch sie legte den Kopf zurück und seufzte.

“Ein schöner Song”, flüsterte sie mit leicht belegter Stimme.

Er sehnte sich immer mehr danach, sie zu küssen. Bei anderen Frauen hatte er nie gezögert, sich zu holen, was er wollte. Die meisten von ihnen waren ohnehin ebenso wie er nur auf einen One-Night-Stand aus gewesen. Aber Dana war nicht wie andere Frauen. Er ahnte, dass sie sich einen Mann wünschte, der bei ihr blieb. Jemanden, der ihr Beständigkeit und Sicherheit bot, der ein guter Vater für Callie war und mit dem sie weitere Kinder haben konnte. Sie wollte mehr, als er ihr bieten konnte.

Dennoch wollte er von ihr haben, was immer sie ihm zu geben bereit war, selbst wenn es nur ein Gutenachtkuss war.

Er legte den Arm auf die Rücklehne und spielte mit einer Strähne in Danas Nacken. “Sie sehen heute sehr hübsch aus. Aber das tun Sie ja immer.”

Ein kleines Lächeln umspielte ihre roten Lippen. “All die anderen Mädchen dort waren auch sehr hübsch.”

“Süße, die können Ihnen nicht das Wasser reichen. Von denen gibt es Dutzende, Sie gibt es nur einmal unter einer Million.”

Sie senkte den Blick. “Das sagen Sie bestimmt zu all Ihren Fans.”

Er hob ihr Kinn, damit sie ihn ansah und erkannte, dass er es ernst meinte. “Das habe ich noch zu niemandem gesagt, nur zu Ihnen.”

Lächelnd rutschte Dana zu ihm herüber. Er roch ihr Parfüm und spürte die Wärme ihres Körpers. In diesem Augenblick schienen all die Unterschiede zwischen ihnen unwichtig zu sein, und er legte ihr den Arm um die Schultern und berührte ihre Lippen mit seinen, zögernd zunächst, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich zurückzuziehen. Da sie dies jedoch nicht tat, vertiefte er seinen Kuss. Ihre Lippen waren wunderbar weich, und als sie sein Zungenspiel sanft erwiderte, spielte sein Puls verrückt.

Ihre Kakishorts waren etwas verrutscht, sodass er ihre warme nackte Haut spürte, als er seine Hand auf ihren Oberschenkel legte. Sofort ließ er die Hand zu ihrer Hüfte gleiten und wollte Dana an sich ziehen. Das Lenkrad war jedoch im Weg, und so rutschte er schnell auf den mittleren Sitz und nahm Dana auf den Schoß. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und stieß ihm dabei den Hut vom Kopf. Ihm war das egal. Er war völlig auf ihren Körper konzentriert. Sie fühlte sich so wunderbar geschmeidig an, und als sie sich nun hingebungsvoll an ihn schmiegte, sog er scharf die Luft ein, weil sein Begehren außer Kontrolle zu geraten drohte.

Begierig fuhr er mit der Zunge ihre leicht geöffneten Lippen entlang, und als Dana aufstöhnte, strich er mit den Fingern über ihre Brust und tastete dabei nach dem obersten Knopf ihrer Bluse. “Dana …”

Als Antwort bedeckte sie seinen Hals, sein Ohr mit federleichten Küssen, ehe sie ihn zu einem weiteren leidenschaftlichen Kuss herausforderte. In rekordverdächtiger Zeit hatte er die obersten drei Knöpfe geöffnet, und das Blut rauschte ihm in den Ohren, als er seine Hand in ihren feinen Spitzen-BH schob, um ihre Brust zu streicheln.

Du benimmst dich wie ein Achtzehnjähriger, dessen Hormone verrücktspielen, schoss es ihm durch den Kopf, und nicht wie ein Dreißigjähriger in Gesellschaft einer Klassefrau.

Doch als er seine Hand nun wegziehen wollte, hielt Dana ihn zurück und drückte sie wieder an ihre Brust. Verblüfft merkte er, dass ihr BH sich erst spannte, dann lockerte, und begriff, dass sie ihn vorn aufgehakt hatte. Hingerissen und voller Verlangen nach Dana schob er die Körbchen auseinander und nahm ihre warmen festen Brüste ganz in die Hand. Doch auch das reichte ihm nicht. Er fuhr mit den Lippen von ihrem Mund zu ihrem Kinn und ihren Hals entlang und immer weiter hinunter bis zu ihren harten, aufgerichteten Brustspitzen. Während er mit der Zunge darüber glitt, stieß sie einen leisen Laut der Verzückung aus und drängte sich dann noch näher an ihn, als er an ihren Brustknospen saugte.

Wie weit würde sie ihn gehen lassen? Wie lange schaffte er es noch, wieder aufzuhören?

Fast hätte er seinem Verlangen nachgegeben, doch Dana hatte etwas Besseres verdient, als dass er sie hier im Wagen nahm.

So ungern er das auch tat, doch er löste sich von ihren Brüsten. “Dana, ich glaube, wir sollten lieber aufhören. Ich fühle mich nicht sehr wohl dabei.”

Errötend rutschte Dana von Wills Schoß, lehnte sich an die Beifahrertür und kaute schweigend an ihrer Unterlippe.

“He.” Will strich ihr über die Wange. “Es tut mir leid, dass ich mich so habe hinreißen lassen. Wir müssen gar nichts anderes tun, als einfach hier sitzen und uns unterhalten.”

“Dazu ist es wohl etwas zu spät”, murmelte Dana und fühlte sich ziemlich durcheinander. Sie war nie jemand gewesen, der nur nach seinem Gefühl handelte. Aber aus irgendeinem Grund schaffte Will es, dass sie vergaß, wer sie war und wo sie war. Dass sie alle Vorsicht fahren ließ und sich hemmungslos dem Vergnügen hingab.

Das Aufblenden von Scheinwerfern vor dem Haus riss Dana aus ihren Überlegungen.

Rob!

Ausgerechnet!

“Wer ist das?”, fragte Will, der sich gerade nach hinten beugte, um seinen Hut zu holen.

“Mein Exmann”, brachte Dana mühsam hervor, während sie gleichzeitig mit ihrem BH-Verschluss und den störrischen Knöpfen an ihrer Bluse kämpfte. Dann strich sie hastig ihre Haare glatt.

Hoffentlich sieht man mir nicht an, dass ich hier im Wagen herumgeknutscht habe, dachte sie. Rob brauchte wenig, um sich über sie lustig zu machen. In ihrer zerknitterten Kleidung und mit dem zerwühlten Haar lieferte sie ihm vermutlich genügend Munition für die nächsten Monate.

Als sie halbwegs wieder hergerichtet aus dem Wagen sprang, stand Rob bereits in der Auffahrt, Callie auf der einen Seite, ihre Reisetasche auf der anderen.

“Freut mich, dass du dich entschlossen hast, uns zu empfangen”, meinte er mit einem anzüglichen Grinsen.

“Ich bin gerade erst zurückgekommen.” Sie hielt seinem Blick entschieden stand. Sie hatte es nicht nötig, irgendwelche Erklärungen abzugeben. Schließlich war sie eine erwachsene Frau - auch wenn sie sich noch vor wenigen Minuten wie ein Teenager benommen hatte.

Rob hob die Brauen. “Hast du die Wirtschaftsprüfung zugunsten von Rodeos aufgegeben?”

Dana bemerkte, dass Will an der Kühlerhaube seines Pick-ups lehnte, den Hut so tief ins Gesicht gezogen, dass man seine Augen nicht erkennen konnte. Aber die zusammengepressten Lippen verrieten eindeutig Grimm.

“Er ist ein Freund, Callies Reitlehrer”, sagte Dana kurz und wandte sich nun Callie zu. “Hallo, Schatz. Was machst du denn hier?”

“Sie hat wie ein kleines Baby geheult, bis ich mich bereit erklärt habe, sie nach Hause zu bringen”, antwortete Rob an ihrer Stelle. “Und was genau ist er für dich?”

“Ich habe dir doch gerade gesagt, dass er ein Freund ist.”

Da hörte man ein Scheppern im Anhänger. Offenbar hatte Pete Sehnsucht nach seinem Stall und schlug mit den Hufen gegen die Wände.

Rob neigte sich vor und musterte den silbernen Anhänger. “Lassowerfer des Jahres des Cowboy-Verbandes”, las er laut die Aufschrift vor. “Also wirklich, Dana.” Er seufzte, als hätte er es mit einem unartigen Kind zu tun. “Ein Cowboy? Ich bin enttäuscht von dir. Cowboys waren doch sonst nicht dein Stil.”

In diesem Augenblick stieß Will sich vom Wagen ab und ging langsam auf Dana und Rob zu.

Sofort stürzte Callie sich auf ihn. Will hob sie auf, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und stellte sie wieder auf die Erde. “He, Partner, ich habe dich an diesem Wochenende vermisst.” Danach bot er Rob die Hand. “Will Baker.”

Dana stieß den Atem aus, den sie angehalten hatte, aus Sorge, dass Will handgreiflich werden würde. Das Lächeln, das er nun aufsetzte, war jedenfalls keineswegs herzlich. Doch Rob schien es nicht zu bemerken, da er damit beschäftigt war, Wills Jeans und Stiefel mit verächtlichem Blick zu begutachten.

Zögernd nahm er dann Wills dargebotene Hand und schüttelte sie kurz. “Rob Landry, Danas früherer Ehemann.”

“Ich weiß, wer Sie sind.” Wills leise, beherrschte Stimme hatte einen unüberhörbar geringschätzigen Unterton.

Rob legte leicht den Kopf zurück. Er musste zu Will aufschauen, was Dana ungemein gefiel. “Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte von Ihnen gehört, aber ich fürchte, Dana hat Sie bis heute Abend nie erwähnt. Ich nehme an, Ihre Beziehung geht nur so weit, wie sie Ihre reiterlichen Fähigkeiten betrifft.” Vielsagend blickte er auf Danas Bluse, wo sie vergessen hatte, einen Knopf zu schließen. “Aber ich kann mich auch täuschen.”

Will ballte die Fäuste und presste die Kiefer aufeinander. Wäre es nicht vor den Augen ihrer Tochter gewesen, hätte Dana nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn er Rob einen Kinnhaken verpasst hätte.

Callie starrte wie bei einem Pingpongspiel zwischen ihrem Vater und Will hin und her, und schien genau zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war.

Dane nahm sie bei der Hand. “Callie muss ins Bett.”

Rob warf Will einen argwöhnischen Blick zu. “Fährt er wieder?”

“Ja, stell dir vor …”

“Sobald ich dazu bereit bin”, schaltete Will sich ein. “Ich habe mich noch nicht richtig verabschiedet.” Damit legte er Dana den Arm um die Schulter und fasste Callie liebevoll unters Kinn. Callie kicherte.

Robs Miene verfinsterte sich schlagartig, und er herrschte Dana an: “Seit wann macht sie wieder dieses grässliche Geräusch?”

Dana glühten die Ohren, und ihr Gesicht brannte, so groß war der Zorn, der sie packte. Zum Glück strahlte Callie Will noch an und hatte die gefühllose Bemerkung ihres Vaters nicht mitbekommen.

“Sie lacht, Rob. Es könnte dir nicht schaden, das auch mal auszuprobieren.” Dana wandte sich um und lächelte Will zu. “Komm doch noch mit rein. Wenn ich Callie ins Bett gebracht habe, trinken wir noch einen Kaffee zusammen.”

Will hob Callies Tasche hoch, legte den Arm um Danas Taille und rief auf dem Weg zur Haustür über die Schulter. “Es war mir ein Vergnügen, Bob.”

“Rob, Mistkerl.”

Will verlangsamte seine Schritte, ohne sich jedoch umzudrehen. “Rob Mistkerl. Passt zu Ihnen wie die Faust aufs Auge.”

Sie gingen weiter, wobei Dana die Hand vor den Mund schlug, um ihr Gelächter zu dämpfen. Sie machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen, um Robs Reaktion zu sehen. Das war nicht nötig. Kaum hatten sie die Haustür erreicht, hörte sie die quietschenden Reifen seines Jaguars und wusste, dass Will Baker ihrem Exmann, auch ohne die Fäuste zu benutzen, einen K.-o.-Schlag versetzt hatte.

5. KAPITEL

Nachdem Will Callie eine Gutenachtgeschichte erzählt hatte, die er sich selbst ausgedacht hatte und die von einem Pferd handelte, ging sie schließlich schlafen.

Dana stand in der Küche und machte Kaffee, wobei sie sich fragte, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, Will noch einzuladen. Sie brauchte Schlaf und kein Koffein. Andererseits war sie noch viel zu aufgedreht, um sich jetzt in ihr einsames Bett zu begeben.

Sie schenkte zwei Tassen ein und ging damit ins Wohnzimmer, wo Will saß. “Nimmst du Milch oder Zucker?”

“Schwarz wäre am besten”, erwiderte er, ohne sie anzusehen.

Dana stellte ihm eine Tasse hin, setzte sich neben ihn und nippte an ihrem Kaffee, nicht ganz sicher, was nun folgen sollte. Sie warf Will einen raschen Blick zu. “Nun ja, man kann nicht behaupten, dass der heutige Abend nicht mit einem Knall geendet hat.”

“Es hätte schlimmer kommen können.” Will starrte in seine Tasse. “Wenn er noch irgendetwas über Callie oder dich gesagt hätte, hätte ich ihn k. o. geschlagen.”

“Dass dir danach zumute war, habe ich dir angesehen. Rob hat eine unnachahmliche Art, bei mir all die falschen Knöpfe zu drücken.”

“Einige von meinen hat er auch erwischt.”

Sie legte ihm die Hand auf den Arm. “Die Sache tut mir wirklich aufrichtig leid. Ich hoffe, du wirst ihm nicht noch mal begegnen.”

Will fuhr mit dem Zeigefinger den Tassenrand entlang. “Ich wollte euch keinen Ärger machen. Ich will ihm auf gar keinen Fall irgendeinen Grund dafür liefern, dass er versucht, dir Callie wegzunehmen.”

Dana lachte freudlos. “Das würde nie passieren. Er will sich nicht mit Callie belasten. Rob sieht sie kaum noch. Und was mich betrifft, wir sind nicht mehr verheiratet, also kann ich tun und lassen, was ich will.”

Will sah sie nun an. “Und was willst du, Dana?”

“Ich möchte, dass Callie ein schönes Leben hat und die Unterstützung beider Elternteile.”

“Nachdem ich deinen Ex jetzt gesehen habe, scheint mir das nicht allzu wahrscheinlich.”

“Ja, du hast ihn in seinem wahren Licht gesehen.”

“Und das hat mir nicht sonderlich gefallen.” Will stellte seine Tasse ab, zögerte kurz und fragte dann ganz offen: “Ist er dafür verantwortlich, dass Callie nicht spricht?”

“In ihrer ersten Gehörlosenschule hatten sie angefangen, ihr das Sprechen beizubringen. Aber als Rob die anderen Kinder dort gehört hatte, hat er Callie von der Schule genommen. Er dachte, sie würde traumatisiert werden, wenn Nichtbehinderte sich wegen ihres Sprechens über sie lustig machen.”

“Und wie denkst du darüber?”

Sie war sogar so weit gegangen, die Lehrer an Callies neuer Schule zu fragen, wie sie es ihr zu Hause beibringen könnte. Doch als sie es Rob erzählt hatte, hatte er sich dagegen gestellt. “Ich weiß es nicht. Vielleicht hat Rob ja recht. Ich habe auch Angst, dass sie verletzt wird.”

“Ich vermute eher, dass sie euch beide überraschen würde. Sie ist ein zähes Kind.”

Nur äußerlich, dachte Dana. Sie kannte Callies Verletzlichkeit, auch wenn Callie sie zu verbergen suchte. “Wenn sie im Herbst wieder ins Internat geht, frage ich die Lehrer noch mal.”

“Gute Idee. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.”

“Welche Frage denn?”

Will sah sie mit solcher Eindringlichkeit an, dass sie am liebsten weggeschaut hätte. “Was willst du, Dana? Für dich selbst, nicht für Callie.”

Sie überlegte einen Moment. “Ich habe alles, was ich will. Mein Leben ist durch Callie ausgefüllt.” Ihre Antwort war unaufrichtig, was Will auch zu spüren schien, denn er hakte sofort nach.

“Bist du sicher, dass das alles ist, was du dir wünschst?”

“Wenn du meinst, ob ich einen Mann und noch mehr Kinder möchte, dann hast du schon recht. Aber ein Kind wie Callie zu haben, lässt nicht viel Raum für ein Liebesleben. Außerdem bin ich nicht sicher, ob es mir all die Fragen überhaupt wert wäre, oder das Mitleid.”

Will wirkte erstaunt. “Ich nehme doch an, dass der Mann, der sich in dich verliebt, Callie automatisch akzeptieren würde. Außerdem, was ist an ihr denn nicht liebenswert?”

“Sie ist taub, Will.” Er sah aus, als hätte sie ihn geohrfeigt. “Callie braucht mich mehr als ein nichtbehindertes Kind”, fuhr sie fort. “Und ich bin ehrlich davon überzeugt, dass die meisten Männer mit einem behinderten Kind nicht umgehen können.”

Will stand auf, nahm seinen Hut von der Sofalehne und drückte ihn fest auf den Kopf. Seine Miene war undurchdringlich. “Nicht alle Männer sind gleich.”

“Natürlich nicht, entschuldige, Will. Es ist nur …” Sie senkte den Blick. “Bitte, verzeih mir. Das war unfair. Ich weiß, dass du nicht so bist.”

“Callie ist etwas Besonderes, Dana. Ich betrachte sie nicht als eine Belastung, die man irgendwo im Schrank verstecken muss.” Als sie aufschaute, hielt er ihren Blick fest. “Und sie hat auch eine ganz besondere Mom. Du hast einen guten Mann in deinem Leben verdient. Einen, der dich und Callie akzeptiert.”

Auch wenn er es nicht laut ausgesprochen hatte, war ihr klar, dass Will nicht vorhatte, diese Rolle zu übernehmen, sosehr sie es sich insgeheim auch wünschen mochte.

Sie stand auf und ging zu ihm, und als Will sie in die Arme nahm, fühlte sie sich bei ihm sofort sicher und geborgen. Das erste Mal seit Jahren war sie jemandem begegnet, mit dem sie wirklich zusammen sein wollte. Dieser liebevolle und fürsorgliche Cowboy könnte ihr Herz gewinnen - wenn sie es zuließ.

Schweigend standen sie so da, bis Will nach einem Kuss auf die Wange zurücktrat.

“Wir sehen uns dann Freitag”, sagte sie, während er zur Tür ging.

Die Hand schon an der Klinke, blieb Will stehen. Dann kam er wortlos noch einmal zurück und zog sie an sich. Dieses Mal flammte erneut die Leidenschaft zwischen ihnen auf, und er drückte die Lippen auf Danas Mund. Sein Kuss war hart und heftig, und sie erwiderte ihn mit einem Hunger, der sie selbst erstaunte. Doch sie hatte sich ja schon den ganzen Abend kaum wiedererkannt.

Will ließ sie so schnell los, wie er sie an sich gezogen hatte. “Dana, ich möchte dich wiedersehen, aber wie ich schon sagte, ich bin nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung.”

Sie legte ihm einen Finger auf den Mund. “Keine Versprechungen, weißt du noch? Ich bin erwachsen genug, um zu wissen, was ich will.”

Er steckte ihr eine Strähne hinters Ohr. “Du sollst nur wissen, dass ich dir niemals wehtun möchte.”

Dana hob das Kinn und lächelte ein wenig zittrig zu ihm auf. “Ich bin stärker, als du denkst, Will Baker.”

Sein breites jungenhaftes Lächeln ließ ihr Herz wie immer schneller schlagen. “Darauf wette ich, Dana Landry. Das ist eines der Dinge, die ich an dir mag.” Er küsste sie noch einmal sanft auf die Wange. “Bis Freitag.”

Als er hinausging, spürte sie den plötzlichen, scharfen Schmerz der Einsamkeit. Sie wollte Will zurückrufen, ihm sagen, dass sie bereit sei, das Risiko einzugehen. Heute Abend hatte sie sich so lebendig gefühlt wie schon lange nicht mehr. Sie wollte mehr - was immer er ihr geben würde. Und wenn es so weit war, würde sie ihn eben gehen lassen. Es sei denn, sie könnte ihn überzeugen zu bleiben.

In ihrer fünften Reitstunde hatte Callie beinahe schon den Trab gemeistert. Will hätte nicht stolzer sein können, wenn sie sein eigenes Kind gewesen wäre. Heute hatte Dana ihre Tochter vorbeigebracht, ohne selbst auszusteigen. Callie zufolge hatte sie Besorgungen zu machen. Jedes Mal, wenn er ein Fahrzeug kommen hörte, ertappte Will sich dabei, dass er über die Schulter schaute.

“He, das Kind wird sich noch die Hände brechen, weil sie will, dass du sie anguckst, Willy-Boy.”

Will nahm die Ellbogen vom Zaun des Reitplatzes und drehte sich um. Marge musterte ihn aufmerksam. Er sah zu Callie hin, die ihm mit Zeichen zu verstehen gab, ihr dabei zuzuschauen, wie sie Pete zu einem weiteren Trab animierte.

“Ich hab sie im Auge, Madam.”

Marge hakte ihren Stiefelabsatz in die unterste Latte. “Eben warst du noch meilenweit weg mit deinen Gedanken und hast wahrscheinlich von deinem nächsten Jackpot geträumt. Aber alles Geld der Welt wird dir nichts nützen, wenn die Kleine herunterfällt, weil du nicht aufpasst. Ihre Mutter würde dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen und dich dann verklagen und bis aufs letzte Hemd ausziehen.”

Ärger schoss in ihm hoch. “Dana ist nicht so eine.”

Marges leises Lachen klang rau und warm. “Ihr seid also schon beim Vornamen. Seit wann das denn?”

Achselzuckend erwiderte Will: “Von Anfang an. Sie ist ziemlich bodenständig, auch wenn sie nicht so aussieht.”

“Du liebe Güte, Will Baker, du wirst dich doch wohl nicht in Norddallas verguckt haben?”

“Hör auf, mich mit deinen neugierigen Fragen zu löchern, okay? Ich muss unterrichten.”

“Dann tu’s auch.”

Wenn Will geglaubt hatte, dass Marge nun gehen würde, hatte er sich getäuscht.

“Apropos Unterrichten”, fuhr sie fort. “Ich habe beobachtet, wie weit die Kleine schon gekommen ist, seitdem sie bei dir ist. Was würdest du davon halten, hier eine Art Sonderreitlehrgang anzubieten? Es würde zwar nicht sehr viel Geld dabei herausspringen, aber du könntest ja trotzdem weiterhin Pferde trainieren.”

Will schob den Hut zurück und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Von allen Vorschlägen, die Marge ihm in den letzten beiden Jahren gemacht hatte, war dies wohl der verrückteste. “Keine Chance, Madam. Ich habe genug mit dem Trainieren und den Rodeos zu tun. Mehr kann ich wirklich nicht gebrauchen.”

“Vielleicht füllt dich das, was du tust, nicht genügend aus. Willy-Boy. Das ist nämlich genauso wichtig wie der tägliche Lebensunterhalt. Ich habe den Eindruck, du könntest etwas brauchen, was deinem Leben mehr Sinn gibt. Rodeos bringen einem nur eine gewisse Form der Gesellschaft, und auch das nur so lange, bis du zu alt dafür bist. Meinst du nicht, es wäre allmählich Zeit, irgendwo Wurzeln zu schlagen?”

“Das reicht, Marge”, stieß Will zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er wusste eigentlich gar nicht, woher sein plötzlicher Zorn kam. Noch nie zuvor hatte er etwas gegen Marges Ratschläge gehabt. Doch dieses Mal hatte sie den Nagel wohl zu genau auf den Kopf getroffen. Vielleicht würde er sich irgendwann einmal eine Frau suchen, die bereit war zu akzeptieren, dass er keine Kinder wollte. Aber jetzt noch nicht. Und wenn, dann konnte diese Frau nicht Dana sein, denn sie wollte noch mehr Kinder haben. Das ging mit ihm aber nicht. Im Grunde hatte er ihr also kaum etwas zu geben.

“Wie macht sich meine Tochter heute?”

Beim Klang ihrer Stimme wandte er sich um. Dana stand hinter ihnen, die Augen gegen die untergehende Sonne mit der Hand geschützt. Ihr Anblick warf ihn förmlich um.

In ihrem pfirsichfarbenen Sommerkleid, das im Wind flatterte und dabei einen flüchtigen Blick auf ihre schön geformten Beine zuließ, sah sie einfach fantastisch aus. Er hatte sie noch nie so weiblich gekleidet gesehen. Wenn sie Callie sonst gebracht hatte, hatte sie immer strenge Kostüme getragen, und in Jeans hatte sie sexy ausgesehen. Aber heute wirkte sie wie ein Engel.

“Sie wird immer besser”, antwortete Marge auf Danas Frage.

“Die letzten paar Male hat sie es wirklich gut gemacht”, bestätigte Will. “Aber ich glaube, Pete ist müde. Er ist es nicht gewöhnt, so viel im Kreis zu laufen. Ihm ist bestimmt schon ganz schwindelig.”

“Nun, wenn sie fertig ist, ruf sie her”, meinte Dana. “Dann fahren wir gleich.”

Sie vermied es, ihn anzusehen. Will war klar, warum, wusste jedoch nicht recht, wie er die Sache angehen sollte. Dennoch, es musste sein. “Marge, kannst du Callie mit reinnehmen? Ich möchte noch kurz mit ihrer Mom sprechen.”

Augenzwinkernd gab Marge zurück: “Sicher. Lass dir ruhig Zeit. Ich nehme sie mit ins Haus und gebe ihr was zu trinken. Ihr könnt sie dann ja holen.”

Sobald Marge mit Callie losgegangen war, wandte Will sich an Dana. “Wir müssen miteinander reden.”

Sie stützte eine Hand auf die Hüfte und erwiderte: “Na dann, schieß los.”

Wortlos nahm er sie beim Arm und führte sie in den Stall der Fohlen, der zu dieser Jahreszeit leer stand.

Dana lehnte sich stirnrunzelnd an eine der Boxen. “Okay. Ich bin ganz Ohr.”

Du bist heute ganz Frau, dachte er und blickte von ihren langen Haaren, die ihr um die Schultern fielen, zu der hellen Haut an Hals und Armen, die das Kleid frei ließ.

“Willst du mich weiter bloß anstarren?”

Ihr eigensinnig vorgeschobenes Kinn brachte ihn zum Lächeln. Er nahm seinen Hut ab, strich sich das Haar glatt und setzte den Hut wieder auf. “Wie geht es dir?”

“Deshalb hast du mich hier reingezerrt? Um mich zu fragen, wie’s mir geht?” Sie verschränkte die Arme vor der Brust. “Na gut, Small Talk kann ich auch machen. Mir geht’s gut, Will. Und dir?” Ihre erhobene Stimme klang ärgerlich.

“Bist du böse auf mich?”

Sie ließ die Arme sinken. “Nein. Warum sollte ich?”

“Ich weiß, was du denkst, Dana.”

“Ach ja?”

“Du glaubst, ich bin dir aus dem Weg gegangen.”

“Stimmt ja auch.”

“Ich hatte einige Rodeos, und außerdem habe ich noch ein paar Termine für die Wintersaison kriegen können und …” Er brach ab, als er ihre ironische Miene bemerkte. “Also gut, ich bin dir aus dem Weg gegangen.”

“Und kannst du mir vielleicht auch sagen, warum?”

“Ich dachte, es wäre besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Es ging alles viel zu schnell. Und ich möchte dir nicht wehtun …”

“Glaubst du wirklich, ein paar Küsse würden ausreichen, dass ich dir zu Füßen falle wie all diese Rodeogroupies, die wie die Krähen an dir hängen?” Dana lachte kurz auf. “Ich habe ein Kind und trage Verantwortung. Ich brauche keinen Mann, um mir meinen Selbstwert zu beweisen.”

Er trat einen Schritt vor. “Das habe ich auch nicht behauptet.”

“Worum geht es dann, Will? Darum, dass du Angst vor mir hast?”

Richtig. Aber das würde er um keinen Preis zugeben. “Nein, ich habe keine Angst vor dir.”

“Dann heißt das also, dass du nicht mit mir zusammen sein willst.”

Zum Teufel, doch, ja, er wollte mit ihr zusammen sein, sie in den Armen halten, berühren, aber …

“Nun?”

“Im Moment will ich nur …” Er wollte Dana, alles andere wäre eine Lüge gewesen.

Sie lächelte zufrieden. “Es gibt Schlimmeres als ein bisschen Knistern zwischen einem Mann und einer Frau, oder?”

Ein bisschen Knistern? So wie es zwischen ihnen funkte, könnte das Heu hier in Flammen aufgehen.

Dana sah ihn unverwandt an, und er fühlte sich, als würde er in dem tiefen Blau ihrer Augen versinken. Ihre Pupillen weiteten sich. Er kannte diesen Ausdruck - das war schlicht und einfach Begehren. Sein Blick glitt zu ihren geschwungenen Lippen, dann zu ihren vollen Brüsten, deren Ansatz im Ausschnitt ihres Kleides gut zu erkennen war. Mit aller Willenskraft, die er aufzubringen vermochte, hob er den Blick wieder zu ihrem Gesicht.

Sie trat einen Schritt auf ihn zu. “Du hast mir gesagt, ich sollte mehr Risiken eingehen. Dazu bin ich jetzt bereit. Ich kenne die Bedingungen, und ich habe meine Entscheidung getroffen.” Mit der Zunge befeuchtete sie sich die Lippen und machte noch einen Schritt vorwärts. “Ich möchte mit dir zusammen sein, Will. Zu deinen Bedingungen und so lange es eben dauert.”

Wie in Zeitlupe kam sie in seine Arme. Ihre Lippen trafen sich in einem langen, heißen Kuss.

“Willst du das wirklich, Dana?”, fragte er und fuhr dabei mit den Händen über ihren Rücken bis hinab zu ihrem Po.

“Ja, Will.”

Nach ein paar kurzen Schritten hatte er Dana gegen die Box gedrückt und küsste sie erneut voller Verlangen. Durch ihr dünnes Kleid hindurch streichelte er ihren festen runden Po. Als er dann mit den Fingerspitzen zwischen ihre Schenkel glitt und sich dabei verlangend an sie presste, stöhnte sie vor Erregung auf.

Er hielt inne.

“Nicht aufhören”, flehte sie.

“Dana, du weißt ja gar nicht, was du mir antust.”

Unruhig rieb sie sich an ihm, und impulsiv schob er ihren Rock hoch und berührte nun ihren Slip. Seine Finger fanden rasch ihren Weg unter die zarte Spitze. Ihre Haut fühlte sich an wie Samt. Danas Atem ging schnell und keuchend. Er hielt sie fest an sich gedrückt, und sie küssten sich leidenschaftlich weiter, während er sich zu ihrem sensibelsten Punkt vortastete.

Dana erschauerte, als er sie behutsam liebkoste. Es machte ihn fast wahnsinnig, ihre Lust zu spüren, und er sehnte sich nach Erfüllung. Er wollte in Dana eindringen. Hier und jetzt.

Doch in diesem Augenblick rief ihn jemand. Es war Marge, und ihre raue Stimme klang schroff.

Er ließ die Arme sinken und trat einen Schritt zurück. “Sie suchen nach uns.”

Dana schob sich das zerwühlte Haar aus dem geröteten Gesicht und starrte ihn verständnislos an. “Was?”

“Marge und Callie.”

Mit fliegenden Händen zog sie ihr Kleid glatt. “Himmel, was tue ich hier?”

Schritte waren zu hören, und er warf einen raschen Blick auf Dana. Doch abgesehen von den leicht geröteten Wangen sah man ihr nicht viel an. Aber er nahm vorsichtshalber den Hut ab und hielt ihn so, dass er wie zufällig genau vor dem Reißverschluss seiner Jeans baumelte. Auch wenn er sich allmählich etwas beruhigte, wollte er bei Marges scharfen Augen lieber kein Risiko eingehen.

Marge erschien an der Stalltür. “Ein Anruf für dich, Will.”

“Sag ihnen, ich ruf zurück.”

“Es ist die Haushälterin deiner Eltern.”

“Ein Notfall?”

“Ich weiß nicht, aber sie klang eigentlich nicht aufgeregt.”

Wahrscheinlich sollte sie nur eine Nachricht von seiner Mutter ausrichten, eine tüchtige Schelte dafür, dass er sich seit über zwei Monaten nicht gemeldet hatte.

“Sag ihr, ich verspreche, sie gleich zurückzurufen”, meinte er ungeduldig und mit einem vielsagenden Blick auf Dana. “Ich habe hier noch etwas zu erledigen.”

“Also gut, aber es wird ihr nicht gefallen”, brummelte Marge und ging wieder.

Den Hut weiterhin gut platziert, wandte er sich zu Dana. “Hör zu, das, was da gerade passiert ist …”

Sie hob die Hände. “Nein, ich möchte nicht darüber sprechen. Ich bin keinen Deut besser als diese Cowgirls, die ich vorhin kritisiert habe. Ich gehe jetzt, und ich werde dich auch nicht wieder belästigen.”

Als sie an ihm vorbeigehen wollte, hielt er sie zurück. “Dana, lauf nicht weg. Ich möchte, dass du verstehst, warum das zwischen uns nicht funktionieren kann.”

Sie seufzte. “Ich weiß. Du bist der Typ, der von Tag zu Tag lebt, und du hältst mich für eine Frau, die etwas Festes sucht. Oder vielleicht hältst du mich ja auch für eine Närrin.”

Er nahm ihre Hand. “Ganz sicher nicht. Ich glaube vielmehr, du siehst etwas in mir, was nicht da ist. Ich bin nicht der Mann, den du brauchst.”

“Woher willst du das denn wissen?”

“Ich weiß es eben.”

Sie entzog ihm die Hand, und jetzt rötete sich ihr Gesicht vor Ärger. “Wovor läufst du eigentlich davon, Will? Wieso kannst du mir nicht sagen, wovor du solche Angst hast?”

Sie sah ihn an, als wollte sie ihm bis auf den Grund seiner Seele schauen. Und er sehnte sich ja auch danach, es ihr zu sagen, sich ihr anzuvertrauen. Aber sie konnte nicht auch noch seine Probleme gebrauchen. Sie hatte genügend eigene.

“Ich laufe vor nichts weg, Dana. Ich tue nur, was das Beste ist. Glaube mir.”

“Ich glaube dir überhaupt nichts”, erklärte sie, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Stall.

Mit einem Gefühl, als sei aller Atem aus ihm gewichen, ließ er sich auf einen Heuballen fallen. So hart es auch sein mochte, doch er war fest davon überzeugt, dass es wirklich das Beste für alle Beteiligten war, diese Beziehung zu beenden, noch ehe sie richtig begonnen hatte, besonders für Dana. Denn wenn sie schon Probleme hatte, mit Callie umzugehen, wie würde sie dann auf das reagieren, was ihn belastete?

Ja, Dana und er könnten ein Baby miteinander haben. Doch es bestand ein hohes Risiko, dass ihr Baby ebenfalls gehörlos sein würde.

Rastlos lief Dana auf und ab, während sie auf Rob wartete. Nicht einmal das Make-up konnte die tiefen Schatten unter ihren Augen verdecken. Sie hatte in der Nacht kaum geschlafen, sondern sich mit Gedanken an das herumgequält, was gestern im Stall geschehen war.

Sie hatte versucht, sich davon zu überzeugen, dass das, was sie von Will wollte, lediglich Sex war. Und zu Anfang hatte sie das ja auch wirklich geglaubt. Doch mittlerweile sehnte sie sich danach, ihm nah zu sein; zu erkunden, was ihm solche Angst machte und weshalb ihr Herz jedes Mal schneller schlug, wenn sie in seine dunklen seelenvollen Augen blickte. Weshalb sie glaubte, er könnte die Leere füllen, mit der sie seit Jahren lebte, sogar schon lange bevor Rob sie verlassen hatte. Doch Will blieb beharrlich dabei, keine feste Beziehung mit ihr zu wollen. Wahrscheinlich war sie nicht Frau genug, um ihn zu einem Sinneswandel zu bewegen. Sie war auch nicht Frau genug gewesen, um Rob davon abzuhalten, sich eine Neue zu suchen.

Es klingelte, und Dana schüttelte ihre düsteren Gedanken ab. Auf dem Weg zur Haustür schaute sie zur Treppe, doch Callie war nicht da. Vermutlich hatte die niedergedrückte Stimmung ihrer Tochter heute Morgen damit zu tun, dass sie keine Lust hatte, ihren Vater zu besuchen. Sie wollte ja auch nicht, dass Callie ging, aber sie hatten keine Wahl.

Rob war allein. “Wo ist Callie?”, fragte er, wobei er sich an ihr vorbeidrängte.

“Oben. Ich hole sie.”

“Noch nicht”, erklärte er in seinem üblichen befehlshaberischen Ton. “Ich möchte mit dir über unsere Tochter sprechen. Du verhätschelst sie zu sehr, und das muss aufhören.”

“Ich liebe sie, Rob. Ich gebe ihr nur das, was jede Mutter ihrem Kind geben würde.”

“Ja, einem normalen Kind”, entgegnete er. “Aber Callie ist nicht normal oder zumindest nicht so normal, wie sie es sein könnte. Sie ist launisch und verzogen. Ich habe mit den Betreuern der Kindertagesstätte gesprochen, und sie haben mir gesagt, dass sie ihre Aufgaben nicht erledigt. Stattdessen sitzt sie den ganzen Tag herum und malt Pferde.” Rob hob die Stimme. “Und ich bin sicher, dass dein Cowboy etwas damit zu tun hat.”

“Er ist nicht mein Cowboy”, sagte sie scharf, “und Callie hat Pferde schon immer geliebt.”

“Deinetwegen.”

“Ja, meinetwegen. Wenn es nach dir ginge, würde sie mit einem Reißbrett spielen und Grundrisse zeichnen.” Dana senkte die Stimme und bemühte sich, ruhig zu bleiben. “Rob, Callie ist ein ganz normales Kind, das nicht hören kann. Sie möchte, was alle Kinder in ihrem Alter wollen, nämlich Spaß haben und spielen. Die strikten Regeln, mit denen du sie in deinem Sinn umformen willst, kann sie nicht gebrauchen, weil sie ihr nicht entsprechen. Warum kannst du das nicht einfach akzeptieren?”

“Wenn sie eines Tages ein eigenständiges Leben führen soll, braucht sie eine gute solide Ausbildung, und die kriegt sie bestimmt nicht vom Reiten oder vom Tieremalen.”

“Von deiner Einstellung kann einem schlecht werden, Rob.”

Er seufzte. “Lass uns nicht streiten, okay? Ich habe eine Entscheidung getroffen, und ich hoffe, ich kann mit deiner Zustimmung rechnen.”

“Wofür?”

“Ich melde sie in einem anderen Internat an. In Washington gibt es ein ausgezeichnetes Lehrprogramm, das von der Universität dort getragen wird. Es ist teuer, aber seinen Preis wert.”

Panik schnürte Dana die Kehle zu. Doch dann gewann ihr Zorn die Oberhand. “Eher friert die Hölle zu, als dass ich zulasse, dass meine Tochter so weit weggeschickt wird.”

“Du bist unvernünftig.”

Tränen der Angst und Wut brannten ihr in den Augen. “Ich bin ihre Mutter, Rob. Und ich mache da nicht mit.”

“Ich habe die Anmeldung schon eingeleitet.”

“Dem Scheidungsurteil zufolge haben wir in Bezug auf Callies Ausbildung beide das gleiche Entscheidungsrecht. Wenn es sein muss, bringe ich dich vor Gericht.”

“Tu, was du nicht lassen kannst, Dana. Aber jeder Richter wird einsehen, dass es sinnvoll ist, Callie auf eine bessere Schule zu schicken.”

“An dem Internat hier ist nichts auszusetzen.”

“Ich mache mir auch nicht unbedingt Sorgen um das hiesige Internat. Ich glaube nur, dass du mit dem Leben, das du momentan führst, kein gutes moralisches Vorbild für sie bist.”

“Meinst du nicht, dass du da erst mal vor deiner eigenen Tür kehren solltest, Robert? Nur weil deine Tochter vor unserer Scheidung Gloria nie in deinem Bett gesehen hat, kannst du dich deshalb noch lange nicht zum Moralapostel aufschwingen.”

“Und wenn du die Beine für einen Cowboy breit machst, kannst du das genauso wenig.”

Glühender Zorn packte Dana. “Du hast nicht das geringste Recht, mir vorzuschreiben, wie ich zu leben habe, verstanden!” Mit dem Zeigefinger stach sie ihm fast ins Gesicht. “Und ich werde mich in dieser Sache gegen dich stellen, darauf kannst du Gift nehmen!” Aus den Augenwinkeln sah sie Callie auf der untersten Treppenstufe sitzen. Tränen tropften auf ihre glänzenden schwarzen Lackschuhe.

Langsam ließ Dana die Hand sinken. “Callie, Schätzchen?” Sie ging zu ihr und schloss sie in die Arme. Ihre Tränen vermischten sich mit denen ihrer Tochter. Tränen der Scham darüber, dass sie die Beherrschung verloren und ihr Kind offenbar erschreckt hatte. “Daddy und ich hatten nur eine kleine Auseinandersetzung, das war alles.”

Callie schniefte, und Dana küsste sie auf die tränenverschmierte Wange. Dann schaute sie zu Rob, der die Brauen missbilligend zusammengezogen hatte.

Er räusperte sich und blickte auf Callie herunter. “Fertig, Süße?”

Callie nickte und griff nach ihrem rosa Köfferchen. Beim Aufstehen sah sie zu Dana hoch und lächelte, als wollte sie sagen: Es ist alles okay, Mom.

Dana unterdrückte ein Schluchzen.

Sobald Callie aus der Tür war, drehte Rob sich noch einmal zu Dana um. “Wenn du sie weiter so übertrieben bemutterst, wird sie nie irgendwelche Fortschritte machen.”

“Was ist daran falsch, sie zu trösten? Sie hatte Angst.”

“Deinetwegen.”

“Na klar, du hattest natürlich nichts damit zu tun.”

Dana wollte die Tür zudrücken, doch Rob hinderte sie daran.

“Ach ja, und übrigens, Dana, du solltest dich ab jetzt lieber in Acht nehmen. Richter stehen Frauen, die in wilder Ehe leben, nicht sehr wohlwollend gegenüber, vor allem, wenn es sich bei den Männern um nutzlose Cowboys handelt.” Rob lächelte selbstgefällig. “Einen schönen Tag noch.”

6. KAPITEL

Nachdem Dana den größten Teil des Tages ziellos durch die Gegend gefahren war, fand sie sich irgendwann auf der vertrauten Auffahrt mit dem weißen Lattenzaun wieder.

Obwohl die Stimme der Vernunft sie warnte, hielt sie vor dem Fachwerkhaus hinter den Ställen an. Eigentlich sollte sie nach Hause zurückfahren. Aber sie musste einfach mit jemandem reden, der sie verstehen würde. Und Will würde verstehen.

Dana stieg aus und ging zum Haus. Die rostige Fliegengittertür quietschte, als sie sie aufstieß. Nach zweimaligem Klopfen erschien Marge in einem abgetragenen Bademantel, in der einen Hand das Reitpferd-Journal, in der anderen eine Bierdose.

Neugierig musterte sie Dana von oben bis unten. “Mrs. Landry, was kann ich für Sie tun?” In ihren ausgefransten, abgeschnittenen Jeans und dem ärmellosen Top wirkte sie auf Marge ziemlich ungewohnt.

“Verzeihen Sie, dass ich so spät noch störe, aber ich suche Will Baker. Können Sie mir sagen, wo er wohnt?”

Marge beugte sich aus der verwitterten Tür und zeigte die Richtung an. “Den Feldweg da hoch. Es ist der einzige Wohnwagen dort. Sie können ihn gar nicht verfehlen.”

Dana konnte in der Dunkelheit nichts erkennen. “Wissen Sie zufällig, ob er zu Hause ist?”

“Ich habe ihn vor ungefähr einer Stunde zurückkommen hören. Ich nehme an, er war wieder auf irgendeinem Rodeo.”

“Dürfte ich vielleicht Ihr Telefon benutzen? Ich möchte nicht in irgendetwas reinplatzen.”

Marge lächelte verständnisvoll. “Es ist schon spät, also ist er vermutlich allein. Abgesehen davon, hat er gar kein Telefon. Aber er hat sicher nichts dagegen, wenn Sie vorbeikommen.”

“Dann werde ich mal schauen, ob er noch wach ist”, meinte Dana. “Vielen Dank für Ihre Hilfe.”

“Kein Problem.”

Als Dana sich zum Gehen wandte, hörte sie Marges rauchige Stimme hinter sich. “Er ist ein guter Mann, Mrs. Landry.”

Dana drehte sich noch einmal um. “Ich weiß.”

Marge warf ihren langen Zopf über die Schulter und verscheuchte eine hartnäckige Motte. “Er schleppt eine ganze Wagenladung voll Kummer mit sich herum und könnte ein bisschen Wärme gebrauchen. Aber was er ganz sicher nicht braucht, ist, dass ihm jemand noch mehr wehtut.”

“Ich verstehe”, erwiderte Dana. “Ich möchte ihm auch nur etwas sagen. Es ist wichtig.”

Marge nickte wissend. “Sie müssen mir nichts erklären. Es geht mich ohnehin nichts an.”

Dana stieg nun rasch wieder in ihren Wagen und fuhr in die angegebene Richtung, ehe sie es sich womöglich noch einmal anders überlegte. Sie musste mit Aufblendlicht fahren, um die schmale Piste zu finden. Schließlich kam sie an eine Reihe von Zedern, die als Abgrenzung zu dem Gelände dahinter dienten. Direkt hinter den Bäumen erblickte sie Wills Pick-up und den Anhänger neben einem kleinen Wohnwagen.

Dana ließ ihr Auto stehen und suchte sich im matten Schein des Lichts, das aus dem Vorderfenster des Wohnwagens fiel, einen Weg über den steinigen Boden zu der Holztreppe, die zur Tür hinaufführte. Einen Augenblick zögerte sie, dann holte sie tief Atem und klopfte. Keine Antwort. Sie klopfte wieder und wartete. Grillen zirpten in der Ferne, und die Blätter raschelten im Wind. Doch aus dem Wohnwagen drang kein Laut. Weder Fernseher noch Radio. Nichts.

Nachdem mehrere Sekunden verstrichen waren, drehte Dana sich um und wollte zu ihrem Wagen zurückgehen. Falls Will da war, wollte er offenbar nicht gestört werden. Da hörte sie das Quietschen einer Tür.

“Ich bin hier, Dana.”

Sie wandte sich um und sah Wills Silhouette in der Wohnwagentür - groß, dunkel und einschüchternd. Entschlossen straffte Dana die Schultern und ging zu ihm. Als sie vor ihm stand, richtete sie den Blick nach unten auf die Holztreppe. “Ich … ich wollte mit jemandem reden, mit dir. Aber wenn du beschäftigt bist …”

“Komm rein.” Er trat zur Seite.

Ohne Will anzusehen, stieg sie die Treppe hoch und betrat den kleinen Wohnraum. ‘Klein’ war noch übertrieben. Der Raum war höchstens halb so groß wie ihre Küche. Die grüne Farbe der Möbel war abgeblättert, auf dem Boden lag ein altmodischer zotteliger Teppich in Braun, eine Zeitung war über das Sofa verstreut.

“Es ist nicht viel, aber es ist mein Zuhause”, sagte Will.

“Für einen Junggesellen ist es perfekt.”

“Setz dich doch.” Er trat an ihr vorbei und legte die Zeitung zusammen.

Erst jetzt bemerkte sie, dass er kaum etwas anhatte. Sein Haar war noch feucht vom Duschen, und der Oberkörper war nackt, sodass man die harten Muskeln seines breiten Rückens sehen konnte. Die Jeans saßen tief und umschlossen hauteng seinen festen Po. Als er sich nun zu ihr umdrehte, stockte ihr der Atem. Alles an Will strahlte reine Männlichkeit aus. Goldblonde Härchen bedeckten seine Brust und liefen in einer schmalen, dunkleren Linie über seinen flachen, muskulösen Bauch. Geflissentlich vermied sie es, tiefer zu blicken.

Wie albern, dachte Dana. Es war ja schließlich nicht so, dass sie noch nie einen halb nackten Mann gesehen hatte. Aber Rob war eher sehnig und lange nicht so muskulös. Will sah man an, dass er sich durch körperliche Arbeit in Form hielt und nicht durch Fitnesstraining im Studio.

Mit etwas weichen Knien ging Dana zur Couch und kämpfte dabei gegen das Bedürfnis an, mit den Fingern durch Wills Brusthaare zu fahren.

Will setzte sich neben sie und legte den Arm auf die Rückenlehne. “Worüber wolltest du denn mit mir reden?”, fragte er.

Sie richtete den Blick auf die Gürtelschnallen, die er bei Rodeos gewonnen hatte und auf dem Regal gegenüber aufgereiht waren. “Es geht um Callie”, erwiderte sie. “Rob will sie auf eine Schule in Washington schicken.”

Will kämmte sich mit einer Hand durchs Haar. “Und was hast du dazu gesagt?”

“Dass ich ihn eher vor Gericht bringe, als dass ich das zulassen würde.”

Will schaute zur Decke. “Und er hat gesagt, dass du das ruhig tun kannst.”

Ihr Zorn auf Rob loderte erneut auf. “Ganz genau.”

Will schaute sie an. “Vielleicht solltest du zustimmen.”

Mit einem Satz sprang Dana auf und starrte ihn entrüstet an. “Wie kannst du so etwas sagen?”

“Vielleicht würde es Callie damit besser gehen.”

Dana hatte erwartet, dass Will auf ihrer Seite sein würde und nicht auf Robs. “Ich sehe sie nur in den Sommerferien jeden Tag, und während der Schulzeit nur an jedem zweiten Wochenende. Wie kannst du da behaupten, dass es gut für sie wäre, so weit weg zu sein?”

“Dieses Tauziehen um sie zwischen dir und ihrem Dad macht ihr garantiert keinen Spaß. Wahrscheinlich bringt es sie innerlich um, und sie kann es euch noch nicht mal sagen.”

Dana stieß einen tiefen Seufzer aus. “Nein, das kann sie nicht”, murmelte sie bedrückt. “Und heute, als Rob und ich uns gestritten haben, hat sie große Angst gehabt. Aber ich habe auch Angst, sie zu verlieren, wenn sie so weit weggeht. Ich darf sie nicht verlieren …”

Ihre aufgewühlten Gefühle überwältigten sie. Sie wollte nicht, dass Will sie so sah, aber da liefen ihr schon die Tränen über die Wangen. Im nächsten Moment fühlte sie Wills starke Arme um sich, und er zog sie an seine breite Brust.

“Verzeih mir, Dana”, flüsterte er. “Ich weiß doch, wie sehr der Vorschlag deines Ex dich verletzt hat. Ich hatte kein Recht, das zu sagen.”

Unter feuchten Wimpern blickte sie zu ihm hoch. “Du kannst ja gar nicht wissen, wie es ist, wenn man fürchtet, sein Kind zu verlieren.” Sie barg das Gesicht an seiner warmen Brust und genoss den gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags an ihrer Wange. “Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe”, sagte sie leise und schluchzte. “Ich bin doch gar nicht böse auf dich.”

Will streichelte ihr Haar. “Ist schon in Ordnung. Sei ruhig böse auf die ganze Welt, wenn es dir dann besser geht.”

Sie hob den Kopf und sah die Sanftheit und Wärme in seinen Augen. Robs Kaltschnäuzigkeit und dass sie gezwungen war, Callie mit einem Vater zu teilen, der seine Tochter nicht verstand, traten in den Hintergrund, und Dana wollte in diesem Moment nur noch eins - sich Will hingeben.

Aufmerksam betrachtete sie sein Gesicht, in der Hoffnung, dass auch er sie wollte. Aber er wirkte lediglich besorgt. Doch Dana wollte kein Mitleid von Will. Sie wollte sich in seinen Armen verlieren, und wenn auch nur für dieses eine Mal. Zärtlich hauchte sie einen Kuss auf seine Kehle, übersäte seine Brust mit federleichten Küssen und atmete dabei tief den frischen Duft seiner Haut ein.

“Dana, ist dir eigentlich klar, was du da tust?”, fragte Will, und seine Stimme klang plötzlich rau und angestrengt.

“Zum ersten Mal heute weiß ich genau, was ich tue”, murmelte sie.

“Aber du …”

Er brach ab, als sie in diesem Augenblick mit der Zunge über seine Brustwarzen fuhr, und schob die Hände in ihr Haar. Sie glaubte, er würde sie wegdrücken, doch er hielt nur ihren Kopf umfasst, und sie liebkoste hingebungsvoll weiter seine Brust. Wenn sie ihm schon nicht mit Worten sagen konnte, wie viel er ihr bedeutete, dann würde sie es ihm eben zeigen. Sie konnte ihm ihren Körper schenken, ihr Herz hatte er ja schon längst. Sie konnte nur hoffen, dass er es ihr nicht brach.

Dana blickte zu ihm hoch und sagte leise: “Ich will es, Will. Ich brauche dich so sehr.”

Ihr sinnlicher Tonfall, ihre Worte ließen Will seine Zurückhaltung fast vergessen. Ich sollte diesen Wahnsinn beenden, schoss es ihm durch den Kopf, und sie nach Hause schicken. Sie ist jetzt nicht in der Lage, eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Aber was sie tat, fühlte sich so gut an.

Da beschrieb sie mit den Lippen eine Linie von seiner Brust bis hinunter zu seinen Hüften und kniete sich vor ihn. Er wusste genau, wo das hinführen würde und dass er sich nicht mehr in der Gewalt hätte.

Aufstöhnend zog er Dana zu sich hoch und drang mit der Zunge in ihren Mund vor, kaum noch in der Lage, seine brennende Leidenschaft zu kontrollieren. Er wollte Dana ganz spüren, sie überall berühren.

Will zog ihr das Hemd aus den Shorts, glitt mit der Hand unter ihren BH und umschloss ihre pralle Brust. Als er die Spitze sanft rieb, keuchte Dana leise auf. Voller Verlangen schob er sich zwischen ihre Schenkel und folgte ihr auf die Couch hinunter, als sie sich nach hinten sinken ließ.

Ohne seinen Kuss, ohne sein Zungenspiel zu unterbrechen, öffnete er ihre Shorts. Nichts spielte jetzt noch eine Rolle, es gab nur noch sie, als er in ihren Slip tastete und seine Hand um Danas zarten Venushügel wölbte. Um sich mehr Platz zu schaffen, zog er die Shorts weiter herunter. Will folgte ganz seiner Lust, wie er das bei allem tat, was ihm Spaß machte, besonders beim Sex. Doch während er sich weiter vortastete, begann er zu ahnen, wenn er mit Dana schlief, würde das sehr viel mehr bedeuten, als ihm lieb war.

Dana erzitterte, als er ihren sensibelsten Punkt erreichte, und sofort drückte Will sie dichter an sich, als befürchtete er, sie könnte es sich doch noch anders überlegen und ihm wieder entgleiten. Und er konnte sich nicht vorstellen, sie jetzt noch gehen zu lassen.

“Du fühlst dich so gut an”, murmelte er, während er sie mit dem Finger liebkoste.

In verzweifelter Sehnsucht fuhr Dana mit der Hand zu seinen Jeans und zog den Reißverschluss auf, was nicht einfach war, weil Will so erregt war. Will stand auf, streifte sich die Hose ab, warf sie beiseite und seinen Slip gleich hinterher. Dann beugte er sich wieder zu Dana und hatte ihr mit ein paar raschen Bewegungen Top und BH, Shorts und Slip ausgezogen.

Danach hielt er inne und schaute sie einfach nur an. Seine erotischen Fantasien waren kein Vergleich zu der Wirklichkeit, als Dana nun nackt und sehnsüchtig vor ihm lag. Ihre Brüste waren voll und fest, die Hüften sanft gerundet. Doch Will hatte jetzt nicht genügend Geduld, um den Anblick voll auszukosten. Später, dachte er. Im Augenblick trieb es ihn dazu, Dana zu lieben, bis nichts anderes mehr zählte als die Gegenwart mit ihren berauschenden Möglichkeiten.

Er streckte sich neben ihr auf dem Sofa aus, das für einen Mann seiner Größe entschieden zu klein war. Dann legte er erneute die Hand auf ihren Venushügel und umspielte gleichzeitig eine ihrer aufgerichteten Brustspitzen mit den Lippen. Als er daran sog, bäumte Dana sich auf, und die kleinen Laute der Lust, die sie ausstieß, steigerten seine Erregung noch mehr.

Trotzdem hielt Will sich zurück, und erst ganz zart, dann immer intensiver streichelte er Dana dort, wo sie am empfindsamsten war. Atemlos packte sie ihn bei den Schultern, um ihn zu sich zu ziehen, und sein Verlangen hätte ihn beinahe überwältigt. Er war sehr versucht, einfach alles zu vergessen, seine Verantwortung, seine Vorsicht.

Doch durch die Rodeotouren hatte er seine Lektionen gut gelernt und immer einen klaren Kopf behalten. Er konnte jetzt nicht alles außer Acht lassen für ein paar leidenschaftliche Minuten - auch nicht, wenn es in den Armen dieser wunderbaren Lady wäre.

Dana spürte, dass Will sich plötzlich anspannte. Dann fasste er sie bei den Schultern, schob sie von sich und sah sie fest an.

“Dana, nimmst du die Pille?”

Sie senkte den Blick. “Nein.”

Er seufzte. “Dann könntest du …”

“… schwanger werden.”

Seine besorgte Miene erinnerte Dana daran, dass Will keine Verpflichtungen und keine feste Beziehung wollte. Sie strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht, stand auf und begann ihre Sachen einzusammeln.

Will packte sie am Handgelenk. “Was machst du da?”

“Ich will nach Hause.” Sie entwand sich seinem Griff, schlüpfte in ihr Top und den Slip, und suchte dann vergeblich nach ihren Shorts.

Will stand nun ebenfalls auf. “Dana, bitte sag doch etwas.”

“Es gibt nicht zu sagen, außer dass es ein Fehler ist.”

In zwei Schritten war er bei ihr und schloss sie in die Arme. Sie stemmte sich gegen seine Brust.

“Es ist kein Fehler”, erklärte er. “Du bedeutest mir sehr viel, Dana.”

Sie wandte den Blick ab. “Ach ja?”

Er hob ihr Kinn und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Stirn. “Du bist sexy und wunderschön, und wenn ich dich so in meinen Armen halte, mit deinem zerwühlten Haar und nur diesem bisschen weißer Spitze an, will ich dich gleich hier und jetzt. Und zwar ganz. Aber wir müssen vorsichtig sein.”

Ich sollte jetzt besser auf der Stelle gehen, dachte Dana. Doch als sie in Wills dunkle Augen sah und er ihren Blick festhielt, wusste sie, dass es dafür zu spät war.

“Geh nicht, Dana. Bleib bei mir. Ich möchte dich lieben, die ganze Nacht lang.”

“Aber Callie …”

“Ist nicht zu Hause.”

“Marge weiß, dass ich hier bin. Es könnte ihr nicht gefallen, wenn sie morgen früh mein Auto hier sieht.”

Will lachte leise. “Marge kann sich selbst einen Mann suchen.”

Dana lächelte nicht. “Marge ist ziemlich besorgt um dich. Sie hat mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass du es nicht gebrauchen kannst, noch mehr verletzt zu werden. Stimmt das?”

“Sie ist schon eine Type. Aber sie weiß nicht alles über mich.”

Ebenso wenig wie ich, dachte Dana. “Ich würde auch gern mehr von dir wissen.”

“Komm mit ins Bett, dann zeige ich dir alles, was du wissen musst.”

Dieses Mal lächelte sie. “Eingebildet bist du ja gar nicht. Aber bist du sicher, dass du das wirklich willst?”

“Ich bin immer dann am besten, wenn ich im Sattel sitze.”

Es war sein jungenhaftes Lächeln, das den Ausschlag gab, und ihre Sehnsucht nach ihm. “Also gut. Ich bleibe.”

Will gab ihr einen Kuss auf die Wange, nahm ihre Hand und führte sie ins Schlafzimmer, das fast noch kleiner war als der Wohnraum. Neben dem Bett blieb er stehen und zog ihr ein zweites Mal Top und Slip aus, ganz langsam diesmal, wobei er der Bewegung seiner Hände mit den Lippen folgte und sich besonders ihren nackten Brüsten widmete und ihren zitternden Schenkeln.

Danach, sie schmolz schon dahin, legte er sie auf das ungemachte Bett. Doch er kam nicht gleich zu ihr, sondern wandte ihr den Rücken zu, und sie hörte das Knarren einer Schublade und dann das Rascheln von Folie.

Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie sah, dass Will noch immer an der Kommode stand. “Wir müssen es nicht tun”, sagte sie leise.

“Das weiß ich.”

“Wir könnten uns ja auch nur im Arm halten und zusammen einschlafen.”

“Ja, wenn es das ist, was du willst.”

“Nein, ist es nicht.” Sie wollte, dass er sich ihr zumindest nicht verschloss, wenn er ihr schon nicht sein Herz schenkte. Sie stand auf, ging zu ihm und schlang von hinten die Arme um ihn. “Was verschweigst du mir?”

“Nichts.” Das klang keineswegs überzeugend.

“Hast du irgendeine Krankheit?”

“Nein, das ist es nicht. Was das angeht, ist mit mir alles in Ordnung.”

“Aber etwas ist doch los, das spüre ich.”

Er drehte sich zu ihr und sah sie ernst an. “Ich möchte keine Kinder. Niemals.”

“Oh, ich habe es schon kapiert. Keine Bindungen.”

“So ungefähr.” Er fasste sie um die Schultern, und der Ausdruck seiner dunklen Augen war ebenso ernst wie verführerisch und ebenso bittend wie fordernd. “Ich möchte jetzt nicht darüber reden. Eigentlich will ich im Moment überhaupt nicht reden.”

Mit einem harten, hungrigen Kuss schnitt er weitere Fragen ab. Es war ein Kuss von so glühender Leidenschaft, dass es wie flüssige Lava durch ihren Körper strömte. Und als Will sie an sich presste, spürte Dana, dass er aufs Äußerste erregt war.

Jeder Gedanke an Vernunft löste sich in nichts auf, als er sie schwungvoll hochhob und sie wieder aufs Bett legte. Mit den Fingerspitzen umkreiste er ihre Brustknospen. Dass er sie nur ganz sacht berührte, steigerte ihre Sehnsucht aufs Äußerte, und als er langsam tiefer strich bis hinunter zwischen ihre Schenkel, verlor Dana sich in ihren Empfindungen. Sie gab sich völlig seinen zärtlichen Berührungen hin, bis sie es vor Erregung kaum noch aushielt.

Gleich darauf hatte Will für seinen und ihren Schutz gesorgt, und sein Atem ging keuchend und unregelmäßig, als er mit einer geschmeidigen Bewegung nun ganz in sie eindrang. Er füllte sie so vollkommen aus, dass ihre Vereinigung nicht nur körperlich zu sein schien. In völliger Harmonie bewegten sie sich zusammen, immer zügelloser, immer schneller. Dana wollte den Gipfel noch hinauszögern, doch dann überrollte die Lust sie, und sie hatte das Gefühl, vor Glück zu zerspringen. Und kurz darauf rief Will mit heiserer Stimme ihren Namen und sank erbebend auf sie.

Eine Weile schwiegen sie, zu erschöpft und zu aufgewühlt, um jetzt zu reden.

Schließlich wollte Will sich von Dana herunterrollen, doch sie hielt ihn fest.

“Noch nicht.”

“Ich bin zu schwer für dich”, flüsterte er heiser.

“Nein. Du fühlst dich gut an.” Dieser wunderbare Augenblick, in dem sie Will in den Armen hielt und spürte, sollte noch nicht vorbei sein.

Nach einer Weile legte Will sich dann neben sie, zog Dana an sich und streichelte ihre Schulter. “Kannst du dir in zwei Wochen ein paar Tage freinehmen?”

Dana hob den Kopf. “Wie bitte?”, fragte sie überrascht.

“Dir freinehmen, nur für ein langes Wochenende, mit mir.”

Sie überlegte. “Ich weiß nicht. Ich habe bei der Arbeit sehr viel zu tun. Und ich bin nicht sicher, ob Rob Callie länger nehmen würde.”

“Callie ist mit eingeladen.”

Hoffnung regte sich in ihr. “Wohin willst du uns denn mitnehmen?”

“Nach Hause. Das heißt, zum Haus meiner Eltern. Es ist in den Bergen, in der Nähe von Kerrville.”

“Du willst, dass ich deine Eltern kennenlerne?”

“Ja. Ich denke, es wäre vielleicht gut, wenn du mal ein bisschen rauskommst.” Will strich ihr das Haar aus der Stirn. “Wenn du es einrichten kannst, könnten wir Freitagmorgen losfahren. Die nächsten beiden Wochenenden bin ich nicht in der Stadt, sondern auf zwei Rodeos. Zu Callies Reitstunden werde ich natürlich da sein, aber ansonsten bin ich ziemlich beschäftigt.”

“Ich schau mal, was sich machen lässt. Nach meinen vielen Überstunden müsste ich eigentlich einen freien Tag bekommen können.”

“Gut.”

“Was werden deine Eltern denken, wenn du eine geschiedene Frau und ihre Tochter mitbringst?”

“Sie werden Callie lieben.” Will grinste. “Und dich werden sie tolerieren.”

Dana zog ihm das Kissen unterm Kopf weg und tat, als wollte sie ihn damit schlagen.

Schützend hielt er die Arme hoch. “Das war doch bloß ein Scherz.”

Lachend ließ Dana sich zurückfallen.

Will schnappte sich das Kissen, richtete sich halb auf und drückte ihre Hände aufs Bett. “Bist du müde?” Sein Lächeln war sündhaft sexy.

“Nein, aber …”

“Das zweite Mal ist immer das Beste.”

Und er hatte recht. Dana hatte nicht gewusst, dass derartig intensive Gefühle überhaupt möglich waren. Dass es tatsächlich einen Mann wie Will gab, der so auf ihre Bedürfnisse und ihr Vergnügen achtete. Der ihr so viel Lust bereiten konnte.

Wenn er sie doch auch lieben könnte.

Als die Schauer der Leidenschaft langsam abgeebbt waren, kamen Dana Wills Worte von vorhin wieder in den Sinn. Er wollte keine Kinder, niemals. Keine Verpflichtungen. Keine Bindungen. Will begehrte sie leidenschaftlich, das hatte er ihr gezeigt, aber er würde sie niemals für immer wollen. Gerade diesen Mann, der nicht nur sie, sondern auch ihre Tochter akzeptierte, konnte sie niemals haben. Oder vielleicht doch?

Streng dich mehr an, sagte Dana sich. Durchbrich die Mauer, die er um sein Herz herum errichtet hat.

Ein langes Wochenende mit ihm würde sie womöglich weiterbringen. Sie wünschte sich sehr, Will Baker, diesen vielschichtigen Mann, zu verstehen. Vielleicht konnte sie ihm sogar helfen bei dem Problem, das ihn so stark belastete, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht lösen konnte.

7. KAPITEL

Callies schriller Schrei erschreckte Dana dermaßen, dass sie fast die Kaffeedose fallen ließ, die sie gerade ausspülte. Hastig griff sie nach einem Handtuch und lief von der Küche in die Eingangshalle, in der Annahme, dass ihre Tochter sich die Hand in der Tür eingeklemmt hatte oder etwas Ähnliches. Aber als sie die Halle erreichte, stand die Tür weit offen. Da erblickte Dana den schwarzen Pick-up und Callie, die quer über die Auffahrt rannte. Callies Schrei war also ein Ausdruck überschäumender Freude gewesen.

Autor

Ruth Jean Dale
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