Verboten sexy - Überstunden mit dem Boss 1

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SINNLICHE ÜBERSTUNDEN MIT DEM BOSS

Sie ist kratzbürstig, abweisend und gibt sich spröde. Ziara ist anders als die Frauen, mit denen Sloan Creighton normalerweise zu tun hat. Die meisten wollen ohne Umwege in das Bett des reichen und ausgesprochen attraktiven Geschäftsmannes. Seine neue Assistentin nicht - und das reizt ihn über alle Maßen. Eine heiße Affäre mit ihr würde ihm seinen Alltag versüßen! Er macht sich daran, sie zu erobern, und freut sich auf erotische Überstunden mit ihr. Aber Ziara will mehr: Sie wünscht sich eine gemeinsame Zukunft - und Sloan weiß nicht, ob er ihr die bieten kann…

VERFÜHR NIEMALS DEINEN BOSS

Weil ihr Boss spurlos verschwunden ist, muss Sophie als persönliche Assistentin für dessen attraktiven Geschäftspartner Zach Lassiter arbeiten. Schnell wird sie misstrauisch: Was hat Zach mit dem mysteriösen Verschwinden zu tun? Sophie spürt deutlich, dass er etwas vor ihr verbirgt. Spontan beschließt sie, ihn zu verführen - natürlich nur, um hinter sein Geheimnis zu kommen. Doch Zach ist einfach viel zu sexy. Die verzehrende Leidenschaft, die Sophie in seinen Armen entdeckt, lässt sie bald jeden Plan vergessen. Ein folgenschwerer Fehler - oder ist Zach etwa doch unschuldig?

DARF EIN BOSS SO SEXY SEIN?

Annie kann den Blick kaum abwenden von Sinclairs muskulösem Körper. Es ist wie eine süße Folter: Täglich ist die junge Haushälterin ihrem sexy Boss nahe, doch er nimmt sie überhaupt nicht wahr. Bis sie an einem stürmischen Tag ein Ballkleid seiner Vorfahrin anprobieren soll - und Sinclair ihr hilft: Knopf für Knopf für Knopf ... Heiße Schauer prickeln über Annies Rücken, als er sie in die Arme zieht und endlich, endlich küsst. Kann die Realität etwa schöner sein als alle Fantasie? Schon träumt Annie von einer Zukunft mit dem Erben der Drummond-Dynastie - da erlebt sie ein jähes Erwachen ...

DER BOSS UND DIE SEXY LÜGNERIN

"Verführ sie!" Vance Waverly ist fassungslos, als sein Bruder ihm zu einem Date mit seiner neuen sexy Assistentin Charlotte rät. Doch seit Kurzem gibt es einen Spion in Vances exklusivem New Yorker Aktionshaus. Und Charlotte wird nervös, sobald Vance in ihre Nähe kommt. Grund genug, ihr zu misstrauen! Vance muss sie verführen - natürlich nur, um sie zu entlarven. Doch schon am ersten Abend überwältigt ihn brennendes Verlangen. Mit jedem Moment begehrt er Charlotte mehr - und kann immer weniger glauben, dass sie ihn belügt. Bis er eine schockierende Entdeckung macht …

WIE VERFÜHRT MAN SEINEN BOSS?

Vielleicht sollte ich Derek einfach verführen? überlegt Raina. Ihm das Designer-Jackett von den breiten Schultern ziehen, ihn so heiß küssen, dass ihm der Atem stockt …? Acht Jahre lang sehnt sie sich schon danach, und nie standen die Chancen besser, ihren sexy Boss zu erobern! Schließlich hat er sie gebeten, bei ihm zu wohnen und sich um seine kleine Tochter zu kümmern. Und es wäre so schön, wenn sie irgendwann eine kleine Familie wären … Jetzt oder nie! Entschlossen startet Raina einen raffinierten Verführungsversuch - aber erwidert Derek ihre Gefühle?


  • Erscheinungstag 14.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773922
  • Seitenanzahl 720
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Dani Wade, Yvonne Lindsay, Jennifer Lewis, Maureen Child, Emily Mckay

Verboten sexy - Überstunden mit dem Boss 1

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2013 by Katherine Worsham
Originaltitel: „His by Design“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1839 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Andrea Greul

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733720698

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Den Vormittag hatte sie sich weiß Gott anders vorgestellt.

Ziara Divan war viel zu spät dran und hastete den Flur von Eternity Designs entlang. Nachdem sie auf High Heels quer durch die Tiefgarage geeilt war, hatten sich ihre Wangen dunkelrot verfärbt, und ihr Slip war unter dem engen Rock verrutscht.

Sie schmiss die Handtasche neben den Schreibtisch, schnappte sich ihren Tablet-Computer, schaltete ihn im Gehen ein und lief den Flur entlang. Atemlos blieb sie vor ­Vivian Creightons Büro stehen. Der Schreibtisch von ­Vivians Assistentin war leer.

Durchatmen, Ziara. Reiß dich zusammen!

Sie strich sich übers Businesskostüm und versuchte, ihr professionelles Erscheinungsbild wiederherzustellen, obwohl sie am liebsten sofort ins Büro gestürzt wäre. Okay, sie war in ihrem Job als angehende Assistentin der Geschäftsführung noch nicht perfekt, aber sie gab ihr Bestes. Auch dann, wenn sie auf dem Autobahnzubringer nach Atlanta im Stau gestanden hatte und ihr die Hektik ins Gesicht geschrieben stand.

Während sie sich bemühte, ruhiger zu atmen, hörte Ziara auf der anderen Seite der Tür Stimmen. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass dort gerade zwei Menschen miteinander stritten. Das wiederum war ziemlich ungewöhnlich. Denn es handelte sich um das Büro von ­Vivian, die als echte Südstaaten-Lady nie die Stimme erhob. Trotzdem klang sie definitiv schriller als sonst. Vorsichtig trat Ziara einen Schritt näher an die Tür heran.

Die andere Stimme war die eines Mannes. Oh nein.

„… nicht zulassen, dass das Unternehmen meines Vaters ruiniert wird …“

Sloan Creighton, ­Vivians Stiefsohn. Er kam nur selten ins Büro, doch wenn er da war, machte er Ziara mit seinem umwerfenden Charme regelmäßig nervös. Sie versuchte zwar, ihm aus dem Weg zu gehen, doch er fand sie jedes Mal. Dann flirtete er schamlos mit ihr und stellte ihre Professionalität auf eine harte Probe. Und genau aus diesem Grund wich sie ihm lieber aus.

­Vivians Stimme klang gedämpft, doch Sloan war deutlich zu verstehen.

„… unser wichtigster Kunde lehnt alle Designs ab …“

Ziaras Herz sank, und die Knie wurden ihr weich.

Sie hatte befürchtet, dass das Meeting mit dem Großkunden, das kürzlich stattgefunden hatte, nicht besonders gut gelaufen war. Doch die Kollegen, die daran teilgenommen hatten, verrieten nichts. Sollte dieser Kunde abspringen, wäre es der sichere Ruin für Eternity Designs, und für Ziara würde ein Albtraum wahr. Denn sie mochte ihren Job und ihre Kollegen. Sie liebte die Firma über alles. Hier bekam sie den Halt, der ihr das ganze Leben lang gefehlt hatte.

„… du hast keine Chance …“

Ziara hatte ebenfalls keine. Langsam wurde es Zeit für sie, durch diese Tür zu gehen. ­Vivian hatte sie gebeten, um Punkt acht Uhr zu erscheinen. Jetzt war es bereits Viertel nach acht. Doch bei dem Gedanken an Sloans coole Flirtversuche und ihre Reaktion darauf wäre sie am liebsten auf die verstopfte Autobahn zurückgekehrt. Allerdings war Rückzug auch keine Lösung. Also atmete sie tief durch und trat ein.

Sloan war sehr viel größer als ­Vivian, und seine klare Stimme drang durch den ganzen Raum. „Ich werde mehr Mitspracherecht erhalten, und zwar ab sofort. Ich brauche die nächsten drei Monate. Sollte meine Herbstkollektion bei unseren Käufern einschlagen, wirst du mir fünfzig Prozent deiner Rechte überschreiben … und mir den gesamten Kreativbereich überlassen. Mir allein.“

Ziara blieb in der Tür stehen und ließ die Worte auf sich wirken, während Sloan und ­Vivian sich über den Schreibtisch hinweg anblitzten.

Als die Spannung unerträglich wurde, machte Ziara sich bemerkbar. „Soll ich später wiederkommen, ­Vivian?“, fragte sie in die Stille hinein.

Wie auf Knopfdruck wandten beide sich ihr zu und sahen sie an. Erst fing sie den Blick ihrer Chefin und Fürsprecherin ­Vivian auf. Die hatte ihre Lippen so fest zusammengepresst, dass sie nur noch ein Strich waren. Auch ihre Augen wirkten wie schmale Schlitze. Ziara ahnte, wie angespannt ­Vivian sein musste. Doch dann strich sich ihre Chefin über die kurz geschnittenen Locken und wirkte wieder ganz gefasst. „Guten Morgen, Ziara. Bitte setzen Sie sich doch.“

Sie drehte sich wieder zu Sloan um. „Also, Sloan. Erklär mir doch bitte, warum ich auf deine absurden Forderungen eingehen sollte.“

Es schien Sloan einen Heidenspaß zu machen, ihr zu antworten. „Weil die Aufträge ausbleiben, die Banken uns den Geldhahn zudrehen und du keine Ahnung hast, wie du aus dieser Situation herauskommen sollst.“ Er streckte sich zufrieden aus. „Im Gegensatz zu mir.“

„Dann werde ich eben jemanden finden, der es ebenfalls weiß.“

„In so kurzer Zeit? Wohl kaum.“

Sie lehnte sich zurück, doch es war ihr anzumerken, wie nervös sie war. Unablässig spielte sie mit dem Ehering, der immer noch ihre linke Hand zierte.

Wenigstens schien sie nicht bemerkt zu haben, dass Ziara sich verspätet hatte. Vielleicht war es ihr auch einfach nur egal. Währenddessen musterte Sloan Ziara von oben bis unten und ließ den Blick in aller Ruhe über ihren Körper schweifen.

Ziaras Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Trotzdem ging sie äußerlich gefasst über den dicken Teppich zum Sessel hinüber, der neben ­Vivians Schreibtisch stand.

Dabei warf sie Sloan einen kurzen Blick zu und sah, wie er interessiert den V-Ausschnitt ihres Blazers betrachtete, unter dem die Ränder eines Seidentops hervorblitzten.

Es kostete Ziara eine gehörige Portion Selbstbeherrschung, das Top nicht zurechtzuzupfen und unter Sloans Blick nicht nervös herumzuzappeln.

Blöder Kerl! Kein Wunder, dass er ­Vivian zum Toben brachte – professionelles Verhalten schien für ihn ein Fremdwort zu sein. Ziara war bereits aufgefallen, dass er offenbar eine Schwäche für sie hatte. Aber noch nie hatte er es so unverblümt zur Schau gestellt. Und so machte seine bloße Anwesenheit sie schon ganz kribbelig.

Wäre er ihr auf der Straße begegnet, hätte Ziara niemals auf einen seriösen Geschäftsmann getippt. Mit seinen von der Sonne gebleichten Haaren, einer gesunden Bräune im Gesicht und dem durchtrainierten Körper ähnelte er eher einem lässigen Surfer als einem erfolgreichen Investor.

Doch die Kombination von perfekt sitzendem Maßanzug und sicherem Auftreten zeigte deutlich, was für ein knallharter Verhandlungspartner er war. Und seine elektrisierend blauen Augen ließen vermuten, dass diese Härte von innen kam.

Erleichtert atmete Ziara aus, als er sich wieder seiner Stiefmutter zuwandte. „Wir reden hier über das Erbe meines Vaters, ­Vivian. Ich habe schon viele Unternehmen vor dem Ruin gerettet. Eternity Designs wieder nach oben zu bringen, ist ein Kinderspiel für mich“, sagte er.

„Natürlich“, brachte ­Vivian hervor. „Du und dein … Ich krieg alles hin-Geschäft.“

„Bezeichne es, wie du willst. Ich nenne es den erfolgreichen Prozess, aus einer maroden Firma eine Geldmaschine zu machen. Zu schade, dass du dich nicht sofort an mich gewendet hast. Aber nein, dann hättest du ja zugeben müssen, es vermasselt zu haben.“

Als ­Vivian mit der Hand auf den Tisch schlug, zuckte Ziara zusammen. Erschrocken sah sie, wie ­Vivians normalerweise sanften Gesichtszüge entgleisten.

„Dein Vater hat dir offenbar nicht genug vertraut, um dir sein gesamtes Erbe zu überlassen. Warum sollte ich es jetzt tun?“

„Und wessen Schuld ist das? Wer hat denn von Anfang an Gift verspritzt und ihn gegen mich aufgehetzt? Mein Gott, ­Vivian, wüsste ich es nicht besser, dann würde ich denken, dass du ihn dazu überredet hast, dir den Löwenanteil zu vererben.“

Sloan legte die Hände auf die Tischplatte. „Wer hat denn darauf bestanden, dass ich meinen Abschluss in Betriebswissenschaft mache, statt meine eigenen Pläne im Bereich Modedesign zu verfolgen?“

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

„Doch, das tust du. Nachdem du von Daddys Assistentin zu seiner Ehefrau aufgestiegen bist, hast du doch sofort angefangen, sein Leben zu kontrollieren.“

Oh Gott. Ziara hielt die Luft an. Über ­Vivians Beteiligung an Eternity Designs waren nie viele Worte gefallen. Bis jetzt hatte Ziara angenommen, dass ­Vivian irgendwann nach ihrer Hochzeit mit Mr Creighton automatisch ins Unternehmen eingestiegen war.

Doch das, was sie gerade mitanhören musste, gefiel ihr gar nicht. Wie oft hatte ausgerechnet ­Vivian sie ermahnt, nie etwas mit einem Vorgesetzten anzufangen?

In der Kindheit war Ziara oft wegen des unmoralischen Benehmens ihrer Mutter gehänselt worden. Seitdem achtete sie streng auf ihren Ruf, verhielt sich stets tadellos und duldete nicht mal den Hauch einer Anzüglichkeit. Und gerade ­Vivians strenge Lektionen hatten Ziara in ihrem Streben nach Professionalität und einem lupenreinen Ansehen bestärkt.

­Vivians Hand zitterte, als sie auf ihren Stiefsohn zeigte. „Untersteh dich, in diesem Ton mit mir zu reden, Sloan. Dein Vater hätte diese Respektlosigkeit niemals geduldet.“

Sloan konterte hart: „Er ist aber nicht hier, um mich zurechtzuweisen. Wenn du willst, dass ich dich respektiere, dann hättest du früher damit anfangen sollen, dir meine Achtung zu erarbeiten. Jetzt ist es zu spät.“

„Es ist nie zu spät, sich wie ein Gentleman zu verhalten. Aber vermutlich weißt du gar nicht, was das ist.“

Sloan lehnte sich mit einem abgebrühten Lachen zurück. Ziara hatte das Gefühl, ein Tennismatch zu verfolgen, bei dem der Ballwechsel immer aggressiver wurde.

Andererseits hatte sie in den letzten zehn Minuten auch viel Neues über ihre Mentorin erfahren müssen. Zweifel schossen ihr durch den Kopf wie Billardkugeln.

„Na schön, Sloan. Tu, was immer du tun willst“, brachte ­Vivian hervor.

„Das hätte ich gern schriftlich“, forderte er.

„Allerdings bezweifle ich angesichts deines rüden Verhaltens, dass du hier jemanden finden wirst, der freiwillig mit dir zusammenarbeiten möchte.“

„Oh, mach dir da mal keine Sorgen“, sagte er mit einem großspurigen Lächeln.

„Aber nicht im Alleingang!“, warf sie hitzig ein. „Ich werde dir bei der Auswahl garantiert nicht völlig freie Hand lassen.“

„Natürlich nicht, ­Vivian. Du warst ja schon immer sehr besorgt um mich“, sagte Sloan ironisch.

„Eternity Designs bedeutet mir viel“, erwiderte sie.

Sloan warf Ziara einen Blick zu, als wollte er ihr zu verstehen geben, dass er hier die Zügel in der Hand hatte. „Schön, meinetwegen besorge mir jemanden. Hauptsache, es ist ein Mitarbeiter, der besser darüber informiert ist, was hier vor sich geht. Jemand, der weiß, wie man Anordnungen umsetzt.“

„Was das betrifft, bin ich ziemlich überzeugt von ihrem guten Einfluss … und davon, dass sie dich rechtzeitig in die Schranken weisen wird.“

Ziaras Herz schien zu zerspringen, als ­Vivian mit diamantenbestückten Fingern auf sie deutete.

Nein, nein, nein, nein! Bei dem Versuch, Haltung zu bewahren, bekam sie fast einen Herzinfarkt.

­Vivians Worte sickerten langsam in ihr Bewusstsein und brachten sie völlig durcheinander.

„Jeder hier weiß, dass du Affären mit deinen Assistentinnen hast, Sloan. Doch mit Ziara wird dir so etwas nicht passieren. Schließlich ist sie durch meine harte Schule gegangen und weiß mehr über das Geschäft als irgendeine andere hier. Und ihr Verhalten ist tadellos. Im Gegensatz zu deinem.“

Was bin ich eigentlich? fragte sich Ziara. Ein Sklavenmädchen auf einer Auktion? Bevorzugt der Käufer „handzahm und hübsch“ oder eher „langweilig, aber talentiert“?

„Ach ­Vivian, wie aufmerksam von dir“, hauchte Sloan ironisch.

Ziara blickte auf und bemerkte, dass er sie unverblümt ansah. Eben noch war er äußerst angespannt gewesen, jetzt lehnte er sich plötzlich wieder lässig zurück und fuhr sich mit den Fingern gedankenverloren über die Oberlippe.

Ihr wurde heiß, als er seinen Blick quälend langsam von ihrem Dekolleté bis zu den langen Beine hinabwandern ließ. Sie konnte es geradezu physisch spüren und musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um ruhig sitzenzubleiben.

Ihre übereinandergeschlagenen Beine zuckten leicht, und sie hätte am liebsten die Füße bewegt, doch sie riss sich zusammen. Sonst hätte Sloan womöglich bemerkt, wie er auf sie wirkte. ­Ziara versuchte, das auflodernde Feuer in ihrem Innern zu unterdrücken. Eigentlich war es ihr noch nie schwergefallen, körperliches Verlangen zu verdrängen. Bis sie Sloan getroffen hatte.

Ihren neuen Boss.

Das graue Businesskostüm, das sich bis vor wenigen Minuten noch ganz bequem angefühlt hatte, klebte nun eng an ihrem Körper. Und zu allem Übel stießen auch noch ihre aufgerichteten Brustspitzen gegen den Stoff des Tops.

Wie konnte ein einziger Blick sie nur so nervös machen?

So unauffällig wie möglich veränderte sie ihre Sitzposition, damit der Rock wieder ihre Knie bedeckte. Ein ebenso kennerhafter wie zufriedener Blick trat in Sloans Augen. Das tut er absichtlich.

Um Selbstsicherheit zu demonstrieren, sah sie auf und zog die linke Braue hoch.

Er grinste, völlig ungerührt von ihrer Herausforderung. „Kommen Sie morgen früh in mein Büro. Vorbereitet.“

Sein arroganter Ton machte ihr nichts aus, ganz im Gegenteil – dadurch bekam sie ihre Gefühle leichter in den Griff. Denn ungeachtet der professionellen Haltung, die sie nach außen zeigte, sah es in ihrem Innern ganz anders aus. Und es war unmöglich, sich selbst zu belügen.

Doch damit konnte sie leben. Sie hatte sich von ganz unten emporgearbeitet, sie war kompetent und hatte Ziele vor Augen. Also würde sie sich in den nächsten drei Monaten zusammenreißen und als Assistentin der Geschäftsführung unentbehrlich machen. Blieb nur noch eine Frage: Wie konnte sie Sloan dazu bringen, dass auch er sich zusammenriss?

Ziara. Ihre zeitlose Schönheit und angenehme Art lenkten Sloan von ­Vivians herablassendem Getue ab. Während er seine neue Assistentin betrachtete, merkte er plötzlich, wie erregt er war. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert.

Er gab nichts auf ­Vivians Vorhersage, Ziara würde nicht den Weg seiner anderen Assistentinnen einschlagen. So zermürbend es auch gewesen war, in weniger als zwei Jahren drei weibliche Angestellte entlassen zu müssen, weil sie behauptet hatten, verliebt in ihn zu sein – diese Frau würde er schon noch überzeugen. Denn sollte es ihm gelingen, Ziara auf seine Seite zu ziehen, wäre er für den Krieg gegen ­Vivian bestens gewappnet.

Sein Credo, nie etwas mit seinen weiblichen Angestellten anzufangen, kam ihm da sogar sehr entgegen. Wenn er es schaffte, Ziaras Loyalität für sich zu gewinnen, hätte er freie Hand, ohne dass ­Vivian etwas dagegen tun könnte. Es war zwar ein bisschen hinterhältig, doch um ­Vivian zu besiegen, war ihm jedes legale Mittel recht.

Seine Stiefmutter war unempfänglich für seinen Charme, mit dem er sonst vom Kleinkind bis zur alten Dame alle um den Finger wickelte. Bei jeder anderen Frau hätte er sich auf sein bezauberndes Lächeln verlassen können. Aber nein, sein Vater hatte ja unbedingt eine so gerissene und schwer zu beeindruckende Frau heiraten müssen. Eine, die nicht nur clever war, sondern ihre Cleverness auch ausspielte.

­Vivian betrachtete Eternity Designs und das Erbe seines Vaters als ihr Eigentum, und Sloan war ihr dabei nur im Weg. Seit Jahren machte ihm diese Situation zu schaffen, doch zum ersten Mal redete er jetzt Klartext.

„Wir müssen moderner werden“, sagte er. „Wir können es uns nicht leisten, unseren größten Geldgeber zu verlieren, bloß weil wir Angst vor Veränderungen haben. Es führt zu gar nichts, an Traditionen festzuhalten. Eternity Designs braucht einen neuen Designer und ein neues Image, basta.“

Doch auf dem Ohr war ­Vivian taub. „Dein Vater war stolz auf das Design und die Tradition von Eternity Designs“, entgegnete sie scharf. „Diese Diskussion hier beweist, warum er mich als Nachfolgerin ausgewählt hat.“

Das Unternehmen für Hochzeitsbekleidung existierte bereits in der dritten Generation – vorausgesetzt, Sloans vierzig Prozent Anteile zählten in diesem Zusammenhang. Für ­Vivian taten sie es jedenfalls nicht. Doch die besorgten Worte der Buchhaltung klangen Sloan noch in den Ohren, und es war höchste Zeit, dass sich endlich etwas änderte.

Das gesamte Unternehmen wird den Bach runtergehen, wenn wir nicht sofort handeln.

„Deine sechzig Prozent Anteile machen dich nicht automatisch zu Gott“, sagte er. Den Schmerz, um diese Anteile betrogen worden zu sein, versuchte er dabei zu ignorieren. „Gut, dass Dad nicht mehr mitansehen muss, wie du seine Firma gegen die Wand fährst.“ Jep. Er wollte es ihr heimzahlen.

Ein kurzer Blick genügte ihm, um Ziaras enorme Anspannung zu bemerken. Ob sie nun vor Überraschung oder Zurückhaltung nervös war, hätte er nicht sagen können. Doch wenn sie auch nur ahnen würde, wie sehr diese gerade Körperhaltung ihre wunderbaren Brüste betonte, hätte sie wahrscheinlich sofort einen Katzenbuckel gemacht.

Sloan ging ruhelos vor ­Vivians Schreibtisch auf und ab. Unter wirtschaftlichen Aspekten langweilten ihn das Gerede und die ganze Situation hier maßlos. Unter sexuellen Aspekten hin­gegen …

Ziaras exotische Schönheit, die wohl auf ihre indische Abstammung zurückzuführen war, löste in ihm Bilder von abenteuerlichen Nächten aus. Von Wärme, Sinnlichkeit und nackter Haut.

Wie sie wohl aussähe, wenn er den Knoten löste, zu dem ihr langes schwarzes Haar hochgesteckt war? Wenn er ein paar Knöpfe ihres Jacketts öffnete? Sie zu Dingen anstachelte, die ihre Loyalität ­Vivian gegenüber infrage stellten?

Sloan versuchte, jeden intimen Kontakt mit seinen weiblichen Angestellten zu vermeiden. Doch die Vorstellung, Ziara zu verführen, mit ihr sinnlichen Genüssen nachzugehen und der Firma den Rücken zu kehren, war einfach zu schön. Selbst wenn am Ende eine Kündigung dabei herauskäme. Für Ziara war es sowieso nur ein Job, und sie würde schnell wieder einen neuen finden. Für Sloan hingegen bedeutete Eternity Designs alles. Es war das Erbe seiner Familie.

­Vivians bellende Stimme holte ihn wieder in die Gegenwart zurück. „Du bist so selbstverliebt, Sloan. Du weißt, dass ein übersteigertes Selbstbewusstsein zu einem tiefen Fall führen kann. Deine unkonventionellen Methoden funktionieren in einem Unternehmen wie diesem nicht.“

„Unkonventionelle Methoden sind genau das, was Eternity Designs braucht, um entstaubt zu werden.“ Er wandte sich Ziara zu, um sie zum ersten Mal zu testen. „Was denken Sie? Führt die derzeitige Richtung, die Eternity einschlägt, zum Erfolg?“

„Ich … ich …“ Die mandelförmigen braunen Augen weit aufgerissen, blickte sie ihn und ­Vivian panisch an. Dann sagte sie: „Unsere Designer entwerfen viele wunderbare Kreationen. Familien geben seit Generationen Brautkleider bei uns in Auftrag. Unsere Kollektion und unser Motto sind zum festen Fundament unseres Unternehmens geworden. Zumindest das kann ich sagen.“

Test Nummer eins nicht bestanden.

­Vivian nahm Ziaras Worte dankbar auf. „Ganz genau. Eternity Designs vereinbart Stil und Tradition. Für die Ewigkeit.

Dass sie den Slogan des Unternehmens zitierte, befeuerte Sloans Wut nur noch. Er musste die Firma retten! Sein Vater hatte hart dafür gearbeitet und sie genauso leidenschaftlich geliebt, wie er es nun tat.

Trotz aller Differenzen zwischen ihnen beiden bewiesen die vierzig Prozent Anteile, die sein Vater ihm testamentarisch vermacht hatte, dessen Wunsch, Sloan möge sich ins Unternehmen einbringen. Und genau das musste er als Erbe sich immer wieder sagen. Er durfte nicht zulassen, dass ­Vivian nachträglich einen Keil zwischen Vater und Sohn trieb.

Sloan starrte die beiden Frauen an. „Vielleicht müssen wir unseren Slogan ändern.“

Ziara war ganz still, während ­Vivians theatralisches Seufzen bereits ankündigte, dass sie selbstverständlich anderer Meinung war.

„Ich habe natürlich darüber nachgedacht, wie wir aus diesem kleinen Dilemma herauskommen könnten“, sagte sie spitz. „Freunde von mir haben ein paar solvente Gönner. Mit ihrem Geld könnten wir es über den Frühling schaffen.“

Sloan war geschockt. „Auf keinen Fall wird ein Dritter sich in das Unternehmen einkaufen.“

„Ich tue, was ich tun muss, um Eternity Designs zu retten.“

„Statt den Mann einzuschalten, der das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen bringen kann? Glaubst du ernsthaft, dass ich mich zurücklehne und den Mund halte, während du der Familie die Firma aus den Händen reißt?“ Sloan richtete sich auf, ganz der stahlharte Geschäftsmann, der bis zum Äußersten gehen würde. „Du kennst mich doch, ­Vivian.“

Plötzlich blitzte Unsicherheit in ihren Augen auf. „Ich verstehe wirklich nicht, warum dir das so wichtig ist.“

Langsam schüttelte er den Kopf. Er spürte Bedauern darüber, dass es zwischen seinem Vater und ihm so häufig Spannungen gegeben hatte. Aber auch Wut auf ­Vivian.

„Das beweist doch nur, wie wenig du mich kennst … oder meinen Vater gekannt hast. Dieser Ort hier war sein Leben!“ Und war ihm zuletzt wichtiger gewesen als sein Sohn … „Ich will sein Lebenswerk fortführen und werde dir beweisen, dass ich mehr bin als der, zu dem du mich machst. Nämlich jemand, der hart arbeiten kann und in der Lage ist, den Traum seiner Familie zu verwirklichen. Für dich werde ich nie der Mann sein, zu dem ich geworden bin. Und den mein Vater kurz vor seinem Tod in mir erkannt hat.“

­Vivians zusammengepresste Lippen zeigten, dass sie sich weigerte, ihn zu verstehen. Nachdem sie es geschafft hatte, ihren Ehemann mürbe zu machen und ihm einzureden, sein Sohn sei impulsiv, unzuverlässig und unreif, hatte sie die Mehrheit der Firma geerbt. Nur darum ging es ihr.

„Sloan, ich ziehe es ebenfalls vor, das Unternehmen in Familienhand zu lassen. Daher stehe ich zu meinem Wort und gebe dir eine Chance. Aber in der Zwischenzeit werde ich an Plan B arbeiten.“

Ein wirklicher Kompromiss war das zwar nicht, doch Sloan nahm, was er kriegen konnte. Hinsichtlich der Herbstkollektion benötigte er freie Hand. Denn wenn ­Vivian gewusst hätte, was er vorhatte, hätte sie ihn auf der Stelle erschossen.

Sie lächelte verkrampft. „Und vergiss nicht, wer hier die Verantwortung trägt.“

„Werde ich nicht. Wir tun einfach so, als wärst du diejenige, die alles im Griff hat, während ich die eigentliche Arbeit mache.“

Der Kommentar ging unter die Gürtellinie, doch das war ihm gleichgültig. ­Vivian saß stocksteif da, die Lippen fest zusammengepresst. Dann warf sie Sloan einen ebenso abschätzigen wie warnenden Blick zu.

„Ich habe ein Einspruchsrecht. Solltest du das Handtuch werfen, bevor die Herbstkollektion präsentiert wird …“, es war ihr anzusehen, wie sehr sie sich das wünschte, „… dann wird Eternity Designs zu einhundert Prozent mir gehören.“

2. KAPITEL

Sloan saß hinter seinem Schreibtisch und hörte, wie Ziara das Vorzimmer bezog. Er hatte sich gefragt, ob sie den Umzug bis zum letzten Moment hinauszögern würde. Doch stattdessen war sie eine halbe Stunde früher erschienen, um sich in ihrem neuen Büro einzurichten.

Sie faszinierte ihn. Es war nicht nur ihre exotische Schönheit, die ihn anzog. Auch der offensichtliche Versuch, durch nüchterne Bürokleidung ihre Attraktivität zu verbergen, befeuerte sein Begehren. Glaubte sie etwa, dass der strenge Haarknoten und der knielange Rock sie zu einer besseren Angestellten machten?

Da er noch nie eine seiner Mitarbeiterinnen verführt hatte, plante er auch jetzt nicht, seine Anziehungskraft strategisch einzusetzen, um Eternity Designs zu übernehmen. Er brauchte Ziara, um die internen Abläufe zu verstehen und seine Beziehung zu den anderen Mitarbeitern zu festigen. Sollte es ihm außerdem gelingen, ihre Loyalität für sich zu gewinnen, dann bestand die Chance, dass sie sich immer seltener mit ­Vivian absprach.

Neugierig ging er ins Vorzimmer.

Ziara stand hinter ihrem Schreibtisch und war gerade dabei, ihre persönlichen Habseligkeiten einzuräumen. Sie trug einen längeren Rock und eine weite Jacke. Vermutlich um die Kurven ihrer Hüften und ihres Pos zu verstecken. Am komischsten aber fand er ihren Schal. Im Prinzip war es ein riesiges Stück Stoff, das sie sich um den Hals drapiert hatte. Wahrscheinlich wollte sie auch noch das letzte Stückchen Haut bedecken.

Begriff sie denn nicht, dass ihn ihre „Rühr mich nicht an“-Haltung provozierte?

„Und? Alles in Ordnung?“, fragte er.

Erschrocken zuckte sie zusammen. „Ja. Bin fast fertig.“

„Keine Eile“, murmelte Sloan.

Sie nahm etwas aus einem der Umzugskartons. Behutsam entfernte sie die Tücher, in die der Gegenstand gehüllt war – ein gläsernes Objekt in der Form eines fließenden Kleides.

Bevor sie Sloan davon abhalten konnte, nahm er ihr das Ding aus den Händen. „Was ist das?“, fragte er und musterte den eingravierten Schriftzug: Ziara Divan. Mitarbeiterin des Jahres.

„So, so“, murmelte er. „Mitarbeiterin des Jahres, ja?“

„Ich habe hart dafür gearbeitet, um dort zu stehen, wo ich jetzt bin.“

„Und wo genau stehen Sie?“

„Wenn alles gut läuft, werde ich nach Abigails Pensionierung nächstes Jahr ­Vivians persönliche Assistentin.“

„Wow, Assistentin der Geschäftsführung im zarten Alter von …“

Sie holte tief Luft. „Siebundzwanzig Jahren.“

„Viel zu jung, um schon so zugeknöpft zu sein.“ Er deutete mit einem Kopfnicken auf ihren Schal.

Sofort hob sie mahnend den Zeigefinger. „Benehmen Sie sich bitte.“

Sloan trat einen Schritt näher. „Lassen Sie uns etwas klarstellen, Ziara. Sie spielen jetzt nach meinen Regeln. Und bei mir müssen Sie andere Voraussetzungen erfüllen, um Mitarbeiterin des Jahres zu werden.“

Sie schluckte.

Als sie ihm die Auszeichnung aus der Hand nahm, kamen sie sich gefährlich nahe. Er nutzte die Gelegenheit und zupfte an Ziaras Schal. Glücklicherweise glitt dieser sofort von ihrem Hals und enthüllte einen wunderbaren Nacken.

Perplex griff sich Ziara an den Hals und starrte Sloan an. „Was erlauben Sie sich?“

„Mitarbeitertraining.“ Er rieb den Stoff zwischen den Fingern und hätte am liebsten daran gerochen. Ziara duftete betörend nach Vanille und Zimt, eine einmalige Mischung. „Ich bin eben nicht so spießig wie ­Vivian. In meinem Büro geht es anders zu.“

„Mr Creighton …“

„Ts, ts, ts. Ich heiße Sloan.“

Erstaunlich, dass sie mit derart zusammengebissenen Zähnen noch so deutlich sprechen konnte. „Sloan, Ihr Verhalten ist absolut unangemessen.“

„Tatsächlich? Werden Sie mir jetzt sexuelle Belästigung unterstellen?“

Verächtlich hob sie eine ihrer wunderschönen Augenbrauen. „Wenn es nötig ist.“

Ihre Antwort kam so unerwartet, dass Sloan beinahe gelacht hätte. Junge, er hatte etwas übrig für schlagfertige Frauen. „Oh, ich denke nicht, dass Sie das tun werden.“

Sie öffnete den Mund, doch er fuhr einfach fort: „Ich weiß, dass ­Vivian Ihnen diesen Job aus einem bestimmten Grund gegeben hat.“ Er beugte sich vor. „Nicht, weil Sie gut organisiert sind. ­Vivian kennt sich mit Assistentinnen und deren Zugang zu – nun, wie soll ich sagen – Firmengeheimnissen aus.“

Kein Anzeichen einer Reaktion ihrerseits.

Also ging er noch etwas weiter. „Nicht wahr, Sie sind doch ­Vivians kleine Spionin?“

„Das ist unerhört!“

In ihre Augen trat ein Flackern, das nur eins bedeuten konnte: Sie hatte ein schlechtes Gewissen. „Kein Grund, mir etwas vorzuspielen, Ziara. ­Vivian hat Sie hergeschickt, damit Sie ein Auge auf mich haben und ihr alles berichten, was sie wissen muss. Aber das ist in Ordnung.“

Sie sah ihn mit großen Augen an. Schokoladenbraunen Augen mit goldenen Reflexen.

„Nun denn“, sagte er. „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.“

Einen Moment lang starrten beide sich regungslos an. Ob nun aus Kampfbereitschaft oder verbotener Anziehungskraft, hätte er nicht sagen können. Alles, was er fühlte, war das Blut, das durch seine Adern pulsierte. Und eine Erregung, die er seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gespürt hatte.

Mit zitternden Händen nahm sie einen dicken Ordner aus dem Aktenschrank. „Hier sind alle Infos zur aktuellen Herbstkollektion. Ich dachte …“

Als Sloan ihr den Ordner abnahm, wurde er von widersprüchlichen Gefühlen übermannt. Einerseits ärgerte er sich darüber, dass er Informationen bei ihr anfragen musste, andererseits spürte er immer noch, wie erregt er war. „Lassen Sie mal sehen.“

Es gelang Ziara, nach außen hin ruhig zu bleiben. Jedenfalls fast. „Ich dachte, es wäre in Ihrem Sinn, wenn ich mich zunächst in Ruhe mit dem Projekt vertraut mache.“

Ihr bettelnder Blick besagte, er möge sie eine Weile allein lassen. Doch er war nicht in der Stimmung, Gnade walten zu lassen. „Führen wir dieses Gespräch doch in meinem Büro weiter.“

Er glaubte also, sie sei eine Spionin. Aus dieser Warte hatte Ziara es noch gar nicht betrachtet.

Wie hatte sie innerhalb nur eines Vormittags den Karriereschritt von einer angehenden Assistentin zur Betriebsspionin gemacht? Ihr Ziel war es, ­Vivian von ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Doch plötzlich hieß das, dass sie dadurch ihre Anstellung gefährdete.

Aber ein Blick auf die Auszeichnung Mitarbeiterin des Jahres genügte, und schon war ihre alte Entschlossenheit wieder da.

Ich bin fast am Ziel. Von Tag eins an hatte sie Assistentin der Geschäftsführung bei Eternity Designs werden wollen. Mit siebenundzwanzig Jahren war sie der Ziellinie näher denn je. Obwohl das wenige Geld, das sie besessen hatte, fürs Abendgymnasium draufgegangen war.

Sie war praktisch mit nichts groß geworden – nein, mit weniger als nichts. Oh, theoretisch hätten sie zum Leben genug gehabt. Doch ihre Mutter hatte jeden Cent für Kleider und Schmuck ausgegeben, um sich anschließend mit ihrem betörenden Aussehen einen neuen Kerl zu angeln und ihn auszunehmen.

Ziara hatte diesem erbärmlichen Leben entkommen wollen und träumte nun von ihrem eigenen Büro neben dem von ­Vivian Creighton, ihrem großen Vorbild. Aber rechtfertigte dieses Ziel auch den Preis, den sie vielleicht zahlen musste?

­Vivian und Sloan spielen ein Spiel, und ich bin ihr Spielball.

Ziara war klug genug, das zu erkennen. Dennoch war ihre Loyalität gegenüber ­Vivian ungebrochen. Sie würde auch weiterhin alles geben, um das Beste für Eternity Designs zu er­reichen.

Gestern Nachmittag hatte ­Vivian ihr einen langen Vortrag über Sloan gehalten. Man kann ihm nicht vertrauen. Er führt etwas im Schilde, ich weiß es.

Ziara hatte ihre eigenen Bedenken diesem Mann gegenüber. Er verbrachte sein Leben damit, maroden Unternehmen wieder auf die Beine zu helfen, hatte aber viel zu spät begonnen, sich um den eigenen Familienbetrieb zu kümmern. Sollte Sloan wirklich den Ruin des Unternehmens im Auge haben, wie ­Vivian behauptete? Ziara würde es keinesfalls zulassen, dass er sie da mit hineinzog.

Sie holte tief Luft. In knapp drei Monaten hatte sie ihre Ausbildung abgeschlossen. Dieses Projekt hier war doch bloß eine kleine Unebenheit auf einer langen, geraden Straße.

Sie schob die Gedanken beiseite und betrat Sloans Büro.

Seine Wahl war auf ein Eckbüro ganz am Ende des Trakts gefallen. Aus dem Fenster sah man auf eine belebte Straße.

Statt des cremefarbenen Teppichbodens, der überall ausgelegt war, gab es hier dunkelbraune Holzdielen. Ein wuchtiger Schreibtisch, der den gesamten Raum dominierte, stand so, dass Sloan nicht nur alles überblicken, sondern auch aus den deckenhohen Fenstern schauen konnte.

Als Ziara eintrat, ging er gerade zum Fenster und sah aus dem fünften Stock hinunter. Die Hände hatte er tief in die Taschen geschoben. Für eine Sekunde war im hellen Tageslicht nur seine Silhouette zu sehen. Breite Schultern, eine schlanke Taille, ein knackiger Po …

Ziara war froh, dass er sie nicht ansah, denn seine überwältigende Männlichkeit weckte eine Begierde in ihr, die sie lieber nicht zur Schau trug. Sie setzte sich stocksteif in einen Ledersessel und schlug die Beine übereinander. Innerlich war sie vorbereitet, auf seine Anweisung hin Notizen zu machen, Telefonate zu führen oder sonst etwas zu tun.

„Wussten Sie, dass das mal das Büro meines Vaters war?“

„Nein“, murmelte sie überrascht.

„Genau hier habe ich immer gespielt, während er gearbeitet hat“, fuhr Sloan fort.

Er begann, vor dem Fenster auf und ab zu gehen. Das waren ja gleich zwei wunderbare Anblicke: ein attraktiver Mann und eine fantastische Aussicht.

Sofort schrillten in Ziaras Hirn die Alarmglocken, während sie über seine Worte nachdachte. Sie selbst hatte mit siebzehn die Verbindung zu ihrer Mutter gekappt. Sloan hingegen schien seinen Vater sehr geliebt zu haben. Obwohl ­Vivian behauptete, Mr Creighton habe in seinem Sohn nur eine Enttäuschung gesehen. Warum hatte Sloan …?

Nein. Über Sloans Privatleben und seine Kindheit nachzudenken, führte zu gar nichts. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren.

Einen Augenblick später klatschte er kurz in die Hände. „Also gut“, murmelte er. „Womit fangen wir an …“

Ziara nahm ihren Tablet-PC, um sich Notizen zu machen.

„Wir brauchen neue Ideen, neue Designs und definitiv einen neuen Designer“, sagte Sloan so nüchtern, dass Ziara einen Moment lang völlig konsterniert war, wie sich der sexy Typ so rasch in einen sachlichen Boss verwandeln konnte.

Dann erst begriff sie, was er gerade gesagt hatte. Um Himmels willen! Ein neuer Designer würde definitiv niemals durchgehen.

Sloan fuhr fort: „Die Designs müssen spritzig sein. Neue Käufer anlocken …“ Er ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. „Normalerweise wird die Kollektion einem Käufer im Studio präsentiert. Aber wir brauchen etwas Spektakuläres …“

Plötzlich sprang er auf und schlug so stark mit der Hand auf die Schreibtischplatte, dass Ziara zusammenzuckte. „Ich hab’s! Wir werden die Fashion Week direkt hierherholen, nach Atlanta, und eine Modenschau organisieren!“ Er begann, auf und ab zu gehen, und feuerte begeistert eine Idee nach der anderen ab. Ehe sie sich’s versah, hatte er bereits Ideen zum Veranstaltungsort, der Show und der After-Show-Party geäußert, eine Gästeliste erstellt und so weiter und so fort. Ziaras Finger schmerzten vom schnellen Tippen. Sie musste zugeben, dass Sloan große Fantasie und eine gehörige Portion Intelligenz besaß.

Als sie wartend aufblickte, sah er sie direkt an. Eigentlich hätte sie sich dringend Gedanken darüber machen sollen, welchen Eindruck er gerade von ihrer beruflichen Kompetenz bekam, doch sie war dem Zauber seiner Stimme so verfallen, dass sie ihn ebenfalls nur stumm ansah.

Sie hielten den Blickkontakt einige Augenblicke, und sofort breitete sich Hitze im Raum aus. Erst als Ziara kurz davor stand, laut aufzustöhnen, geriet sie in Panik. Sie starrte kurzerhand auf das Tablet vor sich … und erneut durchflutete es sie heiß – diesmal vor Scham.

Als Sloan auf sie zutrat, kaute sie nervös auf der Unterlippe herum. Würde er etwas sagen? Dachte er, dass sie ihn nun in einem anderen Licht sah? Oder hatte er ihren inneren Aufruhr gar nicht bemerkt? Da sie nicht besonders erfahren im Umgang mit Männern war, konnte sie das Ganze schlecht einordnen. Aber ihre Fantasie gaukelte ihr verbotene Bilder vor.

Sloan blieb stehen, um dann zum Schreibtisch zurückzugehen und sich zu setzen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er sich weit zurücklehnte und die Hände im Schoß faltete. Ziara war erleichtert, doch die Hitze wollte einfach nicht verschwinden.

„Also werden wir dieses Jahr im Herbst eine Modenschau veranstalten. Ihre Aufgabe wird es sein, den passenden Ort klarzumachen und mit der Arbeit an den Kulissen zu beginnen. Sie werden sich ferner um die Einladungen kümmern, Kontakt mit der Model-Agentur aufnehmen und alles Weitere tun, was notwendig ist.“

Er beugte sich vor und blickte in die Ferne. „Ich werde mich auf die Suche nach dem richtigen Designer konzentrieren, der meine Ideen umsetzen soll.“

Diese Diskussion hätte Ziara am liebsten auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Ein neuer Designer würde die Grundfesten von Eternity Designs erschüttern, ganz egal, wie genial er sein mochte.

„Und was sind das für Ideen?“, fragte sie, bereit, sie in den Computer zu tippen. Wie sollte sie das nur ­Vivian erklären? Sie wusste, dass ihre Chefin Veränderungen nicht mochte.

Als Sloan lächelte, zeigte er seinen ganzen Sex-Appeal in einem einzigen Augenzwinkern. „Na, na. So schnell verrate ich nicht alles.“

Ihre Blicke trafen sich wieder. Dieses Mal brachten seine blauen Augen Ziara noch mehr aus dem Takt. Er stellte ihre Selbstbeherrschung auf eine harte Probe, und am liebsten hätte sie den Kragen ihrer Jacke hochgeschlagen, um jeden Zentimeter ihres Dekolletés zu verbergen.

Sloan stand auf, ging ganz langsam um den Schreibtisch herum und lehnte sich mit der Hüfte dagegen. In dieser Haltung überragte er Ziara um einiges, ermöglichte ihr aber gleichzeitig einen unbeabsichtigten Blick auf …

Nein. Sie musste sich diesen Blick verbieten. Während sie aufstand, sagte sie: „Wenn das alles ist, können wir ja anfangen …“

„Ziara.“

Sie umklammerte das Tablet und starrte auf dessen glänzenden Bildschirm.

„Ich verlange von meinen Mitarbeitern, dass sie hart arbeiten. Ich vermute, das dürfte kein Problem für Sie sein. Aber Vertrauen … Vertrauen muss man sich erst verdienen. Habe ich recht?“

Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen, denn sie wusste, dass sie ­Vivian Bericht erstatten musste – früher oder später. Was für ein Dilemma! Einerseits sah sie ihre Bestimmung darin, das zu tun, was für Eternity Designs richtig war – und hier konnte Sloan durchaus auf der richtigen Fährte sein. Ihre Loyalität erforderte allerdings, alles zu tun, was ­Vivian wollte.

„Jemanden einzustellen oder zu feuern, ist ­Vivians Sache“, fuhr Sloan betont arglos fort. „Vergessen Sie nicht: Sie wären nicht in diesem Büro, wenn ich es nicht gewollt hätte.“ Er blieb vor Ziara stehen und ließ sie sowohl sein Feuer als auch seine eisige Kälte spüren. „Sie werden schon Ihre Gründe haben, ­Vivian gegenüber loyal zu sein.“

Sie hörte die Frage, die in seinen Worten mitschwang. Ziara schluckte. Wie sollte sie das beschreiben, was ­Vivian für sie getan hatte? Die Unterstützung, die ihr zuteilgeworden war? Ziara entschied sich, kurz und höflich zu antworten.

„­Vivian hat erkannt, dass ich ehrgeizig bin und den Job gut machen will. Und die Ideale dieses Unternehmens aufrechthalten möchte.“

„Stil und Tradition. Für die Ewigkeit“, murmelte Sloan.

Ein feines Lächeln umspielte Ziaras Lippen. Sie wusste, dass sie die richtigen Absichten verfolgte, ganz egal, was andere denken mochten. „Ja.“

Sloan trat einen Schritt näher, und sie hatte das Bedürfnis, ihm auszuweichen. Ihre Muskeln waren extrem angespannt.

„Ich weiß es ebenfalls zu schätzen, wenn jemand hart arbeitet, Initiative und Loyalität zeigt.“ Er hielt inne, als würde er über seine Worte nachdenken. „Vergessen Sie nicht, für wen Sie von nun an arbeiten.“

Sein eindringlicher Blick war zu viel für Ziara. Sie wich ihm aus und blickte an seinen Beinen hinunter zu den Schuhen, die er zu seinem luxuriösen Anzug trug. Ein Nicken war alles, was sie zustande brachte.

Dennoch wollte sie noch etwas klarstellen. „Es kann nicht schlecht sein, die Werte dieses Unternehmens hochzuhalten. Wir sollten nicht vergessen, dass es die Grundsätze Ihres Vaters waren.“ Jetzt wagte sie es doch, ihn anzusehen. „Wissen Sie, abgesehen von Ihnen gibt es auch andere Menschen, die ein Recht darauf haben, sich um dieses Unternehmen zu sorgen.“

Etwas, was sie nicht deuten konnte, flackerte in seinem Gesicht auf, trotzdem wagte sie sich noch einen Schritt weiter vor. „Wenn Sie mir erklären würden, was Sie eigentlich vorhaben, statt mich darüber im Dunkeln zu lassen, könnte ich Ihnen auch helfen.“

Mit einem unverschämt anziehenden Augenaufschlag blickte Sloan sie an und trat noch näher. „Sie müssen schon etwas hartnäckiger sein, um Zugang zu meinen … Geheimnissen zu bekommen.“

Er holte tief Luft und kämpfte gegen sein Verlangen an. Wie war es möglich, dass nur ein kleiner Laut von Ziara genügte, um ihn zu erregen?

Der gestrige Arbeitstag war hart gewesen – doch wie sagte man so schön? Das Alte muss fort, um Platz für Neues zu schaffen.

Er benötigte Ziaras Hilfe, um seine Pläne zu verwirklichen, ohne Schaden anzurichten. Robert und Anthony waren sehr gute Designer, aber sie brauchten neuen Input und frischen Wind. Am heutigen Tag wollte er Ziara in dieses neue Terrain ein­führen.

Sie blickte um die Ecke. „Brauchen Sie mich heute Morgen, Mr Creighton?“

Oh ja, Süße, ich brauche dich. Im Bett. Obwohl dieser Gedanke absolut unangemessen war, bekam Sloan ihn nicht aus dem Kopf. Und das, obwohl Ziara sich schon wieder in einen langen Rock und ein weites Jackett gehüllt hatte. Wobei das Dunkelbraun der Jacke hervorragend zu ihren schokoladenbraunen Augen mit dem goldenen Schimmer passte. Immerhin. Ihr wunderschönes Haar hatte sie wieder zu einem strengen Knoten gebunden, der Anblick tat ihm fast schon weh.

Sloan veränderte seine Sitzposition. „Mein heutiger Terminplan ist randvoll. Wie ist der Stand der Dinge?“

Die Gründlichkeit, mit der Ziara alle Aufträge erledigte, beeindruckte ihn. Bereits gestern hatte sie sofort losgelegt und ein paar wichtige Leute kontaktiert. Außerdem hatte sie eine detaillierte Übersicht erstellt, damit er immer auf dem Laufenden war.

Er streckte sich und bereitete sich innerlich auf den härtesten Teil des Tages vor. „Wir machen jetzt mal einen kleinen Ausflug nach unten in die Designabteilung und sehen uns die Alte Brigade an.“

Mit Alte Brigade bezeichneten die Mitarbeiter die beiden Designer, die die Kleider entwarfen. Zweifellos waren beide sehr erfahren, arbeiteten aber auch schon seit über fünfzehn Jahren für die Firma.

Ziara zögerte zunächst, nahm dann aber ihr Tablet und strich sich über den Rock.

Als sie gemeinsam den Flur entlanggingen, schwieg sie. Doch Sloan konnte es sich nicht leisten, dass sie sich zurückhielt. Alles, was gesagt werden musste, sollte gesagt werden.

Plötzlich blieb er einfach stehen. „Sehen Sie, Ziara“, sagte er und wandte sich ihr zu. „Sie sind unter anderem hier, weil Sie mir helfen sollen, interne Beziehungen, Pläne, Entwicklungen usw. zu verstehen. Richtig?“

„Ja, Mr Creighton.“

Ihre schmallippige Antwort passte so gar nicht zu ihrem vollen Mund. „Hatten wir uns nicht auf ‚Sloan‘ geeinigt? Immerhin werden wir in den nächsten drei Monaten eine Menge Zeit miteinander verbringen.“

Ihre Lippen wurden noch schmaler. „Ja, Sloan.“

Es machte richtig Spaß, ihr dieses übertriebene Geschäftsverhalten auszutreiben. „Denn wenn Sie Ihren Job nicht machen, kann ich auch meinen Job nicht machen …“

Protest flackerte in ihren Augen auf, ansonsten blieb ihr Gesicht entspannt. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass sich hinter dieser kühlen Fassade jede Menge Sinnlichkeit verbarg. „Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich muss von Ihnen wissen, was mich in der Designabteilung erwartet.“

„Ich … ich …“

„Und zwar jetzt. Ist das angekommen?“

„Wieso fragen Sie mich überhaupt? Sie haben doch gesagt, Sie waren als Kind oft hier.“

„Als Kind habe ich hier nur die Person wahrgenommen, die für mich am wichtigsten war – meinen Vater. Der Rest spielte keine Rolle. Seit ich zehn war, habe ich keinen Fuß mehr in die Designabteilung gesetzt.“

Ziara blickte ihn bestimmt an. Dann sagte sie: „Anthony und Robert sind sehr talentierte Designer.“

Sloan versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihre resolute Reaktion ihn überraschte.

„Mit Robert zu reden, dürfte nicht leicht werden. Die Design­abteilung ist seit Jahren fest in seiner Hand. Anthony ist ein Schatz. Aber verwechseln Sie seine Freundlichkeit nicht mit Unterwürfigkeit. Er hört sich alles an und setzt es in seiner eigenen Zeit und nach seinen eigenen Vorstellungen um.“

Sloan grinste. „So schlimm war’s doch gar nicht, oder?“

Ihr heiseres Räuspern überraschte ihn und bescherte ihm dort ein Prickeln, wo er es in diesem Moment am wenigsten brauchte. „Gehen wir.“ Wenigstens hatte er jetzt eine Ahnung davon bekommen, wie er sie zu einer Reaktion brachte.

Er musste sie einfach nur provozieren.

Sie fuhren mit dem Aufzug in die dritte Etage, wo sie auf eine Art Galerie traten. Die Designabteilung nahm die gesamte zweite Etage ein, und die Arbeits- und Ausstellungsfläche konnte man über ein offenes Treppengelände von der dritten Etage aus sehen und betreten.

Als sie über eine metallene Wendeltreppe nach unten gingen, hallte das Klackern von Ziaras Pumps durch den Raum. Sofort legten die Designer einen Gang zu.

„Ziara!“, rief Robert, als sie die letzten beiden Stufen hinabging. „Was führt dich in unser kleines Königreich?“

Anthony kam auf sie zu und umarmte sie lächelnd. Ihr Lächeln war liebenswürdig und charmant, doch sie erwiderte die Umarmung nicht. Interessant.

„Ich möchte euch allen Ms Creightons Stiefsohn Sloan vor­stellen.“

Die Designer tauschten einige Blicke aus, die aber weniger misstrauisch waren, als Sloan befürchtet hatte. Doch seine kleine Spionin schien schwache Nerven zu haben.

„Ja“, sagte Robert und hielt ihm die Hand hin. „Ich glaube, ich erinnere mich, wie James von Ihnen erzählt hat, que dieu ait son âme.“

Gott hab ihn selig, ja. Aus dem Augenwinkel sah Sloan, dass Ziara ihn anblickte.

„­Vivian hat mir erzählt, dass Sie an der Herbstkollektion arbeiten. Ich würde mir gern ein paar Entwürfe ansehen“, sagte Sloan, ohne auf Ziara zu achten, die ihn nun verblüfft an­starrte.

Die Männer waren glücklich, ihre Kreationen präsentieren zu können. Beide wechselten begeisterte Blicke und gingen zu den Zeichentischen.

Sloan lief dicht neben Ziara hinter ihnen her. „Vertrauen Sie mir“, raunte er ihr zu.

Nachdem er Roberts Präsentation eine halbe Stunde lang wortlos angehört hatte, zeigte Sloan sich nicht im Geringsten beeindruckt.

Dann sprach er in die Stille hinein. „Haben Sie eigentlich die kritischen Anmerkungen der Einkäuferin im Kopf?“

Die Männer nahmen eine kerzengerade Haltung ein, doch es gab nichts, was sie zu ihrer Verteidigung hätten sagen können.

Sloan fuhr fort: „Sie sagte, die Designs seien altbacken. Nicht klassisch, nicht retro, nicht schick. Das wären Begriffe, mit denen man etwas anfangen könnte, Komplimente. ‚Altbacken‘ ist jedenfalls kein Kompliment.“ Er zeigte auf den Stapel mit Entwürfen. „Alles, was ich hier sehe, habe ich bereits in Brautmagazinen gesehen – und zwar vor zehn Jahren.“

„Woher wollen Sie wissen, was die Einkäuferin gesagt hat?“, fragte Anthony leise.

„Und wer, glauben Sie, sind Sie, hier einfach so hereinzuspazieren und uns zu kritisieren?“, fügte Robert sehr viel lauter hinzu.

„Ich bin ab jetzt der Kreativdirektor der Herbstkollektion von Eternity Designs. Von nun an werde ich alle Entscheidungen dieser Abteilung absegnen. Oder auch nicht.“

Es wurde mucksmäuschenstill. Roberts Gesicht lief dunkelrot an, und Anthony blickte fragend in die Runde.

„Sehen Sie“, sagte Sloan ungeduldig. „Wir haben eine Menge zu tun, und die Zeit rennt. Es geht darum, Eternity Designs wieder nach vorne zu bringen – auf meine Art.“

„Warum sollten wir …“

„Wollen Sie mir wirklich weismachen, Sie wüssten nicht, warum ich hier bin?“ Sloan sah Robert direkt in die Augen. „Ihnen mag die wirtschaftliche Situation des Unternehmens egal sein, während Sie hier unten in Ihrem kleinen Paradies sitzen. Aber ich weiß, dass die Besitzerin der Boutique für Brautmoden Ihre Entwürfe in der Luft zerrissen hat. Soll ich näher ins Detail gehen, oder erinnern Sie sich?“

Jetzt schaltete Anthony sich ein. „Nein, wir erinnern uns.“

„Gut. Ich bin hier, damit Eternity wieder schwarze Zahlen schreibt und wie früher ganz vorne mitspielt. Also werden Sie mir in den nächsten drei Monaten Rede und Antwort stehen. Ausschließlich mir!“

„Das werden wir nicht!“, entgegnete Robert. „Nach dreißig Arbeitsjahren lasse ich mir doch nichts von einem Amateur vorschreiben.“

„Dann engagiere ich eben jemanden, der das tut.“

Das war ganz schön barsch. Doch Sloan wusste aus eigener Erfahrung, dass die härtesten Lektionen oft die besten waren … wenn man was daraus machte.

Während er umherging, nahm er den Stapel mit Entwürfen und schmiss ihn in den nächsten Papierkorb. „Fangen Sie noch mal an.“

Ziara und Anthony hielten gleichzeitig die Luft an. Doch es war Robert, den Sloan im Auge hatte, den Anführer der kleinen Gruppe. Er musste ihn gefügig machen, dann würde alles andere wie von selbst laufen.

Robert empörte sich lauthals, während Anthony aussah, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Sloan fragte sich, wie er zu den beiden würde durchdringen können.

Als Ziara ihn fest am Arm packte, war Sloan überrascht. Sie zog ihn außer Hörweite und sah ihn direkt an. „Glauben Sie wirklich, dass Sie die beiden auf diese Art dazu bekommen, mit Ihnen zu kooperieren?“

Sloan versuchte, sich auf ihre Worte zu konzentrieren, doch sein Unmut verwandelte sich urplötzlich in Verlangen, als sie ganz nahe an ihn herantrat. Aus dem testosterongesteuerten Chef-Verhalten wurde urplötzlich pure Lust. Gott sei mir gnädig, wie hat diese Frau das nur geschafft?

„Auf diese Kooperation kann ich verzichten. Wenn sie nicht tun, was ich sage, fliegen sie raus.“

Ziara verzog das Gesicht. „Robert und Anthony waren immer die beiden Stars von Eternity Designs. Sie sollten ihnen etwas mehr Respekt entgegenbringen.“

Wie konnten diese trotzigen Schulmädchen-Lippen nur so süß und sexy sein? Sloan hatte sogar Mühe, Ziaras Worten zu folgen. Er, der König des professionellen Verhaltens.

„Sehen Sie, genau das ist das Problem“, sagte er. „Seit Jahren kriecht hier jeder den beiden in den Allerwertesten. Sie mussten sich nie einer Herausforderung stellen und glauben, ein Hauch Anstrengung würde genügen, um die Größten zu bleiben.“

„Sie leisten harte Arbeit …“

Er hätte Ziara küssen können für das Mitgefühl, das in ihren wunderbaren braunen Augen schimmerte. „Aber nicht hart genug. Wo sind die Marktstudien? Die frischen Ideen? Wer Erfolg will, muss sich anstrengen.“

Sie schien auch für seine Position Verständnis zu haben, und aus irgendeinem Grund bedeutete ihm das etwas. „Ich weiß, ich klinge barsch. Aber es sind erwachsene Männer, die seit Jahren verhätschelt werden. Mit einer höflichen Bitte erreicht man da gar nichts.“ Er streckte die Hand aus und fuhr Ziara kurz mit dem Daumen übers Kinn. „Mein Wahnsinn hat Methode, versprochen.“

Die Berührung ihrer seidigen Haut war magisch. Sie schienen beide einen Augenblick lang zu erstarren.

Wow!

Aufgrund der Stille und der feindseligen Blicke ahnte er, dass Robert keine Sekunde zögern würde, Gerüchte über ein anzügliches Verhalten von Sloan gegenüber seiner Assistentin zu streuen. Und das wollte er ihr nicht antun, also trat er einen Schritt zurück und ließ die Hand sinken.

„Und denken Sie daran“, ermahnte er Ziara: „Ich wäre nicht hier, wenn die beiden ihren Job anständig machen würden. Okay?“

Sie nickte steif, obwohl er genau sehen konnte, dass er sie durcheinandergebracht hatte.

Es wurde Zeit weiterzumachen. „Ziara“, sagte er etwas freundlicher, „das Tablet bitte.“ Sie gab ihm den Computer und vermied dabei jede weitere Berührung.

Nachdem Sloan auf dem Bildschirm herumgetippt hatte, hielt er inne und sah die anderen an. „Momentan sind Retro-Looks im Trend, die dem Stil der alten Klassiker entsprechen.“ Während seiner Recherchen hatte er bereits viele dieser Modelle gesehen, die wiederum seine eigene Fantasie angeregt hatten. „In weniger als drei Monaten werde ich unsere neuen Entwürfe auf einer Modenschau präsentieren. Ich will, dass es eine exklusive Schau wird, über die alle noch lange reden werden.“

Als Sloan seine Ideen für die Modenschau beschrieb, verschwand die Wut aus den Gesichtern der Designer und machte Begeisterung und Neugier Platz.

Er reichte das Tablet herum, damit sich jeder ein Bild machen konnte. „Jede Schau braucht ein zentrales Thema, einen Bezugspunkt. Und das hier ist unseres.“

„Ein Auto? Sind Sie verrückt?“, rief Robert, plötzlich wieder misstrauisch.

„Kein Auto, ein Rolls Royce. Eine klassische Karosse, die Eleganz, ein schlankes Design und den Geist der dreißiger Jahre miteinander vereint. In dieser Ära hatten die Frauen aufregende Rundungen und hüllten sich in Kleider, die ihre Weiblichkeit betonten. Denken Sie nur an die Schauspielerinnen dieser Epoche – Marlene Dietrich, ­Vivian Leigh …“

Er entdeckte einen Funken Zustimmung in Ziaras Augen. Sie wusste, in welche Richtung er gehen wollte.

„Lächerlich“, beharrte Robert.

Doch Sloan ließ sich nicht beirren. „Wir werden alles richtig machen. Schlagen Sie ein, oder gehen Sie von Bord. Es ist Ihre Entscheidung.“

3. KAPITEL

Seit wann habe ich das Gefühl, nur ein Handlanger zu sein?

Ziara wartete, bis Sloan das Gebäude zum Lunch verlassen hatte, bevor sie sich auf den Weg zu ­Vivian machte. Ihr war klar, dass ­Vivian bereits von der Modenschau wusste, und allein bei dem Gedanken an das Bevorstehende wurde ihr schlecht.

In den zwei Tagen, seit sie Sloan beobachtete, hatte sie bereits eines gelernt: Er spielte keine Spielchen. An diesem Morgen hatte er bewiesen, dass er seine Hausaufgaben gemacht und bestens über Designs, Trends und Marktanalysen informiert war.

Das Irritierende war, dass ihr seine Ideen gefielen.

Mit der richtigen Planung könnte daraus eine erfolgreiche Schau werden, zu der die gesamte High Society Atlantas strömen würde. Eternity Designs wäre wieder in aller Munde, und die neuen Entwürfe würden die Titelblätter von Glamour-Magazinen schmücken.

Doch zu ihrer Schande musste Ziara sich eingestehen, dass auch Sloans Anziehungskraft Eindruck auf sie machte. ­Vivian hatte zwar behauptet, Ziara sei die Letzte, die auf Sloans Charme hereinfallen würde. Doch das Verlangen, das sie fühlte, nachdem Sloan sie berührt hatte, jagte ihr Angst ein.

Sie musste unwillkürlich an ihre Mutter denken, die sich Männern an den Hals geworfen und ihren Körper bewusst eingesetzt hatte, um Vorteile daraus zu ziehen. Geschäft und Privates miteinander zu vermischen, war für Ziara das Letzte.

Abigail nickte ihr freundlich zu, als sie das Vorzimmer betrat. „­Vivian wartet bereits auf Sie.“

Darauf wette ich. Als Ziara den Türknopf umfasste, wartete sie eine Sekunde lang. Dann trat sie ein.

„Ah, Ziara“, begrüßte ­Vivian sie. „Ich sehe, Sie haben sich doch noch durchgerungen, mich zu informieren.“ Sie bedeutete ihr, auf der anderen Seite des antiken Schreibtisches Platz zu nehmen.

„Ich wollte warten, bis Sloan zum Lunch geht …“

„Warum? Er weiß doch, dass es Ihr Job ist, mich auf dem Laufenden zu halten. Das nächste Mal möchte ich es direkt von Ihnen hören und nicht durch den Flurfunk erfahren.“

Vermutlich hatte ­Vivian die Neuigkeiten von der Alten Brigade gehört, die aus Angst sofort zu ihr gerannt war.

Ziara fragte sich, ob die beiden Designer sich daran erinnerten, dass ­Vivian einst nur Sekretärin gewesen war – und wie lange sie gebraucht hatten, um sie als Chefin zu akzeptieren.

„Ich finde die neuen Ideen für die Herbstkollektion sehr aufregend“, begann sie.

„Ah ja, die Modenschau. Ich gebe es ungern zu, aber ich sehe, dass es eine gewinnbringende Idee ist. Ich wünsche einen vollständigen Bericht.“

„Ja, Ma’am“, murmelte Ziara, doch ­Vivian sprach bereits ­weiter.

„Abigail wird Ihnen die Kontakte einflussreicher Käufer für die Einladungsliste geben. Sowie die ersten Antworten eingehen, informieren Sie mich.“

Ihre Fürsprecherin ging eine Liste mit allem durch, was Ziara für sie überprüfen sollte. Rechnete Ziara die Arbeit für Sloan mit ein, verdoppelte sich ihr Arbeitspensum dadurch nahezu. Nachtschichten waren also vorprogrammiert.

­Vivian spielte nervös mit ihrem Ehering. „Sie verstehen sicherlich, wie wichtig der Erfolg unserer Herbstkollektion ist. Sie muss einfach spektakulär werden. Ich stelle Sie Sloan an die Seite, damit er glaubt, die uneingeschränkte Verantwortung zu besitzen. Dann werden wir sehen, was er bezüglich der Herbstkollektion plant.“ Das schnelle Klicken ihrer Absätze zeigte, dass ­Vivian alles andere als entspannt war.

„Ich kenne ihn schon sehr lange“, fuhr sie fort. „Er ist hinterlistig und betrügerisch. Ich nehme an, das liegt an den Genen seiner Mutter, die aus der Unterschicht stammt.“

Ziara versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie erstaunt sie war. ­Vivian legte großen Wert auf gesellschaftlichen Status. Doch noch nie hatte sie ihre Vorurteile so deutlich geäußert.

„Er führt etwas im Schilde“, fuhr ­Vivian fort. „Und ich muss wissen, was. Sie müssen wissen, was.“

Ziara konnte nicht ergründen, ob sie schlicht verwirrt war oder ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie Sloan verführerisch fand. Jedenfalls war sie total durcheinander. „­Vivian, ich … nun, ich denke, dass sich ein anderer Mitarbeiter bestimmt besser eignet, für Slo… für Mr Creighton zu arbeiten. Ich könnte doch einfach nur die Modenschau organisieren und …“

„Ab in sein Büro. Dort habe ich Sie hingeschickt, und dort werden Sie auch bleiben. Oder haben Sie einen plausiblen Grund für Ihre Bedenken?“

Das Letzte, worauf Ziara Lust hatte, war, sich zu erklären. Wenn ­Vivian doch nur verstehen würde …

„Ganz ehrlich? Ich fühle mich nicht besonders wohl in der Position, die ich dadurch einnehmen muss. Wenn Sie glauben, dass ich Sloan an irgendetwas hindern kann, also, das bezweifle ich. Ich …“

­Vivian neigte den Kopf zur Seite und betrachtete Ziara prüfend. Zum ersten Mal seit langer Zeit wünschte Ziara, sie könnte sich vor ­Vivian verstecken.

„War ich nicht immer für Sie da, Ziara?“

Ziara war völlig baff über diesen Frontalangriff.

„Habe ich Ihnen nicht alles über professionelles Verhalten beigebracht und darüber, wie man ein Unternehmen führt? Darüber, wie man diejenigen hinter sich lässt, die nicht bereit sind, für den Job alles zu geben?“

„Doch, Ma’am.“

„Wieso habe ich dann plötzlich das Gefühl, meine Großzügigkeit an die falsche Person verschwendet zu haben?“

Panik erfüllte Ziara und rührte an ihrer größten Angst: dass eines Tages alles einstürzte, wofür sie so hart gearbeitet hatte.

„Ich möchte natürlich nicht, dass Sie so über mich denken“, sagte Ziara mit klopfendem Herzen. „Ich bin sehr dankbar …“

„Ich sehe viel bei Ihnen, Ziara“, unterbrach ­Vivian sie barsch. „Aber Dankbarkeit sehe ich nicht.“

Ziara begriff, dass sie ­Vivians Grenze überschritten hatte, und nickte. „Ja, Ma’am.“

„Sie haben hart gearbeitet, um dahin zu kommen, wo Sie jetzt sind, Ziara. Das ist der Grund, warum ich Sie als Nachfolgerin von Abigail in Betracht ziehe.“

Neben aller Furcht verspürte Ziara plötzlich auch einen Hoffnungsschimmer. Seit sie denken konnte, hatte sie sich danach gesehnt, Anerkennung für ihre Anstrengungen zu bekommen: erst in der Schule, dann auf dem Abendgymnasium und schließlich im Berufsleben. Da sie zu Hause keine Wertschätzung erfahren hatte, war der Umzug nach Atlanta für sie der Beginn eines neuen Lebens gewesen.

„Ich bin mir sicher, dass Sie nur das Beste für Eternity Designs wollen.“ ­Vivian erhob sich. „Außerdem bietet diese Position trotz aller Komplikationen eine hervorragende Möglichkeit für Sie, etwas zu lernen. Und ich muss mir doch sicherlich keine Sorgen machen, dass Sie sich von Creighton den Kopf verdrehen lassen, oder?“

Ziara wusste, dass es eine rhetorische Frage war. Daher schüttelte sie einfach nur den Kopf. Oh, sie hatte nicht die Absicht, in Creightons Bett zu landen. Allerdings fragte sie sich schon, wie sie seinem Charme und seiner Intelligenz widerstehen sollte.

­Vivian fuhr fort: „Haben wir diese Sache erst einmal überstanden, wird Eternity Designs für die Zukunft gewappnet sein. Mit Ihnen als meiner persönliche Assistentin.“

Ziara trat von einem Bein aufs andere. „Und wenn er nun Erfolg hat? Wieso riskieren Sie, dass er alle Anteile bekommt, wenn Sie ihm so wenig trauen?“

­Vivian stand auf und ging zum Fenster. „Keine Sorge“, sagte sie. „Darum werde ich mich kümmern.“

Ziara begriff, dass sie nun unerwünscht war. Rasch verabschiedete sie sich und eilte in das sichere Vorzimmer, wo Abigail sie bereits mit einem warmherzigen Lächeln und einer Liste erwartete – die wichtigen Kontakte für die Einladungen.

„Danke, Abigail.“

„Kein Problem, Liebes. Fragen Sie, wenn etwas unklar ist.“

Wie wäre es mit: Werde ich das alles überstehen, ohne den Verstand zu verlieren? Oder: Werden mich noch vor Ende der Schau alle hassen?

Als sie ihr Büro betrat, lehnte Sloan am Schreibtisch. Sie verspürte eine leichte Übelkeit, und ihre Wangen röteten sich. Vermutlich nur, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte.

Sie schluckte. „Kann ich Ihnen helfen, Mr Creighton?“

Der Ausdruck seiner normalerweise strahlenden blauen Augen war nun so eisig, dass sogar der Teufel es mit der Angst zu tun bekommen hätte. Er wusste vermutlich, wo Ziara gewesen war. Leugnen war zwecklos.

„Ich frage mich, warum ich so überrascht bin.“

„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Aber Sie haben mir zu verstehen gegeben, dass Sie sich meiner Aufgaben und Pflichten ­Vivian gegenüber bewusst sind.“

„Das heißt aber nicht, dass es mir gefallen muss.“

Geht mir genauso.

Ziara bemühte sich, einfach nur die Sekretärin zu sein, die ihre Pflicht erfüllt. Doch es gelang ihr nicht. Sloans Berührung vorhin hatte etwas verändert, und sie fürchtete, dass ihre strenge Professionalität und Distanz Risse bekommen haben könnte.

Sie ahnte, dass er ihr doppeltes Spiel nicht zulassen würde, und seine Worte verstärkten diesen Verdacht: „Zu schade, dass ich Ihnen nicht geben kann, was Sie wirklich verdienen.“

„Was soll das sein?“, fragte sie, obwohl sie genau wusste, dass sie mit dieser Frage verbotenes Terrain betrat.

„Eine gehörige Tracht Prügel.“

Die darauffolgenden Tage verliefen ruhig, und so nutzte Ziara die Zeit, um sich mit Sloan Creightons Gewohnheiten vertraut zu machen.

Er mochte seinen Kaffee am liebsten schwarz mit einer Prise Zucker. Nach einer Partie Squash kam er morgens gegen neun Uhr dreißig ins Büro, meist umhüllt von einem herben Zitrusduft. Er ging im Raum umher, während er Briefe diktierte. Dadurch konnte Ziara den Anblick seiner langen Beine genießen. Dachte er laut über neue Ideen nach, saß er in seinem Schreibtischsessel und hatte die Füße, die in teuren Lederschuhen steckten, auf den Tisch gelegt.

Oft sah sie ihn vor dem großen Fenster stehen, wo er gedankenverloren das Treiben beobachtete, das sich fünf Stockwerke weiter unten auf der Straße abspielte. In solchen Momenten wollte sie ihn nicht stören und ließ ihn in Ruhe.

Sie lernte ihn viel zu gut kennen.

Diese neuen Einblicke behagten ihr nicht. Noch weniger behagte ihr der Verdacht, dass Sloan ebenfalls versuchte, etwas über sie herauszukriegen.

Diese verdammten Augen!

Die Routine des heutigen Tages wurde jedoch gestört, als Sloan wütend die Tür aufriss. Seit seiner heftigen Attacke auf ­Vivian am ersten Tag hatte Ziara ihn nie mehr so zornig erlebt.

„Ich muss telefonieren. Sorgen Sie dafür, dass ich absolut ungestört bin, Ziara.“

„Ja, Mr Creighton“, sagte sie so förmlich wie möglich. Sie sah, wie er mit langen Schritten in sein Büro ging und die Tür hinter sich zuknallte. Es würde also ein wunderbarer Tag werden, um den Stapel auf ihrem Schreibtisch abzuarbeiten.

Nach ein paar Stunden beschloss Ziara, in der Designabteilung vorbeizuschauen, wo Anthony sie schweigsam begrüßte. Dann zeigte er ihr die neuen Stoffmuster, die auf einem großen Tisch ausgebreitet waren.

„Robert ist wütend auf mich“, sagte er. „Er hält mich für einen Verräter.“

Ziara blickte über seine Schulter zu dem Mann hinüber, der vor dem Zeichentisch saß. „Wieso?“, fragte sie leise.

Anthony deutete auf die Muster. „Weil ich die hier bestellt habe.“

Ziara betrachtete die Mischung aus cremefarbenen, fliederfarbenen und hellen Stoffen.

„Seit Jahren versuche ich, Robert in eine andere Richtung zu bewegen. Aber er hört mir einfach nicht zu.“

„Ich denke, Mr Creighton wird er zuhören müssen.“

Mit einem traurigen Lächeln ging Anthony wieder an den Zeichentisch und ließ Ziara allein. Er wusste, wie gern sie hier unten war.

Sie betrachtete die frischen Farben, prüfte die Textur und Qualität der Stoffe.

„Amüsieren Sie sich?“

Ziara erstarrte. Während ­Vivian nichts von ihren heimlichen Ausflügen in die Designabteilung wusste, hatte Sloan gerade einmal eine Woche gebraucht, um hinter ihr kleines Geheimnis zu kommen.

„Entschuldigung, Mr Creigh – äh, Sloan. Brauchen Sie mich gerade?“

Als er sich gestresst über den Nacken fuhr, empfand sie plötzlich Mitgefühl.

„Natürlich brauche ich Sie, Ziara. Haben Sie das nicht gewusst?“

Sie blickte ihn an, um herauszufinden, wie er diese Bemerkung gemeint haben könnte. Seine Augen sahen müde aus, trotzdem fuhr ihr bei seinem Anblick ein kleiner Schauer durch den Körper. Immer nahm sie ihn als Mann wahr – und sich selbst als Frau. Wie schaffte er das bloß?

„Schön, wenn ich Ihnen helfen kann“, murmelte sie, zuckte innerlich aber zusammen, da er ihre Bemerkung durchaus auch anders verstehen könnte. Er trat näher, streckte die Hand aus – und griff an ihr vorbei, um die Stoffmuster zu prüfen.

Ein rauchblauer Chiffon-Stoff interessierte ihn offenbar besonders. „Sehr schön“, murmelte er und klang dabei fast verführerisch, so als wollte er etwas … hervorkitzeln. Er sah sich das Stück Stoff genauer an und befühlte es.

Seine Hände faszinierten Ziara. Die langen, schmalen Finger bildeten einen reizvollen Kontrast zu dem Material, das er berührte.

„Was ist das?“, fragte er.

„Ein leichter Chiffon, der normalerweise benutzt wird, um weiche Akzente zu setzen“, erklärte sie.

Überrascht schaute er sie an. „Sie haben sich mit den Materialien beschäftigt, oder?“

Ihre Wangen wurden warm. „Anthony hat es mir beigebracht.“

Anstatt sie zu rügen, reagierte Sloan freundlich und neugierig. „Dann schießen Sie mal los.“

Sloan war beeindruckt, als Ziara ihm die Unterschiede zwischen Seide, Chiffon und unzähligen anderen Materialien erklärte. Nicht von den Informationen an sich, auch wenn er für die natürlich dankbar war, sondern von dem Funkeln in ihren Augen.

Ebenso entzückten ihn ihre schlanken Arme, die sie hob, wenn sie ihm die Beschaffenheit eines Stoffes erklärte.

„Sie könnten Stoffhändlerin sein“, sagte er.

Ihr Schweigen verriet ihm, dass er offenbar einen wunden Punkt getroffen hatte. Vorsichtig fragte er: „Wieso sind Sie es nicht geworden? Offenbar haben Sie ein Händchen für Stoffe.“

Sie presste die Lippen aufeinander und blickte ihn an. „Textilproduktion zu studieren, ist nicht gerade preiswert.“ Sie begann, die Stoffproben nach Farben zu sortieren. „Ich hatte nicht die ausreichenden Mittel, daher stand die Verwirklichung dieses Traumes nie zur Debatte. Also habe ich überlegt, was stattdessen infrage käme. Erst seit ich hier bin, ist mir klar geworden, wie interessant die Business-Seite ist.“

„Und Ihre Eltern konnten Sie nicht unterstützen?“

„Nein. Abgesehen davon gab es nur meine Mutter und mich. Sie hat einer schulischen Ausbildung keinerlei Bedeutung beigemessen.“

Die Neugier, die Sloan erfasste, war ebenso aufregend wie gefährlich. Dennoch wagte er sich weiter vor. „Aber warum?“

Schließlich legte Ziara die Stoffproben auf den Tisch und blickte ihn an. „Sehen Sie, ich komme aus einer Kleinstadt im Süden von Georgia. Ich hatte kein Geld und keine Entwicklungsmöglichkeiten. Ich habe gejobbt und die Handelsschule absolviert. Nicht jeder braucht ein großes Gehalt und Investmentfonds, um erfolgreich zu sein.“

Das saß. Allerdings fühlte er sich nicht persönlich getroffen. Er begriff, wie hart sie gearbeitet haben musste, um in ihren jungen Jahren dorthin zu kommen, wo sie jetzt war – und dass ihre Stelle für sie nicht bloß ein Job war.

Sie war nicht bloß ­Vivians Schoßhündchen.

Wie das mit seinen Plänen zusammenpasste, wusste er nicht. Deshalb sah er sich lieber diese schöne Frau neben sich an, die edle Stoffe durch ihre Hände gleiten ließ. Von diesem Anblick inspiriert, schossen ihm sofort Ideen für neue Schnitte durch den Kopf: ein elegantes Seidenkleid in blassrosa, das einen hellen Kontrast zu Ziaras gebräunter Haut bildete. Der rauchfarbene Chiffon in ihrer Hand wurde zu zarten Blüten an den Schultern.

Es war wie gemacht für ihren unglaublichen Körper. Eine ungeheure kreative Energie erfasste ihn.

„Was denken Sie?“, hörte er Ziara wie aus der Ferne fragen.

Sloan musste sich das Kleid nur vorstellen, und schon sah er es vor sich. Das war nicht nur sehr hilfreich, sondern auch produktiv und absolut berauschend.

Rasch beugte er sich über den Tisch und schnappte sich Stift und Papier. Als ihre Körper sich dabei berührten, durchströmte ihn eine angenehme Hitze. Doch er riss sich zusammen.

Ziara hatte es auch gespürt, keine Frage. Denn er sah, wie ihre Augen sich weiteten und ihr der Atem stockte. Er schob die Stoffe auf dem Tisch beiseite und begann zu zeichnen. Innerhalb weniger Minuten hatte er den Entwurf für das Kleid in blassem Rosa aufs Papier gebracht.

„Wow“, stieß sie beeindruckt hervor. „Das ist ja unglaublich!“

„Danke.“

Ziaras Lächeln wärmte und berührte ihn.

Seine sonst so zugeknöpfte Mitarbeiterin schien plötzlich von einem Feuer erfasst worden zu sein, das er nur zu gern entfesselt hätte – obwohl er ihr Boss war.

„Ganz ehrlich“, fuhr Sloan fort, „Sie haben mir klargemacht, was ich brauche.“

Doch bevor er Gefahr lief, so etwas Törichtes zu tun wie diese vollen roten Lippen zu küssen, drehte er sich auf dem Absatz um und entfernte sich. Er wusste jetzt, in welche Richtung die Firma gehen sollte. Er musste es nur noch anpacken.

Eternity Designs würde ein ganz anderes, völlig neues Unternehmen werden!

Als Sloan zu den Aufzügen lief, rauschte pures Adrenalin durch seine Adern.

„Wie macht sich deine neue Assistentin, Sloan?“

Verdammt noch mal!

­Vivian trat aus dem Schatten heraus. Hatte sie auf ihn gewartet, um ihn abzufangen? Hatte sie das Gespräch zwischen ihm und Ziara beobachtet?

„Großartige Wahl, ­Vivian. Sie arbeitet fantastisch.“

­Vivian studierte ihn mit dem gleichen fragenden Blick, mit dem sie ihn schon angesehen hatte, wenn er als Teenager etwas ausgefressen hatte.

Er trat einen Schritt näher. „Aber warum auch immer du Ziara in mein Büro geschickt hast – ich werde meinen Weg trotzdem weiterverfolgen und das tun, was das Beste für Eternity Designs ist.“

­Vivians Lächeln war unglaublich herablassend. „Ich weiß genau, wem gegenüber Ziara loyal ist. Sie wird den Job machen, den ich ihr aufgetragen habe.“

„Dennoch werde ich wie gehabt weitermachen.“ Die Skizze mit dem Entwurf in seiner Hand bestärkte Sloan darin, dass er auf dem richtigen Weg war. Jetzt brauchte er nur noch die richtige Person, die ihm dabei half, seine Pläne umzusetzen.

„Dann hast du die Alte Brigade also überreden können, deine verrückten Ideen umzusetzen?“, fragte ­Vivian, ohne verbergen zu können, wie beunruhigt sie war.

Ah, sie sähe es natürlich lieber, wenn er nicht mit ihren beiden Lakaien klarkäme.

„Robert und Anthony werden rechtzeitig mit der Arbeit an der Herbstkollektion beginnen.“ Er spannte die Schultern an.

Langsam schüttelte sie den Kopf. „Robert ganz sicher nicht – ich glaube, seine genauen Worte waren ‚Nur über meine Leiche‘.“

Ihre Arroganz brachte Sloans Selbstbeherrschung allmählich an die Grenzen. „Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.“

„Und warum nicht?“

„Weil ich Eternity Designs völlig umkrempeln werde.“

Das „Bing“ des Aufzugs kündigte an, dass er endlich die Flucht ergreifen konnte. Sloan ging durch die Tür, drehte sich um und bemerkte ­Vivians irritierten Gesichtsausdruck, als die Türen sich wieder schlossen.

4. KAPITEL

Ziara füllte selbst gemachte Paella in eine große Suppenschüssel und sog genüsslich den würzigen Duft von Paprika, Shrimps und Chorizo ein. Auf dem Weg zum Tisch spürte sie die erfrischende Kühle des Kachelbodens unter ihren nackten Füßen.

Sie trank einen Schluck Eistee und schnappte sich ein Buch und eine Gabel. Nachdem sie ihren harten Arbeitstag überstanden hatte, wollte sie nichts weiter, als gemütlich zu entspannen. Und sich auf das ruhige Wochenende freuen, das vor ihr lag.

Sie hatte hart für ihr kleines Häuschen gearbeitet, aber es war zu einem wunderbaren Rückzugsort geworden. Hier konnte sie loslassen und sich ganz ihrer Leidenschaft fürs Lesen und Kochen hingeben. Und ihrer Freude an farbigen Dekors. Nach der heutigen Begegnung mit ihrem Boss brauchte sie Ruhe mehr denn je.

Sloan war zweifellos zum Flirten aufgelegt gewesen. Doch sie hielt eisern an ihren Vorsätzen und moralischen Grundsätzen fest. Dass sein charmantes Lächeln und die kurze Berührung so eine starke Wirkung auf sie gehabt hatten, machte sie wütend – vor allem auf sich selbst.

Bereits beim ersten Bissen Paella spürte sie die brennende Schärfe des Gerichts. Es war köstlich, aber vermutlich hatten ihre hitzigen Gedanken sie etwas zu tief in den Gewürztopf greifen lassen.

Als die Türklingel ertönte, sprang Ziara erschrocken auf. Sie bekam so gut wie nie Besuch – weder von ihrer Familie noch von Freunden. Vielleicht war es ein Vertreter oder eines der Nachbarkinder, die Spenden für die Schule sammelten. Ziara seufzte.

Nachdem sie den kleinen Flur zwischen Küche und Wohnzimmer durchquert hatte, hielt sie kurz inne und spähte durch das schmale Fenster in der Eingangstür.

Die Gestalt, die dort wartete, kam ihr irgendwie bekannt vor. Plötzlich schien ihr die Schärfe der Paella in den Nacken zu kriechen und ihren Schädel explodieren zu lassen. War das etwa Sloan, der da gerade lässig auf der Veranda stand?

Sie schrak zurück und fühlte sich entsetzlich unsicher in ihrer Jogginghose und dem alten T-Shirt. Fast nackt.

Als die Klingel zum zweiten Mal schrillte, zuckte sie zusammen und sah, dass Sloan durch das kleine Fernster blickte. Er wusste, dass sie da war. Die Höflichkeit gebot es, ihm zu öffnen und zu fragen, warum er hier war. Irritiert murmelte sie etwas vor sich hin.

Ziara umfasste den Knauf und öffnete die Tür gerade so weit, dass sie sein attraktives Gesicht sehen konnte.

„Sloan“, sagte sie, mehr fragend als grüßend. Sie bat ihn nicht hereinzukommen, doch offenbar brauchte er ohnehin keine Einladung. Er drückte sanft die Tür auf und trat unverblümt ein. Einen Augenblick lang stand Ziara einfach nur erstaunt da. Dann schloss sie die Tür und lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen dagegen.

„Was verschafft mir das Vergnügen?“

Ihr Ton verriet, dass sie alles andere als erfreut über seinen Besuch war. Sie war gerade dabei gewesen, sich zu entspannen, doch jetzt war ihr Rücken plötzlich wieder steif wie der eines Soldaten. Ob nun aus Abneigung gegen Sloan oder … weil sie sich freute, ihn zu sehen, hätte sie nicht sagen können. Das war das Schlimmste daran.

„Hi.“ Er lächelte auf seine übliche unwiderstehliche Art. Dann sah er sich um.

Irgendwie hatte Ziara das Gefühl, überrumpelt worden zu sein. Als er durch den Raum ging, mit einem Finger über ihre Lieblingsdecke strich und sich das abstrakte Bild eines exotischen Tänzers ansah, das auf dem Kaminsims stand, wurde sie un­ruhig.

„Sloan“, sagte sie, als sie die Spannung nicht länger aushielt. „Was machen Sie hier?“

„Das sage ich Ihnen, sobald Sie mir einen Teller von diesem köstlich duftenden Essen geben. Ich bin auf einmal so hungrig.“

Nein! schrie es in ihrem Kopf. Sie wollte nicht, dass er in ihr Zuhause eindrang. Doch sie konnte ihn wohl kaum an die Luft zu setzen, und etwas anderes fiel ihr momentan nicht ein.

Tief durchatmend ging sie wieder in die Küche. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als sie an Sloan vorbeieilte. Während sie nervös einen Küchenschrank öffnete, beschloss sie, sein Verhalten nicht einfach kommentarlos hinzunehmen. Die eine oder andere Frage würde er sich schon gefallen lassen ­müssen.

Sie schöpfte Paella auf einen Teller, holte etwas zu trinken und platzierte ihren Gast an die gegenüberliegende Seite des Tisches.

Sloan nahm seine Gabel und schnupperte genießerisch an dem Essen.

Dann blickte er Ziara an und sagte mit einem gewissen Stolz in der Stimme: „Ich weiß jetzt, wer für uns als Designer infrage kommt.“

„Mir war gar nicht bewusst, dass wir noch einen brauchen. Wir haben doch schon zwei.“ Unter seinem wissenden Blick gab Ziara schließlich nach. „Okay, wir haben zumindest einen, der seine Hilfe zugesagt hat.“

„Aber mir ist endlich eingefallen, welcher Mensch meine Visionen umsetzen kann.“

„Das freut mich, aber hätte diese Mitteilung nicht bis Montag warten können?“

Sloan schüttelte den Kopf und aß einen Bissen Paella. Es war erregend zuzusehen, wie er seine perfekt geschwungenen Lippen um etwas schloss – und sei es auch nur eine gewöhnliche ­Gabel.

Ups, sie hatte ihn nicht vor der Schärfe der Paella gewarnt! Plötzlich weiteten sich seine Augen, er hustete und versuchte zu schlucken. Mit Genugtuung lehnte sie sich zurück, als er zu seinem Glas griff. Das würde ihn hoffentlich lehren, zukünftig nicht einfach irgendwo aufzutauchen, wo er nicht erwünscht war.

„Wow“, sagte er, nachdem er einen großen Schluck Eistee getrunken hatte. „Ganz schön scharf.“

Ja, das ist es. „Ich freue mich, dass es Ihnen schmeckt“, erwiderte sie mit einem süffisanten Lächeln.

Er leerte den Teller, während er sie die ganze Zeit über mit einem Blick ansah, der stärker brannte als die Schärfe der Paella. Ziara bekam eine Gänsehaut.

Sie warf ihr fülliges Haar über die Schulter und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Hat ­Vivian schon grünes Licht für den neuen Designer gegeben?“

„Sie würde grün vor Wut, wenn sie hört, wer es ist.“

Ziara zögerte. „Dann haben Sie es noch gar nicht mit ihr besprochen?“

Sloan schüttelte den Kopf, wobei ihm ein paar Haarsträhnen ins Gesicht fielen. Verschwörerisch beugte er sich über den Tisch. „Ich habe auch nicht vor, es ihr sofort zu sagen. Sie etwa?“

Ziara beugte sich ebenfalls vor. „Lassen Sie uns eins klarstellen: Alles, was ich tue, tue ich zum Wohle der Firma. Überzeugen Sie mich vom Nutzen Ihres Plans, dann müssen Sie sich auch keine Sorgen um meine Loyalität machen.“

Sloan stand auf und lief in der Küche umher, die in ein warmes Abendlicht getaucht war. Das klare Blau seiner Augen passte hervorragend zu den Grün- und Goldtönen des Raumes, und sein Haar schimmerte in einer ähnlichen Farbe wie die Kiefernholzregale. Er passt hervorragend hierher, musste Ziara plötzlich denken.

Er prüfte sie offenbar. Doch statt sich darüber zu ärgern, verspürte sie ein aufregendes Prickeln.

„Ihr Zuhause habe ich mir ganz anders vorgestellt“, sagte Sloan unvermittelt. Und als er sie unverhohlen musterte, wünschte Ziara sich, ein Business-Kostüm zu tragen und nicht in ihren Freizeit-Klamotten vor ihm zu stehen.

Quer durch die Küche kam Sloan auf sie zu und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. „Wer hätte gedacht, dass Sie so viel zu verstecken haben?“

Ziara atmete scharf ein, ließ sich aber äußerlich nichts anmerken. Doch innerlich zog sie sich zurück. Sie konnte es sich nicht leisten, ihm Geheimnisse anzuvertrauen. Ihre Beziehung zu Sloan war rein beruflicher Natur, und das würde auch so bleiben. Private Informationen auszutauschen, veränderte alles. Das tat es immer. Die wenigen Menschen, denen sie sich anvertraut hatte, hatten ihr daraufhin den Rücken zugekehrt.

Deshalb ging Ziara in den Flur und öffnete die Tür, um ihm wenig dezent anzudeuten, dass es an der Zeit war zu gehen.

Sloan folgte ihr mit gleichmütiger Miene, nahm eine Karte aus seiner Brieftasche und schrieb etwas auf die Rückseite. „Hier ist meine Handynummer. Für den Fall, dass Sie mich anrufen ­müssen.“

Sie starrte auf die Karte in seiner Hand. „Kommen Sie denn am Montag nicht ins Büro?“

„Nein“, sagte er, „und Sie auch nicht.“

„Warum nicht?“

Und da war es wieder, dieses sexy Grinsen. „Packen Sie Ihre Sachen. Wir werden nach Las Vegas fahren.“

Sloan kam viel zu früh am Flughafen an. Er passierte die Sicherheitskontrolle und setzte sich in den Wartebereich. Eigentlich hatte er Ziara für den Typ „immer pünktlich“ gehalten, doch am gestrigen Abend musste er erfahren, dass er über die wirkliche Ziara offenbar nicht viel wusste.

Hinter dieser kühlen geschäftlichen Fassade schlummerte offenbar eine Frau, die schärfer war als ihre Paella. Das faszinierte ihn. Noch stärker beschäftigte ihn allerdings die Frage, warum es ihn faszinierte.

Warum verhielt sie sich während der Arbeit so anders? Als wäre er im Büro und in ihrem Haus zwei völlig verschiedenen Frauen begegnet.

Die satten, fröhlichen Farben in ihrem Wohnzimmer – weinrot, orange, gelb und violett – brachten Ziaras Schönheit voll zur Geltung. Warum trug sie dann immer nur graue und braune Kleidung?

Das lange, glänzende Haar war wie ein Wasserfall um ihre Schultern geflossen und hatte in ihm das Bedürfnis geweckt, es auf einem Kissen auszubreiten. Oder noch besser, auf seiner Brust. Wenn sie glaubte, sie könnte ihre Pracht vor ihm verbergen, irrte sie sich. Der strenge Haarknoten, den sie im Büro trug, unterstrich doch nur ihre faszinierenden braunen Augen und die wunderbaren Wangenknochen.

Hatte sie diese rassige und fesselnde Schönheit von ihrer Mutter geerbt? Nirgends in Ziaras gemütlichem Zuhause hatte er ein persönliches Foto entdeckt – weder von ihr selbst noch von ihrer Familie. Das war merkwürdig.

Sloan blickte sich um und entdeckte Ziara in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle. Als er auf die Uhr sah, dämmerte ihm, dass sie ihre Ankunft bis zum letzten Moment aufgeschoben hatte. Er lächelte. Jetzt, da er Einblicke in ihr wahres Wesen bekommen hatte, würde er sich nicht mehr mit ihrem Dienstgesicht zufriedengeben.

Ein vertrautes Gefühl durchfuhr ihn, als er sah, wie Ziara sich in der Schlange Stück für Stück weiter nach vorne bewegte. Der Rausch des Adrenalins war vergleichbar mit dem Rausch der Kreativität, nur tausendmal stärker. Eine dumme Situation, denn schließlich war er ja ihr Boss. Zumindest zeitweilig. Andererseits … wäre sie zusätzlich seine Geliebte, würde sich ganz schnell zeigen, wem gegenüber sie wirklich loyal war. Damit könnte er leben … oder etwa nicht?

„Guten Morgen, Sloan“, sagte sie und nahm ihm gegenüber Platz.

Er stutzte, als sie ihr Handy hervorholte. „Finden Sie es nicht etwas unhöflich, mir gegenüberzusitzen und zu telefonieren?“

„Nicht, wenn es um etwas Geschäftliches geht.“

„Geschäftlich?“

Sie zeigte erst auf ihn, dann auf das Handy. „Dieser Trip.“ Dann tippte sie auf das Gerät. „Und dieses Telefonat.“

Oh nein, das würde sie nicht tun! „Welche geschäftliche ­Angelegenheit könnte an einem Samstagmorgen so dringend sein?“

„Ich rufe ­Vivian an. Gestern Abend war es dafür schon zu spät. Aber ich denke, sie sollte wissen, wo wir sind.“

Er betrachtete Ziaras angespannte Schultern und das erhobene Kinn, während sie auf das Display blickte. „Tun Sie es nicht.“

„Warum nicht?“

„Wozu soll das gut sein?“

„Es könnte meinen Job retten, wenn das hier vorbei ist“, sagte sie und blickte ihn endlich aus diesen wunderbaren schokoladenfarbenen Augen an. „Oder haben Sie schon vergessen, dass Sie nicht der Einzige sind, der hier das Sagen hat?“

Autsch. Doch, er wusste es. Und sie brauchte den Job. Aber wenn es nicht funktionieren sollte, dann würde er ihr helfen, einen neuen zu bekommen.

Als der letzte Aufruf aus den Lautsprechern drang, stand Sloan auf. „Allerdings bin ich immer noch derjenige, der für diesen Trip verantwortlich ist.“ Er schnappte sich kurzerhand ihr Handy und verstaute es in der Tasche seiner Baumwollhose. Sie könnte zwar versuchen, es zurückzuholen … aber das würde sie sich nicht trauen.

„Geben Sie her“, forderte sie ihn mit zitternder Stimme auf.

„Nein. Aber Sie können es sich gerne nehmen, wenn Sie möchten.“

Die Wut in ihrem Gesicht konnte nicht über den klitzekleinen Anflug von Interesse hinwegtäuschen, den er ebenfalls wahrnahm. Mit einem Gefühl der Genugtuung schnappte er seine Reisetasche und ging zum Terminal. Auf dem Weg dorthin konnte er ihren vernichtenden Blick förmlich zwischen den Schulterblättern ­fühlen.

Es würde ein netter Flug werden.

Im Flugzeug setzte sie sich ganz besonders wachsam auf den Sitz neben ihm. Ihr zusammengepresster Kiefer deutete darauf hin, dass sie die Situation alles andere als nett fand.

„Geben Sie mir mein Telefon wieder.“

„Nein“, sagte er und klopfte auf seine Hosentasche. „Sehen Sie es mal so – zumindest haben Sie jetzt eine Entschuldigung, wenn ­Vivian Ihnen vorwirft, sich nicht gemeldet zu haben.“

Sloan schmunzelte. Seine Assistentin glich einer Supernova kurz vor der Explosion. Kein Wort kam ihr über die Lippen, doch die Luft um sie herum war zum Schneiden. Schließlich schloss sie die Augen und atmete tief durch.

Als der Flieger abhob, zog Ziara ein Buch hervor und begann zu lesen. Sie wollte also nicht mit ihm reden. Sloan grinste in sich hinein. Sich in Geduld zu üben, war eine seiner leichtesten Übungen.

Er ließ sie in Ruhe, bis das Flugzeug eine gewisse Höhe erreicht hatte. Dann nahm er ihr das Buch weg, bevor sie wusste, wie ihr geschah.

„Hey“, protestierte sie. „Wird Diebstahl jetzt zu Ihrer Gewohnheit?“

„Keine Ahnung. Wissen Sie denn nicht, wie unhöflich es ist, seine Reisebegleitung zu ignorieren?“

Sie drehte sich so, dass er ihre feingliedrige Nase und die vollen Lippen eingehend betrachten konnte. Die von langen Wimpern umrahmten Augen betonten ihren geheimnisvollen Blick. „Ich wollte Ihnen nicht das Gefühl geben, den Alleinunterhalter für mich spielen zu müssen.“

Er gab ihr das Buch zurück und murmelte: „Das glaube ich Ihnen sogar.“

Sie blickte ihn missbilligend an, steckte das Buch aber wieder in die Tasche. Dann faltete sie die Hände und legte sie in den Schoß, ganz das brave Mädchen, für das er sie nicht mehr hielt. Sie hatte ja keine Ahnung, was dieser Widerspruch in ihm auslöste …

„Sind Sie denn gar nicht neugierig, mit welchem Designer wir uns treffen werden?“

Durch das kleine Fenster blickte Sloan in einen unglaublich blauen Himmel, wie man ihn nur vom Flugzeug aus sah. Sonnenstrahlen fluteten durch das kleine Fenster. Und als Ziara ihm den Kopf zuwandte, war ihr Profil wie von einem Heiligenscheint umgeben. Diesen schlanken Hals zu küssen … bestimmt schmeckte er genauso köstlich, wie die ganze Frau aussah.

Sloan rief sich zur Ordnung. Eine Erektion war das Letzte, was er in achttausend Metern Höhe brauchen konnte.

„Also schön“, sagte sie. „Wer ist es?“

Sloan nahm die Getränke entgegen, die ihnen die Stewardess anbot. Als er Ziara eins der kleinen Gläser reichte, streifte er absichtlich ihre Hand. Das leichte Zusammenzucken als Reaktion darauf bestätigte seine Vermutung: Sie war alles andere als gleichgültig ihm gegenüber. Obwohl es ihr nicht gefiel. Wenn er seine Karten geschickt ausspielte, würde Ziaras Treue zu ­Vivian schwächer und ihre Loyalität ihm gegenüber stärker.

„Er heißt Patrick und war mein Mitbewohner im College. Er hat sich als Modedesigner einen Namen gemacht, während ich mich in Richtung Betriebswirtschaft orientiert habe.“ Als Ziara ihn aufmerksam ansah, hielt Sloan einen Moment inne. Dann fuhr er fort: „Ich habe sofort an ihn gedacht, als ich dieses Projekt übernahm. Aber er hat mir einen Korb gegeben.“

„Und warum fliegen wir dann nach Las Vegas?“

„Weil ich ihn überzeugen werde.“

Na toll. Sie saß nicht im Flugzeug, um ihren neuen Designer zu treffen, sondern um ihn überhaupt erst mal zu überreden, ihr neuer Designer zu werden.

„Es wäre mir neu, dass in Las Vegas ein großer Designer für Hochzeitskleider sitzt. Für wen arbeitet er?“

Sloans Grinsen warf nur noch mehr Fragen auf. „Das werden Sie sowieso erst glauben, wenn Sie’s sehen.“

Sie seufzte frustriert. „Das heißt?“

Sloan beugte sich zu ihr herüber und sah sie direkt an. Als ihr flau wurde, redete sie sich ein, es liege am Flug.

„Ziara. Wir sind auf dem Weg nach Vegas. Entspannen Sie sich. Haben Sie ein bisschen Spaß bei der Arbeit.“

Warum meldete sich ihr Gewissen jetzt nicht sofort? Beängstigend. Zugegeben, sie hätte der Versuchung, die von Sloan ausging, gerne nachgegeben. Doch ihr war klar, dass sie damit alles aufs Spiel setzen würde, was sie sich hart erarbeitet hatte.

„Ich bin hier, um ernsthaft zu arbeiten“, sagte sie in der Hoffnung, sich wie eine verklemmte alte Schachtel anzuhören. „Was wird nötig sein, damit Ihr Freund seine Meinung ändert?“

Stirnrunzelnd ließ Sloan sich in den Sitz zurückfallen. „Vermutlich verlangt er irgendetwas, was ich ihm nicht geben will.“

„Wieso?“

„Weil er mich viel zu gut kennt.“

Ziara drehte sich etwas, um ihren Chef ansehen zu können. „Dann stehen Sie sich also sehr nahe?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wir haben unterschiedliche Interessen.“

Und was hieß das? Am liebsten hätte Ziara sich die Haare gerauft. Oder Sloan so lange durchgeschüttelt, bis sie alle Antworten bekam. Seine geheimnistuerische „Ich vertraue Ihnen nicht“-Haltung nervte allmählich. Wenn er ihr nicht vertraute, war das sein Problem.

„Gibt es etwas, was Sie in Vegas gerne tun würden?“, fragte Sloan unvermittelt. „Eine Show besuchen? Shoppen gehen?“ Als er Ziara musterte, schoss erneut Hitze durch ihren Körper. „Mit einem attraktiven Fremden tanzen?“

Bei jedem anderen wäre diese Frage anzüglich gewesen. Bei Sloan war sie, nun ja, verführerisch. Wie es wohl wäre, dicht an ihn geschmiegt zu tanzen? Sich seiner Führung zu überlassen, ohne zu wissen, wohin der Abend sie beide führte? Ohne sich am nächsten Morgen fragen zu müssen, was er von ihr dachte?

Das würde sie niemals riskieren.

Mochte er noch so attraktiv sein, Ziara würde sich nicht anmerken lassen, dass sie ihn begehrte. Sie würde es sich auch niemals erlauben.

„Lassen Sie uns Folgendes klarstellen“, sagte sie ruhig. „Ich bin hier, um meinen Job zu erledigen, nichts weiter. Punkt.“

Im Gegensatz zu anderen Männern, die irgendeinen Vorwand gesucht hätten, betrachtete Sloan während des Gesprächs hemmungslos ihren Mund. Ziaras Drang, sich über die Lippen zu lecken, wurde immer stärker. Dieser Mann machte sie so nervös!

Ein zufriedener Ausdruck erschien auf Sloans Gesicht. Als ob er hinter ein Geheimnis gekommen wäre, das sie vor ihm verbarg. „Wir werden sehen“, sagte er bloß. Dann lehnte er sich wieder zurück und überließ sie ihrer Fassungslosigkeit über sein unverschämtes Verhalten.

Wir werden sehen? Das Einzige, was er sehen würde, wäre ihre Hand im Gesicht! Der Kerl sollte es ja nicht wagen, sich an sie heranzumachen.

Sie wusste nur zu gut, wie weit Männer gingen, um eine Frau zu verführen. Und am Ende lief es doch nur darauf hinaus, dass sie einen wie Abschaum behandelten, wenn man auf ihre Avancen einging.

Bereits vor langer Zeit hatte Ziara beschlossen, sich niemals dieser Demütigung auszusetzen. Respekt bedeutete ihr alles. Wenn sie den schon nicht in einer romantischen Beziehung bekam, würde sie ihn sich eben durch harte Arbeit verdienen.

Niemals würde sie ihre Prinzipien aufgeben. Selbstachtung war das Einzige, was ihr sicher blieb.

Ziara hielt sich an diesem Gedanken fest, bis das Flugzeug am späten Nachmittag zur Landung ansetzte. Die Hitze Nevadas schlug ihr wie Glut entgegen, als sie das Flughafengebäude verließen.

5. KAPITEL

Der Check-In im Hotel war schnell erledigt. Ihre elegante Suite verfügte Gott sei Dank über zwei separate Schlafzimmer, und von Ziaras Balkon aus hatte man eine wunderbare Aussicht. Obwohl Ziara mit dem festen Willen gekommen war, sich ausschließlich auf die Arbeit zu konzentrieren, konnte sie eine gewisse Aufregung nicht leugnen. Vegas war wie ein großes Tier mitten in der Wüste, auf das sie mindestens so neugierig war wie auf Sloan und seinen geheimnisvollen Designer.

Als die Sonne hinter dem Horizont verschwand und die Lichter angingen, wollte Ziara plötzlich doch in das bunte Treiben eintauchen. Sie vergaß den schlechten Ruf der Stadt als Sündenpfuhl und Spielhölle, es zog sie nach draußen.

Zuvor aß sie mit Sloan im Wohnzimmer der Suite Dinner. ­Ziara versuchte, ihm so viele Informationen wie möglich zu entlocken. Je mehr sie wusste, desto leichter würde es ihr fallen, nur an die Arbeit zu denken und sich nicht von seinem guten Aussehen ablenken zu lassen.

Er hatte sich umgezogen und trug jetzt einen Sommeranzug, der die hellen Strähnen seines blonden Haars wunderbar zur Geltung brachte. Dazu ein azurblaues Hemd, das fast ein bisschen zu weit offen stand und das klare Blau seiner Augen spiegelte. Ziara schluckte. Sloan versprühte eine Aura von stilvoller Gelassenheit, um die sie ihn irgendwie beneidete. Sie brauchte dringend Ablenkung. „Was ist nun der Plan für unseren Aufenthalt?“

Sloan machte sich nicht die Mühe aufzusehen und aß weiter. „Keine Ahnung.“

Sie unterdrückte ein Seufzen. „Haben wir denn einen Termin mit Ihrem Freund?“

„Ich fürchte nein.“ Er schwieg einen Augenblick und genoss die knusprigen Ofenkartoffeln. „Der Trip war eine spontane Entscheidung.“

Wirklich? Ziara verspürte Enttäuschung. Hatte er für diesen kleinen Ausflug denn überhaupt nichts geplant? Planung war doch das A und O. Wenn dieser Designer ein Treffen mit Sloan ablehnte, war die Reise reine Zeitverschwendung.

„Gibt’s wenigstens einen Plan, wie wir Ihren Freund überzeugen wollen?“

Sie zuckte zusammen, denn mittlerweile konnte man ihren Unmut deutlich hören. Besser, sie konzentrierte sich auf das Hühnchen.

Als sie den Kopf neigte, sah sie, dass Sloan lachte. Sie musste sich wirklich zurückhalten, um ihm nicht mit ihren spitzen Pumps gegen das Schienbein zu treten. Stattdessen holte sie Luft und widmete sich schweigend ihrem Essen. Äußerlich blieb sie gelassen, doch innerlich tobte sie.

Offenbar schien Sloan lange genug mit ihr gespielt zu haben, denn er brach das Schweigen. „Ich habe Karten für eine Show heute Abend. Ich finde, wir sollten uns wenigstens ein bisschen die Zeit vertreiben.“

Er sah sie an, als erwarte er Widerspruch. Doch Ziara beschloss, nicht ganz so streng zu sein wie sonst. Du lieber Himmel, jeder brauchte mal einen freien Tag. Auch sie. Wenn er sie unbedingt ausführen wollte – als ihr Boss –, sollte sie sich nicht beschweren, oder?

Nach dem Essen räumte Sloan das Geschirr auf den Servierwagen und rollte ihn vor die Tür der Suite. Ziara wechselte ihr Outfit und zog sich die einzigen Kleidungsstücke an, die nicht businessmäßig waren. In einem schlichten Sommerrock, den sie mit einem leichten Oberteil kombinierte, fühlte sie sich entspannter. Sie war sogar bereit, sich ein bisschen zu amüsieren. Allerdings nahm sie unter Sloans prüfendem Blick sofort wieder eine aufrechte Haltung ein.

Aus dem Aufzug ging es durch die Hotellobby hinaus direkt zum Theater. Als sie am Kasino, den Shops und Restaurants vorbeigingen, die voller Touristen waren, ließ Ziara sich von der entspannten Stimmung anstecken. Natürlich nur ein bisschen.

Ein Platzanweiser in dunkelroter Uniform führte sie zu ihren Sitzen nahe der Bühne. Sloan musste wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um in letzter Minute so gute Plätze zu bekommen. Als das Saallicht erlosch und die Spots auf der Bühne angingen, war Ziara total beeindruckt. Durch die Nähe zur Bühne hatte sie das Gefühl, Teil des Geschehens zu sein. Gleichzeitig saß sie im Dunkeln und spürte die Wärme von Sloans Arm dicht neben ihrem.

Die Show bestand aus den verschiedensten Darbietungen. Manche Akrobatik-Nummern waren so wahnwitzig, dass Ziara vor Aufregung den Atem anhielt. Doch nicht nur auf der Bühne war es aufregend … Als Sloan die langen Beine ausstreckte und der Stoff seiner Hose Ziaras nackten Knöchel streifte, bekam sie eine Gänsehaut.

Sie genoss den Abend sehr. Doch dann betrat eine dürftig gekleidete Frau die Bühne und stimmte einen Song an, bei dem Ziara unweigerlich zusammenzuckte. Sie kannte diesen Song – es war eines der Lieblingslieder ihrer Mutter. Die Nummer stammte aus einem Musical, im dem eine Prostituierte ihren Traummann findet und hofft, dass er den wahren Menschen in ihr sieht.

Plötzlich leuchtete vor Ziaras innerem Auge ein greller Neon-Schriftzug auf: Du wirst alles verlieren, wenn du Sloans An­ziehungskraft nachgibst! Ihre Vergangenheit und Zukunft verschmolzen in rasendem Tempo miteinander.

Sie war nicht wie ihre Mutter, und sie würde nie so werden! Aber sie wusste aus Erfahrung, dass sie von Menschen, vor allen Dingen von Männern, anders behandelt wurde, wenn diese über ihre Kindheit Bescheid wussten. Auch ­Vivian gehörte vermutlich zu diesen Menschen. Sie war eine der Personen, die gewiss den Respekt verlieren würden, wenn sie von Ziaras Vergangenheit erführen.

Sloan stand plötzlich auf, nahm Ziara bei der Hand und zog sie hoch. Dann führte er sie ins Foyer. Als er vor den Saaltüren stehenblieb, lag ihre Hand immer noch in seiner. Sie blinzelte, um sich wieder an das helle Licht zu gewöhnen.

„Was ist denn?“, fragte sie, während er sie fest anblickte. Diesem Blick entging vermutlich nichts. Ziara war unsicher und fühlte sich verwundbar.

Als Sloan näher an sie herantrat, überlegte sie, ob sie nachgeben sollte. „Ich hatte den Eindruck, dass Sie nervös und verkrampft waren. Außerdem haben Sie während der letzten Nummer kaum auf die Bühne geschaut.“

Er streckte die Hand aus und schob ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Ihre Haut begann zu kribbeln, ihr Herz raste.

„Lag es an der Sängerin oder am Song?“, wollte er wissen.

Ziara machte den Fehler, ihm ebenfalls in die Augen zu sehen. Mit diesem anziehenden Blick konnte er vermutlich jedes Geheimnis aus ihr herauskitzeln. Doch wenn er wüsste, wie ihre Mutter gelebt hatte, würde sich sein Blick abrupt verändern und zu Eis erstarren. Sloan würde sie verachten. Wie alle Klassenkameraden und die Einwohner ihres beschaulichen Heimatortes Macon es getan hatten. Nur dass dieses Mal nicht bloß ihr Herz auf dem Spiel stand, sondern ihre ganze mühsam errichtete Existenz.

„Wir müssen noch woanders hin“, sagte er, drehte sich um und ging, ohne ihre Antwort abzuwarten.

Als Ziara ihm folgte, riss sie sich zusammen, bis sie wieder zu ihrer gewohnt professionellen Haltung zurückgefunden hatte.

Eine Vorahnung beschlich sie, als Sloan sie durch eine Tür führte, durch die man in einen Seitentrakt des Theaters gelangte. Nachdem sie viele Flure entlanggelaufen waren, blieben sie vor einer Tür mit dem Schild „Künstlereingang“ stehen, neben der ein Pförtner saß. Sloan zog etwas aus der Jackentasche, zeigte es ihm, und der Mann winkte beide durch.

Durch diese Tür zu gehen, war, als würde man in eine andere Dimension eintreten. Ziara war erstaunt, wie viel Schönheit und Reiz in dem Chaos lagen, das sie dahinter fand.

Schauspieler standen zusammen und plauderten. Bühnenarbeiter kümmerten sich um Requisiten und scheuchten jeden beiseite, der ihnen in die Quere kam. Doch der Ton war gedämpft, denn ganz in der Nähe verfolgte das Publikum die Show.

Sloan führte Ziara noch tiefer in den Backstage-Bereich hinein, vorbei an Räumen, in denen Schauspieler auf ihren Auftritt warteten. Hier war es wieder lauter, da die Bühne weiter entfernt war. Schließlich betraten sie einen langen, schmalen Raum mit Schminktischen. Sloan schien keine Notiz von den vielen Frauen zu nehmen, die teils halbnackt, teils angezogen oder kostümiert waren.

Er bahnte sich einen Weg zum Ende des Raumes und zog Ziara an der Hand mit sich. Schließlich blieb er stehen und trat zur Seite, um ihr Platz zu machen. Vor den beiden stand eine der Künstlerinnen in einem opulenten Kostüm, das über und über mit Pailletten bestickt war. Ziara blickte hinter die Künstlerin. Auf dem Boden kniete ein Mann, der mit der einen Hand den Stoff des Kostüms festhielt, in der anderen Hand Nadel und Faden hatte. Von ihm selbst war nur das stachelige blonde Haar zu sehen.

„Ziara“, sagte Sloan. „Ich möchte Ihnen gerne meinen ehemaligen Mitbewohner aus Collegezeiten, Patrick Vinalay, vor­stellen.“

Ziaras Herz schien für einen Schlag auszusetzen.

Das würde auf gar keinen Fall gut gehen! ­Vivian hätte nur ein verächtliches Zischen für diesen Mann übrig. Ziara brachte ein irritiertes Lächeln zustande, als Sloan sie Patricks Assistenten vorstellte, der neben dem Designer stand.

„Willkommen im schnöden Arbeitsalltag hinter dem Glamour“, sagte Patrick und winkte ihr mit einer Hand zu.

„Schön, Sie kennenzulernen“, murmelte Ziara. Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Glücklicherweise wandte er sich gleich an Sloan und befreite sie aus der peinlichen Situation. Sie war immer noch wie vom Donner gerührt.

Was hatte sich Sloan nur dabei gedacht, einen Mann aus dieser Branche für die Herbstkollektion anzuheuern? Vermutlich leistete Patrick hervorragende Arbeit, aber genau das war ja das Problem. Welche Braut wollte schon wie ein Showgirl aus Las Vegas aussehen? Eternity Designs war bekannt für Eleganz und subtile Schönheit, nicht für überladene Paillettenfummel.

Patrick stand auf und legte Nadel und Faden beiseite. „Was bringt dich nach Vegas, Sloan? Da du deine Assistentin mitgebracht hast, gehe ich davon aus, dass du nicht gerade auf ein kleines Abenteuer aus bist.“ Dann machte er gespielt große ­Augen. „Oder vielleicht doch?“

Bei ihrem gequälten Laut – es war das Einzige, was Ziara hervorbrachte – drehten beide Männer sich zu ihr um. Patrick ruderte wieder zurück. „Ein Scherz aus alten Collegezeiten.“

Doch der ernste Blick in Sloans Augen ließ Ziara erröten.

Sloan legte Patrick eine Hand auf die Schulter. „Ich bin aus beruflichen Gründen hier.“

Ein wissender Blick erschien auf Patricks Gesicht. „Aber hier geht’s jetzt nicht um diesen Designer-Job, oder?“

„Doch. Wieso würde ich mir sonst die Zeit nehmen, in diesen Sündenpfuhl zu reisen?“

„Was ist mit Glamour? Abenteuer?“

„Sehe ich so aus, als hätte ich dafür Zeit?“, fragte Sloan.

Patrick setzte noch einen drauf. „Sexy Frauen? Millionen beim Roulette?“

Als eine Tänzerin Patrick etwas zurief, lachte Sloan. „Brauche ich alles nicht. Was ich brauche, ist ein Designer.“

Kopfschüttelnd zeigte Patrick auf das Mädchen, das vor ihm stand. „Sieh mal, ich muss das hinkriegen, bevor sie auf die Bühne geht. Wir reden nach der Vorstellung. Und jetzt raus hier“, sagte er und blickte sich streng um. „Du lenkst ja die ganzen Mädchen ab.“

Patrick zwinkerte Ziara zu und verschwand wieder mit seinem Nähzeug. Ziara nahm Sloan beim Arm und zog ihn in eine ruhige Ecke. „Haben Sie völlig den Verstand verloren?“, fragte sie erstaunlich ruhig. Denn innerlich bebte sie. Der Widerspruch zwischen ihrer kontrollierten Stimme und den unkontrollierten Worten amüsierte Sloan.

Da ihr mittlerweile klar war, dass Direktheit der beste Weg war, um Sloan zu erreichen, fuhr sie fort: „Sind Sie lebensmüde? ­Vivian wird Sie umbringen, wenn Sie für unsere Herbstkollektion einen Kostümbildner anschleppen.“

Als Sloan sich mit zusammengekniffenen Augen vor ihr aufbaute, schluckte sie. „Unsere Kollektion? Wenn ich nicht eingreife, wird es kein Unternehmen mehr geben, das gerettet werden muss. Das hier ist kein Spiel für mich, Ziara.“

Angesichts seiner breiten Schultern fühlte sie sich plötzlich klein und verletzlich. „Da ­Vivian für die Herbstkollektion nicht verantwortlich ist, ist es mir vollkommen egal, was sie denkt.“

„Ich verstehe ja, dass Sie unter Zeitdruck stehen, aber nicht Ihre Geheimniskrämerei. Diese Idee ist so verrückt, dass Sie ­Vivians Zustimmung brauchen, sonst gibt es eine Katastrophe.“

„Zum Mitschreiben: Ich habe darüber geschwiegen, gerade damit ­Vivian mir nicht in die Quere kommt, verstanden?“

Ziara holte tief Luft. Natürlich hatte sie verstanden, was Sloan meinte. ­Vivian würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um die ganze Aktion zu stoppen. Der gute Ruf des Unternehmens bedeutete ihr alles.

„Ich bin auch nicht mit Ihrer Wahl einverstanden.“ Ziara deutete in Patricks Richtung. „Ich verstehe ja, warum Sie so hart daran arbeiten, das Problem zu lösen. Aber warum ausgerechnet er?“

„Weil er weiß, was er tut“, antwortete Sloan.

„Das stimmt“, sagte Patrick, der plötzlich hinter Sloan aufgetaucht war und Ziara einen gehörigen Schrecken einjagte. „Ich weiß, was ich tue, und habe übrigens auch ein Diplom in Modedesign. Außerdem kenne ich mich mit weiblichen Hintern aus.“ Er grinste schief. „Das würde sich bei den Entwürfen für die passenden Dessous bezahlt machen.“

Ziaras Brust zog sich zusammen. Sie sah, dass sich Sloan kaum das Lachen verkneifen konnte.

Tief im Innersten wusste sie, dass es kein Scherz war. ­Vivian hatte angedeutet, Sloan führe etwas Verrücktes im Schilde. Sie hatte also Grund, sich Sorgen zu machen. Eine Dessouskollektion, egal wie geschmackvoll, würde Eternitys Ruf als seriöses Traditionshaus für immer erschüttern.

„Sie planen also zusätzlich eine Dessouskollektion“, stellte sie schockiert fest. „Kein Wunder, dass Sie bisher geschwiegen haben.“

Sloan hob das Kinn und fragte gereizt: „Werden Sie jetzt brav zu ­Vivian rennen und alles petzen?“

„­Vivian! Großer Gott“, sagte Patrick und schüttelte sich übertrieben. „Wenn sie beteiligt ist, ist das nur ein weiterer Grund, dir abzusagen. Die Frau könnte sogar dem Teufel Angst einjagen.“

Sloan achtete nicht auf Patrick und blickte Ziara eindringlich an. Sanft strich er über ihre weiche Wange. „Was sind wir nun, Ziara? Freunde oder Feinde?“

Am nächsten Morgen beobachtete Sloan während des Brunchs Ziara, die sichtlich bemüht war, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. Er wusste ganz genau, was sie so nervös machte. Doch es war nur halb so amüsant, ihr seine Pläne für diesen Tag zu verraten, wie sie auf die Folter zu spannen.

Sie trank Kaffee, aß Waffeln, Eier und Filet Mignon, bis sie den Eindruck erweckte, mit ihrer Geduld am Ende zu sein. „Werden wir uns heute mit Patrick treffen?“, fragte sie schließlich betont ruhig.

„Ich weiß nicht. Vielleicht hat er etwas anderes vor. Wir müssen es drauf ankommen lassen.“ Sloan sah, dass sie immer hektischer wurde. Wieso machte es ihm mehr Spaß, diese Frau auf die Folter zu spannen, als mit anderen Frauen ins Bett zu gehen?

Wieso stellte er sich überhaupt diese Frage?

„Und? Sind Sie schon aufgeregt wegen der Dessouskollektion?“, fragte Sloan grinsend.

„Sehen Sie“, erwiderte Ziara mit dem abschätzigen Blick einer ältlichen Bibliothekarin, „das hier ist kein Spiel, auch wenn Sie das möglicherweise denken. Fangen Sie an zu reden, oder ich werde in zwei Minuten ­Vivian anrufen.“

Beinahe wäre ihm die Kinnlade heruntergefallen, als er bemerkte, dass sie konterte. Gleichzeitig erregte es ihn aber auch.

„Ich würde Sie gerne verstehen, Sloan, wirklich. Aber Dessous? Bitte erklären Sie es mir.“

Er holte tief Luft, bevor er sprach. „Es geht allein um Vermarktungsmöglichkeiten …“

Als Ziara etwas sagen wollte, hob er die Hand. „Das Letzte, was ­Vivian interessiert, ist eine erfolgreiche Marketingstrategie.“ Dann stand er auf und ging energisch im Raum umher. „Weiß der Teufel, warum. Aber so kann man kein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen.“

Ziara schien ihn zwar – zumindest ansatzweise – zu verstehen, doch sah er in ihrem Blick keine Spur von Leidenschaft. Leider. „Moderne Designs sind toll. Aber ich will einen völlig neuen Ansatz – etwas vollkommen anderes, das die Leute umhauen wird.“

Als er stehen blieb, bemerkte er, dass er mittlerweile auf der anderen Seite des Raumes stand. Ziara saß am Tisch, die Hände locker auf der schwarzen, glatten Tischplatte gefaltet. Plötzlich sah Sloan sie in einem Hochzeitskleid aus Spitze und Perlen vor sich – das Bild war der Inbegriff von Eleganz.

„Die meisten Frauen kaufen für ihren großen Tag ein Kleid bei Eternity Designs. Aber warum sollte man ihre Aufmerksamkeit nicht auch auf die Hochzeitsnacht lenken?“

Ziara rutschte auf dem Stuhl hin und her. Ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie zwischen Angst und Neugier schwankte.

Langsam ging Sloan auf sie zu. Er sah, wie sie schluckte. Mit wohlkalkulierten Schritten umrundete er den Stuhl, auf dem sie saß, und blieb hinter ihr stehen. Der aparte Duft von Vanille lag in der Luft: ihr Duft. Sein Blick fiel auf ihren zarten Nacken.

„Stellen Sie es sich vor, Ziara … Sie, wie Sie kurz davor sind, das Kleid Ihrer Träume anzuziehen. Was tragen Sie darunter?“

Er beugte sich weit vor und legte die Hände auf die Stuhllehne, ohne Ziara zu berühren. „Wollen Sie sich in ein viel zu enges Stück Lycra quetschen? Kratzige Spitze? Hässliches Beige?“

Ziara runzelte die Stirn, die Augen hatte sie mittlerweile geschlossen. Sloan senkte die Stimme in der Hoffnung, dadurch ihre Fantasie anzuregen.

„Oder würden Sie sich lieber im Spiegel betrachten und etwas tragen, das genauso sexy und schön ist wie Ihr Kleid? Und dessen Anblick Ihren zukünftigen Mann genauso glücklich machen wird wie der von Ihnen vor dem Altar?“

Sloan rückte näher an sie heran, während in seinem Kopf eine Vision nach der anderen auftauchte – Ziara in flammend rotem Satin, in dunkelvioletter Seide oder auch ganz unbekleidet. Fast hätte er aufgestöhnt.

„Stellen Sie sich einen weichen, leicht formenden Seiden-Body mit feiner Spitze vor, der die gleiche cremige Farbe hat wie das Kleid. Keine hässliche und unbequeme Stützkonstruktion. Oder einen halterlosen BH, der perfekt mit dem Rückenabschnitt Ihres Kleides abschließt. Mit soften Cups und transparentem Netzmuster.“

Sie verzog angewidert das Gesicht.

„Was war das denn?“, flüsterte er ihr ins rechte Ohr. Ein Schauer rann ihr den Rücken hinunter.

„Nichts“, sagte sie, doch ihre Stimme schwankte.

„Ah, mich dünkt, die Lady hat ein kleines Problem mit sinn­licher …“

Sie schluckte merklich.

„ … Kleidung.“

Ihr Atem ging unregelmäßig. Das ist gefährlich, flüsterte ihm eine innere Stimme zu. Ziara widerstand ihm nicht nur wegen ­Vivian – sie schützte sich, weil sie sich aus irgendeinem Grund unwohl fühlte. Warum war eine Frau, die sich ein fröhliches und farbenfrohes Zuhause geschaffen hatte, in seiner Gegenwart so ängstlich, so grau?

„Wissen Sie was?“, fragte er, trat wieder zurück und hatte plötzlich eine Idee.

Er ging um den Stuhl herum und stellte sich neben Ziara. „Wir machen ein kleines Experiment.“

„Ein Experiment?“ Ihre Stimme setzte ihn unter Strom.

„Ja. Zeit für einen Schulausflug.“ Er nahm Ziara bei der Hand und zwang sie aufzustehen. „Los!“

Im Aufzug war sie Sloans bohrendem Blick schutzlos ausgeliefert. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, als wäre sie ein ungehorsames Schulmädchen auf dem Weg zum Direktor. Sloan nutzte die Situation aus, um Ziara weiter mit seinen Fragen zu quälen. „Was haben Sie nur gegen eine Dessouskollektion?“

Sie heftete ihren Blick auf die Stockwerk-Anzeige, während sie hinunterfuhren. „Ich mache mir einfach Sorgen um meinen Job“, sagte sie. „­Vivian wird es sicherlich nicht begrüßen, so etwas … in die Kollektion aufzunehmen.“

„Ah, dann mögen Sie also keine Dessous.“

„Wie bitte?“ Sie blickte ihn erstaunt an und sah, dass er breit grinste. „Das habe ich doch gar nicht gesagt“, fügte sie hastig hinzu.

„Das mussten Sie auch nicht.“

Nach einer kurzen Pause sagte Ziara in die Stille hinein: „Es ist nur … Sie wissen schon.“ Sie machte eine hilflose Handbewegung.

„Nein. Was weiß ich?“, erwiderte er.

„Es ist irgendwie … anzüglich.“

„Damit kennen Sie sich aus, was?“

Ziara zuckte teilnahmslos mit den Schultern, doch das Rot, das plötzlich ihre Wangen überzog, sagte etwas ganz anderes. Unwillkürlich fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen.

„Offenbar doch nicht“, bemerkte er, als die Türen sich im Erdgeschoss öffneten. „Es ist an der Zeit für eine kleine Lehrstunde.“

6. KAPITEL

Ziara hatte Mühe, ihre Verlegenheit zu verbergen.

Im Haus meiner Mutter flogen überall Dessous herum. Aber über die Lieblingsarbeitskleidung ihrer Mutter würde sie ihm ganz sicherlich nichts erzählen.

Ziara versuchte, mit Sloan Schritt zu halten, während er an den Shops im Erdgeschoss der Hotelhalle vorbeilief. Zunächst vermutete sie, dass er mit ihr in eins der Casinos gehen würde, wo überall knapp bekleidete Kellnerinnen herumliefen. Stattdessen steuerte er auf eine Luxus-Einkaufspromenade zu, die ebenfalls im Hotel lag und einer Pariser Einkaufsstraße nachempfunden war.

Als sie vor einer kleinen Boutique stehen blieben, fragte Ziara sich ängstlich, was er als Nächstes von ihr verlangen würde.

Es war eine Dessous-Boutique.

Ihre Beine begannen zu zittern. Das konnte selbstverständlich auch an dem strammen Schritt liegen, den er vorlegte. Doch sie fürchtete, es hatte eher mit dem zu tun, was sie erwartete.

Sloan stellte sich selbstsicher vor das Schaufenster und bewunderte die gusseisernen Ornamente, die es zierten. „Was sehen Sie, Ziara?“

Den Gegenstand meiner Albträume. „Eine Boutique.“

Das kurze Murren, das er als Antwort gab, war entweder ein Zeichen von Missfallen … oder eine Drohung. „Sehen Sie genau hin. Beschreiben Sie es mir.“

Sie konzentrierte sich auf das Schaufenster.

Beim Anblick der Dessous-Sets, der spitzenbesetzten Bodys und der seidenen Morgenmäntel zuckte sie unweigerlich zusammen. Sie betrachtete lieber die kunstvollen Ornamente des Fensters.

„Na los, raus damit“, sagte Sloan. Der sanfte Klang seiner Stimme täuschte nicht über den schneidenden Unterton hinweg. „Beschreiben Sie es mir, Ziara.“

Nachdem sie den Ärger über seine Selbstherrlichkeit heruntergeschluckt hatte, sagte sie: „Die Fensterumrandung erinnert an Zartheit und Weiblichkeit. Die braunen und rosafarbenen Töne der Dekoration verstärken diesen Eindruck. Man denkt an Bonbons und Schokolade.“

„Sehr gut. Fahren Sie fort.“

Sie warf einen Blick auf die Dessous, wandte ihn aber gleich wieder ab. „Ich weiß nicht. Es ist eben Unterwäsche.“

Beide schwiegen. Als weitere Sekunden verstrichen, nahm Ziaras Nervosität zu. Worum immer es bei diesem Test ging – offenbar hatte sie ihn nicht bestanden.

„Ich möchte, dass Sie hineingehen, Ziara.“

Oh Gott, lass das nicht wahr sein!

„Gehen Sie hinein, und sehen Sie sich um. Ausführlich und mit Spaß. Dessous sind doch nicht zwangsläufig obszön.“

Sie schnaubte verächtlich. „Das sagen Sie …“ Doch sie brach mitten im Satz ab. „Ich kann das nicht, Sloan.“ Als sie sich auf dem Absatz umdrehen wollte, hielt er sie sanft an den Oberarmen fest.

„Warten Sie, Ziara“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Sie können das, ich weiß es. Vertrauen Sie mir.“

„Sie haben keine Ahnung“, flüsterte sie, ohne zu wissen, ob er sie überhaupt hörte.

„Was immer es ist. Ich möchte, dass Sie es wegsperren.“

Eigentlich hatte sie gedacht, genau das hätte sie längst getan. Doch offenbar hatte sie sich geirrt.

„Sperren Sie es weg, und gehen Sie mit frischem Blick an die Sache heran.“ Fast zärtlich griff er nach ihrer Hand und sprach eindringlich weiter. „Benutzen Sie diese unglaublich feinen Finger, um auf Entdeckungsreise zu gehen. Vertrauen Sie mir.“

Wenn ich das nur könnte … Doch statt es laut auszusprechen, nickte sie bloß. Er strich ihr mit den Händen über die Arme bis zur Taille hinunter, um ihr Gesicht dann sanft zurück zum Schaufenster zu drehen. Ziara spürte ein süßes Prickeln am ganzen Körper.

„Gehen Sie hinein.“

Ziara war schon fast durch die Tür gegangen, als sie sich noch einmal umdrehte und Sloan über die Schulter zögernd anblickte. Er deutete ihr an, endlich hineinzugehen, was sie schließlich auch tat.

Die Stoffe waren wunderbar, und es reizte Ziara, sie in die Hand zu nehmen und zu berühren. Doch sobald sie dazu ansetzte, bemerkte sie, wie Sloan ihr von Fenster zu Fenster folgte und sie beobachtete. Sein ebenso strenger wie warmer Blick hüllte sie ein.

Sie ließ ihre Finger über einen Morgenrock aus dunkelgrauer Seide gleiten und stellte sich vor, wie der fließende Stoff ihren Hüften schmeicheln und ihre empfindsamen Brustspitzen umspielen würde. Als sie Sloans Blick bemerkte, fragte sie sich, ob er gerade das gleiche Bild vor sich sah.

Dann erblickte Ziara auf dem Nebentisch Slips aus dem gleichen Stoff. Bislang waren Slips für sie praktische Kleidungsstücke gewesen, die vor allem bequem sein mussten.

Doch als sie mit den Fingerspitzen darüberfuhr, stand ihr plötzlich das Bild vor Augen, wie sie dieses Wäschestück vor Sloans Augen trug. Der atemberaubend hohe Beinausschnitt des Tangas würde ihren Po nur durch die feine Spitze säumen. Als sie sich vorstellte, wie Sloan mit den Fingern sanft an den Rändern des Slips entlangfuhr, erschauerte sie.

Sie durfte und sie würde es nicht tun, aber dann fand sie sich doch mit einer Handvoll Dessous an der Kasse wieder.

Kurz bevor sie das Geschäft verlassen wollte, erregte etwas ihre Aufmerksamkeit. Hochzeitsnacht! schoss es ihr durch den Kopf und ließ sie innehalten.

Eine junge Frau hielt sich eine knielange Kreation aus cremefarbener Seide vor den Körper. Ihre Begleitung – vermutlich war es ihre Mutter – flüsterte ihr lächelnd etwas zu, woraufhin die junge Frau nickte. Als die beiden sich auf den Weg zu den Umkleidekabinen machten, spürte Ziara eine große Leere im Herzen.

Am Anfang hatte sie Sloans Idee völlig verrückt gefunden. Aber eventuell war er doch auf dem richtigen Weg.

Die Ehe war ein kostbares Versprechen. Das wusste selbst sie, obwohl sie für sich kein Für immer und ewig wollte. Und wenn es Sloan nun tatsächlich gelang, die Tradition von Eternity ­Designs aufzubrechen und das gesamte Firmenkonzept zu modernisieren?

Einen Augenblick lang wurde sie von dem Wunsch nach einer tiefen Liebe geradezu überwältigt. Sie war schon seit so langer Zeit auf sich allein gestellt, denn sie war der einzige Mensch, dem sie vertrauen konnte. Wie wäre es wohl, dieser überwältigenden Kraft nachzugeben und jemandem zu vertrauen, der ihre Bedürfnisse verstehen und nicht verurteilen würde?

Ziara schüttelte den Kopf. Mit treffsicherer Genauigkeit drehte sie sich zum Fenster um und blickte direkt in Sloans wunderschöne blaue Augen. Sie senkte die Lider und zwang sich, an das Bild der lächelnden Mutter vorhin zu denken, die nun stolz vor der Umkleidekabine stand.

Diese Verbundenheit zwischen Mutter und Tochter hatte sie niemals erfahren und würde es auch nicht mehr. Zwar lebte ihre Mutter noch, aber wer wollte mit einer Prostituierten einen Einkaufsbummel machen, um Dessous zu kaufen? Was sie gerade gesehen hatte, würde ihr für immer verwehrt bleiben.

Während sie Sloan in die Hotelsuite folgte und in ihr Zimmer ging, spürte Ziara, dass ihr Kopf schmerzte und ihre Schläfen pochten. Sie brauchte jetzt unbedingt ein paar Minuten für sich, ohne seine prüfenden Blicke.

Als sie aus dem Laden herausgekommen war, hatte sie in Sloans Augen ein verdächtiges Flackern gesehen – und genau in dem Moment ein so heftiges, fast schmerzhaftes Verlangen gespürt, dass sie es kaum aushielt. Diese Situation würde sie so bald nicht vergessen.

Im Badezimmer löste sie ihre Frisur und ließ ihr schweres Haar auf die Schultern fallen. Manchmal half das, den Spannungskopfschmerz zu mildern.

Sie ging ins Schlafzimmer und wollte gerade die Tür hinter sich schließen, um etwas Ruhe zu finden, als das Zimmertelefon klingelte. Sie holte tief Luft und nahm den Hörer ab.

„Hallo?“

„Ziara?“, hörte sie ­Vivians Stimme, bei deren Klang ihr einen Augenblick lang der Atem stockte.

„Ja, ­Vivian?“

„Würden Sie mir bitte erklären, was Sie in Sloans Hotelzimmer machen?“

Einen Moment lang drehte sich alles in Ziaras Kopf.

„Eigentlich“, sagte sie und war froh darüber, dass ihre Stimme ruhig und fest klang, „bin ich in meinem eigenen Zimmer. Sloan hat uns eine große Suite gebucht, damit wir auch einen Arbeitsraum haben, den wir gemeinsam nutzen können.“

­Vivian antwortete nicht sofort. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme schon sanfter. „Gut. Ich fände es grauenvoll, wenn Ihr guter Ruf wegen Sloan beschädigt würde.“

Ziara wollte gerade etwas zu ihrer Verteidigung sagen, hielt sich aber zurück.

„Danke für Ihr Mitgefühl“, murmelte sie bloß.

„Wieso haben Sie mich nicht über diesen Trip informiert, ­Ziara?“

Weil mein Handy in der Hosentasche Ihres Stiefsohns steckte und ich mich nicht traute, es ihm wieder wegzunehmen?

Sie hätte den Anruf natürlich nach ihrer Ankunft im Hotel erledigen können, doch da hatte sie bereits beschlossen, dass dafür noch am Montagmorgen Zeit wäre.

„Als ich erfuhr, wohin es gehen sollte, war es zu spät, um Sie noch anzurufen. Ich dachte, es würde ausreichen, nächste Woche mit Ihnen zu sprechen.“

Vielleicht zersetzte die Anziehungskraft, die Sloan auf sie ausübte, schon bestimmte Teile ihres Hirns. Sie hatte es einfach nicht fertiggebracht, den Anruf ohne sein Einverständnis zu tätigen.

„Es tut mir aufrichtig leid, ­Vivian.“ Sie bemühte sich, so beschwichtigend wie möglich zu klingen. „Ich musste mich wirklich beeilen, um am Samstag nicht den Flieger zu verpassen.“

„Verstehe. Das klingt tatsächlich so, als hätte er irgendwas Verrücktes vor. Wir alle wissen ja, dass er mich gerne im Dunkeln lässt.“

Das entsprach absolut der Wahrheit.

„Gestatten Sie mir, eine persönliche Warnung auszusprechen.“ Es war kein wirklich mitfühlender, sondern eher ein herrischer Ton. „Seien Sie vorsichtig. Sie wollen doch nicht wie alle anderen Assistentinnen von Sloan enden, oder?“

„Wie meinen Sie das?“

„Normalerweise wirft er eine nach der anderen wie ein gebrauchtes Papiertaschentuch weg. Danach behauptet er natürlich, dass die Gefühle und Missverständnisse allein das Problem oder die Schuld seiner Assistentinnen seien. Aber ich weiß, dass sie alle auf seinen Charme hereingefallen sind. Sobald er genug von ihnen hat, sortiert er sie einfach aus.“

Ziara wollte ihr nicht glauben. Aber was, wenn ­Vivian doch die Wahrheit sagte? Hatte Sloan nicht mit ihr geflirtet? Sie sogar in ein Dessousgeschäft mitgeschleift?

Ihr ganzes Leben lang hatte Ziara auf eine erfolgreiche Berufskarriere hingearbeitet. Sie wünschte sich einen Chef, der sie für ihre Leistung respektierte und schätzte. Das Letzte, was sie wollte, war ein Job, den sie sich mit schmutzigen Affären verdienen musste. Niemals würde sie sich hochschlafen und damit in die Abgründe ihrer Kindheit zurückfallen.

„Ich verspreche Ihnen, es im Hinterkopf zu behalten.“

„Gut. Ich mache mir nur Sorgen um Sie“, sagte ­Vivian süßlich. „Als Ihre Fürsprecherin möchte ich nicht, dass man Sie verletzt.“

„Das verstehe ich, ­Vivian.“

Während sie sprach, meldete sich Ziaras schlechtes Gewissen. Diese Frau hatte so viel für sie getan! Und nun hatte Ziara ihre Loyalität ­Vivian gegenüber infrage gestellt, nur weil Sloan eine solche Anziehungskraft auf sie ausübte.

„Also“, unterbrach ­Vivian ihre Gedanken. „Ich nehme an, Sie sind nach Las Vegas gefahren, um einen neuen Designer anzuheuern. Auch wenn mir völlig schleierhaft ist, warum.“

Schon wieder ein Minenfeld. „Das ist richtig, aber noch ist nichts entschieden.“

„Hm, sieht er wenigstens gut aus? Was halten Sie denn von seiner Arbeit?“

Na ja, wenn man Klunker und Federn mag … „Eigentlich hatte ich noch gar nicht die Möglichkeit, mir Arbeiten von ihm anzusehen“, log Ziara. Denn wenn ­Vivian herausfand, dass Sloan einen Kostümbildner engagieren wollte, würde sie die nächstbeste Maschine nach Las Vegas nehmen.

Sie hörte, wie ­Vivian mit ihrem Füller auf den Schreibtisch klopfte. Für gewöhnlich war das ein Zeichen dafür, dass sie konzentriert nachdachte.

„Ich denke, es wäre keine gute Idee, ihn über meinen Anruf in Kenntnis zu setzen. Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir sagen sollten?“

Ziaras Magen zog sich zusammen. Sie setzte ihre Karriere aufs Spiel, aber irgendwie hatte sie gleichzeitig das Gefühl, dass Sloans Idee mit den Dessous funktionieren könnte. Doch solange sie sich nicht sicher war, musste sie zunächst herausfinden, welcher Seite der Firma gegenüber sie sich loyal verhalten sollte.

„Nein. Im Moment gibt es nicht mehr zu berichten.“

Eine angespannte Pause trat ein. „Na schön. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Ziara unterdrückte ein Seufzen und erwiderte schlicht: „Ja, Ma’am.“

Nachdem sie aufgelegt hatte, sank sie zitternd aufs Bett.

Hatte sie sich gerade für die falsche Seite entschieden? Und das nur, weil sie so stark auf einen Mann reagierte, der niemals mehr als ihr Boss sein konnte? Hoffentlich nicht, denn wenn ­Vivian herausfand, dass ihr eine wesentliche Information vorenthalten worden war, war Ziaras Karriere bei Eternity Designs beendet.

Sie musste unbedingt herausfinden, was Sloan genau vorhatte. Ziara stand auf, strich sich ihre Kleidung glatt und ging entschlossen zur Tür.

Und wäre fast über Sloan gestolpert. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Er lehnte lässig am Türrahmen, ein entspanntes Lächeln im Gesicht, auch wenn er jede ihrer Bewegungen mit scharfen Augen verfolgte.

Dieser Gegensatz brachte sie vollkommen aus dem Gleichgewicht. Auf der einen Seite wirkte er sorglos, fröhlich und aufgeschlossen, doch seine wachen blauen Augen erinnerten sie an den Jäger, der in ihm steckte. Er drückte sich vom Türrahmen ab und trat auf sie zu. So nah, dass ihn schon ein tiefer Atemzug an ihre Brüste gedrückt hätte. Und dann fuhr er ihr mit den Händen durchs Haar und drückte seine Lippen auf ihre.

Ziara schloss die Augen. Sie überließ sich der Gefühlsexplosion, die seine Berührungen auslösten. Sein Mund. Seine Hände. Unter dem sanften Druck seiner Finger verschwand sogar ihr Kopfschmerz. Ziara schmolz in Sloans Armen dahin. Er konnte tun, was immer er wollte. Nur hör bitte nicht auf, mich zu berühren.

Sloan drang mit der Zunge durch ihre halb geöffneten Lippen und entfachte mit seinem leidenschaftlichen Kuss ein loderndes Verlangen in ihr. Irgendwann, als ihr Denkvermögen bereits vollkommen ausgesetzt hatte, ließ er von ihr ab. Seine Hände hatte er immer noch in ihrem Haar vergraben.

Ziara zwang sich, die Lider zu heben, und sah ihm mit verhangenem Blick in die Augen. „Wofür war das denn?“, fragte sie und schämte sich für ihre leicht rauchige Stimme.

„Dafür, dass du meine Geheimnisse nicht ausplauderst.“

Einen Moment lang standen sie vollkommen regungslos da. Noch nie zuvor hatte Ziara so etwas erlebt. Im Vergleich zu diesem Feuerwerk an Lust und Leidenschaft waren alle bisherigen Küsse wie das Flämmchen eines Streichholzes gewesen.

Sie musste sich von Sloan lösen, doch es gelang ihr nicht.

Ganz langsam schob er ihr das füllige Haar auf die Schultern. „Wunderschön“, flüsterte er, während er ihr in die Augen blickte.

Eine nie gekannte Begierde erfasste Ziara. Ohne zu zögern beugte sie sich vor, um noch einmal in den Genuss eines Kusses zu kommen. Und Sloan wich nicht zurück.

Bis es an der Tür klopfte.

7. KAPITEL

Sloan ließ von Ziara ab und ging zur Tür. Als er öffnete, übergab ihm ein Kurier eine weiße Schachtel, um die ein purpurfarbenes Band gebunden war.

Nachdem er den Kurier mit einem Trinkgeld verabschiedet hatte, drehte Sloan sich um und sah, dass Ziara im Türrahmen ihres Schlafzimmers stand. Sie hatte die Arme um sich geschlungen und war ganz offenbar verunsichert. Wie gut, dass er etwas hatte, um das Eis zu brechen.

Sloan holte tief Luft und versuchte, ruhiger zu werden. „Du hast ein Päckchen bekommen“, sagte er.

„Ich?“

Als sie zum Tisch ging, genoss er den Anblick ihrer offenen Haare. Sie sahen wunderbar aus, wie fließende schwarze Seide. Kein Vergleich zu dem strengen Knoten, den sie sonst immer trug.

Er betrachtete sie, wie sie vorsichtig das Geschenkband löste. Dabei ging sie wie gewohnt sorgfältig und präzise vor. Doch die Zurückhaltung, mit der sie es tat, war anders als die, die sie sonst an den Tag legte.

Jede Regung von ihr beobachtete er aufmerksam: das verhaltene Erstaunen auf ihrem Gesicht, die leicht geöffneten Lippen. Hatte sie denn noch nie eine Überraschung bekommen? Gab es denn niemanden in ihrem Leben, der ihr glückliche Momente schenkte? Mit einem unerwarteten Anflug von Eifersucht hoffte er, dass es keinen Mann in ihrem Leben gab.

Autor

Maureen Child
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