Verbotene Gefühle für den Boss

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Theo Knox ist der letzte Mann, von dem Kate Hilfe erwartet. Ihr Boss ist hart und unnahbar - aber auch verboten attraktiv. Soll sie wirklich sein unerwartetes Angebot annehmen, ihre Schulden für sie zu bezahlen? Als Gegenleistung verlangt der charismatische CEO, dass sie für einen wichtigen Business-Deal seine Verlobte spielt. Ist das wirklich eine gute Idee? Dem attraktiven Selfmade-Millionär so nahe zu sein, weckt in Kate ein sinnliches Begehren. Doch sie wurde schon einmal von Theo im Stich gelassen!


  • Erscheinungstag 08.09.2020
  • Bandnummer 182020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714390
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Was um Himmels willen …?

Theo Knox saß an seinem Schreibtisch in der 44. Etage des eleganten Bürogebäudes der Knox-Gruppe und starrte auf das Tablet vor sich. Sein Security-Chef hatte es ihm gerade eben gebracht. Der Browser war geöffnet und zeigte eine Webseite mit einer Art Lebenslauf.

Harmony war die Überschrift, darunter folgten nähere Informationen.

Wohnort: London

Alter: sechsundzwanzig

Größe: einsfünfundachtzig

Maße: 96-71-96

Haarfarbe: Blond

Augenfarbe: Blau

Tätowierungen: eine

Hobbys: Reisen, Lesen, Musik

Sexuelle Erfahrungen: keine

Das schicke Logo der Webseite Belles Angels bestand aus verschnörkelten Buchstaben, und darunter prangten die Worte „Traumhafte Partnerschaften“.

Das war ja schön und gut, aber was sollte er damit?, fragte sich Theo. Er schätzte seinen Security-Chef Antonio Scarlatto und hatte ihn bisher immer für sehr fähig und kompetent gehalten, aber was sollte die ganze Sache hier?

Theo hatte keinen Bedarf an Dating-Webseiten. Überhaupt hatte er kein Interesse an Dates – von gelegentlichen One-Night-Stands in gegenseitigem Einvernehmen einmal abgesehen. Er hatte auch gar keine Zeit für mehr. Als Inhaber und CEO eines weltweit agierenden, milliardenschweren Unternehmens gab es unzählige Dinge, die seine volle Aufmerksamkeit verlangten. Aktuell versuchte er zum Beispiel, den sehr traditionsverhafteten Besitzer eines Unternehmens zu überreden, an die Knox-Gruppe zu verkaufen.

„Antonio, warum verschwenden Sie meine Zeit mit so etwas?“, fragte Theo gereizt. Er löste seinen Blick vom Bildschirm und betrachtete den Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches. Er musste wirklich neben sich stehen, wenn er dachte, dass Theo diese Harmony in seinem Leben brauchte.

„Es geht um eine Ihrer Mitarbeiterinnen.“ Antonio zuckte nicht mit der Wimper, als er den harten Blick seines Bosses erwiderte. Andere hätten jetzt schon vor Angst gezittert. „Dies hier ist ihr Profil. Sie hat vor zwanzig Minuten versucht, sich von ihrem Arbeitsrechner aus auf der Dating-Seite einzuloggen. Unsere Firewall hat den Versuch abgeblockt. Es verstößt gegen die Unternehmensregeln, Webseiten wie diese von Firmenrechnern aus zu besuchen. Wie soll ich nun vorgehen?“

„Es ist eine Dating-Seite!“, sagte Theo ungehalten.

„Nein, es ist nicht nur eine Dating-Seite – sonst hätte ich Sie damit nicht behelligt. Scrollen Sie weiter runter.“

Unwirsch wandte Theo seine Aufmerksamkeit wieder dem Tablet zu und scrollte weiter runter. Sein Blick glitt über den Text und plötzlich erstarrte er. Zu Harmonys Profil gehörte ein halbes Dutzend Fotos. Alle waren äußerst gewagt und zeigten sie in aufreizenden Posen. Auf den ersten trug sie immerhin noch Kleidung – wenn auch sehr kurz und knapp. Die letzten beiden zeigten Harmony allerdings in einem Hauch von einem Nichts – einem fast durchsichtigen Negligé, das weder ihre Kurven noch ihre langen schlanken Glieder verbarg. Sie war so gut wie nackt.

Und dieses Gesicht …

Er kannte diese Frau.

Das war Kate Cassidy.

Harmony, die Frau mit dem tollen Körper und den aufregenden Kurven, war Kate Cassidy.

Die Erkenntnis traf Theo wie eine Faust in den Magen.

Warum zur Hölle tat sie so etwas?

Er riss sich zusammen und begann, den Text zu den Fotos auf ihrem Profil zu lesen. Antonio hatte recht gehabt, es handelte sich nicht nur um irgendeine Dating-Seite.

Was dachte sie sich nur dabei? Mit wachsendem Entsetzen klickte er sich durch die Webseite. Er fragte sich mit grimmiger Entschlossenheit, wie er jetzt am besten vorgehen sollte – denn dass er etwas gegen die ganze Sache unternehmen musste, stand für ihn fest.

Kate brauchte anscheinend jemanden, der ein wenig auf sie aufpasste.

Er hätte sich sofort nach dem Tod von Kates großem Bruder vor neun Monaten um sie und ihre kleine Schwester kümmern sollen, dachte Theo reumütig. Er wusste selbst nicht genau, warum er das nicht getan hatte. Vielleicht, weil er Schuldgefühle hatte und versucht hatte, die ganze Sache zu verdrängen …

Er hatte nicht einmal gewusst, dass Kate für sein Unternehmen arbeitete. Theo hatte das Gefühl, in letzter Zeit nur noch durch pure Willenskraft funktioniert zu haben – aber das durfte nicht so weitergehen. Kate ging es ganz offensichtlich nicht gut, und es war seine Aufgabe, sich um sie zu kümmern. Sie musste den Verstand verloren haben, sich auf dieser Webseite anzumelden.

Theo war nicht bereit, einfach zuzusehen, wie sie in ihr Verderben rannte.

Es reichte, dass er bereits zweimal ihm nahestehenden Menschen nicht hatte helfen können. Jetzt, wo er wusste, wie es um Kate stand, würde er etwas unternehmen, um sie vor weiterem Schaden zu bewahren.

„Was soll ich in dieser Angelegenheit unternehmen?“, unterbrach Antonios Stimme seine düsteren Gedanken und verhinderte, dass die Erinnerungen an Mikes Tod und an die schrecklichen Ereignisse aus seiner Kindheit und Jugend wieder zum Leben erwachten.

„Unternehmen Sie etwas gegen den Internetauftritt von Belles Angels“, antwortete Theo harsch und schob Antonio das Tablet zu. Er verdrängte energisch die Erinnerung an die Fotos und den Lebenslauf von Harmony aus seinen Gedanken und fügte entschlossen hinzu: „Egal, was es kostet oder was dafür notwendig ist – die Seite muss verschwinden.“

Sein Security-Chef bestätigte den Auftrag mit einem kurzen Nicken. „Und was die Mitarbeiterin betrifft?“

„Darum werde ich mich persönlich kümmern“, erwiderte Theo.

Kate arbeitete bereits seit fünfeinhalb Monaten für die Knox-Gruppe, und war in dieser Zeit noch nicht einmal in die oberste Etage des schicken Firmengebäudes in der Londoner Innenstadt geordert worden. Ihre Position als Buchhalterin machte diese zweifelhafte Ehre eigentlich auch sehr unwahrscheinlich. Das war Kate insgeheim eigentlich sehr recht gewesen – je weniger sie mit Theo Knox zu tun hatte, umso besser.

Im Grunde kannte sie ihn kaum. Er war ein Freund ihres verstorbenen Bruders gewesen – wobei es ihr schwerfiel, sich ihren zugeknöpften, überkorrekten Chef als Freund von überhaupt irgendwem vorzustellen. Aber begegnet war sie Theo Knox bisher nur ein einziges Mal – bei Mikes Beerdigung vor neun Monaten.

Da diese Begegnung damals nicht besonders erfreulich gewesen war, hatte Kate nicht damit gerechnet, ihn noch einmal wiederzusehen.

Er hatte sie damals eiskalt abblitzen lassen, als sie ihn nach der Beisetzung gebeten hatte, noch gemeinsam etwas trinken zu gehen.

Sie hatte nur reden wollen – nicht mehr.

Alle anderen waren schon gegangen, und Kate hatte sich schrecklich einsam gefühlt. Sie wollte noch nicht in ihr leeres Zuhause zurückkehren und hatte das Bedürfnis, mit jemandem über Mike zu reden.

Doch Theo auf einen Drink einzuladen, war ein großer Fehler gewesen, wie sie schnell feststellte. Arrogant wie er war, hatte er Kates Angebot missverstanden und bedachte sie nur mit einem verächtlichen Blick, bevor er sich auf dem Absatz umdrehte und sie wortlos stehen ließ.

Kate hatte ihm fassungslos hinterhergestarrt – nicht sicher, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie konnte nicht glauben, dass er wirklich gedacht hatte, sie hätte ihn anbaggern wollen – auf der Beerdigung ihres Bruders. Das war völlig absurd.

Ihr war noch nie jemand begegnet, der so von sich selbst eigenommen war wie Theo Knox. Seine Arroganz verschlug ihr geradezu die Sprache. Noch schlimmer aber war das furchtbare Gefühl der Geringschätzung, das seine unverhohlene Ablehnung in ihr zurückließ. Es hätte ihr nichts ausmachen dürfen, schließlich kannten sie sich gar nicht, aber er hatte mit einem einzigen Blick jedes bisschen Selbstbewusstsein, das sie besaß, zerstört, und für einen kurzen Augenblick hasste sie ihn mehr als irgendjemanden sonst auf der Welt.

Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie das Jobangebot seiner Firma kurz darauf einfach abgelehnt. Aber das konnte sie sich leider nicht leisten. Das Gehalt war gut, und irgendwie musste sie schließlich ihre Rechnungen bezahlen.

Natürlich reichte das Geld hinten und vorne nicht, um für ihre jüngere Schwester den teuren Platz im Pflegeheim zu finanzieren und auch noch die Schulden zu tilgen, die ihr Bruder vor seinem Tod gemacht hatte, um eben jenes Pflegeheim zu bezahlen.

Trotzdem hoffte Kate inständig, dass sie die Probezeit schaffte. Deshalb war sie der Aufforderung von Theos Assistentin, um Punkt sechs in die Chefetage zu kommen statt wie normalerweise um diese Zeit nach Hause zu gehen, auch klaglos gefolgt.

Der Fahrstuhl kam langsam zum Halten, und die Türen glitten fast lautlos auseinander. Kate straffte automatisch die Schultern, hob das Kinn und ging mit langen Schritten über den dicken weißen Teppich auf den Empfangstresen zu. Die Mitarbeiterin winkte sie durch in Richtung einer großen hölzernen Doppeltür.

Kate atmete tief durch und klopfte an. Sie musste nicht lange warten.

Eine tiefe Stimme rief: „Herein!“

Kate riss sich zusammen und trat ein. Ihr Blick fiel sofort auf den Mann hinter einem riesigen Schreibtisch aus Eiche.

Theo Knox strahlte Selbstbewusstsein und Macht aus.

Sein Blick war undurchdringlich, als er Kate ansah.

Sie nahm von ihrer Umgebung kaum etwas wahr – weder die riesige Fensterfront, durch die die frühsommerliche Abendsonne in das riesige in Weiß gehaltene Büro strahlte, noch die luxuriösen Designermöbel oder die farbenfrohen modernen Gemälde an den Wänden.

Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf ihren Chef gerichtet, diesen fiesen, unhöflichen und herablassenden Kerl – und auf die Abneigung, die sie ihm gegenüber verspürte.

„Mach bitte die Tür zu.“

Sie befolgte seine Anweisung und ging dann langsam auf ihn zu. Bei jedem Schritt wurde die Hitze im Raum immer unerträglicher, und das großzügige Büro erschien ihr auf einmal beengend und stickig. Das war natürlich unmöglich, denn das Gebäude hatte eine moderne Klimaanlage. Umso verwirrender war die Empfindung für Kate. Sie wusste auch nicht, warum sie Theos Aussehen so überdeutlich wahrnahm. Bei Mikes Beerdigung hatte sie völlig neben sich gestanden vor Trauer und hatte die Anwesenheit der anderen Trauergäste kaum mitbekommen.

Jetzt musste sie jedoch missmutig feststellen, dass die ganzen Klatschblätter, die ständig über Theo berichteten, recht hatten. Er sah wahnsinnig gut aus. Er war vermutlich der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war.

Er hatte kurzes dunkles Haar, braune Augen und sehr markante Gesichtszüge. Die Schultern unter seinem maßgeschneiderten Anzug waren beeindruckend breit und passten zu seiner Körpergröße, an die sie sich erstaunlicherweise noch von der Beerdigung erinnerte – es kam eher selten vor, dass sie mit ihren einsfünfundachtzig zu einem Mann aufsehen musste.

Frustriert fragte Kate sich, ob er sich in seiner ganzen Perfektion jemals die Haare raufte oder mal einen Dreitagebart hatte.

Sie bezweifelte es.

Auch Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle, so wie Kate sie hatte, kannte er vermutlich nicht. Wenn man der Presse glauben konnte, dann war er wie eine perfekte Maschine – brillant, gut aussehend, sehr erfolgreich und eiskalt.

Egal.

Das war völlig irrelevant.

Auch wenn Theo Knox blendend aussah, sein Leben fest im Griff hatte und dazu noch größer war als sie, blieb er trotzdem ein durch und durch unangenehmer Mensch.

Kate blieb kurz vor seinem Schreibtisch stehen und ermahnte sich, ruhig zu bleiben. Es brachte nichts, wenn er merkte, was sie von ihm hielt oder wie sehr er sie damals verletzt hatte mit seinem Verhalten.

„Mr. Knox“, sagte sie kühl. „Sie wollten mich sprechen?“

Für einen kurzen Augenblick flackerte etwas in Theos Blick auf, das ihren Herzschlag beschleunigte und die Hitze, die sie spürte, noch intensivierte, doch sofort fing er sich wieder.

„Ja, das ist richtig“, erwiderte er und deutete ihr mit einem leichten Nicken an, in einem der zwei modernen Stühle, die vor seinem Tisch standen, Platz zu nehmen. „Theo reicht. Bitte setz dich.“

„Danke.“

Kate ließ sich Zeit beim Hinsetzen und gewann ein paar extra Sekunden, indem sie sorgsam ihren Blazer und ihren Rock zurechtrückte. Sie brauchte dringend einen Moment, um sich zu fassen. Es war lächerlich, dass ihr Körper so auf diesen Mann reagierte, dass ihr Puls raste und sie sich ruhelos fühlte. Bestimmt war das nur die Aufregung – schließlich hatte sie keine Ahnung, warum er sie hierher bestellt hatte. Und obwohl sie ihn nicht mochte, war er trotz allem eine einschüchternde Person. Ein falsches Wort, und alle Teller, die sie momentan so mühsam jonglierte, könnten schallend zu Boden krachen.

Dennoch war ihre körperliche Reaktion absurd.

„Wie geht es dir?“

Kate stutzte und bemühte sich, nicht die Stirn zu runzeln.

Wie bitte? Jetzt war ihm auf einmal nach Small Talk zumute? Nun gut, das würde sie hinkriegen. Sie musste einfach ausblenden, wie sie sich kennengelernt hatten. Er schien sich anscheinend nicht mehr an ihre erste Begegnung zu erinnern, also würde sie einfach mitspielen.

„Gut“, sagte sie fröhlich – so, als wäre alles in Ordnung und sie nicht vollkommen erschöpft und ausgelaugt. „Und Ihnen?“

„Auch gut. Kaffee?“

„Nein, danke.“

„Tee?“

„Nein.“

„Irgendetwas anderes?“

„Nein, danke.“ Sie schüttelte verneinend den Kopf.

„Okay. Wie läuft es bei der Arbeit?“

Bei welcher?, dachte Kate bitter. Neben ihrem Job in der Buchhaltung bei der Knox-Gruppe kellnerte sie zusätzlich an fünf Abenden in der Woche in einer Bar und führte am Wochenende Hunde aus. Außerdem arbeitete sie freiberuflich als Buchhalterin – wenn sie nicht gerade ihre Schwester Milly im Pflegeheim besuchte.

„Sehr gut“, antwortete sie mit einem strahlenden Lächeln und verbot sich, daran zu denken, wie knapp es finanziell für sie momentan aussah. „Es macht mir wirklich Spaß.“

„Schön“, sagte Theo und lehnte sich vor.

Kates Atem stockte, und ihr Herz begann erneut zu klopfen.

„Nun, Kate, erzähl mir etwas über Belles Angels.“

Bumm, fort war Kates Fassung.

Einfach so.

Er hat mich absichtlich in falscher Sicherheit gewiegt, dachte sie zerknirscht, und ihr Lächeln verblasste. In ihrem Magen bildete sich ein fester Knoten. Wie viel wusste Theo Knox über Belles Angels? Woher nur? Er war ganz bestimmt nicht dort angemeldet, so viel stand fest. Er hatte mit Sicherheit keine Probleme, eine Frau kennenzulernen. Ob er ihr Profil wohl gesehen hatte? Sie hatte keine Ahnung, wie sie es innerhalb weniger Stunden auf über tausend Klicks geschafft hatte, seitdem sie vergangene Nacht in aller Eile ein Profil auf der Seite erstellt hatte. Die Vorstellung, dass Theo Knox ihre Fotos gesehen haben könnte, war beunruhigend.

Sein Gesichtsausdruck verriet nichts.

„Was soll damit sein?“, fragte sie vorsichtig.

„Du bist dort angemeldet.“

Erwischt.

Mr. Knox – Theo – war ein sehr kluger Mensch, es machte wenig Sinn, sich in fadenscheinige Ausreden zu flüchten.

„Ja“, sagte sie daher schlicht. Es war schließlich kein Verbrechen, und er konnte ihr kaum vorwerfen, dass sie sich bei einer Dating-Seite angemeldet hatte. Und selbst wenn er ihre Fotos gesehen hatte – na und … Die Bilder waren gut, und es gab nichts, wofür sie sich schämen müsste. Immerhin hatte sie eine kreative Lösung für ihre verzwickte Lage gefunden – auch wenn das Ganze anscheinend unvorhersehbare und beunruhigende Konsequenzen nach sich zog.

„Du hast versucht, dich von deinem Arbeitsplatz aus dort einzuloggen.“

Das stimmte.

Ihr Profil hatte viel Aufmerksamkeit erregt, vor allem wegen ihrer Jungfräulichkeit, und sie hatte Unmengen von Nachrichten erhalten. Einige davon waren nur neugierig gewesen, einige ein bisschen sonderbar und manche richtiggehend beängstigend. Sie hatte heute am frühen Nachmittag vorgehabt, ihre Account-Einstellungen bei Belles Angels zu ändern, um sich erst mal in Ruhe zu überlegen, wie sie weiter fortgehen sollte.

„Das war gegen die Firmenvorschriften“, stellte Theo fest.

Kate erstarrte. Ihr Herz setzte vor Entsetzen einen Schlag aus.

Ach du liebe Güte.

Oh nein.

Daran hatte sie gar nicht gedacht.

Belles Angels streifte für englische Begriffe haarscharf die Grenzen der Legalität und gehörte natürlich zu der Sorte Webseiten, die von der Firewall eines Unternehmens blockiert wurden. Deshalb hatte sie die Seite auch nicht von ihrem Arbeits-PC aus aufrufen können. Sie hatte nicht weiter darüber nachgedacht, sie hatte nur verzweifelt eine Lösung gesucht, um die Flut an Nachrichten zu stoppen.

Wie dumm von ihr. Hätte sie doch nur besser aufgepasst. Womöglich verlor sie jetzt ihren Job deswegen.

„Das war ein Fehler“, sagte sie schnell, und die möglichen Folgen ihrer unbedachten Tat rasten ihr durch den Kopf. Ihr brach kalter Schweiß aus. „Es wird nie wieder vorkommen!“

„Nein, das wird es nicht“, pflichtete Theo ihr ausdruckslos bei.

Der Blick aus seinen dunklen Augen war schwer zu deuten.

Kate hatte plötzlich einen Kloß im Hals und schluckte schwer. „Werfen Sie mich jetzt raus?“, fragte sie angespannt.

Es fiel ihr schwer, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.

Sie brauchte diesen Job.

Sie brauchte alle ihre Jobs – aber wenn sie diesen hier verlor, dann steckte sie in ernsthaften Schwierigkeiten. Wer würde schon eine Buchhalterin einstellen, die man gefeuert hatte? Es könnte ewig dauern, bis sie etwas Neues gefunden hatte. Schon jetzt stapelten sich die Rechnungen auf ihrem Schreibtisch, und die Briefe des Inkassobüros wurden immer drängender. Ihr Gehalt reichte sowieso nicht aus, um die Schulden abzustottern und das Pflegeheim für ihre Schwester zu bezahlen, aber Milly brauchte diesen Platz in Fairview. Von dort fortzumüssen würde sie am Boden zerstören. Seit Mikes Tod trug Kate ganz allein die Verantwortung für Millys Wohlergehen.

Ach, hätte sie diesen verrückten Plan doch nur besser durchdacht.

„Nein, ich werde dich nicht entlassen.“

Puh …

„Wie meinten Sie das dann?“, fragte Kate schließlich, als ihr Herz langsam wieder normal schlug und sich ihre Panik etwas legte.

„Ich habe die Internetseite dichtgemacht.“

Was?

Kate wurde starr vor Schreck.

Oh nein.

Das war überhaupt nicht gut.

„Das können Sie nicht tun“, presste sie mühsam hervor. Wenn das stimmte, dann hatte sich ihre einzige Chance auf eine hohe Summe schnell verdienten Geldes endgültig in Luft aufgelöst. Dabei brauchte sie das Geld doch so dringend.

„Doch, das kann ich – und ich habe es getan“, antwortete Theo grimmig.

„Aber wie?“

„Das war nicht schwer.“

Nein, für jemanden, der so reich und mächtig war wie er, war es das sicherlich nicht.

„Dazu hatten Sie kein Recht.“

„Vermutlich nicht …“

„Aber warum dann?“, hakte sie verwirrt nach.

Theo zog überrascht die Augenbrauen hoch – die erste erkennbare emotionale Reaktion, die er zeigte, seitdem Kate sein Büro betreten hatte.

„Warum?“, wiederholte er.

„Ja, warum?“ Sie wollte wirklich wissen, was ihn dazu bewogen hatte, das zu tun. Selbst wenn er noch wusste, dass sie Mikes Schwester war, bezweifelte sie sehr, dass sie ihm solchen Aufwand wert war.

„Du hast dich bei einem Escortservice angemeldet, Kate.“ Sein Tonfall war eisig, und seine Worte klangen vorwurfsvoll, aber Kate ließ sich nicht so schnell einschüchtern. Für ihn war alles einfach – mit seinen Milliarden auf der Bank –, aber Normalsterbliche mussten sich manchmal kreative Lösungen einfallen lassen. Sie wollte ihrer geliebten kleinen Schwester ein sicheres und behütetes Zuhause in einem guten Pflegeheim bieten, und sie selbst wollte auch nicht ihr Zuhause verlieren – also musste sie irgendwie Mikes Schulden abbezahlen.

„Ja, und?“, fragte sie. Es kostete sie einige Kraft, nicht herausfordernd das Kinn zu heben.

Nicht, dass Theo es sich doch noch anders überlegte und sie doch feuerte, wenn sie sich so widerborstig gab.

„Wie konntest du nur so unbedacht sein?“

Kate seufzte. Unbedacht war sie ganz bestimmt nicht. Verzweifelt, ja, und erschöpft auch. Aber unbedacht war sie nicht. Ihr blieb nur keine andere Wahl.

„Das war ich nicht. Ich habe mich über die Seite informiert“, gab sie zurück.

„Das habe ich auch“, erwiderte Theo grimmig. „Belles Angels ist im Grunde ein Online-Bordell.“

„Das mag wohl sein“, gab Kate zögernd zu, denn er hatte nicht unrecht. „Aber ein hochklassiges.“

Ein kleiner Muskel an Theos Unterkiefer begann zu zucken. „Das ist völlig egal.“

„Nein, ist es nicht, denn man kann sich für unterschiedliche Service-Vereinbarung anmelden. Ich habe mich nur für Level eins eingetragen.“

Theo sah sie entgeistert an – so als wären ihr auf einmal zwei Köpfe gewachsen. „Meinst du wirklich, dass dir jemand tausend Pfund pro Stunde zahlt, nur um sich mit dir zu unterhalten?“

„Warum nicht? Meine Konversationsfähigkeiten sind erstklassig.“

„Daran habe ich keine Zweifel, aber glaub mir, deine … Kunden … würden mit Sicherheit mehr von dir erwarten.“

„Sie haben vermutlich mehr Erfahrung mit solchen Seiten als ich“, gab Kate zurück.

Theo quittierte ihren gezielten kleinen Seitenhieb mit einem düsteren Blick. „Ja, ich habe schon so einige Geschichten gehört, und keine war besonders schön. Hast du überhaupt eine Vorstellung, wie gefährlich so etwas sein kann?“

Kate öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn dann jedoch wieder.

Theo hatte nicht ganz unrecht. Ehrlich gesagt hatte sie sich die ganze Sache nicht besonders gut überlegt. Sie hatte sich vergangene Nacht ganz spontan bei Belles Angels angemeldet. Es war gestern eine neue exorbitant hohe Rechnung von Fairview in der Post gewesen. Außerdem hatte sie eine ziemlich unfreundliche E-Mail von dem Kreditunternehmen bekommen, bei dem Mike sich Geld geliehen hatte, und zu allem Überfluss hatte sie noch einen Brief von ihrem Vermieter erhalten, mit einer Zahlungserinnerung – als ob sie nicht wüsste, dass die Miete fällig war.

Sie hatte ein paar Gläser Wein getrunken, um ihre Panik zu besänftigen, aber es hatte nicht funktioniert. Sie hat sich danach nur noch schlechter gefühlt. Im Fernsehen lief im Hintergrund eine Dokumentation über Webcams, und plötzlich hatte Kate die Eingebung gehabt, dass Sex sich gut vermarkten ließ. Ziemlich gut sogar. Allerdings war sie noch nicht verzweifelt genug, um live vor einer Kamera aufzutreten. Deshalb hatte sie sich überlegt, welche Möglichkeiten es noch gab.

Es war erstaunlich einfach gewesen, eine geeignete Internetseite zu finden und sich dort anzumelden. Das Schwierigste an der ganzen Sache war gewesen, den Fernauslöser für die Selfies an ihrem Handy zu programmieren.

Natürlich hatte sie auch über die Konsequenzen ihres Planes nachgedacht, sie war schließlich nicht komplett verrückt, aber ihr gingen langsam die Möglichkeiten aus, und schließlich überwogen die Vorteile ziemlich deutlich. Sie war irgendwie davon ausgegangen, dass es auf der Internetseite spezielle Filter gäbe, um sonderbare und gefährliche Kunden im Vorfeld auszusortieren.

Diese Hoffnung hatte sich leider nicht bewahrheitet, dann einige der Nachrichten, die sie erhalten hatte, waren ziemlich widerlich und beängstigend. Da war es egal, wie viel Geld man ihr für ihre Jungfräulichkeit anbot. Und selbst den harmloseren E-Mails war eindeutig zu entnehmen gewesen, dass die Männer sich mehr erhofften als nur Konversation. Also lag Theo wohl richtig mit seiner Vermutung, worum es den Kunden von Belles Angels wirklich ging. Vielleicht hatte sie im Grunde genommen noch mal Glück gehabt, weil er die Seite gesperrt hatte – auch wenn das bedeutete, dass sie sich wieder auf Start befand und sich eine neue Lösung für ihre Geldsorgen ausdenken musste.

Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann musste Kate zugeben, dass sie die ganze Dimension ihres Planes nicht vollständig überblickt hatte. Belles Angels war schlüpfriger, als sie in ihrer Naivität angenommen hatte, und sie war froh, dass sie nicht mehr in die unangenehme Lage kommen konnte, eins der vielen in den Nachrichten geschilderten Szenarien über sich ergehen lassen zu müssen.

Alleine bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz mulmig.

„Das geht Sie absolut nichts an“, sagte sie trotzdem mutig. Sie würde Theo nicht die Genugtuung gönnen, recht gehabt zu haben.

„Das ist nicht ganz korrekt“, entgegnete er.

Ja, die Firmenregeln. Aber es stand ihm nicht zu, sich auf diese Weise in ihr Leben einzumischen. In irgendeiner Weise.

„Ich muss nicht gerettet werden, Theo“, sagte sie mit fester Stimme. „Ich bin sechsundzwanzig, eine selbstständige Frau und durchaus in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Auch wenn ihr momentan kaum noch Optionen blieben.

„Das sieht für mich nicht so aus.“

Oh.

Er war unerträglich.

„Warum interessiert Sie das überhaupt?“

Er sah sie schweigend an – so, als müsse er selbst auch erst noch dahinterkommen.

Kate hatte das Gefühl, als wolle er ihr direkt in die Seele schauen. Ihr Blut pulsierte brennend durch ihre Adern und löste kleine kribbelnde Funken an ihren Nervenendungen aus. Sie schaffte es nicht, Theos Blick ausweichen. Vielmehr hatte sie auf einmal das Bedürfnis, aufzustehen und sich an ihn zu schmiegen. Das Verlangen war so übermächtig, dass sie quasi in Flammen stand. Sie wollte … nun, sie wusste selbst nicht genau, was sie mit Theo tun wollte – ihr fehlte die Erfahrung auf diesem Gebiet. Aber sie brannte darauf herauszufinden, was sie wollte.

Ihre Reaktion auf ihren Chef überraschte sie so dermaßen, dass sie verschämt auf ihrem Stuhl hin und herrutschte. Sie versuchte, das Kribbeln in ihrem Bauch zu ignorieren und das Brennen auf ihrer Haut loszuwerden.

Aber das Einzige, was sie erreichte, war, dass ihr Rock sich dabei hochschob.

Theos Blick fiel auf ihre Schenkel, und seine Pupillen wurden ganz dunkel.

Hitze durchströmte Kate und konzentrierte sich dort, wo Theos Blick sie fast verbrannte.

Vielleicht bewegte sie sich erneut oder sie machte unbewusst ein Geräusch – jedenfalls riss Theo seinen Blick plötzlich los, und der magische Augenblick war vorüber.

Er betrachtete sie kühl und sagte unverblümt: „Ich gehe davon aus, dass du das Geld dringend brauchst.“

Kate begriff nicht sofort.

Geld? Welches Geld?

Ach so, na klar.

Natürlich brauchte sie das Geld.

Verlegen zog sie ihren Rock wieder zurecht. Dabei zitterten ihre Finger. Die Erinnerung an ihre schwierige finanzielle Situation löschte endlich die sonderbare Hitze und das Kribbeln und half Kate, sich zu konzentrieren.

Natürlich hatte sie sich nur wegen des Geldes bei Belles Angels angemeldet. So verzweifelt nach einem Date war sie nun auch wieder nicht.

„Ja, natürlich“, antwortete sie.

„Wie viel brauchst du?“

„Die läppische Summe von einhunderttausend Pfund, plus jeden Monat zusätzlich fünftausend Pfund für die nächsten sechzig bis siebzig Jahre.“

Theos Augenbrauen schossen erneut nach oben. „Das ist viel Geld.“

„Ich weiß“, sagte sie kühl.

Und wegen Theos Einmischung musste sie jetzt dringend eine andere Möglichkeit finden, dieses Geld aufzutreiben. Sie konnte zwar damit leben, selbst obdachlos zu werden – auch wenn die Vorstellung beängstigend war –, aber auf keinen Fall würde sie zulassen, dass Milly Fairview wieder verlassen musste.

Sie war dort so glücklich und entspannt.

„Darüber kann ich als dein Arbeitgeber nicht einfach hinwegsehen, Kate. Das betrifft auch mich.“

„Inwiefern?“

„Du bist Buchhalterin bei der Knox-Gruppe“, erklärte Theo. „Du hast bald deine Probezeit bestanden und erhältst dann Einblick und Zugriff auf einen Großteil der Konten meines Unternehmens. Das ist eine sehr bedenkliche Situation.“

Was zum …

Autor

Lucy King
Lucy King lebte schon immer am liebsten in ihrer eigenen Welt, inmitten der bunten Liebesgeschichten von Mills & Boon. Bereits in der Schule schrieb sie lieber über glorreiche Helden und die Magie der Liebe, anstatt Mathematikaufgaben zu lösen. Ihrem ganz persönlichen Helden begegnete sie eines Morgens während eines einsamen Spaziergangs...
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