Verbotene Küsse in New York

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Das Letzte, was Charlotte braucht, ist ein sexy Bodyguard! Aber bis geklärt ist, ob sie wirklich die Milliardenerbin ist, besteht dieser Jace MacDonald darauf, sie Tag und Nacht zu bewachen. Was zwei Wochen in New York bedeutet – genug Zeit, ihm gefährlich nahezukommen …


  • Erscheinungstag 01.06.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522663
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Fahr nach Pennsylvania, hieß es“, murrte Jace MacDonald vor sich hin, während er durch den knöcheltiefen Matsch der Baustelle stapfte.

„Sag ihr, dass sie zu den Erben von Mark Hinton gehört“, zitierte er seinen Auftraggeber weiter. „Dann setzt du dich mit ihr ins Flugzeug nach New York und sorgst für ihre Sicherheit, bis die Ergebnisse der DNA-Tests vorliegen.“

Sein Fuß sank beim nächsten Schritt tief ein, und Jace stöhnte laut. Jetzt war der italienische Schuh beim Teufel! Charlotte Fillion hatte einen wichtigen Posten in einer großen Baufirma, aber leider befand sie sich im Augenblick nicht im Büro, sondern auf dieser gottverlassenen Baustelle.

Zum Glück war es nicht mehr weit zu dem riesigen angerosteten Wohnwagen, in dem sie momentan arbeitete. Er machte die letzten Schritte, kratzte sich ungefähr ein halbes Kilo Dreck von den Schuhen und öffnete die Tür des Wagens.

Der Geruch von feuchtem Holz und abgestandenem Kaffee schlug ihm entgegen. Im vorderen Bereich des düsteren Trailers standen zwei Schreibtische. Niemand saß daran, und es war ganz still.

„Hallo? Jemand da?“, rief Jace.

Ein Stuhl schrammte über den Boden in einem abgetrennten Raum gleich hinter dem Eingangsbereich. Und dann stand die Frau, die er suchte, plötzlich vor ihm.

In ihrer Baustellenkluft sah sie ganz anders aus als die elegante Geschäftsfrau auf dem Foto im Jahresbericht ihrer Firma. Aber trotz Jeans, kariertem Arbeitshemd und robusten Schuhen handelte es sich unverkennbar um Charlotte Fillion.

„Sie wünschen?“, fragte sie knapp und sah ihn eindringlich an.

Groß, schlank, blauäugig … Kühl wie ein Schluck frischen Wassers. Eine Göttin in Jeans.

Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, um dann umso heftiger zu pochen. Es war lange her, seit Jace sich auf Anhieb zu einer Frau hingezogen gefühlt hatte. Fast hatte er schon vergessen, wie sich das anfühlte. Doch er verdrängte die Empfindung sofort. Er hatte die Liebe seines Lebens bereits gefunden.

Zumindest hatte er das geglaubt! Aber während eines Militäreinsatzes in Afghanistan hatte ihn Mary Beth mit seinem besten Freund betrogen …

„Ich bin Jace MacDonald“, stellte er sich vor. „Mir gehört die Firma Global Security. Ich bin von den Nachlassverwaltern Mark Hintons zu Ihnen geschickt worden.“

Charlotte Fillion lachte. „Da haben Sie mich also doch noch gefunden.“ Sie drehte sich um und ging in ihren kleinen Arbeitsraum zurück.

Verwirrt folgte Jace ihr. „Sie wissen also von dem Nachlass? Dass Mark Hinton Ihr Vater war?“

„Natürlich weiß ich das. Meine Mutter musste mich zwar allein großziehen, aber sie hat mir nie verheimlicht, wer mein Erzeuger war.“ Sie setzte sich auf einen Drehstuhl und blickte gelassen zu Jace hoch. „Wir haben es bloß nicht der ganzen Welt verkündet, weil der Mann ein einziges Problembündel war und uns nur Scherereien bereitet hätte.“

Nun sie nahm ein Klemmbrett und las, was auf dem befestigten Blatt stand.

„Der Mann war nicht problematisch, sondern reich“, hielt Jace dagegen.

„Egal, wie Sie es nennen, wir hätten Probleme gehabt.“ Sie hob den Blick nicht von ihrem Text. „Wir hätten mit Leibwächtern, Entführungsversuchen und Morddrohungen rechnen müssen. Das wollten wir nicht. Das wollen wir noch immer nicht.“

„Tja, dann wappnen Sie sich besser mal, denn Sie stehen kurz davor, einen ordentlichen Teil seines Gelds zu bekommen.“

„Das ist mir völlig egal, Mr. MacDonald. Was sagen Sie nun?“

Jace blickte sie verblüfft an. Würden alle Erben Mark Hintons sich als so widerborstig erweisen? Leni Long, die erste Tochter, die sie ausfindig gemacht hatten, hatte auch zuerst ihren Anteil nicht haben wollen, und jetzt machte Charlotte Fillion dasselbe Spielchen?

„Ich sage, Sie sind verrückt, Miss Fillion. Aber es ist nicht mein Job, das mit Ihnen zu besprechen. Diese Aufgabe fällt an Danny Manelli, den Anwalt, der den Nachlass verwaltet. Und egal, ob Sie das Geld nehmen oder nicht, Sie müssen einige Papiere unterzeichnen.“

„Na schön.“ Sie hielt ihm die Hand hin. „Her damit.“

„Sie können die Papiere erst dann unterzeichnen, wenn Sie bewiesen haben, dass Sie eine Erbin sind.“

„Gut, ich rufe meine Mom an und bitte sie, mir sofort meine Geburtsurkunde herzubringen.“

„Wir haben bereits eine Kopie Ihrer Geburtsurkunde“, sagte Jace. „Zusätzlich brauchen wir unanfechtbare Beweise in Form von DNA-Proben.“

„Wollen Sie gleich einen Abstrich machen?“

Er sah sie überrascht an. „Sind Sie immer so pragmatisch?“

Charlotte warf das Klemmbrett auf den Schreibtisch. „Ich habe acht Wochen Zeit, um dieses Gebäude hier fertigzustellen. Und wissen Sie, wie das Wetter in Pennsylvania im April ist? Unvorhersehbar, das ist es. Daher möchte ich keine einzige Minute vergeuden mit sinnlosen Diskussionen, schon gar nicht mit irgendeinem dahergelaufenen Großstädter! Ich habe zu tun.“

Jace musste lachen. Wenn Charlotte Fillion in Rage geriet, war sie umwerfend. Ihre Stirn war gerunzelt, ihre Augen blitzten. Der Anblick brannte sich ihm förmlich ins Gedächtnis, und er wusste, er würde wieder lachen, wenn er sich daran erinnerte. Eine Frau wie sie hatte er noch nie kennengelernt.

„Sie müssen sich eine Vertretung beschaffen, denn ich bringe Sie nach New York, Miss Fillion, koste es, was es wolle.“

„Das werden Sie nicht schaffen, Jungchen.“

„Ach, Sie halten mich für einen Grünschnabel?“ Jace setzte sich auf den schäbigen Stuhl vor dem Schreibtisch. „Lady, ich bin ausgewiesener Experte, was Sturheit und Willenskraft betrifft. Wollen Sie mich zum Wettkampf herausfordern? Dann geben Sie mal Ihr Bestes.“

„Ich kann die Polizei rufen und Sie wegen unbefugten Zutritts festnehmen lassen.“

„Dann müssen Sie denen erklären, warum Sie sich weigern, nach New York zu fliegen und Milliarden Dollar aus dem Nachlass Ihres Vaters zu akzeptieren.“

Sie runzelte die Stirn und sagte nichts. Ausnahmsweise …

„Sie halten die Identität Ihres leiblichen Vaters geheim, und das seit Jahren.“ Nun stand er auf und lehnte sich über den Schreibtisch. „Ihnen ist doch klar, was passiert, wenn ich verlauten lasse, dass Sie Mark Hintons Erbin sind. Dann schwirren Hunderte von Reportern hier auf Ihrer Baustelle herum wie Wespen um die Marmelade.“

Böse funkelte sie ihn an.

„Ach, Schätzchen, dieser Blick schüchtert vielleicht Kerle ein, die Dreck schaufeln und Mörtel an Wände klatschen. Bei mir haben Sie da weniger Glück. Meine Sicherheitsfirma habe ich nach einem ausgiebigen Militäreinsatz in Afghanistan gegründet …“

Ja, nachdem er den Schock überwunden hatte, beim Heimkommen Mary Beth in Daves Armen vorzufinden. Danach hatte er sich zwei Wochen lang täglich fast ins Koma getrunken … Aber dann hatte Jace sich aufgerafft und die Firma Global Security gegründet, so wie er es lange geplant hatte.

„Ich habe mich um Rockstars gekümmert, die so high waren, dass sie nicht mal ihren eigenen Namen wussten“, berichtete Jace mit ausdrucksloser Miene. „Ich musste mich mit Damen der Gesellschaft abgeben, die Wutanfälle hinlegten, und mit total verwöhnten, ungezogenen Sprösslingen von Milliardären.“

So nah, wie er ihr jetzt war, konnte er Charlotte Fillions Parfüm riechen. Ein faszinierender, sehr femininer Duft. Aber auch das verführerischste Parfüm würde ihn nicht davon abhalten, seinen Job zu erledigen! Jace bedachte die blonde Schönheit mit einem strengen Blick.

„Also, Miss Fillion, wenn Sie sich mit mir anlegen wollen, müssen Sie sich mehr ins Zeug legen, als mich nur böse anzufunkeln.“

Charlotte hielt dem Blick des fremden Manns stand, schluckte dabei aber unwillkürlich. Der Typ war wirklich umwerfend attraktiv. Obwohl – oder weil – er so finster dreinsah.

Seine Augen waren dunkel wie der Himmel in einer sternenlosen Nacht. Die schwarzen Haare und das markante Gesicht ließen ihn streng erscheinen, sein grimmiger Blick schüchterte weniger nervenstarke Menschen vermutlich ziemlich schnell ein. Seine Vorfahren stammten mit Sicherheit aus Schottland – schließlich hieß er MacDonald. Wahrscheinlich hatten sie Jahrhunderte zuvor ähnlich grimmig gewirkt, als sie an der Seite von Braveheart gegen die Engländer losstürmten …

Aber sie ließ sich von ihm nicht ins Bockshorn jagen! Sie hatte nicht Karriere gemacht, indem sie auf das verzichtete, was sie wollte.

„Okay, Sie haben also ein Druckmittel, nämlich die Drohung, mich der Presse auszuliefern.“ Betont lässig lehnte sie sich zurück. „Ich muss aber einen Job erledigen. Ich enttäusche nicht, ich liefere Leistung. Da wir hier eine Pattsituation haben, möchte ich einen Kompromiss vorschlagen.“

Jace MacDonald setzte sich wieder.

Sie lächelte. An manchen Tagen machte es sie fast schwindelig, wie einfach sie Leute dazu brachte, zu tun, was sie wollte. „Geben Sie mir so viel Zeit, wie ich brauche, um einen Bauleiter herzubestellen.“

„Haben Sie denn keinen hier?“, wollte er wissen.

„Leider nicht. Sonst wäre ich ja nicht da“, erklärte sie. „In unserer Firma sind gerade alle vollauf beschäftigt.“

Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht, und sie nutzte die Gelegenheit, ihn genauer anzusehen. Schwarzer Mantel, schwarzer Anzug, weißes Hemd – vermutlich aus Seide – und eine dezent gemusterte Krawatte, definitiv aus Seide.

Vermutlich trug er teure italienische Schuhe … und hatte sie draußen im Dreck ruiniert. Der Gedanke amüsierte sie.

Jace MacDonald atmete tief durch. „Ihnen ist klar, dass ich Sie so lange im Auge behalten muss? Zu Ihrer Sicherheit.“

„Warum das? Meine Männer sind einzig daran interessiert, dass ich ihnen Jobs verschaffe, damit sie ihre Kinder durchbringen.“

„Egal! Die Nachlassverwalter haben bestimmt, dass die Erben, sobald wir sie aufgespürt haben, einen Leibwächter zur Seite gestellt bekommen.“

„Ich brauche keinen“, beharrte Charlotte.

„Ich habe die Regel nicht aufgestellt, sondern der Anwalt. Und mit gutem Grund. Bei der ersten Erbin hat es ein Missgeschick gegeben. Sie war allein in einem Café, und dort hat jemand sie heimlich fotografiert, ihr Telefon ausspioniert, herausgefunden, wer sie war … und dieses Wissen an die Zeitungen verkauft.“

„Erste Erbin? Heißt das, ich habe eine Schwester?“, fragte Charlotte verblüfft und setzte sich kerzengerade hin.

„Lesen Sie keine Zeitung? Es stand doch in allen Blättern.“

„Ich arbeite zwölf Stunden am Tag und habe keine Zeit für Klatschgeschichten. Meine Informationen hole ich mir im Internet. Tratsch interessiert mich nicht. Dass mein Vater gestorben ist, musste meine Mutter mir berichten. Gelesen hatte ich nichts davon.“

„Sie haben sogar zwei Geschwister“, erklärte Jace MacDonald. „Bisher haben wir aber nur Sie und das jüngste der Kinder Hintons gefunden. Leni Long, sechsundzwanzig, Sozialarbeiterin.“

„Ich habe eine Schwester“, wiederholte Charlotte verwundert.

„Halbschwester“, verbesserte er sie. „Haben Sie nie daran gedacht, zu checken, ob Ihr Vater andere Kinder hatte?“

„Wie denn? Hätte ich die Geburtenregister sämtlicher Staaten durchgehen sollen, um zu sehen, ob sein Name irgendwo auftaucht?“, konterte sie sarkastisch.

„So haben die Nachlassverwalter jedenfalls Sie gefunden.“

„Ich habe Ihnen doch schon meine Geburtsurkunde als Nachweis angeboten, dass ich tatsächlich Mark Hintons Tochter bin, aber das genügt ja anscheinend nicht. Nein, es muss ein DNA-Test sein.“

„Betrüger können sehr leicht Geburtsurkunden fälschen und einen Teil des Erbes einfordern. DNA schließt solchen Betrug aus.“

„Ich bin keine Schwindlerin“, hielt sie fest.

„Ich weiß das, und Sie wissen das. Trotzdem gibt es allgemeingültige Vorschriften.“

„Na, fabelhaft.“ Charlotte seufzte entnervt, doch dann sah sie Jace erwartungsvoll an. „Erzählen Sie mir mehr über meine Schwester.“

„Sie lebt teils in New York mit ihrem Partner Nick Kourakis, teils in ihrem Heimatort, einer Kleinstadt in Kansas, die sie mit ihrem geerbten Geld auf Vordermann bringt.“

„Sie renoviert eine ganze Stadt?“, hakte sie nach.

„Ja, die liegt ihr am Herzen, weil sie dort aufgewachsen ist. Sie ist einer der nettesten Menschen, die ich jemals getroffen habe“, schwärmte Jace MacDonald.

Ich habe eine Halbschwester, dachte Charlotte überwältigt. Sie war allein mit ihrer Mutter in einem weitläufigen Farmhaus aufgewachsen und hatte sich oft sehr einsam gefühlt. Wie sehr hatte sie sich jemanden gewünscht zum Ballspielen oder für Erkundungszüge in den Wald hinter der Scheune. Manchmal hatte sie so getan, als würde sie eine Schwester haben. Manchmal war die älter und klüger als sie, manchmal war sie jünger und brauchte guten Rat. Aber immer war sie ihre beste Freundin und Gefährtin.

Sie und Leni Long hatten also eine gemeinsame Kindheit verpasst. Und wie wäre es jetzt, eine erwachsene Schwester zu haben? Eine, die verstand, dass es kein Vergnügen war, als Mark Hintons Tochter aufzuwachsen …

„Sie könnten mit mir nach New York fliegen und vermutlich heute noch mit ihr zu Abend essen“, meinte Jace MacDonald.

Das klang ausgesprochen verführerisch. Aber sie hatte einen Job zu erledigen!

„Nein, wir warten auf meine Vertretung“, erklärte sie sachlich. „Es kann einige Tage dauern, bis jemand zur Verfügung steht.“

„Aha. Dann lasse ich mich hier einige Tage häuslich nieder“, verkündete Jace MacDonald. „Besser gesagt, ich folge Ihnen auf Schritt und Tritt.“

Während er aufstand, hörte man, wie die Tür geöffnet wurde.

„Charlotte?“, rief jemand.

„Hier drinnen“, rief sie zurück.

Kurz darauf erschien einer ihrer Baggerfahrer und zuckte sichtlich zurück. „Oh, Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass Sie jemand vom Management zu Besuch haben.“

„Er ist nicht vom Management, Aaron, sondern …“

Oh, verdammt! Der Typ war viel zu gut angezogen, um ihn als Arbeiter vorzustellen. Und er würde ihr wie ein Schatten folgen, hatte er angedroht. Da gab es nur eine Art Person, bei der das nicht verdächtig war.

„Mr. MacDonald ist mein … neuer Assistent“, behauptete Charlotte und lächelte.

Aaron strahlte. „Ach, haben Sie die Direktoren dazu gebracht, das Portemonnaie aufzumachen?“

„Sogar weiter als erhofft. Man schaue sich nur mal den Anzug an“, meinte sie und wies auf Jace.

„Ja, so was sollte man hier besser nicht tragen. Komm morgen lieber in Jeans, Kumpel“, empfahl Aaron.

Charlotte lehnte sich zurück und lachte. Vielleicht würde sich alles hier doch nicht so schlecht entwickeln wie befürchtet.

Jace blickte sie finster an, und eine Sturzwelle von Verlangen überfiel sie ganz unvermittelt. Ihre Hormone, die sie sonst streng im Zaum hielt, spielten anscheinend verrückt. Kein Wunder, denn dieser Mann war umwerfend attraktiv. Dazu war er genauso widerborstig und schroff wie sie selbst. Sie schätzte es, wenn ein Mann sie gleichberechtigt behandelte. Sie durfte es sich nur nicht anmerken lassen.

Ja, er hatte in der kurzen Zeit ihres Gesprächs schon etliche positiven Eigenschaften erahnen lassen. Leider würde er ihr in den kommenden Tagen wie ein Schatten folgen, da musste sie ihre dummen Gefühle wohl besser in den Griff kriegen!

Aber was, wenn ausgerechnet Jace der Mann war, von dem sie schon so lange träumte – der einzig Richtige? Bei dem Gedanken stockte ihr der Atem.

„Charlotte, hallo?“ Aaron schnippte mit den Fingern. „Ich wollte Sie eigentlich was wegen dem Areal am Teich fragen.“

Sofort riss sie sich zusammen. Es ging nicht an, dass ihr heißer Leibwächter … Oh, verdammt! Jace war ihr vom Nachlassverwalter ihres reichen, lieblosen, gemeinen Vaters geschickt worden. Er war ihr nicht zufällig über den Weg gelaufen, er war nicht vom Schicksal gesandt. Nein, er arbeitete für ihren Vater. Indirekt zumindest.

Es würde ganz schön kalt in der Hölle werden müssen, bevor sie sich mit einem Angestellten ihres verstorbenen Vaters einließ!

Egal wie dunkel, geheimnisvoll und umwerfend sexy dieser Angestellte auch war.

Schade. Aber mit jemandem, der ihren Vater gekannt und womöglich geschätzt hatte, wollte sie absolut nichts zu tun haben. Schließlich war Mark Hinton daran schuld, dass ihre Mutter in den vergangenen achtundzwanzig Jahren solch ein trauriges Leben geführt hatte!

2. KAPITEL

Nachdem Aaron seine Information erhalten hatte und gegangen war, fragte Jace: „Was sollte das? Ich bin nicht Ihr Assistent.“

„Mir ist nichts anderes eingefallen, um Ihre Anwesenheit zu erklären.“

Jace runzelte die Stirn, dann nickte er. Zum Glück war Charlotte Fillion nicht damit herausgeplatzt, was er tatsächlich war. Ihre Erklärung war immerhin einleuchtend, also hatte es keinen Sinn, darüber zu streiten.

„Na gut“, stimmte er zu.

Sie seufzte erleichtert. Anscheinend hatte sie befürchtet, er würde sich querstellen. Aber er war hier, um ihr die jetzige Situation zu erleichtern, nicht um alles noch schwerer zu machen. Also zügelte er seine Gereiztheit.

„Ich habe da ein paar Fragen“, informierte sie ihn und sah ihn argwöhnisch mit ihren strahlend blauen Augen an.

„Dann mal raus damit.“

„Was genau macht ein Bodyguard?“

„Allgemein gesagt bewahrt er die Klienten davor, umgebracht zu werden. In Ihrem Fall soll ich vor allem die Medien abwehren und checken, ob jemand in Ihrem persönlichen Umfeld zu viel Interesse an Ihnen zeigt.“

„Und was heißt das, Mr. MacDonald?“

„Nennen Sie mich doch bitte Jace. Und es heißt, dass ich prüfe, ob sich jemand von der Presse an Menschen in Ihrer Umgebung heranmacht, um von denen Informationen über Sie zu bekommen.“

„Das ist lächerlich.“

„Momentan stimme ich Ihnen zu, denn niemand weiß, wer Sie sind. Die Presse hat noch keinen Schimmer, dass sie an Ihnen interessiert sein sollte, Miss Fillion.“

„Nennen Sie mich doch bitte Charlotte“, sagte sie im selben Tonfall wie er eben. „Sie werden mir also auf Schritt und Tritt folgen, Jace?“

„Ja, und Ihre Leute im Auge behalten, damit keiner auf dumme Gedanken kommt.“

„Wo werden Sie heute Nacht schlafen?“, erkundigte sie sich.

„Wo werden Sie denn heute Nacht schlafen, Charlotte?“

„Ich habe ein Haus. Ein sehr sicheres. Sie finden gewiss ein Hotel.“

Er lehnte sich an den Schreibtisch und kam ihr dabei ziemlich nahe. So kühl und selbstbewusst wie sie sich gab, machte es ihm richtig Spaß, sie ein bisschen zu nerven.

„Hotel kommt für mich nicht infrage“, informierte er sie.

Ihr Gesicht wurde finster wie eine Gewitterwolke. Auch wenn es Spaß machte, sollte er sie nicht länger ärgern. Jace wusste aus erster Hand, was passieren konnte, wenn man mit einem Klienten eine zu persönliche Beziehung anfing. Hier ging es um immens viel, daher musste er besonders aufmerksam und vorsichtig sein.

„Ganz ehrlich, Charlotte, Hotel steht nicht zur Diskussion. Ich komme zu Ihnen ins Haus. Da werde ich aber eher nicht schlafen, sondern bestenfalls Nickerchen auf demjenigen Ihrer Sofas machen, das der Haustür am nächsten steht.“

Charlotte überlegte und sah dabei nicht aus, als wäre sie mit seinem Vorschlag einverstanden.

„Na los, Charlotte, geben Sie sich einen Ruck. Der Anwalt, Danny Manelli, nimmt es sehr genau. Ich muss ihm auf jeden Fall versichern, dass ich die Nacht im selben Gebäude verbringe wie Sie.“

„Dieser Manelli bestimmt also, wo’s langgeht?“

„Richtig, und er erwartet nun mal, dass ich auf Sie aufpasse. Dazu muss ich freilich nicht an Ihrem Bett sitzen und Ihnen beim Schlafen zusehen. Sobald Ihre Vertretung als Bauleiter aufkreuzt, können Sie und ich nach New York fliegen, wo der DNA-Test gemacht wird und Sie darüber informiert werden, was Ihr Vater alles besessen hat. Dann können Sie anhand dieses Wissens eine wohlüberlegte Entscheidung treffen. Falls Sie weiterhin das Erbe ablehnen, sind Sie dann wieder ganz auf sich gestellt.“

Charlotte stöhnte. „Auf was musste ich nicht schon alles verzichten, nur weil dieser Mann mein Vater war.“

„Verstehe. Aber man kann sich nur seine Freunde aussuchen, nicht seine Verwandten“, meinte er.

„Ach, taugt Ihre Familie auch nichts?“, fragte sie unverblümt.

Das gefiel ihm. Also vergalt er ihre Direktheit mit Ehrlichkeit. „Nein, meine Familie ist wunderbar. Unter meinen Klienten hat es allerdings schon etliche gegeben, die mir zu völlig neuen Erfahrungen verholfen haben, was verrückte Familien angeht.“

Lachend warf sie ihren Kuli auf den Schreibtisch. „Na gut, einverstanden. Es dauert ja nur einige Tage. Dann kann ich diesen Mann, der mein Vater war, ein für alle Mal aus meinem Leben streichen.“

„Es werden eher an die zwei Wochen werden“, dämpfte Jace ihren Optimismus. „Wir schicken Ihre DNA-Proben an drei verschiedene Labors, ohne Ihren Namen zu nennen, damit uns niemand Manipulationen unterstellen kann. Es kann eine Weile dauern, bis die Resultate vorliegen. In der Zwischenzeit werden Sie, wie ich Ihnen schon sagte, über das Vermögen Ihres Vaters detailliert unterrichtet. Damit Sie eine gut begründete Entscheidung treffen können.“

Sie seufzte entnervt. „Okay. Jetzt habe ich zu tun. Da Sie meinen Assistenten spielen, müssen Sie das Telefon beantworten, damit es echt wirkt. Setzen Sie sich vorne an einen der Schreibtische und vertreiben Sie sich irgendwie die Zeit bis zu einem Anruf.“

„Zum Beispiel, indem ich die Tür im Auge behalte“, schlug er vor.

„Genau.“ Sie lächelte breit. „Da sehen Sie, wie praktisch es ist, meinen Assistenten darzustellen. Da fällt es nicht auf, wenn Sie vor meinem Büro sitzen.“

Im Stillen gab er ihr Pluspunkte für die Idee und ging bereitwillig zum Eingangsbereich des Trailers.

„Also dann, auf gute Zusammenarbeit, Jace“, sagte Charlotte.

Von ihren Lippen klang sein Name fast wie ein Kosewort …

Nein, so etwas sollte er nicht denken. Hier ging es um einen Job, nicht um eine Flirtshow im Fernsehen. Einmal hatte Jace sich mit einer Klientin zu persönlich eingelassen, was ein großer Fehler gewesen war. Es hatte seinem Ruf beträchtlich geschadet, und war nur schwer wieder auszubügeln gewesen. Ein vernünftiger Mann schlug nicht zweimal den falschen Weg ein!

Autor

Susan Meier
<p>Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
Mehr erfahren