Verbotenes Verlangen nach dem Ex

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Romantische Verlobungsfotos in einer Blockhütte: ein toller Auftrag für die hübsche Fotografin Briana Harper. Bis sie erfährt, wer das Paar ist: ihr Ex, der Musik-Mogul Ian Lawson, und die Sängerin Missy. Ian mit einer anderen zu sehen, wird wehtun. Aber als Briana die Luxushütte in den Bergen erreicht, ist von Missy keine Spur. Stattdessen wird sie selbst mit Ian eingeschneit, und vor dem lodernden Kaminfeuer flammen ihre Gefühle wieder auf! Jeder Blick, jede Berührung beweist Briana, dass ihre Leidenschaft lebt. Sie sehnt sich nach Sex - mit dem verbotenen Ex …


  • Erscheinungstag 10.01.2017
  • Bandnummer 1959
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723231
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Wie bitte?“, unterbrach Briana Harper ihre Geschäftspartnerin bei ihrem wöchentlichen Meeting. „Hast du gerade gesagt, dass wir die Hochzeit von Missy Kline und Ian Lawson ausrichten? Von der Missy Kline und dem Ian Lawson?“

Natalie, die Hochzeitsplanerin und Geschäftsführerin, schaute ob der Unterbrechung etwas gereizt von ihrem Tabletcomputer auf. „Ja. Was ist daran so bemerkenswert? Wir haben schließlich viele Promihochzeiten.“

Briana, die von allen nur Bree genannt wurde, schüttelte den Kopf und tippte gedankenverloren auf ihrem eigenen Tablet herum. „Ich bin nur erstaunt, das ist alles.“ Das war nicht alles, aber das würde sie ihren besten Freundinnen und Geschäftspartnerinnen nicht auf die Nase binden. Eine der eisernen Regeln bei From This Moment lautete, unter allen Umständen professionell zu bleiben, egal, ob der Ringträger die Hochzeitstorte umwarf, ein Gast die gefürchtete Frage bejahte, ob jemand „einen Grund weiß, warum diese beiden nicht heiraten sollten“, oder der Bräutigam der eigene Exfreund war. Also hielt Bree den Mund.

„Sie sind auf den Titelblättern aller Zeitschriften“, setzte Gretchen hinzu. „Ich weiß nicht, wie du das hast übersehen können. Anscheinend ist sie schwanger.“

„Ich bin in letzter Zeit wohl zu wenig aus dem Haus gekommen“, murmelte Bree. Schwanger. Die bauchfreie Königin der Popmusik bekam ein Baby von Ian. Aus irgendeinem Grund störte Bree das. Sogar sehr. Wie konnte ihr diese Neuigkeit entgangen sein?

Natalie warf sich das dunkelbraune Haar über eine Schulter und fuhr mit dem Montagmorgenbriefing fort. Wenn sie auf den Job konzentriert war, blieb keine Zeit für Witze oder Gefühlsausbrüche.

Jeden Montag trafen sich die vier Besitzerinnen von From This Moment, um über neue Kunden, geschäftliche Angelegenheiten und die Hochzeit vom vergangenen Wochenende zu sprechen.

From This Moment war eine Hochzeitsagentur, die für anspruchsvolle Bräute aus Nashville alles aus einer Hand anbot. Alles, was Rang und Name hatte, ließ seine Hochzeit von ihnen ausrichten. Innerhalb von nur sechs Jahren waren Natalie, Amelia, Gretchen und Bree, die sich seit dem College kannten, von idealistischen Existenzgründerinnen zu erfolgreichen Unternehmerinnen geworden.

Gemeinsam bildeten sie das führende Unternehmen in Sachen perfekte Hochzeiten. Was auch immer das Brautpaar wollte, sie machten es möglich. Keine Anfrage war ihnen zu kompliziert, darauf beruhte ihr Ruf – ebenso wie auf ihrer absoluten Diskretion.

Natalie hatte recht; bei ihnen heirateten zahlreiche Prominente. Missy Kline war nur ein Star mehr, den sie ihrer Kartei berühmter Kunden hinzufügen konnten, und eigentlich war sie Bree auch egal. Diese interessierte sich viel mehr für Missys Bräutigam, den in Nashville ansässigen Musikproduzenten Ian Lawson, dem SpinTrax Records gehörte.

Vor langer Zeit war Ian der Mittelpunkt von Brees Universum gewesen. Sie hatten sich in ihrem ersten Semester an der Belmont University kennengelernt und waren über ein Jahr lang unzertrennlich gewesen. Damals war er Coffeeshop-Musiker gewesen, sexy, mit langem Haar, das ihm in die Augen hing, und einem verführerischen Lächeln. Wenn er Gitarre gespielt und ihr etwas vorgesungen hatte, war die Welt in Ordnung gewesen. Aber dann hatte er aufgehört zu spielen, und alles war schiefgegangen.

„Bree?“

Bree zuckte zusammen. Die anderen drei sahen sie an. Sie hatte offenbar etwas nicht mitbekommen. „Ja?“

„Ich habe gefragt“, sagte Natalie, „ob du Donnerstag die Verlobungsporträts aufnehmen und rechtzeitig zurück sein kannst, um den Probedurchlauf der Conner-Hochzeit am Freitag zu fotografieren.“

Bree runzelte die Stirn. „Warum nicht? Verlobungsbilder dauern doch nur ein, zwei Stunden.“

„Die Braut möchte, dass das Fotoshooting in der Berghütte des Bräutigams in Gatlinburg stattfindet“, wiederholte Amelia die Einzelheit, die Bree entgangen war.

„Das sollte zu schaffen sein.“

„Prima.“ Natalie notierte sich etwas. „Ich gebe dir die Adresse der Hütte. Versuch gegen Mittag da zu sein.“

Damit war die Sache geklärt. Sobald Natalie etwas auf ihrem Tablet speicherte, führte kein Weg mehr daran vorbei. Bree würde dem Mann gegenübertreten, der seit neun Jahren immer wieder in ihrem Kopf und ihren Träumen herumspukte.

Und seiner Braut.

1. KAPITEL

„Das ist nicht gut.“

Als hätte das Universum Ians Worte gehört, rutschten die Reifen seines Cadillac Escalade auf einer Eisschicht weg. Er brachte den schlingernden SUV wieder unter Kontrolle und lenkte ihn zurück in die Spur. Das lederbezogene Steuerrad so fest umklammernd, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, fluchte er vor sich hin und dankte stumm seiner Assistentin dafür, dass sie ihn daran erinnert hatte, früh loszufahren. Wäre er später aufgebrochen, hätte er es vielleicht nicht geschafft.

Im Schneegestöber war kaum noch etwas zu sehen. Zwischen Nashville und Gatlinburg war das Wetter von Graupelschauern in eisigen Schneeregen übergegangen. Hier, im Herzen der Smoky Mountains, fiel nur noch Schnee.

Und zwar ziemlich viel davon.

Am Fuße der Anhöhe, auf der seine Hütte lag, setzte er ein Stück zurück, schaltete in einen niedrigeren Gang und beschleunigte dann den Hang hinauf. Langsam und stetig gelangte er um die langgestreckte Kurve bis zu seiner Einfahrt ganz oben. Dort angekommen fuhr er in die Garage.

Ian nahm seine Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Bei der Verbindungstür drückte er auf einen Knopf und sah weiter dem Schneetreiben zu, bis das Garagentor gänzlich geschlossen war und das schlechte Wetter aussperrte.

Er hätte nicht überrascht sein sollen, schließlich plagte ihn schon seit ein paar Monaten eine Pechsträhne. Er wusste, dass er all die Unannehmlichkeiten als glückliche Zufälle betrachten sollte, hatte aber eher das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Dazu trug der Schnee nur noch bei.

Ian fuhr nie im Januar oder Februar in die Berge. Um diese Jahreszeit war das Wetter unberechenbar. Auch jetzt wäre er gar nicht hier gewesen, wenn Missy nicht darauf bestanden hätte, ihre Verlobungsfotos in der Berghütte aufzunehmen. Wider besseres Wissen hatte er zugestimmt.

Ian stellte seine Tasche auf die Granittheke und warf durch das Erkerfenster einen Blick ins weiße Tal. Wenn das so weiterging, würde der Schnee bald fünfzehn Zentimeter hoch liegen. „Keine geschlossene Schneedecke“, ahmte er nach, was der Meteorologe am vorigen Abend in den Nachrichten gesagt hatte, und musste lachen.

Missy reiste von Atlanta an, vielleicht war der Weg vom Süden aus nicht ganz so beschwerlich, vermutlich aber nicht. Ian war sich ziemlich sicher, dass sie es in ihrem kleinen Jaguar nicht auf den Berg schaffen würde.

Und die Fotografin … Wer wusste schon, was für ein Auto die fuhr? Wenn dieser Schneesturm sogar ihn überrascht hatte, würde er wohl auch alle anderen kalt erwischen.

Zum Glück hatte er die Hütte mit Vorräten ausstatten lassen. Ian ging durch die Küche und öffnete den Kühlschrank, um den Inhalt zu überprüfen. Wie verlangt, war genug für mehrere Tage da. Ein Ehepaar, das weiter unten am Berg lebte, kümmerte sich um Hütte und Garten. Bevor er herfuhr, schickte er Rick und Patty immer eine Einkaufsliste, und sie besorgten alles.

Manchmal stellte Patty sogar eine zusätzliche Kleinigkeit bereit, um Ian zu Hause willkommen zu heißen. Heute wartete eine Flasche Champagner in der Kühlschranktür, und zwei Sektgläser standen auf der Theke neben einer Vase mit frischen Blumen.

Anscheinend hatte Patty nicht mitbekommen, dass Missy in der achten Woche schwanger war. Dabei hatte Missy allen von ihrer Familiengründung vorgeschwärmt – von ihren zwei Millionen Facebookfans bis hin zu den Journalisten sämtlicher Boulevardzeitschriften. Ian hatte gedacht, dass es keine Person in den USA gab, die nicht über sein Privatleben informiert war.

Sie würden im März in Nashville heiraten. Missy hatte alles arrangiert. Ian hatte sich nicht um die Details gekümmert. Er hatte sich und Missy eingeredet, dass er beruflich zu viel zu tun hatte, und so konnte sie planen, was sie wollte. Schließlich war es ihr großer Tag. In Wirklichkeit musste er sich erst noch mit den neuen Entwicklungen in seinem Leben abfinden.

Er wollte, dass das Baby in einer glücklichen Familie willkommen geheißen würde, und war bereit, alles zu tun, damit das kein Wunschtraum blieb. Sie würden sich beide anstrengen müssen. Mit Missy hatte man es nicht unbedingt leicht. Sie war anspruchsvoll und daran gewöhnt, dass alle sie ständig über den grünen Klee lobten.

Man konnte beim besten Willen nicht behaupten, dass sie aus Liebe heirateten, aber Ian vermutete mittlerweile, dass diese ohnehin nur ein Mythos war. Jede Ehe erforderte harte Arbeit. Sein und Missys Verhältnis war vielleicht nicht ideal, aber sie bekam nun einmal sein Baby und sie würden heiraten.

Er musste das Beste aus der verfahrenen Situation machen. Ein romantisches Wochenende zu zweit war genau das, was sie brauchten, um die Leidenschaft zu entfachen. Schließlich hätten viele Männer Missy Kline mit Freuden geheiratet. Ihre sinnliche Stimme und ihr straffer Körper hatten ihr in den letzten Jahren einen Stammplatz in den Radiohitlisten gesichert. Sie war der Star von Ians Plattenlabel.

Zumindest war sie das gewesen. Ihre neueste CD hatte sich nicht gut verkauft, aber Missy war unbesorgt. Die Hochzeit und das Baby hielten sie ja in den Schlagzeilen. Ihr Manager hatte die Exklusivrechte an der Berichterstattung an eine Zeitschrift verkauft und arbeitete daran, aus der Hochzeitszeremonie eine Fernsehübertragung zu machen. Ian verabscheute den Gedanken, aber Missy war sehr ausgebufft, was Geschäfte anging. Solche Publicity war unbezahlbar. Als ihre Verlobung bekannt gegeben worden war und die Klatschblogger erste Fotos ihres Rings gepostet hatten, war ihr neuester Song bei iTunes in die Top Ten aufgestiegen. Als ihr Musikproduzent konnte Ian sich nicht beschweren. Als ihr Verlobter war er nicht gerade angetan davon.

Dieses Wochenende würden sie ihre Verlobungsporträts machen lassen und das glückliche Paar mimen. Dann würden sie die nächsten Tage miteinander verbringen, um den schönen Schein Wirklichkeit werden zu lassen. Ein prasselndes Kaminfeuer, eine eindrucksvolle Aussicht, heißer Kakao auf der Terrasse, während sie sich unter einer Wolldecke aneinanderschmiegten … Es würde wie in einem romantischen Musikvideo sein. Zumindest hoffte er das.

Aber er konnte nicht garantieren, dass es so kommen würde. Missy hatte behauptet, der Schnee würde malerisch sein – bestimmt sah sie das mittlerweile anders.

Stirnrunzelnd ging Ian zur Haustür, öffnete sie und trat auf die Veranda. Der Schnee häufte sich auf dem Gras und bildete auf der Straße schon eine durchgehende Decke. Man konnte nicht einmal mehr das Pflaster erkennen – oder die Eisschicht, die sich unter dem Schnee bildete.

Während Ian dem Schneefall zusah, bog ein kleiner weißer SUV um die Kurve und fuhr auf ihn zu. Das musste die Fotografin sein. Wenn sie trotz des Wetters hierher gelangt war, würde Missy es vielleicht doch noch schaffen. Wenigstens wusste er jetzt, dass die Straßen noch nicht gesperrt waren.

Der SUV hielt vor den Verandastufen an. Ian setzte ein Lächeln auf und machte sich bereit, eine oscarreife Vorstellung zu liefern. Er stieg vorsichtig die Steintreppe hinab, um die Fotografin zu begrüßen und ihr gegebenenfalls beim Transport ihrer Ausrüstung zu helfen.

Eine Frau in enger Jeans, Rollkragenpullover und Fleecejacke stieg aus. Sie war passend für einen Januartag in Nashville gekleidet, aber nicht für die Berge. Der Schnee hatte offenbar auch sie überrascht. Sie hatte keinen dicken Mantel, keine Handschuhe, keinen Schal, und ihre roten Converse-Sneaker würden auf dem Eis ungefähr so gut greifen wie auf einer Ölschicht.

Wenigstens trug sie eine Strickmütze, unter der langes blondes Haar hervorsah. Ihre dunkle Sonnenbrille verdeckte einen Großteil ihres Gesichts, aber aus irgendeinem Grund kam sie ihm bekannt vor.

Die Frau schlug die Autotür zu und nahm die Sonnenbrille ab. „Hi, Ian.“

Die Erinnerungen trafen ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Es war Bree. Briana Harper. Seine Collegeliebe, die ihn mit ihrem jugendlichen Körper und ihrer Abenteuerlust von seinen Seminaren abgelenkt hatte – und die sich von ihm getrennt hatte, als er am Tiefpunkt seines Lebens angekommen war.

Ian schluckte gegen einen Kloß im Hals an. „Bree? Wow. Ich hatte keine Ahnung, dass ausgerechnet du …“

Bree nickte. Er sah ihr an, dass sie genauso verlegen war wie er: Ihr Hals und ihre Schultern waren angespannt, und er war nahe daran, die Hand auszustrecken und ihr wie früher den Nacken zu massieren. Aber da sprach bloß die Nostalgie aus ihm. Er bezweifelte, dass es eine gute Idee war, Bree zu berühren.

„Wusstest du nicht, dass ich komme?“

„Nein, ich … habe Missy die Einzelheiten überlassen. Sie hat mir nicht gesagt, wie die Fotografin heißt.“

„Ich hätte dich wohl vorwarnen sollen. Aber ich wollte nicht viel Aufhebens darum machen. Meine Geschäftspartnerinnen wissen nicht, dass du und ich alte Bekannte sind.“

Alte Bekannte. So konnte man es auch ausdrücken. Genauso gut hätte man sagen können, dass sie den Körper des jeweils anderen von Kopf bis Fuß kannten. Und das nicht nur im übertragenen Sinne. Sobald er den ersten Schock überwunden hatte, ließ Ian neugierig den Blick über Brees einst so vertraute Kurven schweifen. Sie waren ausgeprägter, als er sie in Erinnerung hatte, aber damals waren sie ja auch Teenager gewesen, fast noch Kinder. Jetzt war sie eine erwachsene Frau in einer Jeans, die wie aufgemalt wirkte.

„Wird das ein Problem für dich sein?“, fragte sie. „Für mich nicht. Ich habe vor, mich ganz aufs Berufliche zu beschränken. Deine Verlobte muss nicht einmal erfahren, dass wir uns schon kennen.“

„Ja, das ist wahrscheinlich das Beste.“ Missy behauptete zwar immer, dass kaum jemand ihr Konkurrenz machen könne, war aber zugleich rasend eifersüchtig. Sie hatte schon einmal einer vermeintlichen Rivalin die Haarverlängerungen herausgerissen, nur weil diese mit ihrem Exfreund gesprochen hatte.

Ian hatte Missy noch keinen Grund gegeben, eifersüchtig zu sein, aber er wusste, wie schnell die Sicherung bei ihr durchbrennen konnte. Das Letzte, was er brauchen konnte, war, dass Missy wegen der Fotografin einen Wutanfall bekam. Sie mussten die Fotos sofort aufnehmen, damit sie in der geplanten Ausgabe der Zeitschrift veröffentlicht werden konnten, und konnten nicht darauf warten, dass jemand anders herkam, um Bree zu ersetzen – wenn denn überhaupt jemand jetzt noch den Berg herauffahren konnte. Der Schnee fiel inzwischen stärker denn je.

„Wir bringen besser deine Sachen ins Haus“, schlug Ian vor.

Bree nickte. Auf dem Weg zum Kofferraum ihres Autos rutschte sie auf dem glatten Pflaster aus. Sie riss die Augen auf und streckte die Hände aus, um sich an irgendetwas festzuhalten, aber es waren Ians blitzschnelle Reflexe, die sie retteten. Er schlang ihr rasch die Arme um die Taille und zog sie an sich.

Er wusste sofort, dass er einen Fehler begangen hatte. Ihr Körper war der Länge nach an ihn gepresst. Der Duft ihrer Lieblingsbodylotion vermischte sich mit dem des Shampoos, das sie schon immer verwendet hatte. Die vertraute Mischung stieg ihm in die Nase und weckte Erinnerungen an heiße Nächte in seinem Zimmer im Studentenwohnheim und auf dem Rücksitz seines Autos. Er verkrampfte sich, und selbst die Kälte konnte seine plötzliche Erregung nicht dämpfen. Bree hielt sich an ihm fest. Ihre elfenbeinfarbenen Wangen waren gerötet – vor Kälte und vor Verlegenheit. Ihr Blick begegnete einen Moment lang seinem, und sofort war die alte Verbindung zwischen ihnen wiederhergestellt. So war es immer gewesen. Nachdem er mit ihr geschlafen hatte, waren immer nur wenige Minuten vergangen, bis er sie wieder gewollt hatte. Damals hatte er, wenn er sie nicht gerade in den Armen gehalten hatte, nur an sie denken können.

Er riss den Blick von ihren Augen los und sah stattdessen lieber ihre rosafarbenen Lippen an. Das war nicht viel besser. Ihre Lippen waren die weichsten, die er je kennengelernt hatte. Bree zu küssen war ein himmlisches Vergnügen gewesen, und darauf zu verzichten fast so schwer, wie seine Musik zu verlieren.

Der Gedanke holte ihn in die Realität zurück. Ian löste sich von Bree, bevor er etwas Dummes tun konnte – sie zu küssen zum Beispiel. Sie griff nach dem Seitenspiegel ihres Autos und trat einen großen Schritt zurück.

„Danke.“ Ihre Wangen waren mittlerweile leuchtend rot. „Wie peinlich.“

„Ach was“, sagte er. „Peinlich wäre es erst gewesen, wenn du dir blaue Flecken und eine nasse Hose geholt hättest.“

„Stimmt.“ Sie schaute sich um; anscheinend wollte sie ihm nicht noch einmal in die Augen sehen.

„Liegt deine Ausrüstung im Kofferraum?“

„Ja.“ Bree lebte auf und schien sich zu freuen, dass es nun wieder um ihre Arbeit ging. Eine Hand aufs Auto gestützt, tastete sie sich zur Heckklappe ihres Hondas, um sie zu öffnen. Sie schwang sich einen grünen Rucksack über die Schulter und lud dann noch ein paar schwarze Taschen und ein Stativ aus.

Ian nahm ihr so viel ab, wie er konnte, und führte sie die Treppe hinauf ins Haus. Danach überließ er es ihr, ihre Ausrüstung aufzubauen, und wandte sich seinem Handy zu. Ein paar Mails zu lesen würde hoffentlich helfen, die rasende Erregung zu dämpfen, die noch immer in seinen Adern pulsierte und ihm den Verstand raubte.

So hatte er nicht mehr auf eine Frau reagiert, seit … Er dachte nach und runzelte die Stirn. Seit er Bree das letzte Mal in den Armen gehalten hatte. Nicht einmal Missy konnte in ihm ein solches Begehren wecken, wie Bree es gerade tat. Er wollte das nicht – das Leben wäre viel einfacher, wenn es genau umgekehrt wäre –, aber er konnte es nicht leugnen.

Missy würde Zustände kriegen, wenn sie das herausfände.

Bree konzentrierte sich darauf, ihre Fotoausrüstung aufzubauen, wusste aber, dass es sinnlos war. Nun war schon eine Stunde vergangen, ohne dass Ians Verlobte sich hatte blicken lassen. Wenn sie nicht bald auftauchte, würde sie wahrscheinlich gar nicht mehr kommen.

Bree hatte es selbst nur mit Mühe auf den Berg geschafft. Ihre Reifen waren ein oder zwei Mal so durchgedreht, dass ihr das Herz in die Hose gesackt war. Aber das war nichts im Gegensatz zu ihrem Aufeinandertreffen mit Ian.

Ihre Beziehung lag neun Jahre zurück. Sie hätte längst über ihn hinweg sein sollen. Doch als er sie an seine Brust gezogen hatte und sie in die grünen Augen aufgesehen hatte, in denen sie sich früher verloren hatte, waren die Jahre der Trennung im Handumdrehen verschwunden. All die Gründe dafür, dass sie Schluss gemacht hatte, ihr gebrochenes Herz und die Zweifel – einfach weg.

Sie glaubte, dass auch er es gespürt hatte. Einen Moment lang hatte sie eine Verbindung zwischen ihnen wahrgenommen. Zuneigung und Sehnsucht waren in seinen Augen aufgeflammt, und er hatte leicht gelächelt. Doch dann hatte er sich abgewandt, und ihr war klar geworden, wie dumm sie war.

Sie hatte ihre Ausrüstung nicht schnell genug holen können. Die Kamera war für Bree wie ein Schutzschild. Solange sie Ian nur durch den Sucher betrachtete, würde alles gut gehen.

Zumindest redete sie sich das ein.

Was sie allerdings nicht davon abhielt, während der Arbeit verstohlene Blicke auf Ian zu werfen und seine breiten Schultern unter dem schwarzen Kaschmir zu mustern, seine starken Hände, mit denen er das Handy umfasste oder etwas in seinen Laptop tippte, seine eng anliegende maßgeschneiderte Wollhose …

Bree zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Ausrüstung zu richten. Die Arbeit würde ihr helfen, das hier durchzustehen. Es war bloß fehlgeleitetes Begehren in Verbindung mit Nostalgie und Eifersucht. Ihre Beziehung war schließlich nicht gut ausgegangen, und sie hatte von sich aus mit ihm Schluss gemacht. Es hatte keinen Sinn, sich nach etwas zu sehnen, worauf sie freiwillig verzichtet hatte.

Nicht, dass es am Ende noch viel gegeben hätte, worauf sie hatte verzichten können. In den letzten zwei Monaten ihrer Beziehung hatte Ians Persönlichkeit sich komplett verändert.

Bree hatte sich ursprünglich zu Ian hingezogen gefühlt, weil er das genaue Gegenteil ihres Vaters gewesen war. Doug Harper war ein waschechter Workaholic. Er verbrachte fast jede freie Minute in seiner Baufirma. Er hatte halb Nashville gebaut und damit ein Vermögen verdient. Brees Mutter hatte ihre Zeit damit vertan, um die Welt zu reisen und das Geld ihres Mannes auszugeben, sodass Bree meist mit der Haushälterin allein gewesen war.

Es war ein entsetzlich einsames Leben gewesen, das sie als Erwachsene nicht mehr führen wollte. Sie hatte sich immer einen Mann gewünscht, der abends nach Hause kam und mehr Wert auf seine Familie und die Liebe legte als auf Geld und das Geschäft. Ein gefühlvoller Musiker war genau der Richtige für sie gewesen.

Ian war alles gewesen, was sie sich gewünscht hatte – und hatte auch das Zeug dazu gehabt, mit seiner Musik erfolgreich zu sein. Doch scheinbar über Nacht hatte sie ihren Musiker verloren, und an seine Stelle war ein Klon ihres Vaters getreten. Das mitanzusehen hatte ihr das Herz gebrochen, aber inzwischen hatte sich alles zum Guten gewendet: Ian war äußerst erfolgreich und heiratete einen Popstar. Bree hatte eine Karriere, auf die sie stolz war, und würde hoffentlich eines Tages selbst den perfekten Partner finden. Das Fotoshooting hätte sie nicht verlegen machen sollen. Überhaupt nicht.

Warum hatte sie also Schmetterlinge im Bauch?

Ians Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er telefonierte laut mit jemandem und klang nicht gerade glücklich, aber sie war erleichtert, zu hören, dass er sich nur wegen des Wetters und Missys Verspätung Sorgen machte. Einen Augenblick lang hatte sie gedacht, dass er vielleicht Natalie anrufen und eine andere Fotografin verlangen würde. Das wäre so was von peinlich gewesen!

„Was?“ Ians scharfer Tonfall hallte durch die ganze Hütte bis ins große offene Wohnzimmer, in dem Bree ihre Kamera auspackte. „Bist du sicher? Nein. Natürlich mache ich dir keine Vorwürfe. Ich will, dass dir und dem Baby nichts passiert. Das ist das Wichtigste. Wir vereinbaren einen neuen Termin.“

Bree erstarrte und wartete darauf, den Rest der Geschichte zu hören. Sie war dankbar, dass sie Amelia gebeten hatte, ihr ein Hotelzimmer in der Nähe zu buchen. Bei diesem Wetter zurück nach Nashville zu fahren, wäre gefährlich gewesen. Sie warf einen Blick aus dem großen Erkerfenster, das aufs Tal hinausging. Sie sah nichts als Weiß. Keine Autos, keine Straßen, keine Bäume. Nur Weiß.

Ein lauter Fluch ließ sie hochschrecken. Sie richtete sich auf und drehte sich zur Küche um. Einen Augenblick später kam Ian rot vor Wut durch den Türbogen gestürmt. Er sah Bree an, setzte zum Sprechen an und sagte dann doch nichts. Stattdessen steckte er die Hände in die Taschen und holte erst einmal tief Luft. „Sie kommt nicht.“

Das hatte Bree sich schon gedacht. „Was ist passiert?“

„Die Straßen sind alle gesperrt, wenn man keine Schneeketten hat, und selbst mit denen sind ein paar Strecken unpassierbar. Missy wollte von Atlanta aus hierher fahren. Sie ist bis Maryville gekommen, aber da wurden die ersten Autos zurückgeschickt.“

„Wir können das Fotoshooting bestimmt in Nashville nachholen.“

Er nickte und senkte den Blick zum Holzfußboden. „Das ist wahrscheinlich das Beste.“

Bree nickte ebenfalls. In ihr tobten widerstreitende Gefühle, als sie sich umdrehte, um ihre Ausrüstung wieder einzupacken. Sie war erleichtert, dass sie seiner schönen und erfolgreichen Verlobten nicht begegnen musste. Sie hatte keine Lust, zu fotografieren, wie die beiden zärtlich miteinander posierten und in die Kamera lächelten. Wenn sie nach Nashville zurückkehrte, musste sie Natalie die Wahrheit gestehen. Jemand anders musste die Verlobungsporträts und vielleicht auch die Hochzeit übernehmen. Professionalität war eines, Masochismus etwas ganz anderes. Der Unterschied wurde ihr jetzt klar.

Doch zugleich wollte sie eigentlich nicht weg. Wenn sie durch die Tür ging, würde sie Ian womöglich nie wiedersehen. Als er sie draußen festgehalten hatte, war in ihr ein Verlangen erwacht, das seit Langem nicht mehr so heftig gebrannt hatte. Sie wollte, dass er sie noch einmal in den Arm nahm und sie küsste, wie sie seit Jahren nicht mehr geküsst worden war.

Sie stöhnte innerlich und zog den Reißverschluss ihrer Tasche zu. Vielleicht war sie wirklich Masochistin. Sie träumte von ihrem Exfreund, der mit einer anderen verlobt war und bald Vater werden würde. Dem Exfreund, von dem sie sich getrennt hatte, weil sie es nicht hatte ertragen können, dass sich alles an ihm plötzlich verändert hatte. Über Nacht war er vom Musiker zum unterwürfigen Buckler einer Plattenfirma geworden, der achtzig Stunden die Woche geschuftet hatte. Bree war überzeugt, dass sich daran nichts geändert hatte. Er führte mittlerweile ein erfolgreiches Musiklabel. Dass er sich ein Wochenende für die Verlobungsfotos freinahm, hieß noch lange nicht, dass er kuriert war.

Sie stand auf und hängte sich die Kameratasche über die Schulter, als sie ein lautes Klopfen an der Haustür hörte. Ian öffnete; davor stand ein älterer Mann in Winterjacke. Bree wagte sich näher heran, um das Gespräch zu verstehen.

„Ich gehe zu allen Hütten in diesem Abschnitt, solange ich noch kann. Alles ist gesperrt. Wir hatten auch bei Hurrikan Sandy einen ganzen Schwung Schnee. Damals hat es Tage gedauert, bis die Straßen geräumt waren. Damit können sie aber erst anfangen, wenn kein Schnee mehr fällt. Er liegt jetzt schon fünfundzwanzig Zentimeter hoch, und es sollen noch vierzig dazukommen. Ich wohne jetzt seit zwanzig Jahren hier und habe so ein Schneegestöber noch nie erlebt!“

„Also sitzen wir hier fest, Rick?“

Autor

Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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