Verbotenes Verlangen – oder noch viel mehr?

– oder –

 

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Was soll Naomi nur tun? Zwischen ihr und Royce knistert es genauso heftig wie früher. Damals hat sie mit ihm Schluss gemacht, weil sie sicher war, dass er ohne sie glücklicher wird. Aber nun arbeitet der brillante Wissenschaftler im Ölimperium ihrer Familie. Keine Gelegenheit lässt er aus, mit ihr zu flirten. Er hilft ihr sogar mit ihren kleinen, vaterlosen Zwillingen. Haben sie eine zweite Chance? Naomi muss herausfinden, ob es nur Leidenschaft ist, was sie und Royce miteinander verbindet. Oder unendlich viel mehr …


  • Erscheinungstag 06.08.2019
  • Bandnummer 2093
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725334
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Manche Frauen träumten davon, in einem Krankenhaus ihr Kind zu bekommen, während ihr Partner ihnen die Hand hielt.

Andere malten sich eine Hausgeburt aus, bei der der Mann ihrer Träume im Gleichtakt mit ihnen atmete.

Niemand wünschte sich, mitten im Schneesturm in einem SUV sein Baby zur Welt zu bringen, nur mit seinem Ex-Verlobten als Hebamme. Oder in Naomi Steeles Fall die Babys. Plural. Zwei Stück. Das erste würde bestimmt in den nächsten paar …

„Pressen, Naomi, pressen!“ Royce Millers sanfte, tiefe Stimme vermittelte Zuversicht. Im Innern seines SUV lief die Heizung auf Hochtouren. Draußen prasselte Schnee auf das Fahrzeug ein.

„Verdammt, ich presse doch schon die ganze Zeit.“ Denn es bestand kein Grund, zu warten. Keine Hilfe war unterwegs. Hier auf dem verlassenen Highway nördlich von Anchorage in Alaska gab es nur sporadisch Handyempfang. Es war unklar, ob überhaupt jemand ihren Hilferuf gehört hatte, und ob sich die Retter durch den Schneesturm bis zu ihnen durchkämpfen konnten.

Die Wehen hatten einen Monat zu früh eingesetzt.

Die Sitze des SUV waren heruntergeklappt. Unter ihr war eine Decke ausgebreitet. Neben ihr stand ein Erste-Hilfe-Kasten. Gott sei Dank hatte Royce seinen Wagen für den Notfall gut mit allem ausgerüstet. Typisch. Er ging immer analytisch und organisiert vor, ganz der brillante Wissenschaftler, der auf alles vorbereitet war.

Als Anwältin besaß auch Naomi eine analytische Seite, aber sie war eher für ihre Theatralik bekannt, die ihr im Gerichtssaal mehr als einmal gute Dienste geleistet hatte.

Royce kniete auf dem Boden. Mit seinem muskulösen Körper hatte er nicht viel Platz im Wagen, aber es gelang ihm trotzdem, entspannt zu wirken. Ganz locker. Er hatte die Kontrolle.

Schmerzen durchzuckten Naomi. Ihr Körper erstarrte in einem heftigen Krampf, der über alles hinausging, was sie in ihren Geburtsvorbereitungskursen gehört hatte. Intellektuell verstand sie, dass es gerade bei Erstgebärenden mit ein- oder zweimal pressen nicht getan war, aber sie hatte genug. Mehr als genug. Sie war den Tränen nahe und hätte gern geschrien, aber sie wollte Royce nicht noch mehr aufbürden. Bestimmt hatte er trotz seiner äußerlichen Ruhe Angst.

Schweißperlen liefen ihm übers Gesicht.

Und sie wusste, dass diese Wehe ihr noch keine Erleichterung verschaffen würde. Enttäuschung durchzuckte sie, obwohl der Schmerz nachließ. Sie atmete aus und ließ sich zurücksinken. Nahm sich Zeit, jedes bisschen Energie zu sammeln, so gut sie konnte.

Das Licht draußen wurde schwächer. Der Tag ging zu Ende, und das Schneetreiben war nach wie vor dicht. Die Innenraumbeleuchtung des Autos ließ allerdings zu wünschen übrig. Royce hatte zusätzlich zwei Taschenlampen aufgehängt. Naomi wollte nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn alles zu lange dauerte und ihnen das Benzin ausging.

Monatelang hatte sie wegen ihres Blutdrucks Bettruhe halten müssen. Heute hatte sie endlich vom Arzt grünes Licht bekommen, wieder aufzustehen. Nach dem Termin hatte sie einfach nur eine nachmittägliche Spazierfahrt genießen wollen, um zu feiern, dass der letzte Monat ihrer Schwangerschaft weniger Einschränkungen unterworfen war.

Sie war sich mit dem Geburtstermin ganz sicher, da sie sich mit Spendersamen künstlich hatte befruchten lassen. Als sie die Entscheidung gefällt hatte, war sie besorgt gewesen, dass sie vielleicht die Chance verpassen würde, je Mutter zu werden. Erst später hatte sie den exzentrischen Forscher Royce Miller kennengelernt. Ihre Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Sie war damals im dritten Monat schwanger gewesen, und es war ihm nur zu leicht gefallen, ihre Babys als Ersatz für seine unbewältigte Vergangenheit zu benutzen.

Royce tätschelte ihr mit der großen Hand das Knie. „Ist dir warm genug?“ Das Heulen des Windes übertönte seine Worte fast. „Ich habe meinen Mantel für die Babys bereitgelegt, aber ich kann dir mein Shirt geben.“

Sie wusste, dass die Schweißperlen auf seiner Stirn nichts mit der Temperatur im Fahrzeug zu tun hatten.

„Mir geht es gut.“ Selbst wenn sie gefroren hätte – und das tat sie nicht, weil ihr Körper vor Schmerzen in Flammen stand –, hätte sie nicht noch mehr von Royce annehmen können. Er hatte so viel für sie geopfert, nachdem sie ihre Verlobung gelöst hatten. Er schien sich verpflichtet zu fühlen, an ihrer Seite zu bleiben, bis die Babys geboren waren. Jeder Tag seit der Trennung war eine bittersüße Qual. Mit ihm zusammen zu sein, ließ sie Reue und Trauer empfinden, aber letzten Endes auch Entschlossenheit.

Diese Entschlossenheit brauchte sie, um sich gegen diesen ebenso stillen wie sturen Mann durchzusetzen. Ihre Entscheidung, mit ihm Schluss zu machen, war richtig gewesen. Trotzdem tauchte er immer wieder bei ihr auf und verfolgte seine eigenen Pläne.

Zum Beispiel hatte er heute darauf bestanden, sie zum Arzt zu bringen, obwohl sie über ein Dutzend Familienmitglieder hatte, die gern geholfen hätten. Nach dem problemlosen Besuch beim Gynäkologen hatte Royce sie zurückbringen wollen. Der Wetterbericht hatte völlig harmlos geklungen. Sie hatten alles richtig gemacht, bis …

Die nächste Wehe brach schnell und heftig über sie herein und baute sich nicht erst langsam auf, um sie vorzuwarnen. Naomi unterdrückte den Drang, aufzuschreien, und zwang sich, regelmäßig ein- und auszuatmen. Wie aus weiter Ferne hörte sie Royce bis zehn zählen. Es erdete sie, bis die Wehe endlich vorüberging und sie sich entspannen konnte.

Er war immer so sorgfältig und präzise. Anders als sie in ihrer Impulsivität. Sie hatten sich zweimal getrennt, beim zweiten Mal für immer. Jedenfalls insofern, als sie jetzt nicht mehr miteinander schliefen und jede Erwähnung ihrer einstigen Liebe tabu war.

Und als würde ihr das Karma dafür ins Gesicht lachen, dass sie diese angeblichen Grenzen gezogen hatte, saß sie jetzt mit Royce im Schneesturm fest, wie an dem Tag vor fast einem halben Jahr, als sie sich kennengelernt hatten. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, aber die Verlobungszeit war so schnell wieder vorbei gewesen, wie sie zusammengekommen waren.

Sie waren einfach zu verschieden.

Zuerst hatte Naomis Bedürfnis Probleme gemacht, ständig ihre Stärke und Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen, ein Nebenprodukt ihrer Krebserkrankung als Teenager. Royces überbehütende Art hatte sie eingeengt. Nach einer Weile hatten sie einen Kompromiss gefunden, was das betraf. Trotzdem hatte sich am Ende ihre jeweilige Persönlichkeit als noch größeres Problem erwiesen.

Er war ein brillanter, eigenbrötlerischer Mann, der ganz in seiner Arbeit aufging, aber emotional unsicher war und immer noch eine Ersatzfamilie suchte. Sie war extrovertiert und fühlte sich im Gerichtssaal und im Kreise ihrer großen, lauten Familie am wohlsten. In Royces abgelegener Hütte hatte sie fast einen Lagerkoller bekommen. Und er war die Wände hochgegangen, als sie versucht hatten, in der Stadt zu leben. Sie konnte es nicht ertragen, mit anzusehen, wie er verlor, was ihn überhaupt erst zu etwas Besonderem machte. Sie hatten sich eingestehen müssen, dass sie viel zu unterschiedlich waren.

Er war ein bewundernswerter Mann. Das setzte ihr mehr zu als alles andere. Dennoch hatte sie die ganze Zeit versucht, ihn von sich zu stoßen. Aber ganz gleich, was sie sagte oder tat, er wollte einfach nicht gehen. Sein Starrsinn bestärkte sie nur in ihrer Ansicht, dass es bei den Gefühlen, die er in ihre gemeinsame Zeit investierte, ausschließlich um die Babys ging.

Er hatte darauf bestanden, während ihrer Schwangerschaft mit ihr in Kontakt zu bleiben, obwohl die Babys nicht seine leiblichen Kinder waren. Ihn zu sehen, brach ihr immer wieder das Herz. Aber da er als Berater für das Ölunternehmen ihrer Familie arbeitete, konnten sie einander ohnehin nicht komplett aus dem Weg gehen. Sie mussten lernen, eine friedliche Koexistenz zu führen.

Sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass diese Koexistenz auch umfassen würde, dass er zwischen ihren angezogenen Knien darauf wartete, ihre Zwillinge auf die Welt zu holen …

Eine neue Schmerzwelle ließ sie in Panik geraten. „Ich habe Angst“, keuchte sie und kämpfte gegen den Schmerz an, was alles nur noch schlimmer machte. „Was, wenn etwas nicht stimmt? Wir sind mitten in der Wildnis …“

„Atmen, Naomi, atmen! Alles wird gut.“

„Als ob du …“, sie schnaubte, „… eine andere Wahl hättest …“, noch ein Keuchen, „… als das zu sagen.“

„Bei deiner letzten Untersuchung war alles in Ordnung.“ Er hielt inne und fuhr dann eindringlich fort: „Ich sehe den Kopf des Babys. Du schaffst das. Komm schon, Naomi!“

„Woher weißt du das?“, grummelte sie, klammerte sich am Türgriff fest und presste.

Er ließ eine Hand auf ihrem Knie ruhen und fing ihren Blick auf. Warme dunkelbraune Augen. Er war so verlässlich. Ein Fels in der Brandung.

„Ich habe schon einmal ein Baby auf die Welt geholt.“

„Wirklich?“ Sie wollte es glauben. Unbedingt.

„Habe ich dir das nie erzählt?“ Das Lächeln auf seinem schönen Gesicht weckte Hoffnung in ihr.

„Nein.“ Aber sie kannten einander ja auch noch kein Jahr lang. All die Leidenschaft und dann das gebrochene Herz waren in einen sehr engen Zeitraum gezwängt gewesen. Von Anfang an hatten sie die Finger nicht voneinander lassen können. Ihre sexuelle Verbindung hatte Vorrang davor gehabt, einander näher kennenzulernen.

„Lass uns erst einmal die Babys holen, dann erzähle ich dir alles darüber.“

Die nächste Wehe raubte ihr jeden Gedanken an das, was sie hatte sagen wollen, wenn sie sich denn überhaupt an Wörter erinnern konnte. Der Schmerz ergriff Besitz von ihr. Heftiger als je zuvor. Der Druck baute sich auf und wurde immer intensiver, bis sie nicht mehr mitzählen konnte. Sie war sicher schon weit über zehn hinaus …

Der Druck ließ nach, und im Auto ertönten … Schreie. Ihr Baby! Naomi kamen die Tränen. Nur verschwommen sah sie, wie Royce ihr das Neugeborene entgegenhielt.

„Es ist ein Mädchen“, sagte er. Vor Rührung versagte ihm fast die Stimme, als er die Geschlechtsbestimmung bestätigte, die schon die Ultraschalluntersuchung ergeben hatte.

Es jetzt zu hören, war unglaublich aufregend.

„Geht es ihr gut?“

„Eine gesunde Lunge, zehn Finger und zehn Zehen.“

Sobald Royce die Nabelschnur abgebunden und das Baby in seinen Parka gewickelt hatte, reichte er Naomi das Bündel. Sie zog das kostbare kleine Wesen an sich und staunte darüber, ihr Kind zum ersten Mal zu sehen. Das Herz schwoll ihr vor Liebe, und sie schaute Royce an. Im selben Moment brach die nächste Wehe über sie herein. Er streckte die Arme aus, um das Baby neben sie zu legen.

Naomi keuchte: „Jetzt … weiß ich ja wenigstens … mit absoluter Sicherheit, … dass du schon einmal ein Baby … auf die Welt geholt hast.“

Sein leises Lachen erfüllte den SUV, unmittelbar bevor der Druck sich wieder aufbaute und sie das mittlerweile vertraute Nachlassen spürte. Gefolgt vom Schrei noch eines Neugeborenen.

„Naomi, du hast noch ein gesundes kleines Mädchen.“ In Royces Stimme trat ein Anflug von Sorge, was ihr zeigte, dass er nervöser war, als er zugab.

Wie könnte es auch anders sein?

Aber jetzt war nur wichtig, dass ihre Zwillinge am Leben waren. In Sicherheit. Sie sackte erleichtert in sich zusammen, zog ihr erstes Kind an ihre Seite und streckte den Arm nach dem zweiten aus.

Royce wickelte das Neugeborene in ihren pinkfarbenen Parka und reichte es ihr. Naomi starrte in die großen, neugierigen Augen und dachte an ihre Schwester Breanna, die zusammen mit ihrer Mutter bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war.

Die Bindung zwischen ihr und ihrer Schwester war eng gewesen. Sie waren zweieiige Zwillinge gewesen. Wie Breanna wohl heute ausgesehen hätte? Sie war so jung gestorben … Naomi schluckte den Kloß herunter, den sie im Hals hatte, und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Auf ihre Freude.

Royce half ihr, die Beine auszustrecken, und zog eine Decke über sie, bevor er sich neben ihr ausstreckte. „Ich habe noch eine SMS abgeschickt, um Hilfe zu rufen. Lass uns einfach die Babys genießen und warm bleiben, solange wir warten.“

Er schmiegte sich mit seinem muskulösen Körper an sie und fand irgendwie noch Platz, obwohl die Sicherheitsgurte neben ihnen hingen und die Taschenlampen über ihnen baumelten. Er war so vertraut. Mein Gott, wie ich es vermisst habe, ihn zu spüren. Diese Nähe! Sie hatte einmal davon geträumt, dass es nach der Geburt so sein würde – nur, dass sie damals noch gedacht hatte, sie würden als Familie alle in einem Krankenhausbett liegen.

Sie sah ihn an und erkannte, dass er die Babys betrachtete. So konnte sie ihn länger anstarren.

Es war längst nicht nur sein auf grüblerische Art gutes Aussehen. Der Reiz lag auch nicht allein in seinem schlanken, athletischen Körper, der in seinem eng anliegenden T-Shirt gut zur Geltung kam. Für die etwas zu langen, dichten, dunklen Haare bekam er natürlich Bonuspunkte. Sie waren immer etwas verwuschelt, als wäre er gerade erst aufgestanden.

All das war natürlich verlockend.

Aber es waren seine braunen Augen, die sie magisch anzogen. Diese Fenster zur Seele. Zu diesem Mann, aus dessen Blick messerscharfe Intelligenz sprach. Er schien bis in ihr Innerstes zu sehen und zu sagen: Nur zu. Ich kann mithalten.

Und das hatte er getan. Er war bereit gewesen, für sie und die Babys alle möglichen Kompromisse einzugehen. Es war der traurige Versuch gewesen, neu zu erschaffen, was er verloren hatte. Seine erste Verlobte hatte eine Fehlgeburt erlitten und sich dann von ihm getrennt.

Naomi durfte es jetzt weniger denn je riskieren, auf eine Zukunft mit ihm zu hoffen. Das Wohlergehen dieser beiden kostbaren Babys hing von ihr ab. Wenn sie nur einfach zu viert für immer hätten zusammen bleiben könnten wie jetzt, warm und geborgen, während draußen der Sturm tobte …

Ein Krachen riss sie aus ihren Gedanken. Als sie hochschoss, sah sie, dass ein Baum auf die Motorhaube von Royces SUV gestürzt war.

Abstand zu halten, war leichter gesagt als getan.

Royce Miller wollte der coole Wissenschaftler sein, der immer auf Distanz blieb. Aber hier ging es um Naomi. Und ihre Babys.

Nicht seine.

Der Brustkorb tat ihm weh, als hätte er eiskalte Luft eingeatmet. Er legte den Arm enger um sie, während Naomi eindöste. Die Babys schliefen an ihrer Brust.

Vorhin, als sie die Kinder gestillt hatte, war es ihm gelungen, noch ein paar SMS abzuschicken. Er hoffte, dass mindestens eine es durch den Sturm schaffte. Der SUV lief noch, und er hatte zusätzliches Benzin in seinem Notfallvorrat. Früher oder später würde er versuchen müssen, den Baum von der Motorhaube zu schieben. Hoffentlich war der SUV noch fahrtüchtig. Aber das war bei diesem Wetter nur der letzte Strohhalm. Vor allem mit zwei Neugeborenen und ohne Babysitze.

Er hatte die Taschenlampen bis auf eine ausgeschaltet, um Batterien zu sparen. Das Herz klopfte ihm noch immer heftig. Er konnte nicht fassen, dass er die Babys auf die Welt geholt hatte. Dass es Naomi gut ging. Erleichterung mischte sich mit der Erkenntnis, dass er erst wieder frei atmen könnte, wenn sie alle im Krankenhaus waren.

Nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass die Oberkörper der Babys sich regelmäßig hoben und senkten, überprüfte er den Puls an Naomis Hals. Der stetige Rhythmus erdete ihn.

„Royce?“, flüsterte sie.

Ihre leise Stimme lockte seinen Blick in ihr Gesicht. Der Ausdruck ihrer müden, aber schönen Augen war … unglaublich. Sie leuchteten heller als die Taschenlampe über ihnen.

Er hatte sie gehabt, und sie war ihm entglitten.

Es machte ihm immer noch zu schaffen, dass sie ihn zurückgewiesen und eine gemeinsame Zukunft abgelehnt hatte. Es war höllisch schwer, ihr zu verzeihen, dass sie einfach aufgegeben hatte.

Er strich ihr das Haar aus der Stirn und spürte ihre weiche Haut. „Also sitzen wir mal wieder zusammen fest.“

„Dein SUV ist ja auch fast so groß wie die kleine Hütte damals.“ Sie lächelte schief. „Irgendwie landen wir immer in den verrücktesten Situationen. Wie du den Bären von meinem Auto verjagt hast, als wir uns kennengelernt haben …“

Die Erinnerungen brachen über ihn herein. Wie sie in seiner entlegenen Hütte aufgekreuzt war, um ihn zu überzeugen, seine Forschungen der Ölfirma ihrer Familie zur Verfügung zu stellen: Alaska Oil Barons. Er hatte sich gesträubt, aber sie hatte ihn mit ihrem Verhandlungsgeschick überzeugt – und mit ihrem Lächeln.

Und mit ihrer Tapferkeit angesichts eines Bären, der auf die Motorhaube ihres Autos geklettert war. „Ich glaube, du hättest das mit Pu dem Bären auch allein geschafft.“

„Das nehme ich als Kompliment.“

„So war es auch gemeint.“

Sie war eine mutige Frau, die sich nicht unterkriegen ließ, und er bewunderte sie dafür. Er riss sich von ihren berauschenden whiskeybraunen Augen los und sah aus dem Fenster. Der Schnee war in Regen übergegangen, der auf das Autodach prasselte.

Naomi drehte sich ein wenig zu ihm. „Jetzt hast du mich schon wieder gerettet. Und meine Mädels. Vielleicht wäre ich mit dem Bären klargekommen, aber ich hätte meine Babys nicht allein auf die Welt holen können.“

„Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte. Und dass es euch dreien gut geht.“ So vieles hätte schiefgehen können – und konnte es noch, wenn nicht bald Hilfe kam. „Aber auch, wenn die verrückte Situation der damals ein bisschen ähnelt, ist jetzt alles anders.“

Sie lachte heiser. „Ja, diesmal können wir unter keinen Umständen Sex haben.“

Er tippte sich an die Schläfe. „Das habe ich mir schon gedacht. Intuition!“

Nur, dass seine Intuition zu Anfang versagt hatte. Er war auf die Lügengeschichte hereingefallen, mit der sie sich in sein Leben geschwindelt hatte. Sie hatte verheimlicht, dass sie eine Steele war, weil sie gehofft hatte, Einblick in seine Forschungen zu erhalten. Er hatte sie gewollt und war wild entschlossen gewesen, sie zu bekommen. Er hatte alle Warnzeichen ignoriert. In der Rückschau erkannte er, dass sie beide den Sex genutzt hatten, um Gesprächen über die Themen aus dem Weg zu gehen, die später zu ihrer Trennung geführt hatten.

Sie ließ den Kopf an seiner Schulter ruhen und seufzte. „Vielen, vielen Dank. Du warst ganz toll und so ruhig. Ich kann immer noch nicht fassen, dass alles gut gegangen ist. Sie sind gesund und am Leben, und ich bin auch noch da.“

„Ja, das bist du.“ Er schluckte schwer.

„Sie sind so schön.“ In ihrer Stimme schwangen Staunen und Liebe mit.

„Das sind sie wirklich.“ Wie ihre Mom. „Hast du dich schon für Namen entschieden?“

„Mary, wie meine Mutter.“ Sie drückte ihrer Erstgeborenen, die immer noch in seine Jacke gewickelt war, einen Kuss auf die Stirn. „Und bei ihr denke ich an Breanna und daran, sie Anna zu rufen …“ Sie küsste die geballte Faust des Babys in ihrem pinkfarbenen Parka. „Zu Ehren meiner Schwester.“

Er wusste, wie sehr der Unfalltod ihrer Mutter und ihrer Schwester Naomi bis heute daran zweifeln ließ, dass es ein dauerhaftes Glück gab. Dass sie als Teenager krebskrank gewesen war, hatte ihr das letzte Vertrauen darauf geraubt, dass es ein Happy End geben konnte.

„Das ist wunderschön. Wie ist es mit zweiten Vornamen?“

„Mary Jaqueline, nach meinem Vater Jack. Und ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich die andere Breanna Royce nenne.“ In Naomis Augen standen Rührung und ein Hauch von Bedauern. „Du warst die ganze Zeit für mich da. Aber ich habe Verständnis, wenn du …“

„Es ist perfekt. Danke. Ich fühle mich geehrt.“ Die Gefühlsaufwallung drohte, ihm jegliche Konzentration zu rauben. Er unterdrückte sie und hielt nach logischen Fakten Ausschau. „Ich schätze, beide wiegen jeweils zweieinhalb Kilo. Das ist bemerkenswert für Zwillinge, die einen Monat zu früh geboren sind.“

Sie musterte ihn einen Moment lang intensiv, blinzelte dann und wandte den Blick ab. „Kein Wunder, dass ich dick wie ein Nilpferd war.“

„Du warst – und bist – schön.“

Sie rollte die Augen. „Es gehört sich nicht, einer Frau zu widersprechen, die gerade in einem Auto zwei Babys bekommen hat.“

„Ich will keinen Streit.“

„Stimmt.“ Sie rümpfte die Nase. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Aber in dir brodelt es. Entweder unterdrückst du das aus deinen einsiedlerischen Gewohnheiten heraus oder aber, weil du Angst hast, meinen Blutdruck in die Höhe zu treiben.“ Sie berührte seinen Arm leicht. Ihre Fingernägel waren kurz und hellrosa lackiert. „Ich meine das nicht böse. Du warst immer lieb, auch wenn du jedes Recht hattest, mich zu hassen.“

Ihre Worte trafen ihn wie ein Stich ins Herz. „Ich könnte dich nie hassen.“

„Wir passen nur einfach nicht zusammen.“

Das konnte er nicht bestreiten, so weh es auch tat, das zuzugeben. Alles war so schnell gegangen. Und dann war es schon wieder vorbei gewesen.

„Das Leben ist kompliziert.“ Er musterte die Gesichter der Babys und prägte sie sich ein. Ins Gedächtnis. Und ins Herz. „Aber im Moment fühlt es sich einfach an.“

Wenigstens wollte er, dass es so war. Hier, im schwach beleuchteten Auto, während der Wind durch die Nacht da draußen pfiff. Er hatte mehr als einmal davon geträumt. Früher. Solche versponnenen Gedanken passten eigentlich gar nicht zu ihm.

Naomi glaubte, dass er in ihr nur einen Ersatz für seine Verlobte sah, die ihn vor Jahren verlassen hatte, nachdem sie ihr gemeinsames Kind verloren hatte. Dass er auch versuchte, das Baby zu ersetzen. Er konnte nicht abstreiten, dass es ihm damals höllisch wehgetan hatte. Aber die Trennung von Naomi war noch viel schlimmer gewesen.

Vielleicht hatte sie recht, dass er versuchte, eine klaffende Lücke in seinem Leben zu schließen. Aber seit der Trennung von Naomi hatte er immer gewusst, dass er ihr helfen musste, die Zwillinge zur Welt zu bringen, bevor er auf Abstand zu ihr gehen konnte.

Licht blitzte auf. Wurde immer stärker, bis er es nicht mehr wegblinzeln konnte. Er runzelte die Stirn, setzte sich auf und spähte nach draußen.

Autoscheinwerfer näherten sich. Blaulicht blinkte. Die Rettungskräfte waren da. Gott sei Dank. Aber zugleich überkam ihn eine weitere Erkenntnis.

Er hatte gedacht, dass er einen Schlussstrich ziehen konnte, sobald die Babys auf der Welt waren, aber er konnte nicht einfach gehen.

Nicht heute Nacht.

2. KAPITEL

Naomi lag zitternd unter mehreren Decken auf der Trage im Krankenwagen. Sie hatte keinen Grund, zu frieren. Die Heizung lief auf Hochtouren, und die Rettungssanitäter hatten sie warm eingepackt.

Angeblich lag es an den Nachwirkungen der Geburt, dass sie mit den Zähnen klapperte. Daran und an der Erleichterung. Ihre beiden kleinen Mädchen – Mary und Anna – waren gründlich durchgecheckt und zu gesunden kleinen Wundern erklärt worden.

Zwillinge, die während eines Schneesturms im Auto geboren worden waren.

Unglaublich.

Jetzt wurden die Babys gerade vom jüngeren der beiden Sanitäter sicher eingepackt, damit sie ins Krankenhaus fahren konnten.

Ihr Zähneklappern wurde stärker, und sie hielt durch die offene Hintertür des Krankenwagens nach Royce Ausschau. Er stand ein paar Schritte entfernt im Licht eines Scheinwerfers, den die Sanitäter draußen angebracht hatten. Der Halogenstrahler beschien sein Haar, das unter den Schneeflocken, die sich darauf sammelten und schmolzen, noch dunkler wirkte. Sie hörte seine leise, selbstbewusste Stimme. Der Klang beruhigte sie und war tröstlicher als die Decken. Stark zu bleiben und ihn auf Abstand zu halten, fiel ihr gerade sehr schwer. Ihre Emotionen brodelten dicht unter der Oberfläche.

„Danke“, sagte Royce zum älteren der beiden Sanitäter. „Ich weiß es zu schätzen, dass Sie bei diesem Wetter hergekommen sind.“

„Dafür sind wir ja da.“ Der Sanitäter zog sich die Strickmütze über die Ohren.

„Und es geht allen wirklich gut.“ Royces breite Schultern hoben und senkten sich bei einem Seufzen, das so tief war, dass sie es nicht überhören konnte.

„Der Blutdruck der jungen Mutter ist etwas erhöht, aber wir überwachen sie und können gleich losfahren. Und die Babys haben beide einen Apgar-Index von zehn.“

„Gut zu wissen. Als sie geboren wurden, hatten sie beide blaue Hände, aber sie haben gleich geschrien und aktiv gestrampelt.“

„Hervorragend. Sie haben wirklich das Beste aus einer schwierigen Situation gemacht.“

Royce rieb sich den Nacken. Sie wusste, dass die Geste darauf hindeutete, dass er erschöpft war. „Sonst unternimmt ja auch niemand mit einer Schwangeren spontan eine Spritztour in die Wildnis.“

„Vorwürfe können Sie sich später immer noch machen, Dad.“ Der Mann klopfte Royce auf die Schulter.

Dad? Naomi bekam einen Kloß im Hals und biss sich auf die Lippen, um sie am Zittern zu hindern.

Royce zuckte zusammen. „Ich bin nicht … der Vater.“

Der Schmerz in seiner Stimme zerriss ihr das Herz. Sie und Royce hatten große Zukunftspläne geschmiedet. Er war ein guter Mann und hätte ihre Babys so geliebt, als wären es seine leiblichen Kinder. Wenn sie nur das Gefühl hätte abschütteln können, dass sie nur Lückenbüßer für sein eigenes Baby waren …

Und für seine erste Verlobte, eine Frau, die er viel länger gekannt hatte als sie. Naomi seufzte. Royce und sie hatten nur ein paar intensive gemeinsame Monate erlebt.

Royce drehte sich um, kam auf den Krankenwagen zu und stieg ein, den Blick unverwandt auf sie gerichtet. Mit seinen breiten Schultern wirkte er so stark, so verlässlich.

Der Krankenwagen schwankte, als der Sanitäter sich an Royce vorbeidrängte. „Tut mir leid, Mann. Ich dachte, Sie wären verheiratet.“

Royce schüttelte den Kopf. „Wir sind weder verheiratet noch ein Paar. Ich bin nicht der Vater. Nur ein Freund.“

„Tut mir leid, Sir.“ Der Mann lächelte entschuldigend. „Dann müssen Sie jetzt raus. Sie können uns im Abschleppwagen folgen.“

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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