Verführt im zweiten Akt

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Die bildhübsche Theaterautorin Holly ist wie Feuer in Nicks Schauspielerblut. Ihre gemeinsamen Proben am Broadway verlangen ihm viel ab. Sehr viel länger kann er nicht mehr den Coolen spielen …


  • Erscheinungstag 17.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719043
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Hast du den Verstand verloren?“ Nick Damone warf das Textbuch des Theaterstücks auf den Schreibtisch seines Agenten. Er war sauer. „Selbst wenn ich einen ehebrecherischen Dreckskerl spielen wollte, der seine Ehefrau schlägt – das Filmstudio heißt das keinesfalls gut.“

„Überlass Eclipse mir. Mit der Rolle des Trent Savage hast du ihnen einen Haufen Geld eingebracht“, erwiderte Garrett Chandler. „Außerdem hast du gesagt, dass du L. A. für ein paar Monate verlassen willst. Also kehre zu deinen Wurzeln zurück und spiele Theater. Befreie dich von deinem Leinwandimage und probiere etwas aus, das mutig und ausgefallen ist.“

„Ja.“ Nick war die intriganten Typen und Schleimer in Hollywood leid. Er war erschöpft von dem Kunststück, dem Ruhm gerecht zu werden, aber jeglichen Skandal zu vermeiden. Im Alter von dreiunddreißig Jahren waren seine Tage als Actionheld Trent Savage gezählt – und damit sein Auskommen. Es sei denn, er erweiterte sein Rollenspektrum und stellte seine Karriere auf mehrere Standbeine. Aber achtmal in der Woche auf einer Bühne vor Publikum zu spielen war ein ziemliches Risiko.

„Vertrau mir, Nick. Ich habe nicht dafür gesorgt, dass du es so weit bringst, indem ich dich schlecht beraten habe. Diese Rolle ist Gold wert. Damit winkt dir der Tony Award.“ Sein Agent forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen, und schob ihm das Textbuch über den Schreibtisch. „Befass dich noch mal eingehend damit. Dann wird dir bestimmt klar, dass es genau das ist, wonach du suchst.“

Nick setzte sich und streckte die langen Beine aus. Der lange Flug von Hongkong, wo er zu Dreharbeiten seines jüngsten Films gewesen war, war selbst in der ersten Klasse für einen 1,95 m großen Mann verdammt unbequem gewesen. Jetzt wollte er nur noch ein mindestens ebenso großes Steak essen, heiß duschen und ausschlafen.

All das gönnte er sich auch. Direkt nach der Diskussion mit seinem Agenten, der zufällig auch so etwas wie sein bester Freund war. Denn er hielt andere Menschen auf Distanz. Auf diese Weise konnte niemand seine Gefühle durcheinanderbringen, und er geriet nicht aus dem Konzept. „Was wissen wir über den Autor?“ Er entzifferte die Buchstaben auf dem Deckblatt: The Lesser Vessel von H. N. Ryan.

„Nicht viel“, gab Garrett zu. „Sie ist eine Neuentdeckung, hat das Roberts Wesleyan College besucht und ein paar Stücke geschrieben, die für kurze Zeit in der Provinz aufgeführt wurden. Aber Ted und Judith – zwei der gefragtesten Broadwayproduzenten – sagen, dass sie ein in ihrer Generation einzigartiges Talent ist. Sie haben sich die Uraufführungsrechte für dieses Stück gesichert, noch bevor es fertiggestellt war. Das ist eine ziemliche Empfehlung.“

„Sie? Also eine Frau“, meinte Nick überrascht. Gewalt in der Ehe war ein öffentlich viel diskutiertes Thema, nachdem eine Reihe von Prominenten deswegen in letzter Zeit verhaftet worden war. Aber ihm war The Lesser Vessel nicht wie ein „Problemstück“ vorgekommen. Deshalb hatte er – zugegebenermaßen politisch unkorrekt – angenommen, dass es ein Mann geschrieben hätte.

Er hatte das gesamte herzzerreißende Stück im Flugzeug gelesen, statt zu schlafen. Es hatte ihn tief berührt. Herauszufinden, dass es von einer Frau stammte, war beunruhigend.

Fast niemand wusste – auch Garrett nicht –, dass häusliche Gewalt jahrelang zu seinem Alltag gehört hatte. Immer wenn seine Mom ihn besuchte, oder er mit ihr telefonierte, kamen ihm die hässlichen Geschehnisse wieder ins Bewusstsein. Besonders machten ihm diese Erinnerungen zu schaffen, wenn er in Erwägung zog, nach Hause zu fahren und seinem Vater die Stirn zu bieten.

Doch Nick hielt Abstand. Denn er traute weder sich noch seinem Vater zu, die Wut unter Kontrolle zu halten. Seine Mutter hatte schon genug gelitten und sollte nicht miterleben, wie sie sich gegenseitig halbtot prügelten.

„Komm wieder runter, Junge. Diese Frau ist nicht dein Typ.“

Er hielt sich nicht damit auf, auf die Anspielung einzugehen, dass er kein Kostverächter sei. In Wirklichkeit war er in seinen jeweiligen Beziehungen monogam gewesen. Aber er hatte auf die harte Tour gelernt, dass es den Aufwand nicht wert war, sich gegen die Hollywoodmaschinerie zur Wehr zu setzen. Die Presse, das Studio und selbst Garrett schlachteten sein Image als angeblicher Frauenheld nur zu gern aus. „Woher weißt du, dass sie nicht mein Typ ist?“

„Laut Ted ist sie klein, gescheit und süß.“

„He“, protestierte Nick ironisch lächelnd. „Die Frauen, mit denen ich mich verabrede, sind süß.“ Ja, sie waren groß gewachsen, hatten lange Beine und waren oberflächlich – aber süß. Er suchte nicht nach einem Bund fürs Leben. Die Ehe seiner Eltern mitzuerleben war schlimm genug gewesen. Die letzten zehn Jahre all die Lügner und Betrüger in Hollywood zu sehen hatte ihn noch skeptischer werden lassen. Von der Liebe ließ er lieber die Finger.

„Ich mache keine Scherze“, sagt Garrett. „Diese Frau ist tabu. Sie ist eine ernsthafte Dramatikerin und keines deiner blonden Dummchen.“

„Wie auch immer.“ Nick würde ohnehin nicht in diesem Stück mitspielen. Ende der Diskussion. Allerdings musste er sich unbedingt einen Plan B für seine berufliche Zukunft überlegen. „Mit der Autorin hat also alles seine Richtigkeit, und das Stück ist der Hammer. Aber warum soll ich diesen Bastard von Exehemann spielen? Was ist mit dem Polizisten?“

„Der ist ein Waschlappen. Außerdem ist die Rolle bereits vergeben.“

Nick wurde aufmerksam. „An wen?“

Garrett blätterte einige Papiere durch, um Zeit zu schinden. „Malcolm Justice“, antwortete er schließlich.

„Das ist nicht dein Ernst. Ich werde nicht die zweite Hauptrolle neben diesem verdammten Leichtgewicht spielen, um meine Karriere zu retten.“

„Finde dich damit ab, Nick. Du bist Trent Savage – nicht er. Auch wenn er behauptet, die bessere Wahl gewesen zu sein.“

„Aber die Leute werden dann in mir den Mann sehen, der seine Ehefrau schlägt. Sie werden mich beschimpfen, wenn ich irgendwo einkaufe oder einen Kaffee trinke.“ Dabei ging es ihm vor allem um seine Mom. Falls sie sich lange genug von zu Hause fortstehlen konnte, um die Aufführung zu sehen, würde sie sich Sorgen um seine vermeintlichen gewalttätigen Tendenzen machen und viel weinen.

„Das ist der Preis dafür, ein Künstler zu sein.“ Garrett schenkte Bourbon in zwei Gläser und reichte Nick eines davon.

„Ein schöner Künstler. Ich habe die letzten sechs Jahre damit zugebracht, einen Actionhelden zu spielen, der um die Welt jettet und Frauen vernascht. Mit Shakespeare hat das nichts zu tun.“ Er wusste nicht einmal, ob er wirklich noch zum Bühnenschauspieler taugte. Und jetzt wollte sein eigener Agent ihn den Kritikern zum Fraß vorwerfen. Kritikern wie diesem Schuft von der Times, der sich über den sogenannten „Starkult“ am Broadway entrüstete.

So ungern Nick es zugab: Dieses Projekt machte ihm Angst. Seit er das letzte Mal auf einer kleinen Bühne in der Provinz gestanden hatte, waren Jahre vergangen. Einen Flop am Broadway konnte er sich nicht leisten. Das alles überstieg seinen Horizont.

„Wie lautet das Motto noch mal, auf das du immer zurückgreifst?“, spottete Garrett.

„Sei mutig und unerschrocken.“ Sofort erinnerte er sich an Holly Nelson, die diese Worte vor fast fünfzehn Jahren zu ihm gesagt und damit sein Leben verändert hatte. Ob sie sich wohl auch so lebhaft an diesen Abend erinnerte, an dem eine Party der Schultheatergruppe stattgefunden hatte?

Holly und er hatten allein nebeneinander auf einem Anlegesteg am Leffert’s Pond gesessen. Der Wind hatte ihre braunen Haare zerzaust. Sie hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt und ihn ermutigt, seinen Traum zu leben. So seltsam es klang: Sie hatte ihn mit ihren großen, grünen Augen angesehen und erkannt, was noch aus ihm werden könnte.

Nein, wahrscheinlich erinnerte sie sich nicht mehr daran. Wahrscheinlich nicht einmal an den Kuss, der sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Nick hatte gewusst, dass sie unerfahren gewesen war. Deshalb hatte er sich mit einem unschuldigen Kuss dafür bedanken wollen, dass sie ihm gesagt hatte, was er hören wollte.

Aber in dem Moment, in dem ihre Lippen sich berührt hatten, war sie in seinen Armen förmlich dahingeschmolzen. Sein Herz hatte gerast, als sie leicht die Lippen geöffnet und seine Brust gestreichelt hatte. Er war so angetörnt und hingerissen gewesen, dass er Jessie Pagano nicht gesehen hatte, die zum Steg gekommen war und sie gestört hatte. Angeblich hatte sie ihren verloren gegangenen Fotoapparat gesucht.

Obwohl Nick im Laufe der Jahre öfter an Holly gedacht hatte, als er zugeben wollte, hatte er sie nicht im Auge behalten. Er verdankte ihr die Initialzündung seiner Schauspielkarriere. Doch es wäre anmaßend gewesen, sie aufzuspüren. Inzwischen war sie wahrscheinlich mit einem Lehrer verheiratet, der in Stockton auf ihrer alten Highschool unterrichtete, und herzte daheim jeden Tag ihre Kinder. Was sie wohl von diesem Projekt am Broadway halten würde?

„Bist du in Ordnung, Kumpel?“, erkundigte sich Garrett.

Er trank seinen Bourbon aus und nickte. „Mir geht es gut.“

„Also triffst du dich mit dem Produktionsteam?“

Nick fluchte innerlich. „Wo und wann?“

„New York.“ Sein Agent zögerte. „Morgen Nachmittag.“

„Auf keinen Fall. Ich bin gerade aus einem verdammten Flugzeug gestiegen. Kann das nicht ein paar Tage warten?“

„Nein. Das Vorsprechen sollte schon letzte Woche beendet sein. Aber sie haben gewartet, bis du in die USA zurückkommst. Anscheinend ist jemand ganz versessen darauf, dass du diese Rolle übernimmst. Deshalb habe ich für uns beide einen Flug gebucht.“

„Du bist dir deiner selbst sehr sicher, nicht wahr?“

„Sicher ist, dass dich diese Rolle einen großen Schritt nach vorn bringt, falls du das meinst. Es geht das Gerücht um, dass Spielberg sich nach der passenden Besetzung für die Verfilmung der Biographie Joe DiMaggios umsieht. Du bist wie geschaffen für die Titelrolle, und genau dieses Theaterstück sorgt dafür, dass er dich auf dem Schirm hat.“

Verdammt. Nick gäbe fast alles dafür, mit Steven Spielberg zu drehen. Und die Baselballlegende Joe DiMaggio war ein Nationalheld. Er fuhr sich durch die Haare. Garrett hatte gewonnen. „Ich bin hungrig, erschöpft und brauche dringend eine Dusche“, wandte er ein.

„Kein Problem. Uns bleibt gerade noch genug Zeit, um zu dir zu fahren, damit du duschen und packen kannst. Schlafen und essen kannst du im Flieger.“

„Und was ist mit dir?“

Garrett griff nach seinem Jackett und einer kleinen Reisetasche. „Ich bin gerüstet.“ Er ging aus seinem Büro.

Nick nahm das Textbuch und folgte ihm. Keinesfalls würde er im Flugzeug schlafen. Wenn er in New York vorsprach, wollte er gut vorbereitet sein. Dazu musste er das Stück mindestens noch zweimal lesen, sich in spezielle Szenen einarbeiten und ein Charakterprofil des Ehemannes erstellen, den er darstellen sollte. Das waren keine leichten Aufgaben angesichts der Tatsache, dass er Legastheniker war.

Holly Ryan probierte die schwarze, elegante Leinenhose an und versuchte, vor dem Spiegel einen Blick auf ihren Po zu werfen. „Die Hose ist zu eng. Was ist denn an den Kleidern auszusetzen, die ich anhatte?“

„Diese alten Sachen?“, entgegnete ihre jüngere Schwester Noelle. „Darin siehst du wie eine Hausfrau aus. Erst jetzt merkt man, dass du eine Taille, einen Po und einen Busen hast.“

„Womit wir beim nächsten Problem wären.“ Sie zupfte am Ausschnitt der Seidenbluse, die ihr Noelle – eine Modenärrin– wie die Hose geliehen hatte. „Ist das nicht ein bisschen …“

„Schmeichelnd? Attraktiv? Ein Blickfang?“

„Ich dachte eher an offenherzig, unangebracht oder nuttig“, entgegnete Holly.

Ihre Schwester griff sich melodramatisch ans Herz. „Du verletzt mich sehr. Diese Bluse von Marc Jacobs hat mir schon viel Glück gebracht.“

Holly sank aufs Bett. Diese ganzen Verschönerungsmaßnahmen hatten sie erschöpft. Zuerst hatte Noelle darauf bestanden, ihr die glatten Haare zu stylen und sie perfekt zu schminken. Jetzt sollte sie auch noch das passende Outfit anziehen. „Ich bin dir wirklich dankbar für deine Mühe. Ich verstehe nur nicht, warum all das nötig ist.“

„Zunächst einmal verdienst du es nach allem, was du in den letzten beiden Jahren durchgemacht hast, ein bisschen aufgepäppelt zu werden. Betrachte es als Belohnung dafür, dass du diesen Widerling Clark abserviert hast.“

„Dem kann ich nicht widersprechen“, meinte Holly. Dabei wusste ihre Schwester höchstens ansatzweise, was passiert war. Niemand außer der Polizei und einigen Ärzten wusste darüber Bescheid.

„Und zweitens bist du jetzt eine angesagte Dramatikerin. Dafür bekommst du jetzt den entsprechenden Look verpasst.“

Holly verdrehte die Augen. „Angesagt? Das ist stark übertrieben.“

„Genieß den Erfolg. Dein Stück wird am Broadway aufgeführt. Mit mindestens einem, vielleicht sogar zwei Filmstars der Extraklasse.“

Das stimmte. Aber Holly tat sich schwer damit, sich nicht mehr als andauernde Versagerin in einer leistungs- und erfolgsorientierten Familie zu fühlen. Ihre jüngeren Geschwister hatten alle Karriere gemacht. Sie dagegen hatte ständig die Jobs gewechselt – von der Vertretungslehrerin bis hin zur Barkeeperin. Ihre Familie hatte bereits Witze darüber gemacht, welchen Job sie wohl als Nächstes ausprobieren würde.

Doch dann hatte sie vor gut fünf Jahren Clark geheiratet, der sich ein perfektes Heimchen am Herd gewünscht hatte. Eine Ehefrau, die ihn abends lächelnd mit einem Drink begrüßte und ihm das Essen servierte. Da sie immer für alles zu haben gewesen war, hatte sie versucht, die neue Rolle auszufüllen.

Ein schwerer Fehler. Sie hatte Clarks Ansprüche an eine perfekte Hausfrau nicht erfüllt. Das Steak war immer zu blutig oder zu durchgebraten und die Wäsche nie porentief rein gewesen. Ihre Rettung, die das Desaster erträglich gemacht hatte, war ein Artikel über die Vorzüge des Führens eines Tagebuchs gewesen, der in einer Frauenzeitschrift erschienen war. Auf diese Weise wurde die Autorin H. N. Ryan geboren.

„Das glaube ich erst, wenn der Vorhang hochgeht.“ Holly bezweifelte noch immer, dass alles glattlaufen würde. Es konnte zu viel schiefgehen. „Bis dahin …“

„Du machst dir zu viele Gedanken. Du hast doch gesagt, dass Malcolm Justice die Rolle des Polizisten übernimmt. Er hat den Vertrag schon unterschrieben. Und wer ist der Mann, der heute vorspricht?“ Noelle musterte die Auswahl an Schuhen, die sie für ihre Schwester mitgebracht hatte.

„Keine Ahnung. Er ist ein erfolgreicher Filmstar und ein totaler Frauenschwarm. Mehr wollte Ethan nicht verraten.“ Was seltsam war. Denn Ethan Phelps und sie hatten nie Geheimnisse voreinander. Seit dem ersten Semester auf dem Wesleyan war er ihr bester Freund. Er hatte ihr den Spitznamen „Hollypop“ verpasst, den er leider immer noch ab und zu benutzte.

Als ihre Agentin ihr gesagt hatte, dass The Lesser Vessel am Broadway aufgeführt werden sollte, hatte sie sofort daran gedacht, dass er die Regie übernehmen könnte. Zum Glück hatte seine Theaterarbeit abseits der großen Städte die Produzenten überzeugt.

„Vielleicht ist es George Clooney? Oder Tom Cruise?“

Holly schüttelte den Kopf. „Zu alt. Und zu … zu Tom Cruise.“

„Oh, und wenn es Nick Damone ist?“ Noelle suchte jetzt die passenden Accessoires heraus. „Du warst doch auf der Highschool in ihn verknallt. Dann könntest du deswegen endlich etwas unternehmen.“

„Was meinst du?“

„Bitte, Holly, verkauf mich nicht für dumm.“

„Aber du warst damals erst zehn Jahre alt.“ Und sie hatte geglaubt, dass Ethan der einzige Mitwisser wäre. Ihm hatte sie eines feuchtfröhlichen Abends kurz nach ihrer Scheidung gestanden, dass sie vor langer Zeit einmal in einen mittlerweile berühmten Filmstar verknallt gewesen war.

Aber sie hatte nie jemandem erzählt – nicht mal Ethan –, dass sie Nick davon überzeugt hatte, sein Footballstipendium sausen zu lassen und nach New York zu gehen. Oder dass er sie an diesem Abend damals geküsst hatte. Es war ihr erster Kuss gewesen, und kein anderer Junge danach hatte ihr Herz so zum Rasen gebracht wie er. Natürlich war dieser magische Moment nur allzu bald zu Ende gewesen. Jessie Pagano hatte sie gestört und ihre Zweisamkeit zerstört.

Holly beschloss, alles zu leugnen. „Was weißt du schon darüber, in wen ich verknallt war, Noelle? Ich habe – ich meine natürlich, ich hatte – keine Schwäche für Nick Damone.“

„Und warum wirst du dann rot?“

„Ich werde nicht rot!“ Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Mist. Ihre Wangen fühlten sich tatsächlich glühend heiß an.

„Ist doch keine große Sache. Ich stehe auf Ryan Gosling. Zehn Minuten allein mit dem Mann auf engstem Raum, und ich wäre im siebten Himmel.“

„Es spielt auch keine Rolle. Laut dem Branchenblatt Variety dreht Nick noch immer in Hongkong den neuesten Trent-Savage-Film.“

„Wer immer auch dein geheimnisvoller Filmstar ist – du musst den Vertrag mit ihm abschließen.“ Noelle hielt ihr silberfarbene, hochhackige Peep-Toe-Riemchensandaletten hin. „Christian Louboutin.“

Als wenn Holly den Namen irgendwie kennen würde. „Auf keinen Fall.“

Ihre Schwester lächelte fast ein wenig frivol. „Du musst. Männer finden diese Schuhe sexy.“

„Ich will professionell wirken, nicht sexy.“ Holly nahm das einzige Paar schwarzer Pumps mit höheren Absätzen aus dem Schrank, das sie besaß, und zog es an.

„Wie du meinst.“ Noelle holte einen breiten, schwarzen Gürtel aus einer Tasche hervor. „Fehlt nur noch der letzte Schliff.“ Sie drapierte den Gürtel um Hollys Taille und reichte ihr eine Granatkette mit passenden Ohrringen. „Jetzt kannst du dir deinen Filmstar schnappen.“

Eine halbe Stunde später ging Holly vor dem Film Center Building in der Ninth Avenue auf und ab und sprach Ethan zum x-ten Mal auf die Mailbox. „Komm schon. Nimm ab. Wo bist du, Ethan?“

„Direkt hinter dir, Hollypop.“

Sie wirbelte herum. „Hast du mich erschreckt! Du bist zu spät. Und du weißt, dass ich diesen Spitznamen hasse.“

Er küsste sie auf die Stirn. „Sei nicht sauer, Holly. Das finstere Gesicht passt nicht zu deinem tollen Outfit.“

„Ich kann dir einfach nie lange böse sein.“

„Sag mir das in ein paar Minuten noch mal“, murmelte Ethan und wechselte das Thema. „Schöne Ohrringe. Hast du meinen Vorschlag befolgt und Noelle angerufen?“

Holly nickte und deutete auf den Ausschnitt der Bluse. „Ist das okay? Nicht zu viel?“

„Besser als okay und definitiv nicht zu viel.“ Er führte Holly in die Kabine des Aufzugs.

„Warum diese Geheimniskrämerei? Sagst du mir jetzt, wer oben auf uns wartet?“

„Das findest du noch früh genug heraus.“ Ethan drückte hektisch auf den Knopf für die vierzehnte Etage. „Wenn wir uns diesen Fisch angeln, ist das der größte Broadway-Coup seit der Verpflichtung von Hugh Jackman und Daniel Craig für Zwei beste Freunde.“ Er ließ Holly den Vortritt, als sie angekommen waren.

Sie hielt vor der Tür der Broadwayproduzenten Ted und Judith Aaronson inne. „Wenn es einer von den beiden ist, falle ich in Ohnmacht.“

„Es ist keiner von den beiden. Aber du könntest trotzdem in Ohnmacht fallen.“ Ethan sah sie ernst an. „Und versprich mir eines, bevor wir hineingehen: Was immer da drin passiert – hasse mich nicht.“

„Warum sollte ich dich hassen? Ethan, du machst mir Angst. Wer wartet da drin auf uns? Meine Exschwiegermutter?“

„Hier sind sie!“, rief Ted, der inzwischen die Tür geöffnet hatte. „Unsere verehrte Autorin und der geschätzte Regisseur.“ Er brachte sie in einen Konferenzraum, in dem Judith und einige der Mitarbeiter an einem riesigen Walnusstisch saßen.

Holly bemerkte den Mann, der etwas abseits mit dem Rücken zur Tür stand und die Fotos betrachtete, die an der Wand hingen. Seine schwarzen Haare waren kragenlang. Er trug ein cremefarbenes, tailliertes Hemd, das seine breiten Schultern und muskulösen Arme betonte. Nein, das kann er nicht sein. Er sollte in Hongkong sein.

„Hier sind sie, Holly Ryan und Ethan Phelps“, sagte Ted so dröhnend, dass seine Ehefrau ihn missbilligend ansah. Aber er fuhr genauso lautstark fort: „Begrüßen Sie unseren neuen Star, der direkt von seinen Dreharbeiten zu uns kommt.“

Der Mann drehte sich um, und Holly erkannte an seinem fassungslosen Gesicht, dass er genauso geschockt war wie sie.

Nick.

Er kam auf sie zu wie eine Flutwelle alter Gefühle und längst vergessener Sehnsüchte. „Es ist lange her, Holly.“ Er streckte ihr die Hand hin.

Wow. Er sah umwerfend aus. Groß und braun gebrannt. Seine tiefe Stimme raubte ihr den Atem, und unwillkürlich wurden ihre Brustwarzen hart, als sie ihn ihren Namen sprechen hörte. Sie verschränkte die Arme, um ihre körperliche Reaktion vor dem Mann zu verbergen, der in ihren erotischen Träumen die Hauptrolle spielte, seit – nun, seit sie alt genug war für sexuelle Fantasien.

„Nick, ich dachte, du bist in Hongkong.“ Sie fühlte sich wie an den Boden genagelt. Sie hatte Angst, dass sie vor Lust vergehen würde, wenn sie näher an ihn heranrückte.

„Du hältst dich über mich auf dem Laufenden?“ Er ließ seine ausgestreckte Hand wieder sinken. „Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Das nicht zu tun fällt schwer – so präsent, wie du in der Öffentlichkeit bist.“

„Hat Ethan dir nichts erzählt?“ Ted trat lächelnd neben sie und gab dem Regisseur einen Klaps auf die Schulter, der ihn warnend anfunkelte. Aber der ältere Mann fuhr fort: „Er hat darauf bestanden, dass Nick perfekt für diese Rolle ist, und uns sogar davon überzeugt, dass wir das Vorsprechen hinausschieben, bis die Dreharbeiten beendet sind.“

„Perfekt“, wiederholte Holly, die vor Wut schäumte.

Ethan lief ein Schweißtropfen über die Stirn, als er mit gespielter Leichtigkeit ausrief: „Überraschung!“

Ethan Phelps hat was bei mir gut, dachte Nick. Dank ihm stand er Holly Nelson gegenüber. Seine heißeste Teenagerfantasie war inzwischen erwachsen geworden. Doch leider schien sie überhaupt nichts mit ihm zu tun haben zu wollen. Stattdessen zerrte sie den Regisseur in eine Ecke, wo sie miteinander tuschelten. Er verstand nur Satzfetzen wie: „Was hast du dir dabei gedacht, zur Hölle?“ Oder: „Nie im Leben.“

Er nutzte die Gelegenheit, um sie eingehend in Augenschein zu nehmen. Sie war ein wenig aufreizender angezogen als früher, hatte auch mehr Make-up aufgelegt und trug die Haare anders frisiert. Abgesehen davon war sie immer noch das Mädchen mit den durchdringenden, grünen Augen, an das er sich erinnerte. Zudem füllte sie mit ihrer weiblichen Figur das Designeroutfit glänzend aus.

Oh ja, sie war erwachsen geworden. Aber was hatte sie hier zu suchen? Mit dem Regisseur schien sie ungeheuer vertraut zu sein. War sie vielleicht seine Assistentin? Nick setzte sich auf einen Stuhl und griff nach dem Krug mit Eiswasser. Dabei fiel sein Blick auf das Textbuch mit dem Namen der Autorin darauf: H. N. Ryan. Dann fiel ihm ein, dass Ted sie als Holly Ryan vorgestellt hatte – und als Autorin des Stückes. Also hatte sie das Stück geschrieben. H. N. Ryan bedeutete Holly Nelson Ryan.

Autor

Regina Kyle
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