Verführt vom Diamanten-Tycoon (2 Miniserien)

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GLUTHEISSES FEUER, EISKALTE RACHE von TRACY WOLFF
Sie ist genauso schön wie damals – und wahrscheinlich genauso durchtrieben! Marc Durand, Boss des Diamantenimperiums Bijoux, traut Isabella keine Sekunde. Vor sechs Jahren hat sie ihn skrupellos belogen. Natürlich hat Marc darauf ihre Verlobung gelöst – aber nie aufgehört, sie zu begehren. Weshalb er Isabella jetzt entgegen aller Vernunft noch ein letztes Mal verführen will. Danach wird er sie hoffentlich endgültig vergessen können! Doch ein Skandal um Bijoux zwingt ihn, seine schöne Feindin nicht nur in sein Bett, sondern wieder in sein Leben zu lassen …

DOPPELTES SPIEL IM BETT DES MILLIONÄRS von TRACY WOLFF
Wieder mal muss die ehrgeizige Journalistin Desi über eine uninteressante Gala berichten. Doch so langweilig wird es gar nicht, denn dort trifft sie den atemberaubenden Nic und stürzt sich in die heißeste Nacht ihres Lebens. Wochen später der Schock: Ihr Lover ist niemand anderes als Nic Durand, Chef eines großen Diamantenkonzerns, der im Verdacht steht, mit Blutdiamanten zu handeln. Und ausgerechnet sie soll nun die schmutzigen Geschäfte des Unternehmens aufdecken. Desi kann nicht glauben, dass Nic so skrupellos ist. Hört sie auf ihr Herz oder tut sie alles für ihre Karriere?

WILFER FLIRT MIT SÜSSEN FOLGEN von KIMBERLY LANG
Sich in jeder Lebenssituation tadellos zu verhalten: Das erwarten die standesbewussten Harrisons von ihrer Tochter Evie! Aber zugegeben, es ist überhaupt nicht ladylike, einen heißen Flirt mit dem Clubbesitzer Nick Rocco in Las Vegas zu haben und eine wilde Nacht mit ihm zu verbringen. Mit süßen Folgen … Es gibt nur einen Weg, einen Skandal im Hause Harrison zu vermeiden: Evie muss dem Mann aus Vegas, von dem sie nichts weiß – außer dass er ein umwerfend guter Liebhaber ist – sprichwörtlich die Pistole auf die Brust setzen: Heirate mich, oder …!

EIN KONKURRENT ZUM KÜSSEN von NICOLA MARSH
Er ist smart, verwegen, sexy – und er treibt Ruby in den Ruin: Jax Maroney, der Diamantminen-Besitzer mit dunkler Vergangenheit. Es gibt nur einen Weg, wie ihre Schmuckdynastie den Preiskampf mit ihm überleben kann: Ruby muss ihren größten Konkurrenten so schnell wie möglich heiraten! Der Deal: Er hört endlich auf, sie zu unterbieten, und sie führt Jax in Australiens High Society ein, die mit jemandem wie ihm sonst keine Geschäfte macht. Eine Scheinehe also, Sex völlig ausgeschlossen. Doch als Ruby an die Hochzeitsnacht denkt, werden ihre Knie plötzlich ganz weich …


  • Erscheinungstag 15.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520942
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Tracy L. Deebs-Elkenaney
Originaltitel: „Claimed“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1958 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Susann Rauhaus

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733723224

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

Isabella Moreno erstarrte mitten in ihrem Vortrag – mitten im Satz, um genau zu sein –, als die Tür zum Hörsaal geöffnet wurde und der Präsident des Amerikanischen Edelsteininstituts eintrat. Es war jedoch nicht die Präsenz von Harlan Peters, die sie aus der Fassung brachte. Schließlich war sie eine erstklassige Professorin und wusste, dass ein Besuch von ihrem Boss keine große Sache war. Nein, es war der große, stille, dunkelhaarige Mann an seiner Seite, dessen Anblick sie bis ins Mark erschütterte und zugleich erregte.

Groß, still und umwerfend attraktiv, dachte sie und zwang sich dazu, mit ihrem Vortrag über das Schleifen und Polieren von rohen Saphiren fortzufahren. Ihre Studenten drehten sich bereits um, um herauszufinden, was sie abgelenkt hatte. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis sie die Aufmerksamkeit jeder einzelnen Studentin im Saal verloren hatte. In mehreren Ecken des Raums wurde schon gekichert und getuschelt, obwohl bislang niemand den geheimnisvollen Besucher kannte.

Isabella hingegen hatte ihn sofort erkannt. Man konnte nicht jahrelang in der Edelsteinindustrie arbeiten, ohne diesen Mann identifizieren zu können: Marc Durand war der Firmenboss des zweitgrößten Diamantenexporteurs im ganzen Land. Sein etwas zu langes schwarzes Haar, die hellblauen Augen und das Aussehen, das an einen gefallenen Engel erinnerte, waren ziemlich einmalig … und schwer zu ignorieren. Seine Miene machte allerdings einen anderen Menschen aus ihm. In seinen Augen bemerkte sie den Ausdruck von Verachtung, seine vollen Lippen waren spöttisch nach unten gezogen.

Der Marc, den sie kannte – der Marc, den sie einmal geliebt hatte –, hatte sie immer nur zärtlich angeschaut. Amüsiert. Voller Liebe. Wenigstens bis zum Ende, als alles auseinandergebrochen war. Doch selbst dann hatte er ihr seine Gefühle gezeigt. Seine Wut, seine Verletzung, seine Trauer über ihren Verrat. Es hatte sie fast umgebracht, zu wissen, dass sie dafür verantwortlich gewesen war.

Aber die Verachtung, der Zorn, das Eisige in seinem Blick ließen ihn wie einen völlig Fremden wirken. Wie jemanden, den Isabella nicht wiedererkannte und den sie ganz bestimmt nicht kennen wollte.

Als sie zusammen gewesen waren, war ihre Beziehung von heißer Leidenschaft geprägt gewesen. Oft hatte Isabella sich gefragt, wie lange es noch dauern würde, bis sie verbrannte. Nun, sechs Monate, drei Wochen und vier Tage, wie sich herausgestellt hatte.

Nicht, dass sie mitgezählt hätte.

Und nicht, dass sie Marc die Schuld an dem bitteren Ende ihrer gemeinsamen Zeit gegeben hätte. Wie hätte sie das auch tun können? Immerhin war ihr klar, dass einzig sie selbst dafür verantwortlich gewesen war.

Oh, natürlich hätte er netter zu ihr sein können. Sie mitten in der Nacht aus seiner Wohnung in New York City mit nichts als ihrer Kleidung am Leib einfach hinauszuwerfen war zugegebenermaßen ziemlich heftig gewesen. Andererseits fand sie, dass sie nichts anderes verdient hatte. Selbst jetzt gab es Nächte, in denen sie schlaflos im Bett lag und an die Decke starrte. Ständig überlegte sie dann, wie sie hatte tun können, was sie getan hatte. Wie sie den Mann, den sie so sehr geliebt hatte, verraten konnte.

Genau das war allerdings das Problem gewesen. Sie hatte zwischen zwei Männern gestanden, die sie geliebt und vergöttert hatte, für die sie alles getan hätte. Und das war der Grund, warum sie alles ruiniert hatte. Sie hatte gewusst, dass ihr Vater Marc bestohlen hatte. Natürlich hatte sie ihn dazu bewegen wollen, die Juwelen zurückzubringen. Doch sie hatte Marc nicht verraten, wer der Dieb war – erst als es fast zu spät gewesen war, um seine Firma zu retten. Dann hatte sie die Situation noch verschlimmert: Sie hatte Marc gebeten, keine Strafanzeige zu stellen. Und sie hatte zugegeben, dass sie ihn bei ihrem ersten Treffen auf einer Gala auch hatte bestehlen wollen. Ihre Pläne hatten sich zwar geändert – ihr Leben hatte sich verändert –, als er sie dann mit diesen wahnsinnig blauen Augen angeschaut hatte. Trotzdem …

Isabella zwang sich dazu, die schmerzhaften Erinnerungen zu verdrängen. Marc zu verlieren hatte sie vor sechs Jahren fast den Verstand gekostet. Sie sollte verdammt sein, wenn jetzt alles wieder von vorn beginnen würde. Besonders jetzt nicht, zu Beginn des Semesters.

Sie versuchte, sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Mit Entsetzen stellte sie jedoch fest, dass alle Studenten zwischen Marc und ihr hin und her sahen. Genau wie der Präsident der Universität. Trotz der vergangenen Zeit seit damals war die Verbindung zwischen ihnen offenkundig; die Spannung war wie ein Drahtseil, das jeden Moment zu zerreißen drohte. Doch Isabella beschloss, das nicht geschehen zu lassen. Sie würde nicht zulassen, dass sich die peinliche Atmosphäre im Saal noch verstärkte. Und so setzte sie nun ihren Vortrag fort.

Beim nächsten Teil ihrer Vorlesung ging es um die berühmtesten Saphire der Welt und ihre Fundorte. Schließlich kam sie zu der Stelle, an der es um den Raub eines der teuersten und begehrtesten Edelsteine ging – den Rotkehlchen-Saphir. Inständig bemühte sie sich, Marc dabei nicht anzuschauen.

Doch es war nicht zu vermeiden. Isabella wurde geradezu von ihm angezogen. Die magnetische Kraft seiner Persönlichkeit – sein Wille – ließ ihr keine andere Wahl. Sie erstarrte, als ihre Blicke sich trafen und seine Augen sie zu versengen drohten. Denn Marc wusste genau, was mit dem Rotkehlchen-Saphir geschehen war. Er hatte sich informiert, bevor er sie damals in ihrem Schlafzimmer – seinem Schlafzimmer – damit konfrontiert hatte.

„Entschuldigen Sie die Störung, Dr. Moreno“, sagte Harlan nun. „Ich habe Mr. Durand gerade unseren Campus gezeigt. Er hat sich nämlich bereit erklärt, in ein paar Wochen eine kleine Reihe von Vorträgen über die Diamantenproduktion zu halten. Bitte fahren Sie mit Ihrem Vortrag fort. Es ist faszinierend.“

Dafür war es jedoch zu spät. Aufgeregtes Getuschel erhob sich im Saal, was total nachvollziehbar war. Immerhin kündigte nicht jedes Jahr einer der größten Produzenten von Diamanten mit geklärter Herkunft an, eine Vorlesung vor Erstsemestern zu halten. Dennoch, sie war hier die Professorin. Es war ihr Vortrag. Sie musste dringend wieder die Kontrolle übernehmen. Dabei ging es ihr nicht nur um ihre Zuhörer; außerdem wollte sie verhindern, dass Marc Durand noch eine Sekunde länger Oberwasser bekam.

Dieser Mann hatte ihr alles genommen. Oder genauer gesagt: Sie hatte ihm alles gegeben – und er hatte es ihr vor die Füße geworfen. Damals hatte sie nichts anderes verdient, hatte einen hohen Preis bezahlt. Aber das war nun sechs Jahre her. Seitdem war sie umgezogen und hatte sich ein neues Leben aufgebaut. Sie würde nicht zulassen, dass er jetzt einfach hier auftauchte und alles zerstörte.

Deshalb fuhr sie mit ihrer Vorlesung fort und zeigte ihm nicht, wie sehr seine Gegenwart sie aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Die Studenten beruhigten sich nach einer Weile wieder. Kurz darauf verließen Marc und Harlan den Hörsaal unauffälliger, als sie gekommen waren.

Doch wenn jemand Isabella gefragt hätte, worüber sie in den letzten zwanzig Minuten gesprochen hatte … Sie hätte es nicht sagen können. In Gedanken war sie weit weg gewesen – verstrickt in eine Vergangenheit, die sie zwar bitter bereute, aber nicht ändern konnte. Ununterbrochen hatte sie über den Mann nachgegrübelt, der ihr Leben so entscheidend verändert hatte. Anscheinend hatte sie die Situation jedoch gemeistert, denn niemandem schien etwas aufgefallen zu sein. Vielleicht hatte Marc Durands Besuch ihr Publikum aber auch zu sehr von ihr abgelenkt.

Die Vorlesung näherte sich dem Ende. Für gewöhnlich blieb Isabella danach noch für einige Minuten im Hörsaal, um sich den Fragen ihrer Zuhörer zu stellen. Doch diesmal musste sie den Raum fluchtartig verlassen, denn sie war innerlich zu aufgewühlt. Jeder falsche Schritt hätte ihren inneren Frieden zerstören können, an dem sie so hart gearbeitet hatte. Den Frieden, den sie endlich gefunden hatte.

Daher nahm sie ihre Bücher und die Arbeiten ihrer Studenten an sich und ging zur Tür. Sie hatte ihren Wagen hinter dem Gebäude geparkt. Wenn sie den Seitenausgang nehmen würde, hätte sie in fünf Minuten den Campus bereits verlassen. Dann würde sie endlich über die Küstenstraße nach Hause fahren können, das weite Meer zu ihrer Linken.

Leider schaffte sie es allerdings nicht bis zu ihrem Auto. Eine starke Männerhand legte sich auf ihre Schulter, als sie gerade durch den Flur eilen wollte. Sofort war ihr klar, wem diese Hand gehörte. Ihre Knie wurden weich, ihr Herz begann wie wild zu klopfen. Es gab keinen Ausweg. Die Fahrt am Meer entlang würde nicht stattfinden. Und ihr blieb keine Gelegenheit, sich vor dieser Konfrontation noch zu sammeln.

Nicht, dass es sie überraschte. Als Marc vorhin im Hörsaal aufgetaucht war, hatte sie gleich gewusst, dass ein Zusammentreffen unvermeidlich sein würde. Dennoch hatte sie im Stillen gehofft, es ein wenig hinauszögern zu können. Zumindest so lange, bis ihr nicht mehr allein bei dem Gedanken an ihn der Atem stockte. Aber diesen Punkt hatte sie auch in den letzten sechs Jahren nicht erreicht. Was hätten also ein paar weitere Tage daran ändern können?

Davon abgesehen: Wenn er alles zerstören wollte, was sie sich mit dem neuen Namen und der neuen Identität aufgebaut hatte, dann wollte sie das lieber gleich wissen. Sich deswegen ständig Sorgen zu machen würde sie bloß noch mehr aufregen.

So wappnete Isabella sich für die Begegnung mit Marc und setzte ihr bestes Pokerface auf, bevor sie sich langsam umdrehte. Und wenn ihre Knie dabei ein wenig zitterten, ging das nur sie etwas an.

Isabella war noch schöner, als Marc sie in Erinnerung hatte. Und wahrscheinlich noch viel durchtriebener, dachte er. Innerlich musste er sich jetzt trotzdem zur Ordnung rufen. Er musste wieder Herr über seine Gefühle und seine Libido zu werden, die beide plötzlich verrücktspielten.

Es war mittlerweile sechs Jahre her, seit er sie zuletzt gesehen hatte.

Sechs Jahre, seit er sie in den Armen gehalten, geküsst und geliebt hatte.

Sechs Jahre, seit er sie aus seinem Apartment und seinem Leben geworfen hatte.

Und er begehrte sie immer noch.

Diese Erkenntnis war wie ein Schock. Seit den Ereignissen damals hatte er alles versucht, um sie zu vergessen. Na gut, hin und wieder war ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge aufgetaucht, wenn irgendetwas ihn an ihren Duft oder ihren Geschmack erinnert hatte. Aber mit der Zeit war das immer seltener vorgekommen, und seine Reaktion darauf war schwächer geworden. Jedenfalls hatte er das geglaubt.

Doch ein Blick auf ihr wunderschönes rotes Haar und ihre warmen braunen Augen hatte genügt. Sofort hatte er dieselbe tobende Hitze in sich verspürt, die ihre Beziehung charakterisiert hatte. Der Präsident der Universität war ihm egal gewesen, ebenso die Zukunftspläne für Bijoux – das Familienunternehmen, für das er so viel geopfert hatte. Auch der Workshop, den die Universität ihm nach der Verlegung des Firmensitzes an die Westküste angeboten hatte, war ihm auf einmal gleichgültig gewesen. Er hatte nur noch diesen Hörsaal betreten und herausfinden wollen, ob sein Verstand ihm einen Streich spielte.

Denn vor sechs Jahren hatte er Isa Varin – die jetzt anscheinend Isabella Moreno hieß – auf die grausamste Art und Weise aus seinem Leben verbannt. Das bereute er zwar nicht. Wie könnte er das auch, nachdem sie ihn so schmählich verraten hatte? Doch inzwischen tat es ihm leid, unter welchen Umständen das geschehen war. Bereits kurze Zeit später war er damals wieder zur Vernunft gekommen und hatte seinen Chauffeur losgeschickt, um sie zu finden und ihr die Sachen zu bringen, die sie zurückgelassen hatte: ihre Tasche, ihr Portemonnaie, ihr Handy und etwas Geld. Aber der Mann hatte sie nicht finden können. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. In den Jahren danach hatte er selbst ständig nach ihr gesucht – teils, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, teils, um sich davon zu überzeugen, dass ihr nichts passiert war. Er hatte sie nie gefunden.

Und nun wusste er, warum. Die leidenschaftliche, wunderschöne und bezaubernde Isa Varin existierte nicht mehr. An ihre Stelle war diese zugeknöpfte Professorin getreten, die so kühl und scharf wirkte wie die Diamanten, die seine Minen hervorbrachten. Nur ihr Haar – das prächtige rote Haar – war wie früher. Allerdings trug sie es jetzt zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden. Als sie sich noch Isa genannt hatte, war es ihr in wilden Locken auf die Schultern gefallen. Die Farbe hätte er jedoch überall wiedererkannt.

Schwarze Kirschen in tiefster Nacht.

Feuchter Granat im schimmernden Licht des Vollmonds.

Als ihre Blicke sich über die Köpfe der Studenten hinweg getroffen hatten, war es für ihn wie ein Schlag in die Magengrube gewesen. Oder auch in seinen Unterleib. Nur auf Isa reagierte sein Körper so stark. Und so prompt.

Er hatte sich so schnell wie möglich von dem Präsidenten losgeeist und war zum Hörsaal zurückgeeilt, um Isa noch zu erwischen, bevor sie ihm entkommen konnte. Trotzdem hätte er sie fast verpasst, was ihn allerdings nicht besonders überraschte. Denn immerhin stammte sie aus einer Familie von Einbrechern. Wenn sie nicht geschnappt werden wollte, würde es auch nicht passieren.

Während er nun darauf wartete, dass sie den Mund aufmachte, fragte Marc sich insgeheim, was er hier eigentlich tat. Warum er ihr aufgelauert hatte, was er von ihr wollte. Um ehrlich zu sein: Er hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er sie sehen und mit ihr sprechen musste.

„Hallo, Marc.“ Sie wandte sich ihm zu. Der beherrschte Ausdruck auf ihrem Gesicht versetzte ihm innerlich einen Stich, den er jedoch ignorierte. Stattdessen konzentrierte er sich auf ihren Anblick, der so viele Erinnerungen in ihm auslöste.

Früher hatten ihn allein ihre tiefbraunen Augen in die Knie gezwungen. Aber diese Tage waren lange vorbei. Ihr Betrug hatte jedes Vertrauen zerstört, das er einmal in sie gesetzt hatte. Ja, er war schwach gewesen. Er war auf die Unschuld hereingefallen, die sie mit jedem Blick, jeder Berührung ausstrahlte. Diesen Fehler würde er kein zweites Mal machen. Er würde seine Neugier befriedigen und herausfinden, warum sie hier war; dann würde er sofort wieder verschwinden.

Eingehend musterte er sie. In ihren Augen entdeckte er so viele unterschiedliche Empfindungen, dass er sie gar nicht einzeln identifizieren konnte. Isa gab sich ungerührt und kühl, doch ihre Augen konnten nicht lügen. Er durchschaute sie. Isa war von diesem Treffen ebenso verstört wie er.

Diese Erkenntnis entspannte ihn ein wenig. Damals hatte sie die Oberhand in ihrer Beziehung gehabt, denn er hatte ihr blind vertraut. Er hatte sie so geliebt. Niemals hätte er sich vorstellen können, dass sie ihn eines Tages verraten würde.

Diese Zeit war allerdings längst vorbei. Wenn es nach ihm ging, konnte sie gern die zugeknöpfte Hochschuldozentin und Diamantenexpertin spielen. Aber er kannte ja die Wahrheit und würde darauf achten, ihr gegenüber stets wachsam zu sein.

„Hallo, Isabella.“ Er bemühte sich, seiner Stimme einen sarkastischen und belustigten Ton zu verleihen. „Wer hätte gedacht, dass wir uns hier treffen?“

„Nun, wie du weißt, bin immer da, wo die Juwelen sind.“

„Wenn das jemand weiß, dann ich.“ Er sah mit Absicht zu dem Glaskasten an der Wand gegenüber, in dem eine kostbare Kette mit Opalen ausgestellt war. „Der Präsident hat mir erzählt, dass du schon seit über drei Jahren hier lehrst. Und dennoch ist nichts gestohlen worden. Bist du etwa nicht mehr in Form?“

Sie funkelte ihn zornig an. Trotzdem klang es gelassen, als sie antwortete: „Ich gehöre zur Fakultät. Für die Sicherheit jedes einzelnen Edelsteins auf dem Campus zu sorgen gehört zu meinen Aufgaben.“

„Und wie wir alle wissen, nimmst du deinen Job ja sehr ernst … genau wie deine Verpflichtungen.“

Einen Moment lang entglitten ihr die Gesichtszüge, und ihre Wut schimmerte durch. Dann fragte sie: „Kann ich irgendetwas für dich tun, Marc?“

„Ich dachte, wir könnten uns gegenseitig vielleicht auf den neuesten Stand bringen. Um der guten alten Zeiten willen.“

„Also, um ehrlich zu sein, so gut waren die alten Zeiten nun auch wieder nicht. Wenn du mich also bitte entschuldigst …“ Sie wollte seine Hand abschütteln, doch er verstärkte seinen Griff. Wie heiße Lava floss der Zorn durch seine Adern. Dennoch war er noch nicht bereit, sie gehen zu lassen.

„Ich denke nicht daran, dich zu entschuldigen“, entgegnete er bedeutungsvoll und bemerkte mit Befriedigung, dass sie den Subtext seiner Worte offenbar verstand.

„Tut mir leid, das zu hören. Aber ich bin in einer halben Stunde verabredet und möchte mich nicht verspäten.“

„Ja, Hehler mögen es nicht, wenn man sie warten lässt.“

Mit blitzenden Augen riss sie sich los. „Vor sechs Jahren habe ich mir deine bösartigen Anschuldigungen angehört. Damals habe ich geglaubt, sie verdient zu haben. Aber das ist lange her. Ich habe inzwischen ein neues Leben …“

„Und einen neuen Namen.“

„Ja.“ Misstrauisch betrachtete sie ihn. „Ich brauchte Abstand zu allem.“

„Ich habe da andere Erinnerungen.“ Denn schließlich hatte sie sich gegen ihn und für ihren Vater entschieden, obwohl der alte Mann ihn bestohlen hatte. Diese Kränkung würde er nicht so schnell vergessen.

„Wundert mich nicht.“

„Was soll denn das heißen?“, fragte er spitz.

„Genau das. Ich will dich nicht austricksen.“

„Auch das habe ich anders in Erinnerung.“

„Natürlich.“ Sie richtete sich auf und schaute ihn herausfordernd an. „Aber dir ging es ja immer mehr um deine Wahrnehmung als um die Wahrheit, nicht wahr?“

Marc hätte nicht geglaubt, noch wütender werden zu können. Ihm drehte sich bereits der Magen um. Er biss die Zähne zusammen, sodass es wehtat. Doch das war nichts Neues, denn Isa hatte immer schon starke Gefühle in ihm wecken können. Früher waren es allerdings positive Gefühle gewesen.

Aber diese Tage lagen seit Langem hinter ihnen; er würde sich nicht noch einmal von ihr einwickeln lassen. Der Marc, der Isa Varin geliebt hatte, war schwach und dumm gewesen. Nie wieder würde er so sein – das hatte er sich in dem Moment geschworen, als er zugesehen hatte, wie der Sicherheitsdienst sie aus seinem Gebäude geführt hatte.

„Dreh mir nicht die Worte im Mund herum, Isabella“, gab er zurück und betonte dabei ihren neuen Namen. Er bemerkte, wie ihr Blick sich verdunkelte. Sein ironischer Ton hatte sie also getroffen.

„Ich sollte besser gehen.“ Isabella machte schon einen Schritt nach vorn, doch er stellte sich ihr in den Weg.

Marc hätte selbst nicht sagen können, was ihn dazu trieb. Er wusste nur, dass er sie nicht so leicht davonkommen lassen wollte. Zumal sie so cool wirkte, und er … nun, er fühlte genau das Gegenteil. „Willst du wieder wegrennen?“, fragte er scharf. „Warum überrascht mich das nicht? Es liegt ja schließlich in der Familie.“

Sie sah ihn an. Es war offensichtlich, dass sie verletzt war. Doch im Handumdrehen hatte sie die Kontrolle über sich zurückgewonnen. „Was immer du hier veranstaltest, was immer du erreichen willst – es wird nicht passieren. Und jetzt geh mir aus dem Weg!“

Es war ein Ultimatum, ganz klar. Auch wenn ihre Stimme höflich geklungen hatte, konnte er ihr Feuer spüren. Es erregte ihn mehr als alles, was er in den letzten sechs Jahren erlebt hatte. Seine Reaktion ärgerte ihn selbst, aber er würde es ihr nicht zeigen.

Marc konnte noch immer nicht fassen, dass Isa tatsächlich und leibhaftig vor ihm stand. Damals war er sich so sicher gewesen, sie nie wiederzusehen. Daher würde er sie jetzt auf gar keinen Fall einfach entkommen lassen, zumal er noch so viele Fragen an sie hatte. Und zumal er sie weiterhin so sehr begehrte, dass jeder Muskel seines Körpers schmerzte.

Statt ihrer Aufforderung nachzukommen, zog Marc nur die Brauen hoch und lehnte sich lässig mit dem Rücken gegen die Wand. Und dann stellte er die Frage, von der er wusste, dass sie alles verändern würde. „Oder was?“

2. KAPITEL

Isa starrte Marc ungläubig an. Hatte er sie das wirklich gefragt? Als wäre ihre Begegnung ein Kinderspiel? Er wusste anscheinend nicht, dass sie mit diesen Spielchen aufgehört hatte. Damals war sie vierzig Blocks weit durch Hagel und Regen marschiert, ohne einen Mantel oder einen sonstigen Schutz vor dem eisigen Wind. Aber diese Nacht lag lange hinter ihr. Sie hatte sich ein neues, ein besseres Leben erschaffen. Sie hatte einen neuen Namen angenommen, den niemand in der Branche mit ihrem Vater in Verbindung bringen konnte. Um keinen Preis würde sie zulassen, dass dieser Mann hier vor ihr all das zunichtemachte.

„Für solche Kindereien habe ich keine Zeit“, erklärte sie verärgert. „Ich würde gerne sagen, dass es nett war, dich zu treffen. Aber wir wissen beide, dass das eine Lüge wäre. Daher …“ Sie verbeugte sich scherzhaft vor ihm. „… wünsche ich dir noch ein schönes Leben.“

Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und stolzierte über den leeren Flur. Marc folgte ihr jedoch. Plötzlich packte er sie am Handgelenk und zwang sie, stehen zu bleiben.

„Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du es dir so leicht machen kannst, oder?“, fragte er verärgert.

Seine rauen Finger strichen über die Innenseite ihres Handgelenks. So hatte er sie auch damals immer gestreichelt; das hatte sie nie vergessen können. Noch Jahre nach der Trennung hatte sie die Berührung gefühlt. Inzwischen hatte sich so vieles verändert. Marc besaß heute die Macht, ihr gesamtes Leben von Neuem zu ruinieren. Und trotzdem klopfte ihr verräterisches Herz jetzt wie wild, als er sie festhielt.

Sie ärgerte sich maßlos über sich selbst, weil sie eine so leichte Beute war – und über ihn, weil er so verdammt attraktiv war. Nachdem sie ihm ihre Hand entrissen hatte, wich sie stolpernd einige Schritte zurück. Doch rasch fing sie sich wieder. Was war bloß mit ihr los? Warum machte sie sich immer wieder vor diesem Mann zum Narren?

Sie zwang sich dazu, seinem bohrenden Blick zu begegnen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

Spöttisch betrachtete er sie. „Du bist also immer noch eine gute Lügnerin.“ Er streckte den Arm aus und strich ihr über den Kopf. „Schön, zu sehen, dass manche Sachen sich nicht ändern.“

„Ich habe dich nicht angelogen.“

„Aber du hast mir auch nicht die Wahrheit gesagt. Obwohl du damit meine Firma gerettet und mir viel Zeit, Geld und Peinlichkeiten erspart hättest.“

Alte Schuldgefühle überkamen sie bei diesen Worten. Trotzdem weigerte sie sich, allein die Verantwortung für die Situation zu übernehmen. „Sieht ganz so aus, als wärst du wieder auf die Füße gekommen.“

„Genau wie du.“ Er zeigte auf die Tür zum Hörsaal, aus dem sie gekommen war. „Inzwischen bist du Professorin an einem der renommiertesten Institute für Edelsteinkunde. Um ehrlich zu sein, habe ich damals gedacht, du würdest in die Fußstapfen deines Vaters treten.“

Isabella holte tief Luft. Entsetzt erkannte sie, dass er sie noch ebenso verletzen konnte wie früher. „Ich bin keine Diebin!“ Es sollte ein klares Statement sein, doch ihre Stimme überschlug sich mitten im Satz.

Seine Augen verdunkelten sich. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, dass er die Hand nach ihr ausstrecken würde. Dass er sie berühren würde, so wie früher – mit einer unglaublichen Zärtlichkeit. Bei diesem Gedanken überlief sie ein Schauer. Sie musste sich beherrschen, um sich nicht an ihn zu schmiegen.

Dann räusperte er sich, und der Zauber war verflogen. Alle negativen Erinnerungen kamen zurück und verdrängten die schönen. Tränen stiegen in ihr hoch, doch sie zwang sie zurück. Vor diesem Mann wollte sie nicht schwach erscheinen. Außerdem hatte sie bereits mehr als genug Tränen für ihn vergossen. Ihre Beziehung gehörte der Vergangenheit an, und dort sollte sie auch bleiben.

Sie wich ein Stück zurück, und diesmal hielt Marc sie nicht auf. Er sah sie nur an, spöttisch und abwartend. Als würde er ihr so mitteilen, dass sie nun am Zug sei. Also gut.

Sie holte tief Luft und schaute ihm direkt in die Augen. „Hör zu. Es tut mir leid – sehr leid sogar –, was mein Vater dir angetan hat. Aber er ist inzwischen gestorben, und ich kann das alles nicht ungeschehen machen. Kannst du meine Entschuldigung annehmen, die von Herzen kommt, und können wir dann beide unser Leben weiterleben? Du unterrichtest deine Klasse und ich meine. Und die Vergangenheit ist erledigt.“

Er rührte sich nicht, aber bei ihren Worten war er kurz zusammengezuckt. Nervös wartete Isa auf seine Antwort. Die Sekunden verstrichen jedoch, ohne dass er etwas sagte.

Unter seinem bohrenden Blick wurde ihr unbehaglich. Auch früher hatte er sie einmal so angesehen: als sie nackt gewesen war und ihn angefleht hatte, mit ihr zu schlafen. Nun, Sex mit ihm zu haben kam in diesem Moment wirklich nicht infrage. Dennoch erschauerte sie bei der Erinnerung an das Vergnügen, das er ihr damals bereitet hatte. Ein Vergnügen, wie sie es danach nie wieder erfahren hatte.

Marc war ein unglaublicher Liebhaber gewesen: leidenschaftlich, selbstlos, kreativ. Die Monate, die sie mit ihm verbracht hatte, waren die besten ihres Lebens gewesen.

Doch ihnen war auch die schlimmste Zeit ihres Lebens gefolgt, wie sie sich voller Bitterkeit eingestehen musste. Nur weil ihr Körper sich immer noch zu ihm hingezogen fühlte, durfte sie das nie vergessen.

Marc schwieg weiterhin, und die Stille zwischen ihnen wurde allmählich bedrückend.

Schließlich straffte Isa die Schultern und meinte: „Tut mir leid, aber ich muss jetzt echt los.“

„Heute Abend gibt es eine Cocktailparty“, sagte er wie aus dem Nichts heraus. „In der Juwelengalerie.“

Überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel nickte sie. „Ja, ich weiß. Die Frühlingsparty für die neuen Mitglieder der Fakultät.“

„Begleitest du mich dorthin?“

Isa schüttelte den Kopf. Sie musste sich verhört haben. Was hatte er vor? Wollte er sie etwa vor allen Kollegen demütigen?

Der Marc, den sie kannte, der Mann, in den sie hoffnungslos verliebt gewesen war, hätte so etwas nie getan. Aber diesen Mann hatte sie sechs Jahre nicht gesehen. Und dieser hier vor ihr – hart, wütend, kompromisslos – wirkte, als wäre er zu allem fähig. Mit ihm wollte sie nichts zu tun haben. Egal, wie ihr Körper auf ihn reagierte.

„Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“ Offensichtlich gefiel ihm ihre Antwort nicht.

„Weil ich bereits eine Verabredung habe.“ Das war zwar nicht gelogen, aber es war auch nicht die ganze Wahrheit. Ihr Kollege Gideon und sie hatten vor Wochen geplant, die Party gemeinsam zu besuchen. Doch sie waren nur Freunde. Isa wusste, er würde ihr nicht böse sein, wenn sie ihm im letzten Moment absagte.

Ihr hingegen würde es durchaus etwas ausmachen, denn sie konnte schon diese kurze Begegnung mit Marc nicht ertragen. Die Vorstellung, einen ganzen Abend in seiner Gesellschaft zu verbringen, ging weit über ihre Kräfte. Außerdem war sie keine Masochistin.

„Wer ist er?“, stieß er wütend hervor.

„Er heißt Gideon. Du kennst ihn nicht. Aber vielleicht sehen wir uns ja dort.“

Sie zwang sich zu einem Lächeln und winkte ihm sogar leicht zu, als sie sich erneut in Bewegung setzte. Dieses Mal ließ er sie gehen.

Als sie die Tür nach draußen öffnete und in die warme Frühlingssonne trat, hatte sie sich fast selbst überzeugt, dass sie froh darüber war.

„Welche Laus ist dir denn heute Morgen über die Leber gelaufen?“, wollte Nic wissen.

Stirnrunzelnd sah Marc von seinem Computer auf. Sein Bruder war unangemeldet in seinem Büro aufgetaucht. Normalerweise wäre ihm das egal gewesen, doch das Treffen mit Isa hing ihm noch nach. Ihm stand nicht der Sinn danach, sich mit seinem jüngeren Bruder auseinanderzusetzen. Nic entging nie etwas, und er besaß darüber hinaus einen sehr besonderen Sinn für Humor. Das war eine gefährliche Kombination, der Marc sich in diesem Moment nicht gewachsen fühlte.

„Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Natürlich weißt du das“, entgegnete Nic. „Schau dir mal dein Gesicht an!“

„Wie denn? Hier hängt schließlich kein Spiegel.“

„Warum nur habe ich einen Bruder mit null Fantasie?“ Nic seufzte und verdrehte die Augen. „Außerdem kann ich dich sehen. Und glaube mir: Du wirkst wie jemand, dem …“ Er hielt einen Moment lang inne, als ob er nach der perfekten Beschreibung suchen würde.

„Dem eine Laus über die Leber gelaufen ist?“

„Ganz genau. Also, was ist los? Gibt es wieder Ärger mit der Konkurrenz?“

„Nicht mehr als sonst.“

„Oder mit der neuen Mine?“

„Nein, dort funktioniert alles bestens. Im Herbst sollte sie uns einen hübschen Profit einbringen.“

„Siehst du! Wer behauptet, man könne kein Geld verdienen und gleichzeitig verantwortungsbewusst Diamanten beschaffen?“

„Leute, die von Gier getrieben werden und kein soziales Gewissen haben?“

„Das war eine rhetorische Frage. Gute Antwort, trotzdem.“

„Deshalb verdiene ich ja auch mehr als du.“

Marc wandte sich wieder dem Monitor zu und widmete sich der Statistik vor ihm, in der der Produktionswert all ihrer Diamantenminen aufgelistet war. Für gewöhnlich war das für ihn ein Kinderspiel, aber heute nervte es ihn. Er konnte an nichts anderes denken als an Isa und den geheimnisvollen Mann, der sie auf die Party begleiten würde. War er ihr Freund? Ihr Liebhaber? Das war ein schrecklicher Gedanke, und er biss die Zähne zusammen.

„Siehst du?“, fragte sein Bruder triumphierend. „Diesen Gesichtsausdruck meine ich. Nun sag mir endlich, was mit dir los ist. Was hat dich so aus der Fassung gebracht?“

Wütend fixierte er Nic. „Gar nichts.“

„Das kannst du deiner Großmutter erzählen.“ Nic ging zur Bar in der Ecke des Raums, holte zwei Flaschen Mineralwasser hervor und reichte eine davon seinem Bruder.

„Was soll das heißen?“

„Das heißt, dass ich dir so lange auf die Nerven gehen werde, bis du mir verrätst, was mit dir los ist. Deshalb kannst du auch gleich mit der Sprache rausrücken. Sonst wirst du nämlich nie mit deiner Statistik fertig.“ Nic ließ sich auf dem Besucherstuhl nieder und nickte seinem Bruder aufmunternd zu. „Schieß los!“

Marc gab vor, erneut den Monitor zu studieren. Es war jedoch offensichtlich, dass sein Bruder sich nicht so leicht täuschen ließ. Es wurde ganz still im Raum, bis er sich schließlich einen Ruck gab und sein Geheimnis preisgab.

„Ich habe heute Isa wiedergesehen.“

Wie elektrisiert setzte Nic sich auf. „Isa Varin?“

„Inzwischen heißt sie Isabella Moreno.“

„Ist sie verheiratet?“ Er pfiff überrascht durch die Zähne. „Kein Wunder, dass du so eine miese Laune hast.“

„Nein, sie ist nicht verheiratet“, gab Marc verärgert zurück. „Aber selbst wenn dem so wäre, wäre es mit egal.“

„Oh ja, klar“, erwiderte sein Bruder spöttisch. „Du hast dich die letzten sechs Jahre ja bloß rein zufällig ausschließlich mit rothaarigen Frauen getroffen. Klar, ihr Familienstand geht dich nichts an.“

„Ich habe nie …“ Marc brach mitten im Satz ab. Eigentlich wollte er Nic klipp und klar mitteilen, dass er sich irrte. Insgeheim musste er sich allerdings eingestehen, dass sein Bruder mitten ins Schwarze getroffen hatte.

Bisher war es ihm gar nicht aufgefallen, doch tatsächlich hatten all seine früheren Freundinnen rote Haare. Sie waren hochgewachsen, schlank und hatten durch die Bank ein umwerfendes Lächeln. Hatte er wirklich all diese Jahre unbewusst nach einem Ersatz für Isa gesucht? Das hätte er nie gedacht, die Wirklichkeit sprach jedoch gegen ihn. Verdammt!

„Warum hat sie ihren Namen geändert, wenn sie nicht verheiratet ist?“, wollte Nic nun wissen.

Marc hatte keine Ahnung, aber er würde es auf jeden Fall herausfinden. „Sie meinte, sie hätte noch einmal von vorn beginnen wollen.“

Sein Bruder nickte. „Das kann ich mir gut vorstellen.“

Marc gefiel sein Ton nicht. „Was willst du damit sagen?“

„Was glaubst du denn? Die Sache zwischen euch ist schließlich nicht besonders gut gelaufen. Versteh mich nicht falsch: Als du sie rausgeschmissen hast, warst du überzeugt, du hättest das Richtige getan.“

„Selbstverständlich habe ich das geglaubt. Hätte es überhaupt eine andere Option gegeben?“ Marc wischte die Frage mit einer abwehrenden Handbewegung weg, bevor Nic sich dazu äußern konnte. Über diese Sache hatten sie schon Hunderte Male diskutiert. „Wie dem auch sei. Ich habe eine ganze Menge Geld für Detektive ausgegeben, die sie ausfindig machen sollten. Keiner von ihnen ist auf diesen Namenswechsel gestoßen.“

„Nicht, wenn sie es illegal gemacht hat.“

„Sie hat es bestimmt legal getan. Immerhin ist sie unter diesem Namen angestellt.“

„Hast du vergessen, wer ihr Vater ist? Mit seinen Kontakten hätte er ihr mühelos eine neue Identität besorgen können.“

„So etwas würde Isa nie tun.“ Im Grunde war Marc sich da jedoch nicht so sicher. Diese Frau hatte ihn früher bereits belogen. Und bestohlen. Wie sollte die Tochter eines der bekanntesten Juwelendiebe des Landes sonst dazu gekommen sein, nun an diesem renommierten Institut lehren zu dürfen? Selbst wenn sie eine Expertin auf ihrem Gebiet war? Außerdem durfte man nicht vergessen, dass sie dank ihrer Stellung Zugang zu den teuersten Edelsteinen der Welt hatte.

„Wie geht es ihr denn?“, fragte Nic jetzt. „Ist alles okay bei ihr?“

„Es geht ihr gut.“ Mehr als gut. Sie hatte großartig ausgesehen: gesund, glücklich, sprühend vor Leben – bis sie ihn entdeckt hatte. Dann war das Licht in ihr erloschen.

„Das freut mich. Trotz des Debakels mit ihrem Vater und trotz allem, was zwischen euch passiert ist: Ich habe sie immer sehr gemocht.“

Genau wie er. Marc hatte sie so sehr gemocht … Er hatte sie sogar gebeten, seine Frau zu werden.

„Wirst du sie wiedersehen?“, erkundigte Nic sich.

„Bist du verrückt?“ Er starrte seinen Bruder entgeistert an. „Hast du nicht eben selbst gesagt, wie schlimm das Ende unserer Beziehung gewesen ist?“

„Na ja, du hast dich ja nicht gerade wie ein Gentleman verhalten, das lässt sich nicht leugnen. Aber Isa hat ein großes Herz. Ich bin sicher, sie wird dir verzeihen.“

„Sie ist ganz bestimmt nicht diejenige, die jemand um Verzeihung bitten sollte. Sie hätte um ein Haar unsere Firma ruiniert!“

„Nein, das war ihr Vater.“

„Ja, aber sie war in alles eingeweiht.“

„Was hätte sie denn tun sollen? Ihn dir ans Messer liefern?“

„Selbstverständlich. Dann hätte ich nicht erst von unserem Sicherheitsdienst erfahren müssen, dass er einen unserer wertvollsten Diamanten gestohlen hat.“

„Ach, komm. Das kann man doch verstehen. Sie war zu dem Zeitpunkt einundzwanzig Jahre alt und hat sich einfach Sorgen um ihn gemacht.“

Mit gerunzelter Stirn musterte er seinen Bruder. „Wieso bist du auf einmal so verständnisvoll? Wenn ich mich recht entsinne, wolltest du damals ihren Kopf für das, was sie uns angetan hat.“

„Den Kopf ihres Vaters“, korrigierte Nic ihn. „Er hätte meinetwegen in der Hölle schmoren können, doch du warst ja gegen eine Strafanzeige. Und nicht nur das: Du hast sogar versucht, ihm aus der Patsche zu helfen.“

Marc musste ihm recht geben. Er hatte sich selbst gefragt, warum er sich so ins Zeug gelegt hatte, damit Isas Vater nicht ins Gefängnis kam. Verdient hätte er es, daran hatte kein Zweifel bestanden. Doch Marc hatte Isas Gesicht gesehen – blass, angespannt, zu Tode erschrocken –, und da hatte er keine Wahl gehabt.

Er stand auf und trat ans Fenster, das eine großartige Aussicht auf den Pazifik bot. Für ein paar Minuten betrachtete er die Szenerie. Der gleichmäßige Rhythmus der Wellen, die gegen die Felsen schlugen, beruhigte ihn ein wenig. Vor sechs Monaten hatte er den Hauptsitz seiner Firma nach San Diego verlegt, und das war eine kluge Entscheidung gewesen. Er hatte es getan, weil sich das Amerikanische Edelsteininstitut in der Nähe befand. Das Meer vor der Tür zu haben war dabei ein angenehmer Nebeneffekt.

„Er war krank“, erklärte Marc ruhig. „Salvatore starb noch vor Ende des Jahres. Ich fand es nicht richtig, dass er die letzten Monate seines Lebens in einer Zelle verbringen sollte.“

„Unsinn! Du hast es für Isa getan. Denn unter deiner harten Schale verbirgt sich ein weicher Kern und …“ In diesem Moment klingelte Nics Handy. Er sprang auf. „Tut mir leid, ich muss los. In fünf Minuten haben wir eine Marketingsitzung, die ich nicht verpassen darf.“

„Läuft alles gut mit der neuen Kampagne?“, erkundigte Marc sich.

Als Vorstandsvorsitzender von Bijoux regelte er alles Geschäftliche: Verträge, das Management der Minen, Personalfragen und Vertrieb. Sein Bruder hingegen war das kreative Genie. Er kümmerte sich um das Marketing, die PR und die Verkäufe – also um alles, was mit dem Image der Firma zu tun hatte. Nic machte seinen Job ausgezeichnet, worüber Marc sehr froh war. So konnte er selbst sich darauf konzentrieren, was ihm am wichtigsten war: aus dem Familienunternehmen eine der größten Edelsteinfirmen des Landes zu machen, die sich vorbildlich für den umweltverträglichen Abbau von Diamanten einsetzte.

„Alles läuft super“, antwortete Nic. „Ich möchte trotzdem bei allen Meetings dabei sein, um zu sehen, was an neuen Ideen in Umlauf ist.“

„Und ich dachte, ich wäre der Kontrollfreak in der Familie!“

„Das bist du auch. Ich bin bloß gewissenhaft.“ Er wandte sich zur Tür, drehte sich aber noch einmal um. „Also mal ganz im Ernst, Bruderherz: Das Schicksal hat dir mit Isa eine zweite Chance gegeben. Die solltest du nutzen.“

„Ich glaube nicht an das Schicksal. Und ich will gar keine zweite Chance mit ihr.“

„Bist du sicher?“

„Ganz sicher.“ Nach allem, was zwischen ihnen passiert war? Sollte er etwa noch einmal zulassen, dass sie seine Firma in Gefahr brachte … oder sein Herz?

Wollte er wieder mit ihr schlafen? Oh ja, auf jeden Fall. Welcher Mann hätte das nicht gewollt? Sie war unglaublich schön – besonders, wenn sie erregt war. Und unglaublich sexy – besonders, wenn sie beim Orgasmus laut seinen Namen schrie. Er hatte mit ihr den besten Sex seines Lebens gehabt.

Zugleich war es ihr eher um Liebe als um Sex gegangen, und auch das hatte er an ihr gemocht. Doch das war lange her. Zärtlichkeiten standen bei ihm nicht mehr auf der Agenda.

„Nun, dann vergiss sie“, riet Nic ihm pragmatisch. „Die Vergangenheit ist tot. Ihr seid jetzt beide an einem anderen Punkt in eurem Leben. Belasse es dabei.“

„Genau das habe ich vor.“

Trotzdem konnte er nicht aufhören, an sie zu denken. An sie und an ihren Begleiter. Gideon. Allein der Name brachte ihn auf die Palme. Wer zum Teufel war dieser Kerl? Und was zur Hölle wollte er von Isa?

Plötzlich sah er wieder vor sich, wie sie am Morgen vor den Studenten gestanden und ihren Vortrag gehalten hatte. Ihre Augen hatten geleuchtet, ihre Haut hatte rosig geschimmert. Das Haar war zu einem lächerlichen Knoten zusammengebunden gewesen. Und obwohl sie einen strengen Hosenanzug angehabt hatte, war ihr wundervoller Körper zu erahnen gewesen.

Früher war sie so warmherzig und leidenschaftlich gewesen. Jetzt wirkte sie wie das genaue Gegenteil zu der damaligen Isa – und gerade das zog ihn magisch an.

Offensichtlich hatte sie sich alles andere als gefreut, ihn wiederzusehen. Marc war jedoch ebenso wenig entgangen, wie sie ihn angeschaut und seine Nähe gesucht hatte. Vielleicht würde es ja gar nicht so schwierig sein, sie ins Bett zu kriegen. Bei diesem Gedanken musste er lächeln.

Wenn ihm das gelingen würde, könnte er sie endlich vergessen und hinter sich lassen. Ein für alle Mal.

3. KAPITEL

Er war da. Marc war hier. Obwohl sie sich noch nicht begegnet waren, konnte Isa seine Gegenwart spüren. Dieses Gefühl hatte sie beschlichen, sobald Gideon und sie auf der Party erschienen waren. Es war immer so gewesen und hatte sich anscheinend auch nicht geändert.

„Kann ich dir einen Drink holen?“, fragte Gideon und beugte sich dabei zu ihr vor, um sich Gehör zu verschaffen. Immerhin waren mindestens hundert Gäste in der Galerie, und im Hintergrund spielte Musik. Trotzdem war es ihr ein wenig unangenehm.

Aber das war Unsinn. Gideon war schließlich ihr Freund und treuer Begleiter an Kino- oder Theaterabenden. Vor drei Jahren hatten sie sich kennengelernt, und er hatte nie mehr von ihr gewollt. Warum war ihr seine Nähe plötzlich so peinlich?

Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter, und damit hatte sie die Antwort auf ihre Frage. Weil Marc hier war und sie beobachtete. Doch kaum tauchte dieser Gedanke auf, verwarf sie ihn wieder. Das war ja lächerlich. Sie hatten immerhin vor sechs Jahren Schluss gemacht. Wahrscheinlich war es ihm völlig egal, dass sie in männlicher Begleitung hier war.

„Isabella?“ Gideon sah sie besorgt an. „Ist alles in Ordnung mit dir? Du kommst mir ein bisschen abwesend vor.“

Er hatte recht. Ja, sie war nicht bei der Sache – und das nicht bloß in der letzten halben Stunde. Das Zusammentreffen mit Marc hatte sie erschüttert, und sie hatte sich noch nicht davon erholt. Ihn jetzt in der unmittelbaren Nähe zu wissen machte sie ausgesprochen nervös.

Sie schenkte Gideon ein strahlendes Lächeln, um ihn zu beruhigen. „Bitte entschuldige. Ich war nur ein bisschen abgelenkt.“

Er lächelte zurück. „Schön. Du weißt doch: Wenn irgendetwas ist, kannst du auf mich zählen.“

„Ja, das weiß ich. Aber mir geht’s gut. Wirklich!“ Sie lehnte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich hätte sehr gern einen Drink.“

„Das Übliche?“, fragte er und führte sie zu einer Gruppe von Kollegen, die sie beide kannten.

„Ja bitte.“

Nachdem sie die anderen begrüßt hatten, machte Gideon sich auf den Weg zur Bar. Isa versuchte sich zu entspannen und das Gespräch mit den anderen Dozenten zu genießen. Aber es gelang ihr nicht. Ständig glaubte sie, Marcs bohrenden Blick im Rücken zu spüren.

Fünf Minuten später kehrte Gideon zurück und reichte ihr ein Glas von ihrem Lieblingswein, Pinot grigio. Gerade wollte sie sich bei ihm dafür bedanken, als sie hinter sich den Dekan mit seiner tiefen Stimme sagen hörte: „Guten Abend, liebe Kollegen und Kolleginnen. Ich möchte Sie mit unserem Neuzugang bekannt machen.“

Er hatte nicht einmal Marcs Namen ausgesprochen, und trotzdem machte ihr Magen einen großen Satz. Denn bei dem neuen Dozenten konnte es sich nur um ihn handeln, um den Vorstandsvorsitzenden des zweitgrößten Diamantenkonzerns der Welt.

Ihre Kollegen begrüßten Marc sehr freundschaftlich, was sie mit stillem Missfallen zur Kenntnis nahm. Andererseits überraschte es sie nicht. Vermutlich hätten sie sich für jeden Neuen interessiert, der einen solchen Ruf genoss.

Marc schien sich in der Runde wohlzufühlen. Er erinnerte sich gleich nach der ersten Vorstellungsrunde an jeden einzelnen Namen und erzählte witzige Anekdoten, mit denen er alle zum Lachen brachte. Darüber hinaus stellte er genau die Fragen, bei deren Beantwortung sich die anderen profilieren konnten.

Mit anderen Worten: Er war ganz in seinem Element. Sich in solchen Runden zu bewegen war Marc stets leichtgefallen – im Gegensatz zu Isa. Dabei hatte sie sich wirklich Mühe gegeben, die perfekte Verlobte zu sein, auf die er stolz sein konnte. Sie hatte alles versucht, um ebenso charmant und entspannt zu erscheinen wie er. Tatsächlich war sie jedoch ziemlich schüchtern.

Sie unterhielt sich zwar gern mit ihren Studenten und ihren Freunden, doch Small Talk mit Fremden zu halten lag ihr überhaupt nicht. In diesen Situationen fühlte sie sich äußerst unwohl. Manchmal bekam sie sogar bereits Stunden vor solchen Treffen eine Panikattacke.

Das hatte sie ihm natürlich nie erzählt. Sie hatte einfach nicht gewollt, dass er sich ihretwegen schämte. Außerdem hatte sie ihn geliebt und hatte so gern seine Frau werden wollen, dass sie alles für ihn getan hätte. Alles, außer ihren Vater zu verraten. Und diese eine Entscheidung, diese einzige Auflehnung gegen ihn, hatte sie alles gekostet.

Wut stieg in ihr auf, und ihr wurde ein wenig schlecht. Sicherlich war der Alkohol der Grund dafür. Gideon merkte jedoch sofort, dass etwas nicht stimmte. Er legte den Arm um ihre Taille und zog sie an sich.

„Alles in Ordnung?“, flüsterte er ihr ins Ohr. Er war einer der wenigen, denen sie ihre sozialen Ängste anvertraut hatte. Deshalb bestand er auch darauf, sie zu Partys und anderen gesellschaftlichen Anlässen zu begleiten. Und er sorgte jedes Mal dafür, dass sie unter Freunden war, bevor er ihr einen Drink holte.

„Ich brauche ein bisschen Luft“, gab sie leise zurück.

„Lass uns nach draußen auf die Terrasse gehen.“

„Nein, du musst nicht mitkommen.“ Sie hatte bemerkt, wie sehr er das Gespräch mit den Kollegen über die Kunstszene in San Diego genoss. Es war nicht fair, ihn dieses Vergnügens zu berauben. „Bleib ruhig hier. Ich bin in ein paar Minuten zurück.“

Stirnrunzelnd betrachtete er sie. „Bist du sicher?“

„Absolut.“ Isa umarmte ihn rasch und entschuldigte sich bei den anderen.

Sie bahnte sich den Weg durch die angeregt plaudernde Gästeschar und steuerte auf die Terrasse zu. Von hier aus bot sich ein atemberaubender Blick auf den Ozean. Erleichtert atmete sie die frische, salzige Brise ein, die vom Meer herüberwehte. Das war genau das Richtige, um einen klaren Kopf zu bekommen. Sie musste die schmerzliche Vergangenheit mit Marc endlich vergessen; daran ließ sich ohnehin nichts mehr ändern.

Isa stützte sich auf das eiserne Geländer, schloss die Augen und holte tief Luft. Nach einigen tiefen Atemzügen fühlte sie sich bereits ruhiger. Wie lange könnte sie wohl hier draußen bleiben, bevor Gideon nach ihr suchte?

Isa sah hinreißend aus. Sie trug ein schlichtes violettes Etuikleid, das sich wie leuchtend gegen das Meer schwarzer Cocktailkleider abhob. Sie war so sexy und sinnlich wie immer. Sogar noch mehr. Ihr Gesicht drückte mehr Reife aus, und auch ihre etwas vollere Figur machte sie weiblicher.

Bestimmt ist das diesem Clown Gideon nicht entgangen, dachte Marc düster. Der andere Mann nutzte jede Gelegenheit, um Isa zu berühren. Es war nahezu unerträglich für Marc, das zu beobachten. Am liebsten hätte er Isas Begleiter eine Ohrfeige verpasst.

Doch leider schien sie diese Berührungen zu genießen, was ihn von seinem Vorhaben abhielt.

Dann bemerkte er, wie sie durch die Menge schritt und hinaus in das Halbdunkel der Terrasse trat.

Marc ließ sie nicht aus den Augen und sah, wie sie mehrmals tief Luft holte. Dabei hob und senkte sich ihr Busen. Er sehnte sich danach, sie zu berühren und sie genau dort zu streicheln, bis sie in seinen Armen dahinschmolz. Vermutlich war er jedoch nicht der Einzige, der diesen Wunsch verspürte … Unwillkürlich stellte er sich vor, wie Gideon vor ihr kniete und sie auf eine Art verwöhnte, wie er es immer getan hatte. Allein bei dem Gedanken kochte Marc innerlich vor Wut.

Wenige Sekunden später stand er neben ihr. „Was bedeutet dir dieser Gideon?“, fragte er sie mit rauer Stimme.

Isa wirbelte herum und starrte ihn an.

„Bitte entschuldige“, sagte er, „ich wollte dich nicht erschrecken.“

„Was machst du hier?“

„Ich bin dir gefolgt.“ Er trat einen Schritt auf sie zu und strich ihr über die Wange.

„Warum?“

Marc ignorierte ihre Frage. Ihm entging nicht, dass ihre Atmung sich ein wenig beschleunigt hatte. Entweder war sie nervös oder erregt. Vielleicht ja beides. Aber möglicherweise hatte ihre Reaktion auch gar nichts mit ihm zu tun, sondern galt Gideon.

„Was bedeutet dir dieser Typ?“, fragte er sie erneut.

„Gideon?“

Es gefiel ihm nicht, wie sie den Namen aussprach. Es klang viel zu vertraut. Das machte ihn wütend. Und noch entschlossener, sie ins Bett zu kriegen. „Ja.“

„Er ist mein Begleiter. Und … und mein Freund.“

„Ist das alles?“

Als sie sich nun mit der Zunge über die Lippen fuhr, hätte er fast laut gestöhnt. Es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung, um sie nicht auf der Stelle zu küssen.

„Was ist alles?“ Sie atmete erneut tief ein und aus, ihre Brust hob und senkte sich.

Marc spürte, dass sie ihn ebenso sehr begehrte wie er sie. Diese Gewissheit traf seine Lenden wie ein elektrischer Schlag. Er näherte sich ihr noch ein Stück, streckte die Hand aus und strich in kreisenden Bewegungen über ihren Nacken. Es war keine Drohung oder ein Versuch, sie einzuschüchtern. Aber es hatte etwas Besitzergreifendes, dem er sich weder entziehen konnte noch wollte. Denn Isa war wie ein Feuer in seinem Blut, sie vernebelte ihm die Sinne.

Er lehnte sich so weit vor, bis seine Lippen beinahe ihre berührten. „Gideon“, sagte er zum dritten Mal. „Ist er nur ein Freund für dich? Oder mehr?“

„G…Gideon?“

Ihm gefiel die Verwirrung in ihrer Stimme. Es war, als ob sie gar nicht mehr wusste, von wem er sprach. „Der Typ, der dich hierhergebracht hat“, erklärte Marc und berührte mit seinen Lippen ihren Mundwinkel. „Bist du mit ihm zusammen?“

Isa erschauerte merklich, sie zitterte am ganzen Körper. „Nein.“

Es war nur ein schwaches Flüstern, doch das genügte ihm. Er sah, wie Isa errötete; er spürte, wie sich ihre Brustspitzen gegen seine Brust drückten.

„Gut“, erwiderte Marc. Und damit küsste er sie.

Der Kuss hatte etwas von Besitznahme und Vergnügen zugleich.

Es war sechs lange Jahre her, dass er Isa zuletzt berührt und in seinen Armen gehalten hatte. Doch in diesem Moment hatte Marc das Gefühl, dass sie noch immer ihm gehörte.

Als er ihren Mund mit seinem verschloss, öffneten sich ihre Lippen wie von selbst. Er küsste sie voller Leidenschaft, und Isa legte ihre Hände auf seine Brust. Zuerst glaubte er, sie würde ihn wegstoßen wollen. Stattdessen klammerte sie sich an seinem Hemd fest und zog ihn näher an sich. Es war genau die Art von Erlaubnis, die er sich erhofft hatte.

Marc umfasste ihr Gesicht, strich mit den Daumen über die hohen Wangenknochen. Stürmisch vertiefte er den Kuss, so als hätte er sich all die Jahre nach nichts anderem gesehnt.

Er machte sie zu seiner Beute.

Ihre Zungen umkreisten einander. Er lockte sie, verführte sie dazu, die Lippen noch ein bisschen mehr zu öffnen. Das tat sie – und er nahm mehr von ihr, nahm alles, was sie ihm anbot.

Marc leckte über ihre Lippen, sodass Isa leise stöhnte. Dieser schwache Laut ging ihm unter die Haut, ließ ihn härter werden, als er jemals in den letzten sechs Jahren gewesen war.

Er saugte an ihrer Zunge, während sie sich ihm entgegenbog und ihre Hüften an ihn presste. Sie krallte sich regelrecht an ihm fest; er konnte ihre Fingernägel durch den dünnen Stoff seines Seidenhemds spüren.

Damals hatte er nichts gegen diesen leichten Schmerz einzuwenden gehabt. Es hatte ihm nichts ausgemacht, die Beweise ihrer Lust stunden-, manchmal sogar tagelang mit sich herumzutragen. Mit einem Mal überkam ihn die erschütternde Erkenntnis, dass er immer noch dasselbe empfand. Auch jetzt wollte er, dass sie seinen Körper brandmarkte – so wie er ihren brandmarken wollte. Doch in diesem Moment wollte er darüber nicht weiter nachdenken. Er konnte sich auf nichts anderes konzentrieren als auf das berauschende Gefühl, sie endlich wieder in seinen Armen zu halten. Denn genau wie früher hatte er auch heute keine Wahl: Er musste sich ihr hingeben.

Wie hätte er sich dagegen wehren sollen? Ihr Kuss weckte so viele Emotionen; er war zärtlich und heiß zugleich, scharf und ein bisschen verzweifelt. Alles war so vertraut und doch völlig neu und erregend. Ja, er wollte sie. Er wollte alles, was sie ihm geben konnte. Er wollte sie mehr als die Luft zum Atmen.

Als sie sich schließlich von ihm löste, drehte sich alles in seinem Kopf. Isa seufzte und lehnte ihre Stirn an seine. Er wartete kurz, bis auch er ein wenig ruhiger geworden war. Dann eroberte er ihren Mund erneut.

Es war fast noch besser als beim ersten Mal.

Isas Lippen waren so warm, sie schmeckte so gut – wie Champagner mit einem Hauch von Brombeeren. Und nach Meer. Kühl und rein und sehr, sehr wild. Genau wie damals.

So vieles war anders an ihr, seit sie sich zuletzt gesehen hatten. Marc hatte beinahe befürchtet, dass sie auch anders schmecken könnte. Doch nun hatte er herausgefunden, dass dem nicht so war – und diese Erkenntnis ließ ihm die Knie weich werden. Anstatt sie loszulassen, küsste er sie wieder. Und wieder. Und wieder. Bis ihre Haut unter seinen Händen glühte. Bis er hart wie ein Fels war und es vor Lust kaum aushielt. Bis ihre Lippen ganz rau waren und gleichzeitig weich, so weich …

Und dann küsste er sie ein weiteres Mal.

Isa ließ ihn gewähren. Sie ließ es zu, dass er sie küsste und berührte. Dabei hatte er gar nicht daran geglaubt, dass es je wieder geschehen würde. Dass sie sich je wieder für ihn öffnen und er ihr je wieder vertrauen würde.

Aber hier geht es nicht um Vertrauen, dachte Marc. Er genoss weiterhin alles, was sie ihm anbot, und verzehrte sich zugleich nach mehr. Hier ging es auch nicht um Liebe. Es ging um Leidenschaft. Um Chemie. Um eine Vergangenheit, die wie eine Flamme zwischen ihnen loderte.

Sein Mund fühlte sich fast taub an, als sie den Kuss endlich unterbrach. Dieses Mal verharrte sie nicht in der Umarmung, sondern stieß ihn heftig von sich. Isa wandte sich um und schaute aufs Meer hinaus. Er beschloss, ihr Raum zu geben und ihr Zeit zu lassen. Fasziniert beobachtete er, wie ihre Schultern zuckten. Offenbar kämpfte sie damit, ihre Selbstbeherrschung zurückzuerlangen.

Ihm würde es nicht gelingen, wenn es um sie ging, so viel stand für ihn fest.

„Tu das nie wieder!“

Es war ein Befehl, doch ihre Stimme zitterte immer noch vor Begehren.

„Was denn?“, gab er zurück und packte sie bei den Schultern. Er drehte sie zu sich herum, damit er sie im Halbdunkel betrachten konnte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen erschienen ihm riesig. Dieser Anblick entfachte seine Lust von Neuem.

„Was soll ich nie wieder tun?“, fragte er und war ihr jetzt so nahe, dass ihre Brüste sich an ihn pressten. „Dich nie wieder berühren?“ Er zeichnete ihre Wangenknochen nach, streichelte zärtlich ihre Halsbeuge. „Dich nie wieder küssen?“ Ihre Haut war weich wie Seide, als er ihren Hals mit kleinen Küssen bedeckte.

Und erneut eroberte er ihren Mund, saugte an ihrer Unterlippe, biss leicht hinein.

Isa stöhnte auf, strich durch sein Haar und schmiegte sich an ihn. Es war fast zu viel für ihn. Er wollte sie nehmen, gleich hier, gegen das eiserne Geländer der Terrasse.

„Dich nie wieder begehren?“ Er zog sie an sich, liebkoste eine ihrer Brüste durch den dünnen Stoff ihres Kleides. „Ich fürchte, dazu ist es jetzt zu spät. Für uns beide.“

„Marc.“ Aus ihrem Mund klang sein Name wie ein erstickter Schrei – ein Flehen, ein Fluch, ein Sündenerlass, eine Verdammung. Er wusste nicht, was es war, aber es war ihm egal. Alles, was zählte, war, dass er sie wieder hatte. In den vergangenen sechs Jahre hatte er an nichts anderes denken können. Hatte davon geträumt, sie zu nehmen, bis sein Geist beruhigt und sein Körper gesättigt war.

Vielleicht würde er dann etwas Frieden finden.

„Ich will dich“, flüsterte er ihr heiser ins Ohr, während er ihre Brustspitze zwischen Daumen und Zeigefinger rollte. „Ich werde dich glücklich machen, ich werde dich …“

Sie stieß ihn von sich. Dass eine so zierliche Frau eine solche Kraft besaß, erstaunte ihn.

„Marc. Nein!“ Isa drehte ihr Gesicht weg und schob ihn erneut fort. „Hör auf!“

Nein. Hör auf. Diese Wörter hasste er, genau wie er es hasste, wenn man ihm sagen wollte, was zu tun war. Aber wenn sie aus dem Mund einer Frau kamen, gab es nichts zu diskutieren. Daher trat er einen Schritt zurück und nahm seine Hände von ihrem einladenden Körper.

„Ich weiß, was du tust“, sagte sie atemlos. Ihre Augen blickten wild, ihre Stimme zitterte.

„Ach ja?“, murmelte er. „Weißt du das wirklich?“

„Du willst mich vor meinen Kollegen lächerlich machen. Du willst alles zerstören, was ich mir aufgebaut habe, und das werde ich nicht zulassen.“

Ohne seine Verärgerung dabei zu verbergen, musterte er sie. „Wie bitte? Wenn ich dich küsse, mache ich dich vor deinen Kollegen lächerlich?“

Nervös strich sie sich mit den Fingern durchs Haar. „Nun spiel dich hier nicht wie ein Macho auf!“

„Ich bin kein Macho“, erklärte er laut und deutlich.

Sie schnaubte verächtlich. „Das glaubst du doch selbst nicht. Jeder Zoll von dir verlangt Unterwerfung. Wenn dir das nicht klar ist, bist du noch verblendeter, als ich dachte. Wie dem auch sei, ich werde keine Sekunde länger bleiben und dein Spielzeug sein. Dies hier ist mein Arbeitsplatz, und im Gegensatz zu dir kann ich auf kein Vermögen zurückgreifen, wenn ich meinen Job verliere. Meine Karriere ist alles, was ich habe. Ich werde nicht zulassen, dass du sie zerstörst, so wie du …“

Sie brach mitten im Satz ab und machte Anstalten, die Terrasse zu verlassen.

Er packte sie am Ellenbogen. Es war jedoch eher sein Wille als sein Griff, mit dem er sie dazu brachte, stehen zu bleiben. „So wie ich unsere Beziehung zerstört habe?“, beendete er ihren Satz. „Wenn ich mich recht erinnere, bist du selbst dafür verantwortlich gewesen.“

„Ich zweifle nicht daran, dass du das glaubst“, erwiderte sie, starrte betont deutlich auf seine Hand und riss sich los. Bevor er etwas sagen konnte, fuhr sie fort: „Und auch nicht daran, dass du mich in Schwierigkeiten bringen willst. Aber das werde ich nicht erlauben. Ich will nicht, dass du mich jemals wieder anfasst. Geh zurück dahin, wo du hergekommen bist. Oder besser noch, fahr zur Hölle!“

Mit schnellen Schritten entfernte sie sich und kehrte zur Party zurück. Was von ihr blieb, waren der Duft von Chanel No 5 und eine Aura gerechten Zorns.

Marc fragte sich insgeheim, was es über ihn aussagte, dass ihn Letzteres am meisten anmachte.

Entweder war sie verrückt oder stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Vielleicht war es ja auch ein drohender Schlaganfall. Isa wusste es nicht, aber unter einem dieser drei Phänomene litt sie definitiv. Es gab keine andere Erklärung für das, was soeben auf der Terrasse passiert war. Sie war Marc um den Hals gefallen und hatte sich von ihm küssen lassen, als wären seit ihrem letzten Treffen erst sechs Minuten und nicht sechs Jahre vergangen.

Natürlich war sexuelle Anziehungskraft für sie nichts Neues. Schon damals hatten sie kaum die Hände voneinander lassen können. Aber sollte diese Anziehungskraft nicht auf Respekt oder Liebe basieren, statt auf Abneigung und Misstrauen? Denn so empfanden sie ja jetzt füreinander.

Auf dem Weg zurück zu Gideon spürte sie, wie Marc ihr nachschaute. Sie merkte, wie sein Blick über ihren Rücken, über ihre Beine und dann wieder nach oben glitt. Es war fast wie eine Berührung – wie ein Elektroschock, der ihren gesamten Körper erschütterte.

Als sie Gideon in Sichtweite ausmachen konnte, war Isa von der Begegnung noch immer völlig erschüttert und machte sich Vorwürfe. Ihr war klar, dass es für ihre Karriere das Klügste war, wenn sie auf der Party blieb, Champagner trank und mit dem Dekan plauderte. Doch sie konnte es dort keine Minute länger aushalten. Sie musste flüchten. Am besten sofort, bevor sie vor all diesen Leuten ausflippen würde. Oder bevor sie sich Marc in die Arme warf und ihn anflehte, sie inmitten der Menge zu nehmen.

Allein die Tatsache, dass ihr so etwas als Möglichkeit in den Sinn kam, ließ sie die letzten Meter fast rennen. Als sie endlich vor Gideon stand, legte sie die Hand auf seinen Arm. Damit er sie in dem Lärm überhaupt hören konnte, beugte sie sich dicht zu ihm vor. Sie bat ihn, sie zu entschuldigen und ihr ein Taxi zu holen, da sie sich nicht gut fühlte. Ihre Blässe und ihre zitternden Hände bekräftigten ihre Aussage.

Als ihr treuer Freund stellte Gideon sein Glas beiseite und sagte: „Armes Mädchen! Dann bringen wir dich jetzt nach Hause.“ Er legte den Arm um ihre Taille und führte sie zum Ausgang.

„Du brauchst nicht mitzukommen“, erwiderte sie. „Es sind nur Kopfschmerzen. Ich schaffe es schon selbst.“

„Unsinn! Ich habe dich hergebracht, also bringe ich dich natürlich auch zurück. Außerdem fängt die Party an, mich zu langweilen. Man könnte sagen, du hast mich gerettet und nicht umgekehrt.“

„Ich denke, wir wissen beide, dass das nicht stimmt“, meinte sie und küsste ihn auf die Wange. „Aber ich danke dir für deine Fürsorge.“

Im selben Moment wurde ihr klar, dass diese Geste ein Fehler war. Sie konnte Marc zwar nicht sehen, doch sie spürte sein Missfallen geradezu körperlich durch den ganzen Raum. Dabei hatte sie ihm ja den Rücken zugewandt und achtete nicht auf ihn, sondern konzentrierte sich auf Gideon.

Isa versuchte sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Sie benutzte Gideon ja schließlich nicht dazu, Marc eifersüchtig zu machen. Zugleich fragte sie sich allerdings, wie das alles auf ihn wirken mochte. Noch vor wenigen Minuten hatte sie Marc gestattet, sie zu berühren – und jetzt musste er zusehen, wie sie einen anderen küsste.

Aber was kümmerte es sie, was Marc dachte? Das konnte ihr völlig egal sein! Als Gideon sie aus dem Raum führte, musste sie immer wieder an die Szene auf der Terrasse denken. Sie hatte Marc gesagt, dass so etwas nie wieder vorkommen würde. Und das hatte sie auch so gemeint. Dieser Mann hatte ihr Leben schon einmal zerstört. Ein zweites Mal würde ihm das nicht gelingen. Dabei war es vollkommen unwichtig, ob sie sich immer noch zu ihm hingezogen fühlte. Es war unwichtig, ob sie noch eine Rechnung miteinander offen hatten. Sie war nicht mehr die naive junge Frau von vor sechs Jahren.

Nein, das Leben hatte ihr in der Zwischenzeit ein paar harte Lektionen erteilt. Sie hatte sich eine neue Existenz aufgebaut, auf die sie stolz war und die ihr alles bedeutete. Ein Leben, das Marc wahrscheinlich mit dem größten Vergnügen zerstören würde. Das hatte er ja schon einmal getan.

Doch das würde Isa nicht zulassen. Denn ihr Job – und ihr guter Ruf – waren alles, was ihr noch geblieben war.

4. KAPITEL

Die Heimfahrt mit Gideon verlief ohne weitere Zwischenfälle. Wie immer, wenn sie zusammen waren. Es gab keinen Aufruhr der Gefühle, keine dunkle Vergangenheit, die sie miteinander verband. Nein, sie waren einfach nur gute Freunde. Sie hatten gemeinsame Interessen, konnten sich angeregt miteinander unterhalten und teilten denselben Sinn für Humor. Nie zuvor war sie dafür so dankbar gewesen wie heute.

Schließlich erreichten sie das kleine Häuschen, das sie gekauft hatte, als sie vor vier Jahren hierhergezogen war.

Gideon brachte sie zwar zur Tür, blieb aber nicht lange. Er erwartete von ihr weder eine Einladung noch einen Abschiedskuss. Stattdessen umarmte er sie, wünschte ihr gute Besserung und war verschwunden.

Endlich war sie allein.

Gott sei Dank!

Sie eilte ins Schlafzimmer, legte ihr Kleid ab und zog eine bequeme Yogahose sowie ein schwarzes Tanktop an. Danach schenkte sie sich ein Glas Wein ein und ließ sich auf der Couch nieder. Sie wollte bloß noch ein bisschen fernsehen und diesen schrecklichen Tag so schnell wie möglich vergessen.

Aber dazu kam es nicht: Kaum hatte sie das Gerät eingeschaltet, klopfte es an der Tür. Vielleicht war es Gideon, weil sie irgendetwas bei ihm im Auto vergessen hatte. Sie ging zur Tür, setzte ein Lächeln auf und öffnete. „Na, was habe ich diesmal liegen lassen? Möchtest du reinkommen und mit mir ein Glas …?“

Sie brach mitten im Satz ab, denn es war nicht Gideon, der vor ihrer Tür stand.

„Was willst du hier?“, fragte sie Marc aufgebracht. „Und woher weißt du überhaupt, wo ich wohne?“

„Ich bin dir gefolgt.“

„Du bist mir gefolgt … du meine Güte! Verfolgst du öfters Leute?“ Sie wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen.

Er hielt die Hand dazwischen, noch bevor sie sie schließen konnte. „Ich habe die letzten sechs Jahre damit verbracht, dich zu suchen.“

Für den Bruchteil einer Sekunde war sie sich sicher, dass sie sich verhört haben musste. Sie erinnerte sich ganz genau an Marcs letzte Worte. Damals hatte er sie davor gewarnt, dass er sie und ihren Vater ins Gefängnis bringen würde, wenn er sie noch einmal wiedersehen würde.

Jetzt verriet ihr jedoch sein Gesichtsausdruck – er sah ein wenig schuldbewusst und sehr verärgert aus –, dass sie richtig gehört hatte. „Warum? Warum hättest du das tun sollen?“

„Weil es falsch war, was …“

„Ich dachte, wir hätten schon darüber gesprochen, wie du meine Tat …“

„Nein, ich meine, was ich getan habe. Ich habe dich rausgeworfen, obwohl du praktisch nichts anhattest. Um dich aus dem Gebäude entfernen zu lassen, habe ich den Sicherheitsdienst gerufen … Fast im selben Moment habe ich es schon bereut. Ich bin nach draußen gerannt und habe nach dir gesucht. Ich bin sogar zu deiner Wohnung gefahren, aber dort warst du nicht. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass dir etwas passiert sein könnte und dass ich daran schuld wäre.“

Ein solches Eingeständnis hätte sie nicht von ihm erwartet. Einige Minuten lang konnte sie ihn nur anstarren, während sie über seine Worte nachgrübelte. Eigentlich wollte Isa so etwas gar nicht hören. Sie wollte nicht, dass irgendetwas sie davon abhielt, ihn für immer zur Hölle zu schicken. Denn all das kam ja viel zu spät – sechs Jahre zu spät.

Trotzdem spürte sie, wie etwas in ihr zu schmelzen begann. Sechs Jahre lang hatte sie unter dem Schmerz des Verrats, unter der Reue und der Wut gelitten. All diese Gefühle waren eng mit Marc verbunden. Egal, wie oft sie versucht hatte, sich davon zu lösen und loszulassen: Diese Empfindungen waren stets da gewesen und hatten gedroht, sie zu ersticken. Doch jetzt war es ihm gelungen, diesen Würgegriff mit seiner kurzen Erklärung zu lockern. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit konnte sie wieder tief durchatmen.

„Es tut mir leid“, sagte er, und es klang so, als hätte er Rasierklingen geschluckt. Isa überraschte das nicht. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Männer wie er sich nicht oft entschuldigten.

Nachdem er sie nun also tatsächlich um Verzeihung gebeten hatte, musste sie sich entscheiden. Sie konnte ihm sagen, er solle zur Hölle fahren, und ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Oder sie konnte seine Entschuldigung akzeptieren. Isa hatte sein Verhalten immer verstanden: Ihr Dad hatte ihn ja wirklich bestohlen – und indem sie Marc gebeten hatte, ihn zu verschonen, hatte sie Partei für ihren Dad ergriffen. Daher gab es in diesem Moment nur eine Möglichkeit für sie.

Isa öffnete die Tür einen Spaltbreit und trat einen Schritt zurück. „Ich habe gerade eine Flasche Pinot noir geöffnet. Vielleicht möchtest du ein Glas mit mir trinken.“

„Sehr gern.“ Seine Stimme klang dunkel, gefährlich.

Sofort breitete sich eine glühende Hitze in ihr aus, sammelte sich in ihrer Mitte. Es machte sie nervös und brachte sie ins Schwitzen, obwohl die Klimaanlage eingeschaltet war. „Vielleicht ist der Wein nicht so gut wie die, die du für gewöhnlich trinkst“, meinte sie, als sie die Küche betraten und sie ihm ein Glas einschenkte. „Aber ich mag ihn.“

Er nahm das Glas und leerte es in einem Zug. Dann stellte er es auf den Tresen.

Sie starrte ihn an. „Okay, also was …?“

Während sie sprach, trat er zu ihr und drängte sie gegen den Küchenschrank. „Ich bin nicht wegen des Weins gekommen, Isa.“

„Das …“ Ihre Stimme versagte. Isa räusperte sich. „Das kann ich mir vorstellen.“

„Und ich bin auch nicht gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen.“

„Marc. Ich … ich denke nicht, dass …“

„Denk nicht“, unterbrach er sie und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. „Hör mir einfach zu.“ Er beugte sich hinunter, seine Lippen streiften sanft ihr Kinn. „Vorhin, auf der Terrasse“, fuhr er fort, und sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr, „da wollte ich dich nicht bei der Arbeit bloßstellen.“

Unwillkürlich wurden ihre Brustspitzen hart, obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte. „Für mich hat es sich aber so angefühlt.“

„Ja, ich weiß. Und daran bin ich schuld.“ Seine Zunge strich über ihre Mundwinkel. „Falscher Zeitpunkt, falscher Ort.“

Leicht und verführerisch zugleich leckte Marc über ihre Lippen. Isa hielt die Luft an. Als sie den Mund öffnete, nahm er dies als Einladung und drang mit der Zungenspitze tiefer ein.

„Meine einzige Entschuldigung“, sagte er zwischen den heißen Küssen, „ist die, dass du mich nach all dieser Zeit immer noch völlig verrückt machst. Wenn ich mit dir zusammen bin, vergesse ich, wo ich bin.“ Mit einer Hand umschloss er ihre Brust. „Und ich vergesse darüber die Zeit.“ Er streichelte die Spitze mit dem Daumen.

Ihr Herz schlug wild und unregelmäßig, sie rang um Atem. Dennoch schaffte sie es, ihm die einzige Frage zu stellen, die ihr in dieser Sekunde wichtig war. „Vergisst du auch, mit wem du zusammen bist?“

„Es ist mir nie gelungen, dich zu vergessen, Isa. Und glaube mir, ich habe es versucht.“

Diese Worte taten ihr weh. Aber sie waren auch ehrlich, das wusste Isa. Und das weichte ihren Widerstand ein wenig auf.

Vielleicht lag es am Wein, den sie getrunken hatte, an ihrer Einsamkeit oder am Schock des Wiedersehens. Aber die Wahrheit war, dass sie ihn wollte. Sie hatte ihn immer gewollt. Und wenn dieser Moment alles war, was ihr jemals mit Marc Durand vergönnt war … nun, dann würde das wenigstens ein würdigerer Abschied werden als ihr letzter.

Deshalb setzte sie ihm auch nichts entgegen, als er jetzt ihren Hals mit Küssen bedeckte. Sie griff in sein dichtes dunkles Haar und bog den Kopf zurück, um ihm noch leichter Zugang zu gewähren.

„Dein Herz schlägt so schnell“, flüsterte er an ihrer Haut.

„Es ist ja auch lange her, dass wir …“ Sie verstummte, wollte nicht zu viel preisgeben.

Doch so schnell gab Marc nicht auf. „Dass wir was?“, wollte er wissen, nachdem er zuerst die eine und dann die andere Brust geküsst hatte.

Auf keinen Fall konnte sie ihm die Wahrheit sagen. Marc durfte nicht erfahren, wie sehr sie ihn einmal geliebt hatte. Oder wie lange es her war, dass sie mit jemand anderem geschlafen hatte. „Dass du mich berührt hast“, antwortete sie schließlich. „Es gab immer diese ganz besondere Chemie zwischen uns.“

Um ihn von dem heiklen Thema abzulenken, strich sie über seine Brust. Er hatte sein Jackett und seine Krawatte bereits abgelegt, bevor er hereingekommen war. Ihre Finger und seine Haut trennte also nur noch ein Stück Stoff, das dieselbe Farbe wie seine Augen hatte.

Marc war so durchtrainiert wie immer, vielleicht sogar noch mehr als früher. Es wäre gelogen, wenn Isa behaupten würde, dass sie ihn nicht nackt sehen wollte. Dass sie nicht die Hitze seines Körpers, die Stärke seiner Muskeln spüren wollte.

Doch dann kam sie wieder zur Vernunft – spät, aber nicht zu spät. Plötzlich musste sie daran denken, wie er sie damals aus dem Haus geworfen und gedemütigt hatte. So etwas wollte sie nicht noch einmal erleben. Sie knöpfte also sein Hemd nicht auf, obwohl sie es liebend gern getan hätte. Stattdessen lehnte sie sich zurück und betrachtete ihn forschend. „Was machen wir hier, Marc?“

Er hob den Kopf. „Ich dachte, das wäre offensichtlich.“

Sie errötete. „Ich wollte damit nur sagen …“ Sie schlug die Augen nieder. „Ich weiß nicht, was du von mir willst.“

„Natürlich weißt du das.“ Er richtete sich auf und sah ihr direkt in die Augen.

In diesem Moment fühlte sie sich so unsicher und verletzbar, dass sie Marc kaum anschauen konnte. Schließlich zwang sie sich jedoch dazu und blinzelte nicht einmal. Sie hatte ein Recht darauf, zu erfahren, worauf sie sich einließ. Aufgrund ihrer Vergangenheit konnte es sich dabei um verschiedene Motive handeln: um Rache, um Sex oder um irgendetwas dazwischen.

Bevor sie sich ihm hingab, musste sie wissen, worum es hier ging.

Allerdings hatte Marc diese sexuellen Spielchen stets besser beherrscht als sie. Er hatte darin mehr Erfahrung, hatte sich besser unter Kontrolle. Konnte seine Gedanken und seine Wünsche besser formulieren als sie. Der heutige Abend bot in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

„Ich will dich, Isa“, raunte er und strich sanft über ihren Rücken. Es war gleichzeitig beruhigend und erregend. „Ich will deine Brüste küssen, deine harten Brustwarzen in den Mund nehmen. Ich will sehen, ob ich dich damit immer noch zum Höhepunkt bringen kann.“

Sie hielt die Luft an und bemühte sich nicht, ihre Erregung vor ihm zu verbergen.

„Ich will vor dir knien, deinen geheimsten Punkt küssen. Ich will fühlen, wie du auf meiner Zunge explodierst.“

Seine Worte waren so mächtig, das Begehren in seiner Stimme so verführerisch, dass Isa allein davon feucht wurde.

„Ich will dich hochheben und gegen die nächste Wand drücken. Will spüren, wie du deine Beine um meine Taille schlingst, während ich in dich eindringe, ganz sanft und langsam. Ich will, dass du dich an mir festklammerst und laut meinen Namen rufst.“

„Marc.“ Es war sowohl eine Befehl als auch ein Flehen. „Ich brauche …“

„Ich will, dass du wieder und wieder und wieder kommst. Bis du vor Lust vergehst. Bis …“

Er brach ab, als sie die Hände in seinem Haar vergrub und seinen Kopf an sich zog. Dann küsste sie ihn voller Leidenschaft. Alles andere war ihr in diesem Moment egal. Jetzt zählte nur Marc. Sie wollte herausfinden, wie er sich in ihr anfühlen würde. Sie wollte ihn halten, wollte, dass er sich in sie verströmte und sie sich dadurch erfüllt fühlte.

Und dann wollte sie, dass er noch einmal von vorn begann.

„Ja.“ Isa hauchte das Wort in seinen Mund, während sie an seinem Seidenhemd zerrte. Sie konnte es kaum erwarten, ihn auszuziehen. Sie wollte seine Haut – heiß und glatt – unbedingt auf ihrer spüren.

Marc stöhnte auf. Ob es an ihrer Zustimmung lag oder daran, dass sie mit den Nägeln über seinen Körper fuhr, konnte sie nicht sagen. Jedenfalls hatte sie ihm das Hemd in Windeseile abgestreift, bevor er ihr wiederum das Tanktop über den Kopf zog.

„Du bist so verdammt schön“, stieß er hervor und umfasste erneut ihre Brüste. Sie zuckte zusammen, weil sich alles so vertraut und doch so neu anfühlte.

Es war ein doppelter Genuss, ihm zuzuschauen und seine Zärtlichkeiten zugleich zu empfangen. Sehnsucht loderte wie eine mächtige Flamme in ihrem Inneren, als er ihre Brustspitzen mit den Fingern umkreiste. Heißes Verlangen raste durch ihre Adern, entfachte jede Faser, schien sie von innen zu verzehren. All ihre Sinne nahmen nur ihn wahr.

Endlich rieb er mit beiden Daumen über ihre aufgerichteten Brustwarzen, und ein überwältigendes Lustgefühl ließ sie aufschreien. Sie klammerte sich an seinen Schultern fest und lehnte sich zurück. Auf diese Weise hatte sie sich noch keinem anderen Mann hingegeben.

Daraufhin ging Marc vor ihr in die Knie und zog ihr in einer fließenden Bewegung die Yogahose und den Slip aus. Er küsste ihren Bauch, ihre Brüste. Ein leises Seufzen entrang sich ihrer Kehle, jeder Muskel zitterte vor Begehren. Isa schrie auf, als er mit den Lippen eine ihrer Brustspitzen umschloss und daran saugte.

Wieder und wieder ließ er seine Zunge über die harte Knospe gleiten, bis sie kurz vor dem Orgasmus stand. Doch Isa wollte nicht, dass es so schnell ging. Es war zu lange her, dass Marc sie in den Armen gehalten, sie geküsst und geliebt hatte. Womöglich war dies ihre einzige Chance, noch einmal mit ihm zu schlafen. Und in dem Fall wollte sie das Vergnügen möglichst lang ausdehnen.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, nahm er ihre andere Brustwarze zwischen die Finger. Als er leicht zukniff, bekam Isa weiche Knie. Sie klammerte sich an ihn und drängte ihm die Hüften entgegen, während sie der süßen Erlösung immer näher kam.

Marc schien ihre Gedanken lesen zu können. Er löste sich von ihr und flüsterte: „Lass los. Es ist okay. Ich hab dich. Das verspreche ich dir. Ich hab dich, Baby.“

Danach nahm er sie wieder in den Mund, und Isa ergab sich seinen Zärtlichkeiten. Sie stöhnte heftiger, als die Lust mehr und mehr Besitz von ihr ergriff.

„Ja, Baby“, ermutigte er sie mit heiserer Stimme, während er ihre Brustspitze zwischen Daumen und Zeigefingern rollte.

Unruhig kratzte sie mit den Fingernägeln über seinen Rücken. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, konnte nur noch fühlen. Sie war so kurz davor, sich von ihren Empfindungen mitreißen zu lassen.

Genau hier, genau hier, genau …

Er biss sie, und Isa kam mit einem lauten Schrei, den ihre Nachbarn vermutlich hören konnten. Es war ihr egal. Sie genoss es, wie ihr Körper zuckte.

Marc verlängerte ihre Lust noch mit dem Mund und den Händen, bis sie völlig erschöpft war. Dann zog er sie an sich. Er hielt sie umschlungen, während er ihr Koseworte zuflüsterte.

Isa hatte keine Ahnung, was hier eben geschehen war. Sie wusste nicht, wie aus dem verbitterten Mann von vorhin wieder der zärtliche Liebhaber von früher geworden war. Doch in diesem Moment wollte sie sich darüber keine Gedanken machen. Nicht jetzt, wenn in ihrem Körper der heftigste Orgasmus widerhallte, den sie seit sechs Jahren gehabt hatte. Nicht jetzt, wenn Marc sie so festhielt, dass sie seinen Herzschlag spüren konnte. Nicht jetzt, wenn sie sich so vollkommen fühlte – zum allerersten Mal, seit er sie aus seinem Haus geworfen hatte.

Ja, das durfte sie nie vergessen. Damals hatte er sie mit nichts als dem Nötigsten am Körper einfach auf die Straße gesetzt. Daran würde sie sich erinnern. Ganz bestimmt. Aber später. Denn gerade war sie innerlich nackt, verletzbar, befriedigt. Isa wollte nichts anderes, als in seinen Armen zu liegen.

Sie wollte ihn lieben und von ihm geliebt werden – auch wenn es nur ihr Körper war, den sie ihm zu geben wagte. Auch wenn es nur sein Körper war, den sie im Gegenzug dafür bekommen würde. Sein Körper und Augenblicke unvorstellbarer Lust.

Es war nicht genug, es war lange nicht genug. Doch wenn sie bloß das von ihm kriegen konnte, würde sie es nehmen.

Vor sechs Jahren hatte Isa gelernt, dass das Leben weiterging; es spielte keine Rolle, wie viele Sorgen sie sich um die Zukunft machte. Deshalb wollte sie auch in dieser Situation nicht darüber nachgrübeln, was als Nächstes kam. Sie würde diese Nacht mit Marc genießen und die Zukunft ausnahmsweise einmal sich selbst überlassen.

5. KAPITEL

Gott, wie hatte er sie vermisst. Den Geschmack ihrer Haut, ihren ganzen Körper. Ihre Schreie, wenn sie kam. Selbst als er sie jetzt in seinen Armen hielt, wollte Marc diese Schreie wieder hören. Es fiel ihm nicht leicht, sich das einzugestehen – nicht nach allem, was zwischen ihnen passiert war. Aber es war die Wahrheit, die er sechs Jahre lang zu verdrängen versucht hatte.

Die Wahrheit, die er – genau wie Isa – endlich für immer aus seinem System verbannen wollte.

Er stand auf und hob sie hoch. „Wo ist dein Schlafzimmer?“, fragte er heiser.

Mit ihren verführerischen Augen schaute sie ihn an. Und plötzlich war ihm, als ob er sterben müsse, wenn er sich nicht sofort mit ihr vereinen konnte. Doch für den Moment genügte es ihm, sie erneut zu küssen.

Isa reagierte auf ihn, wie sie es auch früher getan hatte: voller Wärme, voller Feuer, voller Bereitschaft zur Hingabe. Ohne den Kuss zu unterbrechen, ging er mit ihr den Flur entlang. Und er hörte auch nicht auf, als er sie auf das große Bett legte. Mit einer Hand streifte er seine Boxershorts ab und streckte sich neben ihr aus. Er liebkoste sie so, wie er sie immer liebkost hatte. So lange hatte er sich danach gesehnt – mit seinen Fingern, seinem Mund, seinem Körper. Er berührte sie, reizte sie, schmeckte jeden Zentimeter ihrer süß duftenden Haut.

Isa stöhnte, griff fester in sein Haar, wand sich unter ihm. Sein eigenes Verlangen brannte heiß in ihm, doch er wollte sie noch einmal kommen sehen. Er wollte in diesem Klang, diesem Duft ertrinken. Er wollte ihr so viel Vergnügen schenken, wie sie nur annehmen konnte.

Erneut verwöhnte er ihren Nacken, saugte an ihrer Haut. Sie erschauerte spürbar, rief seinen Namen und krallte die Nägel in seinen Rücken.

Der kurze, scharfe Schmerz löste etwas Wildes in ihm aus, von dessen Existenz Marc bisher nichts geahnt hatte. Er konnte sich nicht länger zurückhalten, konnte die Kontrolle nicht länger aufrechterhalten.

Dann ließ er seine Lippen und seine Zunge über ihren Oberkörper gleiten, über ihre Brüste, den Bauch und die Hüften, zwischen ihre Schenkel. Er wollte jeden Zentimeter erforschen und alles kennenlernen, was sich an ihr in den letzten sechs Jahren verändert hatte. Ihre Brüste waren voller geworden, und sie hatte drei kleine Narben neben ihrem Nabel. Als sie sich zuletzt geliebt hatten, waren sie noch nicht da gewesen.

Mit dem Finger strich er darüber. Er wollte sie so gern danach fragen. Aber das ging ihn nichts an. Sie ging ihn nichts mehr an – das durfte er nicht vergessen.

Doch er konnte nicht anders. „Was ist hier passiert?“

„Was? Wo?“ Ihre Stimme war dunkel, heiser vor Lust.

Lust, die ich ihr geschenkt habe, dachte er befriedigt. Und nicht dieser Weichling, der auf der Party nicht die Finger von ihr hatte lassen können.

„Hier.“ Erneut berührte er die Narben.

„Oh.“ Sie seufzte und streichelte seine Brust. „Das war ein Notfall. Blinddarm.“

Ihre Antwort beruhigte ihn. Still genoss er die Küsse, die sie nun großzügig über seinen Hals und die Schultern verteilte.

„Isa.“ Es war mehr eine Warnung als ein Wort.

Doch sie achtete nicht darauf. Stattdessen richtete sie sich auf und bedeckte seinen ganzen Körper mit weiteren Küssen. Durch nichts ließ sie sich daran hindern, seinen Nabel zu küssen. Unaufhaltsam bewegte sie sich immer weiter nach unten.

Und schließlich nahm sie ihn in den Mund. Sie saugte, umspielte mit der Zunge seine Männlichkeit. Marc fluchte leise. Für ein paar Minuten ließ er sie gewähren, wenn auch seine Muskeln bald zu zittern begannen.

Aber als sie ihn tief in sich aufnahm, überwältigten ihn seine Gefühle beinahe. Schnell zog er sich von Isa zurück.

„Was ist los?“, fragte sie und griff erneut nach ihm. „Ich will dich …“

„Ich will in dir sein, wenn ich komme“, erwiderte er. Er konnte nicht sagen, warum ihm das so wichtig war, doch das war es. Nach der langen Trennung wollte er mit ihr vereint sein, wenn der Orgasmus sie beide bis ins Mark erschüttern würde.

Deshalb ignorierte er ihren stöhnenden Protest und löste sich kurz von ihr. Er griff nach seiner Hose, die auf dem Boden gelandet war. Rasch zog er das Kondom aus der Tasche und streifte es über. Danach legte er sich wieder auf sie.

Er schob eine Hand zwischen ihre Körper und berührte ihre empfindlichste Stelle. Ja, sie war bereit für ihn. Er genoss ihre feuchte Hitze. Offenbar war sie genauso erregt wie er.

„Marc, bitte …“, stieß sie hervor und zog ihn enger an sich.

„Ich bin hier, Baby“, flüsterte er und küsste sie auf die erhitzten Wangen.

Und dann drang er in sie ein. Es war, als würde er nach einer viel zu langen Zeit nach Hause kommen. Isa hielt den Atem an, drängte sich ihm entgegen und schlang die Beine um seine Hüften.

Gott, sie fühlte sich so gut an!

Wieder und wieder tauchte er tief in sie ein, während sie sich ihm entgegendrängte und seine Stöße erwiderte.

Ihr Seufzen drohte, ihn um den Verstand zu bringen.

Der entrückte Ausdruck in ihren dunklen Augen bestärkte ihn, weiterzumachen und sie zum Höhepunkt zu bringen.

Marc war ebenfalls kurz davor. So kurz, dass es ihm fast körperlichen Schmerz bereitete, sich noch länger zurückzuhalten. Aber sie sollte zuerst kommen, das war ihm ungeheuer wichtig. Er wollte ihr Gesicht sehen, wenn die Lust sie überkam. Er wollte sie spüren, während sie ihn so tief wie möglich in sich aufnahm.

Schweiß lief seinen Rücken hinunter, während er die Lust und die Spannung zwischen ihnen immer höher trieb. Isa stöhnte, flehte ihn mit zittriger Stimme an.

Eigentlich wünschte er sich nichts mehr, als ihr – und sich selbst – Erlösung zu schenken. Doch Marc war noch nicht bereit, loszulassen und alles zu beenden. Es war so lange her, dass er sie gehalten hatte. Er wollte jede Sekunde auskosten, eine Ewigkeit lang. Wer wusste schon, wann oder ob er dazu je wieder die Chance haben würde?

Aber Isa konnte offenbar nicht länger warten. Sie klammerte sich an ihm fest, zog ihn mit aller Macht an sich. Küsste ihn überall, saugte an seiner Haut.

Es war dieses Zeichen, das ihn die Selbstbeherrschung verlieren ließ.

Im nächsten Moment schrie Isa auf, zuckte wie wild in vollendeter Hingabe. Erst danach ließ er sich selbst von dieser mächtigen Kraft mitreißen, als die Lust wie eine Flutwelle über sie hereinbrach. Marc kam, bis er nicht mehr wusste, wo sie aufhörte und er anfing … Bis er nicht mehr wusste, wie er je ohne das hier, ohne Isa hatte leben können.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, fühlte Marc sich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Seit sechs Jahren, um genau zu sein. Sein Körper war gesättigt, und er war im Frieden mit sich selbst. Dieses Gefühl war so neu und ungewohnt, dass es ihn fast schlagartig vom Schlaf in den Wachzustand versetzte.

Er riss die Augen auf und erblickte Isas rotes Haar, das auf dem Kopfkissen neben ihm wie aufgefächert dalag. Sofort stiegen Erinnerungen an die letzte Nacht in ihm auf und erregten ihn aufs Neue. Er spielte mit dem Gedanken, sie herumzurollen und langsam in sie einzudringen, bis auch sie erwachen und ihn mit ihren großen Augen ansehen würde.

Ja, das war es, was er wollte. Er begehrte sie mit einer solchen Intensität, dass es fast schon etwas Verzweifeltes hatte. Und aus diesem Grund tat er genau das Gegenteil.

Er stieg schnell aus dem Bett, griff nach seiner Hose und ging den Flur entlang in Richtung Küche, wo er sein Hemd vermutete. Tatsächlich lag es dort zerknüllt auf dem Boden, direkt neben seinen Schuhen.

Nie zuvor hatte eine Frau solche Gefühle in ihm ausgelöst wie Isa. Als sie zusammen gewesen waren – als er sie geliebt und ihr vertraut hatte –, war der Sex mit ihr immer unglaublich gewesen. Tag für Tag, Nacht für Nacht hatte er sich in ihr verloren. Er hatte sich selbst gefragt, warum ihn das nicht erschreckte. Für gewöhnlich vertraute er Menschen nämlich nicht so leicht. Aber er hatte sich ihr hingegeben und hätte sich nicht einmal in seinen wildesten Träumen vorstellen können, dass sie ihn verraten würde.

Doch das hatte sie getan, und jetzt waren sie hier gelandet. Und genau wie früher war der Sex mit ihr fantastisch und grenzte an ein Wunder.

Aber es war nicht die Lust, die Marc an diesem Morgen zu schaffen machte. Nein, es war das Gefühl, dass sich sein Körper und sein Geist zum ersten Mal seit langer Zeit in Einklang befanden.

Es gefiel ihm nicht, dass Isa solche Empfindungen in ihm auslösen konnte. Seit er sie im Hörsaal vor ihren Studenten gesehen hatte, waren keine vierundzwanzig Stunden vergangen – und schon lagen sie zusammen im Bett. Nicht nur das: Er dachte ja sogar daran, sie erneut zu nehmen.

Genau da lag das Problem. Denn das durfte nicht sein. Auf gar keinen Fall durfte er vergessen, dass sie ihm vor sechs Jahren in den Rücken gefallen war. Dass sie sich für ihren Vater und damit gegen ihn entschieden hatte. Für einen Mann, der Marc bestohlen und viele Jahre harte Arbeit zunichtegemacht hatte.

Damals, auf dem Höhepunkt der heißesten Liebesaffäre seines Lebens, war Isa dazu in der Lage gewesen, so zu wählen. Und das hieß, dass sie es wieder tun könnte. In diesem Fall müsste er sie verlassen, und zwar sofort. Bevor er zum Opfer all der kleinen Dinge wurde, die er damals so sehr an ihr geliebt hatte.

Wie ihr Lächeln und ihr Duft.

Wie ihr Sinn für Humor und ihr scharfer Verstand.

Wie ihre Schläfrigkeit am frühen Morgen, wenn sie sich an ihn schmiegte und um ein paar Küsse bettelte.

„Du bist ja immer noch da.“ Ihre Stimme klang rau und müde. Als er sich jedoch zu ihr umdrehte, waren ihre Augen weit offen. „Ich dachte, du wärst schon weg!“

„Nein, noch nicht. Aber ich muss jetzt los, ins Büro.“

„Heute ist doch Samstag!“

„Ja, ich weiß. Ich arbeite eben auch am Samstag.“ Eigentlich arbeitete er jeden Tag. „Besonders jetzt, nachdem ich den Kurs am Institut übernommen habe.“

Er überlegte, ob er ihr einen Kuss auf die noch immer geschwollenen Lippen geben sollte. Ehrlich gesagt war er aber genauso verunsichert, wie sie es zu sein schien.

„Das hast du früher nie getan!“, gab sie zurück. Es klang fast wie ein Vorwurf, und er fühlte sich sofort schuldig.

Etwas heftiger als beabsichtigt erwiderte er: „Ja, vor sechs Jahren habe ich ja auch gedacht, mir könne nichts passieren. Ich habe die Firma in Sicherheit geglaubt; ich habe geglaubt, ich könnte mal durchatmen und mir vielleicht einen Tag freinehmen. Aber wie du dich bestimmt erinnerst, lief die Sache dann nicht besonders gut für mich.“ Er konnte es nicht fassen. Wie konnte sie es wagen, ihn vorzuführen? Immerhin war sie diejenige, die ihn verraten hatte und anschließend für sechs Jahre von der Bildfläche verschwunden war.

Isa zuckte zusammen, wandte aber den Blick nicht von ihm ab. „Wie lange willst du mir das eigentlich noch vorwerfen?“

Er funkelte sie an. „In den letzten vierundzwanzig Stunden habe ich das genau zweimal erwähnt. Und davor habe ich jahrelang nicht mit dir gesprochen. Aber vielleicht geht es ja auch gar nicht um mich. Möglicherweise fühlst du dich schuldig und befürchtest, dass ich mich an dir rächen könnte.“

„Kann schon sein. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich die Situation deshalb falsch deute.“ Sie holte tief Luft, als wollte sie sich damit Mut machen.

Plötzlich schämte Marc sich für sein Verhalten. Er war schließlich nicht gekommen, um Isa in ihrem eigenen Haus zu beschimpfen. „Sag es, Isa. Was immer es ist, sprich es dir von der Seele!“

„Also gut.“ Nach kurzem Zögern gab sie sich einen Ruck. „Ich verstehe einfach nicht, was letzte Nacht los war.“

„Was meinst du damit?“ Auf einmal fühlte er sich unbehaglich. Er wollte lieber nicht so genau über seine Beweggründe der letzten Nacht sinnieren.

„Damit meine ich, warum bist du hergekommen? Wolltest du dich an mir rächen? Oder mich verletzen?“ Trotz ihrer Nervosität von vorhin blieb ihre Stimme ganz ruhig.

Das traf Marc heftig. Er war sich über einige seiner Motive – wie Lust, Verwirrung, Eifersucht, Verlangen – durchaus im Klaren. Rache zu nehmen war ihm hingegen nie in den Sinn gekommen. Weder als er mit ihr auf der Terrasse gesprochen noch als er sich entschieden hatte, ihr zu folgen. Und ganz bestimmt nicht, als er auf ihrer Türschwelle gestanden hatte. Er hatte immer nur an sie gedacht. Nur an sie.

Doch Isa sah das offenbar anders. Sie wollte alles über seine Beweggründe wissen, unterstellte ihm irgendwelche finsteren Absichten für sein Erscheinen. Das verletzte ihn; er kam sich wie ein Narr vor. Sie hatte ihn schon einmal an der Nase herumgeführt, und das würde er nicht kein weiteres Mal mit sich machen lassen. Schließlich war er nicht dumm.

„Rache würde ich es nicht nennen“, entgegnete er. „Es ging mir eher um eine Art Abschluss. Unsere Beziehung ist damals so abrupt zu Ende gegangen, dass ich das sehr unbefriedigend fand.“

„Und jetzt?“, fragte sie ihn mit hochgezogenen Brauen.

„Jetzt? Jetzt fühlt es sich so an, als hätte sich der Kreis geschlossen.“

Das stimmte zwar nicht, aber das brauchte Isa nicht zu erfahren. Außerdem musste es ja keine Unwahrheit bleiben. Er wollte die Geschichte mit Isa ja wirklich abschließen. Marc bückte sich, um seine Schlüssel vom Boden aufzuheben. Er wusste nun, dass es ihr gut ging und sie seine grausame Behandlung von vor sechs Jahren überlebt hatte. Das war genug. Mehr als genug.

„Danke für letzte Nacht“, sagte er und gab ihr noch einen raschen Kuss auf die Wange, bevor er zur Tür ging. „Es hat Spaß gemacht.“

Isa nickte, erwiderte allerdings nichts. Sie schwieg weiterhin, als Marc die Veranda erreichte, die Stufen hinabstieg und auf sein Auto zusteuerte.

Er hatte keine Ahnung, welche Abschiedsworte er sich von ihr gewünscht hätte. Als die Haustür leise hinter ihm zufiel, wurde ihm eins jedoch klar: Die Stille war keine Antwort. Er wollte mehr von ihr.

So war es immer gewesen. Sie hatte ihm nur nie genug geben können.

Was war sie doch für eine Idiotin!

Nachdem Isa die Tür hinter Marc abgeschlossen hatte, ging sie zurück ins Schlafzimmer. Obwohl sie sich am liebsten die Decke über den Kopf gezogen hätte, wusste sie, dass das nicht funktionieren würde. Zum einen wären ihre Probleme immer noch da, wenn sie wieder auftauchte. Und zum anderen duftete die Bettwäsche nach Marc und nach dem, was sich letzte Nacht zwischen ihnen abgespielt hatte. Wenn sie daran dachte, war es wie ein Stich ins Herz.

Dabei hatte sie die ganze Zeit gewusst, dass sie einen Fehler machte. Marc gehörte schließlich nicht zu der Art von Männern, die einen Verrat leichthin verzeihen würden. Das war ihr völlig klar gewesen. Trotzdem war sie mit ihm ins Bett gegangen und hatte sich selbst einzureden versucht, dass ja ständig Wunder geschahen. Warum hätte es mit ihnen nicht wieder so sein können wie früher – bevor ihr Vater alles zerstört hatte?

Plötzlich ertrug sie den Anblick des zerwühlten Bettes nicht mehr. Wütend riss sie die Laken herunter, marschierte ins Badezimmer und stopfte die gesamte Wäsche in die Waschmaschine. Sie wollte jede Erinnerung an Marc und ihren Fehler auslöschen.

Danach beschloss sie, gründlich zu duschen. Ungeduldig wartete sie darauf, dass das Wasser warm wurde. Dabei schaute sie zufällig in den Spiegel.

Sie sah ziemlich verwüstet aus. Ihr Haar war völlig zerzaust, ihre Haut von seinen Bartstoppeln gerötet. Ihre Lippen waren geschwollen, ihre Augen blickten verträumt, und ihr Blick wirkte ein wenig unkoordiniert. Außerdem hatte sie blaue Flecke: am Hals, auf der linken Brust und der Innenseite des rechten Oberschenkels. Das waren Knutschflecke. Kleine Erinnerungen an seine Zärtlichkeiten.

Als hätte sie daran erinnert werden müssen! Als hätte sie vergessen können, was letzte Nacht zwischen ihnen passiert war!

Aber sie musste es vergessen, musste die Geschehnisse der letzten Nacht tief in sich vergraben. Auf keinen Fall wollte sie ständig daran denken müssen, wann immer sie das Schlafzimmer betrat. Oder jedes Mal, wenn sie Marc im Institut traf. Seit sechs Jahren stolperte sie immer wieder über seinen Namen: Ihre Spezialität waren Blutdiamanten, und seine Firma war der größte Importeur von Diamanten, deren Herkunft einwandfrei belegt war. Daher hatte sie viel über ihn gelesen und sein Unternehmen gründlich durchleuchtet.

Bisher war es ihr stets gelungen, zwischen dem Privat- und dem Geschäftsmann zu unterscheiden. Doch nachdem sie nun erneut miteinander geschlafen hatten, würde ihr das nicht gelingen. Nun würde sie so handeln müssen wie vorher: wegschauen, nicht hinhören, so tun, als würde er gar nicht existieren. Jedenfalls so lange, bis ihre Wunden geheilt waren.

Durch Schein zum Sein, sagte sie sich im Stillen. Damit stieg sie unter die Dusche und versuchte, jede Erinnerung an ihn wegzuschrubben. War das nicht der beste Weg? Schließlich hatte sie ja auch lange so getan, als wäre das Jahr in Manhattan nie passiert. Und am Ende war es ihr gelungen, wieder glücklich zu sein. Glücklich und gesund. Ausgerechnet jetzt musste Marc auftauchen und alles durcheinanderbringen.

Nein, diesmal würde er das nicht schaffen. Er war viel zu dominant, und sie durfte sich nicht noch einmal auf ihn einlassen. Damals hatte es Spaß gemacht, aber damals hatte sie außer ihm auch nichts zu verlieren gehabt. Als sie ihm begegnet war, hatte der Kick des Stehlens von Diamanten bei ihr längst nachgelassen. Nichts im Leben hatte sie überhaupt noch reizen können – bis auf ihn.

Heute war die Situation allerdings eine andere. Heute hatte Isa eine Karriere. Sie hatte Freunde. Sie hatte ein eigenes Leben. Dafür hatte sie viel zu hart gearbeitet, um jetzt wieder denselben Fehler zu machen. Und derselben alten Chemie zum Opfer zu fallen.

Nein, ab sofort würde sie ihn ignorieren. Falls sich ein Treffen nicht vermeiden ließ, würde sie ihm kurz zunicken und dann ihrer Wege gehen. Kein Umgang miteinander, kein Streit und ganz bestimmt kein Sex.

Jede Interaktion mit ihm würde zu Fragen ihrer Kollegen führen, die Isa nicht beantworten konnte. Fragen, die eine Vergangenheit zur Sprache bringen würden, über die sie nicht reden konnte.

Denn eine der führenden Kapazitäten im Edelsteinbereich – eine Frau, die auf der ganzen Welt Zugang zu Tresoren hatte, in denen die wertvollsten Juwelen lagen – konnte nicht zugleich die Tochter des berühmtesten Juwelendiebs aller Zeiten sein. Das funktionierte so nicht.

Und nachdem sie damals von Marc auf die Straße gesetzt worden war, hatte sie nur ihre Arbeit gehabt. Auf keinen Fall würde sie also ihre Karriere seinetwegen aufs Spiel setzen. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Unabhängig davon, wie stark die Chemie zwischen ihnen war und was für tollen Sex sie hatten.

Manche Dinge sollten einfach nicht sein. Und die Beziehung zu ihm gehörte offensichtlich dazu.

Das musste Isa sich bloß immer wieder ins Gedächtnis rufen.

6. KAPITEL

„Wir haben ein Problem.“

Marc sah hoch, als Nic an seinem Assistenten vorbei ins Büro stürmte, ohne vorher anzuklopfen. „Was ist denn los?“

Sein Bruder schlug erregt mit der Faust auf die Schreibtischplatte, und alles darauf – einschließlich Marcs Laptop und einem Becher Kaffee – geriet in Bewegung. Bevor der Becher umfallen und sich der Inhalt über seine Papiere ergießen konnte, schnappte Marc ihn sich und stellte ihn hinter sich aufs Regal.

Als er sich wieder zu Nic umdrehte, gab er sich möglichst gelassen. Das war auch nötig, denn Nic geriet nicht wegen jeder Kleinigkeit aus der Fassung. Es musste also etwas Besonderes vorgefallen sein, um ihn in Panik zu versetzen. Und diese Panik machte Marc mehr als nur ein bisschen nervös.

„Schieß los!“, forderte er seinen Bruder auf.

„Ich habe gerade mit einer Journalistin der LA Times gesprochen. Sie schreibt einen Enthüllungsartikel über unsere Firma und hat mich um einen Kommentar gebeten, bevor er erscheint.“

„Einen Enthüllungsartikel? Was will sie denn enthüllen?“ Er stand auf und ging um den Schreibtisch herum. „Wir beide haben schließlich die Kontrolle über die gesamten Abläufe. Hier passiert nichts, von dem wir nichts wissen.“

„Ja, das habe ich ihr auch gesagt.“

„Und? Was will sie enthüllen?“

„Ihrer Meinung nach die Tatsache, dass wir Blutdiamanten fördern. Dass wir sie als einwandfrei deklarieren, um unseren Profit zu erhöhen.“

„Das ist ja lächerlich!“

„Absolut. Das habe ich ihr klipp und klar mitgeteilt. Aber sie behauptet, sie hätte eine unanfechtbare Quelle.“

„Wer soll das sein?“

Autor

Tracy Wolff
Tracy Wolff sammelt Bücher, Auszeichnungen und Lippenstifte und ist bekannt dafür manchmal zu vergessen wo – und manchmal wer – sie ist, wenn sie in das Schreiben eines neuen Romans vertieft ist. Mit sechs Jahren schrieb sie ihre erste Short Story – „irgendetwas über einen Regenbogen und einen Prinzen“. Mit...
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