Verführt vom schottischen Traummann

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Duncan ist ein heißer Typ! Noch nie hatte die junge Rechtsanwältin Abby so einen sexy Liebhaber. Dabei weiß sie: Sobald sie die rechtlichen Angelegenheiten seiner Großmutter in North Carolina geklärt haben, wird Duncan zurück nach Schottland fliegen. Aber wenn Abby in seinen Armen dahinschmilzt und er sie unendlich zärtlich anschaut, hat sie das Gefühl, dass es hier um Liebe geht. Bis er im Nachlass seiner Großmutter eine schockierende Entdeckung macht. Plötzlich liest Abby statt Zärtlichkeit nur noch eisiges Misstrauen in seinen Blicken!


  • Erscheinungstag 06.08.2019
  • Bandnummer 2092
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725327
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

An den meisten Tagen ging Abby Hartmann gerne in die Kanzlei, denn als Rechtsanwältin in einer Kleinstadt hatte sie überwiegend mit Erfreulichem zu tun. Zudem kannte sie normalerweise ihre Klienten persönlich. An diesem Samstagmorgen jedoch lief es besonders gut. Mit feuchten Händen und aufgeregt klopfendem Herzen strich sie sich den Rock glatt und deutete auf den Sessel gegenüber Ihrem Schreibtisch. „Setzen Sie sich, Mr. Stewart.“

Sie atmete tief durch und schob nervös einen Papierstapel auf die andere Seite Ihres Tisches. Der Mann war eine eindrucksvolle Persönlichkeit, allein seine Anwesenheit ließ ihr Büro um einiges kleiner wirken. Kurzgeschorenes dunkelbraunes Haar, schokoladenfarbene Augen und eine schlanke, sportliche Figur. Was sie am meisten beeindruckte, war jedoch die Ruhe und Stärke, die er ausstrahlte. Fast befürchtete Abby, er könnte jeden Moment mit einem Satz den kleinen Abstand zwischen ihnen überwinden, sie ergreifen und sie ohne Sinn und Verstand küssen.

Ihre Reaktion auf ihn beunruhigte sie. Nur weil der Kerl einen sexy schottischen Akzent und eine Wahnsinnsfigur hatte, war das noch lange kein Grund, die Fassung zu verlieren. Außerdem, egal, wie attraktiv er auch war, der Schotte verkörperte den wohlhabenden, arroganten Typ Mann, den sie überhaupt nicht ausstehen konnte. Sie hatte viele von ihnen kennengelernt. Männer, die sich nahmen, was sie wollten, und denen es egal war, wenn sie einen Scherbenhaufen zurückließen.

„Ich bin mir nicht sicher, wieso ich hier bin“, begann Duncan Stewart zögernd. „Meine Großmutter tut manchmal gerne geheimnisvoll.“

Abby brachte ein Lächeln zustande, obwohl sie sich verunsichert fühlte. „Isobel Stewart hat ihr Testament aktualisiert und wollte, dass ich es mit Ihnen durchgehe. Darf ich fragen, wieso Sie sich entschieden haben, von Schottland nach North Carolina zu ziehen?“

Verwundert runzelte Duncan die Stirn. „Das ist doch offensichtlich. Granny ist über neunzig, und Grandda ist schon seit einem Jahr tot. Mein Bruder Brody ist frisch verheiratet und gerade erst Vater geworden. Er hat keine Zeit herzukommen. Und da meine Großmutter das Haus nicht verkaufen und ins Altersheim gehen will, muss sich ja schließlich jemand um sie kümmern.“

„Das ist sehr großmütig von Ihnen, Mr. Stewart. Ich kenne nicht viele Männer, die ihr Leben auf Eis legen, um sich um Ihre Großmutter zu kümmern.“

Duncan konnte den merkwürdigen Ton in der Stimme der hübschen Rechtsanwältin nicht so richtig einordnen. War das Bewunderung oder Sarkasmus? „Ich hatte ja keine Wahl“, erwiderte er.

Beschämt erinnerte er sich daran, wie sehr es ihm widerstrebt hatte, überhaupt herzukommen, und nun weckten die Worte der Frau ein schlechtes Gewissen in ihm. Er hielt nicht viel von Rechtsanwälten und traute ihnen nicht so recht über den Weg. Doch er musste zugeben, dass die Frau, die ihm gegenübersaß, sympathisch und vertrauenswürdig aussah.

Abby Hartmann starrte ihn an. „Jeder hat eine Wahl, Mr. Stewart. Anfangs dachte ich, Sie seien nur auf das Geld aus, aber Ihre Großmutter hat mir mehr, als ich eigentlich wissen wollte, über Sie und Ihren Bruder erzählt. Sie sind äußerst vermögend und nicht auf Ihren Anteil an Stewart Properties angewiesen.“

Obwohl er eigentlich heute überhaupt nicht in die Kanzlei kommen wollte, ertappte sich Duncan dabei, wie er sich wünschte, das Gespräch mit der Rechtsanwältin würde noch eine Weile dauern. Er hatte eine steife Frau mittleren Alters in einem konservativen grauen Kostüm und Brille erwartet. Als ihn eine junge, kaum eins sechzig große, attraktive Frau mit sexy Kurven empfangen hatte, war er positiv überrascht gewesen.

Den Diplomen zufolge, die an der Wand hinter ihr hingen, war sie vermutlich Ende zwanzig, und nichts an ihr war konservativ oder steif. Sie sah unglaublich verführerisch aus und entsprach ganz und gar nicht seiner Vorstellung von Juristinnen. Aber vielleicht hatte er auch einfach zu viele Anwaltsserien geguckt. Ihr lockiges rotblondes Haar war kurz geschnitten.

Ehe sie ihm gegenüber Platz genommen hatte, hatte Duncan einen Blick auf ihren wohlgeformten Po erhascht, der in ihrem schwarzen knielangen Bleistiftrock äußerst gut zur Geltung kam. Ihre rote Bluse spannte etwas über ihrem Busen und Duncan hatte Mühe sich von diesem verlockenden Anblick loszureißen. Sie hatte zwar nur die zwei obersten Knöpfe ihrer Bluse aufgelassen, aber ihr Ausschnitt …

Er räusperte sich und wünschte, er hätte das Glas Wasser, das Abby ihm bei seinem Eintreffen angeboten hatte, nicht abgelehnt. „Ich liebe meine Großmutter, Ms. Hartmann. Sie und mein Großvater haben Stewart Properties aus dem Nichts aufgebaut.“

„Nennen Sie mich doch bitte Abby“.

„Sie hat für ihn ihre Heimat verlassen“, fuhr Duncan fort. „Die beiden hatten eine wunderbare Liebesgeschichte, so wie man sie eigentlich nur aus Büchern oder Filmen kennt.“

„Das klingt wunderbar.“

„Aber?“

„Nichts aber …“

„Das klang aber sehr nach einem Aber.“

Abby errötete. „Ich will die Liebe Ihrer Großeltern nicht abtun, ich bezweifle jedoch, dass es so etwas heute noch gibt. Leidenschaftliche Liebesgeschichten, jahrzehntelange Ehen.“

„Sind Sie nicht etwas zu jung für so viel Pessimismus?“

„Sie kennen mich nicht gut genug, um das zu beurteilen“, fuhr sie ihn entrüstet an.

Oh, Mann, Temperament hatte sie also auch. „Es tut mir leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Wir sollten über das Testament reden. Ich will nicht zu viel Ihrer Zeit in Anspruch nehmen.“

Abby seufzte. „Tut mir leid, mein wunder Punkt. Ehe wir aber mit dem Testament weitermachen, habe ich noch eine Frage. Wenn Ihre Großmutter Schottland verlassen hat, um sich hier mit Ihrem Großvater niederzulassen, wieso leben Sie dann jetzt in Schottland?“

„Meine Großeltern hatten nur ein Kind, meinen Vater. Dad war immer fasziniert gewesen von seinen schottischen Wurzeln und ist, sobald er volljährig war, in die Highlands gezogen und niemals zurückgekehrt. Brody und ich haben immer in Schottland gewohnt und waren nur manchmal im Urlaub hier in Candlewick.“

„Ich weiß, dass Ihr Bruder auf Skye ein Schiffsunternehmen hat. Was machen Sie in Schottland?“

„Ich war sein Geschäftsführer.“ Duncan hielt einen Moment inne, ehe er weitersprach. „Da ich noch nicht weiß, wie lange ich hier sein werde, hat Brody jemand anderen eingestellt. Ansonsten wäre das dem Betrieb gegenüber nicht fair.“

„Das ist sicher alles sehr schwierig für Sie.“

Ihr aufrichtiger mitfühlender Blick tat ihm gut. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er das Gefühl, dass dieser Umbruch in seinem Leben womöglich gar nicht so schlecht war. „Als mein Großvater starb, brachte keiner von uns es übers Herz, darauf zu bestehen, dass meine Großmutter zu uns nach Schottland zieht. Außerdem hätten wir sie förmlich ins Flugzeug tragen müssen, weil sie sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte.“

Abby lachte. „Das kann ich mir bildlich vorstellen.“

Duncan versuchte, das Wippen ihrer Brüste zu ignorieren, als sie etwas mit dem Stuhl nach vorn rückte. „Würden Sie einmal mit mir Abendessen gehen?“, fragte er spontan.

Wortlos starrte die Anwältin ihn an und Duncan sah verlegen zu Boden. Spontanität war normalerweise überhaupt nicht sein Ding.

Abby nagte an ihrer Unterlippe. „Das wäre vermutlich ethisch nicht vertretbar.“

Duncan entging weder das Zögern in ihrer Stimme noch die Tatsache, dass Abby nicht mit einem eindeutigen Nein geantwortet hatte. „Sie sind nicht meine Anwältin.“

„Ich hätte mich von Anfang an klarer ausdrücken sollen“, entgegnete Abby und sah ihn besorgt an. „Mein Kollege Mr. Chester ist seit langer Zeit der Anwalt Ihrer Großeltern. Er ist nur derzeit krankgeschrieben und hat mich gebeten, ihn währenddessen in den Angelegenheiten Ihrer Großmutter zu vertreten. Ein Klient von uns ist sehr an einem Kauf von Stewart Properties interessiert. Es ist ein Barzahlungsangebot.“

Sofort meldete sich sein Zynismus. Rechtsanwälte waren und blieben falsche Schlangen. Diese Frau war keine Ausnahme, dachte Duncan ein wenig enttäuscht. „Kein Interesse.“

Abby musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. „Es ist ein sehr faires Angebot.“

„Das ist mir egal, ich will nichts davon hören. Meine Großmutter will nicht verkaufen.“

„Ich dachte, Sie wollen in ihrem besten Interesse handeln“, erwiderte die Anwältin in leicht schnippischem Ton.

„Das will ich auch. Deshalb läuten bei mir auch sämtliche Alarmglocken, wenn ihre hinterlistigen Rechtsanwälte sie dazu überreden wollen, die Firma, die ihr viel bedeutet, zu verkaufen.“

„Sind Sie absichtlich so unverschämt und zynisch? Ich nehme es Leuten übel, wenn Sie mein Berufsethos infrage stellen.“

„Und ich nehme es Leuten übel, wenn sie eine alte Frau ausnutzen.“

„Ich nutze sie doch nicht aus, wenn sie dadurch extrem wohlhabend wird.“

„Granny braucht nicht mehr Geld. Sie hat genug.“

„Niemand hat jemals genug Geld, Mr. Stewart.“

Ihre Stimme klang müde, und sie hatte einen verletzten Unterton. Duncan beschloss jedoch, im Moment nicht näher darauf einzugehen. Trotz seiner Ahnung, dass er sich von dieser Frau besser fern halten sollte, wiederholte er sein Angebot. „Gehen Sie mit mir essen?“

„Nein.“

Duncan runzelte die Stirn. „Sehen Sie es als Dienst am Nächsten. Ich bin einsam. Außer meiner uralten Großmutter und Ihnen kenne ich hier niemanden. Haben Sie Mitleid mit mir, Abby Hartmann. Und bitte nennen Sie mich Duncan.“

„Tragen Sie nicht zu dick auf, Duncan. Ich werde darüber nachdenken, aber bedrängen Sie mich nicht. Wieso wollen Sie überhaupt mit einer Rechtsanwältin essen gehen, wenn Sie Juristen nicht über den Weg trauen? Das widerspricht sich doch.“

Abwehrend hob Duncan die Hände. „Ich werde es nicht noch mal erwähnen. Zumindest nicht die nächsten paar Tage. Und Sie haben recht. Also, was ist mit diesem Testament?“

Abby schien erleichtert zu sein, dass er das Thema gewechselt hatte. Amüsiert beobachtete er, wie sie wieder in den Rechtsanwalt-Modus umschaltete.

Er hatte sich schon immer zu klugen Frauen hingezogen gefühlt. Sie ließen sich im Allgemeinen nichts von Männern gefallen, was eine Herausforderung darstellte und seinen Kampfinstinkt hervorrief. Er spürte, dass auch sie ihn nicht unattraktiv fand. Trotzdem würde es nicht leicht werden, sie zu erobern, und das machte die ganze Sache unglaublich reizvoll.

Wenn er die mit üppigen Rundungen ausgestattete Rechtsanwältin ins Bett kriegen wollte, würde er sich anstrengen müssen, und das reizte ihn ungemein.

Abby öffnete eine Mappe und schob sie zu ihm rüber. „Bitteschön. Sie haben bereits eine frühere Version davon gesehen, wir haben einen wichtigen Passus hinzugefügt, eine Ausstiegsklausel, wenn Sie so wollen. Wenn Sie nach vierundzwanzig Monaten hier unglücklich sind und immer noch zurück nach Hause wollen, hat Ihre Großmutter zugestimmt, Stewart Properties zu verkaufen und Sie zurück nach Schottland zu begleiten. Ich habe die Änderungen markiert, die Sie abzeichnen müssen. Ihr Bruder und Ihre Großmutter haben bereits unterschrieben.“

Verwundert sah Duncan sie an. „Wirklich?“

„Ja. Brody kam vor seiner Abreise mit Ihrer Großmutter hierher.“

„Wieso hat mir das niemand gesagt?“ Duncan hatte ein ungutes Gefühl.

„Ich sage es Ihnen ja jetzt.“

Duncan überflog das Testament und suchte nach den Stellen, die geändert worden waren. All die kleinen rosa Markierungen irritierten ihn. „Ich verstehe nicht ganz“, begann er zögernd. „Granny meinte, sie würde die Firma je zur Hälfte meinem Bruder und mir hinterlassen.“

„Angesichts jüngster Entwicklungen, Brodys Hochzeit und Ihres Umzugs nach Amerika, hielten es Ihre Großmutter und Ihr Bruder für besser, die Aufteilung zu achtzig zu zwanzig zu ändern. Sie haben Ihren Beruf und Ihr Leben in Schottland aufgegeben. Sie wollen sicherstellen, dass Sie nicht unter dieser Entscheidung leiden.“

„Die Entscheidung war freiwillig“, erwiderte Duncan beharrlich. „Ich wollte dafür nichts haben. Das ist absurd. Ich werde das nicht unterschreiben.“

„Sie kennen doch Ihre Großmutter.“ Abby grinste ihn freundlich an. „Sie wird sich nicht davon abbringen lassen. Außerdem kriegen Sie ja nichts umsonst. Die Firma ist riesig und es kommt viel Arbeit auf Sie zu. Ihre Großmutter möchte noch mitmischen, kann aber körperlich nicht mehr so ganz mithalten. Das Schicksal von Stewart Properties liegt nun in Ihrer Hand.“

„Danke für die aufmunternden Worte.“

„Hier neu anzufangen und nach Ihrer Großmutter zu sehen, wird nicht leicht werden für Sie. Der Umgang mit älteren Leuten kann kompliziert sein. Dazu kommt noch der Stress, ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen zu führen.“

„Das mit den aufmunternden Worten haben Sie nicht so gut drauf.“ Duncan wurde schlecht bei dem Gedanken, was da alles auf ihn zukam. „Am liebsten würde ich alles Brody überlassen.“

„Ich glaube nicht, dass er es nehmen würde.“

„Toll. Einfach toll.“

„Sehen Sie es als Abenteuer.“

Duncan unterschrieb an den vorgegebenen Stellen und schob Abby die Mappe zurück. „Okay, erledigt! Ich hoffe, ich kann mich in den kommenden Wochen und Monaten auf Sie verlassen.“

Abby blickte ihm direkt in die Augen. „In Rechtsangelegenheiten?“

Duncan lehnte sich in seinem Sessel zurück und grinste sie süffisant an. Er wollte sie wissen lassen, dass sein Interesse an ihr über ein Abendessen hinausging. „In allen Angelegenheiten.“

Den Rest des Tages fühlte sich Abby wie benommen. Sie schwankte zwischen aufgeregter Freude darüber, dass Duncan Stewart mit ihr essen gehen wollte, und der absoluten Gewissheit, dass er sich nur einen Spaß gemacht hatte.

Glücklicherweise hatte sie sich an diesem Abend mit ihrer besten Freundin Lara Finch zum Abendessen verabredet. Die beiden fuhren zusammen nach Claremont, das dreißig Kilometer von Candlewick entfernt lag. Es gab dort bessere Restaurants und es tat gut, mal aus dem verschlafenen Städtchen rauszukommen.

„Was ist los, Abby?“, wollte Lara wissen, nachdem sie im Restaurant Platz genommen hatten. „Du hast bisher fast nichts gesagt. Im Auto habe nur ich geredet. Spuck’s aus!“

„Okay, ich habe heute einen Typen kennengelernt.“

Lara legte ihre Gabel ab, lehnte sich zurück und starrte Abby mit offenem Mund an.

Abby zuckte zusammen. „So ungewöhnlich ist das auch wieder nicht, oder?“

„Das letzte Mal, als du mir gegenüber von einem Mann gesprochen hast, war irgendwann um die Jahrhundertwende. Dieser geheimnisvolle Mann muss ja was ganz Besonderes sein. Hat der vielleicht noch einen Bruder?“

„Ja, aber der ist leider bereits vergeben.“

„Mist.“

Abby überlegte, wie viel sie Lara erzählen sollte. Wenn sie ihr gegenüber zugab, wie sehr die Begegnung mit Duncan Stewart sie aus der Bahn geworfen hatte, würde Lara keine Ruhe mehr geben. „Kennst du Isobel Stewart?“

„Na klar, jeder kennt Miss Izzy. Sie hat mehrere Konten bei uns.“

Lara war Kreditberaterin auf der Bank in Candlewick. Eine angesehene Position in einer Kleinstadt.

„Der Mann ist Miss Izzys Enkel.“

„Brody?“

„Nein, Brodys Bruder.“

„Es ist der britische Akzent, stimmt’s? Er könnte zwei Köpfe und überall Warzen haben, die Frauen würden trotzdem über ihn herfallen.“

„Soll das heißen, ich bin oberflächlich?“

„Jetzt fühl dich doch nicht gleich angegriffen. Was ist denn an ihm so hinreißend und unwiderstehlich, dass du derart von ihm angetan bist?“

„Ich weiß auch nicht genau. Er hatte etwas an sich. Eine unglaubliche Intensität. Vielleicht strahlt er auch irgendwas Gefährliches aus. Ich kann’s nicht erklären. Auf jeden Fall ist er sehr männlich.“

Lara sah sie mit großen Augen an. „Und was wollen wir tun, um sicherzustellen, dass dieser gefährlich männliche Mann auf dich aufmerksam wird?“

Abby versuchte, nicht zu grinsen. „Er wollte sich schon mit mir verabreden.“

Lara fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Echt? Er steht auf deine Brüste, richtig? Mein Gott, wie gerne würde ich mir die mal für vierundzwanzig Stunden ausleihen. Sie sind ein Männermagnet.“

„Ich glaube nicht, dass er es ernst gemeint hat“, gestand Abby ihre Zweifel ein. „Er ist einsam und kennt niemanden hier.“

„Da muss doch mehr gewesen sein, sonst wärst du nicht so nervös.“

Abby spürte, wie sie errötete. „Er hat gleich von Anfang an mit mir geflirtet, und dann hat er mich gefragt, ob ich mit ihm essen gehen will. Allerdings hat er auch meinen Berufsstand beleidigt und meine Beweggründe infrage gestellt. Ich wusste nicht, wie ich reagieren soll.“

„Was hast du denn gesagt?“

„Ich sagte ihm, dass ich es mir überlegen muss. Ist es überhaupt moralisch vertretbar, mit ihm auszugehen? Ich habe mir meinen Beruf und die Position, in der ich nun bin, hart erarbeitet.“

„Oh, mein Gott. Du verteidigst ihn doch nicht vor Gericht. Und ist Miss Izzy nicht eigentlich die Klientin deines Chefs?“

„Ja, aber …“

Lara grinste triumphierend. „Problem gelöst! Nun zur wirklich wichtigen Frage: Welche Unterwäsche wirst du tragen, wenn du ihn von seinem Elend erlöst?“

2. KAPITEL

Abby beschloss, eine Woche zu warten, ehe sie sich bei Duncan melden würde. So würde sie genug Zeit haben, sich zu überlegen, ob sie wirklich mit ihm ausgehen wollte. Wenn sie bis dahin irgendwie das Gefühl hatte, er habe nur mit ihr gespielt, würde sie sich wenigstens nicht blamieren.

Sie nahm sich vor, ihn am kommenden Samstag anzurufen. Am Freitagabend war Lara bei ihr zum Filmegucken.

„Hat dein Vater dich in letzter Zeit belästigt?“, wollte Lara wissen, während sie in der Küche darauf warteten, dass das Popcorn fertig war.

Abby verzog das Gesicht. „Gott sei Dank nicht. Er ist verdächtig ruhig, was mich nervös macht.“

„Mom bat mich, dich zu Thanksgiving zu uns einzuladen.“

„Bis dahin ist es noch lang“, entgegnete Abby und spürte einen Kloß im Hals.

„Nicht allzu lang. Unsere Familie liebt dich. Es ist nicht deine Schuld, dass dein Vater so durchdreht.“

Abby füllte das Popcorn in zwei Schüsseln und seufzte. „So fühlt es sich aber an. Ich weiß nicht, ob er psychische Probleme hat oder einfach nur ein verhaltensgestörter Idiot ist.“

„Ich hätte nicht davon anfangen sollen. Tut mir leid. Ich will nur nicht, dass du die Feiertage wieder so verbringst wie letztes Jahr. Das war furchtbar. Du bist wie meine Schwester, Abby, und du hast was Besseres verdient.“ Lara hüpfte von der Küchentheke. „Genug Trübsinn geblasen! Lass uns den Film angucken. Vergiss den Käsekuchen nicht, den ich mitgebracht habe.“

„Passen Käsekuchen und Popcorn wirklich zusammen?“

„Käsekuchen passt zu allem“, meinte Lara und zwinkerte ihrer Freundin zu.

Eineinhalb Stunden später während des Abspanns des ersten Films musste Abby bereits gähnen. „Sorry, ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen.“

„Hast du von dem knackigen Schotten geträumt?“

„Nein. Er hat sich auch nicht gemeldet.“

„Hattest du nicht zu ihm gesagt, du bräuchtest etwas Zeit, um es dir zu überlegen?“

„Ja.“

„Wo liegt dann das Problem?“

„Ich weiß immer noch nicht, ob ich mit ihm ausgehen will.“

„Natürlich willst du mit ihm ausgehen! Du hast nur Angst.“

Da hatte ihre Freundin recht. „Ich habe so viel zugenommen, Lara.“

„Nicht jeder Mann steht auf superdünne Frauen. Offensichtlich hat ihm gefallen, was er gesehen hat. Außerdem bist du eine wunderschöne Frau, ob du es glaubst oder nicht.“

Lara hatte gut reden. Sie war der Inbegriff einer perfekten Schönheit. „Das ist aber egal, weil er sich ja sowieso nicht gemeldet hat. Und ich glaube nicht, dass ich den Mut aufbringe, ihn anzurufen.“

„Nun überleg mal ganz objektiv. Wie oft verirren sich neue Männer in unsere Stadt?“

„So gut wie nie.“

„Und wenn, wie oft sind sie jung, gutaussehend und noch zu haben?“

„So gut wie nie.“

„Und wenn mal einer jung, gutaussehend und noch zu haben ist, wie oft ist er ein anständiger Kerl, der seine Großmutter liebt und sein Leben für sie aufgibt?“

„Deiner Beschreibung zufolge ist er eine Mischung aus Robin Hood und James Bond. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Duncan Stewart nur auf Sex aus ist.“

„Das sind alle Männer. Außerdem würde dir das auch nicht schaden.“

„Lara!“

„Herrgott noch mal, Abby. Du bist fast dreißig. Ehe du dichs versiehst, bist du vierzig. Alle guten Männer werden vergeben sein. Du willst doch dein Leben nicht allein verbringen. Weise ihn nicht ab!“

„Das ist eine sexuell rückschrittliche und völlig lachhafte Einstellung.“

„Du weißt, dass ich recht habe.“

„Und was ist mit dir? Wieso angelst du dir keinen?“

„Ich kenne keinen charmanten Schotten, der sich mit mir verabreden will. Glaub mir, wenn das so wäre, würde ich sofort annehmen.“

„Ach, ich weiß nicht. Er ist so arrogant und reich und hat in seinem Leben vermutlich noch nie was arbeiten müssen.“

„Schick ihm sofort eine Nachricht. Sag ja.“

„Setz mich nicht unter Druck, Lara!“

„Ich setze dich nicht unter Druck. Ich ermutige dich. Das ist was ganz anderes.“

Abby nahm ihr Handy in die Hand. Ihr Magen zog sich zusammen. „Aber was soll ich denn sagen?“

„Mach einfach kurz und bündig.“

In diesem Moment piepste ihr Handy, und sie hätte es vor Schreck fast fallenlassen. Die Nachricht war von Duncan.

Hatten Sie jetzt genug Zeit? Abendessen am Dienstag? Hole Sie um achtzehn Uhr ab.

„Es ist Duncan, Lara.“ Abby hielt ihrer Freundin das Handy hin. „Anscheinend hat er es wohl doch ernst gemeint.“

Lara las die Nachricht und strahlte übers ganze Gesicht. „Natürlich hat er es ernst gemeint. Der Mann hat einen guten Geschmack. Schreib zurück. Los!“

Mit zitternden Händen tippte Abby eine Antwort.

Unter zwei Bedingungen. Wir nennen es nicht Verabredung, sondern Geschäftstermin. Und ich darf Ihnen von dem Angebot für die Firma Ihrer Großmutter erzählen …

Sie drückte auf senden und seufzte. „Ich mag den Kuchen nicht mehr. Glaubst du, ich kann bis Dienstag fünf Kilo abnehmen?“

Lara drückte ihr die Gabel in die Hand. „Iss den Käsekuchen! Du bist perfekt, so wie du bist. Wenn Duncan Stewart da anderer Meinung ist, ist er ein Idiot.“

Duncan war in eine gewisse Routine verfallen. Der neue Alltag war zwar noch ungewohnt, aber langsam lebte er sich ein. Seine Großmutter schlief morgens gerne länger. Er fuhr immer früh ins Büro, wenn noch niemand anderes da war, um sich in Ruhe alles anzusehen.

Die Mitarbeiter hatten ihn herzlich aufgenommen und waren hilfsbereit, allerdings fragten sie sich vermutlich, ob Duncan irgendjemanden entlassen würde. Das hatte er jedoch ganz und gar nicht vor. Stewart Properties war ein blühendes Unternehmen, und er wollte dafür sorgen, dass das so weiterging.

Die Firma war auf den Bau und die Vermietung von Berghütten spezialisiert. Isobel und Geoffrey hatten sich den Tourismus zunutze gemacht, als dieser noch ganz am Anfang stand, und daraus Kapital geschlagen. Mittlerweile hatte die Firma mehrere Zweigstellen in der Gegend.

Jeden Morgen gegen elf Uhr fuhr er dann den Berg wieder hinauf, um seine Großmutter abzuholen, die fest entschlossen war, weiterhin am täglichen Betrieb des Unternehmens teilzunehmen. Sie wohnte in einem prunkvollen Haus aus Stein und Holz, das sie zusammen mit ihrem Mann gebaut hatte. Es war viel zu groß für eine alleinstehende ältere Frau, und selbst jetzt, wo Duncan mit ihr dort wohnte, war dort immer noch mehr als genug Platz. Aber Isobel wollte bleiben, also blieben sie.

Sie aßen zusammen Mittag, und Duncan hörte seiner Großmutter aufmerksam zu, wenn es um den Geschäftsbetrieb ging. Ihr Verstand war noch äußerst scharfsinnig, allerdings hatte sie nicht mehr dasselbe Durchhaltevermögen wie früher. An manchen Tagen blieb sie bis siebzehn Uhr im Büro, doch meistens fuhr jemand sie gegen fünfzehn Uhr nach Hause.

An diesem Dienstag lief es besonders gut. Duncan und Isobel waren den ganzen Nachmittag lang Pläne für eine Reihe von Hütten durchgegangen, die eventuell gebaut werden sollten. Anschließend hatten sie besprochen, welche Modelle sie nicht mehr konstruieren würden.

Autor

Janice Maynard
Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
Mehr erfahren