Verführt von deinen Küssen

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Natalie stiftet eine glückliche Ehe nach der anderen. Nur sie selbst hat ihren Traumprinzen noch nicht gefunden. Bis plötzlich Mike Stone vor der Tür ihres Heiratsinstituts steht. Für einen Milliardendeal braucht der attraktive Unternehmer eine Ehefrau auf Zeit und macht Natalie ein verlockendes Angebot: Sie bekommt zwei Millionen Dollar, wenn sie ihn heiratet- natürlich nur zum Schein! Natalie muss nicht lange überlegen, prickelt es doch mit jeder Sekunde stärker zwischen ihr und Mike. Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass man in einer hei


  • Erscheinungstag 17.12.2006
  • Bandnummer 1745
  • ISBN / Artikelnummer 9783862957637
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

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Thomas Beckmann

Ilse Bröhl (verantw. f. d. Inhalt i. S. d. P.)

Sarah Sporer

Christel Borges, Bettina Schult

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Poppe (Foto)

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

Kerstin von Appen

1. KAPITEL

Auf der Taxifahrt vom Mascot Airport zu seiner Wohnung in Glebe verharrte Mike in grimmigem Schweigen. Er war alles andere als glücklich damit, welchen Ausgang seine Geschäftsreise in die USA genommen beziehungsweise zu welcher Lösung er sich ziemlich impulsiv entschlossen hatte. Aber für einen Rückzieher war es jetzt zu spät. Er stand zu seinem Wort.

Zu Hause zog Mike erst einmal den italienischen Maßanzug aus, den er sich extra für sein Treffen mit Helsinger gekauft hatte, und ging ins Bad. Nachdem er geduscht und sich rasiert hatte, zog er sich Jeans und ein T-Shirt an und bereitete sich ein anständiges Frühstück. Was sie im Flugzeug beim Anflug auf Sydney serviert hatten, war etwas für den hohlen Zahn gewesen.

Er trug den Teller mit Eiern und Speck hinaus auf den sonnigen Balkon, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den inneren Hafen von Sydney hatte. Der Balkon war einer der Hauptgründe gewesen, warum Mike gerade diese Wohnung erworben hatte. Das Wasser übte eine entspannende Wirkung auf ihn aus. Nichts gefiel ihm besser, als nach einem langen Arbeitstag am Computer abends hier draußen zu sitzen, sich ein Glas Whisky zu gönnen und langsam zur Ruhe zu kommen.

Nun allerdings fand er keine Ruhe. Er aß in Rekordzeit, um so schnell wie möglich in die Stadt zu fahren und seinen besten Freund zu treffen, der gleichzeitig auch sein Bankier war.

Wie würde Richard reagieren? Mike vermutete, dass seine unkonventionelle Entscheidung die Unterstützung seines Freundes finden würde. Hinter Richards konservativem Äußeren verbarg sich ein äußerst innovativer Geschäftsmann. Nicht umsonst war er schon mit achtunddreißig Generaldirektor einer internationalen Bank geworden. Richard besaß einen untrüglichen Riecher, wenn es darum ging, Geld zu machen, und so verrückt Mikes Plan auch klingen mochte – wenn er erfolgreich war, würde er ihnen beiden sehr viel Geld einbringen.

Fünf Minuten später zog sich Mike seine schwarze Lieblingslederjacke an und ging zur Tür. Eine halbe Stunde später saß er in Richards Büro.

„Was soll das heißen, du hast Helsinger gar nicht gesehen?“, fragte Richard irritiert. „Ich dachte, du hättest das Treffen vor deinem Abflug von Sydney aus arrangiert?“

„Leider wurde Chuck am Tag meiner Ankunft wegen einer dringen familiären Angelegenheit aus L. A. weggerufen“, erklärte Mike seinem Freund. „Er hinterließ mir seine Entschuldigung.“

„Verdammt, das war Pech.“

„Kein Problem, ich habe stattdessen seinen Geschäftsführer gesprochen, der mir versicherte, Comproware sei immer noch sehr an meinem neuen Anti-Virus-Anti-Spyware-Programm interessiert.“

„Das glaube ich gern“, meinte Richard trocken. „Das Programm ist brillant.“

Ohne falsche Bescheidenheit musste Mike seinem Freund zustimmen. Sein Programm war bahnbrechend, aber Mike hatte von Anfang an gewusst, dass seine eigene, relativ kleine australische Softwarefirma nicht die Mittel besaß, einem derartigen Produkt gerecht zu werden. Er brauchte ein internationales Unternehmen mit dem entsprechenden Knowhow und Apparat, um es weltweit zu vermarkten. Und so war er nach gründlichen Recherchen auf Comproware gestoßen, ein relativ neues amerikanisches Unternehmen, das sich besonders durch sein Marketing-Talent auszeichnete und darüber hinaus in dem Ruf stand, den Schöpfern neuer Programme und Spiele großzügige Tantiemen zu bieten.

Nach vorbereitenden Verhandlungen über Internet und Telefon war Mike deshalb in die USA geflogen, um den Firmeninhaber in der Zentrale in L. A. persönlich zu treffen. Mike hatte erwartet, Helsinger während seines zweitägigen Aufenthalts einen Vertrag abringen zu können … Er hatte ganz gewiss nicht damit gerechnet, was sich tatsächlich ereignen oder zu welcher Lösung er sich entschließen würde.

„Ich habe den Vertrag nicht bekommen“, räumte er ein. „Allerdings hat man mir eine mögliche Partnerschaft angeboten.“

„Eine Partnerschaft mit Chuck Helsinger?“, rief Richard beeindruckt aus. „Du machst Witze! Der Mann ist ein Verkaufsgenie. Was er auch anfasst, wird zu Gold. Eine Partnerschaft mit ihm muss Millionen wert sein.“

„Wohl eher sogar Milliarden, Rich. Wenn ich dieses Geschäft abschließe, werden dich deine fünfzehn Prozent Anteil an meiner Firma noch erheblich reicher machen, als du es bereits bist. Und auch Reece wird mit seinen fünfzehn Prozent sehr zufrieden sein.“ Und meine eigenen siebzig Prozent bedeuten, dass ich all das verwirklichen kann, was ich immer schon wollte, dachte Mike. Einen Jugendclub in jeder größeren Stadt in Australien. Viele weitere Sommercamps und Stipendien. Die Möglichkeiten schienen grenzenlos. Falls er das Geschäft abschloss.

Richard schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht glauben.“

„Nun ja, es ist ein kleiner Haken dabei“, gestand Mike. „Aber das kriege ich hin.“

Sein Freund horchte auf. „Was für ein Haken?“

„Chuck Helsinger hat eine eiserne Regel, was die Männer betrifft, mit denen er eine Partnerschaft eingeht.“

„Und welche Regel wäre das?“

„Sie müssen verheiratet sein. Es müssen etablierte Familienmenschen sein mit soliden Wertvorstellungen.“

„Du scherzt.“

„Nein.“

Richard lehnte sich seufzend in seinem schweren Ledersessel zurück. „Und wie, bitte schön, willst du das hinkriegen?“

„Ich habe es bereits in Angriff genommen, indem ich Chuck sofort in einer E-Mail geschrieben habe, ich sei seit Kurzem mit einer wundervollen Frau verlobt, und wir würden noch vor Weihnachten heiraten.“

„Das war ja höchst einfallsreich von dir, Mike“, meinte Richard spöttisch, „aber ich glaube nicht, dass du damit durchkommst. Ein Mann wie Chuck Helsinger wird jeden seiner potenziellen Geschäftspartner gründlich durchleuchten lassen. Er wird schnell herausfinden, dass du ihn belogen hast.“

„Das ist mir auch klar, aber es wird bald keine Lüge mehr sein.“

Richard beugte sich überrascht vor. „Du meinst, du wirst tatsächlich heiraten!“

Mike konnte die Verblüffung seines Freundes verstehen. Schließlich war er ein überzeugter Junggeselle und hatte Richard unzählige Male versichert, dass er niemals heiraten würde. Aber manchmal musste ein Mann tun, was nötig war. Selbstverständlich zu seinen Bedingungen. „Wenn ich diese Partnerschaft will, dann muss ich heiraten“, erklärte er sachlich. „Und zwar so schnell wie möglich. Helsinger wird am vierten Dezember in Sydney eine Luxusyacht abholen, die er hier in Auftrag gegeben hat. Ein Weihnachtsgeschenk für seine Familie. Er und seine Frau möchten, dass ich ihnen dann mit meiner frisch angetrauten Frau für einige Tage auf einer kleinen Kreuzfahrt in den Gewässern vor Sydney Gesellschaft leiste, sodass man sich näher kennenlernt. Ich nehme an, wenn ich in seinen Augen als glücklich verheirateter Ehemann mit soliden Wertvorstellungen bestehe, gehört die Partnerschaft mir.“

„Gütiger Himmel!“, rief Richard aus.

„Hör zu, ich habe natürlich keinesfalls vor, verheiratet zu bleiben“, fuhr Mike ungerührt fort. „Es wird ein rein geschäftliches Arrangement sein, das so lange gilt, bis die Partnerschaft unter Dach und Fach ist.“

„Ist das nicht etwas sehr kaltblütig, Mike? Sogar für dich.“

Er zuckte die Schultern. „Der Zweck heiligt die Mittel. Was hat der scheinheilige alte Knacker überhaupt für ein Recht, auf einer derartig lächerlichen Voraussetzung zu bestehen? Die Tatsache, dass du verheiratet bist, hat doch nichts mit deinen Qualitäten als Geschäftsmann zu tun. Dafür bin ich der lebende Beweis.“

„Mag sein, aber deshalb ist Helsinger noch lange nicht scheinheilig.“

„Meinst du? Hör zu, ich habe auch ein paar Recherchen betrieben, bevor ich mich für seine Firma entschieden habe. Wusstest Du, dass Chuck mit seinen siebzig Jahren schon das dritte Mal verheiratet ist? Wobei ich hinzufügen möchte, dass seine gegenwärtige Frau gut fünfundzwanzig Jahre jünger ist als er. Schön, sie sind jetzt sechzehn Jahre zusammen und haben zwei Söhne miteinander – aber macht ihn das schon zu einem anständigen Familienvater mit soliden Wertvorstellungen?“

„Ich verstehe“, meinte Richard.

„Und was seine Frau betrifft – glaubst du wirklich, sie hat ihn wegen seines Charmes geheiratet? Nein, verdammt! Sie hat sich einfach nur ein großes Stück vom Kuchen gesichert wie so viele Frauen, die sich einen reichen Kerl an Land ziehen. Du weißt doch genau, wie das ist, Rich. Nichts bietet dem schönen Geschlecht einen größeren Anreiz als Geld. Seit ich Millionär bin, musste ich mich nie über Mangel an weiblicher Gesellschaft beklagen. Nein, ich werde keine Mühe haben, eine Ehefrau auf Zeit zu finden. Ich muss lediglich der richtigen Schönen die richtige Summe unter die geldgierige kleine Nase halten.“

„Das klingt, als hättest du schon jemanden im Sinn. Eine deiner Exfreundinnen? Du hast ja genug zur Auswahl.“

„Du liebe Güte, nein. Keine von denen. Ich will keine Komplikationen oder unbequeme Konsequenzen. Was ich brauche, ist eine Frau, die von Anfang an ganz genau weiß, was ich von ihr erwarte: eine Scheinehe nach außen, die nur dem Namen nach besteht und zu einem späteren Zeitpunkt wieder geschieden werden wird. Auf keinen Fall wird diese Ehe vollzogen werden, darauf kannst du Gift nehmen!“, schloss Mike nachdrücklich.

Er war es leid, dass Frauen trotz aller vorherigen Warnungen gefühlsmäßige Bindungen von ihm verlangten. Anfangs schienen sie seine Regel, die Beziehung auf unverbindliche Gesellschaft und Sex zu beschränken, stets zu akzeptieren. Aber wenn er ein paarmal mit ihnen im Bett war, schwenkten sie um, und Mike konnte es nicht ertragen, wenn eine Frau anfing, ihm ihre Liebe zu gestehen. Erst einmal glaubte er ihnen überhaupt nicht. Frauen sprachen die drei kleinen Worte zu schnell aus und wollten damit einen Mann manipulieren und einfangen.

Nur ahnten sie nicht, dass es unvermeidlich den Todeskuss für ihre Beziehung bedeutete, wenn sie Mike sagten: „Ich liebe dich.“ Das war der Grund, warum er so viele Exfreundinnen hatte. Sobald sie anfingen zu klammern, hatte sich für ihn die Sache erledigt. Seine Letzte war eine echte Karrierefrau gewesen, eine Anwältin, die er extra deshalb ausgewählt hatte, weil er geglaubt hatte, sie sei anders. Aber nein, schon nach kurzer Zeit war sie genauso besitzergreifend geworden wie die anderen. Deshalb war er jetzt schon eine ganze Weile solo, weil er die Szenen nicht mehr ertragen konnte. Stattdessen hatte er sich mit noch mehr Einsatz um seine Wohltätigkeitsarbeit gekümmert … und zusätzliche Zeit im Fitnessstudio verbracht.

„Und wo willst du dieses tolle, geldgierige Wesen finden, Mike?“, fragte Richard nun skeptisch. „Ich meine, solche Frauen laufen schließlich nicht mit einem Schild um den Hals herum, das verkündet, dass sie wegen Geldes heiraten wollen.“

„Du hast ein kurzes Gedächtnis, Rich. Ich werde sie natürlich in einer Internet-Partnerschaftsvermittlung finden. Hast du mir nicht selber erzählt, dass du es auch mit ‚Ehefrau gesucht‘ versucht hast, bevor dir Holly begegnet ist? Und hast du mir nicht bei einer guten Flasche Whisky gestanden, dass gerade diese Agentur massenhaft attraktive Mitgiftjägerinnen in ihrer Datei führt?“

Richard machte ein nachdenkliches Gesicht. „Du hast recht, ich habe das gesagt. Aber rückblickend möchte ich einräumen, dass ich die betreffenden Frauen vielleicht ungerecht beurteilt habe. Ich war zu dem Zeitpunkt, als ich mich mit ihnen verabredet habe, ziemlich negativ eingestellt. Vermutlich waren sie gar nicht so schlimm. Immerhin hat Reece Alanna über diese Agentur gefunden, und kein vernünftiger Mensch würde sie als Mitgiftjägerin bezeichnen.“

Mike dachte an Reece’ liebenswürdige und liebevolle Ehefrau, winkte jedoch ab. „Zu jeder Regel gibt es eine Ausnahme. In diesem Fall ist es Alanna. Ich zweifle nicht daran, dass ich bei ‚Ehefrau gesucht‘ finden werde, was ich brauche. Kannst du mir die Telefonnummer der Inhaberin geben? Falls du sie nicht mehr hast, frage ich eben Reece.“

Richard sah keinen Sinn darin, sich in Ausflüchten zu üben. „Ich muss sie hier irgendwo haben“, meinte er resigniert, zog die oberste Schublade seines Schreibtischs auf und suchte in einem Stapel Visitenkarten nach der von „Ehefrau gesucht“. Mike war ganz offensichtlich entschlossen, diese Sache so oder so durchzuziehen. Und wer konnte es ihm verübeln? Eine Partnerschaft mit Chuck Helsinger war eine Chance, die man nur ein einziges Mal im Leben bekam.

Und dennoch … Richard wusste, dass Holly es ihm nicht glauben würde, wenn er ihr abends davon erzählen würde. Sie kannten keinen Menschen, der so gegen die Ehe eingestellt war wie Mike. Gegen die Ehe. Gegen die Liebe. Gegen die Frauen.

Nein, Letzteres ging zu weit. Schließlich tauchte er in der Öffentlichkeit kaum einmal ohne eine hübsche Puppe am Arm auf. Frauen umschwirrten Mike wie Motten das Licht. Richard war sich nicht sicher, woran das lag, denn im herkömmlichen Sinn sah Mike nicht einmal besonders gut aus. Holly meinte, es läge daran, dass er groß und dunkel sei und irgendwie gefährlich wirke. Vermutlich hatte sie recht. Sein machohaftes Äußeres und Gebaren trug sicherlich dazu bei, dass er für Frauen so attraktiv war. Er besaß einen durchtrainierten, muskulösen Körper und kleidete sich am liebsten in Jeans und schwarzer Lederjacke … so wie jetzt.

Wie auch immer, es hatte ihm jedenfalls noch nie an weiblicher Gesellschaft gemangelt. Richard war nur froh, dass er nicht Hollys Typ war. Seine Frau stand mehr auf den eleganten, gepflegten, eher etwas konservativen Typ Mann, wie er es war.

„Hier.“ Er reichte Mike die gesuchte Visitenkarte. „Die Inhaberin der Agentur heißt Natalie Fairlane. Name und Telefonnummer stehen auf der Rückseite. Sie wird dich zu einem persönlichen Vorgespräch zu sich bitten, bevor sie dir Partnervorschläge zuteilt, eine Bewerbung über Internet genügt ihr nicht. Am besten erzählst du ihr nicht von vornherein, worauf du wirklich aus bist, denn Miss Fairlane nimmt ihre Partnerschaftsvermittlung sehr ernst. Und vielleicht noch einen Rat: Die Frauen aus der Datenbank von ‚Ehefrau gesucht‘, mit denen ich mich getroffen habe, waren alle atemberaubend attraktiv. Vielleicht wäre es klug, dir eine auszusuchen, die nicht allzu schön ist, sonst könnte es einem Mann, wie du es bist, schwerfallen, die Hände von ihr zu lassen.“

Mike sah ihn irritiert an. „Was willst du damit sagen? Einem Mann, wie ich es bin?“

„Du bist scharf auf Sex, Mike. Versuche nicht, es zu leugnen. In den wenigen Jahren, in denen ich dich kenne, hast du mehr Freundinnen gehabt, als es an der Börse Auf- und Abschwünge gegeben hat. Ich denke, dass es eine kluge Überlegung von dir ist, diese geplante Ehe nicht zu vollziehen Aber kannst du der Versuchung auch widerstehen? Tatsache ist doch, dass du und deine frisch Angetraute in der Zeit, in der ihr … verheiratet … seid“, Richard zeichnete mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, „ziemlich viel zusammen sein werdet. So werdet ihr zum Beispiel auf Helsingers Yacht eine Kabine miteinander teilen müssen. Wenn die Frau also zu hübsch ist, wird es dir vielleicht schwerfallen, sie nicht anzurühren.“

„Du unterschätzt mich, Rich. Ich kann enthaltsam leben. Kein Problem.“ Schließlich tat er das schon seit Wochen! „Für die Menge an Geld, die hier auf dem Spiel steht, würde ich sogar für den Rest meines Lebens Mönch werden.“

„Wenn du meinst.“ Richard wirkte nicht überzeugt. „Aber vergiss nicht, was ich dir über Natalie Fairlane gesagt habe. Pass auf, was du ihr verrätst.“

„Ich denke, du bist etwas naiv, was die Inhaberin von ‚Ehefrau gesucht‘ angeht“, erwiderte Mike. „Miss Fairlane ist doch aus rein finanziellen Gründen im Heiratsgeschäft … genau wie vermutlich neunundneunzig Prozent ihrer weiblichen Klienten. Ich brauche also auch ihr nur die richtige Summe unter die Nase zu halten, und die alte Schachtel wird mir im Handumdrehen die richtige Frau heraussuchen.“

Richard blickte seinem Freund lächelnd nach, als dieser sein Büro verließ. Gern hätte er Mäuschen gespielt, wenn Mike die beeindruckende Miss Fairlane treffen würde.

Sein Freund mochte ja vielleicht recht haben, dass sie genauso berechnend war wie manche der Frauen in ihrer Datenbank. Das konnte Richard nicht beurteilen. Aber eines wusste er: Eine alte Schachtel war sie nicht.

2. KAPITEL

„Das ist ja schrecklich, Mum“, meinte Natalie. „Wie, in aller Welt, habt du und Dad es nur zulassen können, dass eure Finanzen in einen derart desolaten Zustand geraten sind?“

Doch sie kannte die Antwort nur zu gut. Ihr Vater hatte ein unglückliches Talent dafür, auf jede Investition oder Geschäftsidee hereinzufallen, die zu schön klang, um wahr zu sein …, was dann leider gewöhnlich auch zutraf. In ihrer Kindheit und Jugend hatte Natalie nie registriert, was für ein schlechter Geschäftsmann er war, denn es hatte ihr an nichts gefehlt. Im Gegenteil, als einziges Kind war sie sogar ziemlich verwöhnt worden.

Erst seit sie erwachsen war, hatte sie begriffen, dass ihre Eltern im Wesentlichen auf Kredit lebten. Schon seit einer ganzen Weile steckte sie ihrer Mutter, wann immer sie sich trafen, hundert Dollar zu, damit sie mit dem Haushaltsgeld über die Runden kam. Nun aber schien die finanzielle Lage ihrer Eltern einen absoluten Tiefpunkt erreicht zu haben. Ihr Vater hatte sich mit seiner letzten Unternehmung in eine scheinbar hoffnungslose Sackgasse manövriert: Zusätzlich zu seiner drückenden Hypothek hatte er weiteres Geld aufgenommen, um als selbstständiger Lizenznehmer einen Rasenmähservice anzubieten, für den ein durchtrainierter, junger Mann erforderlich gewesen wäre. Natalies Vater war zwar körperlich noch fit, aber immerhin siebenundfünfzig Jahre alt. Im vergangenen Monat war er dann gestürzt und hatte sich den Knöchel gebrochen …, und er besaß natürlich keine Arbeitsunfähigkeitsversicherung. Welches Versicherungsunternehmen wäre so dumm gewesen, ihm eine zu geben?

Nun drohte die Bank, ihnen das Haus wegzunehmen, wenn sie nicht endlich die Hypothekenraten zahlten, mit denen sie anscheinend sowieso schon Monate im Verzug waren. Zwei Monatsraten hätte Natalie ja noch übernehmen können, aber nicht die vielen tausend Dollar, die ihre Eltern mittlerweile im Rückstand waren. Was bedeutete, dass ihre Eltern bald kein Geld und kein Dach mehr über dem Kopf haben würden.

Natalie wollte sich gar nicht vorstellen, die beiden bei sich aufnehmen zu müssen. Sie war vierunddreißig und seit Langem an ihre Selbstständigkeit gewöhnt. Außerdem führte sie ihr eigenes Geschäft, die Online-Partnervermittlung, von zu Hause aus, wobei sie eines der beiden Schlafzimmer ihres Reihenhauses als Büro und das Wohnzimmer im Erdgeschoss als Empfang nutzte, wo sie auch die persönlichen Interviews durchführte. Zwei Mitbewohner, die zudem auch noch unglücklich waren, würden die Lage sehr verkomplizieren.

„Mach dir keine Sorgen, Liebes“, meinte nun ihre Mutter. „Ich suche mir eine Arbeit.“

Natalie verdrehte die Augen. Ihre Mutter war genauso realitätsfern wie ihr Vater. Seit über zwanzig Jahren hatte sie nicht mehr richtig gearbeitet, sondern immer nur ihrem Traumtänzer von Ehemann bei seinen verrückten Plänen geholfen. Einmal abgesehen davon, dass sie noch zwei Jahre älter als Natalies Vater war. Keiner stellte heutzutage eine Neunundfünfzigjährige ohne besondere Qualifikationen ein.

„Sei nicht kindisch, Mum“, erwiderte Natalie schärfer als beabsichtigt. „In deinem Alter ist es nicht so einfach, einen Job zu finden.“

„Dann gehe ich eben putzen. Dein Vater schreibt mir auf seinem Computer einen Werbezettel, druckt ihn mir oft genug aus, und ich verteile die Zettel dann in alle Briefkästen in der Nachbarschaft.“

Natalie war zum Weinen zumute. Es war einfach nicht fair, dass ihre Mutter in ihrem Alter noch putzen gehen sollte. „Mum, ich könnte sicher eine zweite Hypothek auf dieses Haus aufnehmen“, schlug sie vor. „Es ist um einiges im Wert gestiegen, seit ich es gekauft habe.“

„Du wirst nichts dergleichen tun“, wehrte ihre Mutter energisch ab. „Wir kommen schon zurecht. Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst.“

Warum hast du es mir dann erzählt?, dachte Natalie resigniert. Das Läuten ihrer Türglocke erinnerte sie daran, dass sie auch noch ein eigenes Leben hatte. „Hör zu, Mum, kann ich dich später zurückrufen? Ich habe einen Klienten an der Tür.“ Den ersten seit vierzehn Tagen. Die Geschäfte bei „Ehefrau gesucht“ waren im vergangenen Monat nicht so gut gelaufen. Vielleicht war es Zeit, wieder einmal eine Anzeige in Zeitschriften zu schalten. Nur wenige Geschäfte konnten ausschließlich durch Mundpropaganda überleben.

„Geh nur, Liebes. Aber ruf mich später zurück.“

„Ganz bestimmt, Mum.“ Natalie legte rasch auf, knöpfte die Jacke ihres Hosenanzugs zu und eilte zur Haustür. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel in der Diele versicherte ihr, dass sie ganz das Bild der professionellen Geschäftsfrau bot: Das dichte kastanienbraune Haar war streng aus dem Gesicht gekämmt und zu einer eleganten Rolle aufgesteckt, das Make-up minimal gehalten und auch der Schmuck betont schlicht, – lediglich eine schmale goldene Armbanduhr und Goldknöpfe als Ohrringe.

Erst als Natalie nach der Türklinke griff, überlegte sie, wie wohl Mr. Mike Stone aussehen würde. Er war von Richard Crawford an sie verwiesen worden, einem Handelsbankier, der Anfang des Jahres selbst Klient von „Ehefrau gesucht“ gewesen war. Natalie vermutete jedoch, dass Mr. Stone nicht im Bankgeschäft tätig war. Am Telefon hatte er jedenfalls nicht so geschliffen geklungen wie Richard Crawford …, was hoffentlich nicht bedeutete, dass er weniger reich war. Die meisten ihrer männlichen Klienten waren vermögende Vertreter der gehobenen Berufe.

Doch als Bettler durfte man nicht wählerisch sein, schon gar nicht in ihrer gegenwärtigen Lage. Wenn Mr. Stone also bereit war, ihr mehrere tausend Dollar zu bezahlen, damit sie ihm eine Ehefrau suchte, konnte er aus ihrer Sicht ruhig ein Lastwagenfahrer sein. Besser allerdings ein reicher Lastwagenfahrer, denn die meisten der Mädchen in ihrer Datei suchten nicht nach einem Ehemann aus der Arbeiterklasse.

Als Natalie nun die Haustür öffnete, verschlug ihr der Anblick des Mannes, der da draußen stand, erst einmal die Sprache. In den drei Jahren, die sie jetzt ihre Online-Agentur führte, hatte sie noch nie einen Klienten wie diesen gehabt.

Tatsächlich hätte er hinter dem Lenkrad eines großen Trucks vermutlich nicht fehl am Platz gewirkt. Jedenfalls nicht, wenn es sich um einen Armeetruck gehandelt hätte und er statt der Jeans und der schwarzen Lederjacke eine Uniform getragen hätte. Mit seiner beeindruckenden Statur, dem sehr kurz geschnittenen braunen Haar und den durchdringend blickenden dunklen Augen war er ein Soldat durch und durch … genau der Typ Einzelkämpfer, der in einem Sonderkommando verdeckten, lebensgefährlichen Missionen nachging.

Und obwohl er mit seinen markanten Zügen und der Nase, die irgendwann einmal gebrochen gewesen sein musste, nicht im klassischen Sinn gut aussah, fand Natalie ihn extrem attraktiv. Sie unterdrückte ein resigniertes Seufzen und gab sich alle Mühe, sich nach außen von ihrem Interesse nichts anmerken zu lassen. Seit sie denken konnte, hatte sie sich zu Männern dieses Schlages hingezogen gefühlt … Männer, die die konventionellen Grenzen sprengten, die eine Aura von Gefahr umgab. Das waren die Männer, die sie fesselten und erregten.

Vor zehn Jahren hätte sie sich diesem Typ Mann an den Hals geworfen. Heute reagierte sie nur noch verärgert, dass ihre Gefühle immer noch so dumm waren, auf so jemanden hereinzufallen.

„Mrs. Fairlane?“ Seine tiefe Stimme passte zu seinem Erscheinungsbild.

„Ja“, antwortete sie …, wütend, weil ihr Herz so wild pochte und weil dieser Mr. Stone sie sichtlich erstaunt von Kopf bis Fuß betrachtete. Was hatte Richard Crawford ihm wohl von ihr erzählt?

„Mike Stone“, stellte er sich schließlich vor und reichte ihr die Hand.

Natalie zögerte einen Moment, bevor sie ihre in seine legte, und wappnete sich innerlich gegen irgendeine Reaktion auf die Berührung. Als sich jedoch seine starke Hand um ihre zierliche schloss, durchzuckte es sie gegen alle guten Vorsätze wie elektrisiert. Glücklicherweise hatte die Jacke ihres Hosenanzugs lange Ärmel, sodass man nicht sah, wie Natalie eine Gänsehaut überlief.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Stone.“ Ihr unterkühlter Ton strafte die Hitze, die in ihr aufwallte, Lügen. Wenn sie Mike Stone in irgendeiner anderen Situation begegnet wäre, hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre davongelaufen. Da er jedoch ein potenzieller Klient war, konnte sie das schlecht tun. Er würde ihr möglicherweise Fünftausend einbringen … Geld, das sie gerade jetzt dringend brauchte.

„Mike“, korrigierte er sie. „Nennen Sie mich Mike.“

„Also gut, Mike.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Kommen Sie doch herein, Mike. Gleich die erste Tür links. Gehen Sie einfach hinein, und setzen Sie sich irgendwohin.“

Als er in der engen Diele an ihr vorbeiging, drückte Natalie sich mit dem Rücken an die Wand, weil sie auf keinen Fall wollte, dass dieser kraftstrotzende Kerl sie berührte. Sobald er jedoch vor ihr her ins Wohnzimmer ging, ertappte sie sich dabei, dass sie ihm bewundernd nachblickte. Ärgerlich über ihre Schwäche, riss sie sich zusammen, schloss die Haustür hinter ihm und folgte ihm ins Wohnzimmer.

Mike Stone hatte inzwischen bereits auf dem Sofa Platz genommen, streckte die langen Beine aus und lehnte sich lässig zurück. Natalie war sich darüber im Klaren, dass es ein eigenwillig eingerichteter Raum war, voller Einzelstücke, die nicht unbedingt zueinander passten, ihr jedoch gefielen. So standen da drei große, gemütliche Polstersessel, jeder anders gemustert, und dazu unter dem Fenster ein langes, einladendes braunes Samtsofa, auf dem es sich ihr Klient gerade sichtlich bequem gemacht hatte.

Vor der gegenüberliegenden Wand befand sich eine dem neuesten Stand der Technik entsprechende Heimkinoanlage, die sie immer noch abbezahlte, und zur Rechten ihres Besuchers säumten Einbauregale voller Bücher die Wand bis zur Decke. Auf dem antiken Mahagonischreibtisch davor stand ein hypermoderner Laptop neben einer altmodischen grünen Leselampe. Ein runder, farbenprächtiger Teppich auf den polierten Buchsbaumdielen verlieh dem Raum Wärme und einen Hauch von orientalischem Flair. Anstelle eines Couchtisches waren überall Beistelltische in allen Größen und Formen verteilt, die wiederum allerlei Zierat schmückte, den Natalie auf Flohmärkten erstanden hatte. Zu beiden Seiten des Sofas sorgten Stehlampen mit goldbefransten Schirmen für sanftes Licht, wenn Natalie abends fernsah. Eine Freundin hatte einmal bemerkt, dass die Einrichtung ihres Wohnzimmers genauso war wie Natalie selbst: schwer auf etwas Bestimmtes festzulegen.

„Sie sind sehr pünktlich“, meinte Natalie nun mit einem Blick auf ihre Uhr, während sie zu ihrem Schreibtischstuhl ging. Es war exakt fünf Uhr, wie sie es als Termin vereinbart hatten.

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