Verführt von einer betörenden Betrügerin?

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Scheich Khalil ist spontan fasziniert, als er die schöne India auf einem exklusiven Ball erblickt. Dass sie ihm die kalte Schulter zeigt, fordert ihn erst recht heraus, sie zu erobern. Allerdings nur für einen One-Night-Stand! Eine Nacht ist alles, was der stolze Wüstenprinz von einer Frau will. Alles, was er gibt – seit seine Ex sein Herz in einen Stein verwandelte. Doch der Sex mit India übertrifft jede Erwartung, lässt ihn entgegen jeder Vernunft mehr verlangen. Bis er schockiert glaubt, erneut an eine berechnende Betrügerin geraten zu sein …


  • Erscheinungstag 17.05.2022
  • Bandnummer 2544
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509688
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Im Ballsaal des eleganten Hotels drängelten sich genau jene Leute, die für Khalil in die Kategorie „Die üblichen Verdächtigen“ fielen. Die Elite Amerikas befand sich heute in Manhattan. Frauen in Ballkleidern und Männer in Anzügen schwatzten unaufhörlich. Es klang wie das Zirpen von Zikaden.

„Eure Hoheit?“ Nervös näherte sich ein Kellner mit einem Tablett aus Edelstahl. Darauf stand ein einziges Glas Scotch.

Khalil lächelte zynisch. Sogar auf der anderen Seite der Welt eilte ihm sein Ruf voraus. Der unbarmherzige Prinz. Hatte man ihn schon immer so genannt, oder tat man das erst seit der Sache mit Fatima? Die Ereignisse damals hatten es ihm jedenfalls leichter gemacht, Menschen zu sehen, wie sie wirklich waren – und schwerer, seine Verachtung zu verbergen.

Mit einem knappen Nicken nahm er das Glas, und der Kellner huschte erleichtert davon.

Der Scotch war stark, mit Zitrusaroma – genau so, wie Khalil ihn mochte. Halb gelangweilt, halb ungeduldig ließ er den Blick durch den Saal schweifen. Events wie diese waren nicht sein Fall. Er zog die wichtigen Seiten des Regierens vor: Politik, Bildung, Finanzen, Sicherheit. Mit seichten Partys und Small Talk vergeudete man nur Zeit. Zeit, die er nicht hatte.

Als er eine breite Doppeltür erspähte, richtete er sich zu seiner vollen Größe von ein Meter achtundneunzig auf. Um der internationalen Diplomatie willen hatte er eine Stippvisite bei diesem nutzlosen Termin gemacht, aber nun würde er sich verziehen.

In diesem Moment sah er sie.

Gebannt stand er da und straffte unwillkürlich die Schultern. Adrenalin pulsierte in seinen Adern, während er die schönste Frau anstarrte, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Sie war groß und schlank, ihre blonden Haare hatte sie im Nacken zu einem Dutt gesteckt. Ihr tiefblaues Abendkleid fiel weder wegen des Stoffes noch wegen des Schnittes auf, sondern allein wegen der Art, wie es den Körper dieser Frau zur Geltung brachte. Es umschmeichelte runde Brüste und Hüften, eine schmale Taille und lange Beine. Dabei war es elegant genug, um dem Dresscode zu entsprechen, aber ohne den Schnickschnack der übrigen Ballkleider im Saal.

Jetzt lächelte sie. Grübchen zeichneten sich auf beiden Wangen ab, und ihre Augen glitzerten.

Khalil kippte den restlichen Scotch herunter und beschloss, auf die Frau zuzugehen. Ihrem Begleiter warf er nur einen flüchtigen Blick zu. Wer auch immer das war, es spielte keine Rolle. Um so etwas scherte sich Scheich Khalil el Abdul, Regent eines der reichsten Länder im Mittleren Osten, nicht. Noch niemals war er von einer Frau, die er begehrt hatte, abgewiesen worden. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass es nun zum ersten Mal passieren könnte.

Wieder lächelte die Blondine. Khalil kniff die Augen leicht zusammen und sah den Empfänger des schönen Geschenkes an. Der Mann stand mit dem Rücken zu ihm. Blond war er, etwa um Haupteslänge kleiner als der Scheich und damit ungefähr so groß wie die Frau. Er trug einen Frack und glänzend polierte Schuhe. Doch als er seinen Kopf jetzt ein wenig drehte, versetzte der Anblick seines Profils Khalil einen scharfen Stich.

Er vergaß nie ein Gesicht. Und er hatte allen Grund, sich an speziell dieses Gesicht zu erinnern, es zu hassen.

Früher war Ethan Graves sein Freund gewesen. Khalil hatte eine so gute Meinung von dem Mann gehabt, dass er ihn seiner Cousine Astrid vorgestellt hatte, die für ihn beinah wie eine Schwester gewesen war. Nun, Ethan hatte ihr Leben zerstört.

Vertraute Schuldgefühle stiegen in Khalil auf. Er konnte Ethan nicht ansehen, ohne an Astrid zu denken. Daran, wie die Beziehung sie verändert hatte. Hätte er die beiden bloß nicht miteinander bekannt gemacht! Hätte er nur geahnt, was vor sich ging, bevor es zu spät gewesen war …

Er drückte das Glas in seiner Hand so fest, dass es fast zerbrach. Rasch stellte er es auf einen Tisch und musterte das Paar.

Sein Herz schlug heftig. Er verabscheute keinen Menschen auf dieser Welt mehr als Ethan Graves. Der Mann war Abschaum. Khalil tat der Frau einen Gefallen, wenn er sie von ihm weglockte. Ethan war nicht mal gut genug für die Luft, die er atmete, ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit dieser Unbekannten.

Ja, auch sie würde von Khalils Plan profitieren. In erster Linie allerdings wollte er, dass Ethan litt. Wehtun wollte er ihm. Er hatte gehofft, seine Cousine rächen zu können, und nun fiel ihm die Gelegenheit direkt in den Schoß. Entschlossenheit gewann die Oberhand.

Um Ethan zur Rechenschaft zu ziehen, schreckte er vor nichts zurück. Auch nicht davor, dessen wunderschöne Geliebte zu verführen …

1. KAPITEL

„In einem Raum voller Pfauen sind Sie der einzige exotische Vogel“, flüsterte eine tiefe Stimme hinter ihr, dicht neben ihrer Wange, mit einem deutlichen Akzent. Noch bevor India sich umdrehte, richteten sich die feinen Härchen auf ihren Armen auf. Sie erwartete einen weiteren langweiligen, herausgeputzten Wichtigtuer zu sehen, einen Bankertypen. Stattdessen …

Angesichts dieses hinreißenden Mannes fehlten ihr die Worte. Er war groß, breitschultrig und dunkelhäutig. Die schwarzen Haare stießen auf den Hemdkragen, sodass sie an den Spitzen leicht nach außen abstanden, und seine markanten Brauen waren dunkel. Bartstoppeln zeichneten sich auf dem klassischen Kinn und dem Kiefer ab, er hatte volle Lippen und eine gerade Nase. Die Augen wirkten wie endlose Tunnel, tief und faszinierend, mit braunen, schwarzen und goldfarbenen Sprenkeln. Die Wimpern wiederum waren so dicht und dunkel, dass man glatt hätte denken können, der Mann trage Eyeliner.

Unwillkürlich hielt India die Luft an, während sie zu ihm hochblickte. Mit einer Begegnung wie dieser hatte sie nicht mal im Traum gerechnet. Einen Moment lang vergaß sie, wer sie war und was sie hier machte.

Doch die Amnesie war nur vorübergehend.

India arbeitete gerade. Sie konnte es sich nicht leisten, diesen – oder irgendeinen anderen – Auftrag zu vermasseln. Also blinzelte sie und setzte eine höfliche, wenn auch desinteressierte Miene auf.

„Danke“, murmelte sie und drehte sich wieder zur Bar um. Im selben Moment drängelte sich eine Frau vor und rief dem Barkeeper eine Bestellung zu. „Verdammt“, brummte India kaum hörbar.

„Was möchten Sie trinken?“

Die Stimme des Fremden klang so sanft und berauschend, dass India an Sirup denken musste. Sie verkniff sich die Bemerkung, der Mann könne sich als Sprecher für Hörbücher ein zweites Standbein schaffen. Jeder Gast dieser Benefizgala hatte tausend Dollar Eintritt zahlen müssen. Unwahrscheinlich, dass der Mann ein Zubrot brauchte.

„Alles in Ordnung“, antwortete sie distanziert. „Ich bin ja als Nächste dran.“

„Das waren Sie eben auch schon.“

Sie schaute ihn kurz an. „Ja. Und hätten Sie mich nicht abgelenkt, hätte ich mittlerweile bestellt.“

Khalil lächelte unverhohlen anerkennend. „Gestatten Sie?“

„Was denn?“

„Dass ich Ihnen zu Ihren Drinks verhelfe.“

„Oh.“ India warf einen Blick auf die Leute, die dicht an dicht vor der Bar standen. Sie durfte Ethan nicht warten lassen. „Ja, warum nicht?“

Als er ihr eine Hand auf den unteren Rücken legte, löste die Berührung eine Schockwelle aus. Indias Körper reagierte instinktiv, ohne ihr Hirn miteinzubeziehen. Ihre Flanke berührte die des Fremden, und überrascht sah sie ihm in die Augen. Unter ihrer Haut schienen Funken zu sprühen.

Irgendwie fand er eine kleine Lücke vor dem Tresen. In der nächsten Sekunde schob er sich mit India hinein, während er gleichzeitig die freie Hand hob.

Sofort erschien eine Kellnerin und neigte respektvoll den Kopf. „Guten Abend, Sir. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“

„Die Dame würde gern bestellen.“

Sacht ließ er die Finger über Indias unteren Rücken wandern, so rhythmisch und verwirrend, dass sie ganz steif klang, als sie antwortete: „Ein Mineralwasser für mich, bitte, aber in einer Champagnerflöte, und ein Glas Pinot noir.“

„Und für Sie, Eure Hoheit?“, fragte die Kellnerin.

India zuckte zusammen. Eure Hoheit? Ihr Blick tauchte in seinen. Als sie Belustigung in den schier unendlich tiefen Augen las, war sie peinlich berührt. Genoss er ihre Verblüffung? Die Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte, wer er war?

Zweifellos bewegte er sich ständig in diesen Kreisen. Sie hingegen war nur gelegentlich zu Gast, wenn die Agentur in der Klemme steckte und ihr einen Auftrag der Extraklasse zuteilte, der normalerweise den dienstältesten Escortdamen vorbehalten blieb.

Sie arbeitete erst seit Kurzem für die Agentur. Vor zwölf Monaten war ihre Welt zusammengebrochen. Seitdem tat sie alles, um über die Runden zu kommen. Alles, was nötig war, damit ihr geliebter jüngerer Bruder weiterhin studieren konnte. Er hatte schon so viel verloren. Sie würde es nicht zulassen, dass er auch noch ohne Diplom vom College abgehen musste.

„Auch ein Mineralwasser, aber nicht in einer Champagnerflöte.“

„Eure Hoheit?“, echote India, als die Kellnerin verschwunden war, um die Drinks zu holen.

„Ja?“

Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Sie sind Mitglied eines Königshauses?“

„Es hat ganz den Anschein.“

„Spielen Sie bewusst den Geheimniskrämer?“

„So hat mich noch niemand genannt.“

„Vielleicht nicht in Ihrer Gegenwart.“

Er lachte. Es war ein lautes, sattes Lachen, das Blicke auf ihn zog und Indias Herzschlag rasant beschleunigte. Auf einmal bebte jede Zelle ihres Körpers vor gespannter Erwartung. Insgeheim war sie froh, dass weitere Gäste zur Bar strebten, denn die Nachrückenden schoben sie noch etwas näher an den großen breitschultrigen Fremden.

„Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Khalil.“

„Soll ich Sie ‚Hoheit‘ nennen?“

„Nein, das wäre unangemessen.“

India zog die Stirn kraus. „Aber wenn Sie ein König sind …?“

„Noch bin ich kein König“, erwiderte er einen Hauch abweisend. Im nächsten Moment beugte er den Kopf und flüsterte mit den Lippen dicht an ihrem Ohr: „Ich würde lieber meinen Namen statt meines Titels auf Ihren Lippen hören.“

Etwas in seiner Stimme brachte sie völlig aus dem Konzept. Hitze durchflutete sie und bündelte sich in ihrem Unterleib. Sie spürte, wie sich die Brustspitzen aufrichteten und gegen die weiche Seide ihres Kleides drängten. Einen BH trug sie nicht, weil keiner unter diesem Kleid unsichtbar geblieben wäre. In der Enge wurden ihre Brüste gegen Khalils Oberkörper gepresst. India kam es vor, als könnten sämtliche Nerven nur noch wahrnehmen, wie nah ihr der Mann mit dieser geradezu verstörend urwüchsigen Ausstrahlung war.

Jetzt senkte er den Blick auf ihren Mund. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen leicht. Ihr Herz hämmerte, als hätte sie einen Marathon absolviert, und ihre Lippen prickelten. Völlig unbekannte Empfindungen stürmten auf sie ein. Sie befand sich mitten in der New Yorker High Society, und einige Meter entfernt wartete Ethan, der eine beträchtliche Summe für ihre Zeit zahlte. Trotzdem konnte sie ausschließlich an den Mann neben ihr denken.

„Khalil“, sagte sie, als könnte sie sich dadurch aus dem seltsamen Traum reißen, in den sie immer tiefer hineingezogen wurde.

Verlangen flackerte in seinen Augen auf, so unmissverständlich, dass ihr Magen einen Sturzflug vollführte.

„Und Ihr Name ist …?“, fragte er mit dem Unterton eines Menschen, der das Befehlen gewohnt war.

„I…India.“

„India.“ Er ließ die Hand von ihrem Rücken auf ihre Hüfte gleiten und zog India etwas enger an sich heran. Es fühlte sich an, als würde er ihr lauter Dinge verheißen, die sie unbedingt erleben wollte. „Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Ihre Drinks, Madam“, sagte die Kellnerin.

India wäre einen Schritt zurückgewichen, wenn es in dem Gedränge möglich gewesen wäre.

Ich habe keine Wahl, sagte sie sich. Sie musste bleiben, wo sie war, jedenfalls vorläufig. Das kam ihr gelegen, denn sie wollte gar nicht von Khalil wegrücken.

„Lassen Sie die Gläser auf dem Tresen stehen“, erwiderte er, ohne den Blick von Indias Gesicht zu nehmen. Ihr wurde warm, und sie fühlte sich begehrenswert, war voller Sehnsucht. „Erzählen Sie mir von sich.“

Dazu hatte man sie noch bei keinem Agenturtermin aufgefordert.

„Ich schätze, es ist viel interessanter, wenn Sie von sich erzählen.“

„Warum?“, entgegnete sie.

„Nun, es ist das erste Mal, dass ich ein Mitglied einer königlichen Familie treffe.“ Sie hob die linke Schulter und ließ sie wieder sinken. Ihre Geste lenkte seinen Blick abwärts, von der samtigen hellen Haut ihrer Schulter zum Dekolleté und der kleinen Vertiefung zwischen ihren Brüsten.

India atmete scharf ein, weil Schmetterlinge in ihrem Bauch aufflatterten. Es war unverkennbar, dass dieser Mann an ihr interessiert war. Doch was sie noch mehr aus der Bahn warf, war ihre Reaktion darauf.

„Und Sie sind die erste Frau namens India, der ich je begegnet bin. Worauf wollen Sie hinaus?“

Ihr schoss das Blut in die Wangen. Er zog sie auf eine atemberaubende Weise an. Das war eine Katastrophe!

Na ja, zumindest kam es äußerst ungelegen. Schließlich war sie mit einem anderen Mann hier und wurde nicht dafür bezahlt, mit Khalil zu flirten. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie sich Ethan – dem ersten Eindruck nach ein ausgemachter Trottel – bei der Agentur beschwerte, wenn er sie bei einer intimen Unterhaltung mit jemand anderem sah. Erst recht mit einem extrem maskulinen Gast wie diesem. Vermutlich schüchterte Khalil alle anderen Männer ein.

Und wahrscheinlich wusste er das.

„Ich will darauf hinaus …“, widerstrebend löste sie sich von ihm und schloss die Finger um die beiden Gläser, „… dass Ihre Lebensgeschichte meine jederzeit ausstechen würde.“ Sie lächelte schwach. „Leider kann ich nicht bleiben, um sie zu hören. Ich bin in Begleitung hier.“

In seinen Augen blitzte etwas auf, was sie nicht einordnen konnte. War er verärgert? Ungeduldig? Gereizt? Sie konnte es nachvollziehen, doch ihre Arbeit war enorm wichtig. Das Honorar für heute Abend hatte sie schon ausgegeben. Beim Gedanken an den Brief wegen der Studiengebühren schwitzte sie Blut und Wasser.

„Möchten Sie lieber mit Ihrem Begleiter zusammen sein?“, fragte Khalil selbstsicher.

Wie es sich wohl anfühlte, derart von sich überzeugt zu sein? Oh, natürlich hatte er recht. India hätte alles getan, um ihr Date gegen ihn zu tauschen. Aber hier ging es ums Geschäft, also musste sie ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen. „Ich bin mit jemand anders hergekommen.“

„Das bedeutet nicht, dass Sie auch mit ihm gehen müssen, Azizi.“

„Doch, genau das bedeutet es.“

Sie schaute zu Boden. Ausgerechnet heute, an ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag … Wie gern hätte sie sich ihre eigenen Wünsche erfüllt, nur dieses eine Mal!

Tagsüber war sie sehr einsam gewesen. Früher hatten ihre Mutter, ihr Stiefvater und ihr Bruder ein großes Aufhebens um sie gemacht. Heute hatte Jackson sie zwar angerufen und fast eine Stunde mit ihr telefoniert, und sie hatte sich darüber gefreut, dass es ihm so gut ging, aber abgesehen davon gab es bloß India in einem großen leeren Haus voller Erinnerungen an die Familie, die sie einst gehabt hatte. Erinnerungen an das Leben von früher.

Ein Flirt mit diesem unglaublich attraktiven Fremden wäre das perfekte Geschenk an sie selbst gewesen. Doch mehr als alles andere brauchte sie das Honorar für diesen Job. Also hob sie den Kopf und lächelte bedauernd.

„Es war nett, Sie kennenzulernen, Eure Hoheit.“

„Ich habe Sie gebeten, mich Khalil zu nennen“, erinnerte er sie leise und schob ihr behutsam die rechte Hand unters Kinn, damit sie ihm in die Augen sah.

Die Welt schien zu verschwinden und nur sie beide auf einer Klippe jenseits von Raum und Zeit zurückzulassen.

„Ich darf Sie gar nichts nennen“, entgegnete India. Trotz ihres guten Vorsatzes klang sie nicht so energisch, wie sie es hätte tun sollen. „Ich muss gehen.“

„Wollen Sie es denn?“

„Fragen Sie mich das nicht ständig.“

„Habe ich es etwa schon getan?“

„Mehr oder weniger.“ Sie seufzte, brach den Blickkontakt aber nicht ab. „Mein Date wartet bestimmt auf mich.“

„Der Mann, der Sie zur Bar geschickt hat, um ihm einen Drink zu holen?“, fragte er spöttisch. „Ist ein solcher Mann wirklich Ihre Zeit wert?“

„Ich habe es angeboten, weil er mitten in einem wichtigen geschäftlichen Gespräch war.“

„Kein Gespräch ist wichtiger als Ihre Zeit. Wären Sie mit mir hier, wüssten Sie das.“

India öffnete die Lippen leicht, doch ihr fiel keine passende Bemerkung ein.

„Wer das Glück hat, mit Ihnen verabredet zu sein, sollte es als seine Mission betrachten, Sie glücklich zu machen. Er sollte Sie nicht zur Bar zu schicken, wenn er Durst bekommt.“

„So … so ist es nicht“, behauptete sie.

Ihr Puls pochte unstet. In der Tat hatte Ethan auf die Bar gezeigt und India gesagt, was er trinken wollte. Er hatte sie behandelt wie die bezahlte Begleiterin, die sie war.

„Möchten Sie hören, wie ein Date mit mir ablaufen würde?“

„Ich muss wirklich zurück“, ächzte sie mit rauer Stimme, machte aber keine Anstalten, ihren Worten Taten folgen zu lassen.

„Zuerst würde ich Ihnen die Adresse einer Boutique in der Fifth Avenue geben. Dort könnten Sie Ihr Outfit auswählen. Dessous, Kleid, Schuhe, Schmuck – was Ihr Herz begehrt. Anschließend würde mein Chauffeur Sie zum Hotel Carlisle fahren, wo Sie sich in der Präsidentensuite verwöhnen lassen würden. Nicht zu vergessen das Nickerchen, das Sie halten würden, damit Sie abends ausgeruht sind.“

Ein köstlicher Schauer rieselte ihr über den Rücken. Das Bild, das Khalil heraufbeschwor, hatte mit ihrem Leben nicht das Geringste zu tun.

„Abends würde ich Sie zum Dinner abholen. Ich hätte das gesamte Restaurant gebucht, damit wir uns ganz aufeinander konzentrieren könnten. Wir würden tanzen, ohne dass uns jemand beobachtet. Kurz vor Mitternacht würden wir zu Ihrer Suite zurückkehren, wo ich das Vergnügen hätte, wieder und wieder und wieder meinen Namen aus Ihrem Munde zu hören.“

Wie von selbst schlossen sich Indias Augen. Bilder stürmten auf sie ein. Khalils Körper, nackt, genau wie ihr eigener, zwischen edlen Bettlaken.

Was der Scheich beschrieb, klang himmlisch. Hätte sie nicht erlebt, wie flüchtig das Interesse mancher Männer sein konnte, hätte sie sich die nächste Frage vielleicht gespart. Doch ein gebranntes Kind scheute das Feuer. Dieses Motto leistete ihr seit Jahren gute Dienste.

„Und am nächsten Morgen?“, flüsterte sie. Ihre Stimme verriet, wie sehr seine Worte sie lockten. Sie blickte ihm in die dunklen Augen und registrierte etwas wie Überraschung darin.

„Der Morgen wäre Teil eines neuen Tages“, antwortete er leise.

„Eines Tages ohne Sie.“

Er nickte. „In Amerika halte ich mich nie lange auf. Ich lebe in Khatrain.“

Khatrain also. Ein reiches, modernes Land mit politischem Gewicht am Persischen Golf. Die Hauptstadt galt als eins der modernen Weltwunder.

„Das Date klingt wundervoll“, sagte India wehmütig. „Aber ein One-Night-Stand ist grundsätzlich nichts für mich.“ Endlich wich sie zurück.

„Selbst dann nicht, wenn Sie ihn wollen?“, fragte er mit seidenweicher Stimme.

Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen. Sie starrte ihn an, verlor sich in seinen Augen, seiner Nähe. Es kam ihr vor, als würde der Atem in ihrem Körper brennen.

„Woher wissen Sie, was ich will?“, gab sie zurück.

„Ich weiß es nicht. Ich rate. Liege ich etwa falsch?“

Ja! Sag Ja!

Doch India war aufrichtig. Ein einziges Mal schüttelte sie den Kopf. Unwillkürlich lehnte sie sich leicht nach vorne, Khalil entgegen.

„Dachte ich mir“, meinte er nur und beugte langsam den Kopf. Sein Blick lockte sie, führte sie in Versuchung.

Er will mich küssen und lässt mir Zeit für einen Rückzieher, erkannte sie.

Obwohl sie wusste, dass sie zurückweichen sollte, reagierte ihr Körper, als führe er ein Eigenleben. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, reckte sich, gab sich dem leidenschaftlichen Kuss dieses Mannes hin, wollte sich von ihm in Besitz nehmen lassen …

Jetzt spürte sie seine Hand auf ihrer Hüfte. Er schob ein Bein vor, als wollte er sie umschlingen, sie genau dort behalten, wo sie war. Bei ihm. Nur bei ihm.

„Es wäre lediglich eine Nacht, aber diese Nacht würde Ihre Welt aus den Angeln heben, Azizi. Versprochen.“

India fühlte sich, als würde jemand einen Eimer Eiswasser über sie kippen. Hastig zog sie den Kopf zurück und blickte sich um. Ethan kehrte ihr den Rücken zu – glücklicherweise. Ihre Finger zitterten wegen all der Empfindungen und der jähen Sorge. Die Agentur würde sie garantiert feuern, wenn Ethan meldete, wie India sich benommen hatte. Das wäre unerträglich. Wo sonst bekäme sie eine Arbeit wie diese?

Warm Engagements war eine besondere Escortagentur. Kein Sex zwischen Kunden und Angestellten, das war eine eherne Regel. Also musste India nicht befürchten, ihr Kunde könne am Ende einen zusätzlichen Service erwarten. Außerdem verdiente sie bei Warm Engagements zehnmal so viel wie in jedem anderen Job, für den sie halbwegs qualifiziert war.

„Ich kann nicht“, sagte sie bekümmert, denn wie gern hätte sie Ja gesagt! „Bitte, vergessen Sie einfach, dass wir uns begegnet sind.“

2. KAPITEL

Ethan hörte sich gern reden. India nickte und lächelte, mehr brauchte ihr Kunde offenbar nicht. Die anderen Männer in seinem Grüppchen schien es nicht zu stören, also war er entweder sehr reich oder sehr mächtig. Zugegeben, er hatte ein attraktives Äußeres, aber er nahm sich derart wichtig, dass er India unendlich langweilte.

Leider blieb ihrem Hirn deshalb zu viel Zeit, um die Gedanken abdriften zu lassen – und zwar in eine einzige Richtung: zu Khalil. Sie kannte nicht mal seinen Nachnamen. Er hatte sie geküsst, als wäre sie sein letzter Atemzug, und in jenem Moment hatte sie nichts außer ihm wahrgenommen.

Sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren: auf ihr Telefonat mit Jackson heute Morgen, darauf, wie glücklich er geklungen hatte. Als er vor einem Jahr zum Studium zugelassen worden war, hatten die Geschwister zutiefst um ihre Eltern getrauert. Seitdem bestand Indias Lebensinhalt darin, den Status quo für Jackson aufrechtzuerhalten. Das schuldete sie ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, die hart gearbeitet hatten, um ihren Kindern ein gutes Leben zu bieten. Sie hatte beide so sehr geliebt, deshalb musste sie die Studiengebühren für Jacksons renommierte Uni auftreiben.

Kann ich drei Jahre durchhalten? So lange dauerte Jacksons Studium noch. Panik packte sie, wenn sie an ihre finanziellen Verpflichtungen dachte. Es fühlte sich an, als würde ihr jemand eine Schlinge um den Hals legen und zuziehen, bis India fast in Ohnmacht fiel. Leider boten sich einer unqualifizierten Vierundzwanzigjährigen kaum Chancen, so viel Geld zu verdienen, wie sie brauchte. Es war nicht ihr Traumjob, reiche Männer zu Veranstaltungen wie diesen zu begleiten. Doch die Agentur zahlte gut, und Jackson war es wert.

Wie gern hätte sie diesen ersten Geburtstag, den sie ohne ihre Eltern beging, mit ihm verbracht! Heute Morgen hatte sie aufs Neue so viel Trauer, Einsamkeit und Sehnsucht gespürt, dass sie den Tag möglichst schnell hinter sich bringen wollte.

Das Gelächter von Ethans Bekannten, das auf eine seiner Bemerkungen folgte, riss India aus ihren Gedanken. Sie tat, als müsse auch sie lachen. Instinktiv schaute sie zur Seite – und fühlte sich, als würde man ihr einen Elektroschock versetzen.

Khalil stand auf der anderen Seite des Saales, inmitten einiger Männer, deren Unterhaltung er nicht folgte. Der eindringliche Ausdruck in seinen Augen ließ ihren Puls in die Höhe schnellen. Sie schaute nicht weg, brachte es nicht fertig.

Er lächelte wissend und senkte langsam den Blick, ließ ihn ausgiebig über ihren Körper wandern. Der reagierte sofort. Ihr Magen zog sich zusammen, die Brüste kribbelten, und die Knospen richteten sich auf. Sie wusste, dass Khalil es registrierte. Als ihre Wangen sich rosig färbten, trank sie beklommen einen Schluck Wasser und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Kunden zu richten.

Mit Wirtschaftsfragen kannte Ethan sich kein bisschen aus. India hingegen hatte zwei Jahre Wirtschaftswissenschaften studiert und sich schon vorher sehr dafür interessiert, deshalb erkannte sie, dass er sich Zahlen aus den Fingern sog und sein Wissen über Handelsbeziehungen arg zu wünschen übrig ließ.

Er schwadronierte noch gut zwanzig weitere Minuten daher, dann wandte er sich India zu.

„Darling, würdest du mir noch einen Drink holen?“

Erneut färbten sich ihre Wangen rot, doch aus einem anderen Grund als zuvor. Ein rascher Blick bestätigte ihr, dass Khalil sie beobachtete, und zwar auf eine Weise, die ihr den Atem verschlug.

„Natürlich“, antwortete sie betreten. Schließlich bezahlte Ethan dafür, dass sie die perfekte Begleiterin abgab.

„Möchte noch jemand etwas?“, fragte er in die Runde.

„Ein Bier“, meldete sich ein Mann.

„Für mich auch“, sagte ein anderer.

India biss die Zähne zusammen und ging lächelnd zur Bar.

„Es gibt hier Kellner, die das gern für Sie erledigen würden“, hörte sie Khalils schmeichelnde Stimme hinter sich. „Warum behandelt er Sie wie eine Dienstbotin?“

Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie gehofft hatte, er werde ihr folgen.

„Ich bin seine Begleiterin, und wenn ich ihn glücklich machen kann, bin ich auch glücklich.“

„Denken Sie, so sollte ein Date sein?“ Missbilligend klickte Khalil mit der Zunge. „Mit was für Dummköpfen Sie Ihre Zeit vergeudet haben müssen.“

„Das ist noch untertrieben“, entschlüpfte es ihr.

„Dann lassen Sie dies den Abend sein, an dem Ihr schlechter Geschmack bei Männern aufhört.“

„Wir haben doch schon darüber gesprochen. Ich gehe nicht mit Ihnen.“

„Weil Sie lieber mit ihm gehen? Oder weil ich ehrlich war, was den Morgen danach betrifft?“

Sie fühlte sich, als hätte sie Seitenstechen. „Von beidem etwas.“

„Ich glaube Ihnen nicht. Schon den ganzen Abend beobachte ich Sie. Zwischen Ihnen und Ihrem Begleiter knistert es nicht. Nicht so, wie wenn ich Sie berühre.“

India schluckte. Sie hatte nie zuvor etwas Ähnliches gespürt wie bei Khalils Berührung. Ganz zu schweigen von dem Kuss! Es hatte sich angefühlt, als wären ihre Lippen für seine geschaffen.

„Ich wünschte, Sie würden mich nicht länger beobachten“, schwindelte sie leise.

Sogar der Blick, den er ihr vom anderen Ende des Saales aus zuwarf, ließ ihr Blut heißer durch die Adern strömen.

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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