Verführung unterm Sternenzelt

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Bevor Prinzessin Johara für immer im goldenen Käfig leben muss, will sie noch ein allerletztes Mal ihre Freiheit genießen! Bei einem opulenten Maskenball lässt sie sich von einem faszinierenden Fremden in den Palastgarten entführen; wie im Rausch gibt sie sich seinen erregenden Zärtlichkeiten unterm Sternenhimmel hin - nur für diese eine Nacht! Doch schon am nächsten Tag sieht sie ihren geheimnisvollen Verführer unerwartet wieder und erkennt schockiert: Er ist kein Unbekannter, sondern Scheich Amir, der größte Feind ihrer Familie!


  • Erscheinungstag 06.04.2021
  • Bandnummer 2486
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718640
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Neunzehn Jahre früher, im Königspalast von Ishkana, am Fuß der Bergkette Al’amanï.

„Sprecht, auf der Stelle.“ Seiner Königlichen Hoheit Prinz Amir Haddad war es egal, dass er erst zwölf war und seine Berater, die sich in seinem Schlafzimmer befanden, mindestens dreimal so alt wie er. Von Geburt an hatte er gelernt, wo sein Platz war im Königreich, welche Pflichten er eines Tages übernehmen würde.

Dass sechs Männer um vier Uhr morgens in seine Privatgemächer gerauscht waren, hatte ihm Angst eingejagt, doch er zeigte es nicht. Seine dunklen Augen waren auf den Berater Ahmed gerichtet, einen der vertrauenswürdigsten Bediensteten seines Vaters. Ruhig wartete er. Dabei war sein Blick, ohne dass Amir sich dessen bewusst gewesen wäre, hart wie Stahl.

Ahmed bewegte sich einen Schritt weiter in Amirs Schlafzimmer. Antike Wandteppiche zierten die Wände, und Amirs Blick fiel für einen Moment auf einen von ihnen. Der Teppich zeigte eines der alten westlichen Aquädukte des Landes, war aus silbernen und blauen Fäden gewebt. Amir spürte, dass er aufstehen und sich mit offenen Augen dem stellen sollte, was auch immer ihm nun bevorstand. Also schlug er die Bettdecke aus feinstem Leinen zurück und schwang seine Füße auf den Mosaikboden, der in Gold, Blau und Grün gearbeitet war. Mit seinen zwölf Jahren war er bereits fast so groß wie die anwesenden Männer.

„Sprechen Sie“, forderte er noch einmal, seine Stimme nun genauso hart wie sein Blick eben.

Ahmed schluckte schwer, sodass sein Adamsapfel auf- und abhüpfte. „Es gab einen Anschlag, Eure Hoheit.“

Amir wartete.

„Der Konvoi Ihrer Eltern wurde angegriffen.“

Amirs Antwort bestand darin, dass er seinen Rücken straffte. Sein eindringlicher Blick war weiterhin auf Ahmed gerichtet, während sich sein Magen zusammenzog und ihm eiskalt wurde.

„Sind sie verletzt?“

Er hörte, dass einer der anderen Bediensteten stöhnte, wandte jedoch den Blick nicht von Ahmed. Bei ihm fühlte er sich in gewisser Weise getröstet, denn er vertraute ihm.

„Ja. Sie wurden schwer verletzt.“ Ahmed räusperte sich, und in seinen sanften Zügen zeichnete sich Schmerz ab. Er legte eine Hand auf Amirs Schulter – eine ungewohnte Geste. „Amir, sie sind tot.“

Er sprach voller Mitgefühl, und seine Stimme verriet seinen eigenen Kummer. Ahmed hatte Amirs Vater seit dessen Kindheit gedient. Der Schmerz, den er empfand, musste sehr groß sein.

Verständnisvoll nickte Amir. Er wusste, dass er sich seiner eigenen Trauer später stellen würde, wenn er wieder allein war. Erst dann würde er sich erlauben, sich dem Schmerz zu überlassen, der ihn erfasst hatte, den Verlust zu spüren, der ihn in die Knie zwang. Er würde nicht öffentlich weinen. Das war nicht seine Art, und es war nicht das, was sein Land von ihm brauchte. Er war nun der König, der Diener seines Volkes.

„Wer hat den Anschlag verübt?“

Einer der anderen Bediensteten trat vor. Amir bemerkte die Orden des Militärs, die an der Brust der weißen Uniform hingen. „Eine Bande Rebellen aus Taquul.“

Einen Moment schloss Amir die Augen. Das Land lag östlich von ihrem. Seit mehr als einem Jahrhundert war Ishkana in erbitterte Unruhen mit Taquul verwickelt. Und nun waren seine Eltern tot.

Er, Amir, war jetzt der Scheich von Ishkana.

„Eine Bande von Rebellen“, fügte Ahmed leise hinzu, „angeführt von seiner Hoheit Johar Qadir.“

Amir stemmte die Hände in die Hüften, zutiefst schockiert. Der Bruder des Königs von Taquul war ein bekannter Unruhestifter. Man wusste, dass er mit den Menschen sympathisierte, die an der Grenze lebten. Seit Jahren profitierten sie von dem anhaltenden Konflikt und wollten um jeden Preis, dass er weitergeführt wurde. Aber das?

Dieser Anschlag ging einen Schritt zu weit. Dies war eine neue Wendung in dem jahrhundertealten Krieg, die unverzeihlich war. Solange er lebte, würde Amir dafür sorgen, dass die Qadirs dafür bezahlten. Er hasste sie, und nichts und niemand würde sein Rachegefühl je besänftigen können.

1. KAPITEL

Mit angeborener Eleganz durchschritt Prinzessin Johara Qadir den Raum. Sie war froh um den Maskenball an diesem Abend, der es ihr erlaubte, anonym zu bleiben. Die fein gearbeitete Maske, die sie trug, war aus Onyx und Perlen gefertigt. Die Augenschlitze waren mit Diamanten bestückt, und an einer Seite steckten Straußenfedern, die mindestens einen halben Meter über ihren Kopf hinausragten. Die Maske verbarg alles außer ihren Augen und den Lippen, was bedeutete, dass sie an diesem Abend von niemandem erkannt werden würde – abgesehen von den Menschen, die ihr am nächsten standen und die das Leuchten in ihren goldbraunen Augen wiedererkennen würden.

Du hast keine Wahl, Johara. Die ganze Familie muss nach außen hin geschlossen hinter dieser Entscheidung stehen. Für unser Volk …

Ja, für ihr Volk. Die Aussicht auf Frieden mit dem benachbarten Ishkana war zu bedeutsam. Er würde Leben retten und die Sicherheit sowie den Alltag der Menschen verbessern. Natürlich musste sie ihren Bruder in seiner Entscheidung unterstützen, in Vertragsverhandlungen mit dem Scheich des Nachbarlandes zu treten.

Es war nicht das, was ihr Sorgen machte, sondern dass man sie aufgefordert hatte, ins Königreich zurückzukehren – für immer. Sie sollte ihr Leben in New York aufgeben, ihre wichtige Arbeit mit den Kindern, deren Schulbildung sie unterstützte. Und das hieß auch, dass sie ihre Identität zurücklassen musste, die sie sich geschaffen hatte. Und für was? Um nach Hause zu kommen, wo ihre Zukunft für sie schon genauestens geplant war: ein repräsentativer Titel und die Ehe mit einem Mann, den ihr Bruder für den passendsten hielt – Paris Alkad’r. Ihre Rolle in seinem Königreich würde eine rein dekorative sein, sie würde sich nutzlos fühlen und nichts bewirken können.

Allein an solch ein Leben zu denken, schnürte ihr bereits die Luft ab, und doch verstand sie ihren überfürsorglichen Bruder. Er hatte miterlebt, wie es ihr nach Matthew ergangen war – dem Amerikaner, in den sie sich verliebt und der ihr das Herz gebrochen hatte. Die Artikel in den Zeitungen waren unbarmherzig gewesen, und die Klatschpresse hatte sich an ihrem Schmerz erfreut. Malik wollte ihr das ersparen, doch eine arrangierte Ehe, das ging zehn Schritte zu weit. Außerdem war die Art von Ehe, die er und Paris sich vorstellten – eine politische Allianz –, das Letzte, was sie wollte.

Alles in ihr rebellierte dagegen.

Ihr Bruder war der Scheich. Er war älter als sie, das stimmte, aber noch wichtiger war, dass er dazu erzogen worden war, ein Land zu regieren. Joharas Bedeutung war im Vergleich zu seiner nie als besonders groß erachtet worden – zumindest nicht von ihren Eltern. Selbst Malik schien manchmal zu vergessen, dass sie ein Mensch mit eigenem Willen war. Er glaubte, nur mit den Fingern schnippen zu müssen und schon würde sie springen. Ihre engste Freundin in New York hatte mitfühlend erklärt, dass es ihr mit ihrer älteren Schwester genauso erginge – ältere Geschwister seien nun mal immer äußerst rechthaberisch. Doch Johara bezweifelte, dass es irgendjemand mit Maliks Überheblichkeit aufnehmen konnte. Sie liebte ihn, aber das hieß nicht, dass sie sich nicht manchmal über seine Entscheidungen ärgerte.

Sie stieß einen Seufzer aus, nahm ein Glas Champagner von einer Kellnerin, die gerade mit einem Tablett vorbeiging, trank einen kleinen Schluck und stellte das Glas wieder auf das Tablett. Jedes kleinste Detail dieser Party war erlesen. Das Nationalballett fungierte als Bedienpersonal. Alle Ballerinen sahen in ihren Tutus in Pink und Silber wunderschön und bezaubernd aus, während sie sich tanzend durch die Menge bewegten. Die riesige Marmorhalle war für diesen Anlass geöffnet worden und zeigte den Reichtum und das jahrhundertealte Ansehen des Landes. Die Fenster boten auf der einen Seite einen Ausblick auf die Wüste, auf der anderen auf das Grenzgebiet Al’amanï. Breite Stufen aus weißem Marmor führten zu einer riesigen Lagune. Sie war schon viele Jahrhunderte alt, von Menschenhand geschaffen und wurde von allen Seiten durch kleine Feuer beleuchtet. Plattformen aus Glas waren angebracht worden und erlaubten es den Gästen, sich über dem Wasser aufzuhalten, während sie das Wasserballett bestaunten. Die Lichterketten, die oberhalb aufgehängt worden waren, erzeugten eine wunderschöne Atmosphäre und ließen die Szenerie wie einen Mittsommernachtstraum wirken.

Man hatte wirklich an alles gedacht.

Erneut entschlüpfte Johara ein Seufzer. In New York war sie zwar immer noch eine Prinzessin gewesen – sie hatte Bodyguards gehabt, die ihr diskret auf Schritt und Tritt gefolgt waren, hatte in einer Wohnung gelebt, die dem Königshaus gehörte, und von Zeit zu Zeit an offiziellen Anlässen teilgenommen –, trotzdem war sie im Großen und Ganzen in der Lage gewesen, ihr eigenes Leben zu führen.

Könnte sie all das wirklich aufgeben, um nach Hause zurückzukehren und nur schmückendes Beiwerk zu sein? Was war mit ihrem brennenden Wunsch, von Nutzen zu sein?

Ihr Blick schweifte durch den Raum. Würdenträger aus allen Teilen der Welt waren für diesen bedeutenden Anlass nach Taquul gereist – ein Anlass, von dem die meisten gesagt hatten, dass es ihn nie geben würde. Frieden zwischen Ishkana und Taquul war beinahe ein Widerspruch in sich, denn der Krieg wütete schon so lange, dass er beinahe zur Gewohnheit geworden war. Ein ausländischer Diplomat stolzierte mit stolzgeschwellter Brust herum und gratulierte sich offenbar im Stillen dazu, dass er dieses vorläufige Friedensabkommen erreicht hatte.

Joharas Lippen verzogen sich zu einem hintergründigen Lächeln. Wie wenig der Diplomat doch wusste. Niemand konnte ihren Bruder zu etwas zwingen, was er nicht wollte.

Malik wollte diesen Frieden und wusste, dass es an der Zeit war. Die uralte Feindschaft war seit Generationen Teil ihres Lebens, doch sie diente dem Volk nicht. Der Hass war gefährlich, und er war sinnlos. Wie viele Menschen mussten noch sterben?

Vielleicht hatte all das zu Anfang seinen Zweck erfüllt. Die Landschaften von Ishkana und Taquul waren unwirtlich. Sicher, es gab auch sehr viele schöne Flecken, aber nicht genug. Die Regionen, um die vor hundert Jahren gestritten worden war, waren reich an Wasservorkommen, und der größte Teil war kultivierbar. Doch obwohl eine Eigentumsvereinbarung ausgehandelt worden war, hörten die Unruhen nicht auf, und das Abkommen schien immer gefährlich nahe daran, auseinanderzubrechen. Da außerdem noch mehrere Bergstämme involviert waren, die von beiden Ländern unabhängig sein wollten und dafür sorgten, dass das Misstrauen und die Gewalt kein Ende nahmen, war es umso erstaunlicher, dass dieses Friedensabkommen überhaupt zustande gekommen war. Eingehende Verhandlungen zwischen beiden Ländern und eine Vereinbarung, in der genaue Gesetze für beide Seiten festgelegt wurden, hatten zu diesem historischen, hoffnungsvollen Ereignis geführt.

Johara hoffte mehr als alles andere, dass der Frieden halten würde.

„Sie langweilen sich.“

Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und sie wandte den Kopf. Ein Mann hatte sich neben sie gestellt. Er trug eine Maske, die die obere Hälfte seines Gesichts bedeckte – weicher Samt, der sich so an seine Züge schmiegte, dass sie trotzdem für sie erkennbar waren. Eine ausgeprägte Kieferparty, eine leicht gebogene Nase und männliche, doch volle Lippen. Seine Haare waren so dunkel, wie die Tiefen des Ozeans wohl sein mochten, und genauso faszinierend – dicht und leicht gelockt reichten sie bis zum Kragen seines Gewandes. Seine Augen waren dunkel wie Feuersteine. Groß, breit gebaut und muskulös, wie er war, wirkte er wie ein altertümlicher Held. Die Vorstellung jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Er trug einen schwarzen Kaftan, der an den Manschetten und am Kragen mit Gold durchwirkt war, was zu seiner Maske passte. Er sah geheimnisvoll aus … und faszinierend. Gefährlich.

Sie zwang sich, den Blick abzuwenden.

„Ganz und gar nicht.“ Dass sie die Prinzessin von Taquul war, konnte man nicht erkennen, aber das hieß nicht, dass sie sagen konnte, was sie wollte. Auch nicht zu einem Fremden.

Sie spürte, dass er sie beobachtete, und eine unerklärliche Hitze befeuerte ihr Blut. Johara sah weiter geradeaus.

„Würden Sie lieber woanders sein?“, fragte er, offenbar immer noch neugierig.

Plötzlich machte sich ein Gefühl in ihr breit, das sie drängte, ehrlich zu ihm zu sein.

„Ich …“ Sie schluckte und sah ihn an. Die Maske verlieh ihr Mut, weil sie sich dahinter verstecken konnte. Er wusste nicht, wer sie war, und sie wusste nicht, wer er war. Sie waren nichts weiter als zwei Fremde bei einem Staatsempfang. Kein Titel. Kein Name. Langsam verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln. „Vor zwanzig Stunden war ich noch in Manhattan.“

„Und Sie wären jetzt lieber dort.“

„Dies ist ein Anlass von großer Tragweite.“ Sie deutete auf den Raum, ehe sie ihn wieder ansah. „Jeder in Taquul wird sich freuen, dass es nach so langer Zeit Frieden mit Ishkana geben könnte.“

Sein kühler Blick gab nichts preis. „Nicht jeder.“

„Ach nein?“

„Viele werden ihr Leben lang an ihrem Hass und ihrer Feindseligkeit festhalten. Man schafft keinen Frieden damit, dass zwei Männer mit den Fingern schnippen und beschließen, dass es so sein soll.“

Seine Worte machten sie neugierig. „Sie glauben also nicht, dass die Menschen erkennen, wie vernünftig Frieden wäre?“

Sein Mund verzog sich zu einem verhaltenen Lächeln, das eher zynisch wirkte. „Ach, dann sprechen wir also von Vernunft und nicht von Gefühlen. Was jemand fühlt, hat oft wenig damit zu tun, was vernünftig wäre.“

Seine scharfsinnige Bemerkung überraschte sie und weckte ihr Interesse. Ohne sich dessen bewusst zu sein, ging sie weiter, und er folgte ihr.

„Trotzdem glaube ich, dass das Volk von Taquul sehr erleichtert sein wird, besonders die Menschen in den Grenzgebieten. Was jetzt wichtig ist, ist eine einheitliche Front, um die Unruhen in den Bergregionen zu beenden.“

Sein flammender Blick war auf sie gerichtet – obwohl sie eben noch gedacht hatte, dass seine Augen kalt wie Stein wirkten.

„Vielleicht.“

„Stimmen Sie dem nicht zu?“

Er lächelte spöttisch. „Ich glaube nicht, dass Frieden so einfach zu erreichen ist.“

„Hoffentlich irren Sie sich.“

„Das bezweifle ich.“

Sie konnte nicht anders, als über seinen Zynismus zu lachen. Offenbar war er sich dessen gar nicht bewusst.

„Ich glaube, die Menschen können sich einem Friedensabkommen fügen“, sagte er mit tiefer Stimme. „Aber dieser Hass wird einen langen, langsamen Tod sterben. Auf beiden Seiten haben viele ihr Leben gelassen. Wie viele Tote hat es in diesem Krieg gegeben? Würden Sie nicht Vergeltung üben wollen an einem Menschen, der jemanden umgebracht hat, den Sie geliebt haben?“

Seine Worte machten sie traurig, und sie fragte sich, ob er durch diese schrecklichen Unruhen jemanden verloren hatte. „Ich finde Selbstjustiz grundsätzlich schlecht. Es ist doch viel besser zu vergeben.“

Er schwieg, und sie wusste nicht, ob er ihr zustimmte oder nicht. Sie spürte nur, dass er über ihre Worte nachdachte.

Inzwischen hatten sie das Ende der riesigen Marmorhalle erreicht und gingen in stillschweigender Übereinkunft die Stufen hinunter. Sie waren nicht steil, und trotzdem legte er seine Hand auf ihren Rücken, um sie zu stützen.

Es hatte keine Bedeutung – und dennoch wäre so etwas nicht erlaubt gewesen, wüsste er, wer sie war. Die Prinzessin von Taquul durfte nicht einfach von einem Bürgerlichen berührt werden.

Als sie die Stufen hinunterging, bewegte sie sich unbewusst in seine Richtung, sodass ihre Körper sich berührten. Es fühlte sich an, als würden heiße Pfeile durch ihren Körper schießen.

Als sie am Fuß der Treppe angekommen waren, deutete er auf den Rand des Pools. „Leisten Sie mir Gesellschaft.“

Es klang wie ein Befehl, und sie unterdrückte ein Lächeln. Die Menschen in Taquul wagten es nicht, so mit ihr zu sprechen – und auch woanders nicht.

Zustimmend nickte sie. Nicht, weil er es ihr befohlen hatte, sondern weil sie nirgendwo anders sein wollte. Seine Hand blieb auf ihrem Rücken, als er sie zum Rand des Pools führte. Es gab dort einen großen Tisch, an den sie sich stellen konnten. Dort würden sie von den Bedienungen alles bekommen, was sie wollten. Deshalb wusste Johara nicht, warum sie sagte: „Möchten Sie sich etwas ganz Besonderes anschauen?“

Mit abschätzendem Blick sah er sie an, ehe er knapp nickte.

Erleichterung durchflutete sie. Eigentlich hätte ihr Körper ihr signalisieren müssen, dass es gefährlich sein würde, doch stattdessen spürte sie, wie aufgeregt sie war. Und sie fühlte noch etwas anderes: Verlangen.

Völlig entspannt und mit einer natürlichen Autorität ging er neben ihr her. Sie fragte sich, ob er ein Abgesandter aus dem Ausland war oder vielleicht einer der mächtigen Wirtschaftsbosse, die oft zu offiziellen Anlässen im Palast eingeladen wurden. Ein reicher Investor für die Infrastruktur des Landes vielleicht, denn er bewegte sich zweifellos wie ein Mann, der Macht und Geld hatte.

Sie ging die Stufen hinunter, die zu einem gewundenen Pfad führten. Seine Hand lag immer noch auf ihrem Rücken. Wärme breitete sich in ihr aus. Sie hatte das seltsame Gefühl, es sei Schicksal und habe schon seit langer Zeit in den Sternen gestanden, dass sie sich genau an diesem Abend kennenlernten.

Er hätte nicht sagen können, weshalb er sie begleitete. Seit er sie in dem überfüllten Ballsaal entdeckt hatte, verspürte er den dringenden Wunsch, mit ihr zu sprechen. Aber schließlich war der Raum voller schöner Frauen in atemberaubenden Kleidern und mit kunstvollen Masken. Und auch wenn sich das schwarze Kleid wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte und ihre großzügigen Rundungen perfekt betonte, war es lange her, dass Amir es sich gestattet hatte, sich von körperlicher Anziehungskraft bestimmen zu lassen.

Verlangen allein reichte nicht. Warum also hatte er zugelassen, dass sie ihn von der Party wegführte, obwohl er wusste, dass er in der nächsten Stunde neben Scheich Malik Qadir stehen musste, um ihre neu geschlossene „Freundschaft“ zu demonstrieren? Zumindest wegen der Anwesenden mussten sie so tun als ob.

Doch für Amir hatte sich nichts geändert. Er hasste die Qadirs immer noch leidenschaftlich. Als seine Eltern vor neunzehn Jahren gestorben waren, hatte er sich geschworen, sie immer zu hassen, und er beabsichtigte dieses Versprechen zu halten.

„Wo führen Sie mich hin?“

„Geduld. Wir sind bald da.“ Sie sprach mit leicht amerikanischem Akzent, und ihre Stimme war weich und melodisch, fast, als würde sie singen.

„Führen Sie Männer, die Sie nicht kennen, immer in die Wildnis?“

Ihr Lachen klang glockenhell. „Erstens kann man das hier kaum eine Wildnis nennen. Der Garten ist tadellos gepflegt, finden Sie nicht?“

Zustimmend neigte er den Kopf.

„Und was den zweiten Punkt anbelangt, dass ich Männer, die ich nicht kenne, irgendwohin verschleppe …“ Sie hielt mitten im Satz inne und blieb stehen, während sie ihn mit einem Augenaufschlag ansah, der mehr sagte als tausend Worte. Er verspürte einen Anflug von Verlangen, das er auch bei ihr bemerkte, und atmete heftiger. Weit oben leuchteten die Sterne am Wüstenhimmel wie Silber auf schwarzem Samt. Doch es gab nichts Strahlenderes als die Frau, die vor ihm stand.

Seine Hände wanderten zu ihrer Maske. Er musste ihr Gesicht sehen, wollte alles von ihr sehen. Doch sie umfasste seine Hände und schüttelte leicht den Kopf.

„Nein. Mir gefällt es so, wie es ist.“

Eine seltsame Bemerkung, als würde ihr die Anonymität gefallen, die ihr die Maske bot. Er nahm seine Hände herunter, doch statt die Arme ganz sinken zu lassen, nahm er ihre Hände. Zuerst war es nur eine leichte Berührung, als würde er damit eine Frage stellen. Sie schwankte so, dass ihr Körper seinen berührte und er den Ansturm seines heftigen Verlangens nicht länger leugnen konnte. Er fühlte sich wie ein Teenager, getrieben von Hormonen und Lust. Wie lange war es her, dass er sich gestattet hatte, dem einfach nachzugeben?

„Kommen Sie“, murmelte sie eindringlich. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und zog ihn an ihre Seite. Es war eine dunkle Nacht, und hier waren sie weit weg von Nachtschwärmern. Trotzdem war er froh, als wie aus dem Nichts ein großer Busch aufragte und sie abschirmte. Sie schob die Zweige zur Seite und warf ihm einen geheimnisvollen Blick über die Schulter zu, ehe sie in eine Wand von Bäumen eintauchte. Sie hielt immer noch seine Hand, doch er blieb einen Moment auf der anderen Seite stehen, sah erst in die eine Richtung, dann in die andere, ehe er ihr folgte.

Sie waren von großen Bäumen umgeben, deren Laub auch unten dicht wuchs. Der Himmel über ihnen warf nur wenig Licht durch das dichte Blattwerk. Es war fast schwarz; nur ein leichter Silberstreifen, den der Mond warf, spendete Licht.

„Hier entlang.“ Sie zog ihn noch tiefer in die Dunkelheit und schob mit der freien Hand die Äste zur Seite, während sie um eine Ecke bogen. Als sie ein weiteres Mal abbogen, hörte er Wasser, zuerst leise, doch das Rauschen wurde mit jedem Schritt lauter. Sie blieb erst stehen, als sie mitten in diesem Irrgarten einen Springbrunnen erreichten.

„Es ist wunderschön, nicht wahr?“, fragte sie.

Statt sich umzuschauen, sah er nur sie an, weil er den Blick nicht von ihr abwenden konnte. Er wollte ihr unbedingt die Maske abnehmen. Doch selbst wenn er es täte, würde er sie kaum erkennen können, so dunkel war es in dem Irrgarten.

„Ja“, sagte er mit tiefer Stimme.

Er umfasste ihr Kinn und starrte sie forschend an, als suchte er nach einer Erklärung für diese starke Anziehungskraft.

„Er ist berühmt, der Irrgarten des Palastes.“

Amir nickte. „Ich habe davon gehört.“

„Natürlich. Jeder in Taquul weiß davon.“ Ein Lächeln umspielte ihre dunkelroten Lippen. Er verbesserte sie nicht, denn sie musste nicht wissen, dass er aus Ishkana war – auch nicht, dass er der Scheich dieses Landes war.

Immer noch sah er sie an. Ihre Lippen teilten sich, und sie schloss die Augen, sodass ihre langen, dichten Wimpern wie zwei Halbmonde auf ihren Wangen ruhten.

„Wie lange bleiben Sie in Taquul?“, erkundigte er sich.

„Ich weiß es nicht.“

„Gefällt es Ihnen hier nicht?“

Sie stieß einen leisen Seufzer aus. „Ja und nein.“

„Und was machen Sie in New York?“

Ihr Lächeln wirkte nun aufrichtig. „Ich arbeite bei einer Initiative, die Kindern das Lesen und Schreiben beibringt.“

Es überraschte ihn, weil er damit nicht gerechnet hatte. Sie wirkte ganz wie eine Angehörige der feinen Gesellschaft, wie eine reiche Erbin, nicht wie eine Frau, die die Ärmel aufkrempelte und solch eine wichtige Arbeit machte.

„Wie sind Sie auf diesen Bereich gekommen?“

Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, wirkte nun verschlossen, als gäbe es etwas, was sie vor ihm geheim halten wollte. Das gefiel ihm gar nicht. „Es ist eine lohnenswerte Aufgabe.“

Er wollte mehr wissen, hatte jedoch das Gefühl, sich bereits jetzt schon auf unsicherem Boden zu befinden. Je mehr er über sie herausfand, desto gefährlicher wäre es für ihn.

„Ja.“ Sie hüllte sich in Schweigen, doch es war ein Schweigen, das Bände sprach. Lange sah er sie an, ehe sein Blick zu ihrem Mund wanderte und dann zu ihren Brüsten. Ihr schwarzes Kleid glänzte im Mondlicht.

„Unglaublich“, murmelte er und schüttelte den Kopf, als er mit der Hand an ihrer Seite entlangstrich, ehe er mit den Fingerspitzen ihre Hüften berührte und dann hoch zu ihren Brüsten wanderte. Verlangen stand in ihrem Blick und die Bitte, sie dort zu berühren. Seine Erregung wuchs. Er wollte mit ihr schlafen, hier unter dem Sternenhimmel, die Bäume die einzigen Zeugen dieser Verrücktheit.

„Und wie lange bleiben Sie in Taquul?“

Nur so lange, wie es unbedingt notwendig ist. Jeder Augenblick in diesem Königreich fühlte sich wie ein Verrat an seinen Eltern an.

„Ich bin nur für diesen Abend hier. Danach werde ich umgehend wieder abreisen.“

In ihren Augen leuchtete etwas auf, was wie Entschlossenheit wirkte. Sie nickte.

„Gut.“ Es hörte sich wie ein Schnurren an, halb Einladung, halb Abwehr. Das Letzte ergab keinen Sinn für ihn, das Erste erleichterte ihn. „Um Ihre Frage von vorhin zu beantworten: Nein, ich mache so etwas sonst nie.“

Er schwieg und wartete darauf, dass sie eine weitere Erklärung abgeben würde.

„Ich verschleppe nie Männer, die ich nicht kenne, in den Irrgarten oder woandershin.“ Sie hielt die Luft an, legte den Kopf in den Nacken und gab sich ganz diesem verrückten Moment hin. „Aber Sie sind anders.“

Er lächelte verhalten. „Ach ja?“

„Sie sind der einzige Mann hier, der einen schwarzen Kaftan trägt …“

Langsam nickte er. Dafür gab es einen Grund. Gewänder wie seines hatte man schon vor Hunderten von Jahren getragen, wenn zwei Herrscher sich trafen, um damit Frieden und Freundschaft kundzutun. Sie hatte recht, denn er hatte sich für feierliche Kleidung entschieden, während alle anderen Männer Anzüge im westlichen Stil oder traditionelle weiße Kaftane trugen.

„Aber es liegt nicht daran, was Sie tragen.“

Sie hob die Hand und legte ihre Finger auf seine Brust. Die Berührung überraschte sie beide, doch sie zog ihre Hand nicht weg.

„Haben Sie je jemanden kennengelernt und das Gefühl gehabt …?“ Sie runzelte die Stirn und suchte nach den richtigen Worten.

Doch sie musste nichts weiter erklären. Er schüttelte den Kopf. „Nein. So ein Gefühl hatte ich noch nie.“

Und bevor einer von ihnen ein weiteres Wort sagen konnte, eroberte er ihren Mund mit all der Leidenschaft, die in ihm brannte.

2. KAPITEL

Das Kleid war unglaublich weich, und am gesamten Rücken befanden sich kleine Perlknöpfe, von denen er jeden einzelnen aufknöpfen musste, um sie von dieser atemberaubenden Kreation zu befreien. Voller Ungeduld wollte er das Kleid zerreißen, doch der Stoff schien unverwüstlich zu sein. Davon abgesehen war er noch vernünftig genug, um zu realisieren, dass er dieser Frau ein großes Unrecht antun würde, sollte er zulassen, dass sie mit zerrissenem Kleid wieder aus dem Irrgarten auftauchte.

Was sie beide hier machten, war in jeder nur denkbaren Hinsicht verrückt. Er wusste nichts über sie und konnte froh sein, dass sie auch nichts über ihn wusste. Denn das Letzte, was er brauchte, waren Komplikationen, die das Friedensabkommen gefährden könnten.

Sie hatte recht gehabt wegen der Masken, denn die Anonymität war genau das, was er benötigte. Ehrfürchtig zog er ihr das Kleid aus und konnte sich ein heiseres Stöhnen nicht verkneifen, als er die Unterwäsche bemerkte, die sie trug. Hauchdünne weiße Spitze, die kaum ihre vollen Brüste und den Po bedeckte. Dass sie nur Seide und eine Maske trug, steigerte seine Erregung so sehr, dass es beinahe wehtat. Dann zog er seinen Kaftan aus, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. Er hatte Angst, sie würde ihre Meinung ändern und ihm sagen, dass sie aufhören mussten.

Und damit hätte sie recht. Das Ganze war total verrückt, eine Laune der Lust, die er sich versagen sollte, so wie er sich vieles zum Wohl seines Landes versagt hatte.

Er wusste, dass sein Königreich sich wünschte, dass er heiratete – er war der einzige Erbe des Throns, und ohne Frau konnte er unmöglich die erforderlichen Kinder zeugen. Trotzdem hatte er bisher immer nur bedeutungslose Affären gehabt – und auch nur dann, wenn die Bedingungen stimmten. Es hatte eine Frau sein müssen, die verstand, dass er sich zu nichts verpflichten würde, weil er die Pflicht hatte, zum Wohl seines Königreiches zu heiraten. Ob diese Frau das verstehen würde?

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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