Verlangen auf den ersten Blick

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Liebe auf den ersten Blick? Daran glaubt die schöne Schmuckdesignerin Amie nicht. An Leidenschaft auf den ersten Blick dagegen schon! Denn die spürt sie, als sie auf einer Party einem breitschultrigen Fremden gegenübersteht. Er ist so umwerfend, dass sie sich von ihm küssen, umarmen und sogar sinnlich lieben lässt! In seinen Armen vergisst sie selbst ihre allergrößte Sorge: Das Familienunternehmen steht vor dem Ruin ... Doch kaum kehren sie erhitzt zur Party zurück, erfährt Amie schockiert, mit wem sie eben ein unerhört lustvolles Rendezvous hatte!


  • Erscheinungstag 14.06.2016
  • Bandnummer 1929
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722975
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Zwei Monate zuvor

Amie McNair hatte noch nie in ihrem Leben über einen One-Night-Stand nachgedacht. Bis zum heutigen Abend.

Sie stand neben einem sprudelnden Champagnerbrunnen. Der Saal war voller Gäste, die sich versammelt hatten, um die Verlobung ihres Cousins zu feiern. Zwar hatte sie sich bislang leidlich gut amüsiert, doch durch die Arbeit war sie hochkarätige Anlässe wie diesen gewöhnt.

Der Abend war nichts Besonderes, und Amie grübelte bereits über eine Ausrede nach, um früher gehen zu können. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich ihr Galakleid auszuziehen und in ihren bequemen Baumwollpyjama zu schlüpfen. So prachtvoll die diamantenbesetzte, eng anliegende Kette auch war, die sie um den Hals trug, sie schnürte ihr die Luft ab. Ihre eigenen langen, bunten Ketten waren ihr eindeutig lieber.

Doch all diese Gedanken waren mit einem Schlag verflogen, als er den Raum betrat.

Ein großer, dunkelhaariger Mann durchschritt selbstbewusst den Saal. Sein Anblick verschlug ihr den Atem. Als ihre Blicke sich trafen, schien die Luft zu knistern. Mit einem Mal sehnte sie sich nicht mehr nach ihrem bequemen Pyjama, sondern nach etwas ganz anderem. Ihre Haut begann am ganzen Körper zu kribbeln.

Schnell wandte sie den Blick ab. Was war nur mit ihr los? Amie begriff es nicht. Sicher, dieser Mann war zweifellos attraktiv. Doch in den Kreisen, in denen sie verkehrte, wimmelte es von attraktiven, dominanten Männern.

Da waren die kernigen Cowboys, die auf der Hidden Gem Ranch arbeiteten, der Ferienranch ihrer Familie, und natürlich die Manager im Schmuckunternehmen Diamonds in the Rough. Doch dieser Mann ließ sich keiner der beiden Welten eindeutig zuordnen. Mit seinem muskulösen Körper, dem maßgeschneiderten Anzug und seinem schwarzen Stetson hätte er überall eine gute Figur gemacht.

Smoking und Stetson. Das war eine Mischung ganz nach ihrem Geschmack.

Er war braun gebrannt, hatte markante Züge und ein kantiges Kinn. Sein pechschwarzes Haar war an den Schläfen bereits von einigen silbernen Strähnen durchzogen. Er wirkte klug, entschlossen.

Erfahren.

Unwillkürlich durchlief ein Zittern ihren Körper.

Trotzdem waren es vor allem seine Augen, die sie faszinierten. Seine Augenfarbe war eine Mischung aus Gold- und Grüntönen, die immer wieder anders aussah, je nachdem wie ihm das Licht des Kronleuchters ins Gesicht fiel. Seine Augen erinnerten sie an Bernstein. Diesen vielschichtigen Farbton hatte sie schon immer geliebt, und sie experimentierte bei ihren Schmuckentwürfen gern damit. Der Fremde ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.

Wieder trafen sich ihre Blicke. Diesmal wandten sie sich nicht voneinander ab.

Amie bebte noch immer. Es fühlte sich an, als würde glühende Lava durch ihre Adern fließen. Mit zitternder Hand stellte sie ihr Champagnerglas beiseite und ging, ohne es bewusst zu wollen, auf ihn zu. Er übte eine magnetische Anziehungskraft auf sie aus. Sie musste mehr über ihn erfahren. Ihre Füße bewegten sich ganz von allein im Takt der Musik. Gerade spielte die Band einen Klassiker von Patsy Cline, ausgerechnet ein Liebeslied. An der Decke hingen unzählige Papierlaternen in allen Farben des Regenbogens.

Langsam kam sie dem geheimnisvollen Fremden näher. Und auch er drängte sich an Gästen in Smokings und Abendkleidern vorbei und steuerte auf sie zu.

Nicht nur ihr war der Fremde aufgefallen. Zahlreiche neugierige Blicke ruhten auf ihm. Doch er hatte nur Augen für sie.

Wer war er? Sie kannte die meisten Gäste im Saal, nur ihn nicht. Trotzdem nickte man ihm von allen Seiten freundlich zu.

Sie spürte seinen Blick auf der Haut wie eine Liebkosung. Warm und sanft. Offenbar war auch er von ihr fasziniert. Amie genoss das Gefühl in vollen Zügen. Das letzte Jahr war alles andere als leicht gewesen. Man hatte bei ihrer Großmutter unheilbaren Krebs diagnostiziert. Der Gedanke, dass sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verlieren würde, war für Amie unerträglich. Und dann hatte sie noch dabei zusehen müssen, wie die Leitung des Familienunternehmens an einen fremden Geschäftsführer übertragen worden war. Auch dieser Gedanke schmerzte. Immerhin war diese Firma das Vermächtnis ihrer Großmutter.

Veränderungen, wohin man blickte. So hatte sich Amie ihre Zukunft nicht vorgestellt. Doch jetzt, in diesem magischen Moment, fielen alle Sorgen von ihr ab. Zum ersten Mal, seit sie vom Gehirntumor ihrer Großmutter erfahren hatte.

Amie blieb nur wenige Zentimeter vor dem Mann stehen. Um sie herum gingen die Gespräche weiter, die Musik spielte, und trotzdem fühlte es sich so an, als wären sie ganz allein auf der Welt. Der Mann sah sie stirnrunzelnd an und schwieg. Amie war froh, dass nicht nur ihr die Worte fehlten.

Bislang hatte sie nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Doch die Verbindung zwischen ihnen war nicht zu leugnen. Eine intensive Anziehungskraft ging von ihm aus. Und es hatte nicht nur mit Sex zu tun. Das spürte sie deutlich.

Amie ließ sich vom äußeren Schein nicht täuschen. Das hatte mit ihrer Kindheit zu tun. Schon im Kleinkindalter hatte ihre Mutter sie bei Schönheitswettbewerben antreten lassen – mit hochtoupiertem Haar, fingerdickem Make-up und in bunten Rüschenkleidern.

Stets war es nur um ihr Aussehen gegangen. Man hatte ihr Punkte gegeben für ihren Gang, ihr Lächeln. Im Laufe der Zeit hatte sie mehr als genug Schönheitsköniginnen gesehen, die einander Beleidigungen zuflüsterten, während sie weiter strahlend in die Kameras lächelten. Schönheit war nicht alles. Doch wenn es nicht seine Attraktivität war, was interessierte sie an diesem Mann dann so sehr?

Amie wusste, dass sie sich ihm eigentlich vorstellen sollte. Stattdessen starrte sie ungeniert auf seine Hand, an der weder ein Ehering noch ein blasser Streifen zu sehen war. „Sind sie verheiratet?“, fragte sie unverblümt.

Überrascht zog er die dunklen Augenbrauen hoch. „Sind Sie es?“ Seine Stimme klang tief und angenehm.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verheiratet.“

„Ich auch nicht“, antwortete er. „Gibt es einen Mann in Ihrem Leben?“

Es gefiel ihr, dass das für ihn eine Rolle zu spielen schien. „Nein. Und gibt es in Ihrem Leben eine Frau?“

„Nur die Frau, die vor mir steht.“

Oh. Verdammt! Er war gut. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.

Im Rückblick war schwer zu sagen, wer den ersten Schritt gemacht hatte. Doch irgendwie waren sie plötzlich auf der Tanzfläche. Ihre Körper bewegten sich zu einem langsamen Countrysong in perfekter Harmonie. Die bunten Papierlaternen an der Decke tauchten den Saal in warmes Licht.

Sie atmete seinen Geruch ein. Er roch gepflegt und gleichzeitig sehr männlich. Amie wurde schwindelig. Sie spürte seine Hand warm auf ihrer Taille.

Wie lange war es her, seit sie das letzte Mal die Hände eines Mannes auf ihrem Körper gespürt hatte?

Ein Knistern lag in der Luft. Sie atmete ein, er atmete aus. Mühelos passten sich ihre Schritte demselben Rhythmus an. Ihre Körper reagierten instinktiv aufeinander, während sie sich wie gebannt in die Augen sahen.

Das letzte Jahr war voller Sorge und Kummer gewesen. Kein Wunder, dass sie sich so zu ihm hingezogen fühlte. Sie konnte ein bisschen Ablenkung gebrauchen. Und ihr Gefühl sagte ihr, dass es ihm ebenso ging. Sie las es in seinen Augen. Ungeduldig wartete sie auf seinen nächsten Zug.

Kurz darauf eilten sie den Flur entlang auf den leer stehenden Garderobenraum zu.

Dann fielen sie übereinander her.

Amie spürte, wie seine starken Arme sie umschlangen, während sie sich küssten. Er hielt sie fest, doch nicht zu fest. Sie wusste, dass sie jederzeit gehen konnte, wenn sie wollte. Doch das wollte sie nicht. Eine herrliche Erregung durchströmte ihren Körper, als sie ihn schmeckte. Der Kuss wurde immer intensiver. Hier, in der Abgeschiedenheit der Garderobe, geriet alles rasend schnell außer Kontrolle. Da der Raum bei der Feier nicht benutzt wurde, würde niemand sie stören.

Trotzdem bestand immer noch die Möglichkeit, dass jemand hereinkam. Und obwohl Amie ganz bestimmt keine exhibitionistische Ader hatte, verlieh dieser Gedanke der Situation einen zusätzlichen Kitzel. Aus dem Saal nebenan drangen Musik und Partylärm.

Der Fremde nahm ihr Gesicht in die Hände und sah ihr tief in die Augen. „Ich mache so etwas normalerweise nicht.“

Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Du musst mir nichts erklären. Ich habe sowieso keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Lass uns diesen Moment … einfach genießen.“ Sie holte tief Luft, bevor sie sagte: „Schließ die Tür ab.“

Ohne zu zögern, griff er hinter sich und drehte den Schlüssel im Schloss. Sie hörte ein leises Klicken, und all ihre Bedenken waren verflogen. Sie schlang die Arme um seinen Hals und verlor sich in einem endlosen Kuss.

Sie fühlte, wie sich ihre Brustwarzen zusammenzogen, als sie sich an seinen warmen, starken Körper schmiegte. Wann hatte sie sich das letzte Mal so von ihrer Leidenschaft mitreißen lassen? Immerhin war sie einunddreißig Jahre alt und beileibe keine Jungfrau mehr. Trotzdem konnte sie diesem Fremden einfach nicht widerstehen. Durch ihr dünnes Seidenkleid hindurch spürte sie, wie erregt er war.

Sie wusste, worauf das hier hinauslief. Und sie wollte es. Sie wollte ihn. Jetzt gleich.

Seine Lippen streiften ihren Hals. „Ich habe ein Kondom in der Tasche“, stieß er hervor.

Er wollte sich von ihr lösen, doch sie packte ihn am Revers und zog ihn wieder zu sich. „Lass mich das machen“, flüsterte sie.

Sie ließ eine Hand in die Tasche seines Smokingjacketts gleiten. Dabei strich sie mit den Fingern über seinen muskulösen Brustkorb, dann zog sie die Brieftasche aus der Innentasche. Eine Sekunde lang war sie versucht, einen Blick auf seinen Ausweis zu werfen … Doch dann spürte sie seine Hände auf ihren Hüften, und alles andere war vergessen. Sie zog das Kondompäckchen heraus und ließ seine Brieftasche achtlos zu Boden fallen.

Sofort glitten seine Hände wieder über ihren Körper. Er küsste ihren Hals, den Ansatz ihrer Brüste, und seine Liebkosungen fachten ihre Leidenschaft von Neuem an.

Sie zerrte an seiner Hose, während er den Saum ihres Kleids hochraffte, bis es sich um ihre Hüften bauschte. Dann hob er sie auf den Tisch, an dem die Garderobenfrau normalerweise die Abholscheine ausgab. Das Holz fühlte sich kühl an. Amie umschlang ihn mit den Beinen und drängte sich an ihn. Mit einem einzigen Stoß drang er in sie ein. Amie keuchte auf.

Der Sex war nicht besonders elegant, dafür war ihr Verlangen zu heftig. Doch so verrückt und hemmungslos alles auch war, es fühlte sich perfekt an. Amie sehnte sich danach, sich in ihrer Lust zu verlieren. Jeder ihrer Sinne war hellwach, alles fühlte sich stärker an, echter. Der herbe Duft seines Aftershaves, die Musik, die gedämpft zu ihnen klang. Überhaupt schien die Band nur für sie zu spielen.

Seine Bewegungen wurden schneller, intensiver, und ein Glücksgefühl stieg in Amie auf. Sie biss sich auf die Lippe, um einen Schrei zu unterdrücken. Auf keinen Fall durfte sie ihr Versteck preisgeben. Er zerrte ihr das Kleid von den Schultern und liebkoste ihre Brüste. Das brachte sie um den Rest ihrer Fassung.

Amie warf den Kopf in den Nacken und gab sich ganz diesen aufregenden Empfindungen hin. Es kam ihr vor, als würde sie von innen sprühen und funkeln, als der Höhepunkt wie eine Flutwelle heranrauschte und sie mit sich riss. Sie spürte, dass auch er alle Kontrolle losließ, dass auch für ihn nur noch die Leidenschaft dieses Moments wichtig war. Eine letzte, heftige Welle durchflutete sie, dann sank sie zurück. Erschöpft und vollkommen befriedigt.

Den Kopf an seine Schulter gelegt, wartete sie ab, bis sich ihr rasender Herzschlag beruhigt hatte. Er strich ihr über den Rücken, dann half er ihr behutsam vom Tisch.

Nachdem er ihr Kleid glatt gezogen hatte, küsste er sie auf die Schläfe. „Wir sollten …“

Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Bitte, sag jetzt nichts.“ Sie brachte ihr Kleid in Ordnung und richtete ihre Frisur. Wie durch ein Wunder hatte der französische Knoten gehalten, zu dem sie ihr Haar zusammengebunden hatte. Nicht einmal die diamantenbesetzte Haarspange war verrutscht. „Lass uns wieder reingehen. Möglichst getrennt. Und sollten wir uns wieder begegnen … wird es sein, als wäre es das erste Mal. Belassen wir es dabei.“

So etwas passiert einem nur einmal im Leben, dachte Amie. Eine kurze, verrückte Begegnung – wie in einem Traum. Falls er so etwas ständig tat, wollte sie es nicht wissen. Überhaupt verspürte sie kein großes Verlangen, über das nachzudenken, was sie eben getan hatten, obwohl ihr Körper noch immer vor Lust bebte und ihr Herz wie wild klopfte.

Ohne seine Antwort abzuwarten, schloss sie die Tür auf und schlüpfte an ihm vorbei nach draußen. Auf wackligen Beinen machte sie sich auf den Weg zurück zum Festsaal. Sie hörte seine Schritte direkt hinter sich. Folgte er ihr etwa? Würde er ihr gar eine Szene machen?

Eine schreckliche Vorstellung.

Sie spürte den Hauch der Klimaanlage eiskalt auf ihrem erhitzten Körper. Sofort bekam sie eine Gänsehaut. Die Band spielte einen Klassiker von Johnny Cash.

Bevor sie Gelegenheit hatte, ihre Gedanken zu ordnen, trat ihre Großmutter ihr in den Weg. Obwohl Mariah McNair sich aufrecht hielt, wie immer, machte sie einen gebrechlichen Eindruck. Schwer stützte sie sich auf ihren Stock.

Amie roch noch immer sein Aftershave. Stand dieser Mann etwa direkt hinter ihr? Oder haftete der Duft ihrer Haut an, als Erinnerung daran, was sie getan hatte?

An der Hand ihrer Großmutter glitzerten zahlreiche juwelenbesetzte Ringe. Einer davon war ein herzförmiger Amethyst. Als Teenager hatte Amie diesen Ring für sie entworfen. Mariah ergriff ihre Hand, sie fühlte sich kühl an. Ihre Haut war papierdünn und von zahlreichen blauen Flecken übersät. Das kam von den vielen Infusionen. Doch ihr Händedruck war noch immer kräftig.

„Amie, mein Liebling, ich habe dich gesucht. Ich wollte dir jemanden vorstellen. Aber wie ich sehe, hast du Preston schon kennengelernt.“

Ein schrecklicher Verdacht keimte in Amie auf. Alle Lust, die sie eben noch empfunden hatte, war mit einem Schlag verflogen. „Preston?“

Sie zermarterte sich das Hirn, doch die Puzzleteile wollten sich einfach nicht zusammenfügen.

Im nächsten Moment trat der Mann neben sie, mit dem sie gerade noch leidenschaftlichen Sex in der Garderobe gehabt hatte. „Amie?“, fragt er stirnrunzelnd.

Sie fühlte sich, als würde sie im freien Fall einen Fahrstuhlschacht hinunterstürzen. Langsam dämmerte ihr, was hier los war. Sie bekam einen trockenen Mund.

Ihre Großmutter lächelte Preston unbefangen an. „Amie, ich freue mich, dass du schon Gelegenheit hattest, unseren neuen Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzenden Preston Armstrong kennenzulernen.“ Mariah streckte dem dunkelhaarigen Mann die Hand hin. „Willkommen auf der Hidden Gem Ranch.“

1. KAPITEL

Zwei Monate später

Preston Armstrong war nie ein großer Fan von Hochzeiten gewesen. Nicht einmal seine eigene hatte ihm sonderlich gefallen. Und seit seiner Scheidung fand er noch weniger Vergnügen an diesen überteuerten Spektakeln. Er war nun einmal ein nüchterner Geschäftsmann und dachte praktisch. Bislang hatte ihm diese Einstellung im Leben gute Dienste erwiesen, hatte er sich doch aus ärmlichen Verhältnissen bis an die Spitze eines Großunternehmens hochgearbeitet.

Doch dieser Empfang war eine besondere Herausforderung. Und das lag an Amie McNair. Da sie die Brautjungfer war, hatte er sie heute ständig vor Augen. In den vergangenen zwei Monaten hatte sie ihn hartnäckig ignoriert.

Warum musste sie nur so verdammt sexy aussehen in ihrem apricotfarbenen Brautjungfernkleid? Galten diese Kleider normalerweise nicht als unvorteilhaft und hässlich und wurden von Brautjungfern auf der ganzen Welt gehasst? Doch die schöne, selbstbewusste Amie hätte wohl noch in einem Kartoffelsack gut ausgesehen. Kein Wunder, dass sie früher all diese Schönheitswettbewerbe gewonnen hatte.

Auch wenn er sie heutzutage, in ihrem lässigen Look, deutlich attraktiver fand als auf den alten Hochglanzfotos, die noch ab und zu in den Klatschspalten auftauchten. Sogar ihre selbst entworfenen, tropfenförmigen Korallenohrringe und ihre Halskette waren umwerfend. Vielleicht gefiel ihm aber eher die Art, wie der Anhänger zwischen ihren vollen Brüsten ruhte.

Er nahm einen großen Schluck von seinem Bourbon. Es war seine Pflicht gewesen, sich bei der Hochzeit sehen zu lassen. Doch allmählich fand er, dass er lange genug geblieben war. Er warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Eine halbe Stunde musste er schätzungsweise noch durchhalten, bevor er sich guten Gewissens auf den Weg ins Büro machen konnte. Am späten Abend war es dort immer angenehm ruhig. Und es gab noch eine Menge Arbeit zu erledigen.

Wenn er Amie doch wenigstens für fünf Minuten allein erwischen könnte. Dann könnte er ihr sagen, dass er nie mit ihr geschlafen hätte, wenn er gewusst hätte, wer sie war. Sie hatte so erschüttert gewirkt, als ihre Großmutter sie einander vorgestellt hatte, so ehrlich entsetzt.

Er verstand sie. Auch er legte normalerweise Wert darauf, Privates und Beruf streng zu trennen.

Doch die angespannte Atmosphäre in der Firma begann an seinen Nerven zu zerren. Er hatte weder die Zeit noch die Geduld dafür. Normalerweise hatte er immer alles im Griff. Doch das schien sich in der Minute geändert zu haben, als er Amie das erste Mal über den Weg gelaufen war.

Während der Arbeit verhielten sie sich zwar professionell, doch die Spannung im Raum war jedes Mal mit Händen zu greifen. Ständig gingen ihm Bilder von jenen Minuten in der Garderobe durch den Kopf.

Er hatte ihr damals die Wahrheit gesagt: Er tat so etwas normalerweise nie. Er war gewiss kein Heiliger, doch Sex mit fremden Frauen war einfach nicht sein Stil. Den Großteil seines Erwachsenenlebens war er verheiratet und seiner Frau treu gewesen. Nach der Scheidung hatte er ein paar Affären gehabt, doch nichts Ernsthaftes. Nie hatte er einer dieser Frauen Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft gemacht.

Leidenschaftliche One-Night-Stands waren neu für ihn. Und das auch noch mit einer Frau, die mehr als zehn Jahre jünger war als er.

Doch bei Amie hatte er alle seine Grundsätze über den Haufen geworfen.

Sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Wie auch, wenn er selbst bei der Arbeit ständig an sie erinnert wurde? Der zarte Duft ihres Parfüms hing nach einem Meeting noch im Raum. Ihr warmer Körper streifte ihn, wenn sie sich in den Fluren begegneten. Die Liste ließ sich endlos fortsetzen. Schließlich arbeiteten sie zusammen. Er war der Geschäftsführer der Firma, während Amie als Schmuckdesignerin verantwortlich war für einige der erfolgreichsten Kollektionen von Diamonds in the Rough.

Auf der kleinen Bühne nahm die Band nach der Pause gerade wieder ihre Plätze ein. Der Empfang wurde in der Scheune der Hidden Gem Ranch ausgerichtet. Der Ort verströmte dieselbe rustikale Eleganz, die auch das Markenzeichen des Schmucks von Diamonds in the Rough war.

Schwere Kronleuchter hingen von der Decke. An den langen Tischen standen goldene, mit weißem Tüll geschmückte Stühle. Und die Lichterketten, die kreuz und quer an den Dachsparren befestigt waren, erinnerten an einen Sternenhimmel.

Am Eingangstisch neben dem in Leder eingebundenen Gästebuch lagen Platzkarten mit kleinen Hufeisenanhängern, in die die Namen des Brautpaars und das Hochzeitsdatum eingraviert waren. An einem Messinghaken hing eine Kuhglocke. Davor stand ein Schild mit der Aufforderung: Einmal läuten für einen Kuss.

Guter Gott. Er musste schleunigst hier raus. Preston leerte seinen Bourbon in einem Zug.

Amies Cousin Stone McNair, früher leitender Geschäftsführer von Diamonds in the Rough, war der Bräutigam. Gerade wirbelte er seine blonde Braut über die Tanzfläche. Seinem Lächeln war anzusehen, dass er ernsthaft davon überzeugt war, jetzt für immer mit seiner Frau glücklich zu sein. Stone glaubte offenbar an Happy Ends.

Wenigstens war die kirchliche Zeremonie kurz gewesen. Außer Amie als Brautjungfer hatte es nur einen Trauzeugen gegeben – ihren Zwillingsbruder Alex.

Amie trug ihr Haar heute offen. Preston konnte nicht anders, als sie immer weiter anzustarren. Ihre Haarpracht fiel ihr in dunkelbraunen Korkenzieherlocken über die Schultern.

Zum Teufel, er konnte nicht einfach nur hier herumstehen. Es gab ein Problem, und er würde es lösen. Hier konnte sie ihm wenigstens nicht so einfach weglaufen.

Entschlossen stellte er sein Glas ab und ging auf sie zu, vorbei an anderen Partygästen. Die Gästeliste las sich wie ein Who’s who der Reichen und Berühmten in Texas, doch er hatte nur Augen für Amie. Genau wie an jenem Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Doch diesmal wollte er nichts mit ihr anfangen, sondern etwas beenden.

Glücklicherweise gab es in der Festscheune zahlreiche Ecken und Nischen, wo man ungestört reden konnte.

Amie war gerade ins Gespräch mit dem Bürgermeister vertieft, als er auf sie zu trat. „Es tut mir leid, dass ich störe.“ Er wandte sich an den Bürgermeister. „Aber Miss McNair hat mir diesen Tanz versprochen.“

Bevor Amie protestieren konnte, ergriff er schon ihre Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Einen Moment lang wirkte Amie verdutzt, dann funkelte sie ihn wütend an. Diesen eisigen und zugleich zornigen Gesichtsausdruck hatte er in den letzten acht Wochen häufig an ihr gesehen. Es war an der Zeit, dass das endlich aufhörte.

Er legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie an sich. Ihre dunkelbraunen Locken kitzelten ihn am Ohr. „Du siehst wunderschön aus heute Abend. Vor allem wenn man bedenkt, dass du ein Brautjungfernkleid trägst.“

„Es wäre nett, wenn du mich wenigstens gefragt hättest, ob ich tanzen möchte“, erwiderte Amie schroff. „Was soll das?“

„Ich tanze mit der Cousine des Bräutigams. Daran ist absolut nichts auszusetzen. Es sei denn, du möchtest mir unbedingt hier vor unseren versammelten Geschäftspartnern und deiner Familie eine Szene machen.“

Dann würde er sie gehen lassen müssen, was zu schade wäre. Denn er tanzte gern mit ihr.

„Okay.“ Amie gab sich geschlagen, doch in ihren Augen blitzte es. „Wir werden die Form wahren und miteinander tanzen. Grandma sagt immer, wir sollten der Geschäftswelt das Gefühl vermitteln, dass wir alle an einem Strang ziehen. Das sei gut fürs Unternehmen.“

Oh, ihm ging es nicht nur darum, das Unternehmen gut aussehen zu lassen. Er wollte sie aus der Reserve locken. Wenn sie ihm nur nicht ständig die kalte Schulter zeigen würde. Er konnte das Gefühl der Anziehung, das er empfand, nicht einfach abstellen. Doch vielleicht gab es ja noch einen anderen Weg, die Spannung zwischen ihnen abzubauen.

„Das ist eine schöne Feier heute Abend“, sagte er. „Richte deinem Cousin und seiner Braut meine Glückwünsche aus.“

Preston hatte allen Grund, Stone dankbar zu sein. Hätte Stone seinen Job als leitender Geschäftsführer von Diamonds in the Rough nicht an den Nagel gehängt, wäre er jetzt nicht hier. Und sein Beruf war alles, was ihm noch geblieben war, nachdem er seine Familie verloren hatte.

Amie lächelte ihn an, doch sie fühlte sich in seinen Armen starr an. „Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut.“

Das konnte man wohl sagen. Das Krönchen der Braut – von Amie extra für den Anlass entworfen – hatte schon allein einen Wert von dreißigtausend Dollar. Gleichzeitig handelte es sich um ein wichtiges Stück der neuen Brautschmuckkollektion, die die Firma im nächsten Jahr auf den Markt bringen würde.

„Ist dir bewusst, dass wir zum ersten Mal seit zwei Monaten über etwas anderes sprechen als über die Arbeit?“, fragte er. Amie war ein Workaholic wie er, das wusste Preston. Ganz im Gegensatz zu ihrem Vater, der lediglich repräsentierte, leistete Amie einen wichtigen Beitrag für die Firma. Deswegen kreuzten sich ihre Wege ständig.

Amie beugte sich vor. Unwillkürlich begann sein Herz schneller zu schlagen. Er starrte auf ihre leicht geöffneten Lippen.

„Ich möchte nur eins klarstellen“, flüsterte sie, und ihr warmer Atem streifte seinen Hals. „Der heutige Abend wird nicht in der Garderobe enden.“

„Das hast du mir in den letzten Wochen deutlich zu verstehen gegeben“, erwiderte er. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass ihn mit einem Mal Erinnerungen an ihre samtweiche Haut und ihre Liebkosungen überfielen. „Ich bin ja schon froh, dass du zugibst, dass es wirklich passiert ist.“

„Natürlich ist es passiert“, zischte sie. „Ich war dabei.“

Jedes Mal, wenn ihr Körper seinen beim Tanzen streifte, verspürte er eine süße Qual. „Ich erinnere mich auch noch sehr gut daran.“

Auf einmal wurde der Ausdruck ihrer himmelblauen Augen düster. „Hast du an jenem Abend gewusst, wer ich bin?“

Abrupt hörte er auf zu tanzen, so verblüfft war er. „Hast du etwa die ganze Zeit geglaubt, ich hätte deswegen mit dir geschlafen?“

„Vergiss es.“ Sie löste sich von ihm. „Es spielt keine Rolle.“

Er hielt sie fest. „Ich schwöre dir, ich hatte keine Ahnung. Sonst hätten wir nie miteinander geschlafen. Was allerdings eine Schande gewesen wäre.“

Sie standen so dicht voreinander, dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. Er erinnerte sich an ihren Geschmack – Erinnerungen wie diese hatten ihm die letzten beiden Monate so schwer gemacht. Doch eine Affäre kam nicht infrage. Schließlich war er der Boss und sie die Enkelin der Hauptanteilseignerin.

Wie gerne hätte er gegen seine Grundsätze verstoßen.

Und er spürte, dass auch sie nicht so ungerührt war, wie sie tat.

Amie machte sich von ihm los. „Seltsam. Ich hätte nicht gedacht, dass du der Typ bist, der bei Hochzeiten sentimental wird. Außerdem ist das hier weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt für dieses Gespräch.“

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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