Verliebt in den Bruder des Prinzen

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Sein Kuss verzückt sie. Wer ist der aufregende Fremde vom Strand? Schockiert erfährt Demetria: Es ist Kristo Stanrakis. Aber sie ist mit seinem Bruder, dem Erbprinzen von Angyra, verlobt! Das bittere Ende eines Märchens? Oder gibt es doch eine Hochzeit im Fürstenhaus?


  • Erscheinungstag 25.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738310
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Ich möchte den Erbprinzen nicht heiraten, Papa.“

Erst nach zwei Tagen brachte Demetria Andreou den Mut auf, ihrem Vater dieses Geständnis zu machen. Sie wartete, bis Sandros Andreou sich am Pool des fürstlichen Gästehauses bei einer Vorspeisenplatte und einer Flasche Ouzo entspannte. Erst als sie die Hoffung aufgegeben hatte, dass das Verhältnis zu ihrem Verlobten sich auf wundersame Weise in eine Liebesbeziehung wandeln könnte, fasste sie den Entschluss, mit ihrem Vater zu reden.

Zornesröte überdeckte den mediterranen Teint ihres Vaters und warnte Demetria vor einem der Wutanfälle, für die Sandros berüchtigt war.

„Was du möchtest, ist nicht von Interesse“, raunzte er. „Der Fürst von Angyra hat dich zur Gemahlin des Erbprinzen erkoren, als du zwölf Jahre alt warst. Das ist eine große Ehre. Und du bist deiner Familie und deinem Land verpflichtet.“

Außerdem würde Sandros Andreou von seinem neuen Status als Vater der zukünftigen Fürstin von Angyra natürlich stark profitieren.

„Aber ich liebe ihn nicht, und er empfindet auch nichts für mich.“

„Liebe!“ Verächtlich musterte er seine Tochter. „Mach dich nicht lächerlich! Denk daran, dass du mit dreiundzwanzig Jahren Fürstin sein wirst! Jung, unvorstellbar reich – dir wird es nie an etwas fehlen.“

Nur an Liebe. Und sie würde die Freiheit einbüßen, selbst zu bestimmen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Sie wünschte sich so sehr, als Modedesignerin zu arbeiten. Doch dafür hatte ihr Vater kein Verständnis.

Ebenso wenig wie Kronprinz Gregor, als sie ihn gestern am Vorabend ihrer alljährlichen Präsentation darauf angesprochen hatte. Einmal im Jahr wurde der Bevölkerung vorgegaukelt, wie sehr die Brautleute sich auf ihre bevorstehende Hochzeit freuten. Eine Farce!

Gregor hatte nur die Schultern gezuckt und ihr geraten, ihren Traum jetzt zu verwirklichen. Nach der Heirat wäre eine Karriere als Modedesignerin undenkbar. Doch selbstverständlich hätte er nichts gegen ein Hobby …

Demetria ahnte daher, dass sie sich als Fürstin einsam, ungeliebt und unglücklich fühlen würde.

War sie wirklich die einzige Frau, die als Fürstin von Angyra infrage kam? Der Erbprinz würde doch bestimmt auch eine andere – willigere – Kandidatin finden, oder?

„Vielleicht könntest du den Fürsten heute Abend bitten, es sich noch einmal zu überlegen“, bat sie schüchtern.

„Auf gar keinen Fall!“ Sandro maß sie mit einem vernichtenden Blick. „Du wirst Erbprinz Gregor Stanrakis in genau einem Jahr heiraten – so wie der Fürst es wünscht. Ist das klar?“

„Ja, Vater.“

Tieftraurig wandte sie sich ab und spazierte gedankenverloren auf dem gepflegten Weg, der vom fürstlichen Gästehaus zum Privatstrand führte. Die Karriere als Modedesignerin wäre also in einem Jahr vorbei.

Der gestrenge Fürst und ihr dominanter Vater hatten die Zukunftsplanung für sie übernommen. Aber zwölf Monate hatte sie noch Zeit, sich in der Modebranche einen Namen zu machen.

Seit zehn Jahren folgte Sandros Andreou mit seiner Familie der jährlichen Einladung des Fürstenhauses Stanrakis, sich auf dem Inselfürstentum Angyra zu entspannen. Es war bezaubernd hier. Das Meer hatte die Farbe von glitzerndem Blautopas. Die Wellen brachen sich leise rauschend am weißen Sandstrand.

Duftender Jasmin und Bougainvilleen blühten üppig und erfüllten die Luft mit süßem Aroma. Auf den zerklüfteten Bergen, die sich majestätisch zum wolkenlosen Himmel erhoben, wuchsen Olivenbäume und Zypressen.

In diesem Teil Europas verlief das Leben eher gemächlich. Das Volk verehrte die Fürstenfamilie und hatte Demetria mit offenen Armen empfangen.

Als Teenager war ihr die Zukunft wie ein Märchen erschienen, wenn die Paparazzi sie bei ihrer jährlichen Begegnung mit dem gut aussehenden Erbprinzen ablichteten. Doch inzwischen wusste sie es besser.

Erbprinz Gregor hatte nur traurig gelächelt, als sie ihre Bedenken vorgebracht hatte. „In unseren Kreisen wird aus Pflichtgefühl geheiratet, nicht aus Liebe. Das war schon immer so. Ich werde dich gut behandeln. Ich verlange nur, dass du mir treu bist, bis du mir Erben geboren hast.“

Es schmerzte sie, dass er sie noch immer wie ein Kind behandelte. Noch schlimmer war für sie allerdings die Vorstellung, die jungfräuliche Braut eines Mannes zu sein, der sie nicht einmal begehrte.

In Gedanken versunken verließ Demetria den Privatstrand und schlenderte durch die unberührte Landschaft, die den Palast umgab. Nicht einmal der Lärm des Seehafens war hier zu hören. Schließlich war der Palast nur noch ein winziger Punkt in der Ferne. Nur das Geräusch der sich an der Felsküste brechenden Wellen durchbrach die Stille.

An einem schmalen, mit Treibholz und Seetang übersäten Strand kletterte Demetria auf einen Felsvorsprung und blickte starr hinaus aufs Meer. Das Leben war nicht fair!

Obwohl sie den Erbprinzen inzwischen seit zehn Jahren kannte, war er ihr fremd geblieben. Und nach dieser letzten Begegnung befürchtete sie, dass sich daran auch niemals etwas ändern würde.

Gregor war zehn Jahre älter als sie und ein ausgemachter Stoiker. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart nicht wohl. Da sie über keine gemeinsamen Interessen verfügten, verlief die Unterhaltung gestelzt. Nur einmal hatte Gregor sie flüchtig geküsst – vermutlich nur für die Fotografen!

Ihre Beziehung hatte nicht einmal einen Hauch von Romantik. Von Liebe und Leidenschaft ganz zu schweigen.

„Was haben Sie hier verloren?“

Demetria zuckte zusammen, schirmte schützend ihre Augen ab und betrachtete den Fremden. Hoffentlich erkennt er mich nicht, dachte sie.

Offensichtlich wusste er tatsächlich nicht, wen er da vor sich hatte.

Wahrscheinlich ein Tourist. Erleichtert atmete sie auf und musterte ihn. Er trug Shorts und Sandalen und lächelte so verwegen, dass ihr der Atem stockte.

Zweifellos war er der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war. Der Wind hatte sein dichtes schwarzes Haar zerzaust, die Sonne seinen athletischen Körper mit einem bronzefarbenen Teint versehen.

Und diese dunklen Augen … faszinierend. In seinem Blick spiegelte sich eine Mischung aus Amüsiertheit und Begehren. Galt das ihr?

„Wollen Sie mir nicht antworten?“, fragte der Mann nach, als sie ihn nur wortlos anstarrte.

Demetria riss sich zusammen. „Ich genieße die Aussicht und die Einsamkeit“, sagte sie schließlich und hoffte, ihre verwirrenden Gefühle standen ihr nicht im Gesicht geschrieben. Der Fremde brauchte ja nicht zu wissen, dass ihr Herz aufgeregt klopfte und heiße Wogen ihren Körper durchfluteten. „Darf ich fragen, was Sie hier wollen?“

Er zeigte auf den Strand, auf dem seine Fußabdrücke deutlich zu sehen waren. „Ich habe die Nester der Meeresschildkröten überprüft“, erklärte er.

„Sind Sie im Umweltschutz tätig?“

Sein unwiderstehliches Lächeln blitzte nur kurz auf. „Dieser Strand ist für Unbefugte gesperrt. Sie sollten ihn jetzt verlassen.“

Ja, das sollte sie. Aber nicht aus den von ihm genannten Gründen, sondern weil dieser blendend aussehende Mann ihr geradezu die Sinne vernebelte. Er entfesselte Gefühle in ihr, von denen sie nur aus Büchern wusste und die sie eines Tages in den Armen ihres Ehemannes zu fühlen hoffte. Und dieser dunkelhaarige Fremde hatte sie noch nicht einmal berührt, geschweige denn geküsst!

Geküsst? Hatte sie jetzt völlig den Verstand verloren? Verlegen senkte sie den Blick. Sie sollte wirklich gehen und sich möglichst weit von diesem charismatischen Fremden entfernen.

Stattdessen bat sie ihn: „Bitte erzählen Sie mir von Ihrer Arbeit hier.“

„Sie ist …“

Er verstummte abrupt, als vom Meer her ein ungewöhnliches Geräusch ertönte. Unterdrückt fluchend schwang er sich zu Demetria auf den Felsvorsprung und war ihr so nahe, dass sie seine Körperwärme spürte und seinen ganz eigenen Duft nach Meer und Abenteuer einatmete.

„Nicht!“ Hastig versuchte sie, den Arm beiseitezuschieben, mit dem er ihre Taille umklammerte und an sich zog. „Lassen Sie mich sofort los!“

Er hielt ihr einfach den Mund zu. Ihr Puls raste. Sie war diesem starken Mann völlig ausgeliefert!

Beruhigend flüsterte er ihr ins Ohr: „Kein Ton! Sonst erschrecken Sie sie.“

Widerstrebend löste sie den Blick von ihm und schaute Richtung Meer. Die Gischt spülte unzählige Schildkröten ans Ufer, die zielstrebig über den Strand krochen.

Es war ein überwältigender Anblick. Demetria lehnte sich entspannt an den warmen Körper des Fremden und genoss das Naturschauspiel zu ihren Füßen.

Eng umschlungen saßen sie lange so da. Zwei Menschen, die das Glück hatten, dieses Wunder der Natur zu beobachten.

Erst als die letzte Schildkröte ihre Eier abgelegt hatte und ins Meer zurückgekehrt war, wandte Demetria sich lächelnd dem Mann zu, der sie umklammerte. „So etwas Faszinierendes habe ich noch nie gesehen.“

Erneut bedachte er sie mit einem frechen Lächeln und strich ihr zärtlich über die Wange. Die hauchzarte Berührung entfesselte eine Flut des Verlangens in Demetria. „Ich habe es noch nie so sehr genossen. Du hast es zu etwas ganz Besonderem gemacht, agapi mou.“

Das Kosewort brachte ihr Herz schier zum Schmelzen. Sie sehnte sich nach mehr. Dieses leidenschaftliche Verlangen war neu, überwältigend. Man konnte süchtig danach werden.

Natürlich war ihr bewusst, dass diese Gefühle verboten waren. Wahrscheinlich würde es ihr noch leidtun, in den Armen dieses faszinierenden Fremden zu liegen.

Aber es fühlte sich so gut an. Es erschien ihr völlig natürlich, sich an seinen harten Körper zu schmiegen. Schließlich flüsterte sie sehnsüchtig: „Schade, dass es zu Ende ist.“

„Das muss es nicht sein.“

Bevor sie auch nur halbherzig protestieren konnte, verschloss er ihr den Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss, der ihr sehnsüchtiges Herz zum Singen brachte. Verlangend klammerte sie sich an ihn, als er sie behutsam auf den Felsen legte. Demetria konnte gar nicht genug von diesen erregenden Küssen bekommen und spürte kaum, wie hart der Fels war. Sie war so berauscht, dass sie nur vage wahrnahm, dass der Fremde eine Hand unter ihr T-Shirt geschoben hatte. Heiße Lust flammte in ihr auf, als sie ihn auf ihrer nackten Haut spürte.

Seine Hand auf ihrer Brust fühlte sich unglaublich gut an. Trotzdem schaltete sich plötzlich Demetrias Verstand ein. „Nein.“

„Doch!“ Unbeirrt liebkoste er eine Brustspitze mit dem Daumen, bis sie hart vor Erregung war und Demetria lustvoll stöhnte.

Warum sollte sie sich wehren, wenn sie sich doch so sehr nach seinen Küssen und seinen Berührungen sehnte? Der Mann erfüllte ihr den Wunsch, schob das T-Shirt beiseite und ließ spielerisch die Zunge über ihre Knospen gleiten.

Als er begann, an ihnen zu saugen, bog Demetria sich ihm entgegen – völlig überwältigt von der heißen Erregung, die sie zum ersten Mal empfand.

Selbstvergessen schob sie die Hände durch sein dichtes Haar und schmiegte sich eng an ihn. Sie wollte ihre erste Begegnung mit sinnlicher Leidenschaft und in vollen Zügen genießen. Daher lag es ihr auch fern zu protestieren, als er eine Hand in ihre Shorts schob, um ihren geheimsten Ort zu erforschen. Er war der erste Mann, der sie so intim berührte. Und es war noch erotischer, als sie es sich vorgestellt hatte.

Als er sie dann anfing zu streicheln, hörte Demetria auf zu denken und gab sich ganz diesem neuen, erregenden Spiel hin. Immer höher trug er sie, immer schneller, bis Lichter in allen Regenbogenfarben hinter ihren geschlossenen Lidern zu explodieren schienen. Glocken erklangen – wie sie es sich immer vorgestellt hatte.

Glocken?

Nein, das waren keine Glocken der Leidenschaft, sondern die Glocken der Dorfkirche. Sie schlugen fünf. In einer Stunde musste sie sich zum Dinner mit der Fürstenfamilie im Palast einfinden.

Statt sich mit einem Wildfremden am Strand zu vergnügen, sollte sie lieber darüber nachdenken, was sie anziehen sollte. Was fiel ihr eigentlich ein, ihm Intimitäten zu erlauben, die ihrem zukünftigen Ehemann vorbehalten sein sollten? Wie hatte sie nur alles um sich her vergessen können?

Sie löste sich von dem Meeresgott, noch ganz benommen von dem unvermuteten Höhepunkt und der erneuten Sehnsucht, sich dem Liebesspiel zu widmen.

„Schluss jetzt!“ Hastig zog sie mit bebenden Händen ihre Kleidung zurecht.

„Wie Sie wünschen, Gnädigste.“ Die sinnlichen Lippen, die sie eben noch verwöhnt hatten, verzogen sich zu einem trockenen Lächeln.

Beschämt senkte Demetria den Blick. Sie hatte keine Ahnung, wie es zu der Umarmung gekommen war. Noch verwirrender war, dass sie sich nach mehr sehnte.

Wortlos ließ sie sich vom Felsvorsprung gleiten und lief davon.

Als sie schließlich allein in ihrem Zimmer war, wurde sie sich bewusst, dass sie dieses verbotene Zwischenspiel mit einem Fremden niemals vergessen würde.

Prinz Kristo Stanrakis betrat das Amtszimmer seines Vaters und wünschte sich weit fort. Zwar hing er an seiner Heimat, jedoch nicht an den Pflichten, die er als Spross eines alten Fürstengeschlechts hin und wieder wahrnehmen musste.

Und auf das gemeinsame Dinner mit der Familie Andreou hätte er auch gern verzichtet. Nur an dem ersten vor zehn Jahren, an dem sein Vater verkündet hatte, dass Gregor der kleinen Andreou versprochen war – die Kleine hatte viel zu große Augen und war dünn wie eine Bohnenstange –, hatte er teilgenommen. Seitdem hatte er seine Abwesenheit erfolgreich mit anderweitigen Verpflichtungen entschuldigt.

Dieses Jahr hatte der Fürst per Dekret bestimmt, dass alle teilnehmen mussten. Dem konnte auch Kristo sich nicht widersetzen, wollte er nicht den Zorn des Fürsten auf sich ziehen.

Gemessenen Schrittes näherte er sich dem opulenten Schreibtisch und verneigte sich höflich. „Ihr seht gut aus, Vater.“

Der Fürst schnaubte. „Wie nett von dir, dich mal vom Spieltisch loszueisen.“

„Meine Pflichten als Botschafter nehmen viel Zeit in Anspruch“, antwortete Kristo kühl. Das war ironisch gemeint. In Wirklichkeit füllte ihn diese Position überhaupt nicht aus.

Wie üblich verzog der Fürst nur unwillig das Gesicht. Er hätte es gern gesehen, wenn Kristo mehr Zeit auf Angyra verbracht hätte. Der Fürst würdigte nur die Ausübung offizieller Pflichten. Irgendwann hatte Kristo es aufgegeben, ihm von seinen Projekten zu berichten.

„Bei der Ratsversammlung nächste Woche werde ich selbstverständlich zugegen sein, Vater“, versprach Kristo und wurde dafür mit einer gleichgültigen Handbewegung belohnt.

Beiden war klar, dass Kristo Angyra wieder verlassen würde, sobald er seine Schuldigkeit getan hatte. Vielleicht aber auch nicht, dachte Kristo und wandte sich seinen Brüdern zu.

Nach dem interessanten Intermezzo vorhin am Strand könnte es sich lohnen, seinen Aufenthalt auf der Insel zu verlängern. Noch nie zuvor war ihm eine Frau begegnet, die ebenso fasziniert war von der Natur wie er. Allerdings hatte er diesen Moment auch noch nie mit jemandem geteilt.

Das machte die plötzlich entbrannte Leidenschaft zwischen ihnen umso reizvoller. Sowie er sich daran erinnerte, wie perfekt sie miteinander harmoniert hatten, überkam ihn neue Erregung.

Hätte die Kirchturmuhr nicht geschlagen, wer weiß, vielleicht hätte das faszinierende Mädchen sich ihm ganz hingegeben.

„Wurde aber auch Zeit, dass du dich mal wieder blicken lässt“, meinte Gregor.

Kristo nahm sich ein Glas Tsipouro vom Tablett, das der Diener ihm höflich darbot, und trank einen Schluck, bevor er auf den Kommentar des Erbprinzen reagierte. „Ich musste warten, bis die Meeresschildkröten mit der Eiablage fertig waren. Wo steckt denn deine Verlobte?“

„Sie ist gerade eingetroffen“, antwortete Gregor ohne sichtbare Freude. „Entschuldigt mich bitte.“

Kristo lächelte seinem jüngsten Bruder zu. „Er ist genauso steif wie Vater.“

„Aber aus ihm wird mal ein guter Fürst.“ Mikhael wurde ernst. „Fragt sich nur, ob er seiner jungen Fürstin ein guter Ehemann sein wird.“

Kristo wagte das zu bezweifeln. Schließlich war die Ehe arrangiert worden.

„Sir.“ Gregors Tonfall drückte Autorität aus. „Erlauben Sie mir, meine Verlobte zu präsentieren: Demetria, die zukünftige Fürstin von Angyra.“

Kristo wandte sich um. Das freundliche Lächeln auf seinen Lippen erstarb. Nein! Sie durfte es nicht sein!

Doch sie war es.

Die bildhübsche Frau am Arm seines Bruders hatte er vor gut einer Stunde leidenschaftlich geküsst.

Und nicht nur das.

Der Stiel seines Glases hielt dem verkrampften Griff nicht stand und zerbrach. In Kristos Ohren dröhnte es.

Eben noch hatte er Demetrias sinnliche Lippen geschmeckt, ihre Brüste liebkost, den seidigen Körper gestreichelt.

Gregor, der Kristos Seelenqualen nicht bemerkt hatte, führte seine Braut zu ihm. Das höfliche Lächeln auf ihren Lippen erstarb, als sie Kristo erkannte. Sie wurde kreidebleich.

„Das ist mein Bruder, Demetria. Prinz Kristo“, stellte Gregor vor. „Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht mehr an ihn. Immerhin hast du ihn lange nicht gesehen.“

Vor einer Stunde, schoss es Kristo durch den Kopf. Genau vor einer Stunde hatte er sie zu einem atemberaubenden Höhepunkt gebracht.

Aber wie sollte er seinem Bruder beibringen, dass seine Braut ihm untreu war? Schließlich war er selbst nicht ganz unbeteiligt daran gewesen. Verflixt, er hätte sie doch wiedererkennen müssen!

„Eure Hoheit.“ Demetria hatte sich wieder gefasst und machte einen tiefen Hofknicks. In Anbetracht der Umstände kam ihm diese Begrüßung wie Hohn vor.

„Es ist mir ein Vergnügen, Demetria“, stieß er hervor. Er hasste Ränkespiele.

Sie rang sich ein Lächeln ab und murmelte eine höfliche Entgegnung.

In diesem Moment wusste Kristo, dass sie den sündigen Vorfall für sich behalten würde. Warum auch nicht?

Sollte sie wegen einer unbedachten Begegnung auf Reichtum und Status verzichten?

In diesem Moment hasste er sie für ihre Unehrenhaftigkeit und schwor sich, von nun an einen großen Bogen um den Fürstenpalast und die untreue Verlobte seines Bruders zu machen.

1. KAPITEL

Prinz Kristo Stanrakis war in seinem ganzen Leben noch nie so wütend gewesen. Zornig riss er sich die Smokingjacke vom Leib und schleuderte sie auf einen mit rotem Brokat bezogenen Sessel aus der Zeit Ludwig des XV. Brillantkragenknöpfe flogen quer durchs Zimmer, als das gestärkte weiße Hemd folgte. Einer sprang von einem Intarsientisch auf den goldfarbenen Orientteppich, ein weiterer prallte von der Fensterscheibe ab.

Die eilig einberufende Sitzung mit dem zukünftigen Fürsten, seinen Anwälten und den Privatsekretären lag hinter ihm. Erneut standen Angyra einschneidende Veränderungen bevor.

Soeben war sein Leben völlig auf den Kopf gestellt worden, und er konnte seinem Schicksal nicht entkommen.

Anders ausgedrückt, er musste seinen Verpflichtungen nachkommen.

Wütend ging er auf und ab. Wie er dieses Wort hasste! Und wie er sie hasste!

Erst vor einem Monat hatten sie seinen Vater zu Grabe getragen, den geliebten Fürsten von Angyra. In Begleitung ihres Vaters und ihrer Schwester hatte auch sie der Trauerfeier beigewohnt. In perfekter Haltung und unerhört sexy in dem schwarzen Etuikleid, das ihre verführerischen Kurven noch betonte.

Er hatte sie seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen, doch als ihre Blicke sich trafen, wurde er sofort wieder an das erotische Intermezzo am Strand erinnert. Schuldgefühle, Wut und Begehren waren in ihm hochgekocht.

Obwohl er nichts mit ihr zu tun haben wollte, begehrte er sie mehr denn je.

Schuldgefühle seinem Bruder gegenüber quälten ihn in ihrer Nähe. Doch er nahm sich vor, auch ihre Hochzeit mit Fürst Gregor in zwei Wochen standhaft zu ertragen. Doch dazu würde es ja nun nicht kommen.

Ein lautes Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Mikhael betrat die Suite, in der einen Hand eine Flasche Ouzo, in der anderen zwei Gläser.

„Ich dachte, wir könnten jetzt beide einen Schluck vertragen“, sagte er und schenkte die Gläser voll.

Wortlos griff Kristo nach dem dargebotenen Glas, leerte es in einem Zug und schüttelte sich. „Wusstest du von Gregors Erkrankung?“

Mikhael schüttelte verneinend den Kopf. „Mir ist nur aufgefallen, dass er in letzter Zeit häufig müde war und über Kopfschmerzen klagte, aber ich habe das auf den Stress geschoben, der mit seiner neuen Position verbunden ist.“

Genau wie Kristo. Niemand hatte geahnt, dass Gregor kurz vor dem Tod des Fürsten heimlich einen Arzt konsultiert hatte. Vor zwei Tagen hatte man ihm dann die Diagnose mitgeteilt: Er litt an einer unheilbaren Krebserkrankung.

Daher hatte der Erbprinz sich entschlossen, zugunsten seines Bruders Prinz Kristo auf den Thron von Angyra zu verzichten. Diese offizielle Mitteilung war vor einer Stunde verkündet worden.

Mit sofortiger Wirkung wurde Kristo zum Erbprinzen, und die Thronbesteigung sollte pünktlich um elf Uhr des nächsten Tages erfolgen.

Das alles war schon schlimm genug. Die Krönung bestand aber in der Verfügung, dass Kristo nicht nur den Titel, sondern auch die Braut von seinem Bruder übernehmen musste.

Er sah sich gezwungen, Demetria Andreou zu heiraten. Und das schon in knapp zwei Wochen.

Welche Karten hatte das Schicksal ihm da nur zugespielt!

Die begehrenswerte, untreue Demetria würde seine Frau werden! Seine Fürstin.

„Mir graut vor morgen.“

„Keine Panik, Bruderherz. Aus dir wird bestimmt ein guter Fürst“, erklärte Mikhael zuversichtlich.

Kristo war sich dessen nicht so sicher. Schließlich hatte er zwar an den Ratssitzungen teilgenommen, sich sonst aber wenig um Staatsbelange gekümmert, weil er schließlich nur Zweiter in der Thronfolge gewesen war.

Seine Rolle als Botschafter hatte er allerdings sehr ernst genommen, zumal er in dieser Position mit Würdenträgern aus der ganzen Welt zusammentraf. Sein Vater hatte das als Freizeitvergnügen bezeichnet.

Manchmal war es das sogar gewesen. Immerhin konnte er sich aber so für die Belange seines Inselstaates einsetzen und Projekte anschieben, die ihm am Herzen lagen. Mit Freiheit und Unabhängigkeit war es nun vorbei.

„Hat er schon mit Andreou gesprochen?“, erkundigte Kristo sich.

„Er hat vorhin mit ihm telefoniert.“

Wie würde Demetria auf die neue Situation reagieren?

Nachdenklich ließ Kristo den Blick über den gepflegten Palastgarten gleiten, der sich bis hinunter zum azurblauen Meer erstreckte.

Autor

Janette Kenny
Solange Janette sich erinnern kann, prägten fiktive Geschichten und Charaktere ihre Welt. Die Liebe zur Literatur entdeckte sie bereits als kleines Mädchen, da ihre Eltern ihr rund um die Uhr vorlasen. Ermutigt durch ihre Mutter, begann Janette schon früh zu schreiben. Anfänglich begnügte sie sich damit, ihren Lieblingssendungen neue, nach...
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