Verliebt in den Hollywood-Doc

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Ihr erster Tag in der glamourösen Hollywood-Klinik! Doch Abis Zusammenarbeit mit ihrem viel zu attraktiven Boss Dr. Damien Moore gestaltet sich schwierig. Bis die junge Ärztin unerwartet Hilfe bekommt: von Damiens süßer Tochter, die ihr vertrauensvoll ihr kleines Herz schenkt …


  • Erscheinungstag 24.02.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505710
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die berühmten weißen Buchstaben blitzten in ihrem Sichtfeld auf, als Abi die Straße in die Hollywood Hills hinauffuhr. Je näher sie ihrem Ziel kam, desto höher stieg ihr Puls, ihre Unruhe wuchs, und ihre Hände fühlten sich klamm an. Eine Panikattacke drohte sie zu überwältigen, und sie packte das Lenkrad fester, um nicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren.

Sie hätte nicht gedacht, dass es so schlimm sein würde. Sie hatte sich vorbereitet, hatte sich auf diesen Tag eingestellt. Sie musste es schaffen.

Anfangs war sie versucht gewesen, sich ein Taxi zu nehmen. Ihre innere Diskussion endete schließlich mit der Erkenntnis, dass sie unabhängiger war, wenn sie den Mut aufbrachte, selbst zu fahren. Auf ein Taxi müsste sie erst warten. Also hatte sie Jonty ins Auto gesetzt und war mit ihm die Strecke abgefahren, um sicherer zu werden.

Mit Jonty zusammen hatte sie sich zuversichtlich gefühlt, heute hingegen war sie allein unterwegs.

Noch eine letzte Biegung, dann konnte Abi die steile, kurvenreiche Straße verlassen und auf den Mitarbeiterparkplatz der Hollywood Hills Klinik einbiegen. Wieder leuchtete über ihr das Hollywood-Wahrzeichen auf, hob sich strahlend weiß von der grünbraunen Hügelkette ab.

Am Tor angekommen, zog Abi ihre Karte durch und wartete nervös darauf, dass es sich öffnete. Der Parkplatz war ein sicherer Ort, mit hohem Zaun und einem stabilen Tor, und zu ihrer Erleichterung entdeckte sie große Lampen und Überwachungskameras. Abi seufzte froh, als sie ihren gebrauchten zweitürigen Jeep zwischen zwei schnittigen, makellos glänzenden Sportwagen abstellte.

Einen Moment blieb sie reglos sitzen, um sich zu sammeln. Es hatte sie all ihre Willenskraft gekostet, sich heute Morgen hinters Steuer zu setzen, und jetzt brauchte sie noch ein bisschen mehr, um aussteigen zu können. Eine neue Stelle, neue Kolleginnen und Kollegen – das würde sie bis an ihre Grenzen bringen. Abi befand sich in der Wiedereingliederungsphase, versuchte zu lernen, mit dem alltäglichen Stress des Lebens zurechtzukommen. Alles Unerwartete, Unvorhergesehene konnte sie durcheinanderbringen.

Sie schloss die Augen, holte tief Luft und spielte durch, was ihre Psychologin sie gelehrt hatte. In Gedanken sah sie sich ins Gebäude gehen, aufrecht, selbstbewusst, und am Empfang stehen und sich vorstellen.

Es wird alles gut. Die Umgebung war sicher, sie hatte einen Plan, und sie musste daran glauben, dass alles nach diesem Plan verlief.

Abi griff nach ihrer Handtasche, atmete wieder tief durch und öffnete vorsichtig die Fahrertür, sorgsam darauf bedacht, den Lack des neben ihr parkenden Autos nicht zu beschädigen.

Immerhin hast du es bis hierher geschafft, sagte sie sich. Durch den Berufsverkehr von Los Angeles. Stumm redete sich Abi gut zu, während sie dem Hinweisschild Richtung Klinik folgte. Ein kurzer Pfad führte sie zum Haupteingang des Gebäudes, und als sie um die Ecke bog, hielt sie unwillkürlich den Atem an.

Die Aussicht war unglaublich. Kein Smog trübte den klaren blauen Februarhimmel – einer der Vorteile in der Winterzeit –, und Abi konnte über Los Angeles hinweg bis zur Küste blicken, wo der Pazifik in der Morgensonne schimmerte. Sie wandte sich wieder der Klinik zu, einem lang gestreckten, eleganten hellen Bau, der nach Westen hinaus blitzblank funkelnde Fenster zeigte. Der Vorplatz zwischen der Fensterfront und der halbrunden Auffahrt wurde von herrlich bepflanzten Beeten und perfekt gestutzten Hecken gesäumt.

Am Eingang stand ein niedriges, dezent gestaltetes Schild mit silbernen Buchstaben auf weißem Untergrund: Hollywood Hills Klinik.

Trotz des Namens hatte Abi den Eindruck, ein Fünf-Sterne-Luxusresort zu betreten. Das Schild brauchte nicht besonders groß zu sein. Wer hier eintraf, wusste genau, wo er war. Niemand kam ungeplant oder unangemeldet.

Ihr Bewerbungsgespräch hatte sie telefonisch geführt, und obwohl sie sich über die Klinik und das Management informiert hatte, übertraf die Wirklichkeit ihre Vorstellungen bei Weitem. Anlage und Gebäude der Hollywood Hills Klinik strahlten Noblesse, Reichtum und Exklusivität aus.

Abi sah ihr Spiegelbild in der Glasfassade, rückte automatisch die dunkelblaue Kostümjacke zurecht und vergewisserte sich, dass sie die Bluse richtig in den Bleistiftrock gesteckt hatte. Die Zivilkleidung fühlte sich im Vergleich zu dem festeren Stoff ihrer Uniform, die nicht so leicht verrutschte, zu glatt und zu leicht an. Ihre flachen Absätze klackten auf dem Gehweg. Sie fragte sich, ob sie vielleicht nicht elegant genug angezogen war. Den teuren Wagen auf dem Parkplatz nach zu urteilen, waren ihre Kolleginnen und Kollegen um einiges kultivierter als sie. Plötzlich kam sie sich vor wie eine Landpomeranze, die zum ersten Mal eine Großstadt besuchte.

Du bist in L. A. aufgewachsen, sagte sie sich. Du bist eine ausgezeichnete Ärztin und wirst eine geschätzte Mitarbeiterin sein.

Sie musste nur ihren Job gut machen, alles andere war zweitrangig. Sie brauchte diese Stelle, weil ihr Geld nicht ewig reichen würde, und ihre Psychologin hatte ihr geraten – eindringlich sogar –, ihre Reserven und Grenzen zu testen.

Die Türen glitten geräuschlos auseinander, und Abi betrat ein weitläufiges, modernes Foyer. Der Empfang befand sich vor einem breiten Fenster, das den Blick auf die Stadt freigab. Auf der gegenüberliegenden Seite lag ein großer Hof mit einer kunstvollen Brunnenanlage und überdimensionalen Skulpturen. Weitere Skulpturen und dezent beleuchtete Bilder zeitgenössischer Kunst schmückten die Eingangshalle. Das Ganze wirkte wie eine Kunstgalerie, der man ein stilvolles Hotel angeschlossen hatte.

Abi näherte sich dem Empfang, einer langen Marmorplatte, über der zwei funkelnde Kronleuchter hingen und an dessen linkem Ende ein üppiges Blumenbouquet prangte.

Nichts deutete darauf hin, dass man sich in einer medizinischen Einrichtung befand. Selbst die Frau hinter dem Empfangstisch sah aus, als wäre sie einem Hochglanz-Modemagazin entstiegen. Perfekte, seidig schimmernde Bobfrisur, makelloses Make-up. Abi fühlte sich mehr und mehr wie die Cousine vom Land, die sich kaum einen Schritt weitertraut, weil sie nicht glamourös genug ist.

Sie versuchte, die Gedanken beiseitezuschieben, stellte sich vor und erklärte, dass Freya Rothsberg sie erwarte. Die Klinik gehörte Freya und ihrem Bruder James. James war ein international anerkannter Facharzt für Plastische Chirurgie, der sich auf Schönheitsoperationen spezialisiert hatte. Und Freya kümmerte sich, nach allem, was Abi gehört hatte, um die Öffentlichkeitsarbeit der Hollywood Hills Klinik. Mit ihr hatte Abi auch das Bewerbungsgespräch geführt.

„Herzlich willkommen!“, ertönte eine helle Frauenstimme. Das musste Freya sein.

Sie war ungefähr in Abis Alter, also Anfang dreißig, und gleich groß. Aber das war auch schon alles an Ähnlichkeit. Je näher sie kam, umso stärker fielen die Unterschiede auf. Freya bot den Anblick einer Frau, die in die sonnengeküsste Glamourwelt von L. A. und den Hollywood Hills gehörte: dunkle lockige Haare, die ihr in natürlichen Beach Waves auf die Schultern fielen, leuchtend blaue Augen und selbst im Winter leichte Sonnenbräune. Sie hatte den typischen Cheerleader-Look – schlank, fit, durchtrainiert –, und Abi konnte sich nicht vorstellen, dass in Freya Rothsbergs Leben jemals irgendetwas schiefgegangen war.

Im Vergleich dazu fühlte sich Abi wie die blasse Imitation eines L. A.-City-Girls, obwohl sie in Los Angeles geboren und aufgewachsen war. Ihr kinnlanges dunkelbraunes Haar mit einem Stich Mahagoni umrahmte mit fedrigen Strähnen ihr ovales Gesicht, und ihre porzellanhelle Haut schien nie die Sonne gesehen zu haben. Abi fand sich eher nichtssagend und nicht besonders hübsch. Nur ihre Augen waren etwas Besonderes, und sie merkte es an Freyas Reaktion, als ihre Blicke sich trafen. Sie waren von einem warmen Goldbraun wie schimmernder Bernstein, ähnlich den Glasaugen eines Plüschteddybären. Die Farbe war ungewöhnlich, und Abi wusste, dass sich die Menschen als Erstes an ihre Augen erinnerten.

„Hallo, ich bin Freya Rothsberg.“ Sie schüttelte Abi kräftig die Hand. „Wie schön, Sie kennenzulernen! Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier bei uns. Oh, warten Sie, da muss ich Ihnen gleich jemanden vorstellen.“ Ein Mann hatte das Foyer betreten, und sie wandte sich ihm zu. „Damien?“

Er kam auf sie zu, und Abis erster Gedanke war: Göttlich! Kein anderes Wort hätte den Mann besser beschreiben können. Gab es nur schöne Menschen in dieser makellosen Umgebung?

Mit Dreitagebart, braunen, fast schwarzen Augen und dem kurz geschnittenem, vollen schwarzen Haar sah er atemberaubend aus. Dazu war er groß und schlank, athletisch gebaut wie ein Model. Sein Anzug wirkte maßgefertigt, das weiße Hemd stand am Kragen offen und ließ glatte, sonnengebräunte Haut sehen.

„Abi, dies ist Damien Moore, unser Chefarzt für Rekonstruktive Chirurgie“, stellte Freya ihn vor, als er vor ihnen stand.

Der Name war ihr nicht fremd. Dieser umwerfende Mann war ihr neuer Vorgesetzter. Sie ertappte sich dabei, dass sie nach Anzeichen für schönheitschirurgische Eingriffe suchte, und hoffte gleichzeitig, dass er einfach nur gute Gene besaß. Auch wenn sie sich für Plastische Chirurgie entschieden hatte, so fand sie eitle Männer nicht gerade attraktiv. Andererseits sollte es sie wirklich nicht interessieren, was Damien Moore mit seinem Körper oder in seinem Privatleben anstellte!

„Damien, das ist Abi Thompson, die neue Kollegin im chirurgischen Team.“

„Dr. Thompson.“ Er nickte ihr knapp zu. Alles an ihm wirkte dunkel und intensiv. Sehr ernst. Er wirkte kontrolliert – oder war die unterkühlte Begrüßung ein Zeichen dafür, dass sein erster Eindruck von ihr nicht der beste war?

Die Selbstzweifel waren da, bevor Abi gegensteuern konnte. Entspann dich, sagte sie sich. Es besteht kein Grund, dass er dich auf den ersten Blick nicht leiden kann.

Als sie seine ausgestreckte Hand ergriff, durchzuckte es sie wie ein Stromschlag. Es fühlte sich an, als hätte sie sich verbrannt, und sie zog die Hand rasch zurück. Nur mit Mühe konnte sie sich zurückhalten, ihre Handfläche auf Rötungen zu untersuchen.

„Ihr Fachgebiet ist Rekonstruktive und Plastische Chirurgie?“, fragte er, ohne anscheinend auch nur das Geringste gespürt zu haben. Hatte er das sengende Prickeln nicht empfunden? „Sind Sie voll qualifizierte Chirurgin?“

Was zum Teufel wollte er damit sagen? „Natürlich!“, antwortete sie.

„Ihr Lebenslauf ist sehr ausführlich.“

Unterstellte er etwa, dass sie ihn geschönt hatte? Abi begegnete seinem kühlen Blick und spürte, wie ihr altes Temperament sich regte. „Ich warte gern, bis Sie meine Bewerbungsunterlagen geholt haben, dann können wir jeden Punkt zusammen durchgehen.“ Es hätte sie nicht gewundert, wenn Dampf aus ihren Ohren gequollen wäre, und sie wusste, dass ihre bernsteinfarbenen Augen Blitze sprühten. Falls sie jedoch erwartet hatte, dass er sich entschuldigte, so täuschte sie sich.

„Ich habe zwei Jahre lang in einem Feldhospital in Afghanistan Soldaten zusammengeflickt“, fuhr sie fort. „Also Amputationen so durchgeführt, dass sich später Prothesen gut anpassen lassen, Hände repariert, Finger wieder angenäht oder am Straßenrand unter Feuerbeschuss Verwundete versorgt. Ich denke, ich bin in der Lage, hier zu arbeiten. Ihre Einrichtung und auch Ihre Patienten werden mir keine Schwierigkeiten bereiten.“

Ein Feldlazarett mochte mit einer luxuriösen Schönheitsklinik nicht zu vergleichen sein, aber aus Erfahrung wusste sie, dass die Umgebung keine Rolle spielte. Sie war gut in ihrem Job, sogar sehr gut, und das ließ sie sich von niemandem kleinreden.

Ihr entging nicht, dass Freya amüsiert dem Gespräch lauschte und anscheinend ein Lachen unterdrückte. Im nächsten Moment jedoch klingelte ihr Handy, und sie warf einen Blick auf das Display.

„Das ist Mila. Entschuldigt, aber da muss ich rangehen. Wir wollten die letzten Vorkehrungen für die Veranstaltung am Wochenende besprechen. Damien, könntest du Abi kurz durch die Räume führen? Wir sehen uns dann später in der Teepause.“

Ein Anflug von Panik erfasste Abi. „Es macht mir nichts aus, auf Sie zu warten.“ Das war um vieles verlockender, als mit Damien die Klinik zu besichtigen. Damien, der keine hohe Meinung von ihr zu haben schien. Außerdem verunsicherte er sie. Auf diesen Stress konnte sie verzichten, vor allem an ihrem ersten Tag.

Doch Freya hatte sich bereits abgewandt, um zu telefonieren.

„Da müssen Sie wohl oder übel mit mir vorliebnehmen“, sagte er, nachdem sie einander schweigend angestarrt hatten. „Kommen Sie, so können wir uns gleich besser kennenlernen. Und sehen, ob wir gut miteinander arbeiten können.“

Keine verlockende Aussicht. Nervös fragte sich Abi, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, die Stelle am Hollywood Hills anzunehmen. Sie bereute es längst, dass sie kein persönliches Bewerbungsgespräch geführt und sich die Klinik nicht vorher angesehen hatte.

Beruhige dich, redete sie sich gut zu, holte tief Luft und versuchte, sich zu fassen. Sie musste auf jeden Fall professionell und souverän wirken. Nicht auszudenken, wenn sie in den ersten fünf Minuten vor ihrem neuen Chef eine Panikattacke bekam!

„Was haben Sie bei Ihrem Bewerbungsgespräch schon gesehen?“, fragte Damien.

„Ich bin heute zum ersten Mal hier. Das Gespräch erfolgte nur telefonisch.“

„Verstehe. Ich war zu der Zeit nicht hier und hatte gedacht, dass während meiner Abwesenheit alles geregelt wurde. Wollten Sie nicht wissen, wie Ihr künftiger Arbeitsplatz aussieht?“

„Ich kenne den Ruf der Klinik. Das genügt mir.“ In Wirklichkeit hatte die abgeschiedene, gesicherte Lage den Ausschlag gegeben. Abi war noch nicht bereit, in einem großen öffentlichen Krankenhaus zu arbeiten. Sie wollte nicht um ihr Budget kämpfen oder in stundenlangen Besprechungen ihre Zeit verschwenden. Sie war noch nicht stabil genug für Notfälle, Hektik und Schichtdienste. Stattdessen brauchte sie geregelte Arbeitszeiten, einen verlässlichen Tagesrhythmus und ausreichend Schlaf. Und genau das versprach diese kultivierte, friedvolle Umgebung.

Damien brachte sie zu ihrem Sprechzimmer, das mit hellen Eichenmöbeln und Ledersesseln ausgestattet war. Breite Fenster mit Jalousien, die von außen vor Blicken schützten, boten einen grandiosen Ausblick auf Los Angeles. Damiens Büro lag nebenan. Sie teilten sich eine Sekretärin, die ihre Sprechzeiten und OP-Termine verwaltete.

Abi erwartete, dass er sie Jennifer überließ, damit sie die Besichtigung mit ihr fortsetzte. Doch zu ihrer Überraschung führte er sie weiterhin persönlich durch die Klinik. Sie wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. War er einfach höflich, oder wollte er die Gelegenheit nutzen, sie über ihre beruflichen Qualifikationen auszufragen?

Und wenn schon, dachte sie. Sie war jeder Frage gewachsen.

Als Nächstes zeigte er ihr den Reha-Bereich, ausgestattet mit Fitnessgeräten und Hydrotherapie-Becken, die von den Physiotherapeuten genutzt wurden. Danach ging es zu den OP-Sälen. Abi staunte nur. Hier war an nichts gespart worden.

„Das ist etwas anderes als das, was Sie gewohnt sind, oder?“, meinte Damien, als er die Schwingtüren zum OP aufstieß.

„Die medizinische Ausrüstung ist top, aber die Armee gibt mit Sicherheit kein Geld für moderne Kunst und Marmorfußböden aus.“

„Unsere Patienten stellen hohe Ansprüche – nicht nur an unsere fachlichen Qualitäten, sondern auch an den Service. Die Reichen von Los Angeles sind es gewohnt, dass sie bei jeder Kleinigkeit bedient werden. Wenn sie durch unsere Tür kommen, erwarten sie die gleiche Aufmerksamkeit, die sie auch beim Betreten eines Hotels oder Restaurants genießen. Sie wollen verwöhnt werden.“

Mit den Erwartungen der Patienten würde sie klarkommen. Das war nichts, verglichen mit dem, was sie erlebt hatte. In der Armee musste man nehmen, was kam. Da konnte man keine Ansprüche stellen. Menschen am Leben zu erhalten und ihnen größtmögliche Bewegungsfreiheit zu geben, das war das Wichtigste. An sich und ihre Fähigkeiten stellte Abi jedoch extrem hohe Ansprüche. Allerdings war es weniger belastend, in dieser Luxusklinik einen Millionär zu operieren als einen Verwundeten unter Feuerbeschuss.

Genau deshalb wünschte sie sich einen Job, der nicht gefährlich war. Sie brauchte Frieden und Sicherheit und eine Arbeit ohne hohen Stress wie in Afghanistan.

Die Umgebung war das eine, die Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete, das andere. Um Stressfaktoren zu minimieren, musste sie sich auf ihre Kolleginnen und Kollegen verlassen können. Es war an der Zeit, Damien selbst ein paar Fragen zu stellen.

„Seit wann sind Sie hier dabei?“

„Seit zwei Jahren.“ Mehr gab er nicht preis. „Hier sind die Beobachtungsräume, und gleich kommen wir zu den Patientensuiten.“

Sie waren erst ein paar Schritte den Flur entlanggegangen, als aus den Deckenlautsprechern eine Durchsage ertönte. „Code blau, Zimmer fünf. Wiederhole, Code blau, Zimmer fünf.“

Damien verlor keine Zeit. War er gerade noch neben ihr gewesen, rannte er jetzt mit langen Schritten den Korridor entlang.

Abi starrte ihm nach.

2. KAPITEL

Die hochgewachsene Gestalt entfernte sich rasch, und schließlich kam Bewegung in Abi. Sie folgte Damien, während noch immer die Stimme über ihrem Kopf mahnte: „Code blau, Zimmer fünf.“

Damien sprintete an zwei Räumen vorbei und drückte die Tür zum dritten mit der Schulter auf. Kurz nach ihm kam Abi in einem der größten Krankenzimmer an, das sie je gesehen hatte. Vor der Wand stand ein breites Bett. Eine Krankenschwester kniete darauf und versuchte, mit Herzdruckmassage eine junge Frau in einem blassrosa Seidenpyjama wiederzubeleben.

„Herzstillstand. Reagiert nicht, keine Atmung, kein Puls“, stieß sie hervor, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Sie war gut, die Kompressionen fest und tief.

Die Schlafanzugjacke war offen, und Abi fiel als Erstes auf, wie dünn die Patientin war. Man sah deutlich jeden Rippenbogen.

„Ellen, das ist Dr. Thompson“, stellte Damien vor, während er hinter das Bett griff und gegen die Wand drückte. Eine kleine Tür, die kaum sichtbar dort eingelassen war, sprang auf, und Damien zog einen Defibrillator aus dem Fach dahinter.

Mit geübtem Griff riss er die Verpackungen auf, und Ellen lehnte sich zurück, damit er die selbsthaftenden Elektroden anbringen konnte.

Abi beobachtete, wie er die Leitungen anschloss, die Maschine startete und auf den „Analyse“-Knopf drückte. Der Herzrhythmus der Patientin erschien auf dem Bildschirm und zeigte ein lebensbedrohliches Kammerflimmern.

Der Defi gab mit Automatenstimme Instruktionen.

CPR unterbrechen. Rhythmus-Analyse.

Schock empfohlen.

Mit jaulendem Ton lud sich der Apparat auf.

Patient nicht berühren.

„Weg vom Bett“, wies auch Damien an und vergewisserte sich, dass Abi und Ellen zurückgetreten waren, bevor er auf den blinkenden roten Knopf drückte.

Die Maschine löste den ersten Schock aus. Keine Veränderung auf dem Monitor.

Reanimation fortsetzen.

„Ellen, können Sie einen Zugang legen, Sauerstoffsättigung feststellen und einen Beatmungsbeutel holen?“ Damien senkte bereits das Bett herab, um die Herzdruckmassage fortzuführen.

Abi streifte sich die Schuhe ab, trat ans Bett und schob sich den Rock hoch, um mehr Beinfreiheit zu haben. Es war wohl doch keine gute Idee gewesen, ein Kostüm anzuziehen! Sie kletterte aufs Bett, überstreckte den Kopf der Patientin, bereit, die Atemspende zu geben, sobald Damien nach dreißig Kompressionen eine kurze Pause einlegte.

Nach zwei Minuten intensiver Wiederbelebungsmaßnahmen wurden sie von der Defi-Stimme unterbrochen.

CPR unterbrechen. Rhythmus-Analyse.

Schock empfohlen.

„Weg vom Bett“, sagte Damien und löste schließlich den zweiten Stromstoß aus.

Die Patientin war bleich, kaltschweißig, und an Mund und Kiefer zeigten sich bläuliche Verfärbungen. Abi und Damien setzten die Wiederbelebungsmaßnahmen fort, nur benutzte Abi diesmal den Ambu-Beutel, um Luft in die Lungen zu pumpen. Weitere zwei Minuten verstrichen.

CPR unterbrechen. Rhythmus-Analyse.

Schock empfohlen.

Und endlich zeigte sich nach dem dritten Schock eine normale Herzrhythmus-Linie. Abi ließ die Schultern sinken und glitt vom Bett. Zu dritt betrachteten sie erleichtert den Herzschlag auf dem Monitor.

Ellen entfernte die Defi-Pads und ersetzte sie durch EKG-Elektroden. Ein zweites Team, wahrscheinlich das Reanimationsteam, kam zum Bett. In der Aufregung hatte Abi nicht gemerkt, dass Verstärkung eingetroffen war. Und sie verschwanden so diskret und ruhig wieder, wie sie gekommen waren. Begleitet von Ellen, rollten sie die Patientin aus dem Raum, sicher, um sie zur Intensivstation zu bringen.

Abi war mit Damien allein.

Jetzt, da das Drama überstanden war, wusste sie nicht, wo sie hinblicken oder was sie tun sollte. Sie versuchte, Damien nicht anzusehen. Stattdessen betrachtete sie ihre Umgebung.

Das überdimensionale Bett war fort, aber der Raum trotzdem nicht leer. Vor einem Panoramafenster, das auf einen Innenhof hinausging, befand sich ein Wohnzimmerbereich mit Teppichböden, Ledersofa, wollweißen Polstersesseln und einem Couchtisch mit schwerer Marmorplatte. Abi trat ans Fenster und spürte dabei den dicken, weichen Teppich unter den Füßen.

Der Hof war von keiner Seite einsehbar, und doch war die Fensterscheibe getönt. Abi konnte nach draußen blicken, aber von draußen niemand herein. An das geräumige Zimmer schloss sich ein Bad an. Die Tür stand einen Spalt offen, sodass Abi einen Marmorwaschtisch mit Spiegel sehen konnte. Nirgends war medizinische Ausrüstung zu entdecken, und sie vermutete, dass man sie in speziellen Wandfächern verborgen hatte so wie den Defibrillator. Das Zimmer hätte auch zu einem Nobelhotel gehören können.

Patient bleibt Patient, dachte Abi. Die Einrichtung konnte noch so komfortabel und mondän sein, letztendlich ging es auch hier in erster Linie darum, das Leben eines Menschen zu verbessern und mitunter auch zu retten, wie gerade eben. Und genau das war ihre Aufgabe. Ob in Zivil oder in Uniform, sie würde das tun, wofür sie ausgebildet war … als Ärztin.

„Danke für Ihre Hilfe.“ Damien stellte sich neben sie. „Das ist noch einmal gut gegangen.“

War das alles, was er dazu zu sagen hatte?

Okay, wahrscheinlich erwartete man von ihr, dass sie selbstverständlich ihren Job machte. Dazu musste man sie nicht beglückwünschen. Dennoch hätte sie gern ein paar anerkennende Worte gehört, vor allem, nachdem er sie vorhin sehr kritisch behandelt hatte. Jetzt zweifelte er doch wohl nicht mehr an ihr, oder?

Sie selbst war froh darüber, wie sie mit der Situation fertiggeworden war. Sie war nicht in Panik geraten, hatte sich nicht gestresst gefühlt, sondern einfach getan, was getan werden musste. Ihre ärztlichen Fähigkeiten hatten nicht im Mindesten gelitten. Es war wie Radfahren – einmal gelernt, vergaß man es nicht wieder.

Ihr Privatleben mochte eine Katastrophe sein, ihr Selbstvertrauen am Boden liegen und sie selbst Mühe haben, in der großen weiten Welt draußen zurechtzukommen, aber in der vertrauten Umgebung eines Krankenhauses schien sie normal zu funktionieren. Eine beruhigende Entdeckung, die allerdings von der Enttäuschung getrübt war, dass Damien von ihr nicht besonders beeindruckt schien.

„Ich möchte eine Bemerkung zurücknehmen“, fügte er hinzu.

„Wie bitte?“

„Als ich vorhin Ihre Kompetenz infrage stellte, hatte ich vorschnelle Schlüsse gezogen, und das tut mir leid.“

„Danke.“ Ihr Tag erstrahlte plötzlich in hellerem Licht.

Autor

Emily Forbes
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